6 minute read
WOHNEN IN HAMBURG
Die Zeiten sind hart. Eigentlich ist der Wohlstand so hoch wie noch nie, doch zugleich auch die Armut. Die Wohlstandsschere geht weit auseinander. Da stellt sich die Frage, ob die Wohnschere mit auseinander geht, denn irgendwo muss man ja wohnen – am besten menschenwürdig.
Ist das in einer Großstadt noch möglich, in der die Kaufpreise für Immobilien stetig ansteigen? Und das tun sie nicht zu knapp – allein im vergangenen Jahr wurden Häuser in Hamburg und Umgebung knapp 20 Prozent teurer – Eigentumswohnungen „nur“ knapp 12 Prozent.
Im Mai wurde eine Quartiersstudie veröffentlicht, für die bundesweit 10.000 Menschen zu Wohnwünschen befragt wurden. Für manche Großstädte, darunter auch Hamburg, weist die Studie Details aus.
Wie will Hamburg wohnen?
Grün soll es sein. Viele Stadtbewohner hätten gerne mehr Natur vor der Tür: 58 Prozent wünschen sich einen Wald oder Park in der näheren Umgebung. Anteilig ist Hamburg bereits recht grün. Zu Buche schlagen hier aber auch die ländlichen Randgebiete. Sehr komfortabel hat es der Westen erwischt. Hier liegen besonders viele Parks und Waldgebiete.
Der Wunsch könnte im Zuge der Klimapolitik allerdings nicht nur aus optischen Gründen weiterverfolgt werden. Denn grüne Oasen in der Stadt helfen, die Temperaturen zu senken und schaffen Versickerungsflächen. Die sind in der Stadtplanung bereits vorgesehen.
So sucht die Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft derzeit zum zweiten Mal die schönsten Dachgärten und grünen Wände, die dazu auch noch einen Mehrwert für die Bewohner bieten. Die Behörde geht mit gutem Beispiel voran: Die Tiefgarage des Gebäudes ist mit einem grünen Dach samt Sitzmöglichkeiten ausgerüstet.
Neben der Natur geht es den Bewohnern aber auch um das soziale Gefüge und die Struktur des Wohnorts. Die Studie weist das als Wunsch nach einer Art Dorfcharakter in der Stadt aus. Eine interessante Entwicklung, denn sie könnte bedeuten, dass man in Zukunft die Stadtteile wieder mehr als autarke Bereiche plant. Das hätte den bemerkenswerten Nebeneffekt, dass Wege zum Einkaufen oder für andere grund legende Besorgungen kürzer werden. Das könnte die Straßen entlasten und das Klima schonen.
Dies ist ein Ansatz, den die Grünen in Hamburg bereits verfolgen. Die Idee dahinter: Zwar kann man nicht alle Einrichtungen in jedem Bereich der Stadt anbieten, etwa große Kulturangebote, man kann aber zum Beispiel vielseitige Einkaufsmöglichkeiten, Dienstleistungen, Kitas und Schulen bei der Quartiersplanung bedenken.
So könnte man in der Stadt weite Wege sparen. Die Studie weißt nach, dass die Hamburger sich das auch wünschen: 62,8 Prozent der Stadtbewohner wünschen sich,
dass viele Einrichtungen in Fußentfernung liegen. Mit dieser Einstellung liegen die Hamburgerinnen und Hamburger fast neun Prozent über dem Bundesschnitt.
Ein Drittel der Befragten findet zudem CO2-neutrale Gebäude wichtig. Viele der Bauprojekte, die geplant oder bereits umgesetzt werden, wie zum Beispiel das Holstenquartier oder der Grasbrook, kommen der Erfülllung dieser Wünsche in vielen Aspekten schon nach.
Also, grün soll es sein, möglichst dörflich, mit einer guten Infrastruktur und bestenfalls günstig. Wo gibt es das in Hamburg? Und ist dieser Ort wirklich der beliebteste zum Wohnen?
Wie wohnt Hamburg?
Man muss sicherlich unterscheiden zwischen bevölkerungsreichstem Stadtteil und beliebtesten. Rahlstedt war im Jahr 2020 mit 92.000 Einwohnenden der bevölkerungsreichste Stadtteil. Gefolgt von Billstedt mit 71.410 Einwohnenden. Am beliebtesten ist – auch wenn man darüber diskutieren könnte – Eimsbüttel. Dieser Stadtteil ist am dichtesten besiedelt. Zugleich ist er sehr heterogen von den Einkommen und der Altersstruktur seiner Einwohner. Landschaftlich bietet er viele Grünflächen, hat kulturelle Angebote, Hagenbeck, die Uni, Beiersdorf, das UKE ... Ein gesegneter Stadtteil, der natürlich auch eine gute Infrastruktur aufweist.
Wohnen in Hamburg Ein Dorf in der Großstadt?
Irgendwo muss man ja wohnen und wenn das „Irgendwo“ Hamburg ist, stellt sich gleich die Frage: Kann man es sich leisten und wie groß darf es denn sein? Wo wollen und wo können wir zukünftig wohnen?
Grün und zentral ist es zwar, doch für die breite Masse ist so eine Lage unerschwinglich
„Es soll grün und nachhaltig sein und am besten alles fußläufig erreichbar!“
Zwischen Hafencity und Veddel entsteht der Innovationsstadtteil Grasbrook
Aber es kann ja nicht überall so aussehen. Oder doch?
Innovationsstadtteil Grasbrook
In Hamburg entsteht auf dem Grasbrook, gegenüber der Hafencity und als Stadtteilnachbar der Veddel, ein komplett neues Stadtviertel. Dort, wo 2012 fast das Olympiadorf gebaut worden wäre, wird ein Quartier entstehen, dass die Innenstadt mit dem Süden Hamburgs verbindet und in vielerlei Hinsicht zukunftsweisend sein soll. Ein Innovationsstadtteil: Zum Beispiel wird es ein sehr grüner, autoarmer Stadtteil, der das Ziel der Wärmewende zeitgemäß verfolgen soll. Zugleich werden geschichtliche
Aspekte des Grasbrooks nicht einfach abgerissen, sondern integriert. Auch das ist ein wichiger Aspekt, denn so entsteht ein Stadtteil mit „Gesicht“, einem eigenen Charme.
Die Nähe zum Wasser wird das Quartier natürlich auch prägen. Das Thema Gartenbau war hier nicht nur eine Frage der Zierde, sondern ein integraler Bestandteil: Eine Grünfläche von sechs Hektar entsteht, ebenso eine vier Kilometer lange grüne Uferpromenade an Elbe und Hafenbecken.
Vorgesehen sind rund 3.000 neue Wohnungen – zum Mieten, Kaufen und für Genossenschaften und Baugemeinschaften. Hier sollen nicht wie in der HafenCity nur die Wohlverdiener wohnen – ein Drittel der Wohnungen sollen geförderte Wohnungen werden. Auch der gewünschte „Dorfcharakter“ wird aufgegriffen: Grundschule, Kitas, und Geschäfte sollen fußläufig erreichbar sein, auch Sport und Kultur werden laut Plan Platz finden – wie und wo bleibt abzuwarten. Zudem entstehen hier 16.000 Arbeitsplätze. Zu viele im Verhältnis zu den Wohnungen? Vielleicht. Mehr seien aufgrund von Straßen-, Bahn- und Gewerbelärm aber nicht möglich.
Hier sind viele positive Aspekte zu finden. Die Frage ist jedoch, ob das Viertel auch gut angenommen wird und nicht wie die HafenCity als Geisterviertel endet. Wer will hier wohnen und wer kann hier wohnen? Bleiben die bestehenden Bereiche der Stadt. Sie kann und muss man anpassen, um sie auch in Zukunft lebenswert zu erhalten oder sie wieder lebenswert zu machen. Dabei stößt man an Grenzen, die sich nicht verschieben lassen. Dazu gehören Denkmäler und Parks, aber auch geringe Ausbaumöglichkeiten bei Wegen. Letzteres wird eindrucksvoll an der Elbchaussee deutlich. Die kann nicht mit der Stadt mitwachsen.
Wo man nicht in die Breite wachsen kann, da soll es, zumindest nach der CDU, in die Höhe gehen. Die Christdemokraten verfolgen die Idee, bestehende Baukörper aufzustocken, um nicht noch mehr Flächen zu versiegeln. An sich ist das eine lobenswerte Idee. Denn die Flächenversieglung ist tatsächlich ein Problem fast jeder Metropole. In Zeiten wachsender Starkregenereignisse werden Versickerungsflächen wichtiger werden. Auch deshalb müssen sie bei künftigen Bauprojekten mitgedacht werden.
Aufstocken ist aber auch nicht immer möglich, auch wenn es durch eine Änderung der Bauvorschriften 2018 erleichtert wurde. Und es geht auch nicht nur um mehr Wohnraum, denn der allein macht eine Stadt nicht lebenswert.
Verschiedene Stadtteile, gleiche Wünsche
Zurück zur Frage: Wo wollen die Hamburgerinnen und Hamburger leben? Das ist nicht ganz einfach, denn nicht jedem gefallen die gleichen Dinge. Der Trend geht zum Landleben – besonders verstärkt durch die Pandemie, denn da wusste jeder auch einen noch so kleinen Balkon und nette Nachbarn plötzlich zu schätzen.
Im Westen Hamburgs ist das deutlich an Wedel zu sehen. Die attraktive Kleinstadt bietet ländliches Idyll und Nähe zur Großstadt, Entschleunigung und Hightech-Arbeitgeber. Der Zuzug ist seit Jahren groß und so steigen auch die Preise. Hier muss man auch bedenken, dass die Grundsteuer novelliert wird. Der Erwerb von Wohn eigentum wird dadurch stark beeinflusst werden. Dabei gilt für Wedel nicht das gleiche Besteuerungsmodell wie in Hamburg, da die Hansestadt einen Sonderweg geht.
Laut Umfragen wollen die Menschen in Hamburg also ähnlich wohnen – im Grünen und mit kurzen Wegen, letztlich wohnen sie aber sehr verschieden.
„Grasbrook soll innovativ und grün werden. Aber wer kann und will dort wohnen?“
Autoren: sophie.rhine@kloenschnack.de michael.wendland@kloenschnack.de
ZUR SACHE: Hamburgs Bevölkerung
Einwohner: 1.853.935 Fläche: 755,09 km2 Bevölkerungsdichte: 2.455 Einwohner pro km2 Wohnfläche: 40,2 m2 pro Einwohner Mietpreise bei 50m2: € 10,92 bis € 17,36 pro m2 – 2010 waren es gut € 4 weniger bevölkerungsreichste Stadtteile: Rahlstedt (92.000), Billstedt (71.000), Eimsbüttel (58.000) höchste Bevölkerungsdichte: Hoheluft-West mit 19.000 Einwohnern pro km2