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BUNDESTAGSWAHL
Michael Kruse wurde erst kürzlich zum Landesvorsitzenden der FDP gewählt
Interviewreihe zur Bundestagswahl Wie sieht das Ihre Partei?
In diesem Jahr wird ein neuer Bundestag gewählt. Doch wen oder was wählt man da eigentlich? Wir bringen monatlich zwei Interviews der Hamburger Landesvorsitzenden in Auszügen.
Michael Kruse, 1983 in Hamburg geboren, wurde am 25. April diesen Jahres zum Landesvorsitzenden der FDP Hamburg gewählt. Er ist ebenfalls Spitzenkandidat seiner Partei für die Bundestagswahlen.
Herr Kruse, wie ist die wirtschaftliche Grund- position der FDP im Moment?
Wir müssen in diesem Jahr alles daransetzen, die Bereiche der Wirtschaft, die aufgrund der Corona-Maßnahmen stark gebeutelt sind, wieder auf die Beine zu bringen.
Mein Vorschlag: Wir lassen diese Branchen, die monatelang im Lockdown waren, in diesem und im kommenden Jahr einfach mal komplett in Ruhe. Keine Steuerprüfung, keine Sozialversicherungsprüfung, keine Statistikpflicht. Das sind meine konkreten Vorschläge. So können sich diese Menschen auf ihr Geschäft konzentrieren und wir würden in diesen Branchen ein positives Signal setzen. Das Gute daran wäre, dass es den Staat nicht einen Euro kostet – die Bürokratie kann dann nachgeholt werden, wenn es die Unternehmen durch die Krise geschafft haben.
Wie schätzen Sie das Bildungssystem momentan ein? Was muss sich eventuell ändern?
Wir wollen die Qualität der Abschlüsse stärken: Wer ein Abitur bekommt, muss auch in der Lage sein, ein Studium zu beginnen. Dafür darf nicht so viel Unterricht ausfallen. Beim Thema Inklusion wollen wir Wahlmöglichkeiten behalten: Es gibt Kinder, für die sind individuelle Förderkonzepte an speziellen Schulen der richtige Weg, und es gibt Kinder, für die es viel besser ist, über Inklusion in einer ganz normalen Schule beschult zu werden. Kinder sind sehr unterschiedlich und deswegen müssen es auch die Schulformen sein, um auch unterschiedlich integrieren zu können. Wichtig ist, dass jedem jeder Weg offensteht.
Brauchen wir eine Frauenquote?
Nein, brauchen wir nicht. Ganz praktisches Beispiel: Wir haben gerade den FDP-Landesvorstand neu gewählt. Im Präsidium sitzen drei Frauen und drei Männer, ganz ohne Quote. Wir haben zwei aussichtsreiche Listenplätze. Einer ist männlich belegt, der andere mit Ria Schröder weiblich. Und ich sage Ihnen, was im Listenaufstellungsprozess nie eine Rolle gespielt hat: die Frage, ob jemand männlich oder weiblich ist. Wir wählen gute Leute nach vorne. Und das kann ich nur jedem raten. Und jeder, der sich mit dem Thema beschäftigt, lernt, dass heterogene Teams einfach besser „performen“.
Wie stehen Sie zu gendergerechter Sprache und Gendergerechtigkeit?
Wenn Sie sich die historische Entwicklung von Sprache anschauen, dann hat eins nie funktioniert: Von oben zu diktieren, wie Sprache zu funktionieren hat. Der Versuch, von oben eingreifen zu wollen, wie jetzt gesprochen werden soll, wird scheitern. Ich finde, dass man im persönlichen Gebrauch durchaus darauf achten kann, dass man alle Menschen auch anspricht und dass sich auch alle Menschen angesprochen fühlen. Aber eine Genderpflicht halte ich ebenso für falsch, wie den Versuch, es zu verbieten. Ein bisschen mehr Liberalität tut dieser Debatte gut.
Deutschland ist ein Zuwanderungsland. Wie soll sich Deutschland hier zukünftig aufstellen?
Wir brauchen Zuwanderung, vor allem um unseren Fachkräftebedarf zu decken. Wir sollten uns als Land dringend Gedanken darüber machen, wie wir die Rahmenbedingungen dafür richtig setzen. Wir haben uns bisher nicht als Einwanderungsland begriffen. In den 50ern und 60ern hat dieses Land das Thema Zuwanderung völlig falsch angefasst. Die deutsche Politik hat damals Menschen zum Arbeiten hergeholt und ihnen gesagt: „Ihr geht aber bald wieder.“ Sie wurden nie richtig integriert. Daraus sind viele Folgeprobleme entstanden. Dies sollte unser Land jetzt mal anders machen.
Was möchte die FDP beim Thema Infrastruktur bewegen?
Wir müssen den Turbo einlegen beim Infrastrukturausbau. Ich möchte mich für die sogenannte Präklusion einsetzen. Das bedeutet, in einem Planungsverfahren gibt es am Anfang einen Zeitraum, in dem Einsprüche vorgebracht werden können und die werden dann abgearbeitet. Es muss zukünftig einen finalen Zeitpunkt geben, an dem der Prozess abgeschlossen ist und man an die Realisierung des Projekts geht.
Auch bei der digitalen Infrastruktur müssen wir schneller und besser werden. Die Debatte um 5G hat gezeigt, dass die deutsche Politik noch redet, während andere Länder bereits flächendeckend neue Technologie zum Einsatz bringen. Wer die digitale Infrastruktur stiefmütterlich behandelt, sägt an dem Ast, auf dem wir sitzen.
Wir danken Ihnen für das Gespräch.
Fragen: michael.wendland@kloenschnack.de Der Klönschnack ist Teil der freien Presse. Die Veröffentlichung dieser Interviews ist keine Parteinahme oder Ausdruck politischer Gesinnung unsererseits. Das ausführliche Interview finden Sie online unter: