Kompass Gesundheit 4/2014

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Kompass Gesundheit DAS MAGAZIN FÜR BADEN-WÜRTTEMBERG

Nr. 4 2014

TOP-THEMA

UNSER GESUNDHEITSSYSTEM Keine Angst vor der Narkose Delir – Gehirn im Ausnahmezustand Möglichkeiten der Kinderwunschtherapie

3. Jahrgang

ch mit Im Gesprä

:

Prof. Maio

t einen Was mach us? a guten Arzt

www.kompass-gesundheit-bw.de


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Das 3-fach-Plus der AOK. + AOK-HausarztProgramm: Hausärzte haben mehr Zeit für ihre Patienten + AOK-FacharztProgramm: schnellere Termine beim Spezialisten + Ärztliche ZweitMeinung durch Top-Ärzte: bei lebensverändernden Diagnosen in der Onkologie, Orthopädie, Urologie, Kardiologie und Herzchirugie Alle Vorteile im Detail auf aok-bw.de/dreifachplus

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AOK Baden-Württemberg


editorial Liebe Leserin, lieber Leser, unser Gesundheitswesen soll kranke Menschen heilen, unheilbar Erkrankten ein möglichst lebenswertes Leben ermöglichen und Gesunden helfen, gesund zu bleiben. Das sind komplexe Aufgaben und entsprechend komplex ist unser Gesundheitssystem, in dem viele Gruppen mit unterschiedlichen Interessen unterwegs sind. Hohe Kosten verursachen die Behandlungen von Krankheiten, die durch ungesunde Lebensweise verursacht werden, wie Diabetes, Bluthochdruck oder Herz-Kreislauf-Leiden. Hier könnte viel Geld gespart werden, wenn es uns gelingt, mehr Menschen dazu zu bewegen, gesünder zu leben. Mehr Bewegung und eine ausgewogene Ernährung bewirken viel. Doch bei aller Bemühung – Krankheit trifft irgendwann jeden. Und wer krank wird, erwartet eine The- Johannes Bauernfeind, rapie, die ihn gesund macht. Zu Recht. Und wir können auch zu Recht stolz darauf sein, dass in un- Geschäftsführer der Bezirksdirektion serem Gesundheitssystem gesetzlich Versicherte auf hohem medizinischen Standard behandelt AOK Neckar-Fils werden. Allerdings muss genau darauf geachtet werden, ob eine extrem teure auch die sinnvollste Behandlung ist. Es hat wenig Sinn, einen Patienten mit Hilfe aufwendigster Gerätemedizin im Krankenhaus zu behandeln, ihn anschließend aber alleine zu lassen. Wenn die Nachsorge nicht funktioniert, wird dieser Patient wieder im Krankenhaus erscheinen – dann wird es erst recht teuer. Um derartige Drehtüreffekte zu verhindern, darf sich der Wettbewerb nicht auf finanzielle Aspekte beschränken. Wettbewerb muss auch in der Qualität der Leistung stattfinden. Sinnvolle und nachhaltige Versorgung bezahlen Krankenkassen gerne. Denn sie wissen: Das rechnet sich. Spannende Überlegungen über unser derzeitiges und künftiges Gesundheitssystem lesen Sie in dieser Ausgabe: etwa den Beitrag des Freiburger Medizinethikers Prof. Giovanni Maio, der darüber nachdenkt, was in der Zwickmühle von wirtschaftlichem Zwang und der Mission, zu helfen, einen guten Arzt ausmacht. Lesen Sie, wo der Herzchirurg des Robert-BoschKrankenhauses, Prof. Ulrich Franke, die Grenzen des wirtschaftlich Vertretbaren sieht. Lesen Sie, wie der Geschäftsführer des psychiatrischen Klinikums Christophsbad seine Aufgabe definiert: nämlich rote Zahlen zu vermeiden und die Patienten dennoch optimal zu versorgen. Lesen Sie auch, was die Politik dazu meint: ein Interview mit dem Bundestagsabgeordneten Michael Hennrich über Gestaltungsmöglichkeiten der Gesundheitspolitik. Und es geht um eine Debatte, initiiert von einem internationalen Pharmaunternehmen, das alljährlich die verschiedenen Player des Gesundheitswesens zu einer offenen Diskussion einlädt und beispielhafte Versorgungsprojekte prämiert. Die Zukunft unseres Gesundheitswesens zu gestalten ist eine gemeinschaftliche Aufgabe. Dazu gehört, die unterschiedlichen Forderungen zu diskutieren, Gedanken auszutauschen und zu Entscheidungen zu kommen. Wir müssen Lösungen finden, mit denen alle leben können – und die vor allem den Kranken dienen. Dies ist auch das Thema einer großen Podiumsdiskussion in Esslingen am 25. November im Salemer Pfleghof, auf die ich mich schon freue. Ich wünsche Ihnen eine gute Zeit und kommen Sie ohne Grippe durch die nächsten Monate, Ihr Johannes Bauernfeind

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Schlafstörungen? Da sind Sie nicht alleine!

Entspannung zum Tagesende

Rund 25 % der Bundesbürger klagen darüber

Für mehr Gelassenheit im Alltag und einen erholsamen Schlaf in der Nacht

Der Medizinjournalist Werner Waldmann spricht mit dem Schlafexperten Dr. phil. Dipl.-Psych. Hans-Günter Weeß, Leiter des Interdisziplinären Schlafzentrums am Pfalzklinikum Klingenmünster, über Ein- und Durchschlafstörungen, wie man sie erkennt und behandelt.

Der Schlafexperte Dr. phil. Dipl.-Psych. Hans-Günter Weeß, Leiter des Interdisziplinären Schlafzentrums am Pfalzklinikum Klingenmünster, lehrt Sie zu entspannen. Damit Sie Ihren Alltag wieder besser und gelassener meistern können und nachts den notwendigen erholsamen Schlaf finden.

Die Sprechstunde

Insomnie

Denn Schlaf ist keine Zeitvergeudung!

Ein- und Durchschlafstörungen

Dr. Hans-Günter Weeß

Werner Waldmann im Gespräch mit Dr. Dipl.-Psych. Hans-Günter Weeß

Körperliche und seelische Entspannung für den erholsamen Schlaf

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Impressum Kompass Gesundheit – Das Magazin für Baden-Württemberg Herausgeber: Dr. Magda Antonic Redaktionsleitung: Werner Waldmann (V.i.S.d.P.) Redaktions-Beirat: Prof. Dr. med. Aulitzky, Dipl. oec. troph. Andrea Barth, Dr. med. Wolfgang Bosch, Dr. med. Ernst Bühler, Dr. med. Hans-Joachim Dietrich, Dr. med. Rainer Graneis, Dr. med. Rudolf Handschuh, Prof. Dr. phil. Dipl.-Psych. Thomas Heidenreich, Dieter Kress, Dr. med. Suso Lederle, Christof Mühlschlegel, Dr. med. Stefan Reinecke MBA, Dr. med. Nobert Smetak, Isolde Stadtelberger, Dr. med. Bernd Voggenreiter, Dr. med. Sieglind Zehnle Medizinisch-wissenschaftlicher Beirat: Dr. med. Alexander Baisch, Dr. med. Carl-Ludwig v. Ballestrem, Prof. Dr. med. Gerd Becker, Prof. Dr. med. Alexander Bosse, Prof. Dr. med. Claudio Denzlinger, Prof. Dr. med. Rainer Dierkesmann, Dipl.-Psych. Sabine Eller, Prof. Dr. med. Florian Gekeler, Dr. med. Wilhelm Gienger, Dr. med. Joachim Glockner, Dr. med. Christian Hayd, Prof. Dr. med. Bernhard Hellmich, Prof. Dr. med. Doris Henne-Bruns, Prof. Dr. med. Christian Herdeg, Prof. Dr. med. Monika Kellerer, Prof. Dr. med. Alfred Königsrainer, Dr. med. Klaus Kraft, Prof. Dr. med. Ulrich Liener, Prof. Dr. med. Alfred Lindner, Dr. med. Gerhard MüllerSchwefe, Dr. med. Jürgen Nothwang, Dr. med. Martin

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Runge, Prof. Dr. med. Arnulf Stenzl, Prof. Dr. med. Thomas Strowitzki, Holger Woehrle Juristische Beratung: RA Mirja K. Trautmann Patientenrechte: Markus Grübel (MdB), Michael Hennrich (MdB) Redaktion: Dr. J. Roxanne Dossak, Andrew Leslie, Ursula Pieper, Marion Zerbst Art Direction: Dr. Magda Antonic Herstellung: Barbara Schüler Fotos: Cover: © pterwort/123rf.com; S. 6: © Alexander Raths/Fotolia.com; S. 9: © Deutsches Albert-SchweitzerZentrum Frankfurt a.M. (Archiv und Museum); S. 10: © Oliver Lieber; S. 24: © Mopic/Fotolia.com; S. 27 links: © DfM; für die Autoren- und Ärzteporträts liegen die Rechte bei den abgebildeten Personen; alle anderen Fotos: MEDITEXT Dr. Antonic Verlag: MEDITEXT Dr. Antonic Verlagleitung: Dr. Magda Antonic Hagäckerstraße 4; D-73760 Ostfildern Tel.: 0711 7656494; Fax: 0711 7656590 dr.antonic@meditext-online.de www.meditext-online.de Wichtiger Hinweis: Medizin als Wissenschaft ist ständig im Fluss. Soweit in dieser Zeitschrift eine Applikation oder Dosierung angegeben ist, darf der Leser zwar darauf vertrauen, dass Autoren, Redaktion und Verlag größte Mühe darauf verwandt haben, dass diese Angaben genau dem

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inhalt • Die Kunst, ein guter Arzt zu sein

Wie viel Ökonomie verträgt die Medizin?

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• Wenn es um Leben und Tod geht ...

Entscheidungen im Alltag eines Herzchirurgen

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• Keine Angst vor der Narkose!

Für jeden Eingriff das passende Anästhesie-Verfahren

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• Die Sehnsucht nach einem eigenen Kind

Möglichkeiten der modernen Kinderwunschtherapie

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• Delir – Gehirn im Ausnahmezustand

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• Wir haben den ganzen Menschen im Blick

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• Ein Gespräch mit Professor Jürgen Graf

Spagat zwischen exzellenter Patientenversorgung und knappen Ressourcen

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• Innovation durch Vernetzung

MSD bringt wichtige Akteure des Gesundheitswesens an einen Tisch

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• Ein Gespräch mit dem Bundestagsabgeordneten Michael Hennrich

Wie geht es weiter mit unserem Gesundheitssystem?

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• Das Porträt

Bernhard Wehde: Krankenhausgeschäftsführer – kein Beruf von der Stange

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Rubriken Impressum 4 | Kolumne Dr. Lederle 27 | Aboformular 43 | Termine 43

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Die Kunst, ein guter Arzt zu sein

Wie viel Ökonomie verträgt die Medizin?

Was macht für Sie einen guten Arzt aus? Prof. Maio: Medizin ist für mich nicht einfach nur die Umsetzung von irgendwelchen Regeln, Diagnostik- und Behandlungsschritten, sondern als Arzt muss ich den Patienten, der vor mir liegt oder sitzt, mit dem in Einklang bringen, was ich als verallgemeinerbares und statistisches Wissen erworben habe. Dieses „In Einklang bringen“ ist immer etwas Kreatives, das im Gespräch mit dem Patienten erst geschaffen werden kann; ich kann ihm nicht gerecht werden, wenn ich mich auf allgemeine medizinische Vorgaben zurückziehe. Viele Krankenkassen gehen von der Vorstellung aus, man

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könne die ärztliche Qualität in solchen Ablaufprotokollen und standardisierten Vorgaben abbilden. So funktionieren ärztliche Entscheidungen aber nicht. Natürlich muss ich als Arzt die aktuellen Standards für Diagnostik und Therapie kennen; aber um dem einzelnen Patienten gerecht zu werden, bedarf es eben dieser Verbindung von Wissenschaftlichkeit und Zwischenmenschlichkeit, von allgemeinem Wissen und konkreter Situation. Das ist ein sehr anspruchsvoller Prozess; und genau das macht die Qualität des Arztseins aus. Im Grunde sind Ärzte Problemlöser; und das ist eine Tätigkeit, die sich nicht restlos formalisieren lässt, bei der man nicht

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In unserem Gesundheitswesen scheint Sparen oft eine wichtigere Rolle zu spielen als der Patient. Viele Krankenkassen schreiben Leistungen der Gesundheitsversorgung heutzutage schon aus, und der billigste Anbieter erhält den Zuschlag. Wo bleibt da die Qualität? Ärzte sind mit Schreibtischarbeiten – mit Dokumentation, Zertifizierung, Qualitätsmessung – so sehr überlastet, dass ihnen kaum noch Zeit für das Gespräch mit ihren Patienten bleibt. Bewegt unser Gesundheitssystem sich in die richtige Richtung? Wir sprachen mit Prof. Dr. med. Giovanni Maio, Inhaber des Lehrstuhls für Medizinethik an der Albert-LudwigUniversität Freiburg.

einfach nur Ablaufprotokolle und Flussdiagramme verordnen kann in dem Sinn: Wenn der Patient dies hat, muss ich als Arzt jenes tun. Lässt sich Arztsein mit einer ökonomischen Vorgehensweise überhaupt vereinbaren? Kliniken und Arztpraxen sind ja letzten Endes auch Wirtschaftsunternehmen. Prof. Maio: Das ist eine schwierige Frage. Man kann nicht einfach sagen: Medizin ohne Ökonomie wäre doch humaner; denn ohne Ökonomie geht es nun einmal nicht. Ich denke, die Ökonomisierung der Medizin hat uns eine Menge Probleme ge-

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bracht; aber wir dürfen nicht alle Probleme, die wir haben, der Ökonomie zuschieben, sondern müssen uns schon Gedanken darüber machen, was Medizin ist, was Ärzte für einen Auftrag und für eine Verantwortung haben. Arzt sein bedeutet im Grunde, ein Versprechen zu geben: Ich verspreche, das, was ich durch staatliche Förderung gelernt habe, einem allgemeinen Zweck zu überantworten; ich verpflichte mich, einem Gemeinwohl zu dienen. Deshalb ist ein Arzt kein Gewerbetreibender und auch kein Geschäftsmann; denn das ureigene Ziel seines Handelns ist sein Gegenüber, eben der Patient – das Ziel ist kein privates, sondern ein gemeinwohlorientiertes. Und um dem Gemeinwohl dienen zu können, muss ich natürlich unabhängig sein und darf nicht bei jeder Entscheidung auf den Ertrag schielen müssen. Ich muss die Freiheit haben, nur im Interesse des Kranken zu entscheiden und nicht in meinem eigenen Interesse oder im Interesse der Institution, der ich angehöre. Das zeigt schon, wo die Konflikte liegen; aber wir dürfen deshalb nicht den Fehler machen, Feindbilder zu schaffen. Feindbilder lähmen; sie führen dazu, dass zu viel Aufmerksamkeit auf die Bekämpfung gelenkt wird. Stattdessen brauchen wir einen konstruktiven Dialog. Vor zehn Jahren hat die Gesundheitspolitik in unseren Kliniken ein neues Abrechnungssystem eingeführt: Fallpauschalen (sogenannte DRGs) statt der bisherigen Tagespauschalen. Das heißt,

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die Klinik erhält eine pauschale Vergütung pro Diagnose, also pro Behandlungsfall – unabhängig davon, wie lange der Patient im Krankenhaus bleibt. Das hat zu kürzeren Verweildauern, aber auch zu einer Leistungsverdichtung an den Kliniken geführt: Innerhalb kürzerer Zeit müssen mehr Leistungen erbracht werden. Halten Sie das für sinnvoll? Prof. Maio: Die DRGs bedeuten im Grunde – ohne dass das jemals offen so formuliert worden ist – nichts anderes als ein Einsparprogramm und die Überführung eines rein sozialen in ein marktwirtschaftliches System. Sie haben dazu geführt, dass die Ökonomie der Medizin nicht mehr dient, sondern die Medizin in zunehmendem Maße diktiert und beherrscht: Dies und das müssen wir tun, damit die Bilanzen stimmen; hier müssen wir investieren, damit es sich lohnt. Das ist eine Fehlentwicklung. Aber die Rückkehr zu alten Zeiten wäre auch keine gute Lösung, denn damals wurden Gelder verschwendet, indem man Patienten viel zu lange in der Klinik beließ; das war auch nicht verantwortungsvoll. Die Einführung der DRGs war ein Resultat dieser früheren Fehlentwicklungen; deswegen können wir uns die alten Zeiten nicht zurückwünschen. Andererseits müssen wir aber auch sehen, wo die Probleme der heutigen Zeit liegen – nämlich dass Ärzte, um ihren Patienten gerecht zu werden, oft Helden sein müssen: Sie müssen sich gegen die strukturellen Vorgaben zur Wehr setzen, um ihren Patienten zu helfen. Heutzutage wird Medizin so betrachtet, als handle es sich dabei um einen Produktionsprozess: Es wird in Abläufe, in Prozesse investiert. Ökonomisierung beinhaltet ja die Tendenz zur Beschleunigung, zur Arbeitsverdichtung, zur Durchrationalisierung; und Durchrationalisierung bedeutet, dass die Prozesse wichtiger werden als die Inhalte. Das heißt, die Prozesse müssen stimmen, die Abläufe sind vorgegeben, die Ärzte müssen nach Zeittakt handeln und nachweisen, was sie innerhalb dieser Zeittakte vollzogen haben. Durch die Übernahme zusätzlicher Aufgaben vonseiten der Ärzte – das Kodieren und Dokumentieren –, durch den Abbau von Personal und die Beschleunigung der Prozesse wird den Ärzten etwas weggenommen: nämlich die Freiheit, selbst Schwerpunkte zu setzen, selber zu entscheiden, wo sie sich mehr Zeit nehmen möchten, um dem einzelnen Patienten gerecht werden zu können. Vieles können wir schnell machen; manchmal müssen wir aber auch Sorgfalt walten lassen. Sorgfalt als Urtugend ärztlichen Handelns ist für den Kranken von enormer Bedeutung, weil es um sein Leben geht. Deshalb ist Sorgfalt – langsames Sichherantasten, ruhiges Überlegen und weitsichtiges Handeln – in der Medizin sehr wichtig. Durch die Ökonomisierung der Medizin wird ärztliches Handeln aber in eine Richtung gedrängt, in der es rechfertigungsbedürftig ist, wenn man sich Zeit nimmt, Geduld hat, vielleicht noch mal ein weiteres Gespräch mit dem Patienten, mit dem Hausarzt, mit Kollegen

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führt. Die moderne Medizin belohnt schnelle Entscheidungen, Aktionismus, Intervention; sie setzt Anreize für das Intervenieren. Wenn Sie einen Patienten einfach nur beraten und von einer Intervention abraten, haben Sie nichts verdient. Das ist unheilvoll, weil das Urärztliche darin besteht, einen guten Rat zu erteilen, und nicht einfach nur, Prozeduren umzusetzen. Passen Ökonomie und Gesundheitsversorgung überhaupt zusammen? Prof. Maio: Das ist schwierig. Ökonomie funktioniert ja nach dem Minimaxprinzip: Wir müssen mit einem minimalen Aufwand das Maximum erreichen. Grundsätzlich ist das auch vernünftig; aber es kommt darauf an, was in der Gesundheitsversorgung reduziert wird. Letzten Endes leidet im Krankenhausalltag darunter das Gespräch – nicht nur mit dem Patienten, sondern auch mit den Angehörigen und den anderen Berufsgruppen. Genau dort wird eingespart: an der psychosozialen Betreuung der Menschen, oft alten Menschen, die nicht wissen, wie es mit ihnen weitergehen soll. Die häufig plötzlich entlassen werden, ohne dass man sie gut darauf vorbereitet hat, was nachher auf sie zukommt. Das müssen dann die Hausärzte auffangen, die aber auch wiederum an Zeittakte gefesselt sind und sich an einen straffen Terminplan halten müssen, um überhaupt über die Runden zu kommen. Die Ökonomie tendiert dazu, die Kontaktzeit mit dem Patienten als etwas zu betrachten, das minimiert werden muss, weil man dadurch wertvolle Ressourcen einsparen kann. Ein urärztliches Denken würde dagegen sagen: Kontaktzeit ist die eigentliche Investition in eine gute Betreuung – weil ich weiß, dass ich dem kranken Menschen nur gerecht werden kann, wenn ich ihm das Gefühl gebe, dass ich ihn verstanden habe, dass ich es gut meine mit ihm, dass er mir als Mensch etwas bedeutet und ich mich für ihn engagiere. In unserem heutigen Gesundheitssystem geht der Trend dahin, dass der engagierte Arzt keine Wertschätzung mehr durch das System erfährt, weil das Diktat der Rationalisierung und der Minimalisierung des Aufwandes eben über allem steht. Dort, wo der Arzt sinnvollen Aufwand betreibt, wird er nicht gelobt, sondern zur Rechenschaft gezogen. Vielleicht entlässt er seinen Patienten dann mit dem guten Gefühl, das Richtige getan zu haben; aber er muss sich rechtfertigen und Fragen wie: „War das nötig, wäre es nicht mit weniger Aufwand gegangen?“ beantworten. Diese Situation ist für einen Arzt demotivierend. Durch das DRG-System sind ja auch viele Krankenhäuser unter einen enormen Kosten- und Existenzdruck geraten. Prof. Maio: Genau. Man hat dabei politisch eigentlich schon vorhergesehen, dass einige Krankenhäuser schließen werden müssen, wollte aber nicht auf politischer Ebene darüber ent-

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scheiden, welches Krankenhaus erhalten bleibt dern; davor muss das System sich natürlich schütund welches nicht, sondern möchte das lieber über zen, und deshalb ist es auch sehr gut, dass Kranden Markt regeln, indem man sagt: Die Krankenkenkassen und Gesundheitspolitik hier einen Riehäuser werden einfach einem Verdrängungswettbegel vorschieben. Aber was mich als Ethiker intereswerb ausgesetzt in dem Sinn, dass dann eben die siert, sind die wirklich schwachen, ernsthaft kranErlöse über die weitere Existenz der Häuser entken Patienten: alte Menschen mit chronischen scheiden. Das ist sehr gefährlich, denn es zwingt Krankheiten oder Mehrfacherkrankungen, denen die Kliniken zum Rentabilitätsdenken – sodass wir man nicht einfach nur etwas verschreiben kann, anfangen, darüber nachzudenken: Wie können wir sondern denen man auch eine Begleitung anbieten mehr Erlöse erwirtschaften? Das heißt, man übermuss, damit sie lernen, mit ihrer Krankheit umzulegt dann plötzlich: Welcher Patient hat eine Diagehen. All das wird in unserem heutigen ökonomignose, die uns etwas einbringt? So etwas ist sehr schen Denken nicht mehr berücksichtigt. Die zu gefährlich, denn Rentabilitätsdenken ist nicht idenstarke Ökonomisierung hat zu einer strukturellen tisch mit wirtschaftlichem Denken. Natürlich ist der Bevormundung der Ärzteschaft geführt. Das hat Arzt verpflichtet, wirtschaftlich zu denken; aber er auch etwas damit zu tun, dass man glaubt, man ist nicht verpflichtet, nach Rentabilitätskriterien zu könne alles berechenbar machen – man könne Meentscheiden, denn das ist der Medizin eigentlich dizin vollständig in Protokollen und Dokumentatiovollkommen fremd. Der Arzt ist ja jemand, der benen abbilden. Diese Dokumentationswut verhängt dingungslos hilft, weil er im Angesicht der Not gar einen Terror der Transparenz über die Ärzte: Alles nicht anders kann; er überlegt nicht erst lange, ob muss genau belegt und dokumentiert werden; und es sich rentiert. Wenn aber nur noch die Erlöse wehe, es ist nicht nachweisbar, dass das auch über die Zukunft des Hauses entscheiden, dann wirklich etwas bewirkt hat! Dann gerät man in werden die Ärzte zu Mitunternehmern erklärt, und Rechtfertigungsnot, dann wird man zur Rechendadurch fühlen sie sich für die Erlöse genauso verschaft gezogen. So ist keine gute Medizin möglich, antwortlich wie für die gute Betreuung. Das stürzt und zwar deshalb, weil die Entscheidungen im Umden Arzt in einen Gewissenskonflikt, den man ihm gang mit dem Patienten nicht restlos formalisierbar eigentlich ersparen muss. Ein Arzt darf nicht übersind. Das, was ein Arzt als Person in die gute Palegen müssen: Ich sollte jetzt eigentlich dies oder tientenbetreuung investiert, lässt sich nicht einfach jenes tun, aber das wird sich vielleicht negativ auf in irgendeinem Qualitätsmanagementsystem abbildie Bilanzen auswirken. Solche inneren Konflikte den. Das heißt nicht, dass wir Qualität nicht mesdemotivieren nicht nur den Arzt, sondern wirken sen sollen; aber das, was wir in so einem System sich auch nachteilig auf das Vertrauensverhältnis abbilden, stellt eben nicht das Ganze der ärztlichen zwischen Arzt und Patient aus: Denn der Patient Qualität dar. möchte mit dem Gefühl zum Arzt gehen, dass dieser frei für ihn entscheiden kann und nicht in einem Korsett www.fiala-online.de steckt, das ihn dazu zwingt, neben seinem Wohl auch noch viele andere O Wir sind ein zertifiziertes Venen-Lymph-KompetenzDinge zu berücksichtigen. Zentrum. Unsere speziell ausgebildeten LymphfachNatürlich gibt es beraterinnen sorgen für kompetente Versorgung. auch AnspruchspaO Computerunterstützte LRR Venenmessung. tienten, die zu viel O Maßkonfektion/-anfertigung der Kompressionsstrümpfe. von der Medizin for-

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Schließlich kann der Arzt seine Patienten nicht nur behandeln, sondern muss sie informieren, beraten, überzeugen. Prof. Maio: Natürlich. Das ist wichtig für die Adhärenz. Die Art und Weise, wie ich mit meinem Patienten spreche und umgehe, ist ganz entscheidend dafür, ob er das Gefühl hat, als Mensch anerkannt, verstanden und ernst genommen zu werden. Nur so kann ich als Arzt meinen Patienten auch dazu motivieren, den Behandlungsweg mitzugehen und selbst etwas dazu beizutragen. Dazu genügt es eben nicht, ihm einfach nur das Richtige zu verordnen. Wir können nur dann gute Ärzte sein, wenn es uns ermöglicht wird, uns zu engagieren – und zwar so, dass ich als Arzt nicht für alles was ich mache, sofort einen Beleg darüber beibringen muss, dass meine Maßnahme einen direkten Erfolg erzielt hat. Der Erfolg ist manchmal vielleicht „nur“ in der Einstellung des Patienten zu sich, zu seiner Krankheit, in der Stärkung seiner Motivation und seines Gesundheitsbewusstseins zu erkennen. Deshalb dürfen Ärzte sich nicht darauf reduzieren lassen, einfach nur das zu tun, was erforderlich ist, damit das System reibungslos funktioniert. Und wenn sie für ihr Engagement nicht gelobt, sondern im Gegenteil auch noch zur Rechenschaft gezogen werden, dann führt das eben zu einem Gefühl des Gegängeltwerdens, der Frustration, der Demotivation. Dann sagt der Arzt sich: „Ich habe doch so viel für den Patienten getan, und jetzt werde ich wegen so einer Kleinigkeit belangt und bekomme gleich eine schriftliche Rückfrage.“ Wie können Krankenkassen das besser machen? Prof. Maio: Man sollte bei Rückfragen oder in Zweifelsfällen lieber in einen konstruktiven persönlichen Dialog mit den Ärzten treten; denn schriftliche Anfragen des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherer (MDK) sind demotivierend. Auf diese Weise erzieht man die Ärzte dazu, sich nur ja nicht über Gebühr zu engagieren, nicht vom vorgegebenen Weg abzuweichen, sondern jeden Patienten nach Standard zu behandeln. Studien belegen, dass die MDK-Anfragen hinterher sowieso zu 70 % im Interesse der Patienten und zugunsten der Ärzte entschieden werden. Oft erweisen sich diese Anfragen im Nachhinein auch gar nicht als begründet; aber schon allein die Tatsache, dass es sie gibt, bedeutet für die Ärzte eine MehrProf. Dr. med. Giovanni Maio ist Direktor des Instituts für Ethik und Geschichte der Medizin an der Albert-Ludwigs-Universtität Freiburg und Inhaber des Lehrstuhls für Medizinethik. Stefan-Meier-Str. 26 79104 Freiburg E-Mail: maio@ethik.uni-freiburg.de

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belastung und verführt zu einer Vermeidungsstrategie. Das ist das Resultat eines Denkens, das die Ärzte unter Generalverdacht stellt: „Alle Ärzte sind Verschwender, und deshalb muss man sie möglichst genau kontrollieren.“ Natürlich ist Kontrolle wichtig; aber wenn wir den Ärzten nicht glauben, dass sie Ärzte geworden sind, um kranken Menschen zu helfen, und es ihnen dann eben auch überlassen, dass sie den für sie richtigen Weg im Gespräch mit dem Patienten wählen – wenn wir dieses Vertrauen in die Ärzteschaft nicht haben und immer nur kontrollieren, dann führt das früher oder später zwangsläufig zu einer Verschlechterung der Versorgungsrealität. Deswegen brauchen wir einen Dialog und eine Wertschätzung dessen, was Ärzte jeden Tag an Problemlösungskompetenz in die Gesundheitsversorgung einbringen. Das, was ein Arzt tagtäglich realisiert, ist die Bewältigung von Komplexität; denn wir können Patienten nur dann gerecht werden, wenn wir anerkennen, dass diese Patientengeschichten komplex, schwierig, oft auch undurchschaubar sind und man nicht immer auf den ersten Blick sehen kann, wie es weitergehen soll. Die Ärzte haben die Kompetenz, diese Komplexität zu bewältigen. Dazu muss man sie aber sein lassen, was sie sind: nämlich hilfsbereite Menschen, die ihr Leben in den Dienst des Patientenwohls stellen, weil sie mit dem Arztberuf einen sozialen Beruf ergriffen haben. Das klingt idealistisch, aber ich erlebe immer wieder, dass Ärzte und Medizinstudenten im Hörsaal genau das sagen: Ich möchte Arzt werden, um zu helfen. Aber sie werden davon abgehalten und müssen formalistische Gesichtspunkte viel stärker berücksichtigen als das, was der Mensch vom Arzt eigentlich erwartet. Daher ist die zu starke Ökonomisierung eine Gefahr für die Motivationslage der Ärzte und kann in eine Sinnentleerung ärztlichen Handelns führen. Und das ist im Grunde, wenn man es ökonomisch sieht, unvernünftig: Wir brauchen eine Kultur, die die Ärzte weiterhin motiviert, sich für ihre Patienten einzusetzen, eine Kultur der Wertschätzung, damit sie diesen aufreibenden und oft zur Verausgabung führenden Beruf überhaupt realisieren können. Wir dürfen nicht so tun, als wäre Medizin ein Produktionsprozess, sondern müssen anerkennen, dass das Urärztliche etwas mit Begleitung zu tun hat, mit dem Gegenüber, mit Beziehungsqualität – dass Ärzte in ihrem Beruf auch als Persönlichkeiten gefordert sind und dass der Arzt stets auch als solche mit heilt. Ein Arzt kann sowohl durch sein Handeln, durch die Verordnung der richtigen Arznei oder Maßnahme, als auch durch sich selbst sehr viel beim Patienten bewirken. Denn ein ernsthaft kranker Mensch sehnt sich danach, von jemandem behandelt zu werden, der ihn nicht nur als Träger von Befunden sieht, sondern auch eine zwischenmenschliche Beziehung zu ihm eingehen möchte – weil der Arzt diesem Menschen in seiner Krise, was Kranksein ja ist, nur in einer solchen Beziehung gerecht werden kann.

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Wenn es um Leben und Tod geht ...

Entscheidungen im Alltag eines Herzchirurgen Werner Waldmann

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ls Herzchirurg wird man besonders oft mit ethischen Fragen konfrontiert. Viele Patienten sind schon älter und leiden außer an ihrem HerzKreislauf-Problem auch noch an verschiedenen anderen Krankheiten. Manche Herzoperationen müssen mit Rücksichtnahme auf das Alter und den angegriffenen Gesundheitszustand der Patienten auf besonders schonende Weise durchgeführt werden. Aber das kann teuer werden. So kostet beispielsweise eine künstliche Herzklappe, die dem Patienten minimalinvasiv per Katheter (mit einem kleinen Schnitt in der Leiste oder im Bereich der Herzspitze) eingesetzt wird, vier mal so viel wie eine konventionelle Herzklappe, die in einer offenen Operation implantiert wird. Diese hohen Kosten sind für die Krankenkassen und die Gesellschaft ein großes Problem. Aber was tun, wenn der Patient eine offene OP nicht verkraften würde, andererseits aber unbedingt eine neue Herzklappe braucht?

Freie Arztentscheidung – ein hohes Gut In manchen europäischen Ländern werden solche medizinischen Leistungen rationiert. Da heißt es

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dann zum Beispiel: Bei Patienten ab einem Alter von 80 oder 90 Jahren erstatten die Kassen die Kosten für bestimmte operative Eingriffe nicht mehr, weil sich das – salopp formuliert – nicht „lohnt“. Bei uns ist das anders: „Wir haben in Deutschland die Möglichkeit der freien Arztentscheidung. Das ist ein sehr hohes Gut“, betont Professor Dr. Ulrich Franke, der als Chefarzt der Abteilung für Herz- und Gefäßchirurgie am RobertBosch-Krankenhaus immer wieder mit solchen ethischen Fragen konfrontiert wird. „Wir führen in Deutschland zehnmal so viele Klappenimplantationen durch wie in manchen europäischen Nachbarländern, wo die Entscheidung, wer so eine Klappe bekommt, einer Kommission obliegt und wo mit solchen Ressourcen sehr restriktiv umgegangen wird. Das kommt die Kostenträger natürlich billiger; aber es ist dann eben keine freie Arztentscheidung und auch keine freie Patientenentscheidung mehr.“ Und schließlich kann man ja auch nicht alle hochbetagten Patienten über einen Kamm scheren: Der eine ist in höherem Alter schon schwerkrank, gebrechlich oder dement, während ein anderer immer noch mitten im Leben steht, geistig

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und körperlich fit ist und im Urlaub womöglich sogar noch auf Berge steigt. Solchen ansonsten völlig gesunden, lebensfrohen Menschen kann man mit einer neuen Herzklappe ein Stück Lebensqualität zurückgeben, während ihr Herzklappenfehler ohne Operation früher oder später in eine schwere Herzinsuffizienz münden würde, mit allen Begleiterscheinungen, die solchen Patienten das Leben zur Qual machen: ständige Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Atemnot, Schwellungen in den Beinen, immer wieder Einlieferungen ins Krankenhaus. Und letztlich folgt der Tod.

„Lohnt sich das überhaupt noch?“ „In meinem Bekanntenkreis höre ich oft sehr negative Bemerkungen über solche operativen Eingriffe bei älteren Menschen, nach dem Motto: Was soll der Unsinn, für einen 85-Jährigen noch so viel Geld auszugeben? Ist man dagegen selber betroffen oder benötigt der eigene Vater eine teure Operation, sieht die Sache plötzlich ganz anders aus: Dann will man alles – egal, was es kostet. Dieselben Menschen, die vorher gesagt haben: ,Das ist doch alles Unsinn‘, sind in ihrer eigenen Betroffenheit dann die ersten Befürworter solcher Eingriffe. Diese Frage kann man nur politisch lösen und nicht am Krankenbett; sie darf nicht auf den Arzt abgewälzt werden“, kritisiert Professor Franke. „Natürlich versuchen wir in kritischen Situationen auf vernünftige Entscheidungen hinzuarbeiten. Wir fragen die Angehörigen zum Beispiel: ,Haben Sie sich das auch wirklich gut überlegt? Was soll dieser gebrechliche, demente Patient denn noch mit einer gut funktionierenden Herzklappe? Man muss ihm ja schließlich auch eine Chance geben, zu sterben.‘ Trotzdem steht die Familie dann häufig auf dem Standpunkt: ,Wir können doch hier keine Euthanasie praktizieren; nur weil dieser Mensch dement ist, können wir ihn nicht sterben lassen.‘ Das ist eine ethische Diskussion, der ich mich nicht entziehen kann; und ich kann den Angehörigen in so einer Situation auch nur sagen: ,Sie haben Recht; es steht mir nicht zu, zu entscheiden, ob das Leben dieses Mannes noch lebenswert ist und ob Ihr familiäres Zusammenleben mit ihm nicht trotz aller Einschränkungen und Probleme immer noch wunderbar ist.‘ Also muss ich ihnen die Therapie anbieten, auch wenn sie aus meiner Sicht unsinnig ist.“ Diese ständige Auseinandersetzung mit schwierigen ethischen Fragen zehrt an den Nerven. „In der Herzchirurgie betreiben wir Hochleistungsmedizin an vorderster Front der technischen Möglichkeiten“, sagt Professor Franke. „Da ergeben sich für mich jeden Tag neue Konflikte, auch auf der Intensivstation: Wie weit sollen wir die Intensivmedizin treiben, und inwiefern sind unsere Patienten darauf vorbereitet, dass unser Leben endlich ist? Damit haben nämlich die meisten Menschen die allergrößten Probleme: zu akzeptieren, dass das Le-

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ben trotz aller medizinischen Fortschritte ein Gottesgeschenk ist, mit dem wir gut umgehen müssen – aber selbst dann ist es irgendwann zu Ende. Diese Tatsache wird in unserer heutigen Gesellschaft völlig verdrängt.“

Schwere Entscheidungen Mit so hohen, unrealistischen Erwartungshaltungen umzugehen, ist für den Arzt nicht immer leicht. „Es gibt ganz viele Patienten, die im Alter von 85 Jahren zu uns kommen und sagen: ,Was, 1 % aller Menschen sterben an dieser Herzoperation? Das ist aber eine Menge!‘“ Auch die Gespräche mit den Angehörigen sind oft schwierig: „Schließlich geht es ja nicht darum, das Leben der Patienten um jeden Preis zu verlängern. Oft müssen wir Angehörigen auf der Intensivstation unangenehme Wahrheiten sagen: ,Der Patient hat bei der Operation einen Schlaganfall erlitten, seine Nieren versagen. Es kann natürlich trotzdem sein, dass er überlebt; aber er wird nie wieder in ein normales Leben zurückkehren können. Haben Sie sich überlegt, ob es nicht besser wäre, wir würden die lebenserhaltenden Maßnahmen bei diesem Patienten jetzt einstellen?‘ Und dann erleben wir sehr oft, dass die Leute sagen: ,Nein, ich möchte nicht der Schiedsrichter über Leben und Tod meines Angehörigen sein.‘“ Und eine Patientenverfügung – so sinnvoll sie auch sein mag – hilft da auch nicht unbedingt immer weiter, weil sie viele komplexe medizinische Sachverhalte gar nicht abdeckt. „Natürlich ist es eine große Hilfe für mich, wenn ich aufgrund der Patientenverfügung weiß: Dieser Patient möchte nicht dauerhaft dialysepflichtig werden; und wenn er bereits mit einem beginnenden Nierenversagen in die Operation geht, weil er vielleicht vorher schon kranke Nieren hatte, und ich im Verlauf des operativen Eingriffs erkenne: Der Patient wird mit Sicherheit dauerhaft Dialysepatient werden, dann können wir die lebenserhaltenden Geräte guten Gewissens abstellen. Oder wenn der Patient in seiner Verfügung geschrieben hat: ,Falls ich einen großen Schlaganfall bekommen sollte, der mich massiv in meiner Lebensfähigkeit beeinträchtigt, möchte ich nicht wieder aufwachen‘, und es tritt tatsächlich so ein Ereignis ein, dann weiß ich als Arzt: Er hat es so gewollt – wir brauchen ihn nicht länger am Leben zu erhalten. Für solche Fälle ist es schon gut, eine Patientenverfügung zu haben. Aber der Regelfall sieht leider anders aus: Wird ein Patient reanimationspflichtig, muss man akut etwas unternehmen, ohne zu wissen, wie die Sache ausgehen wird. Wird er ohne irgendeinen Schaden überleben (was sehr häufig vorkommt, wenn so etwas im Krankenhaus passiert), oder wird er hinterher eine dauerhafte schwere Behinderung haben oder vielleicht gar nicht mehr am Leben teilnehmen können? In der Herzchirurgie haben wir es normalerweise ja nicht mit 20- oder 25-Jährigen zu tun, bei denen die Chance,

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dass sie sich gut regenerieren, höher ist, sondern in aller Regel mit 70- oder 75-jährigen Patienten, da ist der Ausgang der Situation sehr viel schwieriger vorauszusehen.“ Und es gibt (wenn zum Glück auch selten) Situationen, in denen die Patientenverfügung sogar zum Korsett werden kann, das dem Arzt eine medizinisch sinnvolle Entscheidung erschwert: „Ich habe auch schon einen Fall erlebt, bei dem wir eine gute, reale Chance hatten, einen Patienten, der nach einer Herzoperation unter akutem Nierenversagen litt, heil durchzubringen. Wir wissen, dass die Nieren sich nach so einer Operation in 95 % aller Fälle wieder erholen. Aber die Angehörigen haben gesagt: ,Nein, in der Patientenverfügung steht: Niemals Dialyse, und wir bestehen darauf, dass das umgesetzt wird.‘ Der Patient ist dann gestorben. Mit so einer Situation kann ich als Arzt nur schwer leben, weil ich weiß, wir hatten eine hohe Chance, diesen Patienten gesund und ohne Langzeitbeeinträchtigungen durch die Operation zu bringen.“ Dennoch ist es sinnvoll, eine Patientenverfügung zu verfassen, da sie sehr viele Fragen und Probleme abdeckt, die auftreten können, wenn ein Patient so krank ist, dass er nicht mehr für sich selbst entscheiden kann. „Der Vorteil einer Patientenverfügung ist, dass der Mensch sich vorher über seine Sterblichkeit Gedanken macht und darüber nachdenkt, was alles passieren kann.“

Hochleistungsmedizin und Menschlichkeit Solche ethischen Fragestellungen ernst zu nehmen, passt zur Philosophie des Robert-Bosch-Krankenhauses. Denn diese Klinik steht in der Tradition ihres Stifters Robert Bosch, und das Leitbild dieses Mannes bestand darin, Kompetenz und Menschlichkeit miteinander zu verbinden. Hochleistungsmedizin und liebevolle Betreuung – das ist kein Widerspruch. Die Herausforderung besteht darin, den Patienten beides zu bieten. „Wenn man als Mediziner in ein Haus kommt, in dem diese Philosophie ernst genommen und vorgelebt wird, fällt es einem leichter, mitzumachen. Schon bei der Auswahl der Ärzte, die hier arbeiten, wird viel Wert darauf gelegt, dass sie sich als Teamplayer verstehen und nicht als große Matadore. Und alle unsere Neuzugänge werden konsequent auf unsere Philosophie eingestimmt.“ Dementsprechend werden die Patienten der Abteilung für Herz- und Gefäßchirurgie auch psychologisch betreut, wenn sie seelische Probleme haben. „Wir haben hier im Haus eine Abteilung für psychosomatische Medizin, auf deren Kompetenz ich jederzeit zurückgreifen kann. Immer wenn wir merken, dass unsere Patienten Ängste, Depressionen oder sonstige psychische Beschwerden haben, werden diese Kollegen hinzugezogen. Das ist der alte Bosch-Gedanke; wir sind ja als homöopathisches Krankenhaus gegründet worden. Robert Bosch hat den ganzen Menschen gesehen, und auch die Stiftung fördert die ganzheitliche Medizin. Wir arbeiten hun-

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dertprozentig im Sinn der Stiftung, indem wir sagen: Wir sehen nicht einfach nur den Aortenklappenfehler, sondern Herrn Maier, der zwar einen Aortenklappenfehler hat, aber als ganzer Mensch in unsere Klinik kommt und außer der Aortenklappe noch andere Probleme haben kann. Bei uns ist es gelebte Realität, dass wir, sobald wir bei unseren Patienten Probleme an anderen ,Baustellen‘ entdecken, sofort auch die Fachkollegen des entsprechenden medizinischen Bereichs hinzuziehen; und bei der Psyche ist das eben die Psychosomatik.“

Die Robert Bosch Stiftung: Gesundheit, humanitäre Hilfe und Forschung Das Robert-Bosch-Krankenhaus geht auf eine private Stiftungsinitiative des Stuttgarter Unternehmers Robert Bosch der Ältere (1861–1942) zurück. Trägerin des Krankenhauses ist die Robert Bosch Stiftung, die sich in ihrem Stiftungsauftrag unter anderem zur Förderung der Bereiche Gesundheit und humanitäre Hilfe sowie der Wissenschaft und Forschung in den stiftungseigenen Einrichtungen verpflichtet.

Doch nicht nur Ängste und Depressionen sind bei HerzKreislauf-Patienten oft ein Problem, das ihnen zu schaffen macht und ihre Prognose verschlechtert. „Manchmal kommt es auch vor, dass sich der Heilungsprozess nach der Operation nicht so vollzieht, wie man sich das vorgestellt hat. Angenommen, wir haben einem Patienten vor der Operation gesagt: ,Im Durchschnitt kann man nach so einem Eingriff sieben Tage später wieder nach Hause.‘ Der Patient war daraufhin natürlich voller Euphorie und optimistisch gestimmt; und dann liegt er nach sieben Tagen vielleicht immer noch auf der Intensivstation, weil es Komplikationen gegeben hat oder er sich eben einfach nicht so rasch von dem Eingriff erholt, wie wir erwartet hatten. Solche Patienten – und manchmal auch deren Angehörige – muss man auffangen, und dafür brauchen wir unsere Psychologen.“

Prof. Dr. med. Ulrich F. W. Franke Chefarzt der Abteilung Herz- und Gefäßchirurgie am Robert Bosch Krankenhaus in Stuttgart, Facharzt für Herzchirurgie, Facharzt für Chirurgie, Schwerpunkt Thoraxchirurgie, Fellow of the European Board of Thoracic and Cardiovascular Surgeons, Cardiac Surgery E-Mail: ulrich.franke@rbk.de

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Keine Angst vor der Narkose! Für jeden Eingriff das passende Anästhesie-Verfahren Viele Patienten fürchten sich vor der Narkose mehr als vor der eigentlichen Operation. Zu Unrecht – denn inzwischen sind die Anästhesieverfahren so perfektioniert, dass die Gefahr, an einer Narkose zu sterben, bei 1 zu 150 000 liegt. Wir sprachen mit Professor Torsten Schröder, dem Chefanästhesisten der Kreisklinik in Nürtingen.

Prof. Dr. Torsten Schröder, Chefarzt der Klinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin am Paracelsus-Krankenhaus Ruit Kreiskliniken Esslingen gGmbH Hedelfinger Str.166 73760 Ostfildern E-Mail: t.schroeder @kk-es.de

Welche Narkoseverfahren gibt es? Prof. Schröder: Wir unterscheiden zwischen drei verschiedenen Narkoseformen. Die erste und bekannteste ist die Vollnarkose, mit der man einen Zustand der Schmerzfreiheit, Muskelentspannung und Bewusstlosigkeit erreicht: Das heißt, der Patient bekommt vom Operationsgeschehen nichts mit. Die für die Vollnarkose benötigten Medikamente werden entweder als Injektion über eine Vene und/oder über die Atemwege verabreicht. Während dieses „künstlichen Tiefschlafs“ kann der Patient normalerweise nicht mehr selbstständig atmen, sodass wir ihm während des Eingriffs genügend Sauerstoff zuführen müssen – z. B. indem wir ihm einen Beatmungsschlauch in die Luftröhre einführen (das ist die sogenannte Intubationsnarkose). Bei manchen Eingriffen reicht es aus, den Patienten über eine Kehlkopfmaske zu beatmen. Dabei wird ein Luftkissenring um den Eingang des Kehlkopfs gelegt, um diesen gegen Mundhöhle, Rachen und Speiseröhre abzudichten. Über einen mit diesem Luftkissen verbundenen Schlauch werden dann die Atemgase in die Luftwege geleitet. Das hat den Vorteil, dass der Patient nach dem Aufwachen so gut wie nie unter Heiserkeit oder Schluckbeschwerden leidet, was bei einer Intubationsnarkose manchmal vorkommen kann. Bei welchen Eingriffen genügt die Beatmung über eine Kehlkopfmaske? Prof. Schröder: Dies ist in der Regel bei kürzeren Vollnarkosen der Fall, etwa bei Ausschabungen oder der Implantation eines künstlichen Kniegelenks. Was für Möglichkeiten gibt es außer der Vollnarkose denn noch? Prof. Schröder: Bei der peripheren Regionalanästhesie wird nur die Schmerzweiterleitung in bestimmten Körperregionen ausgeschaltet. Dazu

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spritzt der Anästhesist Medikamente in die Nähe schmerzleitender Nerven. Der Patient bleibt während des Eingriffs bei vollem Bewusstsein, muss also nicht beatmet werden. Außerdem ist der Blutdruckabfall bei der peripheren Regionalanästhesie geringer. Dieses Verfahren setzen wir häufig bei Eingriffen an Armen oder Beinen ein, beispielsweise bei der Handchirurgie: Dafür ist normalerweise keine Vollnarkose erforderlich. Manchen Patienten ist bei der Vorstellung, eine Operation an der Hand bei vollem Bewusstsein mitzuerleben, allerdings unbehaglich zumute. In solchen Fällen kommt das dritte Narkoseverfahren zum Einsatz: Der Patient wird durch Gabe von Propofol in einen Dämmerschlaf versetzt, in dem er zwar noch selber atmet, aber vom eigentlichen Eingriff möglichst wenig mitbekommt. Dieses Verfahren wird unter anderem auch bei Magen- oder Darmspiegelungen eingesetzt, um den Patienten dieses bei vollem Bewusstsein doch recht unangenehme Untersuchungsverfahren zu erleichtern. Und wann arbeiten Sie mit einer Spinal- oder Periduralanästhesie? Prof. Schröder: Auch diese beiden rückenmarksnahen Verfahren gehören zur Regionalanästhesie, d. h. der Patient bleibt bei Bewusstsein. Sie eignen sich für die Betäubung größerer Körperregionen. Bei der Spinalanästhesie spritzt der Narkosearzt das Lokalanästhetikum zwischen dem dritten und vierten Lendenwirbels direkt ins Nervenwasser. Bei der Periduralanästhesie werden die Medikamente in den Epiduralraum injiziert, der vor dem Wirbelkanal liegt. Diese beiden Narkoseformen eignen sich gut für Operationen im Bauch- oder Genitalbereich, z. B. bei einem Kaiserschnitt oder einem Eingriff an der Prostata. Man kann diese Anästhesieverfahren übrigens auch miteinander kombinieren, also z. B. im Anschluss an eine Operation mit Vollnarkose noch

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eine Regionalanästhesie durchfĂźhren, damit der Patient auch nach der OP weiterhin schmerzfrei bleibt. Das tun wir in erster Linie bei Oberbaucheingriffen, bei denen ein offener Längsschnitt erforderlich ist und die dadurch auch schmerzhafter sind – beispielsweise bei bestimmten Operationen an Leber, Magen oder BauchspeicheldrĂźse. Bei laparoskopischen, also minimalinvasiven Eingriffen brauchen wir im Anschluss an die Vollnarkose keine Periduralanästhesie mehr; denn da sind die Schnitte so klein, dass nach der Operation keine starken Schmerzen zu erwarten sind. Gibt es eigentlich viele Patienten, die Angst vor einer Narkose haben? Prof. SchrĂśder: Ja. Das liegt wahrscheinlich daran, dass die Anästhesie meist im Verborgenen stattfindet. Vor allem bei der Vollnarkose (und das sind mindestens zwei Drittel aller Fälle) bekommen die Patienten von dem, was wir tun, ja kaum etwas mit. Aber die Narkoseverfahren sind zum GlĂźck mittlerweile sehr sicher: Die Wahrscheinlichkeit, dass ein

Patient, der keine besonderen Risiken hat, einen tĂśdlich verlaufenden Narkosezwischenfall erleidet, liegt bei zirka 1 : 150 000. Viele Patienten fĂźrchten sich davor, während der Operation aufzuwachen und alles von dem Eingriff mitzubekommen. Wie groĂ&#x; ist diese Gefahr? Prof. SchrĂśder: Diese Sorge ist tatsächlich bei vielen Patienten sehr groĂ&#x;. Aber glĂźcklicherweise kommt auch so etwas heutzutage nur noch äuĂ&#x;erst selten vor. Es gibt bestimmte Eingriffe, bei denen diese sogenannte „Awareness“ frĂźher besonders häufig auftrat: nämlich bei Kaiserschnitten und herzchirurgischen Eingriffen. Doch mittlerweile fĂźhrt man Kaiserschnitte nicht mehr in Vollnarkose, sondern meistens mit Spinalanästhesie durch. Und Herzoperationen sind heute oft schon minimalinvasiv ohne Herz-Lungen-Maschine mĂśglich. Zum „Aufwachen“ des Patienten während einer Operation kann es immer dann kommen, wenn durch die Medikamente eine vollständige Muskelentspannung bewirkt wird, die Bewusstlosigkeits-

WEGE FINDEN - WEGE GEHEN

Geriatrische Reha lohnt sich Geriatrische Rehabilitation ist nachweislich erfolgreich und eine Säule zum Erhalt der Selbstständigkeit im Alter. Ab sofort stehen fßr die Landkreise Esslingen und GÜppingen 95 Betten fßr diese wichtige medizinische Aufgabe zur Verfßgung. Wir freuen uns darßber, dass nach rekordverdächtiger halbjähriger Bauzeit weitere 40 Betten geschaffen werden konnten. Wir mÜchten dies zum Anlass nehmen und alle Interessierten zu unserem Tag der offenen Tßr einladen.

Beginn um 11 Uhr im Speisesaal der Rehaklinik (Haus 23): BegrĂźĂ&#x;ung: Bernhard Wehde, GeschäftsfĂźhrer (Sprecher) des Christophsbads GruĂ&#x;worte: Jochen Heinz, Erster Landesbeamter Landkreis GĂśppingen Johannes Bauernfeind, GeschäftsfĂźhrer AOK – Die Gesundheitskasse Neckar-Fils GR-Team: Chefarzt Dr. med. Christian Marburger, Konzepte und Strukturen Pflegedienst, Therapeuten und Sozialdienst Pause: Getränke und BĂźfett FĂźhrungen: durch die Therapieräume, Stationen und Abteilungen der Klinik

TAG DER OFFENEN TĂœR

15. November 2014 von 11 bis 16 Uhr .OLQLNXP &KULVWRSKVEDG ĂŠ )DXUQGDXHU 6WU ĂŠ *ÂŞSSLQJHQ Kompass Gesundheit 4/2014

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komponente aber nicht hoch genug ist – mit anderen Worten: Der Patient kann sich nicht bewegen, also auch nicht bemerkbar machen, ist aber wach. Heute verwenden wir bei der Narkose jedoch viel weniger Muskelrelaxanzien als früher, sodass man es schon allein an den Bewegungen der Patienten merken würde, wenn sie zu wach sind. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, eine Vollnarkose durchzuführen: entweder mit rein intravenöser Anästhesie oder mit einer Kombination aus intravenös verabreichten Medikamenten und Narkosegas. Beim ersteren Verfahren spritzt man zunächst einmal ausreichende Mengen an Schmerzmitteln, Schlaf erzeugenden und muskelentspannenden Medikamenten in die Vene. Anschließend wird die Narkose über eine kontinuierliche Zufuhr von Narkosegas mit der Beatmungsluft aufrechterhalten. Bei diesem Verfahren ist die Awareness-Gefahr sehr gering. Bei einer total intravenösen Anästhesie besteht ein höheres Risiko. Dann sollte man per EEG die Hirnströme messen, um sicherzugehen, dass der Patient auch wirklich „schläft“.

Ein Zahnarzt macht eine Entdeckung Grundlage für eine Epoche machende Entdeckung schuf die Chemie, die gegen Ende des 18. Jahrhunderts eine Reihe von Gasen identifiziert hatte. In den angelsächsischen Ländern hatte man in feinen Gesellschaftskreisen entdeckt, dass man mit Äther oder Lachgas seinen Spaß haben konnte. Man pflegte auf bestimmten Gesellschaften etwas von jenen flüchtigen Substanzen zu schnüffeln. Der Erfolg stellte sich rasch ein: ein angenehmer, rauschartiger Zustand – ähnlich dem nach ausgiebigem Alkoholgenuss. Einigen Medizinern, so auch dem Landarzt Crawford Long in Georgia, fiel bei solchen lustigen Exzessen auf, dass mancher bei diesen Gelagen stürzte und sich dabei auch verletzte, jedoch nicht über Schmerzen klagte. So ließ Long seine Patienten bei kleineren chirurgischen Eingriffen wie der Eröffnung eines Abszesses an einem Schwämmchen riechen, auf das er vorher etwas Äther geträufelt hatte, genau wie auf den frivolen Gesellschaften

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Wie sind Sie eigentlich zur Medizin gekommen? Prof. Schröder: Im Gegensatz zu vielen anderen Medizinern stamme ich aus einer Familie, in der es nicht über Generationen hinweg Ärzte gab; das heißt, der Wunsch, mich mit Medizin zu beschäftigen, ist aus mir selbst heraus entstanden. Ich habe mich schon während der Schulzeit besonders für Biologie interessiert; das war für mich das spannendste Fach, in dem ich auch immer die besten Noten hatte. Nach dem Abitur stand ich vor der Entscheidung, ob ich Biologie oder Medizin studieren sollte. Bei Biologie waren die späteren Berufsmöglichkeiten für mich nicht klar genug definiert: Was wird man mit einem Biologiestudium? Als ich dann einen Studienplatz für Medizin in Tübingen bekam, war die Entscheidung für mich klar. Nach verschiedenen Stationen – unter anderem in den USA und in Frankreich – kam ich nach Ostfildern-Ruit, wo ich heute die Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin leite.

der High Society. Long ging die Angelegenheit freilich nicht systematisch an und veröffentlichte auch nichts über seine Versuche. Doch seine Methode sprach sich herum, allerdings nicht bei Chirurgen, sondern bei Dentisten. So hatte der Zahnarzt William Thomas Green Morton in Boston von seinem Kollegen Horace Wells aus Hartford in Connecticut diese Methode kennen gelernt, um der Schmerzen beim Zähneziehen Herr zu werden. Wells hatte seine Patienten Stickoxidul (Lachgas) einatmen lassen, das sie rasch in einen schlafähnlichen Rausch versetzte, der sie die Schmerzen der Behandlung meistens klaglos ertragen ließ. Horace Wells hatte sich mit dieser Methode aber auch entsetzlich blamiert, als er gleich nach den Sternen greifen wollte und sich dazu hinreißen ließ, seine Technik als das probate Mittel auch bei großen chirurgischen Eingriffen zu empfehlen. Er hatte sie dem Starchirurgen John Collins Warren angedient und bei einer Operation demonstriert. Zwar war der Patient im Operationsauditorium ganz offensichtlich nach der Inhalation des Gases eingenickt, hatte aber beim ersten Hautschnitt des Chirurgen wie üblich vor Schmerzen losgebrüllt. Morton setzte auf ein anderes Gas, den Schwefeläther. Morton hatte herausgefunden, dass jene Dämpfe, wenn man sie inhalierte, das Bewusstsein und damit die Schmerzempfindlichkeit seiner Patienten auszuschalten in der Lage waren.

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Viele Meilensteine der Medizin kommen aus dem Labor.

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Die Sehnsucht nach einem eigenen Kind

Möglichkeiten der modernen Kinderwunschtherapie Man wartet jeden Monat darauf, dass die Blutung endlich ausbleibt, schielt neidisch auf andere Paare, die schon längst ein süßes Baby haben; Geschlechtsverkehr findet nicht mehr nach Lust und Laune, sondern nur noch „nach Kalender“ statt … Das Warten auf eine Schwangerschaft kann schon sehr frustrierend sein. Manchmal stecken hinter einer Kinderlosigkeit ganz einfache Probleme, die sich leicht beheben lassen; in anderen Fällen ist es komplizierter. Aber die moderne Medizin kennt zum Glück viele Möglichkeiten, den Wunsch nach dem eigenen Kind auch in schwierigen Situationen noch Wirklichkeit werden zu lassen. Wir sprachen mit Prof. Dr. Thomas Strowitzki, Experte für Fertilitätsstörungen am Universitätsklinikum Heidelberg, der sich auf die Kinderwunschtherapie spezialisiert hat.

Heutzutage haben immer mehr Paare Schwierigkeiten, ein Kind zu bekommen. Warum ist das so? Prof. Strowitzki: Das liegt einfach daran, dass die Leute immer später an die Familienplanung denken; und mit zunehmendem Alter nimmt die Fruchtbarkeit der Frau ab. Schon ab 30 gehen die Chancen, schwanger zu werden, leicht zurück, ab 35 mit Sicherheit und über 40 sogar dramatisch. Vielen Frauen ist das gar nicht so klar: In einer Umfrage des Allensbach-Instituts vertrat die Mehrheit der Frauen die Meinung, dass es mit dem Schwangerwerden erst ab 40 schwierig wird. Das stimmt leider nicht. Mittlerweile lassen ja immer mehr Frauen Eizellen oder Eierstockgewebe einfrieren, um den Zeitpunkt ihrer Schwangerschaft nach eigenem Wunsch bestimmen zu können – und möglichst weit hinauszuschieben. Was halten Sie von diesem „Social Freezing“? Prof. Strowitzki: Wir machen das hier nicht, und ich persönlich halte das auch für eine schlechte Entwicklung. Denn wenn immer mehr Frauen in jungen Jahren Eizellen einfrieren lassen in der Hoffnung, sie irgendwann verwenden zu können, kann das sehr problematisch sein. Damit schiebt man seine Familienplanung einfach vor sich her – ohne biologische Notwendigkeit, sich dieser Entscheidung doch irgendwann einmal stellen zu müssen. Und

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wenn eine Frau dann mit über Fünfzig versucht, schwanger zu werden, ist das ja nicht nur eine Frage der Eizellqualität: Auch die Gebärmutter ist in diesem Alter nicht mehr die allerjüngste, die Einnistungssituation ist nicht mehr so gut, und die Schwangerschaft ist nicht mehr so leicht tolerierbar und austragbar wie bei einer jungen Frau. Und es gibt auch noch ein weiteres Problem: Wenn Frauen um die Sechzig auf ihre Eizellen zurückgreifen und die Männer vielleicht in vergleichbarem Alter sind, würde das Kind von der Lebenserwartung her seine Volljährigkeit wahrscheinlich nicht mehr mit einem lebenden Vater erreichen; und wie lange die Mutter das Kind von ihrer Fitness und ihrem Alter her noch betreuen und begleiten kann, sei auch mal dahingestellt. Es ist also schon ganz sinnvoll eingerichtet von der Natur, dass Frauen nicht erst mit 60 oder 70 schwanger werden. Außerdem ist die Befruchtungsrate beim Social Freezing recht niedrig: Nur aus 6–10 % der rund 20 VorratsEizellen, die man dadurch gewinnt, entsteht später ein Kind. Für viele Frauen ist das also eine trügerische Hoffnung, die sich nie erfüllen wird. Wie gehen Sie vor, wenn eine Frau oder ein Paar mit unerfülltem Kinderwunsch zu Ihnen kommt? Was tun Sie als Erstes? Prof. Strowitzki: Das Hauptziel besteht zunächst darin, auszuloten, ob die beiden eine Chance auf

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eine natĂźrliche Schwangerschaft haben. Dazu muss man erst einmal die hormonelle Situation der Frau untersuchen: Hat sie Ăźberhaupt einen Eisprung? Und wie stabil ist er? Gibt es hormonelle StĂśrfaktoren, die die Eizellreifung behindern? Den Mann schicken wir zur andrologischen Diagnostik, die klinische Untersuchungen, ein Spermiogramm und eine Blutuntersuchung umfasst. Erst wenn wir diese Untersuchungen hinter uns haben, kommt als nächster Schritt – sofern sich bisher noch keine Ursache fĂźr die Kinderlosigkeit ergeben hat – die Eileiterdiagnostik. Zum Beispiel kann die Frau eine EileiterentzĂźndung gehabt haben, die zu einer Verklebung der Eileiter gefĂźhrt hat. Diese Diagnostik kann man sinnvollerweise nur Ăźber eine Bauchspiegelung in Kombination mit einer Gebärmutterspiegelung durchfĂźhren. Das ist ein operativer Eingriff, wenn auch ein ambulanter; aber er erfordert eine Narkose und einen operativen Zugang. Es ist logisch, dass man das erst macht, wenn die nicht-invasive Diagnostik beendet ist. Im Anschluss an die diagnostischen MaĂ&#x;nahmen besprechen wir mit dem Paar, worin der sinnvollste therapeutische Schritt besteht. Beginnt man dabei zuerst mit Medikamenten? Prof. Strowitzki: Grundsätzlich schon. Es kommt darauf an, wo die Ursache fĂźr die Kinderlosigkeit liegt. Wenn bei der Frau z. B. der Spiegel des Hormons Prolaktin erhĂśht ist, kann man diesen mithilfe von Tabletten senken und dadurch eine sehr gute Schwangerschaftsrate erreichen. Denn erhĂśhte Prolaktinspiegel kĂśnnen die Eizellreifung stĂśren und den Eisprung unterdrĂźcken. Wenn man nur den Eisprung direkt stimulieren mĂśchte, gibt es je nach der zugrundeliegenden hormonellen Situation verschiedene MĂśglichkeiten. Die Frau kann z. B. Clomifen-Tabletten einnehmen. Das ist ein Anti-Ă–strogen, das dem KĂśrper einen Ă–strogenmangel vorgaukelt, den Eierstock stimuliert und die Reifung von Eibläschen (Follikeln) und Eizelle stabilisiert. Die nächste MĂśglichkeit wäre, den Eierstock mit HirnanhangdrĂźsenhormonen zu stimulieren. Diese Hormone fĂźhren zur Ausreifung des Eibläschens und lĂśsen den Eisprung aus. Man kann sie allerdings nicht in Tablettenform einnehmen, sondern muss sie injizieren. Geht so eine Behandlung nicht auch mit unerwĂźnschten Nebenwirkungen einher? Prof. Strowitzki: Clomifen kann verschiedene Nebenwirkungen verursachen – von Kopfschmerzen Ăźber SehstĂśrungen und Zysten bis hin zur Bildung vieler Follikel. Die Spritzen kĂśnnen ebenfalls bewirken, dass die Frau mit

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der Bildung zu vieler Eibläschen reagiert, sodass das Risiko von Mehrlingsschwangerschaften besteht. Deshalb muss man den Zyklus der Frau genau Ăźberwachen. Welche MĂśglichkeiten einer kĂźnstlichen Befruchtung gibt es? Prof. Strowitzki: Die einfachste Methode ist die Insemination, also die Einbringung von Spermien in die Gebärmutter mit einem Katheter. Dieses Verfahren bietet sich beispielsweise an, wenn der Mann zu wenig Spermien produziert oder diese nicht beweglich genug sind. Was aber die meisten Menschen unter „kĂźnstlicher Befruchtung“ verstehen, ist eine Befruchtung auĂ&#x;erhalb des KĂśrpers. Dabei kommt immer dieselbe Grundmethode zum Einsatz: Zunächst einmal muss man die Frau hormonell behandeln; dann werden die Eizel-

,FK ELQ GDEHL weil es mir ein gutes GefĂźhl gibt. Infos zur Brustkrebs-FrĂźherkennung: www.mammo-ich-bin-dabei.de

Ines Rindelhardt

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Was kostet der Kinderwunsch? Zwar braucht das Land allen Politikerstimmen zufolge mehr Kinder, aber bei einer Kinderwunschbehandlung müssen Paare einen großen Teil der Kosten selbst tragen. So zahlen die gesetzlichen Krankenkassen regelmäßig nur drei Versuche zu 50 Prozent. Der Eigenanteil macht dann ca. 1.500 bis 1.800 Euro aus. Bei manchen Kassen und in einigen Bundesländern gibt es aber höhere Zuschüsse. Der Anspruch auf Kostenübernahme besteht allerdings nur dann, wenn das Paar verheiratet ist und die Frau unter 40, der Mann unter 50 Jahre alt. Mehr Informationen unter www.kinderwunsch.de

len durch eine Punktion entnommen. Diese Eizellentnahme erfolgt (meistens im Rahmen einer kurzen Narkose) durch die Scheide. Anschließend werden die Eizellen in Petrischälchen mit den Spermien zusammengebracht. Hier gibt es wiederum zwei verschiedene Verfahren: Bei der In-vitro-Fertilisation (IVF) schwimmen die Spermien selbstständig zur Eizelle; bei der intracytoplasmatischen Spermieninjektion (ICSI) wird eine einzelne Samenzelle mit einer feinen Pipette direkt in die Eizelle injiziert. Dieses Verfahren ist bei einer zu geringen Anzahl und/oder stark eingeschränkter Beweglichkeit der Spermien sinnvoll. Nach ein paar Tagen werden die Embryonen dann über einen Schlauch in die Gebärmutter eingesetzt. Eine noch relativ neue Methode ist die In-vitroMaturation (IVM) – eine etwas aufwendigere Technik, bei der man unreife Eizellen aus dem Eierstock gewinnt, diese im Reagenzglas durch Zugabe von Hormonen ein bis zwei Tage lang nachreifen lässt und sie erst dann mit männlichen Spermien befruchtet. Zwei Tage später setzt der Arzt die befruchteten Eizellen dann in die Gebärmutter ein. Hierzu braucht man entweder gar keine oder nur eine ganz kurze, niedrig dosierte Hormonstimulation. Dieses Verfahren ist vor allem dann sinnvoll, wenn die Frauen ein sehr hohes Risiko haben, auf die Hormonstimulation überschießend zu reagieren (also mehrere Follikel zu bilden), sodass eine Hormonstimulation in hoher Dosierung nicht angezeigt wäre. Diese Methode führen in Deutschland übrigens nur wir hier in Heidelberg durch. Gibt es auch „aussichtslose“ Fälle? Prof. Strowitzki: Ja. Es gibt Frauen oder Paare, bei denen wir trotz verschiedener künstlicher Befruch-

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tungszyklen einfach keine Schwangerschaft erzielen. In solchen Fällen hat es oft auch keinen Sinn, das ewig zu versuchen, sondern man muss mit dem Paar offen und ehrlich besprechen: Wie stehen Ihre Chancen? Was raten wir Ihnen? Besonders schwierig wird es, wenn das Alter der Frau voranschreitet. Frauen über 40 haben ungleich schlechtere Aussichten als Frauen unter 40. Und bei manchen Frauen treten die Wechseljahre ja auch verfrüht (d. h. vor dem 40. Lebensjahr) ein. Für solche Frauen gibt es keine Behandlungsmöglichkeit, weil sie von ihrer Eierstockqualität her nicht mehr stimulierbar sind und keine eigenen Eizellen mehr produzieren. Sehen Sie in Ihrer Sprechstunde auch sehr junge Frauen (unter 30) und reife Kinderwunschpatientinnen über 50? Prof. Strowitzki: Ja. Das Durchschnittsalter liegt bei 33 oder 34. Wir sehen aber auch jüngere Paare, die beschlossen haben, sehr frühzeitig eine Familie zu gründen. Junge Paare kommen meistens dann zu uns, wenn die Spermienqualität des Mannes sehr schlecht ist; das ist aber schnell diagnostiziert, und hier kann man mit den Methoden der künstlichen Befruchtung ja auch sehr gut weiterhelfen. Es gibt natürlich auch Frauen, die mit über 45 zu uns kommen in der Hoffnung, noch schwanger zu werden. Denen kann man dann nicht mehr helfen. Jenseits des 45. Lebensjahres lässt sich durch künstliche Befruchtung eigener Eizellen keine Schwangerschaft mehr erzielen. Und was ist, wenn das Problem beim Mann liegt? Behandeln Sie solche Fälle auch? Prof. Strowitzki: Die Kinderwunschtherapie des Mannes ist relativ begrenzt. Es gibt einige wenige hormonelle Störungen und Infekte der Samenwege, die man behandeln kann. Das machen allerdings nicht wir Gynäkologen, sondern die Andrologen (also in Deutschland entweder Hautärzte oder Urologen), aber auch einige hierauf spezialisierte Internisten. Leider sind die meisten Fruchtbarkeitsstörungen des Mannes nicht behandelbar. Die Last der Behandlung trägt dann wieder die Frau, weil man die Keimzellen (also Samen und Eizellen) in solchen Fällen nur durch Maßnahmen der künstlichen Befruchtung zusammenbringen kann.

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Es gibt Situationen, da vergessen uns unsere Patienten. Das ist unser höchstes Ziel.

Patientencompliance bedeutet für uns seit mehr als 25 Jahren, dem Menschen ein Höchstmaß an beschwerdefreiem Leben zurückzugeben. Ob national oder international – ob im direkten Kontakt mit dem Patienten oder als zuverlässiger Partner für Krankenhäuser, Kliniken und Ärzte.

Warum gehen manche Paare mit Kinderwunsch ins Ausland? Gibt es dort mehr Möglichkeiten? Prof. Strowitzki: Es gibt Techniken, die in Deutschland verboten sind, beispielsweise die Eizellspende. Frauen, die schon im Alter von 40 Jahren in die Wechseljahre kommen und noch schwanger werden wollen, haben gar keine andere Möglichkeit als die Eizellspende. Solche Paare gehen dann natürlich ins Ausland. Was würden Sie jungen Frauen bzw. Paaren raten: Wann sollten sie sich um ihre Familienplanung kümmern? Prof. Strowitzki: Ich würde sagen, sie sollten der Stimme ihres Herzens folgen. Es gibt keinen Grund zu übereilter Torschlusspanik. Der Gedanke: „Ich bin jetzt schon 28, meine biologische Uhr tickt, also muss ich mir einen Mann suchen und schwanger werden“ ist keine gute Voraussetzung. Zunächst einmal muss eine gute, tragfähige Partnerschaft bestehen, denn die Entscheidung für ein Kind ist für beide eine wichtige und verantwortungsvolle Zukunftsaufgabe. Wenn ein Paar sich allerdings in seinem Kinderwunsch einig ist und die Frau innerhalb von ein bis zwei Jahren nicht schwanger wird, würde ich nicht raten: Genießt erst mal euer Leben, bis ihr 40 seid, und kümmert euch erst dann um das Thema Kinder.

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Homecare Pneumologie Neonatologie Anästhesie Intensivbeatmung Schlafdiagnostik S E RV I C E Patientenbetreuung

Heinen + Löwenstein Arzbacher Straße 80 D-56130 Bad Ems Telefon: 0 26 03/96 00-0 Fax: 0 26 03/96 00-50 Internet: hul.de

Was kann man selber tun, um die Chancen für den ersehnten Kindersegen zu erhöhen? Prof. Strowitzki: Es gibt eine ganze Reihe von Faktoren, die die Fruchtbarkeit begünstigen und die ein Paar sehr wohl selbst beeinflussen kann. Viele Menschen nehmen Fruchtbarkeit als etwas Selbstverständliches hin. Das ist ein Irrtum. Es gibt etliche schädliche Einflüsse, die die Fruchtbarkeit verschlechtern: z. B. Rauchen, zu viel Alkohol, starkes Übergewicht, aber auch Untergewicht. Durch ein gesundes Leben tut man also nicht nur sich selbst etwas Gutes, sondern schafft auch optimale Voraussetzungen dafür, Vater oder Mutter zu werden.

Prof. Dr. med. Thomas Strowitzki Ärztlicher Direktor Abt. Gynäkologische Endokrinologie und Fertilitätsstörungen Universitäts-Frauenklinik Heidelberg Im Neuenheimer Feld 440 69120 Heidelberg Tel.: 06221 56-7910; Fax: 06221 56-4099 E-Mail: thomas.strowitzki@med.uni-heidelberg.de

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Delir – Gehirn im Ausnahmezustand Anne Greveling

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ie 72-jährige Adelheid K. erwacht eines Morgens mit Schwindel, Husten und Herzrasen und fühlt sich so krank, dass sie in die Klinik eingewiesen werden muss. Da sie ziemlich verwirrt und apathisch ist, vermuten die Ärzte zunächst, dass sie an einer Demenz leidet. Aus dem Gespräch mit der Tochter, die die Patientin ins Krankenhaus gebracht hat, geht jedoch hervor, dass sie bis vor wenigen Tagen noch selbstständig zurecht kam. Die Tochter berichtet ferner, dass ihre Mutter zehn verschiedene Medikamente einnimmt. Bei der Prüfung der Arzneimittel stellt sich heraus, dass mindestens zwei davon gerade bei älteren Menschen Benommenheit, Schwindelgefühl oder Verwirrtheit verursachen können. Die Ärzte setzen drei ihrer zehn Medikamente ab und senken bei einigen anderen die Dosis. Drei Tage später kann die Patientin nach Abklingen des anfangs bestehenden Virusinfekts aus dem Krankenhaus entlassen werden und ist wieder im vollen Besitz ihrer geistigen Fähigkeiten.

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Der 83-jährige Karl H. wird wegen eines Sturzes ins Krankenhaus eingeliefert. Die Untersuchung zeigt, dass er sich dabei nur Bagatellverletzungen zugezogen hat; doch sein geistiger Zustand ist besorgniserregend: Er ist aggressiv, leidet unter Wahnvorstellungen und weigert sich, zu essen und seine Tabletten einzunehmen. Die Tochter wird angerufen und fährt sofort in die Klinik. Bei ihrem Erscheinen wird der Patient deutlich ruhiger und kooperativer. Die Tochter erzählt, dass ihr Vater auch vor dem Sturz schon Zeichen eines geistigen Abbaus gezeigt und manchmal den Weg nach Hause nicht mehr gefunden habe. Seit dem Sturz hat sich sein Zustand aber rapide verschlechtert. Nach der Versorgung seiner Verletzungen wird der Patient in die psychiatrische Abteilung der Klinik verlegt und dort intensiv untersucht. Dabei zeigt sich, dass Karl H. stark dehydriert ist, weil er in den letzten Tagen trotz der starken Sommerhitze offenbar zu wenig getrunken hat. Man führt ihm über eine Infusion Flüssigkeit zu; außerdem erhält er Medikamente gegen seine wahnhaften Vorstellungen. Nach einigen Tagen geht es ihm besser, und er kann wieder entlassen werden. Da in der Klinik bei dem Patienten eine Alzheimer-Demenz diagnostiziert wurde, sucht die Tochter für ihn ein Appartement in einer Anlage für betreutes Wohnen ganz in der Nähe ihres Hauses, sodass sie ihn regelmäßig besuchen und sich um ihn kümmern kann. Nicht immer geht es so gut aus wie in diesen beiden Fällen. Beide Patienten litten unter einem Phänomen, das bei älteren Menschen häufig vorkommt, aber nicht immer rechtzeitig erkannt und behandelt wird: dem Delir. Solche Patienten sind apathisch oder unruhig, unter Umständen im Wechsel auch Beides, reizbar und aggressiv, manchmal auch schreckhaft und ängstlich. Sie sind desorientiert, wissen nicht, wo sie sind, und erkennen bekannte Orte, Personen oder Situationen nicht mehr. Ihr Konzentrations-, Auffassungs- und Denkvermögen,

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sowie ihr Gedächtnis sind beeinträchtigt; manchmal leiden sie auch unter Halluzinationen oder Wahnideen. Häufig ist der Schlaf-Wach-Rhythmus gestört: Die Patienten sind tagsüber schläfrig, nachts dagegen wach und aktiv. Gerade bei älteren Menschen kommen solche deliranten oder Verwirrtheitszustände gar nicht so selten vor. Wird ein Delir nicht schnell erkannt und richtig behandelt, kann der Patient schlimmstenfalls versterben; oft bleiben dauerhafte geistige Beeinträchtigungen zurück.

Vorbeugen ist besser als heilen Bei der Entstehung eines Delirs kommen meist mehrere Ursachen zusammen: Der Patient ist bereits älter und in seinen geistigen Fähigkeiten vielleicht sowieso schon etwas eingeschränkt; tritt dann als zusätzliche Belastung noch eine Verletzung, Infektion oder Operation und der Wechsel in eine ungewohnte Umgebung (z. B. Krankenhaus) hinzu, kann es leicht zur Verwirrtheit kommen. Aber auch bei hochbetagten Patienten in Pflegeheimen können Delirien auftreten. Zum Glück kann in der Klinik einiges an medizinischen und pflegerischen Maßnahmen getan werden, um der Entstehung eines Delirs vorzubeugen. „Hier gilt wirklich der alte Satz ,Vorbeugen ist besser als heilen‘, denn wenn erst mal ein Delir eingetreten ist, gibt es keine Garantie dafür, dass die aufgetretenen Probleme sich wieder vollständig zurückbilden“, erklärt Professor Walter Hewer, der die gerontopsychiatrische Abteilung des Klinikums Christophsbad in Göppingen leitet. Wie kann man einem Delir vorbeugen? „Alles, was die körperliche Situation des Patienten stabilisiert, dient mit großer Wahrscheinlichkeit auch der Delirprophylaxe: also genügend Flüssigkeitszufuhr, ausreichende Ernährung und Mobilisierung, Gewährleistung einer adäquaten Sauerstoffzufuhr und eben auch die Vermeidung zu vieler Medikamente“, sagt Professor Hewer. Das ist gerade bei älteren Menschen oft ein Problem: „Man gewinnt den Eindruck, dass die Anzahl der Menschen, die mehrere Medikamente – bis hin zu zweistelligen Zahlen – bekommen, mit der Weiterentwicklung der Medizin zugenommen hat. Vor kurzem hatte ich hier eine 80-jährige Patientin, die wegen nächtlicher deliranter Zustände bei uns behandelt wurde. Die nahm jeden Tag 17 oder 18 Medikamente ein, nachdem sie kurze Zeit zuvor – ohne Zweifel in hochkompetenter Weise – in einem Universitätsklinikum stationär behandelt worden war. Dieses Problem haben wir in unserem geriatrischen Qualitätszirkel besprochen, und es ist uns dann gelungen, wenigstens drei dieser Medikamente abzubauen, ohne nachteilige Folgen für die Patientin.“ Wenn ein Patient von mehreren verschiedenen Ärzten versorgt wird – vom Hausarzt, im Krankenhaus und eventuell auch noch von einem Orthopäden oder Schmerztherapeuten –, weiß

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der eine Arzt oft gar nicht, was die anderen ihm für Medikamente verordnet haben. „Oft ist es eine richtige Detektivarbeit, überhaupt zu ermitteln, was der Patient alles einnimmt. Man darf ja nicht vergessen: Ein Delir betrifft häufig Patienten, die kognitiv beeinträchtigt sind und dem Arzt selbst oft gar nicht mehr so genau mitteilen können, welche Medikamente sie nehmen. Und neben den reinen Nebenwirkungen der verschiedenen Arzneimittel und vielfältigen potenziellen Medikamentenwechselwirkungen muss man bei älteren, geistig beeinträchtigten Menschen natürlich auch mit Einnahmefehlern rechnen.“ Manche Medikamente rufen besonders häufig ein Delir hervor und müssen dann eventuell abgesetzt oder in ihrer Dosis reduziert werden: z. B. Schlaf- und Beruhigungsmittel aus der Substanzklasse der Benzodiazepine, trizyklische Antidepressiva, aber auch bestimmte Schmerzmittel.

Wie wird ein Delir behandelt? Natürlich spielen bei der Entstehung eines Delirs auch psychische Faktoren eine Rolle: „Angenommen, ein älterer Patient kommt nach einem Sturz oder Knochenbruch in die Klinik, ist verängstigt, beunruhigt, hat vielleicht Orientierungsprobleme … Dieser Mensch ist dann natürlich auch in seiner psychischen Befindlichkeit extrem beeinträchtigt und reagiert dann sehr leicht aggressiv oder wird apathisch.“ Die Behandlung richtet sich nach der Ursache, die das Delir hervorgerufen hat. Handelt es sich um eine Infektion (z. B. der Lunge oder Harnwege), so muss diese mit Antibiotika behandelt und gegebenenfalls das Fieber gesenkt werden. Ist der Patient „ausgetrocknet“ (dehydriert), muss man seinen Elektrolythaushalt kontrollieren, ihn zum Trinken ermuntern oder ihm per Infusion Flüssigkeit zuführen. Ist der Patient Diabetiker und es sind ausgeprägte Blutzuckerschwankungen nachweisbar (z. B. Unterzuckerung in der Nacht), so wird der Stoffwechsel wieder ins Lot gebracht. Manchmal steckt hinter dem Delir auch eine akute Erkrankung des Gehirns, beispielsweise ein Hirntumor oder Schlaganfall: „Es gibt ja auch Schlaganfälle, bei denen nicht die klassische neurologische Symptomatik (z. B. Halbseitenlähmung), sondern lediglich ein Verwirrtheitszustand vorliegt.“ In solchen Fällen weisen bildgebende Untersuchungen des Schädels den Weg zur richtigen Diagnose. Parallel zur ursächlichen Therapie werden weiterhin bestehende ausgeprägte Symptome wie Angst, Erregung, Wahn oder Halluzinationen durch Neuroleptika behandelt. Das sind Arzneimittel aus der Gruppe der Psychopharmaka, die beruhigen und gegen Wahnvorstellungen helfen. Neben dem typischen Altersdelir gibt es auch das Entzugsdelir, das beim Entzug von Alkohol oder abhängig machenden

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Gerontopsychiatrie – was ist das eigentlich? Gerontopsychiatrie ist ein Spezialgebiet der Psychiatrie und beschäftigt sich mit dem gesamten Spektrum psychischer Alterserkrankungen. Neben den sogenannten hirnorganischen Störungsbildern (dazu gehören v. a. Demenzerkrankungen, aber auch das Delir) sind dies v. a. Depressionen, Psychosen, Angst- und Suchterkrankungen. Wesentlicher Grund dafür, dass auf spezialisierte gerontopsychiatrische Angebote aus heutiger Sicht nicht verzichtet werden kann, ist der Umstand, dass sich die genannten Krankheitsbilder bei älteren Menschen oft etwas anders äußern und auch anders diagnostiziert und behandelt werden müssen als im jüngeren Lebensalter. Die Klinik für Gerontopsychiatrie im Christophsbad ist für das gesamte Spektrum akuter und chronischer psychischer Alterserkrankungen zuständig und arbeitet in enger Kooperation mit den anderen Abteilungen des Klinikums, z. B. der Klinik für Neurologie und der Klinik für Geriatrische Rehabilitation.

Arzneimitteln (häufig: Schlafmitteln aus der Gruppe der Benzodiazepine) auftritt. Durch den Entzug – z. B. wenn ein alkohol- oder medikamentenabhängiger Patient ins Krankenhaus kommt und diese Substanzen dort nicht mehr erhält – entsteht ein Ungleichgewicht chemischer Nervenbotenstoffe (Neurotransmitter), die das Delir auslösen. Solche Entzugsdelire werden medikamentös behandelt. Prof. Dr. med. Walter Hewer Chefarzt der Klinik für Gerontopsychiatrie am Klinikum Christophsbad Faurndauer Str. 6–28 73035 Göppingen Tel.: 07161 601-8449 Fax: 07161 601-9596 E-Mail: walter. hewer@christophsbad.de

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Was können Sie als Angehöriger tun? Ein Delir von einer Demenz zu unterscheiden, ist oft gar nicht so einfach, da bei vielen deliranten Patienten bereits eine (diagnostizierte oder noch unerkannte) Demenz vorliegt. Das Delir entsteht also oft auf dem Boden der Demenz. Trotzdem gibt es gewisse Unterschiede, an denen Ärzte, Pflegekräfte (und auch Angehörige) ein Delir erkennen können: „Die Demenz ist ja – von ganz seltenen Ausnahmen abgesehen – eine chronische Erkrankung, die sich schleichend über Jahre hinweg entwickelt. Das Delir dagegen ist eine akute Erkrankung: Die Symptome treten innerhalb von Minuten bis Stunden oder allerhöchstens binnen weniger Tage auf. Außerdem liegt beim Delir eine Störung der Bewusstseinslage und Aufmerksamkeit vor, die der Demenzkranke (zumindest solange seine Demenz noch nicht ganz so weit fortgeschritten ist) nicht hat. Ich kann häufig mit einem Demenzkranken also ein relativ normales Gespräch führen, befinde mich dann zwar vielleicht auf einer Realitätsebene, die der meinen nicht entspricht – denn der Patient

hat ja unübersehbar kognitive Störungen – aber das Bewusstsein und die Aufmerksamkeit im Gespräch sind nicht gestört. Der delirante Patient dagegen ist in seiner Bewusstseinslage beeinträchtigt, das heißt, er wechselt oft in seinem Wachheitsgrad, folgt dem Gespräch nicht so, wie man das im Normalfall erwarten würde; seine Aufmerksamkeit driftet ab, und die Konzentration ist deutlich gestört. Das ist ein wichtiges Unterscheidungskriterium.“ Wenn eine kognitive Störung plötzlich neu auftritt oder sich innerhalb kurzer Zeit rapide verschlechtert ist, besteht also immer Verdacht auf ein Delir. Neben der medizinischen Behandlung sind pflegerische Maßnahmen ausgesprochen wichtig, um dem Patienten bei der Orientierung zu helfen und ihn psychisch zu stabilisieren. Und da spielen auch die Angehörigen eine wichtige Rolle. Denn der Patient ist jetzt auf ihm vertraute Wahrnehmungen seiner Umgebung angewiesen, die ihm im Krankenhaus am ehesten Familienmitglieder durch ihre Anwesenheit bieten können. Er benötigt einen gut strukturierten Tagesablauf und Orientierungshilfen: Wenn er eine Brille oder ein Hörgerät besitzt, sollte er diese auch benutzen, um sich besser orientieren zu können. Die Angehörigen sollten darauf achten, dass er genügend trinkt, und ihn, so gut es geht, beschäftigen – z. B. mit Zeitschriften oder Fotos, die sie sich gemeinsam mit ihm anschauen. Wenn möglich, darf der Patient auch aufstehen und ein wenig herumgehen: Eine frühzeitige Mobilisierung wirkt dem Delir entgegen.

Ausgewählte Risikofaktoren für die Entstehung eines Delirs: • höheres Alter • Demenz, andere Vorschädigungen des Gehirns • Seh- und/oder Hörstörungen • Depression • Internistische Erkrankungen: z. B. Diabetes (Unterzuckerung!), schwere Organerkrankungen (z. B. Herz, Lunge, Leber, Niere betreffend), Infektionen • Störung des Schlaf-wach-Rhythmus • Alkohol- oder Medikamentenabhängigkeit • Einnahme zahlreicher Medikamente (sogenannte Polypharmazie)

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Wir haben den ganzen Menschen im Blick Seelsorge im Geriatrischen Zentrum EsslingenKennenburg – Freuden, Ängste und Verlusterfahrungen begleiten jeden unserer Bewohner

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s zeichnet unser Seelsorgeverständnis aus, dass wir die Seelsorge nicht an einzelne delegiert haben. Wir sehen darin eine Aufgabe, die alle Mitarbeitenden herausfordert, sowohl Hauptamtliche wie auch Ehrenamtliche. Die seelsorgerlichen Aufgaben sind vielfältig. Sie beginnen mit dem begleiteten Einzug in die Einrichtung. Weiter gehören dazu Rituale im Tagesverlauf wie z. B. das Abendsingen oder auch Rituale im Jahresverlauf, Gottesdienstangebote und das Feiern von Festen. Besonders wichtig ist uns die Begleitung von Menschen, die schwerkrank oder sterbend sind. Ein mehrköpfiges „Palliative Care Team“ gewährleistet in unserem Zentrum eine an den Bedürfnissen orientierte Versorgung. Damit Mitarbeitende für diese Arbeiten gestärkt werden, bieten wir immer wieder Fortbildungen und Seminartage an. Gut angekommen ist der Tag für ehrenamtliche Mitarbeitende zum Thema „Wie Leben gelingen kann“, den Lucie Panzer, Rundfunkpfarrerin der Evangelischen Landeskirche eröffnet hat. Ein anderes Beispiel ist ein Tag für Mitarbeitende, die sich mit dem Thema „Was ist das Besondere der Diakonie?“ beschäftigt haben. Wichtige Hinweise für ein gesundes Berufsleben durften dabei nicht fehlen. Das Geriatrische Zentrum Esslingen-Kennenburg ist eine diakonische Einrichtung und gehört zu Dienste für Menschen, einem diakonischen Altenhilfeträger. Gute Beispiele seelsorgerlichen Handelns in unseren Einrichtungen sind in unserer Seelsorgekonzeption zusammengefasst. Wir verstehen unsere Arbeit als christliche Nächstenliebe, so steht es in unserem Leitbild, und wir haben den ganzen Menschen im Blick. In einer Gemeinschaft leben, geborgen sein, sorglos wohnen – wer Unterstützung braucht, findet in unserem Zentrum ein neues Zuhause.

Gesundheit beginnt im Kopf Die Kolumne von Dr. Suso Lederle

Herz aus dem Takt

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as Herz ist wie eine tickende Uhr, die unser Dasein begleitet. Es schlägt und schlägt, 60 – 80 Mal pro Minute, 100 000 Mal am Tag. Doch gelegentlich gerät es aus dem Takt. Und wenn das Herz häufiger nicht gleichmäßig schlägt, nennt man dies Herzrhythmusstörungen. Klagen über Herzstolpern sind häufig. Doch die subjektive Wahrnehmung von Herzrhythmusstörungen ist sehr unterschiedlich. Viele Menschen erleben sie als bedrohlich, andere nehmen sie nicht einmal wahr. In vielen Fällen sind Arrhythmien des Herzens harmloser Natur. Aber manchmal weisen Begleitsymptome wie Schwindel, Atemnot oder ein Herzrasen doch auf ein gefährliches Rhythmus-Problem hin. Es kann eine akute Herzschwäche auftreten, oder es kann durch ein Blutgerinsel aus dem Herz zu einem Schlaganfall kommen – und dafür ist dann ein „Vorhofflimmern“ verantwortlich. Neben den bekannten Risiken wie hoher Blutdruck, Herzinfarkt und Diabetes gelten als Ursache von Herzrhythmusstörungen die zunehmend älter werdenden Menschen. Jeder vierte über 80-Jährige leidet an Vorhofflimmern, und viele wissen nichts davon. Nun dürfen Sie sich nicht von jedem Extraschlag des Herzens verrückt machen lassen. Bei anhaltenden Problemen sollten Sie aber zum Arzt gehen, um die Ursache abzuklären und um mit einer wirksamen Therapie mögliche Gefahren zu vermeiden. Die Deutsche Herzstiftung hat Herzrhythmusstörungen zum Thema der Herzwochen 2014 gewählt. Informieren Sie sich im November bei einer der zahlreichen lokalen Veranstaltungen zu diesem Thema.

Dr. med. Suso Lederle Charlottenstraße 4 70182 Stuttgart Tel.: 0711 241774 E-Mail: suso-lederle@t-online.de

Kontakt: Geriatrisches Zentrum Esslingen-Kennenburg Heimleitung Sabine Kutschus Tel.: 0711 39 05-333

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Ein Gespräch mit Professor Jürgen Graf

Spagat zwischen exzellenter Patientenversorgung und knappen Ressourcen Er wagte den Sprung von der Luftfahrt in die Stuttgarter Kliniklandschaft: Seit Anfang 2014 ist Prof. Dr. Jürgen Graf Klinischer Direktor des Klinikum Stuttgart. Vorher leitete er den Medizinischen Dienst der Lufthansa in Frankfurt und war dort u. a. für Flug- und Arbeitsmedizin und Patiententransporte zuständig. Wir sprachen mit ihm über Probleme und Herausforderungen bei der Leitung eines großen Klinikums – und über die Unterschiede zwischen medizinischer Versorgung in der Luftfahrt und Medizin in einem Krankenhaus der Maximalversorgung. Sie leiten das Klinikum Stuttgart, zu dem vier große Krankenhäuser gehören: Katharinenhospital, Bürgerhospital, Krankenhaus Bad Cannstatt sowie Olgahospital und Frauenklinik. Wie bekommt man so ein Riesenunternehmen mit über 50 Chefärzten in den Griff? Prof. Graf: Das geht nur mit einer klugen Organisationsstruktur. Die einzelnen Kliniken sind in elf Zentren organisiert. Nur so bleibt ein Klinikum von dieser Größenordnung steuerbar. Aber natürlich besteht darüber hinaus auch ein enger persönlicher Kontakt mit den Chefärztinnen und Chefärzten. Kliniken stecken heute mehr denn je in einem Dilemma zwischen ethischem Anspruch und Kostendruck. Kann ärztliches und pflegerisches Handeln heute ausschließlich dem Patientenwohl und der Patientenfürsorge verpflichtet sein? Prof. Graf: Beim Thema Ethik oder Moral vergessen wir häufig, dass es auch so etwas wie Verteilungsethik gibt: Die Ressourcen stehen uns nur einmal zur Verfügung. Und damit meine ich noch nicht einmal primär das Geld. Auch qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gibt es nicht in unbegrenzter Zahl. Das Problem der Ressourcenknappheit hatten wir schon immer. Ich mache seit Anfang der Neunzigerjahre Medizin und habe dabei immer selektieren und Prioritäten setzen müssen. Das ist überall so: in der Notaufnahme, auf der Intensivstation, aber auch im niedergelassenen Bereich – wer bekommt wann einen Facharzttermin? Insofern glaube ich, der Anspruch, dass wir moralisch integer und im besten Interesse unserer Patienten handeln müssen, ist eine unserer Prioritäten, kann in einem Krankenhausbetrieb aber eben nicht die einzige sein. Da gibt es auch noch andere wichtige Aspekte: Wir müssen für Qualität und Sicherheit sorgen, unsere Mitarbeiter zufriedenstellen und uns natürlich auch an das Gebot der Wirtschaftlichkeit halten. Wenn wir eines dieser Erfordernisse nicht hinreichend beachten, bekommen wir Probleme. Genau das ist es, was unsere Arbeit so komplex macht – dass wir so viele verschiedene Anforderungen berücksichtigen müssen, die auf den ersten Blick teilweise im Widerspruch zueinander stehen.

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Vor zehn Jahren hat die Gesundheitspolitik in unseren Krankenhäusern ein neues Abrechnungssystem eingeführt: Fallpauschalen (sogenannte DRGs) statt der bisherigen Tagespauschalen. Das heißt, die Klinik erhält eine pauschale Vergütung pro Behandlungsfall. Halten Sie das für sinnvoll? Prof. Graf: Ein Krankenhaus der Maximalversorgung kann nicht glücklich mit den DRGs sein, weil relevante Leistungen, die wir zu erbringen haben, dort eben nicht hinreichend berücksichtigt sind. Außerdem sind Fallpauschalen kein Anreiz zu guter Qualität. Das ist das, was ich an diesem Vergütungssystem am schärfsten kritisierte: dass eine Klinik, die schlechtere Leistungen erbringt, das gleiche Geld bekommt wie eine qualitativ hochwertigere. Das finde ich nicht richtig. Ich würde mir wünschen, dass Kliniken, die für den Patienten bessere (Ergebnis-) Qualität erreichen und das nachweisen können, auch einen finanziellen Vorteil davon haben. Wenn man sich unser Gesundheitssystem anschaut, hat man das Gefühl, dass die Krankenkassen immer mehr in die Therapiehoheit des Arztes eingreifen – z. B. mit Ausschreibungen, bei denen manchmal extrem niedrige Pauschalen durchgedrückt werden. Der Patient bekommt nicht das Hilfsmittel, das sein Arzt ihm verschrieben hat, sondern das des Versorgers, der bei der Ausschreibung gewonnen hat. Prof. Graf: Das ist in der Tat ein Problem: Vor zehn Jahren gab es noch 1300 Krankenkassen – jetzt sind es nur noch etwas über 100. Wenn wir irgendwann vielleicht nur noch 30 Kassen haben (was manchen Prognosen zufolge in 10 oder 15 Jahren der Fall sein könnte), hätten diese Krankenversicherungen damit natürlich enorme Gestaltungsmöglichkeiten. Der Konkurrenzkampf zwischen den Krankenhäusern wird immer härter. Auch wenn es niemand zugeben will: Eine Klinik, die sich ein besonderes Gerät anschafft, das nicht jeder hat, tut das doch in der Hoffnung, damit mehr Patienten anzulocken. Oft versuchen benachbarte Krankenhäuser dann nachzuziehen, indem sie sich das gleiche Gerät kaufen.

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Prof. Graf: An so ein Alleinstellungsmerkmal einer Klinik über ein einzelnes Gerät glaube ich nicht. Ich denke, man sollte versuchen, sich auf andere Weise positiv von seinen Wettbewerbern zu unterscheiden – und diese Art von Wettkampf würde sich nicht nur auf die zuweisenden Ärzte, sondern auch auf die Patienten positiv auswirken: Wir brauchen einen integrierten Ansatz. Der Zuweiser muss wissen: Hier bekomme ich die Rundum-Komplettversorgung für die Erkrankung meines Patienten. Wenn er die Erfahrung macht, dass er im Krankenhaus anruft und dann auch den Kollegen ans Telefon bekommt, mit dem er das Problem seines Patienten besprechen kann, wenn er bei der Bitte um einen Zuweisungstermin nicht auf irgendwann vertröstet wird und der Brief aus dem Krankenhaus vor dem Patienten bei ihm eintrifft – dann wird dieser Arzt sagen: Ja, das überzeugt mich, da überweise ich meine Patienten in Zukunft hin. In solche effizienten Abläufe sollte man als Krankenhaus, glaube ich, ruhig ein bisschen Energie investieren. Ein wichtiges Thema ist die Bemühung um Fehlervermeidung. Die Lufthansa hat dafür ein hervorragendes System entwickelt: Da können Piloten ihre Fehler und Beinahe-Fehler in anonymisierter Form melden, und aufgrund dieser Informationen sucht man nach Wegen, solche Probleme künftig zu vermeiden. In der Medizin stecken solche Fehlermeldungssysteme noch in den Kinderschuhen. Warum? Prof. Graf: Man kann viele Dinge zwischen Medizin und Luftfahrt vergleichen, aber sicherlich nicht alles. Dass es in der Luftfahrt solche Fehlermeldungssysteme gibt, hat eben einfach etwas damit zu tun, dass dort andere Bedingungen herrschen als in einem Krankenhaus. In der Luftfahrt gibt es viel strengere Regeln; und wenn gewisse Sicherheitsvoraussetzungen nicht erfüllt sind, bleibt das Flugzeug am Boden. Es wird dann aber auch kein Mensch gesundheitlich geschädigt oder stirbt gar. In der Medizin ist das anders: Wenn die Arbeitszeit

überschritten ist, und es kommt ein Notfall, und der einzige Arzt, der den behandeln könnte, arbeitet bereits seit elf Stunden, dann wird dieser Arzt eben noch eine weitere Stunde dranhängen, um dem Patienten zu helfen. Der Flugpassagier, der nach Bogotá möchte, aber es ist bereits 23.02 Uhr und die Startbahn in Frankfurt ist wegen des Nachtflugverbotes geschlossen – der kommt ins Hotel, fliegt am nächsten Tag weiter und wird für die Verzögerung von der Fluggesellschaft entschädigt. Das können wir mit Infarktpatienten, die in unsere Klinik kommen, nicht machen. Außerdem ist so ein Fehlermeldungssystem auch eine Struktur, die eine gewisse Organisation erfordert. In den DRGs sind solche Strukturen nicht abgebildet; d. h. sie sind über das, was ein Krankenhaus erlöst, nicht primär refinanzierungsfähig. Damit sind wir wieder beim Thema: In unserem DRG-System ist die Qualität der Leistungserbringung nicht die Grundlage für den Erlös. Dennoch wäre es töricht, nicht etwas von den positiven Aspekten dieses Sicherheitssystems bei der Luftfahrt zu lernen: z. B. vom Vier-AugenPrinzip (dass wir uns in dem, was wir tun, gegenseitig überwachen und unterstützen müssen) und dass eine Form von Qualitäts- und Risikomanagement betrieben werden muss. Aber: Wenn man Qualität und Sicherheit aufrechterhalten möchte, muss man sie finanzieren; d. h. die Kostenträger müssen bereit sein, in Qualität und Sicherheit zu investieren. Die sollen uns in ihren Jahresberichten nicht vorhalten, wie viele Menschen im Krankenhaus sterben, sondern uns helfen, Strukturen aufzubauen, mit denen wir gemeinsam dafür arbeiten können, dass die Patientensicherheit gestärkt wird. Am Klinikum Stuttgart haben wir in Patientensicherheit und Qualitätsmanagement investiert, wir haben Fehlermeldesysteme wie z. B. CIRS etabliert, beteiligen uns in vielen Bereichen an Überwachungsund Benchmarksystemen wie z. B. KISS und haben eine große Zahl von Zertifizierungen verschiedenster Kliniken und Zentren durchgeführt. Aber natürlich können wir immer noch mehr tun.


Innovation durch Vernetzung

MSD bringt wichtige Akteure des Gesundheitswesens an einen Tisch

Marion Zerbst und Werner Waldmann

Unser Gesundheitssystem ist immer noch eines der besten in ganz Europa. Dennoch, das Bessere ist der Feind des Guten, und so gibt es gerade im Hinblick auf die zukünftige Finanzierbarkeit guter Versorgung einiges zu optimieren, speziell hinsichtlich der Effizienz und Effektivität des Einsatzes unserer finanziellen Ressourcen. Und Verbesserungen bekommt man am besten in einem engen Schulterschluss aller Beteiligten hin: Ärzte, Kliniken, Patienten, Gesundheitspolitik, Kostenträger, Fachgesellschaften, Selbsthilfegruppen und die Industrie müssen dazu immer wieder an einen Tisch gebracht werden. Einen wichtigen Schritt dazu leistet das Pharmaunternehmen MSD Sharp & Dohme mit seinem Forum GesundheitsPARTNER und dem MSD Gesundheitspreis dieses Jahr bereits zum vierten Mal.

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m Rahmen der Veranstaltung verleiht das Unternehmen auch den MSD Gesundheitspreis für innovative Versorgungsprogramme, die nachweislich zu einer nachhaltigen Verbesserung der medizinischen Versorgung geführt haben und/oder bei mindestens gleichem medizinischem Ergebnis ökonomischer waren. Ferner sollten die Ergebnisse evaluiert sein. Ein Sonderpreis wird für das Programm vergeben, an dem die Patienten besonders profitiert haben. Das Preisgeld beträgt für sechs Preise insgesamt 110 000 Euro.

So wird aus Kohle ein Diamant Viele Innovationen werden aus der Not heraus geboren – oder wie einer der Preisträger es treffend formulierte: „Nur der Druck macht aus Kohle einen Diamanten.“ So wurden beispielsweise auffällig

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viele innovative Projekte für weniger gut versorgte, ländliche Regionen, wie etwa Brandenburg, entwickelt. Andere Programme kamen aus Bereichen, in denen besonders dringender Handlungsbedarf besteht, z. B. bei der Eindämmung von multiresistenten Krankenhauskeimen oder der Versorgung von chronischen Kopfschmerzpatienten. Wirksame Verbesserungen sind nur durch eine intensive Vernetzung verschiedenster Vertreter unseres Gesundheitswesens möglich: Krankenkassen, Hausärzte, Fachärzte, Kliniken, Pharmaindustrie, Pflegedienste und manchmal auch ehrenamtliche Helfer müssen eng zusammenarbeiten. „Die Überzeugung, dass wir im Gesundheitswesen nur gemeinsam erfolgreich sein können, scheint sich langsam durchzusetzen“, meint Hanspeter Quodt, Hauptgeschäftsführer von MSD. Oft entstehen in-

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novative Versorgungsprojekte zunächst in einer kleineren Region (weil die Bildung von Netzwerken auf regionaler Ebene einfacher ist), können und sollen aber dann, wenn sie erfolgreich sind, auch auf größere Gebiete ausgeweitet werden. Die vorgestellten Versorgungsprogramme zeigen übrigens, dass die Sorge vieler Kostenträger, Innovationen in der medizinischen Versorgung könnten zu teuer werden, unbegründet ist: Verbesserungen führen eher zu Kosteneinsparungen bei gleichem Ergebnis oder zu besseren Ergebnissen bei vergleichbaren Kosten. Zudem sollte eine insgesamt besser versorgte, gesündere Bevölkerung die Krankenkassen – zumindest langfristig – weniger Geld kosten. Klar ist aber auch, dass Investitionen zunächst etwas kosten, bevor sie sich auszahlen, und dass eine gewisse Zeit erforderlich ist, um die Effizienz der Versorgung zu erhöhen. Hier ein paar interessante Beispiele dafür, was alles möglich ist, wenn man nicht von dem Standpunkt ausgeht: „Bisher hat’s doch auch funktioniert …“, sondern sich wirklich für eine Verbesserung der Patientenversorgung engagiert.

Der Presslufthammer im Gehirn Wer Kopfschmerzen kennt, weiß, wie quälend sie sein können. Allein in Deutschland gehen alljährlich rund eine Million Arbeitstage durch Kopfschmerzattacken verloren. Neben der persönlichen Beeinträchtigung der Betroffenen richtet dieses Schmerzleiden auch einen erheblichen volkswirtschaftlichen Schaden an. Spannungskopfschmerz, Clusterkopfschmerz, Migräne … Es gibt verschiedene Kopfschmerztypen und natürlich auch unterschiedliche Schweregrade. Nicht immer sind sie leicht zu diagnostizieren und zu behandeln. In schwierigeren Fällen ist der Hausarzt oft überfordert; dann braucht man einen Facharzt oder Schmerztherapeuten. Hier den richtigen Ansprechpartner zu finden, ist gar nicht so einfach. „Die Kopfschmerzversorgung in Deutschland ist bisher noch völlig unzureichend“, sagt Dr. Dagny Holle, Fachärztin für Neurologie. Das muss anders werden, sagte sich ein Team des Westdeutschen Kopfschmerzzentrums am Uniklinikum Essen und rief das bundesweit erste Behandlungsmodell zur integrierten Versorgung bei Migräne und chronischen Kopfschmerzen ins Leben. Was ist integrierte Versorgung? Es bedeutet, dass alle an der Behandlung einer Krankheit Beteiligten – Patient, Arzt, Krankenhaus, Therapeut – an einem Strang ziehen und ihr Handeln aufeinander abstimmen. Also genau jene Vernetzung, die für eine gute Gesundheitsversorgung so wichtig ist. Bei der Behandlung von Kopfschmerzen arbeiten im Idealfall verschiedene Berufsgruppen zusammen. Die Neurologen behandeln in erster Linie mit Medikamenten. Psychotherapeuten finden gemeinsam mit dem Patienten heraus, wo die Auslöser für seine

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Kopfschmerzen liegen und wie er diese vermeiden oder den Schmerz zumindest besser bewältigen kann. Physiotherapeuten lösen Verspannungen und zeigen Bewegungen und Entspannungstechniken, die schmerzlindernd und entlastend wirken.

Weniger Arbeitsausfalltage – mehr Lebensqualität Das Westdeutsche Kopfschmerzzentrum bietet seinen Patienten zwei verschiedene Behandlungsmodule an: Bei relativ einfach zu behandelnden Kopfschmerzen reicht es in der Regel, wenn sie sich einmal im Kopfschmerzzentrum vorstellen und dort eine ärztliche, psychologische und physiotherapeutische Behandlung erhalten. „Im Vorfeld muss der Patient ein Kopfschmerztagebuch führen und, wenn er zu uns kommt, noch einen ausführlichen Fragebogen ausfüllen: Was für Begleitsymptome treten auf, was für Behandlungen sind schon versucht worden, gibt es Hinweise auf eine Depression?“, erklärt Frau Dr. Holle. „Das macht uns die Diagnosestellung sehr viel einfacher.“ Nach dieser Diagnostik und ersten Therapien können kooperierende Fachärzte die Behandlung weiterführen. Patienten mit schwereren Kopfschmerzen erhalten eine intensivere Therapie in einer Tagesklinik. „In unser Kopfschmerzzentrum kommen nicht nur Patienten aus der Region, sondern aus ganz Deutschland“, so Holle. Untersuchungen zeigen, dass die Zahl von Arbeitsunfähigkeitstagen sowie Haus- und Facharztbesuchen durch dieses Versorgungsprogramm gesunken ist. Außerdem werden dadurch Kosten gesenkt, wie sie durch unnötige Untersuchungen und Behandlungsmaßnahmen häufig entstehen; und die Patienten brauchen anschließend weniger Schmerzmittel. Ein Erfolg, der auch die Kostenträger überzeugt: 70 gesetzliche Krankenversicherungen kooperieren mit dem Westdeutschen Kopfschmerzzentrum und erstatten sämtliche Kosten für die dort durchgeführte Diagnostik und Therapie.

Der unsichtbare Killer: Krankenhauskeime Alljährlich infizieren sich in Deutschlands Krankenhäusern Hunderttausende von Patienten mit sogenannten Krankenhauskeimen – Bakterienstämmen, die Resistenzen gegen Antibiotika entwickelt haben und deshalb sehr schwer zu behandeln sind. Für gesunde Menschen geht von diesen Bakterien keine Gefahr aus; doch alte und kranke Menschen oder Patienten, die beispielsweise durch eine Operation geschwächt sind, können sich sehr leicht damit infizieren. Der schlimmste Bösewicht hört auf den unaussprechlichen Namen methillicin-resistenter Staphylococcus aureus (kurz: MRSA). Dieser Bakterienstamm, der gegen die meisten Antibiotika unempfindlich ist, kann schwere, ja sogar tödliche Wundinfektionen und Lungenentzündungen verursachen. „In Deutschland infizieren sich rund 50 000 Patienten pro Jahr mit

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MRSA – Tendenz steigend“, sagt Gabriele Kantor, Hygieneund Gesundheitsmanagerin am Evangelischen Krankenhaus Mülheim an der Ruhr. Da eine Behandlung so schwierig ist, besteht die sinnvollste Maßnahme darin, den Killer-Keimen erst gar keine Chance zu geben. Wie kann man die Ausbreitung Antibiotika-resistenter Krankenhauskeime verhindern? Die beste Vorbeugung ist Hygiene. Ärzte und Pflegepersonal müssen sich vor und nach jedem Patientenkontakt die Hände waschen und desinfizieren – im heutigen hektischen Klinikalltag sicherlich oft eine Herausforderung für die ständig unter Zeitdruck stehenden Mitarbeiter, aber für die Sicherheit der Patienten unverzichtbar. Auch Menschen, die MRSA-Bakterien in sich tragen, ohne unter Symptomen zu leiden, können andere mit dem Krankheitserreger infizieren. Deshalb ist es sinnvoll, Patienten gleich bei der Aufnahme ins Krankenhaus auf das Vorliegen solcher Keime zu untersuchen. Dazu werden Abstriche der Nasen- und Rachenschleimhaut vorgenommen.

Gib MRSA keine Chance Da dieses MRSA-Screening einen hohen logistischen Aufwand erfordert und kostenintensiv ist, wird es nicht bei allen neu aufgenommenen Patienten, sondern nur bei Risikopersonen durchgeführt: z. B. solchen, die schon einmal mit einem Krankenhauskeim besiedelt waren oder während eines stationären Krankenhausaufenthalts Kontakt zu MRSA-Trägern hatten. In Deutschland stecken Strategien zur Bekämpfung von Krankenhauskeimen leider vielfach noch in den Kinderschuhen. Das Evangelische Krankenhaus Mülheim an der Ruhr nimmt in dieser Hinsicht eine Sonderstellung ein: Hier wurden besonders effektive Strategien zur schnellen und gezielten Erkennung von MRSA-Patienten entwickelt. Vor oder gleich nach der Aufnahme eines neuen Patienten ins Krankenhaus erfolgt eine Risikoanamnese, also ein Gespräch mit dem Patienten, um herauszufinden, ob er zu einer Risikogruppe gehört. Falls ja, wird sofort ein Risikoscreening durchgeführt: „Die Abstriche werden im krankenhauseigenen Labor analysiert; Ergebnisse liegen bereits nach zwei Stunden vor“, sagt Gabriele Kantor. „Falls notwendig, führen wir dann eine sehr stringente Antibiotika-Therapie durch.“ Die im August 2010 eingeführte MRSA-Strategie zeigte schon nach vier Monaten positive Ergebnisse: Die Anzahl der in dieser Klinik erworbenen MRSA-Infektionen ging um über 80 % zurück. Neuere Untersuchungsergebnisse zeigen eine weitere kontinuierliche Senkung der MRSA-Infektionsrate.

ständen bei mehreren Ärzten in Behandlung ist und verschiedene Medikamente einnehmen muss. Neben dem Hausarzt, der die reguläre Betreuung übernimmt, sind viele ältere Menschen auch noch bei diversen Fachärzten in Behandlung: z. B. beim Kardiologen, der Herz-Kreislauf-Erkrankungen behandelt, beim Diabetologen, der die Blutzuckereinstellung überwacht, und beim Orthopäden, der sich um Rückenbeschwerden oder verschlissene Gelenke kümmert. In solchen Fällen ist es oft schwierig, eine in sich stimmige medizinische Versorgung zu gewährleisten. Denn nicht immer weiß der eine Arzt, was der andere tut: Vielleicht verschreibt der Orthopäde dem Patienten ein neues Medikament, das in unerwünschte Wechselwirkung mit Mitteln treten kann, die der Hausarzt oder der Kardiologe verordnet hat. Oder es kommt zu Doppeluntersuchungen, die den Patienten unnötig belasten und Kosten erzeugen – weil der eine Arzt nicht darüber informiert ist, dass die von ihm veranlasste Untersuchung vor einiger Zeit bereits vom Facharzt einer Klinik durchgeführt worden ist. Um eine bessere Abstimmung der medizinischen Versorgung zu gewährleisten, bietet die Renten- und Krankenversicherung Knappschaft-Bahn-See ihren Mitgliedern seit Juni 2013 einen ganz besonderen Service an: die elektronische Behandlungsinformation (eBI). Wenn der Patient in ein Krankenhaus eingeliefert wird, stellt die Knappschaft dieser Klinik seine Krankenkassendaten zur Verfügung – z. B. verordnete Medikamente, bekannte Erkrankungen, behandelnde Ärzte und bisherige Krankenhausaufenthalte. Das erleichtert den Ärzten im Krankenhaus die Diagnose und Therapieentscheidung, sodass sie schneller handeln können. Und es senkt auch die Risiken für den Patienten: Denn in der Patienteninformation steht genau, welche Medikamente er bereits erhält; so lässt sich vermeiden, dass er am Ende Arzneimittel schluckt, die nicht zusammenpassen oder die er nicht verträgt. Natürlich geschieht das nur, wenn der Versicherte sein Einverständnis dazu erteilt – was aber sehr sinnvoll ist: Denn die Daten zeigen, dass jeder stationär behandelte Versicherte der Knappschaft im Durchschnitt von sieben niedergelassenen Ärzten ambulant betreut wird und Arzneimittelverordnungen für rund neun Wirkstoffe pro Tag erhält. Wer soll sich ohne systematisch zusammengeführte Patienteninformationen da noch durchfinden? Darüber hinaus wird fast die Hälfte dieser Patienten zweimal pro Jahr stationär behandelt. Eine Krankenkasse als Informationsgeber kann die unter chronischem Zeitmangel leidenden Ärzte hier intensiv unterstützen und riskante Informationsdefizite beheben.

Information erhöht die Patientensicherheit Unsere Gesellschaft wird immer älter. Und je älter ein Mensch ist, umso mehr Erkrankungen sammeln sich bei ihm im Lauf der Zeit normalerweise an – mit der Folge, dass er unter Um-

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„Curaplan Herz plus“: höhere Lebenserwartung für Patienten mit Herzschwäche In Deutschland erkranken jährlich über eine Million Menschen

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an Herzinsuffizienz: Das aufgrund einer Erkrankung oder eines durchgemachten Infarkts geschwächte Herz kann nicht mehr genügend Blut in den Kreislauf pumpen. So werden die Organe nicht mehr ausreichend mit lebenswichtigem Sauerstoff versorgt. Diese Erkrankung verkürzt die Lebenserwartung und schränkt die Lebensqualität sehr stark ein: HerzinsuffizienzPatienten ermüden rasch, fühlen sich oft schwach und abgeschlagen und kommen schon bei geringer Anstrengung „aus der Puste“. Außerdem kann es durch die Pumpschwäche des Herzens zu bedrohlichen Wasseransammlungen im Körper kommen. Das erkennt man nicht nur an geschwollenen Beinen, sondern auch daran, dass das Zünglein an der Waage in die Höhe schnellt: Durch die Wasseransammlungen steigt das Körpergewicht. Bei abnormal starker Gewichtszunahme ist es wichtig, zu handeln; denn daran erkennt man, dass die Herzinsuffizienz sich verschlimmert hat: Möglicherweise muss man dann die Dosis entwässernder Medikamente (Diuretika) erhöhen. Denn die Wassereinlagerungen belasten das geschwächte Herz zusätzlich, weil es dann mehr arbeiten muss, um die überschüssige Flüssigkeit im Blut durch den Körper zu pumpen. Deshalb sollten Patienten mit Herzschwäche regelmäßig ihr Gewicht kontrollieren, um Zeichen einer drohenden Verschlechterung

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rechtzeitig zu erkennen. So lässt eine stationäre Behandlung im Krankenhaus sich oft noch vermeiden. Das Programm „Curaplan Herz plus“ der AOK Nordost erleichtert den Patienten diese tägliche Kontrolle. Das Programm wurde in Zusammenarbeit mit mehreren Kliniken und der Gesellschaft für Patientenhilfe (DGP) entwickelt, die ein telemedizinisches Betreuungszentrum für Menschen mit chronischen Krankheiten betreibt. Herzinsuffizienz-Patienten, die sich in das Programm einschreiben, erhalten eine Waage und einen Monitor mit Sprachinterface zur telemetrischen Übertragung von Symptomen und Beschwerden ihrer Herzschwäche. Jeden Morgen müssen sie sich wiegen und ein paar einfache Ja/Nein-Fragen beantworten. Anhand dieser Daten, die automatisch an das Betreuungszentrum der DGP übermittelt und dort ausgewertet werden, kann das System eine drohende Verschlechterung ihres Gesundheitszustands sofort erkennen und ein frühzeitiges Eingreifen ermöglichen. Belastende Krankenhausaufenthalte bleiben den Patienten so in vielen Fällen erspart. Außerdem werden sie im Rahmen von „Curaplan Herz plus“ telefonisch beraten und an Medikamenteneinnahme, gesundheitsbewusstes Verhalten und Arzttermine erinnert. Damit trägt das Programm zu einer verbesserten Lebensqualität und Eigenverantwortung der zurzeit über 2000 einge-

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schriebenen Patienten bei. Die betreuenden Haus- und Fachärzte werden durch zusätzliche Informationen in der Behandlung ihrer Patienten unterstützt. Eine wissenschaftliche Auswertung des Programms konnte nicht nur positive Auswirkungen auf die Kosten für die medizinische Betreuung, sondern auch auf die Überlebenswahrscheinlichkeit der Teilnehmer nachweisen.

Typ-2-Diabetes ist vermeidbar! Durch die demografische Veränderung in unserer Bevölkerung kommen dringliche Probleme auf unser Gesundheitswesen zu: Der Bedarf an medizinischen Leistungen wird steigen, weil wir immer älter werden. Chronische Erkrankungen werden zunehmen; und es wird immer mehr „multimorbide“ Patienten geben, die an mehreren Krankheiten gleichzeitig leiden. Gerade sie brauchen eine gut koordinierte, wohnortnahe Versorgung. Ein Beispiel dafür ist das Diabetespräventionsprogramm „aha! ab heute anders“, das vor zwei Jahren für den MSD Gesundheitspreis nominiert wurde, damals aber aufgrund vieler anderer hervorragender Konkurrenzprojekte „leer ausgegangen“ war. Trotzdem hat der Internist und Diabetologe Dr. Carsten Petersen das von ihm initiierte Programm inzwischen mit Unterstützung von MSD weitergeführt. Vor wenigen Wochen wurde es vom Kreis Schleswig-Flensburg, wo es ursprünglich gestartet worden war, auf das gesamte Bundesland Schleswig-Holstein ausgeweitet: Seit Juli diesen Jahres können alle Versicherten der AOK Nordwest, Barmer GEK und DAK-Gesundheit in Schleswig-Holstein dabei mitmachen. Das aha!-Programm wendet sich an Menschen, bei denen Hinweise auf ein erhöhtes Typ-2-Diabetesrisiko vorliegen. Sie erhalten von Hausärzten und hausärztlichen Internisten, die an dem Programm teilnehmen, zunächst einen Fragebogen, der ihr individuelles Risiko ermittelt, in den nächsten zehn Jahren an Diabetes zu erkranken. Erhärtet sich der Verdacht, so kann der Versicherte an einem bis zu 15-monatigen Präventionsprogramm bei seinem behandelnden Arzt teilnehmen. Ziel ist es, dass der Teilnehmer seine Lebens- und Ernährungsgewohnheiten langfristig umstellt, sich mehr bewegt – und damit das Diabetesrisiko senkt. Dafür werden gemeinsam mit dem Versicherten individuelle Pläne aufgestellt, die sich sofort und problemlos umsetzen lassen. Mit dem aha!-Startset, das der Patient zusammen mit seinem Risikotest erhält, bekommt er ein einfaches Programm an die Hand, wie er seinen Speiseplan gesünder gestalten und sich zu mehr Bewegung motivieren kann. Um dieses Programm zu ermöglichen, hat die Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein mit den beteiligten Krankenkassen einen Vertrag zur frühzeitigen Erkennung und Vermeidung von Typ-2-Diabetes abgeschlossen.

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Aber selbst wenn alle an einem Strang ziehen, ist die Umsetzung solcher Projekte immer noch ziemlich kompliziert. „Das ist in der Tat erstaunlich: Alle Beteiligten sind überzeugt von der Idee des Projekts, alle verfolgen das gleiche Ziel – und dennoch läuft es nicht von alleine“, sagt MSD-Geschäftsführer Hanspeter Quodt. „Nach wie vor werden Idealisten gebraucht wie Herr Dr. Petersen, der sich auch von einer Unmenge an Regelungen und Vorschriften nicht abschrecken lässt, wenn es um seine Patienten geht. Die Rahmenbedingungen sind eben immer noch nicht so, wie sie sein sollten.“ Dem kann Dr. Carsten Petersen nur zustimmen: „Leider gibt es in Deutschland kein konzertiertes Vorgehen gegen Typ-2Diabetes. In Finnland etwa gibt es einen nationalen DiabetesPlan. Also müssen wir auf lokaler Ebene anfangen, gewissermaßen ein Leuchtturm-Projekt auf den Weg bringen. Global denken, lokal handeln – das ist das Motto.“

Warum setzen Innovationen sich so schwer durch? Tatsächlich ist es nur selten so, dass Innovationen (auch wenn sie eindeutig einen Vorteil für die Patienten bringen und das Gesundheitswesen dadurch finanziell entlastet wird) sich von selber durchsetzen. Oft ist es eine wahre Sisyphusarbeit, sie auf den Weg zu bringen. Bei neuen Arzneimitteln ist der Weg ins Gesundheitssystem zwar langwierig, aber es gibt zumindest eindeutige Spielregeln dafür: Die neue Substanz muss eine Reihe von Studien durchlaufen, die – wenn sich herausstellt, dass sie ein positives Wirksamkeits- und Sicherheitsprofil aufweist – nach rund zehn Jahren zur Zulassung führen. Dann ist das Medikament auf dem Markt, kann von Ärzten verschrieben werden und wird von den Kassen bezahlt. Das ist die erste Voraussetzung, reicht aber leider noch lange nicht aus: Denn solche Innovationen müssen auch beim Patienten ankommen. Dazu ist oft langwierige Überzeugungsarbeit notwendig; denn viele Patienten haben ein tiefverwurzeltes Misstrauen gegen Arzneimittel und nehmen sie entweder gar nicht oder zumindest nicht regelmäßig ein – meist ohne ihrem behandelnden Arzt etwas davon zu sagen. Und der wundert sich dann, warum der Bluthochdruck seines Patienten trotz dreier verschiedener blutdrucksenkender Medikamente einfach nicht besser wird. Ein Versorgungsprojekt, das vor einiger Zeit ebenfalls von MSD ausgezeichnet wurde, zeigt hier mögliche Lösungswege auf. Auch dieses Projekt wurde bezeichnenderweise in einer Problemregion entwickelt: im ländlichen Südbrandenburg, wo die Bevölkerung mit einem Altersdurchschnitt von fast 65 Jahren relativ betagt und dementsprechend krank ist und es außerdem schwierig ist, junge Nachfolger für Landarztpraxen zu finden. Aber das ist dringend notwendig, denn in dieser Region sind die Hausärzte genauso alt wie ihre Patienten – und

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sie haben alle Hände voll zu tun: Auf circa 106 000 Versicherte kommen nur rund 110 niedergelassene Ärzte. Ohne gute Vernetzung und unkonventionelle Ideen ist dieser Spagat kaum zu leisten. In dem von einer Managementgesellschaft organisierten Ärztenetz Südbrandenburg sind derzeit 63 ambulant tätige Haus- und Fachärzte zusammengeschlossen. Eigens für die schwierige Versorgungssituation in Südbrandenburg entwickelte Behandlungspfade unter Nutzung modernster Computertechnik ermöglichen eine enge Zusammenarbeit von Hausund Fachärzten bei der Behandlung der verschiedenen Krankheitsbilder dieser Bevölkerungsgruppe.

Persönlicher Kontakt zum Patienten entscheidend Trotzdem schafft er es aufgrund des Ärztemangels und des großen zu versorgenden Einzugsgebiets nicht immer, seine Patienten so individuell zu betreuen, wie es notwendig ist – dazu wäre der Zeitaufwand zu groß. Auch für dieses Problem hat sich das Ärztenetz Südbrandenburg eine gute Lösung einfallen lassen: Gemeindeschwestern und FallmanagerInnen (auf NeuDeutsch: „Case Manager“) machen Hausbesuche bei den Patienten und betreuen sie auch über das Medizinische hinaus, z. B. helfen sie beim Umgang mit Sanitätshäusern oder Behörden. Dabei haben die an diesem Versorgungsprojekt Beteiligten eine interessante Erkenntnis gewonnen: „Man braucht einen intensiven persönlichen Kontakt, um Vertrauen bei den Patienten aufzubauen“, sagt Dr. Carsten Jäger, Geschäftsführer der Managementgesellschaft des Ärztenetzes Südbrandenburg (ANSB). „Im Durchschnitt sind drei Hausbesuche nötig, bis der Patient nicht mehr schwindelt.“ Im Klartext: Dem Arzt

gegenüber ist es ihm viel zu peinlich, zuzugeben, dass er – aus welchem Grund auch immer – seine Medikamente nicht regelmäßig nimmt. Und dem Fallmanager oder der Gemeindeschwester sagt er es auch erst, wenn er sie ein bisschen näher kennt. Dann kann man gegensteuern: nach Gründen fragen, den Patienten über die Notwendigkeit einer regelmäßigen Medikamenteneinnahme aufklären, bei Nebenwirkungen die Dosis verändern oder andere Mittel verschreiben, usw. „Wir dürfen nicht nur fragen: Was können medikamentöse oder medizintechnische Innovationen leisten, sondern auch: Welche Prozesse brauchen wir?“, betont Dr. Jäger. Durch die Fallmanager, die einen kontinuierlichen direkten Kontakt zu Patienten und Angehörigen aufrechterhalten, werden die Ärzte entlastet (sodass sich die zusätzlichen Kosten für diese Mitarbeiter rasch auszahlen), und gleichzeitig wird die Versorgung verbessert. Warum gibt es dann nicht noch viel mehr solcher Innovationen im Bereich der medizinischen Versorgung? „Es ist schwierig, ein Versorgungsprogramm wie das Ärztenetz Südbrandenburg flächendeckend in ganz Deutschland umzusetzen, weil die Strukturen regional sehr verschieden sind“, erklärt Dr. Jäger. Hinzu kommt, dass viele Krankenkassen immer noch sehr kurzfristig denken: Aus Angst vor zu hohen Kosten sperren sie sich gegen Verbesserungen, auch wenn sich dadurch langfristig Geld einsparen ließe. Und nicht zuletzt fehlen in Gebieten, in denen der Handlungsdruck nicht ganz so groß ist wie in unterversorgten Problemregionen, vielleicht auch die nötigen Anreize, um innovative Versorgungsmodelle zu schaffen. Denn für die ohnehin überlasteten Ärzte bedeutet das in den meisten Fällen zunächst einmal einen Mehraufwand.

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Ein Gespräch mit dem Bundestagsabgeordneten Michael Hennrich

Wie geht es weiter mit unserem Gesundheitssystem? Unser Gesundheitswesen befindet sich im Umbruch. Zwar haben wir nach wie vor eines der besten Gesundheitssysteme der Welt; doch damit das so bleibt, muss einiges getan werden. Schon aufgrund der demografischen Entwicklung unserer Bevölkerung: Die Menschen werden immer älter und nehmen damit zwangsläufig mehr medizinische Leistungen in Anspruch, zahlen aber mit dem Eintritt ins Rentenalter geringere Beiträge in die gesetzliche Krankenversicherung ein. Gleichzeitig macht unser medizinischer Fortschritt eine immer bessere Diagnostik und Therapie möglich; das kostet natürlich auch mehr Geld. Ein vernünftiges Gleichgewicht zu finden zwischen der Unterstützung von Forschung und Innovation, niedrigen Kosten für die Krankenkassen und einer optimalen Qualität der medizinischen Versorgung für die Patienten, das ist schon ein schwieriger Balanceakt. Werner Waldmann sprach mit Michael Hennrich (CDU), der als Mitglied des Gesundheitsausschusses im Deutschen Bundestag als Berichterstatter für den Bereich Arzneimittelversorgung zuständig ist. Warum haben Sie sich bei Ihrer politischen Tätigkeit gerade für die Arzneimittelbranche entschieden, Herr Hennrich? Michael Hennrich: Ich bin mit Leidenschaft Gesundheitspolitiker, weil das ein Bereich ist, in dem die Politik unglaublich viel gestalten muss: angefangen von der Finanzierung des Gesundheitssystems über die flächendeckende Versorgung bis hin zur Qualitätssicherung. Das Gebiet der Arzneimittelpolitik war für mich gleich aus mehreren Gründen interessant: Zum einen ist die Arzneimittelindustrie immer noch ein wichtiger Faktor am Industriestandort Deutschland, und wir haben ein großes Interesse daran, die Pharmaindustrie in Deutschland zu halten. Andererseits ist aber natürlich auch klar, dass ein Gesundheitssystem nicht alles bedenkenlos finanzieren kann. Den Ausgleich herzustellen zwischen den Interessen der Pharmaindustrie, hier einen attraktiven Unternehmensstandort vorzufinden, und den Interessen der Patienten und Versicherten, Zugang zu Innovationen zu haben, die aber auch noch einigermaßen vernünftig finanziert werden können – das ist die Kernaufgabe, und deshalb habe ich mich als Jurist für diesen Bereich entschieden. Die Gesetzgebung im Bereich Pharma ist ein weites und sehr komplexes System; das ist genau die Herausforderung, die ich gesucht habe. Deshalb mache ich mit Leidenschaft Arzneimittelpolitik in unserer Fraktion. Die Pharmaindustrie steht bei uns ja nicht unbedingt im besten Ruf und wird vor allem in den Medien immer wieder als „böser Bube“ hingestellt. Ist das Realität oder Mythos? Michael Hennrich: Ich glaube, in den letzten Jahren hat sich in dieser Hinsicht einiges verändert; und ich glaube auch, dass das insbesondere mit unserer Politik zusammenhängt. Früher

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war es schon so, dass die Industrie nahezu beliebig Preise am Markt durchsetzen konnte – egal, ob ein neues Produkt einen echten Fortschritt darstellte oder nicht. Das haben wir mit dem Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) geändert. Das AMNOG beruht auf dem Prinzip der frühen Nutzenbewertung: Das heißt, wir zahlen heute nur noch dann einen höheren Preis im Vergleich zur Standardtherapie, wenn das betreffende Produkt auch einen echten therapeutischen Fortschritt bedeutet. Bringt ein Produkt keine wesentliche Verbesserung in der Versorgung, wird dafür heute nur noch das Gleiche bezahlt wie für eine generische Standardtherapie. Insofern glaube ich, dass durch diese gesetzliche Regelung, die wir auf den Weg gebracht haben, mittlerweile auch in der Öffentlichkeit die Botschaft angekommen ist, dass die Pharmaindustrie es in Deutschland eben nicht mehr ganz so einfach hat wie früher. Deshalb steht das Thema Arzneimittelausgaben heute nicht mehr so sehr im Fokus des öffentlichen Interesses wie früher. Es heißt immer, die Arzneimittel in Deutschland seien am teuersten. Stimmt das, und wenn ja, warum? Michael Hennrich: Es gibt verschiedene Gründe, weshalb Medikamente in Deutschland „gefühlt“ teurer sind. Das liegt zum einen an der Mehrwertsteuer: Im Gegensatz zu anderen Ländern sind Arzneimittel bei uns mehrwertsteuerpflichtig. Der zweite Grund sind die Distributionskosten in Deutschland: Wir leisten uns ein Großhandelsnetz und viele versorgende Apotheken, auch im ländlichen Raum. Das kostet Geld, ist aber politisch so gewollt, denn wir wollen nicht, dass die Bevölkerung in ländlichen Regionen schlechter mit Medikamenten versorgt wird als in den Ballungsräumen oder Städten. Deshalb brau-

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Die Rabattverträge werden von der Industrie und teilweise von Ärzten und Patienten kritisiert – wie sehen Sie das? Michael Hennrich: Es gibt schon noch einzelne Patientengruppen, wo wir nachbessern müssen – wo man fragen muss: Können wir in jedem Fall ein bestimmtes Medikament durch ein anderes, günstigeres ersetzen, oder kann es da zu Nebenwirkungen kommen? Deshalb arbeitet der Gemeinsame Bundesausschuss momentan an der sogenannten Substitutionsliste, wo wir sagen: Für bestimmte Versorgungsgebiete wollen wir keinen Austausch von Arzneimitteln. Aber im Großen und Ganzen, glaube ich, ist das Thema Rabattverträge durch, und das Rad wird auch nicht mehr zurückgedreht. Die Krebsmedizin ist ziemlich teuer, und sie schenkt dem Patienten oft nur geringe Überlebensvorteile – statistisch gesehen handelt es sich vielleicht um zwei, drei Monate, manchmal auch weniger. Ist das überhaupt sinnvoll? Michael Hennrich: Auch das ist eine Frage, mit der wir uns auseinandersetzen müssen und die uns momentan zusammen mit dem gemeinsamen Bundesausschuss beschäftigt. Eine Lebenszeitverlängerung um drei Monate bei katastrophalen Nebenwirkungen – Schmerzen, Übelkeit, Erbrechen usw. – kann nicht Sinn und Zweck einer medikamentösen Versorgung von Krebspatienten sein, die wir finanzieren sollten. Für uns müssen

eindeutige medizinische Fortschritte gegeben sein, nicht nur in der Lebensverlängerung, sondern auch in der Lebensqualität. Das muss man von Einzelfall zu Einzelfall entscheiden. Auch die hohe Krankenhausdichte und der Konkurrenzkampf zwischen den Kliniken, der bisweilen schon groteske Ausmaße annimmt, sind ja ein nicht unerheblicher Kostenfaktor. Haben wir Ihrer Meinung nach zu viele Krankenhäuser in Deutschland? Michael Hennrich: Die Krankenhauslandschaft muss sich verändern. Wir haben nicht zu viele Betten; aber vielleicht sind sie an zu vielen Standorten verteilt, vielleicht müsste man sich bemühen, bestimmte Leistungen stärker zu konzentrieren. Ich setze mich schon mit gewissen Dingen kritisch auseinander: 1) mit dem Thema Falschabrechnungen in Krankenhäusern, 2) damit, dass wir ein Land mit der höchsten Anzahl an Hüft-OPs, Knie-OPs und sonstigen orthopädischen Operationen sind; das muss man schon mal kritisch hinterfragen. Auch ein Thema wie der Transplantationsskandal vor zwei Jahren gibt Anlass, diese Frage auf den Prüfstand zu stellen; da gibt es ja auch Kritiker, die sagen, wir haben zu viele Transplantationszentren, wir müssten das auf einige wenige Standorte konzentrieren. Wie gesagt, es gibt sicherlich Dinge, die in unserer Gesundheitspolitik verändert werden können und die wir auch verändern werden.

Michael Hennrich, MdB Platz der Republik 1 11011 Berlin Tel.: 030 227-75330 Fax: 030 227-76091 E-Mail: michael.hennrich@ bundestag.de

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Das Porträt

Bernhard Wehde: Krankenhausgeschäftsführer – kein Beruf von der Stange Werner Waldmann Man kennt die Namen der Chefärzte einer Klinik – kein Erfolg ohne gute Ärzte und Pflege – doch wer ein Klinikum heute führt, seine Entwicklung lenkt, die Ideen koordiniert oder auch harmonisiert, Heilen und Helfen – Leistung und Finanzierung im überlebensfähigen Verhältnis hält, von dem ist selten viel in der Öffentlichkeit bekannt, vom Geschäftsführer. Wir haben uns vorgenommen, in jeder Ausgabe einen Klinikmanager zu porträtieren. Der Stil eines Krankenhauses wird stark von seinen Geschäftsführern geprägt, nicht nur von Ärzten. Heute stellen wir Ihnen Bernhard Wehde vom Christophsbad in Göppingen vor, der dort Sprecher der Geschäftsführung ist.

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ass Bernhard Wehde einmal ein großes und renommiertes Klinikum in Baden-Württemberg leiten sollte, daran dachten weder er noch seine Eltern. Wehdes Vaters war Physiker. Das beeinflusste den Jungen stark. Ihn faszinierte die Welt der Technik: Flugzeuge, Motoren, Elektronik – das interessierte ihn. Klar, dass er da auch selbst experimentierte, auseinandernahm, baute und bastelte. Diese Leidenschaft ist ihm bis heute geblieben: Reparaturen überlässt er ungern anderen. Das probiert er lieber erst einmal selbst aus. Früher konnte er auch noch sein Auto selber reparieren, was bei der heutigen Hightech allerdings etwas problematisch geworden ist; außerdem nimmt sein Beruf ihn dazu mittlerweile viel zu sehr in Anspruch. Nach Schulzeit und Internat ließ Wehde sich nach mehreren Monaten Krankenhausarbeit im Uni-Klinikum Heidelberg an der Fachschule für Sozialpädagogik in Freiburg zum staatlich anerkannten Erzieher ausbilden. Das war Pionierarbeit, denn Wehde und noch zwei Kollegen waren damals die ersten Männer an der Fachschule. In Heidelberg-Neckargmünd leistete Bernhard Wehde im Rehabilitationszentrum für Kinder und Ju-

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gendliche sein Anerkennungsjahr. Dieses große, neu gebaute Rehazentrum der Stiftung Rehabilitation ging bei der Wiedereingliederung andere Wege, als man sie bis dahin gekannt hatte. Anfangs waren noch gar keine Rehabilitanden da. Da ging es um die Ausstattung der Räumlichkeiten, um Konzeption. Das war Neuland und eine interessante Herausforderung für Wehde.

Menschen helfen, einen Weg im Leben zu finden In dieser Zeit entwickelte die Stiftung Rehabilitation Heidelberg einen Studienzweig „Sozialarbeit“ mit integrativem Ansatz: Behinderte und nicht behinderte Studenten studierten gemeinsam im Schloss Langenzell. Diese Fachhochschule war exzellent ausgestattet. Um behindertengerecht zu sein, setzte man schon damals stark auf elektronische Medien. Man leistete sich auch sehr gute Dozenten und Gastdozenten, einfach, weil man besonders gute Voraussetzungen für die Rehabilitanden schaffen wollte. Davon profitierten natürlich auch die Nichtbehinderten.

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Während Wehde dort studierte, arbeitete er gleichzeitig im Rehazentrum. Im Studium mit rechtlichem und methodischem Schwerpunkt sammelte er immer wieder neue Erfahrungen, die zu seinen Interessengebieten passten, z. B. in der Bewährungshilfe und der Psychiatrie. „Die Wohngemeinschaft als Nachsorgeeinrichtung für psychisch Kranke“ hieß das Thema seiner Diplomarbeit. Während seines anschließenden Zivildienstes im Uniklinikum Heidelberg betreute er zwei psychiatrische Stationen und den sogenannten Suizidentendienst, seinen späteren Arbeitsplatz, mit. Der Heidelberger Suizidentendienst war ein faszinierendes multiprofessionelles Projekt: Untergebracht in der Inneren Medizin, war der Dienst als ständiger Psychiatrischer Liaisondienst für alle Patienten nach einem Suizidversuch im Rhein-Neckar-Kreis zuständig. Diese Idee war aus der Erkenntnis heraus entstanden, dass täglich viele Patienten mit Vergiftungen in suizidaler Absicht in die Klinik für Innere Medizin eingeliefert wurden. Dort wurden sie nur kurz vom psychiatrischen Dienstarzt gesehen, sodass ein hoher Anteil „zur Sicherheit“ in die psychiatrischen Kliniken eingewiesen wurde. Die Anzahl der Suizide war in den achtziger Jahren wesentlich höher als heute. Gegen die Zunahme selbstmordgefährdeter Menschen und den hohen Anteil nach einem Suizidversuch stationär überwiesener Patienten in die Psychiatrie wollte man etwas tun – Prävention, Rückfallprophylaxe, Forschung – so war der Suizidentendienst eingerichtet worden. Damit wuchs Wehde in eine ganz neue Aufgabe hinein. Acht Jahre lang blieb er dieser Arbeit treu. Er begann gleich zu Anfang eine Ausbildung zum Gesprächspsychotherapeuten, was von der UniKlinik gerne gesehen wurde und zugleich den Patienten zugute kam. „Wir sind damals auch in die anderen Heidelberger Kliniken gegangen“, erinnert er sich, „wir haben dort – wie in der Inneren – Diagnostik gemacht, den Grad der suizidalen Gefährdung ausgelotet und entschieden, ob die Betroffenen aus diesem Aspekt heraus entlassen werden konnten, ob sie stationär bleiben sollten und ob sie eine ambulante Krisenintervention erhalten sollten.“ Fortbildungen für andere Institutionen und Studenten waren weitere Schwerpunkte. Diese vielfältigen Herausforderungen und der Umgang mit den unterschiedlichen Patienten brachten Wehde viel Erfahrung. Im Suizidentendienst konnte das

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multiprofessionelle Team die Patienten im Rahmen einer Krisenintervention selbst nachbetreuen, was glücklicherweise bei über 85 % eine stationäre psychiatrische Weiterbehandlung vermied. Unter seinen Patienten waren viele junge Frauen, die sich wegen Beziehungskrisen das Leben nehmen wollten. „Gerade junge Frauen begehen vielfach häufiger Suizidversuche als Männer“, so Wehde. Die Arbeit im Suizidentendienst war eine sehr befriedigende, wenn auch spannungsreiche Tätigkeit. Hier konnte er Menschen in Krisen helfen, ihren Weg im Leben zu finden. So ganz nebenbei kam Bernhard Wehde auch immer mehr mit der Forschungsarbeit an der Universitätsklinik in Berührung und er hatte immer wieder Doktoranden mitzubetreuen. Nach seinen Ausbildungen und Erfahrungen strebte er nun eine wissenschaftliche Stelle an. Das war fast vermessen, denn damals gab es immer wieder Ärzte an den Universitätskliniken, die für eine Stelle durchaus bereit waren, einige Monate „umsonst“ zu arbeiten. Der Ordinarius, als Chef der Klinik, wollte ihn zwar, unter Anerkennung seiner Leistung unterstützen, aber nur mit einem zweiten, einem universitären Abschluss. In Heidelberg Psychologie studieren? Das wäre eine Option gewesen. Doch die Heidelberger Universität wollte seine bisherigen Abschlüsse nur mit zwei Semestern an- Führung muss so gelebt werden, erkennen, während dass die Mitarbeiter sowohl aktiv die Frankfurter Uni beteiligt sind, als auch mitgenomihm dafür vier Semester anrechnete. men werden, um die Entwicklung Das hieß, bei fleißi- des Unternehmens mitzutragen. ger Arbeit in zwei Jahren fertig sein. Also nahm er die Fahrten nach Frankfurt auf sich und studierte Pädagogik als Haupt- und Psychologie als Nebenfach. Das war eine sehr harte, aber auch interessante Zeit – ein Belastungstraining. Theorie und Praxis: Am Abend Kriseninterventionen mit Patienten, um werktags eineinhalb Tage fürs Studium in Frankfurt frei zu bekommen und am Wochenende lernen und schreiben. Nach zwei Jahren konnte Wehde sich Diplompädagoge nennen. Seine Diplomarbeit schrieb er zum Thema: „Suizidales Verhalten unter besonderer Berücksichtigung des Kindes- und Jugendalters.“ In Heidelberg gab es „zur Belohnung“ für den sehr guten Abschluss die angestrebte wis-

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senschaftliche Stelle. Zwei Jahre blieb er noch dort; dann sehnte er sich wieder nach einer neuen Herausforderung. Der Weg war weit: Er führte ihn nach Norddeutschland. Wehde wurde Therapieleiter des Heinrich Sengelmann Krankenhauses der Evangelischen Stiftung Alsterdorf in Hamburg. Bald übertrug man ihm zusätzlich auch die Verantwortung für eine Abteilung des Krankenhauses mit rehabilitativem Schwerpunkt. Besondere Umstände brachten ihn wieder in Richtung Neuland: Die Verwaltungsdirektorenstelle wurde immer wieder vakant und in den Vakanzzeiten schloss Wehde die Lücke. In juristischen Dingen – dem Sozialgesetzbuch – kannte er sich aus, wusste, wie Pflegesätze verhandelt werden und wie man Geld für die Forschung beschafft, Organisation, Strukturierung und vor allem auch Wachstum zu schaffen, lagen ihm. Irgendwann wurde er gefragt, ob er nicht die Stelle des Verwaltungsdirektors übernehmen wolle. Acht Jahre lang hielt es ihn bei der Evangelischen Stiftung Alsterdorf. Zusätzlich zu seinen soliden therapeutischen und sozialrechtlichen Kenntnissen hatte er nun auch die Herausforderungen eines Managementjobs gemeistert. Das war die optimale Voraussetzung für die nächste Station seiner Karriere: Wehde hatte erfahren, dass die Landeskrankenhäuser in Schleswig-Holstein zu Anstalten öffentlichen Rechts verManager sollten möglichst auch noch selbstständie Folgen ihres Handelns erleben – sei digt werden es, um ihren Job künftig noch besser zu sollten und bewarb sich machen, oder um etwas, das nicht so er folgreich gut lief, wieder ins Lot zu bringen. als Geschäftsführer des Landeskrankenhauses Neustadt in Holstein, zu dem auch eine große Klinik für forensische Psychiatrie gehört. Dazu kam die Position des Geschäftsführers des Landesverbandes der Fachkliniken in Schleswig-Holstein. So war er immer mehr ins Management hinein gewachsen und das mit großem Erfolg: Er übernahm ein defizitäres Haus und brachte es auf gutem Weg in schwarze Zahlen. Das Christophsbad ist ein Plankrankenhaus mit Versorgungsaufträgen für die psychiatrische, psychosomatische und neurologische Versorgung. Darüber hinaus bestehen Versorgungsverträge in den Bereichen geriatrische, orthopädische, und rheumatologischen Rehabilitation, sowie für ein Pflegeheim mit integrierten Teilhabeleistungen für Menschen mit schweren Erkrankungen psychiatrischer oder neurologischer Genese.

Ökonomie und Ethik: keine unvereinbaren Gegensätze Um die Wende zum Jahr 2000 erfuhr Bernhard Wehde, dass das Christophsbad in Göppingen –

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eine damals bereits 150 Jahre in privater Trägerschaft bestehende Klinik, die er bisher nur vom Hörensagen kannte – einen Geschäftsführer suchte und bewarb sich dort. In den ersten Gesprächen hier ging es unter anderem auch um die Frage, wie sich Ökonomie mit Ethik vereinen lässt. 2001 wurde er Geschäftsführer der großen Klinik in Göppingen, bis 2003 noch gemeinsam mit einem geschäftsführenden Gesellschafter als Kollegen. Die Eigentümergesellschaft besteht aus rund 70 Personen. Wehde gefiel die Unternehmensstrategie, die auf Nachhaltigkeit setzt und vor allem die Möglichkeiten konsequenten und schnellen Handelns wie es im Rahmen der privaten Trägerschaft möglich ist. „Manager sollten möglichst auch noch die Folgen ihres Handelns erleben – sei es, um ihren Job künftig noch besser zu machen, oder um etwas, das nicht so gut lief, wieder ins Lot zu bringen“, meint Wehde. „Man sollte den Generationswechsel bei leitenden Mitarbeitern – vor allem bei den Ärzten und Geschäftsführern – sehr bedachtsam einfädeln, um Nachhaltigkeit, Innovation und Tradition zu garantieren. Der Unternehmerfamilie, die das Ganze über den Verwaltungsrat kontrolliert, ist dies ein sehr wichtiges Anliegen.“ Der „Generalist“ Bernhard Wehde ist nun seit 2001, ohne wie die meisten seiner Kollegen Betriebswirtschaft studiert zu haben, für heute über 1300 Mitarbeiter verantwortlich und auch wirtschaftlich im anspruchsvollen Krankenhaussektor erfolgreich: Das Christophsbad hat sich in den letzten Jahren stattlich entwickelt. Das Faszinierende an diesem Mann ist nicht nur seine Dynamik, seine Präsenz, sondern auch seine offensichtliche Leidenschaft für diese Aufgabe. Dabei hat der menschliche Aspekt für ihn einen höheren Stellenwert als der wirtschaftliche: „Zahlen und Organisation sind sicher wichtig; sie sind das Fundament eines funktionierenden Unternehmens. Aber Zahlen kommen doch erst nach dem Menschen: Man muss miteinander reden, sich austauschen, sich dem anderen verständlich machen und ihn begreifen. Ich bin ein kommunikativer Mensch und diskutiere gerne. Führung muss so gelebt werden, dass die Mitarbeiter sowohl aktiv beteiligt sind, als auch mitgenommen werden, um die Entwicklung des Unternehmens mitzutragen.“ Natürlich muss sich der Krankenhausmanager Bernhard Wehde mit hohem Zeitanteil mit Budget-

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Die Gesundheitsdiskussion

Unsere medizinische Versorgung: Können wir auf sie zählen oder nur noch dafür zahlen? 25. November 2014 Salemer Pfleghof

19.00–21.00 Uhr

Untere Beutau 8–10

73728 Esslingen a. N.

Moderation: Dr. med. Suso Lederle, Stuttgart Diskussionsteilnehmer: Dr. Christian Altschuh (Manager Gesundheitspolitik MSD) Johannes Bauernfeind (Geschäftsführer AOK Neckar-Fils) Dr. med. Wolfgang Bosch (Stv. Vorsitzender Kreisärzteschaft Esslingen) Dr. Axel Döß (Direktor Market Access Europe, ResMed Germany Inc.) Dr. med. Klaus Kraft (Chefarzt der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie, Kreiskliniken Esslingen) Klaus-Peter Friedrich (Personalchef Kreissparkasse Esslingen-Nürtingen) Prof. Dr. med. Matthias Leschke (Chefarzt der Klinik für Kardiologie, Klinikum Esslingen) Christof Mühlschlegel (Vorsitzender der Region Neckar-Fils des Landesapothekerverbandes BaWü) Bernhard Wehde (Geschäftsführer Klinikum Christophsbad, Göppingen) Konzeption: Dr. med. Ernst Bühler

Eine Veranstaltung der Zeitschrift „Kompass Gesundheit – das Magazin für Baden-Württemberg“ in Zusammenarbeit mit

ANMELDUNG: MEDITEXT Dr. Antonic; Fax: 0711 7656590; E-Mail: dr.antonic@meditext-online.de


Gute Vernetzung, Information und Mitgestaltung der Gesundheitslandschaft als Ganzes – auch für andere Träger – verschaffen Überblick, deshalb ist Wehde die Verbandsarbeit, trotz ihres zeitlichen Aufwands, wichtig. Wehde ist seit Jahren u. a. stellvertretender Vorsitzender des „Verbands privater Krankenanstalten“ (VPKA) in Baden-Württemberg als auch Präsidiumsund Vorstandsmitglied der „BadenWürttembergischen Krankenhausgesellschaft“ (BWKG).

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verhandlungen, Fallpauschalen, Personalproblemen und Tarifverträgen herumschlagen – mit Bilanzen, Investitionen und all den anderen betriebswirtschaftlichen Herausforderungen eines Klinikchefs. Das ist ihm auch wichtig, aber er achtet strikt darauf, dass der Mensch und nachhaltiges Handeln an erster Stelle stehen, insbesondere auch bei seiner Hauptaufgabe: der zukunftssicheren Weiterentwicklung des Christophsbads. An dieser Stelle ist Wehde besonders froh über seinen langjährigen Geschäftsführungskollegen Oliver Stockinger, die gute Zusammenarbeit mit der Pflegedirektion, den Chefärzten, dem Betriebsrat, die mit ihrer Arbeit die Stimmung und den Erfolg des Hauses wesentlich mitbestimmen. Wehde berührt vor allem der Mensch. Der kranke Mensch und auch die Frage, wie es zu der Krankheit kommt – wie Psyche und Körper zusammenhängen und sich gegenseitig beeinflussen. „Wieviel Krankheit beginnt im Kopf? Ich glaube, dass etwa Bildung in gewissem Maße vor Krankheit schützen kann“, meint er. „Kultur ist eine Voraussetzung für aktiven Gesundheitserhalt. Wir bieten in unserer Klinik viele kulturelle Veranstaltungen an und öffnen sie damit auch. Dabei geht es uns aber nicht um Kultur um der Kultur willen. Kultur bewirkt etwas in uns. Musik, Malerei und Dichtung können dem Menschen neue Wege zeigen, ihn zu sich selbst führen, oder über den Tellerrand gucken lassen. Kultur tut gut und entspannt. Das gilt für Gesunde ebenso wie für Kranke.”

Medizin muss ganzheitlich sein Auf dieser Einstellung gründet auch Wehdes Ansicht darüber, was Medizin heute leisten muss: „Ganzheitliche Medizin ist eine psychosomatische Medizin. Man muss kranken Menschen neben einer notwendigen medizinischen Intervention helfen herauszufinden, ob ihre Erkrankung im Zusammenhang mit ihrer Lebens-und Erlebnisweise oder ihrem Umfeld steht.“ Welche Parallelen bestehen zwischen der Aufgabe des Geschäftsführers eines Industrieunternehmens und der Verantwortung eines Krankenhausgeschäftsführers? „Da gibt es sehr viele Gemeinsamkeiten“, meint Wehde. „Beides bedarf möglichst perfekter Organisation. In beiden Berufen muss man den Markt berücksichtigen. In der Medizin nennt sich dieser Markt Bedarf. Ich muss auf

dem aktuellen Stand der Entwicklung sein und meine Leistungen ständig verbessern. Ich muss Technik und stringente Ablauforganisation mit den Bedürfnissen der Menschen vereinbar machen – sie kommunikativ erreichen. Ich muss wirtschaftlich arbeiten. Das gilt für Industrie und Klinik gleichermaßen. Ohne Ertrag ist die Entwicklung aus eigener Kraft blockiert." Aber natürlich gibt es auch große Unterschiede. „Im Gegensatz zur Industrie müssen wir im Gesundheitswesen keine Nachfrage schaffen“, sagt Bernhard Wehde. „Der Schrei nach immer wieder neuen Handys ist nicht von selbst entstanden. Da haben sich viele Leute eine Menge Gedanken gemacht, wie man den Menschen beibringt, dass solche Produkte unverzichtbar sind. Bei der Gesundheit ist das anders. Menschen werden krank; und sie wollen wieder gesund und trotz Krankheit alt werden. Insofern hat die Gesundheitsbranche es eigentlich leichter. Auf die Nachfrage kann man sich verlassen. Es kommt darauf an, wie man mit ihr umgeht: Ist man ehrlich und fair zu seinen Patienten? Oder verkauft man Illusionen?“ Als Klinikgeschäftsführer hat man natürlich einerseits wirtschaftliche Zwänge und andererseits ethische Forderungen eines Unternehmens, das keine Produkte herstellt, sondern sich um leidende, kranke Menschen kümmert. Wie bekommt man diesen Spagat hin? „Für mich sind kranke Menschen besondere ,Kunden‘, die man Patienten nennt“, sagt Wehde. „Natürlich birgt jeder Patient Aspekte eines Kunden in sich; aber er ist doch in erster Linie Patient. Von einem Kunden unterscheidet er sich vor allem dadurch, dass er zwar auch kundengleiche Wünsche und Rechte hat; aber die Frage ist, ob er diese Rechte auch wahrnehmen kann. Es kommt darauf an, wie kundig der Kunde ist. Und das ist im Gesundheitswesen nur bedingt möglich; denn wer Hilfe in einem Krankenhaus sucht, ist erstens oft schon allein durch seine Erkrankung hilflos und zweitens hat er sich von Berufs wegen vielleicht auf ganz andere Gebiete spezialisiert. Wenn ich ein toller Bäcker bin, muss ich nicht unbedingt wissen, welche Behandlung bei einem Beinbruch oder Schlaganfall am besten für mich ist. Da kommt die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Arzt und Patient ins Spiel und bei Not- und Unfällen ist die Wahlmöglichkeit in der Regel nicht gegeben.

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Termine Gesundheit beginnt im Kopf TREFFPUNKT Rotebühlplatz Stuttgart Rotebühlplatz 28; 70173 Stuttgart 12.11.2014 20.00 Uhr Herz aus dem Takt – Was ist zu tun? Dr. med. Suso Lederle im Gespräch mit Prof. Dr. med. Thomas Nordt Unser Herz schlägt 60 bis 80 Mal in der Minute, doch gelegentlich tickt es unregelmäßig. Fast jeder hat schon einmal gemerkt, dass sein Herz stolpert, rast oder aus dem Rhythmus gerät. Doch es besteht eine große Unsicherheit darüber, ob dies harmlos oder ge-

Kompass Gesundheit DAS MAGAZIN FÜR BADEN-WÜRTTEMBERG

Abonnement Ja, ich möchte „Kompass Gesundheit“ regelmäßig lesen. Bitte senden Sie mir die „Kompass Gesundheit“-Ausgaben nach Erscheinen zu. „Kompass Gesundheit“ erscheint 4-mal jährlich. Ich übernehme die Abo-Kosten in Höhe von 12,- Euro pro Jahr. Ich kann diese Vereinbarung jederzeit widerrufen. Bitte keine Vorauszahlung! Sie erhalten von uns eine Rechnung.

fährlich ist. Eine Veranstaltung im Rahmen der durch die Deutsche

Frau / Herr

Herzstiftung organisierten Herzwochen.

Vorname 28.01.2015 20.00 Uhr Medizin ohne Maß? – Heilkunde zwischen Wissen und Gewissen Dr. med. Suso Lederle im Gespräch mit Prof. Dr. med. Giovanni Maio (Institut für Ethik und Geschichte der Medizin/Uni Freiburg) Die Medizin braucht die Naturwissenschaft und moderne Technologien. Doch nicht alles, was machbar ist, ist für jeden Patienten human und ethisch verantwortbar. Zudem darf die Sorge um den kranken Menschen nicht dem Diktat der Ökonomie geopfert werden. Eine zukunftsweisende Medizin kann nur die gesunde Verbindung von fachlichem Können und gelebter Zwischenmenschlichkeit sein. Die Ärzte sollen nicht nur Macher, sondern auch verstehende Begleiter ihrer Patienten sein.

25.02.2015 20.00 Uhr Lebe Balance – Ein Programm für innere Stärke und Achtsamkeit Dr. med. Suso Lederle im Gespräch mit Dipl. Psych. Lisa Lyssenko (Klinik für Psychiatrie und Psychosomatik, Uni Freiburg) und Dietrich Duncker (Sportpädagoge AOK) Das Lebenstempo steigt, der Alltag nimmt einen fast pausenlos in Beschlag. Doch wer sich ständig beeilt,

Nachname Straße und Hausnummer PLZ Ort Tel. E-Mail Datum / Unterschrift Widerrufsrecht: Mir ist bekannt, dass ich die Vereinbarung innerhalb einer Woche bei MEDITEXT DR. ANTONIC (Leser-Service, Postfach 3131, 73751 Ostfildern) widerrufen kann. Die Frist beginnt mit Absendung dieses Formulars. Faxen Sie Ihre Bestellung an 0711 7656590 oder senden Sie diese in einem Briefumschlag an: MEDITEXT DR. ANTONIC Postfach 3131 73751 Ostfildern

verliert irgendwann stressgeplagt seine innere Balance. Dann hilft nur, die eigene Haltung zu überprüfen und achtsamer mit sich umzugehen. Eine Veranstaltung im Rahmen der AOK-Gesundheitswochen.

Der nächste Kompass Gesundheit erscheint im Januar 2015


Seit über 150 Jahren haben wir eine Mission: Unser Ziel ist die Entwicklung von innovativen Medikamenten in den Bereichen Herz-Kreislauf, Fettstoffwechselstörungen, Diabetes, chronischentzündliche Erkrankungen von Gelenken, Haut und Darm sowie degenerative Gelenkerkrankungen und Osteoporose, Infektionskrankheiten, Erkrankungen der Atemwege und des Nervensystems sowie in der Schmerz- und Krebstherapie, Augenheilkunde und in der Frauengesundheit.

Mehr als Medikamente. Es geht um Gesundheit. Im Mittelpunkt stehen die

Wir unterstützen Patienten und Betroffene im Umgang mit ihrer Erkrankung, indem wir aufklären, Patientenprogramme durchführen und die Gebrauchsinformationen unserer Medikamente verständlich gestalten. Mit vielen Partnern arbeiten wir an gemeinsamen Lösungen für mehr Gesundheit. Durch nachhaltige Förderprogramme übernehmen wir Verantwortung für einen besseren Zugang zu Gesundheitsversorgung und Medikamenten weltweit und engagieren uns für unsere Gesellschaft vor Ort. :HLWHUH ,QIRUPDWLRQHQ ¿QGHQ 6LH XQWHU www.msd.de

www.msd.de | www.univadis.de MSD SHARP & DOHME GMBH Lindenplatz 1, 85540 Haar Tel. 0800 673 673 673, Fax 0800 673 673 329 CORP-1090108-0000 07/13


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