Weisser Dorfecho 180

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Abfallprodukt der Milchwirtschaft

„Jung, männlich, überflüssig?“

Muttergebundene Kälberaufzucht

S

o titelte jüngst eine Fachzeitschrift zum Thema „Milcherzeugung“, denn da, wo die Kuh Milch geben soll, muss sie auch zwangsläufig ein Kalb gebären. Ohne Kalb keine Milch! Also sind milchgebende Kühe quasi immer schwanger.

Die Tragzeit beträgt dabei genau wie beim Menschen 9 Monate. Nach der Geburt werden allerdings die Kälber fast immer sofort von der Mutter getrennt und separat aufgezogen, weil man ja die Milch verkaufen will und nicht an das Kalb verfüttern möchte. Dieses bekommt in der Regel noch die erste Biestmilch (auch Kolostrum genannt) mit wichtigen Inhaltsstoffen, um danach mit sogenanntem Magermilchpulver in den ersten Lebenswochen aufgezogen zu werden. Diese Magermilch wird energieaufwendig aus der Vollmilch hergestellt, pulverisiert, um dann mit heißem Wasser (und erneutem Energiebedarf) wieder zu flüssiger Milch verrührt zu werden. „Wie umständlich“ – mag sich so mancher fragen, aber groteskerweise ist dieses Verfahren billiger, als das Kalb direkt die Mutter(voll)milch trinken zu lassen! In meinen Augen ein agrarpolitischer Schwachsinn! 38

Kurzes Leben Nach der Geburt gibt die Kuh rund 30 Liter Milch pro Tag, die während der nun beginnenden Laktationsphase stetig abnimmt. Nach zwei Monaten spätestens wird die Kuh erneut besamt (man nennt das KB – künstliche Besamung), trägt dann ein neues Kalb aus und steht vor der nächsten Geburt die letzten 6-8 Wochen „trocken“, d.h. sie wird nicht gemolken, so dass sich der Organismus auf die bevorstehende Geburt vorbereiten kann. „Moderne“ Kühe, die auf hohe Milchleistungen gezüchtet sind, stehen im Schnitt 3,5 Laktationen im Stall ihres Landwirts, bevor sie aussortiert werden und zum Schlachter wandern. Die mittlere Nutzungsdauer einer Kuh liegt derzeit bei 2,7 Jahren, was 980 Tagen entspricht. Ein kurzes Leben! Dabei können Kühe problemlos auch älter als 10 Jahre werden! Aber die Hochleistungskühe sind dann anfällig für Krankheiten und werden lieber aussortiert. Wohin mit männlichen Kälbern? Womit wir beim Thema wären: 50% aller Kälber sind naturgemäß männlichen Geschlechts und geben keine Milch! Sie sind überflüssig, denn der Landwirt

braucht sie nicht zur Nachzucht! Wohin also damit? Diese Kälber werden schon nach wenigen Wochen an inländische und auch ausländische Mäster (Tiertransporte!!) verkauft und dort häufig mit billigem Milchersatz auf der Basis von Pflanzenfetten und Eiweiß gemästet, um schnell an Gewicht zuzulegen. Durch Zugabe von Antibiotika hofft man Krankheiten zu vermeiden, die durch das Zusammenlegen von vielen Kälbern aus unterschiedlichen Herkünften entstehen könnten. Diese Art der Kälbermast ist sehr effizient, aber nicht unbedingt artgerecht. Geht es auch anders? „Bruderkalb-Initiative“ Im vergangenen Dorfecho berichtete ich über die „Bruderhahn-Initiative“, die es schon zu einiger Bekanntheit in der Bevölkerung gebracht hat. Nun gibt es analog auch die „Bruderkalb-Initiative“! Dabei darf das Kalb mehrere Wochen oder sogar Monate bei seiner Mutter bleiben und deren Milch direkt aus dem Euter trinken (und nicht aus Nuckeleimern!). Spätestens nach vier bis sechs Monaten werden die Tiere entwöhnt, erhalten dann nur noch Weide- oder anderes Rauhfutter (bekanntlich hat das WEISSER DORFECHO 180


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