11-12 Interview.qxp_kloen 25.11.21 08:34 Seite 11
INTERVIEW DES MONATS
Sagen Sie mal … … Dr. Christine Dahlke, Impfstoffforscherin am UKE
„Es ist vielversprechend.“ Christine Dahlke forscht am UKE an einem neuen Corona-Impfstoff. Im Interview spricht sie über die Vor- und Nachteile der Technologien und ein umstrittenes Thema: Ob und wann werden Kinder geimpft? Deshalb gibt es jetzt Impfstoff-Plattformen, wie zum Beispiel die mRNA-Impfstoffe und die Vektor-Impfstoffe. Diese nutzen nur noch das Gen eines Proteins – bei SARSCoV-2 zum Beispiel das Spikeproteins (ein aus der Virushülle ragendes Protein, Anm. d. Redaktion). Das Immunsystem wird also kurz trainiert, es werden Immunzellen gegen das Spike gebildet und danach werden die Impfstoffe auch abgebaut. Das Immungedächtnis für das Spike bleibt aber.
Ihr Impfstoffkandidat gegen Corona ist vektorWann wird Ihr Impfstoff verfügbar sein? basiert. Wo sehen Sie die Vorteile ihres ImpfIch kann mir vorstellen, dass es kein Impfstoffes? stoff für die Erstimpfung sein wird, sondern dass es eventuell eher ein Boost-Impfstoff sein könnte. Unsere Hoffnung ist es zunächst, dass er im nächsten Jahr an mehreren Menschen getestet wird.
Vektoren sind wie ein Taxi, das
hilfreiche Informationen in die Zellen einschleust, um der Abwehr zu helfen. Dr. Christine Dahlke im Labor. Ihr Impfstoff könnte in Zukunft beim Boostern helfen.
Bevor wir zu Ihrem Impfstoffkandidaten kommen, erklären Sie uns bitte kurz, wie eine traditionelle Impfung funktioniert. Man verabreicht das inaktivierte Virus. Der Körper lernt dieses Virus mit all seinen Bestandteilen kennen und produziert Antikörper und T-Zellen. Falls dann das richtige Virus kommt, ist der Körper trainiert und kann sich wehren. Es gibt ein paar Schwachstellen bei den traditionellen Impfstoffen: Die Entwicklung dauert relativ lange und sie brauchen Adjuvantien, sogenannte Wirkverstärker.
Der Pharmakonzern Sanofi hat die Forschung an seinem mRNA-Impfstoff eingestellt, weil die Konkurrenz zu groß sei. Warum forschen Sie weiter? Was kann Ihr Impfstoff noch bewirken? Zum einen geht es immer um die Plattform. Wir wollen unseren Vektor-Impfstoff immer besser verstehen und besser machen, um für die nächste Pandemie zu lernen. Unser Impfstoff hat einige Vorteile: Wir benutzen den Vektor des Pockenimpfstoffs, der bereits sehr viel verabreicht wurde. Wir haben viele Sicher- Lernen für heitsdaten dazu. Daher die nächste denken wir, dass es ein gu- Pandemie. ter Impfstoff ist, besonders für Ältere und eventuell auch für Kinder. Eben weil er gut verträglich ist und weil die Immunantwort so breit ist.
Der Vorteil ist, dass der Vektor an sich keine Wirkverstärker braucht, weil er das Immunsystem schon so sehr breit anregt. Er ahmt eine Virusinfektion nach, sodass Antikörper und T-Zellen hergestellt werden. Und das ist eben wichtig, besonders bei dem CoronaVirus. Denn hier sehen wir, dass die Antikörper nach gewisser Zeit doch wieder sinken und nicht mehr vor der Infektion schützen. Da brauchen wir ein weiteres Werkzeug des Immunsystems, eben die T-Zellen. Die können das Virus erkennen und abtöten.
Eine große Debatte ist derzeit die mögliche Impfung von Kindern. Halten Sie die für sinnvoll? Die Stiko (Ständige Impfkommission) hat letztlich gesagt, dass es einen Vorteil für Kinder gibt. Zwar ist das Risiko recht gering, dass Kinder schwer an Covid-19 erkranken, aber es gibt eben doch auch schwere Fälle. Das Risiko, dass Kinder aber schwere Nebenwirkungen bei den Impfungen haben, ist sehr gering. Wir sehen daher einen Nutzen in der Impfung. Deshalb wird jetzt die Möglichkeit für eine Kinderimpfung geschaffen. Man muss gut aufklären und sich bewusst machen, dass es Nebenwirkungen geben kann – etwa Fieber nach der zweiten Impfung. Aber die Datenlage zeigt schon ein sehr positives Bild. Wann denken Sie, wird ein Impfstoff für Kinder zugelassen und was für einer wird es sein? Es sieht so aus, dass es Biontech wird. Dort sind Studien unterwegs und die EMA (Europäische Arzneimittel-Agentur) begutachtet die Daten. Die Analysen zeigen, dass diese für Fünf- bis Elfjährige gut aussehen. Ich denke schon, dass es bis Ende des Jahres eine Zulassung gibt. Bis zehn Mikrogramm, also mit einer geringeren Dosis (Erwachsene erhalten 30 Mikrogramm).
Klönschnack 12 · 2021
FOTO: M.ADDO
Frau Dr. Dahlke, wo liegt derzeit ihr Fokus bei der Impfstoffforschung am UKE? Ein Teil unserer Forschung befasst sich mit dem angeborenen Immunsystem und dessen Reaktionen auf Impfungen. Werden zum Beispiel besondere Signalmoleküle ausgeschüttet oder sind Immunzellen besonders aktiviert. Dann versuchen wir daraus Schlüsse zu ziehen – beispielsweise ob wir schon am Tag eins vorhersagen können, ob eine Person gute Antikörper-Antworten hat oder gute T-Zell-Antworten (weiße Blutzellen, die der Immunabwehr dienen, Anm. d Red.). So verstehen wir besser, was ein Mensch benötigt, um auf den Impfstoff eine gute Immunreaktion zu haben.
Ein weiterer Vorteil ist auch die gute Verträglichkeit, die wir bisher bei unseren Studien beobachtet haben.
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