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Interview mit Jendrik Sigwart, Sänger
Sagen Sie mal …
Jendrik Sigwart, Sänger & Musicaldarsteller „Das ist ein geiles Stück …!“
Vor rund einem Monat vertrat Jendrik Sigwart mit seinem Song „I Don’t Feel Hate“ Deutschland beim Eurovision Song Contest. Im Interview verrät uns der 26-jährige Hamburger, woran er sich am liebsten erinnert und welche Projekte bei ihm in nächster Zeit anstehen.
Moin Jendrik! Du hattest die große Ehre, Deutschland beim diesjährigen Eurovision Song Contest (ESC) in Rotterdam zu vertreten. Das ist jetzt über einen Monat her. An was erinnerst Du Dich am liebsten?
Einen Monat schon? Krass. Woran erinnere ich mich am liebsten? An den Tag insgesamt, an die Aufführung und das ganze Drumherum. An das Zusammensitzen im Greenroom mit den ganzen Künstlerinnen und Künstlern. Und an das gemeinsame Feiern.
Konntet Ihr ganz unbeschwert feiern oder gab es viele Regeln zu beachten?
Wir mussten alle Regeln beachten und durften eigentlich nicht von unserer Couch weggehen, haben es dann aber doch manchmal gemacht. Das Ding ist, wir wurden ja alle jeden Tag getestet und waren alle negativ, sodass wir uns dann getraut haben, ein bisschen näherzukommen und uns zu unterhalten. Das war schön. Das war an dem Tag so, als wäre alles wieder normal. Ich meine, da waren 3.500 Leute im Publikum, die nebeneinandersaßen. Das fand ich krass. Aber es hat ja funktioniert. Oder gab’s irgendwelche riesige Wellen? Wenn, dann haben sie es echt gut verheimlicht.
Wie war der Auftritt für Dich, was hattest Du dabei für Gedanken?
Ich war nicht zufrieden mit meinem Auftritt. Warum, weiß ich nicht. Das war so ein Grundgefühl währenddessen. Ich hatte mir das Ziel gesetzt, es zu einhundert Prozent zu genießen und den Druck nicht an mich ranzulassen. Ich glaube, in dem Moment hab ich das dann doch nicht komplett geschafft. Es war ja klar, dass wir nirgendwo vorne landen, deswegen wollte ich es einfach gar nicht an mich ranlassen. Mein Traum war es ja, da hinzugehen. Aber wenn dann ein ganzes Land – oder zumindest die ESC-Fans –auf dich schauen, dann ist das natürlich schwer.
Du sagst, Du wolltest unbedingt zum ESC. Was fasziniert Dich so sehr an der Veranstaltung?
Naja, was ich daran so geil finde, ist dass da jeder sein kann, wie er will. Dass jeder akzeptiert wird, wie er ist. Das war nicht nur auf der Bühne so, sondern auch im Publikum. Da kann sich jeder verkleiden wie ein Freak und er kann leben, was er will, und alle akzeptieren das.
Und es wird nicht nur akzeptiert, sondern auch zelebriert. Jedes Land auf seine eigene Art und Weise. Als normaler ESC-Gucker kommt das nicht so rüber, da man nur jedes Land einzeln sieht. Aber vor Ort sieht man, jeder einzelne Künstler wird irgendwie gefeiert. Und das ist ziemlich süß und schön zu sehen.
Bunt, außergewöhnlich und mit breitem Grinsen: Jendrik (mitte oben) und seine Freunde nach dem Videodreh für „I Don’t Feel Hate“.
FOTO: PRIVAT
Seit wann hattest Du das Ziel, beim ESC aufzutreten?
Schon länger. Ich glaube, vor dem Studium habe ich es mir gedacht, aber nicht ausgesprochen. Und am Ende des Studiums hab ich es dann ausgesprochen. Da hab ich gesagt „Da steh ich irgendwann mal auf der Bühne, da will ich hin. Da hätte ich mal Lust drauf!“ Und meine Freunde meinten dann „Nä, Jendrik, Nein“ und ich so „Doch, ich will das!“
Aber ich habe den ESC auch schon immer geschaut. Früher mit meiner Familie und im Studium dann bei einem Kumpel mit riesigem Fernseher.
Warst Du von der Platzierung enttäuscht oder war es Dir echt egal?
Das ist schwer. Natürlich hätte ich gerne einen besseren Platz gehabt. So zwei, drei, vier Plätze besser. Das war ein bisschen schade. Aber was mich mehr trifft, ist die Reaktion von den deutschen ESC-Fans. Dass die nur noch sehen „Oh. Zweitletzter. Der ist dumm, der ist cringy. Oh, dieses besoffene Interview, was labert der für eine Scheiße?“ Und das ist dann schade, dass dieser ganze Weg, den ich dahin gemacht hab, einfach außen vorgelassen wird. Da muss ich aufpassen, dass ich das nicht an mich ranlasse und auch sage „Ich bin enttäuscht“, sondern mir sage „Ne Jendrik, du hast es geschafft. Du hast da so viel Arbeit reingesteckt“, das will ich nicht einfach wegschmeißen.
„Jeder wird akzeptiert und gefeiert, so wie er ist. Das macht den ESC für mich aus.”
Was hast Du denn alles für Reaktionen bekommen von Leuten, die Dir wichtig sind? Von Freunden, Familien, nicht nur von Unbekannten im Netz.
Die sind alle stolz. Da bin ich auch sehr froh, dass die alle hinter mir stehen. Das ist dann der Unterschied. Die ESC-Fans sehen einen dann nur als Künstler, als jemand, der seit Jahren im Business ist. Aber meine Freunde wissen ja auch, der macht das seit einem halben Jahr, das ist das erste Lied, dass er professionell aufgenommen hat. Und das ist schön, dass man diese Art von Feedback auch noch bekommt.
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Jendrik Sigwart und Volontärin Sophie Rhine beim Interview mit frischer Limo und viel Spaß Du bist also nicht festgelegt, ob Du Musicals und Theater machen möchtest oder als Solokünstler Musik produzierst?
Nee, ich bin gerade noch in dieser Suchphase. Ich hab jetzt durch den ESC gemerkt, dass mir das auch Bock macht. Aber eigentlich will ich auch nochmal Schauspiel ausprobieren oder auch in die Filmbranche. Mal sehen, wo der Weg hingeht.
Hast Du aktuell Projekte, die anstehen?
Fürs nächste Jahr Theater. Dieses Jahr will ich irgendwie noch ein Musikvideo drehen. Aber sonst steht erstmal nichts Festes an.
Wenn Du nochmal teilnehmen würdest, würdest Du irgendetwas anders machen? Oder würdest Du rückblickend nochmal teilnehmen?
Ja. Safe würde ich nochmal teilnehmen. Ich werde es vielleicht versuchen, auch wenn ich glaube, dass die deutschen ESC-Fans mich nicht nochmal wählen. Ich würde ein bisschen warten, bis ich mehr Erfahrung gesammelt habe in dem ganzen Business und mit Songwriting. Und dann würde ich nicht „Ich bin gerade in einer Suchphase – Musical, mit einem Song hingehen, wo ich sage „der passt zum ESC“, sondern mit einem Lied, Schauspiel, das ich selber schön Songwriting, ich find, wo ich mir denke möchte alles „das ist ein geiles ausprobieren!” Stück“.
Inwiefern glaubst Du, dass der Auftritt Dir als Künstler geholfen hat?
Viel. Viel, viel, viel viel, viel. Der hat mir die Motivation gegeben, weiterzumachen mit meiner eigenen Musik und noch mehr auszuprobieren. Er hat mir Erfahrung gegeben. Er hat mir die Audience gegeben, auch wenn es nur 2.000 Leute sind, das sind mehr als 100. Aber vor allem die Erfahrung und die Motivation, neben Musicals auch eigene Musik zu machen. Ich will irgendwie alles machen. Ich bin gerade in einer Findungsphase.
Hast Du Vorbilder?
Eine Freundin von mir ist ein Vorbild. Weil sie es schafft, trotz ihres Jobs und neben all dem, was sie macht, sich für andere Menschen einzusetzen und ehrenamtlich ganz viel macht und ganz viel organisiert. I don’t fucking know, wie sie das alles macht. Sie organisiert jedes Jahr ein riesengroßes Benefiz-Konzert und hat immer fünf neue Projekte nebenher, es ist unglaublich, da kann ich mir ganz viel von abgucken.
Künstlerisch mag ich Taylor Swift voll gerne. Aber ich hab gemerkt, dass da ganz viele sind, die meine Musik beeinflussen und sie nicht die einzige ist. Aber ich find es immer geil, wenn Künstler*innen persönlich von ihren Erfahrungen schreiben.
Was hat Dir in der Corona-Pause am meisten gefehlt? Und konntest Du die Zeit trotzdem produktiv nutzen?
Ja, ich habs zum ESC geschafft. Ohne Corona, so scheiße es klingt, hätte ich das nicht geschafft. Aber alle meine Jobs wurden abgesagt und ich dachte, ich versuche mal, eigene Musik zu machen und dazu ein Musikvideo zu drehen. Das konnte ich ja nur machen, weil alles andere nicht stattgefunden hat. Deswegen hatte ich die Zeit und konnte sagen „Jo, ich geh in einen Waschsalon und dreh da ein Musikvideo“. Gefehlt hat es mir besonders, Menschen um mich herum zu haben. Sich mit mehreren zu treffen und sich ohne schlechtes Gewissen berühren zu können. In einer Gruppe unterwegs zu sein, ohne sich illegal zu fühlen.
Was fasziniert Dich so sehr an der Ukulele? Die war ja auch im Video, mit auf der Bühne und Inhalt Deiner Bachelorarbeit.
Alles. Einfach alles. Sie ist leicht zu spielen, man lernt das ganz schnell. Sie hat immer einen hellen und erfrischenden Klang. Aber sie hat auch einen intimen, sanften Klang. Man kann Fröhliches und Melancholisches drauf spielen, das mag ich. Und es ist leicht, dafür Lieder zu schreiben.
Eigentlich hat meine Schwester eine Ukulele zum Geburtstag bekommen, da war ich 17 oder 18. Die hab ich mir dann genommen und alle damit genervt.
Super, das wars auch schon! Der KLÖNSCHNACK bedankt sich für das Gespräch.
Fragen: sophie.rhine@kloenschnack.de Infos: www.jendriksworld.com Instagram: mynameis_jendrik
ZUR PERSON: Jendrik Sigwart
wurde am 27. August 1994 in Hamburg geboren und wuchs in Volksdorf mit vier Geschwistern auf. Als Jugendlicher lernte er Klavier und Geige, mit 17 entdeckte er seine Begeisterung für die Ukulele. Jendrik studierte Musical und Vokalpädagogik an der Hochschule Osnabrück. Während des Studiums trat er in Musicals wie Peter Pan und Hairspray auf, auch in Grease und Berlin Berlin stand er auf der Bühne. Die pandemiebedingte Zeit ohne Auftritte nutzte er, um eigene Musik zu komponieren und sein erstes Musikvideo zu drehen. Mit ebendiesem Song „I Don’t Feel Hate“ vertrat er Deutschland beim ESC 2021 in Rotterdam.
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