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EIN BESUCH IN VENEDIG
Sicher wird man eines Tages wieder unabhängiger reisen können …
Sommer Aufbruch in eine alte, neue Stadt am Ende der Pandemie
Mehr als 15 Jahre war ich nicht mehr in Venedig. Als jetzt auch dort die Corona-Maßnahmen gelockert wurden, gab es für mich kein Halten mehr. Bevor die Kreuzfahrtschiffe im Sommer anlegen und viele Passagiere in die Lagunenstadt ausspucken, wollte ich unbedingt das noch „ruhige“ Venedig sehen, befreit von touristischen Völkerwanderungen.
Also haben wir eine Reise mit dem Auto durch Venetien geplant. Anders als früher reicht es momentan nicht, die Reiseroute zu bestimmen und Unterkunftsmöglichkeiten zu suchen. Viel Zeit haben wir vor Reisebeginn im Internet verbracht, um die aktuellen coronakonformen Einreise- und Aufenthaltsbedingungen zu studieren. Manchmal fühlte es sich an, als wenn wir eine Überseereise in exotische Länder planten: Muss man vollständig geimpft sein oder reicht der Nachweis einer Impfung? Schnelltest oder PCRTest, welches Land setzt was voraus, damit der Urlauber einreisen kann? Muss man als Rückkehrer in Quaran täne? Nein, schließlich war Italien zu diesem Zeitpunkt kein Hochrisikogebiet mehr. Ohne Computer hätten wir uns schwergetan, an all die Informationen zu kommen und entsprechend die nötigen Unterlagen zu besorgen.
In jedem Falle mussten wir von München zuerst durch Österreich. Dort galten andere Regeln als in Italien. Auch hier wurde das Internet zum Reiseführer. Transitreisende brauchen nur einen gültigen Schnelltest, hieß es, den man an der Grenze vorzeigen müsse. Das war kein Problem. Ohne den konnten wir ohnehin nicht losfahren, schließlich war er für jedes Hotel in Italien notwendig. Ohne Schnelltest, kein Zimmer. Wie lange dessen Ergebnis gültig war, hing vom Land ab. Was in Deutschland nur 24 Stunden galt, war in Italien auch nach 48 Stunden noch gültig. Das war zumindest unsere Er-
fahrung. Entgegen sonstiger Gewohnheit hielten wir es für besser, Hotelzimmer vorzubuchen. Bevor wir losfahren konnten, mussten wir ein Einreiseformular ausfüllen und online ans Hotel schicken. Mit allen erforderlichen Unterlagen ging es dann endlich los. Wir hatten alles abgespeichert, den Computer jederzeit greifbar. Eigentlich war das ja keine große Reise, fühlte sich aber wie der Aufbruch zu einer mutigen Expedition an. Ich gebe zu, ein bisschen nervös war ich bei der Abfahrt. Hatten wir wirklich alles bedacht? Reisen gehörte früher zu meinem Leben, beruflich und privat. Nachdem wir aber über Monate alle zu Hause bleiben mussten und jeder Ortswechsel die Leichtigkeit eines Spaziergangs verloren hatte, war ich etwas aus der Übung. An der ersten Grenze warteten wir eine Weile, wurden dann ungeprüft durchgewunken, weil neben uns ein Schwertransport-Konvoi Platz brauchte und die volle Aufmerksamkeit der Grenzbeamten auf sich zog. Dann kam Italien. Auch hier wollte man nichts von uns wissen. Das war nach den umfangreichen Vorbereitungen fast schon enttäuschend. Um die Geschichte abzukürzen, unsere Reise verlief wie in früheren Zeiten – mit einer Ausnahme. Essen durften wir nur im Hotel, in dem wir wohnten. Gerne hätte ich beim ersten Etappenziel in Cortina d’Ampezzo abends gemütlich ein Glas Wein woanders getrunken. Das war erlaubt, vorausgesetzt man blieb draußen und hatte bei spätwinterlichen Temperaturen im Mai auf 1.400 m Höhe Spaß daran. Tagsüber gab die Sonne ihr Bestes. Können Sie sich vorstellen mit nur wenigen Touristen am Markusplatz zu sein? Carabinieri in Ruhe über den Platz schlendern zu sehen, die nur eines interessierte – die stark dezimierte Anzahl der Tauben zu sichern. Füttern nunmehr verboten. Von der Rialto-Brücke auf einen leeren Canal Grande zu schauen? Mühelos im Restaurant einen Platz am Wasser zu bekommen, auf den man sonst lange hätte warten müssen? Wie anders und schön Venedig sein kann, weiß ich jetzt und bin dankbar für dieses Erlebnis. Jedes Formular und jeder Schnelltest war es wert, diese ErBarbara Herles, 63, besuchte die Deutsche Journalistenschule fahrung machen zu können. Auch wenn wir vor Ort nichts davon gebraucht haben. und studierte an der Ludwig- Sicher wird man eines Tages wieder unMaximilians-Universität in Mün chen. Mehr als 20 Jahre lang organisierte sie für eine überre- abhängiger reisen können. Wir haben uns digital intensiv auf die kurzen Ferien vorbegionale Tageszeitung nationale und internationale Veranstaltungen. Seit Anfang 2020 arbeitet reiten müssen. Im Nachhinein war es der Start für ganz besondere Momente, die nur sie freiberuflich. in Pandemie-Zeiten so sein konnten, wie sie waren. Barbara Herles