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Stellungnahme Anna-Theresa Korbutt : „Ist die Menschheit noch nicht so weit, ÖPNV als Sharing-Mobility in ihr Leben zu integrieren?“

Jetzt entdecken viele Menschen, wie es ist, sich mit Bus und Bahn im Alltag oder in der Freizeit zu bewegen

ANNA-THERESA KORBUTT. 9-Euro-Ticket Wann, wenn nicht jetzt?

Das 9-Euro-Ticket, das zum Entlastungspaket der Bundesregierung gehört, ist ein Geschenk für den öffentlichen Nahverkehr, eine riesige Chance für die Branche.

Denn endlich steht damit auch mal der ÖPNV im Fokus der Bundespolitik und des – zumeist positiven – öffentlichen Interesses.

Noch einmal kurz zusammengefasst: Seit dem 1. Juni können Fahrgäste drei Monate lang für nur 9 Euro monatlich den gesamten Nah- und Regionalverkehr in Deutschland nutzen. Alle Fahrgäste, unsere Bestandskundinnen und -kunden, aber auch neue Fahrgäste und Gelegenheitskundinnen und -kunden profitieren von dem Angebot. Bürgerinnen und Bürger im HVV-Gebiet werden durch das 9-Euro-Ticket voraussichtlich um mehr als 130 Millionen Euro entlastet, davon entfallen mehr als 100 Millionen allein auf Hamburg – das gab es noch nie.

Diese Chance wollten wir uns nicht entgehen lassen und haben daher sofort nach dem Vorstoß der Bundesregierung alle Kräfte gebündelt und alles in die Waagschale geworfen, um das 9-Euro-Ticket schnellstmöglich in die Tat umzusetzen. Dazu gehörte, alle Prozesse und Mechanismen auf das 9-Euro-Ticket umzustellen und außerdem den Start einer großen begleitenden Kampagne vorzubereiten. Denn für uns war von Anfang an klar: Die noch nie da gewesene günstige Monatskarte wird auch der Mobilitätswende enormen Auftrieb geben. Wann, wenn nicht jetzt, ergreifen auch Menschen, die bisher aus den unterschiedlichsten Gründen zurückhaltend oder vielleicht sogar skeptisch waren, Bus und Bahn im Alltag oder in der Freizeit zu nutzen, die Gelegenheit, es nun einfach mal auszuprobieren? Der Erfolg des 9-Euro-Tickets gibt uns Recht: Die Nachfrage für das 9-Euro-Ticket ist seit Beginn des Vorverkaufs am 20. Mai ungebrochen hoch und hat unsere Erwartungen deutlich übertroffen. Schon in den ersten drei Tagen wurden knapp 130.000 9-EuroTickets gekauft, inzwischen haben wir die 1-MillionenMarke geknackt. Hinzu kommen 680.000 Abos, die auf das 9-Euro-Ticket umgestellt wurden.

Damit ist das 9-Euro-Ticket gleichzeitig und eher „by the way“ ein großes bundesweites Experiment, von dem der HVV und überhaupt die Branche mit Blick auf die Zukunft des Nahverkehrs und der Mobilitätswende einen hohen Erkenntnisgewinn werden ziehen können. Wir führen Marktforschungen durch, zu Beginn der dreimonatigen Phase des 9Euro-Tickets und zum Schluss. Auch viele andere Institutionen befragen Nutzerinnen und Nutzer des 9-Euro-Tickets, sodass wir uns auf ein großes Portfolio repräsentativer Ergebnisse freuen können – gerade auch von Kunden, die uns vorher nicht auf dem Schirm hatten. Wir sind gespannt, denn die Gretchenfrage für uns lautet: Was passiert, wenn das 9-Euro-Ticket am 31. August ausläuft? Bleibt die zusätzliche Nachfrage am öffentlichen Nahverkehr dann aus? Wenn ja, ist es dann nur das fehlende Angebot oder hat uns der Preis bisher gebremst? Welche Angebote braucht es, um die Fahrgäste auch künftig für die Mobilitätswende zu begeistern? Oder ist die Menschheit einfach noch nicht so weit, ÖPNV als SharingMobility in ihr Leben zu integrieren? Fragen über Fragen, die wir auch im direkten Dialog mit ausgewählten Kundengruppen – Familien, GAST KOLUMNE Pendler, Seniorinnen und Senioren zum Beispiel – ansprechen. Haben sie den HVV in den drei Monaten mehr genutzt? Wären Busse und Bahnen auch langfristig eine gute Alternative zum Auto? Schon vor dem Start des 9-EuroTickets gab es viel Kritik von allen Seiten und viele Unkenrufe, was alles schieflaufen könnte. Und ja, wir erleben teilweise überfüllte Busse und Bahnen, vor allem an Wochenenden und Feiertagen. Das war angesichts der hohen Nachfrage seit Start des Vorverkaufs absehbar. Aber darüber und zum Beispiel über die Frage, ob die Bundesregierung die insgesamt 2,5 Milliarden Euro für das 9-Euro-Ticket und damit für die Entlastung der Bürger besser gleich in den Ausbau der Schieneninfrastruktur und in den Ausbau der Kapazitäten im ÖPNV hätte investieren sollen, sollten wir nach dem 31. August, ausgestattet mit neuen Erkenntnissen zu unserem System, weiter diskutieren. Anna-Theresa Korbutt: Denn wenn die Verkehrswende gelingen Seit April 2021 Geschäfts- soll, müssen wir das 9-Euro-Ticket als führerin des HVV, zuvor in führenden Positionen bei der Deutschen Bahn und den Chance begreifen und daraus für die Zu kunft lernen. Packen wir es an! Österreichischen Bundesbahnen Anna-Theresa Korbutt

FOTO: HVV

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