Therapiealternativen für Schlafapnoe-Betroffene

Page 1

Goldstandard der Schlafapnoe-Therapie ist die mechanische Atemhilfe. Man hält über eine Überdruckbeatmung durch die Nase die Atemwege offen. Ein solches CPAP-Gerät (die Abkürzung steht für continuous airway pressure) arbeitet wie ein umgekehrter Staubsauger, mit dem Luft durch die Nase in die Lunge geblasen wird. Damit ist den Patienten in der Regel von einer Nacht zur anderen geholfen. Sie fühlen sich wach und leistungsfähig und sind morgens wieder in der Lage, den Tag mit Dynamik zu beginnen. Die CPAP-Therapie galt lange Jahre als die einzige Behandlungsmöglichkeit, wobei man unterschlug, dass auch sie teilweise gravierende Nebenwirkungen hat. Leider sprechen nicht alle Patienten gleich gut auf die CPAPTherapie an. Warum, weiß man bisher noch nicht – aber es ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass wir eine viel stärker personalisierte Medizin benötigen. Zum Glück gibt es mittlerweile einige gute Alternativen zum ungeliebten CPAP-Gerät: Unterkieferprotrusionsschienen wirken bei den meisten Patienten ähnlich gut wie die Therapie mit einem Gerät und Maske. Hinzu kommt, dass die Compliance besser ist: Die meisten Patienten tragen ihre Schiene länger als die Maske, die nach dem frühmorgendlichen Toilettengang oft nicht mehr aufgesetzt wird – obwohl man sie gerade dann eigentlich dringend bräuchte, weil wir in den Morgenstunden mehr Traumschlaf haben, in dem besonders häufig Apnoen auftreten. Die Schiene dagegen wird normalerweise bis zum Aufstehen getragen. Neueren Erkenntnissen zufolge liegt bei über der Hälfte aller Patienten eine positionsabhängige Schlafapnoe vor. Auch bei den nicht an OSA leidenden Schnarchern sind über 50 % positionsabhängig. Die Wirksamkeit einer Positionstherapie bei Patienten mit lageabhängiger Schlafapnoe wird seit den Achtzigerjahren untersucht: Studien zeigen, dass man den Apnoe-Hypopnoe-Index (AHI) dadurch auf Normalwerte senken kann! Dennoch wird die Rolle der Schlafposition bei der Entstehung schlafbezogener Atemstörungen nach wie vor unterbewertet, unterdiagnostiziert und untertherapiert. Auch mit einem Training der oberen Atemwegsmuskulatur sind schon diverse Versuche zur Behandlung einer OSA unternommen worden. Diese Muskeln spielen für die Offenhaltung der oberen Atemwege während des Schlafs eine wichtige Rolle. Für ein Training dieser Muskulatur gibt es verschiedene Therapieansätze: von Übungen für die Mund-Rachen-Muskulatur bis hin zum Spielen eines speziell zur Behandlung von Schnarchen und OSA entwickelten Didgeridoos. In manchen Fällen kann man chirurgische Eingriffe mit verschiedenen konservativen Verfahren (beispielsweise Gewichtsabnahme, Rückenlageverhinderung oder Schienentherapie) kombinieren, um einen noch besseren Therapieerfolg zu erzielen. Bei einer noch recht jungen Therapiemethode, der Zungenschrittmachertherapie, wird dem Patienten ein Schrittmachersystem implantiert, das den Unterzungennerv stimuliert. So wird der Tonus der Muskeln, die den Zungenansatz steuern, erhöht, sodass die Atemwege im Schlaf nicht mehr zusammenfallen können. Atemaussetzer bleiben aus.

Therapiealternativen

für Schlafapnoe-Betroffene



Therapiealternativen fĂźr Schlafapnoe-Betroffene

Herausgegeben von Werner Waldmann (BSD e. V.)


Wenn Sie mit der Maske nicht zurechtkommen

Ăœber diesen QR Code gelangen Sie zu einem Film, in dem die Leiterin des Schlaflabors der Ruhrlandklinik in Essen, Dr. med. Stefanie Werther, Ăźber die Compliance-Problematik der Schlafapnoepatienten spricht. http://www.bsd-selbsthilfe.de/mediathek/filme/compliance-beischlafapnoe-patienten.html

2


Liebe Leserin, lieber Leser! Sie leiden vermutlich schon länger unter einem Schlafapnoe-Syndrom. Und Sie haben sich dieses Buch ganz offensichtlich angeschafft, weil Sie mit der Atemtherapie mittels Maske nicht zurechtkommen. Freilich ist Ihnen klar, dass die nasale Überdruckbeatmung (nCPAP) heute immer noch als Goldstandard in der Behandlung der obstruktiven Schlafapnoe (OSA) gilt. Wenn Ihre Therapie ordentlich eingestellt ist, damit es zu keinen nächtlichen Atemaussetzern kommt, sind Sie auf der sicheren Seite, damit will ich sagen, dass Sie all die einem unbehandelten Schlafapnoe-Patienten drohenden Folgeerkrankungen nicht befürchten müssen. Es gibt eine ganze Reihe von Gründen, weshalb diese Therapie nicht funktioniert. Wie in Ihrem Fall. Vielleicht versetzt Sie die Maske in Panik. Das ist keine Einbildung, sondern ein ernsthaftes psychisches Problem. Gegen Ihre Phobie kann Ihnen womöglich ein Psychotherapeut helfen. Eine solche Behandlung lässt sich aber nicht von heute auf morgen realisieren und so lange dürfen Sie Ihre Schlafapnoe nicht unbehandelt lassen. Vielleicht verhindern Druckstellen und Zugluft infolge einer Maskenleckage die Nutzung. Auch da gibt es Möglichkeiten: eine andere Maske, gar eine Individualmaske. Dennoch kann das alles kein Allheilmittel sein. Und die psychische Variante wollen wir auch ernst nehmen, dass die Maske Ihre Partnerschaft gefährdet. Es gibt Patienten, die eine CPAP-Therapie ablehnen, nicht vertragen oder bei denen sie nicht zum gewünschten Erfolg führt. Deshalb sind Schlafmediziner ständig auf der Suche nach alternativen Therapien für schlafbezogene Atmungsstörungen. In diesem Ratgeber zeigen wir mögliche Therapiealternativen. Wir nennen Ihnen auch Hilfsmittel, die in den Augen der Schlafmediziner wenig Gnade finden, weil die Evidenz fehlt. Nennen wollen wir sie dennoch, denn dem einen oder anderen können sie wertvolle Hilfe leisten.

3


Sicher ist die Vorstellung eine Herausforderung, besonders zu Beginn Ihrer Therapie, ein Leben lang jede Nacht eine Atemmaske zu tragen. Ihr Arzt, das Personal Ihres Schlaflabors und die Betreuer Ihres Homecare-Versorgers haben leicht reden: Sie m端ssen die Maske tragen. Sie m端ssen mit ihr leben. Das darf man nicht bagatellisieren. F端r ein paar Tage oder Wochen, gut, das kann man sich vorstellen, so wie man mit einen Gipsarm auskommen muss. Er ist irgendwann weg, doch die Maske bleibt. Ein Leben mit der Maske: F端r manchen unvorstellbar und inakzeptabel.

4


Egal aus welchen Gründen, weil der Druck nicht zu tolerieren ist, weil Panikattacken Sie nachts die Maske vom Gesicht reißen lassen. Wir können Ihren Wunsch verstehen, Therapiegerät und Maske los zu werden. Diese Therapie jedoch zu ignorieren und so zu tun, als könnten Sie darauf verzichten: Davor sollen Sie gewarnt sein. Es geht um Ihre Gesundheit! Ganz ernsthaft. Beschäftigen Sie sich mit den Therapiealternativen und besprechen Sie diese mit Ihrem Arzt. Lässt sich Schlafapnoe heilen, so richtig kurieren? Auch eine solche Möglichkeit existiert, erwarten Sie aber keine Wunder.

5


Inhalt

1

Was ist eigentlich Schlafapnoe und wie wird sie behandelt?

2

Problempatienten

3

Protrusionsschienen

4 5

Gewichtsreduktion

6

10

Goldstandard der Schlafapnoe-Therapie

16

Wie gut ist die Therapietreue von CPAP-Patienten? • Stolperstein Maske • Der erste Eindruck ist entscheidend • SchlafapnoeBetroffene brauchen intensive Betreuung • Individuelle Therapie • Die verschiedenen Gesichter der Schlafapnoe • Zufallstherapie statt Präzisionsmedizin

26

Fragen und Antworten zur Schienentherapie • Das Solinger Modell

54

Weniger Hunger durch Schlauchmagen

Positionstraining

58

Der Tennisball in der Schlafanzugjacke ist passé • Der neueste Trend: interaktive Schlafpositionstrainer • Für wen eignet sich die Positionstherapie? • Schnarchen und Schlafapnoe während der Schwangerschaft • CPAP für die Schwangerschaft? • Präeklampsie: nicht auf die leichte Schulter nehmen


6

Didgeridoo, Singen & Logopädie

7

Mit Skalpell und Laser gegen Atemnot

8

Der Zungenschrittmacher

9

Anti-Schnarch-Hilfen

72

Auswirkung des körperlichen Trainings • Mit Didgeridoo gegen die Schlafapnoe • Logopädie hilft gegen Schlafapnoe • Singing for Snorers – ein komplexes Programm zur Straffung des Rachens

82

Wenn die Mandeln zu groß sind • Bei mehreren Engstellen: UPPP • Uvulopalataler Flap: Therapieerfolg ähnlich wie bei UPPP • Radiofrequenzchirurgie am Weichgaumen • Weichgaumenimplantate: schonend, aber leider nicht sehr wirksam • Radiofrequenzchirurgie am Zungengrund: nur bei bestimmten Patienten sinnvoll • Chirurgische Eingriffe an der Nase • Ultima Ratio: die Tracheotomie • Kieferchirurgische Verfahren • Multi-Level-Chirurgie

96

Keine Routinetherapie! • Zwei konkurrierende Systeme • Die Compliance der Patienten ist groß!

103

AlaxoStent gegen die Obstruktion im Rachen • Nasenspreizer – eine effektive Unterstützung zu CPAP, Schiene & Co. • Strategie gegen Mundleckagen • Velumount® Anti-Schnarchspange

Impressum

112 7


Alternativen zur CPAP-Therapie bei Schlafapnoe.

F

ür den schlafmedizinischen Laien ist es ziemlich schwierig, sich bei dieser Therapievielfalt überhaupt noch zurechtzufinden. Eine Arbeitsgruppe der European Respiratory Society hat es sich nun zur Aufgabe gemacht,

die wissenschaftliche Literatur zu den verschiedenen CPAP-Alternativen zu sichten und ein fachlich fundiertes Urteil darüber abzugeben. Der 2011 im European Respiratory Journal erschienene Artikel der Arbeitsgruppe macht Mut: Es gibt tatsächlich etliche Alternativen zu der teilweise ungeliebten nächtlichen Atemtherapie. Viele davon sind allerdings nur für bestimmte Patientengruppen geeignet. Was wir brauchen, ist also eine sehr viel stärker individualisierte Therapie der obstruktiven Schlafapnoe, wie auch der namhafte Essener Schlafmediziner Professor Helmut Teschler sie fordert: „Wir müssen den richtigen Patienten richtig diagnostizieren und mit der richtigen Therapie versorgen!“ Die Devise „CPAP für alle“ ist schon längst obsolet. Außer diesem ausführlichen Artikel der Arbeitsgruppe gibt es zwei Leitlinien, die sich mit der Behandlung schlafbezogener Atmungsstörungen befassen:

8


Welche Therapieverfahren sind sinnvoll? die S3-Leitlinie „Nicht erholsamer Schlaf/Schlafstörungen“ (Kapitel „Schlafbezogene Atmungsstörungen bei Erwachsenen“) der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/063-001l_S3_SBAS_2017-08_2.pdf

und die S2e-Leitlinie „HNO-spezifische Therapie der obstruktiven Schlafapnoe bei Erwachsenen“ der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopfund Hals-Chirurgie (DSZ-HNO) http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/017-069l_S2e_Obstruktive_Schlafapnoe_Erwachsene_2015-12.pdf

In diesen beiden Leitlinien finden sich ausführliche Erläuterungen und Empfehlungen zu den verschiedenen Therapieoptionen bei OSA. Zunächst ging die Arbeitsgruppe der Frage nach, ob man eine OSA denn unbedingt behandeln muss oder ob eine solche schlafbezogene Atmungsstörung nicht auch „von allein“ wieder verschwinden kann. Diese Hoffnung ist, wie die wissenschaftliche Fachliteratur zeigt, jedoch leider eine Illusion: Eine Schlafapnoe tendiert eher dazu, sich mit zunehmendem Alter zu verschlimmern – vor allem dann, wenn die Patienten an Gewicht zulegen, und wer tut das in höherem Alter nicht?

9


1 Was ist Schlafapnoe

und wie wird sie behandelt?

Freie Atemwege

Verschlossene Atemwege bei einer obstruktiven Apnoe

harter Gaumen Zunge Nasenhöhle

Luftröhre

Mundhöhle

weicher Gaumen

Atemfluss

Atemfluss

Normale Atmung

Apnoe

Schweregrade der Schlafapnoe 5–14 Atemaussetzer/Std. = leichtgradige Schlafapnoe 15–29 Atemaussetzer/Std. = mittelgradige Schlafapnoe über 30 Atemaussetzer/Std. = schwergradige Schlafapnoe

Hören Sie über diesen QR-Code das Interview mit Dipl.-Psych. Sabine Eller „Die Sprechstunde: Schlafapnoe“ http://www.bsd-selbsthilfe.de/ mediathek/zum-anhoeren/die-sprechstunde-schlafapnoe.html

10


D

as obstruktive Schlafapnoe-Syndrom ist ein Beschwerdebild, das durch Atemstillstände, sogenannte Apnoen, während des Schlafs verursacht wird. Vordergründig manifestiert sich dieses Krankheitsbild durch ein

weltbekanntes, uraltes Phänomen, das Schnarchen. Nicht jeder Mensch schnarcht. Es bedarf schon besonderer Umstände, damit dieses Geräusch entsteht. Die Muskelspannung lässt bei allen Menschen im Schlaf nach – im Tief- und im Traumschlaf ist sie am niedrigsten. Auch die Muskeln im Rachen und der Zungenmuskel, der die Zunge nach vorne zieht, erschlaffen während des Schlafs. Rachenwand, weicher Gaumen und Zungenwurzel nähern sich bei der Einatmung durch den Sog, der von der Lunge ausgeht, und durch die verringerte Muskelspannung einander an. Im Normalfall reicht die Muskelspannung jedoch immer noch aus, um den Rachen weit genug offen zu halten, sodass die Luft ungehindert hindurchströmen kann. Anders beim Schnarcher: Hier kommt es aufgrund der entspannten Rachenund Zungenmuskulatur zu Verengungen. Im Bereich dieser Engstellen strömt die Luft beim Einatmen schneller. Der beschleunigte Luftstrom bringt die Weichteile im Rachen verstärkt zum Vibrieren. Der Schlafende beginnt zu schnarchen. Denn im Nasen-Rachen-Raum der nächtlichen Ruhestörer herrschen besondere anatomische Verhältnisse, die die Entstehung des lästigen Geräuschs begünstigen. Die Hauptursache des Schnarchübels liegt im mittleren Rachenbereich, wo sich Zäpfchen, Gaumensegel und Zungengrund befinden. Bei den meisten Schnarchern sind das die drei Instrumente, die zum nächtlichen Konzert aufspielen. Und sie sind beim Schnarcher häufig zu groß und zu schlaff. Die Zunge ist entweder zu groß oder zu dick. Auch das Zäpfchen ist häufig verdickt und verlängert, und die hinteren Gaumenbögen hängen tiefer in den Rachen hinein. Die Rachenhinterwand ist nicht straff, sondern in lockere Falten gelegt – der ideale Resonanzboden zum Vibrieren und Schnarchen.

11


Therapiealternativen

Schnarchen tritt vor allem dann auf, wenn man auf dem Rücken liegt. Der Grund dafür liegt in der Schwerkraft: Die Zungenwurzel fällt in der Rückenlage ein wenig nach hinten zur Rachenwand hin; und da der Hauptzungenmuskel vor allem im Tiefschlaf entspannt ist, wird der Schwerkraft nicht gegengesteuert. Die Folge: Es kommt zu einer Enge im Rachenraum; dadurch beschleunigt sich der Luftstrom, und die Weichteile im Rachen werden in Schwingungen versetzt – das charakteristische Schnarchgeräusch entsteht. Schnarchen kommt in unterschiedlichen Ausprägungen und Schweregraden vor: Manche Menschen schnarchen vollkommen regelmäßig ohne Unterbrechung in jeder Schlafstellung, andere nur in bestimmten Schlafpositionen. Bei wieder anderen tritt ein ganz anderes Geräusch auf: ein heftiges, oft sehr lautes Schnarchen beim Einatmen, das auf eine längere Atempause folgt. Während sich der Bettpartner an ein relativ gleichmäßiges Schnarchen durchaus gewöhnen kann und ein gelegentliches leises Schnarchen in der Regel kaum stört, schrecken die meisten Partner bei dem heftigen, unregelmäßigen Schnarchen mit Atempausen hoch. Das hat seinen Grund: An regelmäßig wiederkehrende Geräusche kann man sich leichter gewöhnen als an ein plötzliches, in unregelmäßigen Abständen auftretendes, lautes Geräusch. Das kennen sicher alle, die schon einmal in einem Zug ein Nickerchen gemacht haben – das gleichmäßige Rattern des Zuges nimmt man nach kurzer Zeit nicht mehr wahr. Schnarchen kann gefährlich sein, wenn es dabei zu einem völligen Verschluss der oberen Atemwege während des Schlafs kommt und dadurch die Atmung zeitweise aussetzt. Diese Atemaussetzer bezeichnet man als obstruktive (verschlussbedingte) Apnoen. Durch diese Atemstillstände wird der lebenswichtige Gasaustausch beeinträchtigt: Während der Atempausen sinkt der Sauerstoffgehalt des arteriellen Blutes ab, da kein Nachschub aus der Atemluft kommt. Infolgedessen kommt es auch zu einem Sauerstoffmangel in den Körpergewe-

12


Was ist Schlafapnoe und wie wird sie behandelt?

ben (Hypoxie), die vom Blut mit Sauerstoff versorgt werden. Gleichzeitig kann das Kohlendioxid, das von den Zellen ans Blut abgegeben wird, nicht mehr abgeatmet werden: Der Kohlendioxidgehalt des Blutes steigt übermäßig an (Hyperkapnie). Der Sauerstoffmangel, der Anstieg der Kohlendioxidkonzentration im Blut und die verzweifelten Atemanstrengungen des Schnarchers (der ja trotz seiner verschlossenen Atemwege nach Luft ringt) werden vom zentralen Nervensystem registriert und führen zu einer lebensrettenden kurzen Weckreaktion (sogenanntes Arousal), durch die der Patient wieder Luft bekommt. Dieser erste Atemzug nach der Atempause ist in der Regel mit einem lauten Schnarchgeräusch verbunden, weil sich der Verschluss gelöst hat, der Rachen aber noch eng ist und durch den hohen Atemantrieb aufgrund der kritischen Situation die Einatmung besonders heftig erfolgt. Nachdem die Atemwege nun offen sind und sich die Atmung normalisiert hat, schläft der Betroffene wieder ein – bis zur nächsten Atempause.

Kommt es innerhalb einer Stunde zu mehr als fünf Atemaussetzern, sprechen die Mediziner von einer obstruktiven Schlafapnoe. Das bedeutet „verschlussbedingte Atempausen während des Schlafs“. Durch die ständigen Weckreaktionen wird der Schlaf des Schnarchers zerstückelt – auch wenn er davon gar nichts mitbekommt und vielleicht sogar glaubt, die ganze Nacht tief und fest geschlafen zu haben: Denn wenn eine nächtliche Wachphase kürzer als drei Minuten dauert, erinnern wir uns am nächsten Morgen nicht mehr daran. Trotzdem machen diese ständigen Arousals den Schlaf unerholsam. Bei Pai-

13


Therapiealternativen

enten mit schwerer, unbehandelter Schlafapnoe ist die „Zerstückelung“ des Schlafes (der Mediziner spricht von Schlaffragmentierung) so ausgeprägt, dass sie fast einem Schlafentzug gleichkommt – mit entsprechend gravierenden Folgen für Tagesbefindlichkeit und Gesundheit. Vor allem die für unser körperliches Wohlbefinden und seelisches Gleichgewicht so wichtigen Tiefschlaf- und REMSchlafphasen sind beeinträchtigt. Durch die ständigen Weckreaktionen kommt der Schlafapnoiker seltener oder fast gar nicht mehr in den Tiefschlaf und Traumschlaf; er schläft leicht und unruhig. Das führt zu entsprechenden Beeinträchtigungen am Tage: Menschen, die an einer Schlafapnoe leiden, kommen morgens oft schwer „in die Gänge“, fühlen sich unausgeschlafen und wie zerschlagen. Bei vielen Patienten hält diese Schläfrigkeit den ganzen Tag über an und beeinträchtigt Wohlbefinden, Konzentrationsvermögen und Leistungsfähigkeit. Freilich gibt es auch Menschen, die unter häufigen, ausgeprägten nächtlichen Atemstillständen leiden und sich tagsüber trotzdem wach und fit fühlen. Die Erkrankung führt auch häufig zu Persönlichkeitsveränderungen: Viele Betroffene werden mit der Zeit gereizt, ungeduldig und aggressiv. Wutausbrüche kommen häufig vor – manchmal schon aus nichtigem Anlass. Andere werden mit der Zeit immer lustloser und antriebsschwächer oder verfallen sogar in Depressionen.

Goldstandard der Schlafapnoe-Therapie Goldstandard der Schlafapnoe-Therapie ist die mechanische Atemhilfe. Man hält über eine Überdruckatmung durch die Nase die Atemwege offen. Ein solches CPAP-Gerät (die Abkürzung steht für continuous positive airway pressure) arbeitet wie ein umgekehrter Staubsauger, mit dem Luft durch die Nase in die Lunge geblasen wird. Damit ist den Patienten in der Regel von einer Nacht zur anderen geholfen. Sie fühlen sich wach und leistungsfähig und sind morgens

14


Was ist Schlafapnoe und wie wird sie behandelt?

wieder in der Lage, den Tag mit Dynamik zu beginnen. Vor der Entdeckung dieser Therapie war die einzige Möglichkeit, den Betroffenen zu helfen, indem man einen Luftröhrenschnitt durchführte. Dies war jedoch ein sehr invasiver Eingriff und viele lehnten ihn ab. Die CPAP-Therapie galt lange Jahre als die einzige Behandlungsmöglichkeit, wobei man unterschlug, dass auch sie teilweise gravierende Nebenwirkungen hat.

Typische Symptome einer Schlafapnoe Fremdbeobachtete Symptome:

lautes, unregelmäßiges Schnarchen mit Atempausen (Hauptsymptom) unruhiger, bewegungsreicher Schlaf Persönlichkeitsveränderungen, berufliche Leistungsabnahme Bluthochdruck Potenzstörungen Selbstbeobachtete Symptome:

Schläfrigkeit und Einschlafneigung bei Tage, in monotonen Situationen (Hauptsymptom)

Konzentrationsstörungen Leistungsschwäche Schlafstörungen häufiges nächtliches Wasserlassen nächtliches Schwitzen Depressionen morgendliche Kopfschmerzen morgendliche Mundtrockenheit Potenzstörungen, sexuelle Unlust

15


2 Problempatienten

Über diesen OR-Code können Sie ein Gespräch mit Dr. Alexander Hoffmann (ResMed) sehen über eine Untersuchung zur Therapietreue der Patienten. http://www.bsd-selbsthilfe.de/mediathek/filme/therapietreue.html

16


E

ine Krankheit wird diagnostiziert, und der Arzt verordnet die Therapie: Medikamente, Geräte, Verhaltensmaßnahmen. In der Klinik sorgt das Pflegepersonal dafür, dass die Behandlung strikt durchgeführt wird. Doch

zu Hause? Die Therapietreue – d. h., dass der Patient die Maßnahmen, die ihn hoffentlich wieder gesund machen, auch durchführt (im ärztlichen Fachjargon als „Compliance“ bezeichnet) – ist oft ein großes Problem. Eigentlich müsste jeder Kranke mit Begeisterung alle Empfehlungen seines Arztes befolgen. Je konsequenter und je länger ein Schlafapnoe-Patient sein Gerät nutzt, desto besser ist die Wirkung. Doch eine solche konsequente Therapietreue ist leider nicht immer selbstverständlich. Ca. 30 % der SchlafapnoeBetroffenen kommen mit der CPAP-Überdruckbeatmung nicht zurecht.

Wie gut ist die Therapietreue von CPAP-Patienten? Man vermutet einiges, doch es gibt keine wirklich verlässliche Studie, die Auskunft über die Therapietreue von Schlafapnoe-Patienten gibt. Doch darf man getrost annehmen, dass die CPAP-Compliance keineswegs schlechter ist als die Medikamenten-Compliance der Patienten bei anderen chronischen Volkskrankheiten wie Diabetes oder Bluthochdruck. Dennoch ließe sich auch hier noch etliches verbessern. Und es gibt auch noch viele offene Fragen. Nach wie vor strittig ist z. B., wie man CPAP-Compliance eigentlich definiert: anhand der Anzahl der Nutzungsstunden pro Nacht? Oder der Nutzungstage pro Woche? Auch die Therapieabbruchrate ist ein wichtiges Kriterium: Wie viele Patienten bleiben überhaupt bei der Stange? Ferner ist auch noch nicht geklärt, wie viele Tage pro Woche bzw. wie viele Stunden pro Nacht ein Schlafapnoe-Patient sein Gerät eigentlich nutzen muss, um einen Therapieeffekt zu erreichen. Hier scheint es auch große individuelle Unterschiede zu geben: „Es gibt Patienten, die mit drei Stunden pro Nacht eine positive Wirkung erzielen, und andere, die ihr Gerät sieben Tage pro Woche acht Stunden pro Nacht benutzen und

17


Therapiealternativen

tagsüber trotzdem immer noch schläfrig sind – das sind immerhin 5 bis 10 % aller Patienten“, betont Schlafapnoe-Experte Holger Wöhrle. Insgesamt betrachtet, hinkt die Anzahl der Tage, an denen das Gerät genutzt wird, der Anzahl der Stunden hinterher, die es pro Nacht eingesetzt wird. Untersuchungen zeigen, dass es bei vielen Patienten Auslasstage gibt, z. B. weil jemand für einen Tag geschäftlich verreist ist oder ab und zu am Wochenende auch einmal das Bedürfnis hat, das Gerät aus dem ehelichen Schlafzimmer zu verbannen.

Was hindert einen Patienten daran, sein Atemtherapiegerät regelmäßig zu benutzen? Dafür gibt es natürlich die verschiedensten Gründe. Wer unter enormer Tagesschläfrigkeit leidet (auch mit allen sozialen Folgen) und sich nach den ersten Therapienächten morgens plötzlich ganz anders fühlt: fit, ausgeschlafen, voller Energie – der wird sehr rasch in seine Therapie hineinwachsen und Gerät und Maske nicht mehr missen wollen. Ein geringer Leidensdruck dagegen – bei Patienten mit nur mäßig ausgeprägter Schlafapnoe und ohne Tagesschläfrigkeit – ermuntert nicht sonderlich zu einem therapietreuen Verhalten. Wir wissen heute, dass ungefähr die Hälfte aller Schlafapnoe-Patienten nicht unter Tagesschläfrigkeit leidet. Es geht ihnen relativ gut, und sie empfinden die Therapie nicht als lebensnotwendig. Gerade solche Patienten laufen Gefahr, das Gerät in die Ecke zu stellen oder immer seltener zu nutzen. Und niemand motiviert sie dazu, sich einer erneuten Kontrolle zu unterziehen. Die Richtlinien erlauben eine Nachuntersuchung nur dann, wenn ein Patient von sich aus über Beschwerden klagt, die eine ambulante und stationäre Kontrolle rechtfertigen. Aber auch Schlafapnoe-Patienten, die nicht in ihrer Wachheit und ihrem Wohlbefinden bei Tage beeinträchtigt sind, haben, wie man inzwischen weiß,

18


Problempatienten

ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Deshalb ist eine gründliche Aufklärung der Patienten sehr wichtig: Sie müssen verstehen, wie positiv es sich auf Herz und Kreislauf auswirkt, wenn die Beatmung ihre nächtlichen Atemaussetzer verhindert und Herz und Gehirn regelmäßig mit lebensnotwendigem Sauerstoff versorgt werden.

Schlafapnoe-Patienten müssen zu Spezialisten ihrer Krankheit werden und genau wissen, wie es zu ihrem Leiden kommt und was für Folgen es haben kann. Auch die Psyche spielt den Patienten manchmal einen Streich. Vieles hängt davon ab, ob die Bettpartnerin oder der Bettpartner den maskierten Bettgenossen ernst nimmt, in der Benutzung des Geräts gar aktiv unterstützt, ermuntert – oder sich über ihn lustig macht. Man kann sich die Szene vorstellen: Der Mann neben der neuen Freundin greift nach leidenschaftlichem Liebesspiel zur Maske und stülpt sie sich über – während die Partnerin gerne noch etwas gekuschelt hätte. Falls solche Akzeptanzprobleme zu befürchten sind, ist es hilfreich, wenn die Partnerin an der Schlussbesprechung im Schlaflabor teilnimmt, damit sie ebenso wie der Patient begreift, dass diese Therapie lebensnotwendig ist. Dennoch scheinen Paare besser mit der Maskentherapie zurechtzukommen als Singles. Eine französische Studie hat ergeben, dass Menschen, die alleine leben, sich oftmals weniger therapietreu verhalten als Paare. Schlafapnoiker in exponierter beruflicher Stellung neigen offenbar ebenfalls dazu, ihre Therapie nicht besonders ernst zu nehmen: In der Hektik ihrer Arbeit rund um die Uhr nehmen sie das alles nicht so wichtig. Ein Therapiehindernis sind auch häufige Reisen. Da wird es schon mal als lästig empfunden, das Gerät immer mitzu-

19


Therapiealternativen

schleppen. Allerdings greift da ein neuer Trend, nämlich dass sich die meisten Geräte enorm verkleinert haben und auf diese Weise problemloser im Reisegepäck Platz finden. Auch das Alter der Patienten spielt eine Rolle. Für ältere Menschen, möchte man annehmen, ist der Umgang mit dem Gerät oft schwierig. Seit die Technik keine simplen Knöpfe mehr anbietet, sondern raffinierte Menüs, die mit wenigen Tasten die gewünschten Funktionen ansteuern lassen, mag sich mancher ältere Patient verraten und verkauft vorkommen.

Stolperstein Maske Andere Hinderungsgründe für eine gute Compliance haben nichts mit dem Patienten, sondern eher mit der Therapie selbst zu tun. Denn Gerät und Maske können sich auf vielfältige Weise störend auswirken und Probleme verursachen. Der wichtigste „Problemfaktor“ ist die Maske: Sie kann, wenn sie nicht richtig sitzt, schmerzhafte Druckstellen im Gesicht verursachen. In solch einem Fall sollte der Sitz der Atemmaske überprüft werden: Sie muss so fest sitzen, dass nirgendwo undichte Stellen (Leckagen) auftreten. Andererseits darf sie aber auch keinen zu starken Druck auf Gesichtsstellen ausüben. Eventuell lässt sich der optimale Sitz durch Auspolsterung an den kritischen Stellen erzielen. Man kann auch versuchen, die Kopfhalterung etwas zu lockern, wobei jedoch keine Undichtigkeiten entstehen dürfen. Lässt sich das Problem durch solche Korrekturen nicht beheben, so benötigt der Patient möglicherweise eine andere Maske oder Maskengröße. Ferner kann durch Maskenleckagen ein unangenehmer Luftzug entstehen, der häufig die Augen reizt und zu einer Bindehautentzündung führen kann. Die Ursache dafür könnte z. B. sein, dass dem Patienten das falsche Maskensystem angepasst wurde, der Maskeneinsatz die falsche Größe hat oder der Winkel an der Stirnstütze der Maske falsch eingestellt ist. Hier bedarf der Patient fach-

20


Problempatienten

kundiger Beratung. Die meisten Maskenprobleme lassen sich durch Schulung und Beratung, durch Änderungen an der Maske oder den Umstieg auf eine andere Maske gut in den Griff bekommen. In besonderen Fällen ist auch die Anfertigung einer individuellen Atemmaske möglich. Und nicht zuletzt gewöhnt man sich mit der Zeit an das Tragen der Maske. Viele Patienten finden auch erst durch „Versuch und Irrtum“ die für sie richtige Maske.

Der erste Eindruck ist entscheidend Schlafmediziner wissen, dass sich das Nutzungsmuster bereits innerhalb der ersten Woche entwickelt und die Langzeitnutzung bestimmt. Anders ausgedrückt: Wer die Therapie nicht in den ersten Tagen, sobald er das Gerät zu Hause hat, regelmäßig nutzt, wird sich damit höchstwahrscheinlich niemals anfreunden und höchstens widerwillig hin und wieder für ein paar Stunden seine Maske aufsetzen. Deshalb ist eine intensive Betreuung der Patienten in den ersten Therapietagen entscheidend, um auftretende Probleme sofort beheben zu können. Überhaupt weiß man, dass eine engmaschige Betreuung für die Patienten eine wichtige Rolle spielt. Eine Studie hat eine Intensivbetreuung von CPAP-Patienten mit der Standardbetreuung verglichen – mit positivem Ergebnis: Der durchschnittliche Gebrauch des Geräts verlängerte sich dadurch.

Schlafapnoe-Betroffene brauchen intensive Betreuung Schlafmedizin – insbesondere die Behandlung von Schlafapnoe-Patienten – ist nun einmal keine Fünf-Minuten-Medizin! Eine effektive und den Patienten zufriedenstellende CPAP-Therapie erfordert eine engmaschige Betreuung, die die Schlaflabore alleine kaum leisten können. Leider erschweren die wirtschaftlichen Bedingungen für die Homecare-Versorger deren Patientenunterstützung massiv.

21


Therapiealternativen

Individuelle Therapie Viele Schlafapnoe-Patienten kommen mit Gerät und Maske nicht zurecht. Umso wichtiger ist es, auch andere Therapieansätze anzubieten – und vor allem individualisierte Behandlungsstrategien zu entwickeln. Holger Wöhrle vom Schlaf- und Beatmungszentrum Blaubeuren plädiert für eine P4-Medizin:

Präventiv

Prädiktiv

(vorbeugend)

(vorausschauend handeln)

P4-

Medizin Personalisiert

Partizipierend

(personalisierte Therapie)

(Teilhabe des Patienten an seiner Behandlung)

Nur so kann man dem komplexen Krankheitsbild der Schlafapnoe und der enormen Vielfalt dieser Patienten gerecht werden. „Aber man kann auch nicht sagen: Wer mit der Maske nicht zurechtkommt, gibt sich keine Mühe“, warnt Wöhrle. „Es gibt genügend Patienten, die sich durchaus Mühe geben und es trotzdem nicht schaffen.“

22


Problempatienten

Die verschiedenen Gesichter der Schlafapnoe Leider sprechen auch nicht alle Patienten gleich gut auf die CPAP-Therapie an: „Manche nutzen ihre Therapie nur drei Stunden pro Nacht, und ihr Blutdruck sinkt dadurch; andere tragen die Maske acht Stunden lang, und ihr Bluthochdruck wird trotzdem nicht besser.“ Warum, weiß man bisher noch nicht – aber es ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass wir eine viel stärker personalisierte Medizin benötigen. Genetische Untersuchungen aus Spanien haben ergeben, dass man anhand bestimmter Marker im Blut voraussagen kann, ob der zu hohe Blutdruck bei einem Schlafapnoe-Patienten durch die Therapie absinken wird oder nicht: ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer prädiktiven Vorgehensweise – dem ersten „P“ in Wöhrles Plädoyer für eine bessere Schlafmedizin der Zukunft. „Wir sollten auch stärker präventiv denken, also Erkrankungen zu vermeiden versuchen“, fordert Wöhrle. „Denn wenn wir nur die Schlafapnoe des Patienten behandeln und seine Herz-Kreislauf-Begleiterkrankungen nicht, ist das keine sinnvolle Vorgehensweise.“ Und nicht zuletzt möchten Patienten in der modernen Medizin selbst an ihrer Therapieentscheidung und -gestaltung teilhaben. Erste CPAP-Gerätehersteller haben mittlerweile Systeme auf den Markt gebracht, mit denen der Patient seine Therapie selbst überwachen kann. „Das muss das Ziel einer modernen Medizin sein“, sagt Wöhrle: „Dass der Patient zum Manager seiner eigenen Erkrankung wird.“ Ob und wann Krankenkassen die Kosten für diese telemedizinische Therapieüberwachung übernehmen werden, steht allerdings noch in den Sternen.

Zufallstherapie statt Präzisionsmedizin Und überhaupt sind wir von dem Ideal einer P4-Medizin leider noch ziemlich weit entfernt. Statt einer personalisierten Behandlung erhalten Schlafapnoe-Patienten derzeit eher eine „Zufallstherapie“: „Kommt der Patient in ein pneu-

23


Therapiealternativen

mologisch orientiertes Schlaflabor, wird er mit einer CPAP-Therapie versorgt; verschlägt der Zufall ihn in ein HNO-ärztliches Schlaflabor, so wird er erst mal operiert oder erhält eine Atemwegsstimulation; in einem zahnärztlich ausgerichteten Schlaflabor bekommt er eine Unterkieferprotrusionsschiene“, kritisiert Professor Helmut Teschler. „Das ist keine Präzisionsmedizin.“ Und er betont auch, dass die Atemtherapie mit Gerät und Maske nicht mehr der unangefochtene Goldstandard in der Behandlung der obstruktiven Schlafapnoe ist – es kommt eben auf den individuellen Patienten an: „Mit CPAP leisten wir nicht bei jedem Patienten qualitativ wertvolle Arbeit!“ „Wir müssen den richtigen Patienten richtig diagnostizieren und mit der richtigen Therapie versorgen, denn negative Therapieversuche frustrieren die Patienten“, so auch das Fazit von Holger Wöhrle. Zum Glück gibt es mittlerweile einige gute Alternativen zum ungeliebten CPAP-Gerät: Unterkieferprotrusionsschienen wirken bei den meisten Patienten ähnlich gut wie die Therapie mit Gerät und Maske. Hinzu kommt, dass die Compliance besser ist: „Die meisten Patienten tragen ihre Schiene länger als die Maske, die nach dem frühmorgendlichen Toilettengang oft nicht mehr aufgesetzt wird – obwohl man sie gerade dann dringend bräuchte, weil wir in den Morgenstunden mehr Traumschlaf haben, in dem besonders häufig Apnoen auftreten“, so Holger Wöhrle. Die Schiene dagegen wird normalerweise bis zum Aufwachen getragen. Auch aus Professor Teschlers Sicht fällt den Unterkieferprotrusionsschienen in der Schlafmedizin eine wichtige Rolle zu: „Sie etablieren sich immer mehr als wichtige Alternative zur CPAP-Therapie.“ Aber nicht nur bei der Bekämpfung der Schlafapnoe haben die Schienen einen wichtigen Stellenwert, sondern auch als Präventionsmaßnahme bei Schnarchern. Immer mehr verdichtet sich nämlich die Erkenntnis, dass Schnarchen gar nicht so harmlos ist, wie manch einer vielleicht denkt: Erstens geht ein „normales“ Schnarchen ohne Krankheitswert im Lauf der Jahre häufig in eine obstruktive Schlafapnoe über. Denn

24


Problempatienten

mit zunehmendem Alter nimmt der Muskeltonus ab, sodass die Rachenmuskulatur leichter erschlafft. Gleichzeitig nimmt das Körpergewicht bei den meisten Menschen zu. Das Fett lagert sich auch im Hals und um den Atemweg herum an und verengt ihn. Außerdem häufen sich die Hinweise darauf, dass Nerven und Muskelgewebe im Mund-Rachen-Raum durch die ständige Vibration beim Schnarchen geschädigt werden, sodass die oberen Atemwege leichter zusammenfallen und es zu Atemaussetzern kommt. Auch wenn diese Hypothese noch nicht eindeutig belegt ist, sollte man dennoch daran denken, dass Schnarchen der erste Schritt zu einer obstruktiven Schlafapnoe sein kann. Zweitens kann heftiges Schnarchen die Entstehung von Atemwegsinfekten begünstigen: „Viele Schnarcher haben nicht nur ein soziales Problem, sondern durch die turbulente Luftströmung bei heftigem Schnarchen werden ihre tiefen Atemwege Nacht für Nacht mit Krankheitskeimen aus dem Mund-Rachen-Raum berieselt“, warnt Professor Teschler. Das ist immerhin die dritthäufigste Ursache für chronischen Husten – eine Gefahr des Schnarchens, die bisher noch viel zu wenig beachtet wird.

25


3 Protrusionsschienen

Über diesen QR-Code hören und sehen Sie einen Vortrag von Dr. med. dent. Susanne Schwarting. http://www.bsd-selbsthilfe.de/mediathek/filme/protrusionsschienen.html

Dieser QR-Code führt zu einem Interview mit Dr. med. dent. Susanne Schwarting http://www.bsd-selbsthilfe.de/mediathek/filme/ susanne-schwarting-im-interview.html

26


D

urch den Unterkiefervorschub weiten Protrusionsschienen (Protrusion = lat. Vorschub) die oberen Atemwege, um Schnarchen und nächtliche Atemaussetzer zu reduzieren oder völlig verschwinden zu lassen. In

allen 27 randomisierten, kontrollierten Studien, die die Arbeitsgruppe der European Respiratory Society untersuchte, ließ sich die Anzahl der Apnoen durch die Schienen verringern, allerdings weniger wirksam als mit einer CPAP-Therapie. Auch die subjektiv empfundene Tagesschläfrigkeit ging in vielen Studien zurück. Positive Auswirkungen auf Lebensqualität, Bluthochdruck und HerzKreislauf-Sterblichkeit sind unter einer Schienentherapie ebenfalls zu beobachten; ein weiterer Vorteil ist, dass die meisten Patienten die Unterkieferprotrusionsschiene einer CPAP-Therapie vorziehen. Die Autoren der Arbeitsgruppe empfehlen Protrusionsschienen zur Behandlung von Patienten mit leichter bis mittelgradiger OSA, aber auch bei schwergradigen Schlafapnoikern, die eine CPAP-Therapie nicht tolerieren; dies deckt sich mit den Empfehlungen der DGSM-Leitlinie. Sie heben hervor, dass die Schienen individuell angepasst werden und den Unterkiefer um mindestens 50 % der maximalen Protrusion vorschieben sollten. Absolut notwendig ist eine regelmäßige schlafmedizinische Nachuntersuchung: Eine Titration ist wichtig und eine spätere erneute Schlafapnoe-Messung notwendig, da eine Verbesserung der OSA-Symptome lediglich ein ungenauer Indikator für den Behandlungserfolg ist.” Je schwergradiger die Schlafapnoe und je höher das Übergewicht der Patienten, umso weniger erfolgversprechend ist eine Schienentherapie. Hier zeigt sich der Wert einer Gewichtsreduktion im Rahmen einer Kombinationstherapie. Eine solche Therapie kann auch unerwünschte Nebenwirkungen haben: Spannung der Kiefermuskulatur in den ersten Wochen (Muskelkater), auch vermehrter Speichelfluss ist möglich. Langfristig kommen Veränderungen der Bisslage und der Zahnstellung in Betracht.

27


Therapiealternativen

Auf dieser Doppelseite haben wir eine Auswahl verschiedener Protrusionsschienen abgebildet, damit Sie sehen, dass es keine einheitliche Schiene gibt.

Hamburger Unterkieferprotrusionsschiene (H-UPS)

H-UPS blau

IST classic-neu

IST plus blau

IST classic

IST plus mit integriertem Compliance Sensor TheraMon/Air Aid Sleep

28


Protrusionsschienen

Der schlafmedizinisch ausgebildete Zahnarzt wird seinem Patienten die Schiene empfehlen, die seinen BedĂźrfnissen entspricht.

Narval CC full-coverage

UP-Testschiene

SomnoDent Flex mit integriertem BRAEBON DentiTRAC Compliance Recorder

SomnoDent Fusion mit integriertem BRAEBON DentiTRAC Compliance Recorder

SomnoDent-Schlafapnoeschiene

TAP-Schiene (Thornton Adjustable Positioner)

29


Therapiealternativen

Fragen zur Schienentherapie und Antworten von Dr. Susanne Schwarting, Kiel Wer hat die Schienentherapie entdeckt? Dr. Susanne Schwarting: Die Idee, Zahnschienen gegen Schnarchen und Schlafapnoe einzusetzen, ist schon über 30 Jahre alt. Die Ersten, die zur Behandlung der Schlafapnoe eine Unterkiefervorschubschiene einsetzten, waren der Schlafmediziner und Neurologe Prof. Karlheinz Meier-Ewert und sein Freund, der Zahnarzt Dr. med. dent. Heinrich Schäfer. Aus den USA kam 1982 eine Schiene, bei der der Patient die Zungenspitze in eine Art Silikonkugel vor dem Mund stecken musste, um so die Zunge nach vorn zu ziehen und vorn zu halten. Als einfachere und angenehmere Lösung entwickelte Dr. Schäfer eine Schiene(später als Monoblock bezeichnet) für die er den Namen EsmarchSchiene vorschlug. Den ersten Prototyp dieser Schiene probierte Prof. MeierEwert neun Monate lang an sich selbst aus, da etwaige Folgeschäden an den Kiefergelenken befürchtet wurden. Als diese ausblieben, begann er, seinen Apnoe-Patienten diese Behandlungsmethode anzubieten und berichtete 1984 auf dem europäischen Kongress für Schlafmedizin über erste erfreuliche Ergebnisse. Prof. Meier-Ewert hat diesen ersten Schienentyp auch auf einem schlafmedizinischen Kongress in Amerika vorgestellt. Ab da begann man in den USA mit diesen Monoblöcken Patienten zu behandeln und sich intensiv mit der Schienentherapie gegen Schlafapnoe zu beschäftigen, während es in Deutschland zunächst keine Zahnärzte gab, die dieses Thema aufgriffen. Die damaligen sogenannten Monoblöcke waren Kunststoffschienen aus einem Stück, die einfach nur den Unterkiefer nach vorne hielten, wenn man hineinbiss. Sie sind mit den eleganten Zweischienensystemen, die wir heute benutzen, also nicht zu vergleichen.

30


Protrusionsschienen

Wie erfolgt die Feineinstellung (Titration) bei der Schienentherapie? Dr. Susanne Schwarting: Der ursprüngliche Monoblock hielt den Unterkiefer einfach die ganze Nacht über in einer Vorschubposition fest. Dabei konnte es natürlich sein, dass dies nicht die richtige Position war und der Patient immer noch Atemaussetzer hatte. Deshalb verwendet man heute keine Monoblöcke mehr, sondern moderne Zweischienensysteme, bei denen der Patient abends eine Schiene auf den Oberkiefer und eine Schiene auf die Unterkieferzahnreihe setzt. An der Seite oder vorne befinden sich kleine Schraubelemente. Über diese Schräubchen kann man den Unterkiefer im Nachhinein noch weiter nach vorn verlagern – bis Atemaussetzer und Schnarchen verschwunden sind. Dabei wird der Vorschub normalerweise auf etwa 75 % des maximalen Vorschubs eingestellt – also nicht bis zum Anschlag nach vorne, weil das für den Patienten unangenehm wäre. Bei schlanken Patienten reicht dieser Vorschub völlig aus. Sie sagen dann sofort: „Prima, das Schnarchen ist weg, und die Atemaussetzer auch!“ Bei übergewichtigen Patienten, die viel Fettgewebe im Hals haben, muss anschließend langsam noch weiter nach vorne geschraubt (titriert) werden. Bei der CPAP-Therapie geht man vom Apnoe-Hypopnoe-Index aus und titriert davon abhängig den Druck. Bei der Schienentherapie wird bei schwergradiger Schlafapnoe in der Regel weiter nach vorne geschraubt. Im ersten Anlauf geht man – wie bereits erwähnt – auf 75 %, damit der Patient sich gut eingewöhnen kann. Erst dann wird weiter vorgeschraubt. Was für Schienentypen gibt es? Dr. Susanne Schwarting: Es gibt über 100 verschiedene Arten von Unterkieferprotrusionsschienen zur Behandlung von Schnarchen und Schlafapnoe – darunter sogar Schienen, die ein Öffnen des Mundes zulassen: Damit kann man wunderbar sprechen, trinken, husten, gähnen. Und es gibt wiederum andere

31


Therapiealternativen

Konstruktionen, die vorne mit einem kleinen Metallhäkchen verschlossen werden. Bei diesen Schienen ist eine Mundöffnung nicht möglich. Der Zahnarzt muss gemeinsam mit dem Patienten überlegen, welche Schiene für ihn am besten geeignet ist. Die meisten Patienten wählen Schienen, die eine Mundöffnung ermöglichen, weil sich dadurch der Tragekomfort erhöht. Wer aber zur nächtlichen Mundöffnung neigt ist besser mit einerProtrusionsschiene versorgt,die die Mundöffnung verhindert. Welche Patienten eignen sich für eine Unterkieferprotrusionsschiene? Dr. Susanne Schwarting: Der Kieferorthopäde Prof. Dr. Dr. Edmund Rose (ehemals Universität Freiburg) hat im Rahmen einer wissenschaftlichen Publikation herausgearbeitet, wer der ideale Schienenkandidat ist. Dazu ließ er im Schlaflabor 34 Schlafapnoe-Patienten untersuchen und behandelte sie mit einer Schiene – und es gelang ihm tatsächlich, bei fast allen Patienten den ApnoeHypopnoe-Index unter 5 pro Stunde zu senken, das heißt, alle Patienten hatten hinterher mit der Schiene eine gesunde nächtliche Atmung. Die Patienten von Rose erfüllten folgende Kriterien: • Sie mussten genügend eigene Zähne haben (laut Anforderungen von Prof. Rose mindestens acht bis zehn feste eigene Zähne pro Kiefer: acht bis zehn im Oberkiefer und acht bis zehn im Unterkiefer). • Ihr Body-Mass-Index musste unter 30 liegen, sie durften also nicht zu übergewichtig sein. Freilich erfüllen nicht alle Patienten diese Anforderungen. Es kommen auch Patienten in die Praxis, die keinen einzigen Zahn im Mund haben, aber mit einer Schiene behandelt werden möchten. Und es gibt auch sehr übergewichtige Patienten und Patienten mit schwergradiger Schlafapnoe, die den Wunsch nach einer Schienentherapie äußern. Auch bei Patienten, die die Kriterien für die Behandlung mit einer Unterkieferprotrusionsschiene eigentlich

32


Protrusionsschienen

nicht erfüllen, kann sie als sogenannte Zweitlinientherapie durchgeführt werden, wenn die CPAP-Überdruckatmung nicht vertragen wird. Sonst würde der Patient ja unbehandelt bleiben und wäre ein sekundenschlafgefährdeter Autofahrer. Er hätte auch ein erhöhtes Risiko für andere Folgeerkrankungen einer OSA wie Herzinfarkt, Schlaganfall und Diabetes. Deshalb muss ein Schlafapnoe-Patient unbedingt behandelt werden – entweder mit Maske oder Schiene. Freilich sind solche Patienten schwieriger zu behandeln, vor allem dann, wenn sie nur wenige oder gar keine Zähne haben. Die Schienen sind dann schwieriger anzupassen, und man muss den Patienten zunächst einmal mit Implantaten versorgen. Das ist zwar zeitaufwendiger, aber es ist möglich. Auch Patienten mit schwergradiger Schlafapnoe stellen ein Problem dar: Nicht immer kann man sie mit einer Schiene so behandeln, dass sie wieder gesund atmen. In solchen Fällen ist eine Kombinationstherapie zu erwägen. Wenn Patienten, die einen hohen CPAP-Druck brauchen, nachts zusätzlich zu ihrer CPAP-Maske noch eine Protrusionsschiene benutzen, kann man möglicherweise den CPAP-Druck senken. Eine neue Publikation hat gezeigt, dass sich mit dieser Kombinationstherapie „Schiene im Mund, Maske darüber“ der CPAP-Druck um 5 mbar senken lässt. Das hilft Patienten, die bisher vielleicht mit 17 mbar behandelt werden mussten und diesen hohen Druck kaum ertragen konnten, oft schon sehr weiter, sodass sie ihre CPAP-Therapie weiterhin durchführen können. Eignet sich die Schienentherapie auch für „Rückenschnarcher“? Dr. Susanne Schwarting: Wir wissen, dass Schnarchen und Apnoen sich in Rückenlage verstärken, und zwar aus dem einfachen Grund, weil die Zunge dann aufgrund der Schwerkraft nach hinten rutscht und es leichter zu einem Kollaps der oberen Atemwege kommt.

33


Therapiealternativen

Für Patienten mit lageabhängiger Schlafapnoe (bei denen die Atemaussetzer vorwiegend in Rückenlage auftreten) kann man es mit einer Kombinationstherapie aus Protrusionsschiene und einer Rückenlageverhinderungsrolle oder weste versuchen. Diese Hilfsmittel haben allerdings auch ihre Tücken: Viele Patienten bekommen davon Rückenbeschwerden, weil sie immer Druck auf den Rücken ausüben, wenn man sich von einer Seite auf die andere drehen möchte. Außerdem bewirken sie beim Umdrehen kurze Weckreaktionen: Der Schlaf wird fragmentiert und gestört. Daher ist es besser, die Unterkieferprotrusionsschienen im Vorschub so einzustellen, dass sie auch in Rückenlage Apnoen und Schnarchen verhindern. Patient mit Parodontitis – was tun? Dr. Susanne Schwarting: Eines der Kriterien von Prof. Rose waren 8 bis 10 Zähne pro Kiefer, wozu der Kieferorthopäde einschränkend auch noch hinzufügte: „8 bis 10 parodontal gesunde Zähne“. Das bedeutet nicht, dass ein Zahn keine Füllung oder Krone aufweisen darf; doch das Fundament des Zahns – der Zahnhalteapparat – muss in Ordnung sein. 60 % der erwachsenen Bevölkerung leiden an Parodontitis, einer entzündlichen Erkrankung des Zahnhalteapparats. Das bedeutet aber nicht unbedingt, dass die Zähne sehr stark gelockert sind. Man muss bei Parodontitis-Patienten mit Schienentherapie einmal im Jahr kontrollieren, ob die Zähne noch ausreichend fest sitzen. Beseitigt eine Unterkieferprotrusionsschiene bei Schlafapnoikern auch das Schnarchen? Dr. Susanne Schwarting: Manchmal kann trotz Schiene noch ein gewisses Restschnarchen vorhanden sein. Es hängt sehr stark vom Partner bzw. der Partnerin ab, ob dieses Schnarchgeräusch dann noch als störend empfunden wird oder nicht. Freilich leiden gerade Frauen häufig unter Ein- und Durchschlafs-

34


Protrusionsschienen

törungen (Insomnien); diese dürften dann auch ein leises Schnarchen des Bettpartners störend finden. In solchen Fällen sind getrennte Schlafzimmer vielleicht die beste Lösung. Wie kommt man zu einer Unterkieferprotrusionsschiene? Dr. Susanne Schwarting: Am Anfang steht immer die Diagnose: Die Patienten lassen sich von ihrem Hausarzt an einen Facharzt überweisen, der ein ambulantes Schlafapnoe-Screening (Polygrafie) durchführt. In Deutschland sind es in der Regel Lungenfachärzte, aber auch einige HNO-Ärzte und Internisten, die diese nächtliche Schlafaufzeichnung durchführen. Dann sagt der Arzt entweder: „Sie haben ein leicht- oder mittelgradiges Schlafapnoe-Syndrom, das sehr gut mit einer Schiene behandelt werden kann“ oder: „Sie leiden an einer schwergradigen Schlafapnoe und haben auch schon Begleiterkrankungen.“ (Vielleicht hat ein solcher Patient auch bereits einen Herzinfarkt oder Schlaganfall erlitten.) „Ich überweise Sie daher jetzt in ein Schlaflabor, und dort werden Sie auf eine CPAP-Überdruckatmung eingestellt.“ Wenn der Patient für eine Schienentherapie in Frage kommt, wird er von einem schlafmedizinisch fortgebildeten Zahnarzt, nicht von seinem „normalen“ Hauszahnarzt, untersucht. Dann erklärt der Zahnarzt dem Patienten, wie eine solche Schiene aussieht, und zeigt ihm verschiedene Modelle. Anschließend wird die Schiene bei der Krankenkasse beantragt. Der Zahnarzt schreibt einen Heil- und Kostenplan für die Krankenkasse, in dem er die Kosten (Zahnarzthonorar und Fremdlaborkosten) vermerkt. Diese Schienen werden ebenso wie Zahnprothesen in einem zahntechnischen Labor gebaut. Den Heil- und Kostenplan schickt der Patient an seine Krankenversicherung und beantragt die Kostenübernahme. Wenn die Krankenkasse den Antrag auf Kostenübernahme genehmigt hat, lässt sich der Patient wieder einen Termin in der Zahnarztpraxis geben. Jetzt werden sogenannte Zahnabdrücke genommen. Mit

35


Therapiealternativen

einer Art Löffel, gefüllt mit einer Abdruckmasse, lässt sich ein präziser Abdruck der Zahnreihen nehmen, damit die Schiene später auch ganz genau passt. Das Wichtigste an der Schienenherstellung ist die Bissregistrierung: Der Zahntechniker im Fachlabor muss genau wissen, wie weit der Unterkiefervorschub bei dieser Schiene sein soll, damit der Patient wieder einen freien Atemweg hat. Dazu muss der Patient seinen Unterkiefer mehrmals vor- und zurückschieben. Diese Maximaldistanz wird dokumentiert und die therapeutische Position auf ungefähr zwei Drittel oder drei Viertel dieser Distanz eingestellt. Dann lässt der Zahnarzt die Unterkieferprotrusionsschiene im Fachlabor herstellen. Zwei bis drei Wochen später ist die Schiene fertig und wird dem Patienten eingesetzt. Welche Zahnärzte können eine Unterkieferprotrusionsschiene anpassen? Dr. Susanne Schwarting: Der normale Zahnarzt in Deutschland kennt sich auf diesem Gebiet nicht aus. Er weiß nicht, dass Zahnärzte mit speziellen Zahnschienen eine obstruktive Schlafapnoe behandeln können. Womöglich weiß er nicht einmal, was Schlafapnoe überhaupt ist. Deshalb ist es wichtig, dass Patienten sich Zahnärzte suchen, die schlafmedizinisch sehr gut fortgebildet sind. Es empfiehlt sich, einen Zahnarzt zu wählen, der Mitglied in der Fachgesellschaft „Deutsche Gesellschaft Zahnärztliche Schlafmedizin e. V.“ (DGZS) ist. Dort ist man als Patient in guten Händen. Auf der Internetseite dieser Fachgesellschaft (www.dgzs.de) gibt es eine Rubrik namens „Mitgliederpraxen“. Klickt man diese an, kann man seinen Wohnort oder seine Postleitzahl eingeben und findet DGZS-Zahnärzte in der Nähe seines Wohnorts. Wie erfolgt die Therapieeinweisung? Dr. Susanne Schwarting: Bei einem in der Regel halbstündigen Termin erhält der Patient alle Informationen, die er braucht, um mit der Schiene richtig umgehen zu können. Das Einsetzen der Schiene wird geübt. Ein wichtiger Punkt ist auch

36


Protrusionsschienen

die Pflege der Schiene: Man nimmt sie morgens aus dem Mund, putzt sie mit Zahnbürste und Zahnpasta und legt sie ab. Ein- bis zweimal pro Woche sollte man die Schiene max. für 15 Minuten in Wasser mit einer Reinigungstablette legen. Wenn die Patienten ihre Schiene nach dieser Anweisung pflegen, halten sie länger als die zwei Jahre der Garantiezeit, oft sogar drei bis fünf Jahre. In der Mundhöhle herrscht ein aggressives Milieu: Zur Mundflora gehören Milliarden von Bakterien, die den Kunststoff angreifen. Hinzu kommen die weichen Zahnbeläge (Plaque) und Zahnstein. Man muss auch berücksichtigen, dass wir im Schlaf mit dem Kiefer arbeiten und mit den Zähnen knirschen. Dabei wirken hohe Kräfte auf diese Kunststoffschienen ein, die wirklich eine Menge aushalten müssen. Wenn sie dann zwei bis fünf Jahre halten, so ist das ein sehr gutes Ergebnis. Woran merkt man, dass die Schiene ramponiert ist und ersetzt werden sollte? Dr. Susanne Schwarting: Kunststoffe altern; sie werden spröde, und dann kann plötzlich ein Riss auftreten. Diesen Prozess bezeichnet man als Materialermüdung. In so einem Fall schreibt der Zahnarzt einen Antrag für eine Folgeschiene. Die Schienen können sich im Lauf der Zeit auch lockern. Denn sie bestehen aus zwei Schichten: einer harten äußeren Schicht für die Stabilität und einer weichen inneren Auskleidung. Diese innere Auskleidung kann über Jahre – jede Nacht im Mund getragen – mit der Zeit natürlich ein bisschen ausleiern, sodass die Schienen nachts herunterrutschen. Auch in solchen Fällen braucht der Patient eine Folgeschiene. Kann man die Schiene während des Schlafs verschlucken? Dr. Susanne Schwarting: Das kann nicht passieren, denn die Schienen sind genauso so groß wie der Zahnbogen. So große Teile kann man ebenso wenig verschlucken wie eine Zahnprothese.

37


Therapiealternativen

Was ist bei der Mund- und Zahnpflege zu beachten? Dr. Susanne Schwarting: Eine gute Mundhygiene ist sehr wichtig – unabhängig davon, ob man nun eine Apnoeschiene, eine Knirscherschiene oder eine Teilprothese trägt. Man sollte möglichst wenig Bakterienbeläge (weiche Plaque) auf den Zähnen haben. Patienten, die mit der Mundhygiene Probleme haben, sollten bei ihrem Hauszahnarzt regelmäßig an der angebotenen „Individualprophylaxe“ (einem auf die persönliche Mundsituation abgestimmten Mundhygieneprogramm) teilnehmen. Man kann auch zwei- oder dreimal im Jahr eine Intensivzahnreinigung durchführen lassen. Welche Nebenwirkungen sind bei einer Schienentherapie möglich? Dr. Susanne Schwarting: Man unterscheidet zwischen vorübergehenden und dauerhaften Nebenwirkungen. Kurzzeitig kann beispielsweise vermehrter Speichelfluss auftreten: So reagiert der Körper auf einen Fremdkörper im Mund, weil er „denkt“, nun gibt es etwas zu essen. Diese unerwünschte Nebenwirkung bildet sich jedoch sehr schnell wieder zurück. Manche Patienten klagen in den ersten Wochen auch über eine Art Muskelkater in den Kaumuskeln und im Kiefergelenkbereich, weil die Muskeln durch den Unterkiefervorschub ja etwas gedehnt werden. Auch diese Beschwerden verschwinden nach einiger Zeit wieder. Es kann aber auch zu dauerhaften Veränderungen an Zähnen und Kiefern kommen. Einer Untersuchung zufolge ändert sich bei 20 % der Patienten gar nichts an der Zahnstellung. Bei 40 % treten positive Veränderungen auf. Das sind die Patienten mit rückliegendem (d. h. zu weit hinten liegendem) Unterkiefer, der zu der Enge im Rachen – also dem Problem der Schlafapnoe – geführt hat. Die Schiene kann nun bewirken, dass der Unterkiefer über Jahre hinweg langsam nach vorne kommt.

38


Protrusionsschienen

Bei 40 % der Patienten treten unerwünschte Nebenwirkungen auf. Dies ist zum Beispiel bei Patienten der Fall, bei denen der Unterkiefer schon vor Beginn der Schienentherapie weit vorne lag. Kommt der Unterkiefer dann durch die Schiene noch weiter nach vorn, so ist das ungünstig, denn dann stehen die unteren Schneidezähne einige Jahre später vor den oberen. Wegen solcher möglicher Bissveränderungen ist es wichtig, dass die Patienten regelmäßig zur Schienenkontrolle zu ihrem schlafmedizinisch qualifizierten Zahnarzt kommen. Dabei prüft der Zahnarzt auch, ob die Schiene noch gut sitzt oder ob der Patient womöglich eine neue Krone oder eine neue Brücke bekommen hat und die Schiene aufgrund dieser Veränderung angepasst werden muss. Es gibt auch Patienten, die nach einem Jahr wiederkommen und sagen: „Es hat alles gut geklappt mit der Schiene, aber nun schnarche ich wieder.“ Das ist meistens darauf zurückzuführen, dass der Patient zugenommen hat. Schon durch eine Gewichtszunahme von drei oder vier Kilo kann das Schnarchen erneut auftreten. Dann muss der Patient versuchen, wieder abzunehmen. Bis dahin werden die kleinen Schräubchen an der Schiene verstellt, und der Unterkiefer wird ein Stückchen weiter nach vorn geschoben, damit der Patient nachts wieder gut atmen kann. Das ist sehr wichtig, denn Schnarchen ist ja die Vorstufe einer Apnoe, also ein Warnsignal des Körpers: „Hallo, der Atemweg ist zu eng!“ Sobald der Patient abgenommen hat, kann man den Unterkiefer mithilfe der Schräubchen wieder etwas weiter zurückverlagern. Wie steht es mit dem Tragekomfort? Dr. Susanne Schwarting: Manch einer schreckt vor der Schienentherapie zurück, weil er annimmt, dass das Tragen solcher Schienen unangenehm sein oder vielleicht sogar zu Schmerzen in den Kiefergelenken führen könnte. Diese Befürchtung ist glücklicherweise unbegründet. Wir wissen, dass Millionen Menschen in Deutschland ohne das geringste Problem über Jahre, oft sogar Jahr-

39


Therapiealternativen

zehnte eine Knirscherschiene tragen. Millionen Kinder tragen ebenfalls über viele Jahre jede Nacht eine Zahnspange zur Zahnregulierung. Weshalb sollte man sich dann nicht an eine Unterkieferprotrusionsschiene gewöhnen? 50 % der Patienten tragen ihre Schiene ab der ersten Nacht problemlos; die andere Hälfte der Patienten braucht ein paar Nächte (in der Regel nicht mehr als ein oder zwei Wochen), um sich einzugewöhnen. Wann muss der Patient im Schlaflabor nachkontrolliert werden? Dr. Susanne Schwarting: Die Leitlinie besagt, dass bei Patienten, die eine Schiene bekommen haben, innerhalb von drei Monaten eine ambulante Schlafaufzeichnung durchgeführt werden soll. Diese Nachkontrolle ist sehr wichtig, denn es kann sein, dass das Schnarchen durch die Schienentherapie verschwunden ist und die Bettpartnerin sagt: „Ist ja toll, du schnarchst gar nicht mehr“; es können aber trotzdem immer noch Apnoen vorhanden sein, von denen die Partnerin nichts bemerkt. Deshalb darf der Patient sich nicht nur darauf verlassen, dass er sich subjektiv frisch und ausgeschlafen fühlt und seine Frau sagt, er schnarche nicht mehr, sondern es ist medizinisch notwendig und sinnvoll, dies zu überprüfen. Worin bestehen die Vorteile einer Schienentherapie gegenüber der CPAP-Therapie? Dr. Susanne Schwarting: Zahnschienen sind – ähnlich wie kieferorthopädische Zahnspangen – bequem und einfach zu tragen, im Gegensatz zu Gerät und Maske sieht man die Schiene von außen nicht, und der Patient gewöhnt sich sehr schnell daran. Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass diese Schienen sich problemlos transportieren lassen. Menschen, die gerne reisen und vielleicht auch manchmal in Gebieten campen, wo es keinen Strom gibt, haben es mit

40


Protrusionsschienen

der Schiene leichter als mit einem CPAP-Gerät, denn sie ist einfach und unkompliziert mitzunehmen und passt in jeden Rucksack. Wie gut ist die Therapie-Compliance bei Patienten mit Schiene im Vergleich zur CPAP-Therapie? Dr. Susanne Schwarting: Noch bis vor kurzem war die Überprüfung der regelmäßigen Therapienutzung (Compliance) bei den Schienen ein Problem, das vielen Schlafmedizinern Kopfzerbrechen bereitete: „Ich kann eigentlich nicht genau prüfen, ob der Patient seine Schiene trägt“, argumentierten sie, „und da ich für seine Fahrtauglichkeit verantwortlich bin, ist das für mich ein Problem.“ Doch inzwischen kann man die Compliance auch bei den Schienen objektiv überprüfen, und zwar mit sogenannten Compliance-Chips, die sich in alle Schienen einbauen lassen. Sinnvoll ist dies vor allem bei Berufskraftfahrern wie beispielsweise Bus- und LKW-Fahrern, die ohne regelmäßige Schlafapnoe-Therapie möglicherweise unter Tagesschläfrigkeit leiden würden und dann unfallgefährdet wären. Gibt es auch Patienten, die mit der Schienentherapie nicht zurechtkommen? Dr. Susanne Schwarting: Auch das gibt es. Meist handelt es sich dabei um Patienten, die keinen hohen Leidensdruck haben: Sie leiden nicht unter Tagesschläfrigkeit oder anderen störenden Symptomen ihrer Schlafapnoe. Bei solchen Patienten ist die Therapiemotivation nicht sehr hoch. Sie möchten eigentlich gar nicht behandelt werden – weder mit einer Protrusionsschiene noch mit CPAP. Kann man die Schiene auch bei Schnupfen tragen? Dr. Susanne Schwarting: Wenn der Patient – beispielsweise aufgrund einer Erkältung oder bei Heuschnupfen – nicht durch die Nase atmen kann, kann er

41


Therapiealternativen

trotzdem eine Unterkieferprotrusionsschiene tragen. Dies ist ein großer Vorteil gegenüber der CPAP-Therapie, die bei verstopfter Nase aufgrund eines Schnupfens problematisch ist. Welche Studien gibt es zur Wirksamkeit der Schienentherapie im Hinblick auf Folgeprobleme und Folgeerkrankungen einer Schlafapnoe wie beispielsweise Tagesschläfrigkeit oder Herz-Kreislauf-Leiden? Dr. Susanne Schwarting: Mittlerweile haben verschiedene wissenschaftliche Untersuchungen nachgewiesen, dass die Schienentherapie den Blutdruck genauso gut senkt wie die CPAP-Therapie. Im Übrigen verbessern Herz-KreislaufParameter sich auch unter einer CPAP-Therapie nicht bei allen Patienten gleich gut: Manche Patienten nutzen ihr CPAP-Gerät nur drei Stunden pro Nacht, und ihr Blutdruck sinkt dadurch; andere tragen die Maske acht Stunden lang, und ihr Bluthochdruck wird trotzdem nicht besser. Warum dies so ist, weiß man bisher noch nicht. Zum Vergleich von Tagesschläfrigkeit und Lebensqualität unter CPAP- oder Schienentherapie wurde im Jahr 2013 eine hervorragende Studie aus dem Schlaflabor der Universität Sydney veröffentlicht. Man hat dort 108 Patienten mit leichter, mittel- und schwergradiger Schlafapnoe in einem sogenannten Crossover-Setting untersucht, sodass die Patienten beide Therapieformen ausprobieren und anschließend bewerten konnten. In dieser Studie hat man zur Beurteilung des Therapieerfolgs nicht nur den Apnoe-Hypopnoe-Index herangezogen, wie das sonst in solchen Studien meist der Fall ist, sondern sich an anderen Kriterien – beispielsweise der Compliance – orientiert. Dabei kam heraus, dass die CPAP-Therapie fünf Stunden und die Schienentherapie 6,5 Stunden pro Nacht genutzt wurde. Im Hinblick auf die Compliance lag die Schienentherapie also vorn. Anschließend wurden die Patienten befragt, welche Therapieform sie fort-

42


Protrusionsschienen

setzen möchten. Die Befragung ergab, dass 50 % weiterhin mit der Schiene und 23 % weiter mit der Maske schlafen wollten; den übrigen Patienten war es egal. Der Schläfrigkeitsindex war bei CPAP- und Schienentherapie genau identisch. Auch beim Aufmerksamkeitstest im Fahrsimulator erbrachten beide Patientengruppen gleiche Ergebnisse. Man kann also nicht sagen, dass Schlafapnoe-Patienten mit Schienentherapie unter stärkerer Tagesschläfrigkeit leiden und weniger fahrtüchtig sind als unter CPAP. Auch in ihrer Beantwortung von Fragebögen nach der Lebensqualität unterschieden sich die beiden Patientengruppen – CPAP oder Schiene – nicht voneinander; und auch die schwergradigen Patienten mit Schienentherapie schnitten in dieser Studie gut ab. Daher halten die Autoren der Studie es durchaus für möglich, dass Leitlinien in Zukunft auch Unterkieferprotrusionsschiene bei schwergradiger Apnoe empfehlen. In welchen Fällen könnte die Schienentherapie der CPAP-Therapie unterlegen sein? Dr. Susanne Schwarting: Bei Patienten mit zu wenig Zähnen, Übergewicht und schwerer Schlafapnoe ist eine Schiene nicht die Therapie der ersten Wahl. In solchen Fällen würde immer zuerst eine CPAP-Therapie zum Einsatz kommen. Aber da 30 % aller Schlafapnoe-Patienten die CPAP-Therapie nicht vertragen, sollten diese Patienten zu einem schlafmedizinisch fortgebildeten Zahnarzt überwiesen werden, damit ihnen notfalls doch noch eine Schiene angepasst werden kann, falls sie mit Gerät und Maske nicht zurechtkommen. Empfehlen auch Schlaflabore die Schienentherapie? Dr. Susanne Schwarting: Die Schienentherapie wird seit 2009 in der S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) exzellent bewertet, und zwar mit höchstem wissenschaftlichem Empfehlungsgrad. Unterkieferprotrusionsschienen etablieren sich also in zunehmendem

43


Therapiealternativen

Maß als wichtige Alternative zur CPAP-Therapie. Doch da nicht alle Ärzte eine 170 Seiten dicke Leitlinie lesen, wird es wohl noch einige Zeit dauern, bis alle Schlafmediziner, HNO-Ärzte und andere Fachärzte genau wissen, wann eine Unterkieferprotrusionsschiene eingesetzt bzw. verordnet werden soll. Außer der erwähnten S3-Leitlinie gibt es auch noch ein deutschlandweites Positionspapier zur Diagnostik und Therapie schlafbezogener Atmungsstörungen bei Erwachsenen. In diesem Positionspapier werden die Protrusionsschienen ebenfalls exzellent bewertet, und es heißt dort, dass sie bei einem ApnoeHypopnoe unter 30 pro Stunde und einem Body-Mass-Index (BMI) unter 30 eingesetzt werden sollen. Die Schienen sollen von schlafmedizinisch qualifizierten Zahnärzten angepasst werden, und die Patienten sollten über beide Therapieformen – CPAP und Protrusionsschienen – aufgeklärt werden. Dies ist in den vergangenen Jahren leider oft unterblieben; den Patienten wurde einfach gesagt: „Sie haben jetzt ein Schlafapnoesyndrom und müssen künftig mit CPAP-Gerät und Maske schlafen“. Und auch heute sind wir leider noch weit davon entfernt, dass Patienten im Schlaflabor über alle für sie in Frage kommenden Therapieoptionen aufgeklärt werden. Statt einer an ihren individuellen Fall und ihre individuellen Bedürfnisse angepassten Behandlung erhalten Schlafapnoe-Patienten derzeit eher eine „Zufallstherapie“: Kommt der Patient in ein pneumologisch orientiertes Schlaflabor, so wird er mit einer CPAP-Therapie versorgt; verschlägt der Zufall ihn in ein HNO-ärztliches Schlaflabor, wird er erst einmal operiert oder erhält einen Zungenschrittmacher; in einem zahnärztlich ausgerichteten Schlaflabor bekommt er eine Unterkieferprotrusionsschiene. Also fragen Sie Ihren Schlafmediziner nach weiteren Behandlungsmöglichkeiten, wenn er Ihnen nur eine bestimmte Therapie empfiehlt und keine Therapiealternativen vorschlägt.

44


Protrusionsschienen

Kann eine Verhinderung des Schnarchens durch die Schienentherapie auch dann sinnvoll sein, wenn man keine Schlafapnoe hat? Dr. Susanne Schwarting: Nicht nur bei der Behandlung der Schlafapnoe, sondern auch als Präventionsmaßnahme bei Schnarchern hat die Unterkieferprotrusionsschiene einen wichtigen Stellenwert. Immer mehr kristallisiert sich nämlich die Erkenntnis heraus, dass Schnarchen gar nicht so harmlos ist, wie manch einer vielleicht denkt: Erstens geht „normales“ Schnarchen ohne Krankheitswert im Lauf der Jahre häufig in eine obstruktive Schlafapnoe über. Denn mit zunehmendem Alter nimmt der Muskeltonus ab, sodass die Rachenmuskulatur leichter erschlafft. Gleichzeitig nimmt das Körpergewicht bei den meisten Menschen zu. Außerdem häufen sich die Hinweise darauf, dass Nerven und Muskelgewebe im Mund-Rachen-Raum durch die ständige Vibration beim Schnarchen geschädigt werden, sodass die oberen Atemwege leichter zusammenfallen und es zu Atemaussetzern kommt. Auch wenn diese Hypothese noch nicht eindeutig belegt ist, sollte man dennoch daran denken, dass Schnarchen der erste Schritt zu einer obstruktiven Schlafapnoe sein kann. Zweitens kann heftiges Schnarchen die Entstehung von Atemwegsinfekten begünstigen: Viele Schnarcher haben nicht nur ein soziales Problem, sondern durch die turbulente Luftströmung bei heftigem Schnarchen werden ihre tiefen Atemwege Nacht für Nacht mit Krankheitskeimen aus dem Mund-Rachen-Raum berieselt. Das ist immerhin die dritthäufigste Ursache für chronischen Husten – eine Gefahr des Schnarchens, die bisher noch viel zu wenig beachtet wird. Eine bestehende chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (COPD) kann sich durch chronisches Schnarchen verschlimmern. Bei solchen Patienten sollte das Schnarchen behandelt werden. Freilich ist eine Unterkieferprotrusionsschiene zur Behandlung des bloßen Schnarchens keine Kassenleistung, sondern muss vom Patienten aus eigener Tasche bezahlt werden, denn Schnarchen ist keine Krankheit.

45


Therapiealternativen

Das Solinger Modell Prof. Dr. med. Winfried J. Randerath hat zusammen mit dem Zahnarzt Dr. med. dent. Alexander Meyer am Krankenhaus Bethanien das “Solinger Modell” in der Behandlung von Schlafapnoepatienten eingeführt, für die eine Therapie mit Protrusionsschienen infrage kommt. Dabei wird zunächst mit einer Testschiene geprüft, ob die Schienenbehandlung hilft. Erst wenn klar ist, dass die Behandlung wirksam ist, wird eine definitive Schiene angefertigt. Prof. Randerath: Das Solinger Modell, das von den Patienten sehr positiv angenommen wird, gibt es bereits seit 2008, erste Ergebnisse wurden bereits 2011 veröffentlicht. Patienten mit einem weniger schweren Befund, das heißt mit bis zu 30 Apnoen/Hypopnoen pro Stunde, stehen häufig vor der Frage, für welche Therapie sie sich entscheiden sollen. Die aktuellen Publikationen zeigen, dass bei diesen Patienten Schiene und CPAP-Therapie in ihrer Wirksamkeit vergleichbar sind und auch bestehende Auswirkungen mit beiden Therapieformen gleich beeinflusst werden können. Deshalb kann die Schiene gerade in dieser Patientengruppe durchaus eine Alternative sein. Sind Patienten vor die Frage gestellt, welche Form der Therapie ihnen angenehmer ist, entscheiden sie sich nicht selten für eine Protrusionsschiene. Die Idee, mit einer Probeschiene bereits eine Aussage über den wahrscheinlichen Erfolg treffen zu können, ist vielen Patienten sympathisch. Für sie fallen vergleichsweise geringe Kosten an, trotzdem bekommen sie die Möglichkeit, Erfahrungen mit der Schienentherapie zu sammeln. Zudem gewinnen sie Zeit, um sich für die definitive Therapie zu entscheiden. Patienten, denen die Schienentherapie zu unsicher ist, entscheiden sich eher für die CPAP-Therapie. Ist die Teilnahme an dem Modell nur Schlafapnoepatienten möglich oder auch Menschen, die „nur“ schnarchen?

46


Protrusionsschienen

Prof. Randerath: Bei uns geht es immer um das obstruktive Schlafapnoesyndrom. Wobei sich die Frage stellt, ob es „einfaches“ Schnarchen überhaupt gibt. Verschiedene wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass Schnarchen dauerhaft zu Schäden im Bereich der Weichteile führt, also zu Schäden an Nerven, die die Atemwegsmuskulatur versorgen, sowie zu Schäden an der Schleimhaut. Außerdem haben sie festgestellt, dass Schnarchen möglicherweise als Vorstufe der obstruktiven Schlafapnoe zu verstehen ist – und zwar als eine Vorstufe, die den gesamten Prozess vorantreibt. Insofern wäre es schon sinnvoll, auch das Schnarchen zu reduzieren. Dafür ist eine Protrusionsschiene sehr geeignet, doch in aller Regel tragen die Krankenkassen die Kosten dafür nicht. Wünscht ein Patient dennoch den Einsatz einer Protrusionsschiene nur wegen des Schnarchens, muss er die Behandlung meist selbst bezahlen. Die Testschienen sind einteilig und nicht verstellbar, man kann also nicht titrieren. Wie können Sie einen Therapieerfolg prognostizieren, wenn keine Titrationsmöglichkeit besteht? Prof. Randerath: In erster Linie geht es bei diesem Verfahren für die Patienten darum, Erfahrungen zu sammeln. Wir ermitteln, ob ein Patient grundsätzlich mit diesem Verfahren zurecht kommt und ob mit dieser begrenzt effektiven Schiene schon ein Erfolg zu verzeichnen ist. In manchen Fällen können die Probleme bereits mit der einfachen Schiene gelöst werden. Dann ist klar, dass es auch mit der besseren endgültigen Schiene funktionieren wird. In den Fällen, in denen wir keinen Erfolg sehen, halten wir Rücksprache mit dem behandelnden Zahnarzt und fragen ihn, ob vielleicht doch noch eine Chance bestehen könnte, durch einen weiteren Vorschub in der späteren Schiene die Wirksamkeit zu verbessern. Teilt der Zahnarzt uns mit, dass es noch einiges an Spielraum gibt, kann man durchaus den zweiten Schritt hin zur endgültigen Schiene erwägen.

47


Therapiealternativen

Sie machen also den fixen Vorschub auf Basis des Apnoe-Hypopnoe-Index (AHI)? Prof. Randerath: Der Vorschub beruht auf der Basis des lokalen Befundes durch den Zahnarzt. Wir sagen zwar immer, dass der Erfolg umso größer und die Aussage umso treffender ist, je weiter der Vorschub ist, doch der Zahnarzt trifft die Entscheidung anhand des örtlichen Befundes. Wie lange dauert die Testphase, in der die Testschiene ausprobiert wird? Prof. Randerath: Wir sprechen von etwa zwei bis drei Wochen, sodass der Zahnarzt Zeit für die nötigen Untersuchungen hat und die Schiene anfertigen lassen kann. Auch der Patient hat Zeit, sich an die Schiene zu gewöhnen und Erfahrungen zu sammeln. Im Anschluss erhalten die Patienten einen Kontrolltermin im Schlaflabor, wo eine Polysomnografie erfolgt. Wie sind Ihre Erfahrungen im Hinblick auf Non-Responder? Decken sich Ihre Erfahrungen mit den Ergebnissen in der Leitlinie, z. B. dass der AHI bei den Patienten nicht zu hoch sein sollte, dass kein Übergewicht vorliegen soll, dass die Patienten möglichst in Rückenlage Atemaussetzer haben? Prof. Randerath: In der Regel ist das sicher so. Es gibt zudem eine ganze Reihe von Patienten, bei denen man schon bei der klinischen Untersuchung vermuten kann, dass die Schiene für sie geeignet ist, so hat z. B. die Rückverlagerung des Unterkiefers einen großen Einfluss auf die Wirksamkeit der Therapie mit einer Schiene. Wie hoch ist ungefähr Ihre Non-Responder-Quote? Prof. Randerath: Etwa 60 % bis 70 % der Patienten mit einem AHI < 30/h sprechen gut auf die Behandlung an; bei etwa 30 % bis 40 % stellt sich ein unzureichender Erfolg ein.

48


Protrusionsschienen

Nehmen Sie auch Patienten mit schwerer Schlafapnoe in Behandlung, die eine CPAP-Therapie ablehnen? Prof. Randerath: In Einzelfällen machen wir das. Wir versuchen jedoch alles, damit die Patienten mit einem schweren Befund eine CPAP-Therapie durchführen, weil wir bei diesen Hochrisikopatienten das bestmögliche Ergebnis erzielen wollen. Erst wenn alle von uns ergriffenen Maßnahmen fehlschlagen, um die CPAP-Therapie möglich zu machen, denken wir auch bei schwererem Befund über eine Schiene nach. Daneben gibt es eine weitere Gruppe von Patienten, die mit der CPAP-Therapie nicht klarkommt, weil sie einen sehr hohen Therapiedruck braucht. Hier können ergänzende Schienen teilweise den Druck, der auf den oberen Atemwegen liegt, verringern und damit den CPAP-Druck reduzieren und die Therapie für die Patienten erträglicher machen. Wir haben also einmal die Patienten mit der leichten Schlafapnoe, für die beide Verfahren gleichwertig sind, wir haben die Patienten mit dem schwereren Befund, die nur im Ausnahmefall – wenn die CPAP-Therapie nach strenger Prüfung erfolglos bleibt – die Schiene bekommen sollten, und wir haben Patienten, die möglicherweise eine Kombinationstherapie brauchen, weil bei der CPAP-Therapie ein zu hoher Druck erforderlich wäre und sie deshalb nicht akzeptiert würde. Raten Sie den Patienten auch manchmal zu einer Kombination zwischen einer Form von Rückenlageverhinderung und Schiene? Prof. Randerath: In einzelnen Fällen haben wir eine Kombination angeboten. Etwa bei Patienten, die eine Protrusionsschiene bereits erfolgreich einsetzen, die jedoch in Rückenlage zusätzliche Apnoen oder Hypopnoen zeigen. Gibt es Patienten, die die Schiene nach einiger Zeit ablehnen, weil sie ihnen unangenehm ist oder Nebenwirkungen auftreten?

49


Therapiealternativen

Prof. Randerath: Die gibt es. Unter Umständen können Probleme im Bereich des Kiefergelenkes – Verspannungen der Muskulatur – morgens ein Gefühl von Steifigkeit mit sich bringen. Manche kommen mit dem Fremdkörper im Mund schlecht zurecht. Es sind aber nicht sehr viele Patienten, die die Therapie aus solchen Gründen ablehnen. Nach Ihrer Erfahrung ist demnach die Compliance für eine Schiene prozentual höher als für die CPAP-Therapie? Prof. Randerath: Haben sie die Wahl, entscheiden sich meiner Erfahrung nach in etwa gleich viele Patienten für die Therapie mit der Schiene und für die CPAP-Therapie. Das deckt sich mit wissenschaftlichen Untersuchungen: CPAP ist überlegen bei der Beseitigung von Atmungsstörungen, CPAP und Schiene sind gleichwertig bei der Beseitigung von Schläfrigkeit und die Schiene wiederum ist überlegen bei der Patientenadhärenz, wohlgemerkt immer in der Gruppe der Patienten mit leichter bis mittelschwerer Schlafapnoe. Gibt es dieses Modell eigentlich nur in Solingen an Ihrer Klinik? Prof. Randerath: Wir haben keinen Anspruch auf Ausschließlichkeit und freuen uns natürlich, wenn es andere Zahnärzte gibt, die ähnlich arbeiten. Mir sind jetzt allerdings keine konkreten weiteren Beispiele bekannt. Gibt es ein Verfahren, um den Therapieerfolg mit einer Protrusionsschiene vorherzusagen? Dr. Meyer: Ja die Möglichkeit gibt es. Unsere Patienten bekommen eine laborgefertigte Testschiene angepasst. Es handelt sich hierbei um einen Elastomer-Monoblock, ein sogenanntes modifiziertes Lyon-Gerät. Dieses Gerät wird nach Abdrucknahme und individueller Bißeinstellung mit einer Protrusion von etwa 2/3 der Vorschubkapazität des jeweiligen Patienten angefertigt. Da es sich um kein „Zweischienen-Gerät“ handelt und es auch nicht justier50


Protrusionsschienen

bar ist, erfüllt es nicht die Voraussetzungen der Deutschen Gesellschaft für Zahnärztliche Schlafmedizin zur dauerhaften Schienentherapie. Obwohl sie daher nur als Provisorium genutzt werden kann, handelt es sich dennoch um eine Schiene, mit der Prof. Marie Marklund aus Schweden seit langem bewiesen hat, dass Schienentherapie funktioniert. Nach einer Gewöhnungsphase von zwei Wochen wird entweder im Schlaflabor oder mittels ambulanter 6-8-KanalMessung die Schienenfunktion überprüft. Gelingt so der Nachweis, dass tatsächlich Therapieresponse vorliegt, verordnet der qualifizierte Facharzt ein dauerhaftes Schienensystem. Was halten Sie an sich von Boil-&-Bite-Schienen, die ohne zahnärztliche Kompetenz im Internet zum Do-it-yourself angeboten werden? Dr. Meyer: Eine Selbstanfertigung kann tatsächlich mit Risiken verbunden sein. Auch ist zahnärztliche Kompetenz allein ohne schlafmedizinisches Wissen nicht zwingend ausreichend. Ich selbst habe früher mit Prof. Randerath und anderen Schlafmedizinern nach einem Weg gesucht, die Effizienz für Schienentherapie vorhersagen zu können. Auf diesem Wege trifft man natürlich auch auf Boil-&-Bite-Schienen, die von der Idee her durchaus sinnvoll sind oder scheinen. Allein, es ist mir hierbei nie gelungen, eine ausreichende Retention herzustellen (Retention bedeutet Haftung der Schiene am Oberkiefer und Unterkiefer, also an den Zahnreihen). Es gibt Studien, welche gezeigt haben, dass es selbst im Labor schwierig ist, solche Schienen außerhalb des Mundes auf Gipsmodellen mit der nötigen Haftkraft herzustellen. Natürlich kommt es auch sehr auf die jeweiligen individuellen Bedingungen des einzelnen Patienten an. Das bedeutet Zahnzahl, Zahngröße, Zahnstellung, Zahnform, Kieferrelationen, Kurvaturen, Bewegungsmöglichkeiten, Festigkeit und Gesundheit der Strukturen, um nur einige Faktoren zu nennen. Der Laie, ja selbst der fachfremde Mediziner, kann die Bedingungen schwerlich beurteilen. Je besser eine Schiene sitzt, desto besser ist aber ihre Funktion. Wenn 51


Therapiealternativen

sie herunterrutscht, kann sie nicht funktionieren. Rutscht sie einseitig herunter, können Nebenwirkungen eintreten. Was bei den Boil-&-Bite-Schienen schwierig ist, ist die Tatsache, dass man mit den Fingern außen im Mundvorhof den erwärmten weichen Werkstoff in die Zwischenräume drücken kann – aber von innen bleibt nur die Zunge. Und dass die es schafft, passgenau in allen Zwischenräumen fast gleichzeitig dafür zu sorgen, dass die Schiene sitzt, ist nicht immer wahrscheinlich. Gleichzeitig weiß der Laie auch nicht, wie weit er mit dem Unterkiefer vorgehen sollte und er kann nicht unbedingt bemerken, ob er eine Seitabweichung dabei durchführt, oder nicht. Man sollte sich also auch mit einer Testschiene in die Obhut eines schlafmedizinisch spezialisierten Zahnarztes begeben? Dr. Meyer: Man sollte vorher austesten, ob die Therapie funktioniert. Jede Testschiene sollte von einem schlafmedizinisch qualifizierten Zahnarzt eingegliedert und überprüft werden, bevor der Patient nach einer Gewöhnungsphase den Facharzt zur Überprüfung der Schienenfunktion aufsucht. Wird mit einer Testschiene auch eine Polysomnographie gemacht? Dr. Meyer: Das Solinger Modell setzt eine Testung der Schienenfunktion voraus. Der Schlafmediziner entscheidet, welche Untersuchung notwendig ist, denn er trägt auch die Verantwortung für den Therapieweg. Der Zahnmediziner befindet sich im therapeutischen Arm des Schlafmediziners. Deshalb ist es auch mit Risiken verbunden, wenn ein nicht schlafmedizinisch qualifizierter Zahnmediziner, oder gar ein fachfremder Arzt egal welcher Fachrichtung, einfach mal versucht eine Schiene einzusetzen, weil er davon gehört hat, dass es funktionieren mag. In dieser Vorgehensweise lauern viele Gefahrenquellen, u. a. dass der Patient im Falle einer Non-Response falsch therapiert wird oder Nebenwirkungen an den Zähnen auftreten, welche unangenehme und/oder kostenaufwändige Folgen nach sich ziehen können. 52


Protrusionsschienen

Wie gehen Sie vor, wenn ein Patient eine Protrusionsschiene möchte? Dr. Meyer: Zunächst untersuche ich den Patienten zahnärztlich und schaue, ob er vom Zahnstatus her geeignet ist, Schienenpatient zu werden. Hierfür sollten ausreichend viele, gesunde Zähne da sein, welche stabil im Kiefer verankert stehen. Man braucht keinen komplett vollständigen Zahnstatus, es sollten jedoch zumindest jeweils 8 bis 10 gesunde Zähne pro Kiefer vorhanden sein. Wenn dann noch ein ausreichender Unterkiefervorschub möglich ist, hat der betreffende Patient eine 80-prozentige Chance, dass die Schienentherapie erfolgreich sein wird. Da es sich dennoch um einen Non-Responder handeln kann, fertigen wir grundsätzlich, wie bereits beschrieben, eine UP-Testschiene mit ungefähr 2/3 Unterkiefervorschub an. Der Patient gewöhnt sich in häuslicher Umgebung zwei Wochen an seine Testschiene und geht dann mit der Schiene zur poly(somno)graphischen Untersuchung. Nach Auswertung der Polysomnographie entscheidet der Schlafmediziner unter Einbeziehung der subjektiven Rückmeldung des Patienten, ob eine Schienentherapie verordnet werden kann. Liegt die Verordnung vor, erarbeite ich mit dem Patienten, welches der verschiedenen Schienensysteme das für ihn wahrscheinlich geeignetste ist. Dieses Procedere gibt es in Solingen, wie läuft das in anderen Regionen Deutschlands? Dr. Meyer: Ich arbeite so mit über 30 Schlaflaboren und Schlafspezialisten aus ganz NRW zusammen. Viele zahnärztlich-schlafmedizinische Kollegen verfahren ebenso. Es gibt die Möglichkeit, in meiner Praxis zu hospitieren. Das haben Kollegen aus ganz Deutschland wahrgenommen. Manche machen es auch auf ähnliche Art ohne vom Solinger Modell gehört zu haben, weil sie wissen, dass es Non-Responder gibt. Für mich persönlich ist es wichtig auszuschließen, dass ein Patient ineffektiv oder gar falsch behandelt wird!

53


4 Gewichtsreduktion

Über diesen QR-Code sehen Sie Prof. Dr. med. Tilo Andus, der über den Magenballon und das EndoBarrier berichtet. http://www.bsd-selbsthilfe.de/mediathek/filme/bariatriebroschuere/endoskopischen-methoden-des-magenballons-und-desendobarrier.html Über diesen QR-Code erläutert der Viszeralchirurg Dr. med. Tobias Meile in einem Interview die verschiedenen Operationsmethoden. http://www.bsd-selbsthilfe.de/mediathek/filme/bariatriebroschuere/verschiedene-operationsmethoden.html Über diesen QR-Code können Sie einen Film sehen, der die Operation eines Magenbypasses zeigt. Operateur ist Dr. med. Tobias Meile. http://www.bsd-selbsthilfe.de/mediathek/filme/bariatriebroschuere/operation-eines-magenbypasses.html

54


Kapitelüberschrift

E

s liegt natürlich die Frage nahe, ob eine obstruktive Schlafapnoe sich durch eine Gewichtsreduktion nicht vielleicht bessern oder gar sogar für immer heilen lässt.

Zu dieser Frage untersuchte die Arbeitsgruppe der European Respiratory So-

ciety über 50 Studien, in denen Schlafapnoe-Patienten auf verschiedenste Weise abnahmen – durch Ernährungsumstellung, Medikamente oder adipositas-chirurgische Eingriffe. Bei vielen Patienten sank der Apnoe-Hypopnoe-Index (AHI) durch die Gewichtsreduktion; einige wurden sogar völlig von ihrer Schlafapnoe geheilt. In manchen Studien nahm der Tiefschlaf infolgedessen zu, in den allermeisten Studien auch der REM-Schlaf, während die Tagesschläfrigkeit abnahm. „Abspecken“ lohnt sich also, reicht als Maßnahme zur völligen Beseitigung einer schlafbezogenen Atmungsstörung aber leider nicht immer aus. Auch die Leitlinie „Nicht erholsamer Schlaf/Schlafstörungen“ empfiehlt eine Gewichtsreduktion und zitiert eine schlafwissenschaftliche Untersuchung, in der eine Gewichtsabnahme um 10 bis 15 % den AHI bei männlichen, moderat übergewichtigen OSA-Patienten immerhin um rund 50 % senkte. Allerdings weist auch diese Leitlinie darauf hin, dass eine Gewichtsreduktion die Schlafapnoe meistens nur bessert, aber nur selten völlig beseitigt: Selbst nach adipositas-chirurgischen Eingriffen, die den größten Abnehmerfolg versprechen und bei stark übergewichtigen Patienten oft die einzig sinnvolle Option darstellen, bleibt oft noch eine behandlungsbedürftige Rest-Schlafapnoe zurück. Deshalb sollten nach einer Gewichtsabnahme mit anschließender Senkung des CPAP-Drucks unbedingt regelmäßig polysomnografische Kontrollen durchgeführt werden – zumal es den Patienten erfahrungsgemäß oft schwerfällt, ihr erreichtes Wunschgewicht auch langfristig zu halten: Und sobald man wieder zunimmt, ist der positive Effekt auf die Schlafapnoe dahin!

55


Therapiealternativen

E

ine Zeit lang wurde bei stark übergewichtigen Patienten ein Magenband gelegt. Dies war nichts anderes als ein Band, das minimalinvasiv um den Magen geschlungen und angezogen wurde, um den Inhalt des Magens

zu verkleinern. Dieses Verfahren wird heute nur noch selten angewendet. Man bevorzugt heute zwei relativ aufwendige Operationsverfahren, bei denen die Anatomie im Bauchraum stark verändert wird. Diese führen aber auch zu besseren Abnehmerfolgen. Das eine Verfahren ist der Magenbypass, das ebenfalls minimalinvasiv durchgeführt wird. Dabei trennt der Operateur den Magen durch eine Naht in zwei Teile – eine kleine Magentasche und den großen Restmagen, der verschlossen wird. Da die Magentasche nur wenig Nahrung aufnehmen kann, stellt sich auch bei diesem Verfahren ein rasches Sättigungsgefühl ein, und es können nur geringe Nahrungsmengen aufgenommen werden. Im Gegensatz zum Magenband gibt es beim Magenbypass aber auch noch einen zusätzlichen Effekt, der für schnelles und nachhaltiges Abnehmen sorgt: Der Dünndarm wird im Rahmen der Magenbypass-Operation nämlich so umgeleitet, dass die aufgenommene Nahrung und die Verdauungssäfte sich erst im mittleren Dünndarm miteinander vermengen. Dadurch wird ein Großteil der aufgenommenen Nährstoffe und Kalorien nicht verdaut, sondern mit dem Stuhl wieder ausgeschieden.

Weniger Hunger durch Schlauchmagen Beim Schlauchmagenverfahren wird der größte Teil des Magens operativ entfernt, sodass nur noch ein schmaler, bananenförmiger Rest übrig bleibt. Wegoperiert wird gerade der Teil des Magens, der die Hormone bildet, die das Hungergefühl erzeugen. Mit einem Schlauchmagen kann man daher nicht nur sehr viel weniger Nahrung aufnehmen, sondern hat auch weniger Hunger. Ein noch radikaleres Verfahren – die biliopankreatische Diversion – kombi-

56


Gewichtsreduktion

niert die Schlauchmagen- und die Bypassmethode miteinander: Dabei wird ein so großer Teil des Magens entfernt, dass nur noch ein kleiner Magenrest übrig bleibt. Dieser Restmagen wird mit dem unteren Dünndarm verbunden – die „umgangene“ Dünndarmstrecke ist also noch größer als beim Magenbypass, mit dem Ergebnis, dass noch weniger Fette und Kohlenhydrate vom Körper aufgenommen werden können. Dieses Verfahren bringt die besten Abnehmerfolge, ist aber mit höheren Risiken und postoperativen Komplikationen verbunden. Daher kommt diese Methode nur für Patienten mit extremem Übergewicht infrage. Auch die Blutfettwerte verbessern sich nach der Operation, der Blutdruck sinkt, und eine übergewichtsbedingte obstruktive Schlafapnoe kann sich teilweise oder völlig zurückbilden. All diese positiven Veränderungen führen zu einer verbesserten Herzfunktion. Auch der Bewegungsapparat erwacht zu neuem Leben: Dadurch, dass der Druck der überzähligen Pfunde von Wirbelsäule und Gelenken genommen wird, verbessert sich die Beweglichkeit, was dann auch endlich wieder die Aufnahme eines effektiven körperlichen Trainingsprogramms möglich macht. Chirurgische Verfahren zur Gewichtsreduktion sind zwar von durchschlagenderem Erfolg gekrönt als „bloße“ Diäten und Bewegungsprogramme. Nach der Operation ist eine mehr oder weniger drastische Ernährungsumstellung angesagt; außerdem müssen die Patienten (zumindest nach invasiveren Magenverkleinerungsverfahren) regelmäßig auf Mangelerscheinungen untersucht werden. Nährstoffe, die der durch den Eingriff veränderte Verdauungstrakt jetzt nicht mehr aufnehmen kann, müssen in Form von Nahrungsergänzungsmitteln (Kalzium, Vitamine und Spurenelemente) zugeführt werden.

57


5 Positionstraining

Die Rückenlage ist eine wichtige Ursache für schlafbezogene Atmungsstörungen. Das wusste man schon zur Zeit des amerikanischen Unabhängigkeitskriegs und ließ den Soldaten kleine Kanonenkugeln ins Rückenteil ihrer Uniformen einnähen, damit sie nicht auf dem Rücken schliefen – denn mit ihrem Schnarchen hätten sie dem Feind sonst ihr Versteck verraten. Inzwischen gibt es zum Glück sehr viel patientenfreundlichere und effektivere Methoden zur Verhinderung der Rückenlage.

58


V

iele Schlafapnoiker haben ihre Atemaussetzer vor allem in Rückenlage. Wenn man eine positionsabhängige Schlafapnoe so definiert, dass beim Schlafen auf dem Rücken mindestens doppelt so viele Atemaus-

setzer auftreten wie in Seitenlage, liegt sie Berichten zufolge bei rund 50 % aller Schlafapnoe-Patienten vor. Bei solchen Patienten kann eine Positionstherapie erfolgversprechend sein – vor allem dann, wenn sie ihre Atemaussetzer ausschließlich in Rückenlage haben oder wenn ihr AHI in anderen Schafpositionen relativ niedrig bzw. nicht therapiebedürftig ist. Vorrichtungen, die den Schnarcher in die Seitenlage zwingen – von Rückenlageverhinderungswesten bis hin zu diversen elektronischen Schlafposi-

tionstrainern – gibt es schon lange, und sie können auch wirksam sein, aber nicht für alle. Die OSA-Patienten, die von einer Positionstherapie profitieren, sind tendenziell eher jünger, weniger fettleibig und haben einen niedrigeren AHI. Das Fazit der Arbeitsgruppe der European Respiratory Society klingt denn auch ziemlich ernüchternd: „Mit einer Positionstherapie lässt sich eine moderate Senkung des AHI erreichen; sie ist der CPAP-Therapie jedoch eindeutig unterlegen. (…) Bei Einsatz einer Positionstherapie empfiehlt sich die Durchführung von Schlafuntersuchungen zur Dokumentation des individuellen Therapieerfolgs.“ Nur in einer einzigen der untersuchten Studien wurden die Patienten zwei Jahre lang nachbeobachtet: Nach diesem Zeitraum nutzten nur noch 29 % der Patienten ihre Rückenlageverhinderungsweste. Mag sein, dass die LangzeitCompliance bei den neueren, komfortableren Schlafpositionstrainern und -Apps besser ist als bei der relativ unbequemen Rückenlageverhinderungsweste; leider gibt es jedoch keine Daten zum Vergleich der verschiedenen Vorrichtungen.

59


Therapiealternativen

N

eben Übergewicht, Alkohol- und Schlafmittelkonsum gehört die Schlafposition zu den wenigen beeinflussbaren Ursachen für Schnarchen und obstruktive Schlafapnoe (OSA): Viele Schnarcher „sägen“

nur oder hauptsächlich dann, wenn sie auf dem Rücken liegen; viele Schlafapnoiker haben die meisten Atemaussetzer in Rückenlage. Denn sobald sich die Muskeln im Rachenbereich während des Schlafs entspannen, rutscht die Zunge nach hinten und verengt die oberen Atemwege. Neueren Erkenntnissen zufolge liegt bei über der Hälfte aller Patienten eine positionsabhängige Schlafapnoe vor. Auch bei den nicht an OSA leidenden Schnarchern sind über 50 % positionsabhängig. Die Wirksamkeit einer Positionstherapie bei Patienten mit lageabhängiger Schlafapnoe wird seit den Achtzigerjahren untersucht: Studien zeigen, dass man den Apnoe-Hypopnoe-Index (AHI) dadurch auf Normalwerte senken kann! Dennoch wird die Rolle der Schlafposition bei der Entstehung schlafbezogener Atmungsstörungen nach wie vor unterbewertet, unterdiagnostiziert und untertherapiert.

Eine positionsabhängige OSA wird folgendermaßen definiert, der Apnoe-Hypopnoe-Index (AHI) ist in Rückenlage mehr als doppelt so hoch wie in anderen Schlafpositionen. Untersuchungen zeigen, dass positionsabhängige OSA-Patienten eher jünger sind, an leichter bis mittelschwerer Schlafapnoe leiden und einen niedrigen Body-Mass-Index und Halsumfang haben – also normalgewichtig sind. Über die Gründe dafür gibt es verschiedene Theorien:

60


Positionstraining

Theorie Nummer eins: Im Lauf der Zeit findet ein allmählicher Übergang von einer leichteren, positionsabhängigen Schlafapnoe zu einer schwereren, in allen Schlafpositionen bestehenden OSA statt. Möglicherweise entwickeln manche Menschen zunächst eine positionsabhängige Schlafapnoe. Wenn diese Patienten nicht diagnostiziert und behandelt werden, nehmen sie infolge ihrer Erkrankung im Lauf der Zeit zu und entwickeln dann eine schwerere OSA, die nicht mehr positionsabhängig ist. Denn zwischen Übergewicht, Schlafapnoe und dem durch Apnoen gestörten Schlaf kann ein verhängnisvoller Teufelskreis entstehen: Die ständigen Weckreaktionen führen zur Ausschüttung von Hormonen, die den Patienten am Abnehmen hindern. Neuere Untersuchungen zeigen, dass Schlafmangel (und unerholsamer Schlaf) tatsächlich dick macht: Denn während des Schlafs produzieren wir ein Hormon namens Leptin, das uns ein Gefühl der Sättigung vermittelt. Deshalb wachen wir nur selten mitten in der Nacht mit knurrendem Magen und dem unwiderstehlichen Drang auf, uns etwas aus dem Kühlschrank zu holen! Der Gegenspieler des Leptins – ein Hormon namens Ghrelin – weckt dagegen Hungergefühle. Die Ausschüttung dieses Hormons wird im Schlaf unterdrückt. Wer nachts allerdings zu wenig schläft oder immer wieder durch Atemaussetzer geweckt wird, dessen Magenschleimhaut produziert vermehrt Ghrelin – mit der Folge, dass solche Menschen dann eben mehr Hunger haben, demzufolge auch mehr essen und zunehmen. Und durch dieses verstärkte Übergewicht verschlimmert sich wiederum die Schlafapnoe. Theorie Nummer zwei: Die typische „Schnarcherkarriere“ (Entwicklung vom harmlosen Schnarcher zum Schlafapnoiker) könnte aber auch auf eine neurologische Ursache zurückzuführen sein: Untersuchungen deuten darauf hin, dass langjähriges gewohnheitsmäßiges Schnarchen die sensiblen Nerven und Muskeln in den oberen Atemwegen schädigt. Wahrscheinlich liegt das daran, dass

61


Therapiealternativen

Guter Schlaf

Schlechter Schlaf

Leptin

Ghrelin Leptin

62

Ghrelin

Leptin wird produziert, Ghrelinproduktion wird unterdrückt

Ghrelin wird vermehrt produziert

Sättigungsgefühl

Hunger


Positionstraining

durch die ständigen Vibrationen, die beim Schnarchen im Rachenraum entstehen, mit der Zeit die Nervenendigungen im Gaumen zerstört werden. Dadurch geht die Muskelspannung verloren, die durch diese Nerven eigentlich aufrechterhalten werden sollte. Dieser Prozess führt dazu, dass Schnarchen sich im Lauf der Zeit verschlimmert und in eine obstruktive Schlafapnoe übergeht. Vermutlich tragen beide Faktoren zur Verschlimmerung schlafbezogener Atmungsstörungen bei. Für die Richtigkeit der letzteren Theorie spricht allerdings, dass eine obstruktive Schlafapnoe sich durch Abnehmen nicht immer zurückbildet: Nach langjährigem Bestehen der Schlafapnoe sind wahrscheinlich bereits degenerative Prozesse in den oberen Atemwegen eingetreten, die sich nicht wieder rückgängig machen lassen. Auch die Kopfposition spielt eine wichtige Rolle: Bei manchen Patienten liegt zwar der Körper auf dem Rücken, aber der Kopf auf der Seite, und umgekehrt. Das Risiko für eine positionsabhängige Schlafapnoe ist höher, wenn man mit dem Hinterkopf auf dem Kopfkissen liegt! In Kopfseitenlage ist es niedriger.

Das Schnarchen vor allem in Rückenlage scheint das Anfangsstadium im Entwicklungsprozess einer OSA zu sein. Eine Positionstherapie, im Frühstadium der Erkrankung (habituelles Schnarchen oder leichte bis mittelschwere obstruktive Schlafapnoe) durchgeführt, könnte die Entstehung einer OSA möglicherweise verhindern oder zumindest hinauszögern. Das spricht dafür, bei schlafbezogenen Atmungsstörungen möglichst frühzeitig gegenzusteuern, bevor sich aus harmlosem Schnarchen oder leichter Schlafapnoe eine schwere OSA entwickeln kann. Die Positionstherapie könnte hier eine effektive, komfortable und nicht-invasive Präventions- und Behandlungsmethode sein.

63


Therapiealternativen

Die RLV-Weste ist in verschiedenen Größen verfügbar. Dazu wird das passende Polster gewählt, entweder ein leichtes Kissen aus PU-Schaumstoff mit Luftkanälen oder ein Polster mit speziellen Blöcken, die sich der Wirbelsäule anpassen.

Der Schnarchrucksack SomnoCushion ist durch Gurte und das aufblasbare Kissen individuell anpassbar.

Der Zzoma Anti-Schnarchgürtel wurde 2006 von den beiden Schlafmedizinern Joseph Crocetti und Samuel Krachman entwickelt. In den USA wurde er ein Bestseller.

64


Positionstraining

Der Tennisball in der Schlafanzugjacke ist passé Und zum Glück braucht man dafür heutzutage keine Kanonenkugeln mehr. Auch der Nachfolger der Kanonenkugel – ein ins Rückenteil der Schlafanzugjacke eingenähter Tennisball – ist inzwischen passé. Freilich gibt es immer noch viele Hilfsmittel, die auf dem Tennisballprinzip beruhen – zum Beispiel die Rückenlageverhinderungswesten (umgangssprachlich als „Schnarchrucksäcke“ bezeichnet), die es in den verschiedensten Ausführungen gibt: Bei diesen Westen wird ein Schaumstoffpolster ins Rückenteil eingenäht, das dem Schläfer die Rückenlage unbequem machen soll, sodass er sich auf die Seite dreht und sich (so hofft man zumindest) mit der Zeit daran gewöhnt, immer in Seitenlage zu schlafen. Das funktioniert freilich, aber es stört auch den Schlaf: Immer wenn man sich nachts auf den Rücken dreht, wird man durch den unangenehmen Druck im Rücken geweckt oder zumindest halbwach. Die Rückenlageverhinderungsprodukte kommen bei lageabhängiger, milder und mitttelschwerer OSAS in Frage (sog. POSAS). Hier haben sie einen vergleichbaren Effekt auf den Apnoe-Hypopnoe-Index (AHI) wie die CPAP-Therapie: Die Anzahl der Atempausen-Ereignisse pro Stunde kann durch die Produkte auf weniger als fünf gesenkt werden. Die Rückenlageverhinderungsprodukte wirken wie eine Art Lagetraining. Werden sie über mehrere Monate hinweg getragen, gewöhnt sich das Gehirn an den Schlaf in Seitenlage. Es kommt also durchaus vor, dass Patienten dann gar keinen Gürtel mehr benötigen. Auch Lagerungs- und Seitenschläferkissen können helfen. Diese Kissen haben in der Mitte eine Erhöhung. Durch die kann man nicht in Rückenlage schlafen, jedenfalls nicht bequem. Stattdessen rollt der Kopf im Schlaf automatisch auf eine Seite ab, sodass man gezwungenermaßen in seitlicher Lage schläft. Die Kissen stützen den Kopf, entlasten den Nacken und sorgen dafür, dass man schnarchfrei bleibt.

65


Therapiealternativen

Beim Selbermachen ist Vorsicht geboten. Auf einigen Websites kursiert der Tipp, man könne sich einen Tennisball in das Rückenteil des Schlafanzugs nähen. Bedenken muss man, dass das Tennisball-Prinzip nicht bei jedem wirkt: Studien zeigen, dass 25 bis 30 % aller Menschen bis zu 30 Minuten lang auf einem Tennisball schlafen können! Viele Schläfer gewöhnen sich mit der Zeit auch an den durch das Rückenpolster in der Weste ausgeübten Druckreiz. Und wer in so einer unbequemen Position tatsächlich schlafen kann, läuft natürlich Gefahr, am nächsten Morgen mit Rückenschmerzen aufzuwachen.

Der neueste Trend: Interaktive Schlafpositionstrainer Mittlerweile gibt es die verschiedensten Rückenlageverhinderungs-Mechanismen, die den Schläfer sanfter in die Seitenlage zwingen. Meist handelt es sich dabei um Vorrichtungen, die mithilfe von Mikrofonen oder Sensoren erkennen, in welcher Schlafposition man sich gerade befindet, und dann entweder ein Geräusch von sich geben oder zu vibrieren anfangen. Dass es hier nicht nur um eine bloße Verhinderung der Rückenlage geht, sondern ein langfristiger Lerneffekt angestrebt wird, erkennt man oft schon am Namen dieser Produkte, die sich vielfach als „Schlafpositionstrainer“ bezeichnen. Eine originelle Lösung ist z. B. das Anti-Schnarch-Kissen „Silencium“ von Sissel, einem Hersteller orthopädischer Nackenstützkissen. Sobald die in das Kissen integrierten Mikrofone ein Schnarchgeräusch erfassen, werden die Luftkammern leise aufgepumpt, um den Kopf des Schläfers in eine günstigere Position zu bringen. Sollte das Schnarchen sich nach dieser Positionsänderung nicht verringern oder nach einiger Zeit wieder einsetzen, sucht das Kissen nach der idealen Position, indem es den Kopf Schritt für Schritt weiter dreht. Sobald die ideale Kopfposition gefunden ist, stoppt die Kissenaktivität, und der Kopf wird in dieser Stellung gehalten. Ob der Schlaf durch solche Vorrichtungen wirklich nicht gestört wird?

66


Positionstraining

Jeder muss für sich selbst ausprobieren, wie er mit solchen Rückenlageverhinderungs-Vorrichtungen zurechtkommt. Wer einen leichten Schlaf hat, für den ist ein Vibrationsalarm oder ein Kissen, das sich nachts aufbläst, vielleicht fast ebenso störend wie der gute alte Tennisball zwischen den Schulterblättern. Die Hilfsmittel zur Verhinderung der Rückenlage bewegen sich in einem Preisspektrum von mehreren hundert Euro – also keine ganz billige Anschaffung. Aber für einen unverbesserlichen Schnarcher, der seiner Partnerin endlich wieder Ruhe im Schlafzimmer gönnen möchte, lohnt sich der Versuch sicherlich – und für so manchen Patienten mit positionsabhängiger Schlafapnoe, der mit anderen Therapien nicht zurechtkommt, ist der Positionstrainer vielleicht tatsächlich die einzige Lösung. Neue wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass das Schnarchen durch diese Positionstherapie tatsächlich stark reduziert wird und dass auch eine leichte bis mittelschwere positionsabhängige OSA sich dadurch beheben lässt.

Für wen eignet sich die Positionstherapie? „Rückenlageverhinderer“ können eine sinnvolle Alternative für SchlafapnoePatienten sein, die CPAP und Unterkieferprotrusionsschienen ablehnen bzw. nicht vertragen oder nach einem HNO-ärztlichen chirurgischen Eingriff immer noch unter nächtlichen Atemaussetzern leiden – vor allem dann, wenn ihre Schlafapnoe noch nicht so ausgeprägt ist. Bei schwerer OSA kann man diese Hilfsmittel mit anderen Therapien kombinieren, sodass der Patient dann möglicherweise mit einer weniger aggressiven Primärtherapie (niedrigerem CPAPDruck oder einem weniger invasiven chirurgischer Eingriff) auskommt. Bei schwerer Schlafapnoe spielt die Schlafposition zwar keine so wichtige Rolle mehr; Untersuchungen zeigen aber, dass die Apnoen von ihrer Dauer, dem Ausmaß der Sauerstoffentsättigung und der Dauer der ausgelösten Weckreaktionen her doch schwerer sind, wenn der Patient auf dem Rücken liegt. In den

67


Therapiealternativen

Genauso gut wie CPAP? Wie schneidet nun die Positionstherapie im Vergleich zu CPAP ab? Hierzu wurden bisher nur drei relativ kleine Studien durchgeführt. Fazit: Die Rückenlage wurde durch die Positionstherapie weitgehend, wenn auch nicht völlig eliminiert. In allen drei Studien ließ sich der AHI durch beide Therapien effektiv senken, wobei die Senkung unter CPAP jedoch stärker ausfiel als unter der Positionstherapie. In einer der drei Studien wurde auch die Compliance (anhand eines Patiententagebuchs) gemessen: Sie war in der Positionstherapie-Gruppe deutlich besser als bei den CPAP-Patienten. Größere Untersuchungen und Langzeitstudien (die nach Möglichkeit auch die Auswirkung der Positionstherapie auf andere wichtige Faktoren – z. B. das Herz-Kreislauf-Risiko und Entzündungsparameter wie das C-reaktive Protein (CRP) – untersuchen sollten) fehlen bisher leider noch völlig.

letzten Jahren haben außerdem mehrere Studien gezeigt, dass die Rückenschlafposition sich bei Patienten mit zentraler Schlafapnoe ebenfalls ungünstig auswirkt: Auch bei ihnen verschlimmern sich die Apnoen, wenn sie auf dem Rücken liegen. Das gilt auch für Herzinsuffizienzpatienten, die unter zentralen Apnoen (mit oder ohne Cheyne-Stokes-Atmung) leiden. Solche Patienten könnten also ebenfalls von einer Positionstherapie profitieren. Und natürlich eignet sich die Positionstherapie auch für Menschen, die nicht an Schlafapnoe leiden, sondern einfach nur schnarchen und sich danach seh-

68


Positionstraining

nen, dass endlich wieder Ruhe in ihrem Schlafzimmer einkehrt. Ungeeignet ist sie dagegen für Menschen mit nicht-positionsabhängigen schlafbezogenen Atmungsstörungen und natürlich auch für alle Patienten, die aufgrund von Schulterproblemen nicht auf der Seite schlafen können – oder für die die Rückenlage eine Lieblingsschlafposition ist, auf die sie nicht verzichten möchten.

Schnarchen und Schlafapnoe während der Schwangerschaft Eine wichtige Zielgruppe für die Positionstherapie sind schwangere Frauen. Viele Frauen beginnen während der Schwangerschaft zu schnarchen oder entwickeln dann sogar eine Schlafapnoe. Dieses Problem ist nach wie vor unterdiagnostiziert und untertherapiert, obwohl schlafbezogene Atmungsstörungen während der Schwangerschaft das Risiko für Komplikationen wie Präeklampsie und Wachstumsstörungen des Kindes im Mutterleib erhöhen. In der Schwangerschaft verändert sich bei vielen Frauen die Atmungssituation: Durch die hormonellen Veränderungen können Schleimhautschwellungen aufgrund von Ödemen (Wasseransammlungen im Gewebe) auftreten, die zu einer Obstruktion der oberen Atemwege führen. Auch die Gewichtszunahme, der Zwerchfellhochstand und der steigende Druck im Bauchraum begünstigen die Entstehung von Schnarchen und Schlafapnoe. Bei übergewichtigen Schwangeren ist dieses Risiko besonders hoch: Einer neueren Studie zufolge leiden über 15 % aller stark übergewichtigen Frauen während der Schwangerschaft an einer schlafbezogenen Atmungsstörung. Laut einer anderen Studie beginnen 14 bis 45 % aller Frauen in der Schwangerschaft zu schnarchen. Von den werdenden Müttern mit Präeklampsie (einer Schwangerschaftskomplikation) schnarchen sogar bis zu 85 %! Nach der Entbindung, wenn sich die Schwangerschaftsveränderungen zurückbilden, verschwindet normalerweise auch das Schnarchen bzw. die Schlaf-

69


Therapiealternativen

apnoe wieder. Das ist aber noch lange kein Grund, dieses Problem auf die leichte Schulter zu nehmen: Viele wissenschaftliche Untersuchungen deuten darauf hin, dass schwangere Frauen mit Schlafapnoe ein erhöhtes Risiko für Komplikationen wie Schwangerschaftsdiabetes und Schwangerschaftsbluthochdruck (Präeklampsie) haben. Welcher Zusammenhang zwischen Schlafapnoe und solchen Schwangerschaftskomplikationen bestehen könnte, weiß man bisher noch nicht genau; und leider wird eine OSA bei werdenden Müttern auch nicht immer entdeckt, da man Schlafapnoe-typische Beschwerden wie Tagesschläfrigkeit und Abgeschlagenheit oft irrtümlicherweise der Schwangerschaft zuschreibt.

CPAP für die Schwangerschaft? Zurzeit wird schwangeren Frauen mit OSA eine CPAP-Therapie empfohlen. Dadurch sinkt der nächtliche Blutdruck bei Patientinnen mit Präeklampsie, und die Herzleistung verbessert sich. In einigen kleineren Studien wurden Schwangere, die ein erhöhtes Prä-eklampsie-Risiko hatten, bis zur Entbindung mit einem CPAP-Gerät versorgt – mit sehr positivem Effekt: Keine dieser Patientinnen entwickelte einen Schwangerschaftsbluthochdruck. Auch Wachstumsstörungen des Kindes im Mutterleib treten bei schwangeren Frauen mit Schlafapnoe, die sich einer CPAP-Therapie unterziehen, seltener auf.

Allerdings erhöht eine CPAP-Therapie während der Schwangerschaft auch das Risiko für nächtliche Aspirationen. Da möglicherweise viele Schwangere an einer lageabhängigen Schlafapnoe leiden, könnte eine Positionstherapie eine sinnvolle Alternative sein und dürfte zudem auch mit einer besseren Compliance einhergehen. Denn Schwangere

70


Positionstraining

haben aufgrund ihrer zunehmenden Leibesfülle ohnehin Probleme, abends in einen ungestörten Schlaf zu finden.

Präeklampsie: nicht auf die leichte Schulter nehmen Fünf bis acht & aller Frauen entwickeln während der Schwangerschaft eine Präeklampsie: Bluthochdruck in Kombination mit erhöhter Eiweißausscheidung im Urin und Wassereinlagerungen im Körper, durch die es zu Schwellungen an Gesicht, Händen und Füßen kommt. Die genauen Ursachen der Präeklampsie sind noch unbekannt. Meist tritt eine Präeklampsie erst in der zweiten Schwangerschaftshälfte auf. Wichtig ist eine möglichst frühzeitige Entdeckung, um das Risiko von Komplikationen für Mutter und Kind möglichst gering zu halten. Deshalb wird bei jeder Schwangerschaftsuntersuchung der Blutdruck der werdenden Mutter gemessen, der Urin auf seinen Eiweißgehalt untersucht und das Gewicht kontrolliert. Ein plötzlicher Blutdruckanstieg, eine schnelle Gewichtszunahme (durch Wasseransammlungen) und Eiweiß im Urin sind Alarmsignale, die auf eine Präeklampsie hindeuten.

71


6 Didgeridoo, Logopädie & Singen

Über diesem QR-Code gelangen Sie zu einem Gespräch mit Heinz Ehlers. http://www.bsd-selbsthilfe.de/mediathek/zum-anhoeren/didgeridoo-spielen.html

72


A

uch mit einem Training der oberen Atemwegsmuskulatur sind schon diverse Versuche zur Behandlung einer OSA unternommen worden. Diese Muskeln spielen für die Offenhaltung der oberen Atemwege

während des Schlafs eine wichtige Rolle. Für ein Training dieser Muskulatur gibt es verschiedene Therapieansätze: von Übungen für die Mund-RachenMuskulatur bis hin zum Spielen eines speziell zur Behandlung von Schnarchen und OSA entwickelten Didgeridoos. Die Autoren der Arbeitsgruppe der European Respiratory Society bescheinigen diesen Therapieverfahren allerdings nur begrenzte Erfolge bei der Behandlung von schlafbezogenen Atmungsstörungen und können sie daher nicht empfehlen. Auch die S3-Leitlinie „Nicht erholsamer Schlaf/ Schlafstörungen“ weist darauf hin, dass die Therapie- und Trainingsverfahren aufgrund ihrer Unterschiede nur schwer miteinander vergleichbar sind und dass es nur wenige größere kontrollierte Studien zur Untersuchung der Wirksamkeit gibt. Lediglich für das Spielen eines therapeutischen Didgeridoos, das der Kräftigung von

Muskulatur und Bindegewebe im Rachen- und Schlundbereich dient, und für sogenannte myofunktionale Übungen haben placebokontrollierte Studien gezeigt, dass diese beiden Verfahren wohl tatsächlich gegen eine obstruktive Schlafapnoe helfen: Eine Studie aus dem Jahr 2005 mit 25 Schlafapnoikern mit 15 bis 30 Atemaussetzern pro Stunde ergab, dass das Didgeridoo-Spielen (eine knappe halbe Stunde täglich an sechs Tagen pro Woche) den AHI der Patienten deutlich senkte, die Tagesschläfrigkeit besserte und das Schnarchen reduzierte. In einer vor kurzem erschienenen zweiten Studie zeigten MRT-Untersuchungen, dass sich die Fettpölsterchen in der Rachenwand der Patienten verkleinerten, wenn die Patienten fleißig auf ihren Didgeridoos spielten, und dass

73


Therapiealternativen

diese Veränderungen in einer positiven Korrelation zur Senkung des AHI standen. Eine Studie aus dem Jahr 2009 untersuchte die Wirksamkeit von Übungen für den Mund-Rachen-Raum: 31 Patienten mit mittelschwerer obstruktiver Schlafapnoe absolvierten entweder drei Monate lang etwa 30 Minuten pro Tag ihre Übungen oder erhielten lediglich eine Placebo-Therapie, die in tiefem Atmen durch die Nase bestand. Die aus der Logopädie entwickelten Übungen bestanden u. a. darin, mehrmals hintereinander bestimmte Vokale auszusprechen, die Zunge gegen den Gaumen oder die Zungenspitze gegen die unteren Schneidezähne zu drücken und einen Luftballon mithilfe einer speziellen Technik aufzublasen. Auch Gesichtsübungen gehörten zum Trainingsprogramm. Die Patienten wurden polysomnografisch untersucht und mussten Fragebögen zu ihrem Schnarchen, ihrer Schlafqualität und ihrer Tagesschläfrigkeit ausfüllen. Das ermutigende Resultat: Der Schweregrad der Schlafapnoe nahm um 39 % ab; Schnarchen und Tagesschläfrigkeit besserten sich. Gleichzeitig hatte – ähnlich wie bei den Patienten in der Didgeridoo-Studie – der Halsumfang bei den Patienten schon nach dieser kurzen Behandlungsdauer deutlich abgenommen, was darauf hindeutet, dass die Übungen zu einem Umbau von Strukturen im Bereich der oberen Atemwege führten. Dies deckt sich mit den Ergebnissen anderer Studien, in denen durch myofunktionale Übungen im Bereich der oberen Atemwege ebenfalls eine Senkung des AHI um etwa 50 % erreicht werden konnte. Allerdings weisen die Autoren der Studie darauf hin, dass solche Übungen nur dann erfolgversprechend sind, wenn die Patienten von entsprechend ausgebildeten Logopäden trainiert werden. Außerdem müssen die Übungen auch regelmäßig gemacht werden; und jeder, der schon einmal ein Übungsprogramm zur Behandlung von Rückenschmerzen verordnet bekommen hat, weiß: Mit der Zeit lässt der Eifer bei der Durchführung solcher Trainingsprogramme deutlich nach.

74


Didgeridoo, Logopädie & Singen

In der Sleep Heart Health-Studie haben amerikanische Forscher das Risiko für eine Schlafapnoe in Abhängigkeit vom Umfang des regelmäßig absolvierten körperlichen Trainings untersucht. Es stellte sich heraus, dass Probanden, die ein intensives körperliches Training von drei oder mehr Stunden pro Woche absolvierten, deutlich seltener eine Schlafapnoe mit einem Apnoe-Hypopnoe-Index (AHI) >15 pro Stunde aufwiesen als körperlich weniger aktive Studienteilnehmer. Diese Forschungsergebnisse lassen den Schluss zu, dass moderates und regelmäßiges körperliches Training der Entstehung einer Schlafapnoe vorbeugt oder signifikant zu einer Reduktion des Schweregrades einer existierenden Schlafapnoe beiträgt.

Diese Befunde bestätigen, dass isoliertes oropharyngeales Training den Schweregrad und die Symptome einer obstruktiven Schlafapnoe reduzieren kann. Über die Mechanismen der Wirksamkeit kann nur spekuliert werden: Denkbar ist, dass die Abnahme des Halsumfanges durch eine lokale Reduktion der Fettmasse oder des Flüssigkeitsvolumens im Hals bedingt ist. Die Konsequenz daraus wäre eine Zunahme des freien Rachenquerschnitts. Denkbar ist aber auch, dass oropharyngeales Training die Geometrie der oberen Atemwege optimiert.

Auswirkung des körperlichen Trainings Welchen Stellenwert hat nun das körperliche Training im Zusammenhang mit schlafbezogenen Atmungsstörungen unter klinischen Gesichtspunkten und welche praktischen Empfehlungen lassen sich daraus ableiten?

75


Therapiealternativen

Bezogen auf die Allgemeinbevölkerung vermindert regelmäßiges moderates körperliches Training die Gefahr der Erkrankung an einer behandlungsbedürftigen Schlafapnoe.

Dieser Effekt ist unabhängig von einer etwaigen Gewichtsreduktion während der Trainingstherapie, die aber oft einen gewünschten Nebeneffekt darstellt.

Die Kombination von moderatem körperlichem Training und diätetischen Maßnahmen ist bei übergewichtigen Patienten mit Schlafapnoe grundsätzlich anzuraten.

Bei Patienten mit leichter bis mittelschwerer obstruktiver Schlafapnoe ist regelmäßiges moderates körperliches Training zuweilen so wirksam, dass mittelfristig auf andere Therapieformen verzichtet werden kann. Die Effektivität des Trainings muss aber schlafmedizinisch überprüft werden.

Die gezielte und regelmäßige Durchführung eines standardisierten körperlichen Trainings der Zungen-, Mund- und Schlundmuskulatur stellt möglicherweise eine effektive Behandlung der leichten bis mittelschweren Schlafapnoe dar. Voraussetzung für eine generelle Behandlungsempfehlung ist aber die Entwicklung standardisierter Trainingstechniken und -programme, welche zurzeit leider noch nicht vorliegen.

Neueste Daten sprechen dafür, dass die obstruktive Schlafapnoe mit einem Trainingsmangel assoziiert ist. Regelmäßig praktiziertes aktives oropharyngeales Muskeltraining kann eine obstruktive Schlafapnoe ohne Zweifel bessern. Aktives körperliches Training kann zudem dazu beitragen, den Apnoe-Hypopnoe-Index und die Schlafapnoe-typischen Symptome von Patienten mit Schlafapnoe ohne sonstige Erkrankungen zu bessern.

76


Didgeridoo, Logopädie & Singen

Mit Didgeridoo gegen die Schlafapnoe Vor Jahren entdeckte der Schweizer Alex Suarez das unheimlich tönende Instrument der australischen Ureinwohner für die Schlafapnoe-Therapie. Das Spielen auf dem Didgeridoo half ihm, seine Schlafapnoe in den Griff zu bekommen. Durch diesen Erfolg ermutigt, entwickelte Suarez eine europäische Variante dieses Instruments, eine elegante Röhre aus transparentem Material. Er etablierte Kurse und verkauft seitdem sein gläsernes Didgeridoo als Heilmittel gegen die obstruktive Schlafapnoe. Auch ein paar Studien hat er initiiert, und sie haben ihm Recht gegeben. Ein noch relativ junger Mann aus Wilhelmshaven hat sich vorgenommen, seiner Schlafapnoe mit einem echten Didgeridoo den Kampf anzusagen. Heinz Ehlers ist, was die Atmung angeht, vom Fach. Er arbeitet als Intensivpfleger in einer Klinik. Ehlers kennt sich mit dem Atemwegsmanagement also bestens aus. Ein Didgeridoo zu spielen, ist alles andere als einfach. Man braucht schon jemanden, der einem diese Kunst beibringt. Ehlers suchte sich einen Didgeridoo-Lehrer und ließ sich in die Geheimnisse des archaischen Instruments einweihen. Heute braucht er keinen Lehrer mehr. Und es macht ihm ungeheuren Spaß, jeden Tag zu spielen. Zugegeben: Das Didgeridoo macht schon einen Höllenlärm, jedenfalls für die Ohren der Menschen, die unter und über einem wohnen. Heinz Ehlers: „Durch das Spielen kommt es zu einer Stärkung des Luftkanals, das heißt, das Gewebe und die Muskulatur werden gestrafft durch das Spielen, besonders dann, wenn man die Zirkularatmung beherrscht, die letztendlich dafür sorgt, dass man diesen dauerhaften ununterbrochenen Ton spielen kann. Der sorgt in der Anfangszeit auch dafür, dass man das Gefühl hat, man hat eine schwere Grippe, die auf den Hals geschlagen ist, aber das ist nichts

77


Therapiealternativen

anderes als Muskelkater. Das hatte ich zuerst auch und dachte, ich hätte mir eine Angina eingefangen, aber das war einfach nur Muskelkater, danach habe ich gemerkt, dass es mir besser geht und kurz danach ist auch dieses Schnarchen weggegangen.“ Könnte man sich vorstellen, dass es auch mit einem anderen Blasinstrument funktioniert? Heinz Ehlers: Das weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass durch diese spezielle Spielweise des Didgeridoos viele positive Effekte für den Hals- und Lungenbereich eintreten. Man spielt gegen einen kontinuierlichen Widerstand, das ist so, als würde ich mit einem langen Strohhalm in ein Wasserglas hineingehen, je länger der Strohhalm ist und je tiefer ich in dieses Glas eindringe umso größer ist der Widerstand, gegen den ich anarbeiten muss. So ähnlich ist es beim Didgeridoo spielen auch, unter anderem habe ich Vibrationen, die ich nach außen bringe, die durch diese Wellenbewegungen in diesem Instrument vorherrschen. Und diese Wellenbewegungen gehen ebenfalls in den Körper hinein, sodass sich dann auch diese positiven Effekte in der Lunge widerspiegeln, das heißt, dass sich Sekret löst, die Lunge, die Alveolen sich ausdehnen, das Gewebe am Hals sich kräftigt. Ich weiß nicht, ob das noch bei einem anderen Musikinstrument der Fall ist, ich habe nur die Erfahrung gemacht, dass das beim Didgeridoo spielen einfach ein wunderbarer Nebeneffekt ist Dann dient das Didgeridoo spielen auch zur Stressbekämpfung. Heinz Ehlers: Genau, das nehme ich auch für mich zur Stressbekämpfung, weil ich einen stressigen Beruf habe auf der Intensivstation und wenn ich da zu viel Adrenalin in mir aufgestaut habe dann brauche ich etwas zum runterfahren. Dieses Didgeridoo ist ein wunderbares Instrument, weil es aus dem Bauch heraus gespielt wird. Ich mache meine Augen zu, nehme dieses Instrument, spiele

78


Didgeridoo, Logopädie & Singen

und ich fahre so richtig runter. Je nachdem, wie ich drauf bin, spiele ich laut, aggressiv oder richtig leise.

Logopädie hilft gegen Schlafapnoe Die Logopädie beschäftigt sich mit sämtlichen Sprach-, Sprech-, Stimm- und Schluckstörungen. Patienten mit Schlafapnoe zu helfen, dieser Gedanke lag nahe, weil sich die Logopädie generell mit dem Muskelaufbau im Mund-Rachen-Trakt beschäftigt. Beispielsweise bei einer zu schlaffen Zunge oder einem näselnden Stimmklang, wo häufig eine Erschlaffung des Gaumensegels die Ursache ist. Das sind Gebiete, um die sich die Logopädie schon immer gekümmert hat: Muskulatur im Mundraum aufzubauen und dadurch z. B. eine bessere Artikulation oder korrektes Schlucken zu gewährleisten. Und so war die Idee ganz folgerichtig, damit auch Schnarchen und Schlafapnoe zu behandeln, weil in solchen Fällen die Muskulatur ebenfalls erschlafft. Die Therapie sieht so aus, dass die Patienten in die Praxis kommen. Man muss zuerst einmal feststellen, wie sich das Schnarchen oder die Schlafapnoe auswirkt, wie lange sie schon besteht, was bisher dagegen unternommen wurde. Dann kann es mit der Therapie losgehen. Es gibt Übungen für die Zunge, den Rachenraum, das Gaumensegel oder auch für den Kehlkopf. Diese Bewegungsabläufe werden mit den Patienten ganz ähnlich eingeübt, wie wenn man ins Fitnessstudio geht, um seine Bauchmuskeln zu trainieren. Hat der Patient die Technik erst einmal begriffen und verinnerlicht kann er die Übungen auch allein ausführen. Über diesen QR-Code können Sie ein Gespräch mit der Logopädin Celine Westphal verfolgen. http://www.bsd-selbsthilfe.de/mediathek/filme/logopaediefuer-schlafapnoe-patienten.html

79


Therapiealternativen

Singing for Snorers: Ein komplexes Programm zur Straffung des Rachens Zur Erinnerung: Aller Anfang ist das Schnarchen. Dazu kommt es, wenn vornehmlich der weiche Gaumen und schlaffes Gewebe in Mund, Nase und Rachen beim Einatmen vibrieren. Schnarchen ist ein soziales Problem, weil es andere Schläfer stören kann. Partner geben plötzlich das gemeinsame Schlafzimmer auf und nächtigen in getrennten Zimmern. Schnarchen kann sich aber auch zu einem gravierenden gesundheitlichen Problem entwickeln. Übrigens: Im Wachzustand schnarcht niemand. Die Erklärung ist einfach: Nervenrezeptoren registrieren den Unterdruck beim Einatmen und sorgen dafür, dass sich die Muskulatur des oberen Atemwegs anspannt und so die Atemwege freihält. Im Schlafen verringert sich der Muskeltonus, bleibt zu einem Teil dennoch erhalten und hält so die Atemwege offen. Wenn der Organismus das Muskelgewebe nicht mehr straff genug halten kann, kommt es zur Obstruktion: Schlafapnoe. Die Gesangspädagogin Alise Ojay hat eine Methode entwickelt, mit Gesang die Rachenmuskulatur zu stabilisieren. Alise Ojay hat einen Kurs auf drei Audio- CDs veröffentlicht („Singing for Snorers”), die demjenigen hilft, der sich konsequent auf das Training einlässt, die Muskulatur seiner Atemwege wieder u stärken und so das Schnarchen einzudämmen. Ojay schreibt: „die Übungen richten sich speziell an Schnarcher, um gezielt die Bereiche des Rachens zu straffen, in denen Schnarchschwingungen auftreten können. Für die Übungen werden Laute und Melodien verwendet, die in diesen Bereichen starke Bewegungen auslösen. Ihr langfristiges Ziel besteht darin, den Rachen so zu straffen, damit er beim Schlafen nicht mehr schwingt oder kollabiert. Außerdem sind die Übungen darauf ausgelegt Spaß zu bereiten und die Stimmung zu heben.” Dies kann auch eine leichte bis mittelschwere Schlafapnoe positiv beeinflussen. Der Weg zum Erfolg ist aber durchaus steinig. Wer nicht täglich über mindestens drei Monate übt, wird wahrscheinlich enttäuscht sein. 80


Didgeridoo, Logopädie & Singen

Diese Methode wurde nicht nach wissenschaftlichen Kriterien validiert. Es wurde lediglich eine kontrollierte klinische Zufallsstudie im Jahr 2013 publiziert. Mit dieser Studie am Krankenhaus von Exeter (Royal Devon & Exeter Hospital) konnte immerhin nachgewiesen werden, dass die Gesangsübungen sowohl das Schnarchen lindern als auch die Symptome einer leicht bis mäßig ausgeprägten Schlafapnoe verringern.

Dieser QR-Code führt Sie zu einem Film, in dem Alise Ojay ihren Kurs erläutert. Der Film ist mit einer deutschen Übersetzung versehen. http://www.bsd-selbsthilfe.de/mediathek/filme/singing-for-snorers.html

81


7 Mit Skalpell und Laser gegen Atemnot

82


I

n manchen Fällen kann man chirurgische Eingriffe jedoch mit verschiedenen konservativen Verfahren (z. B. Gewichtsabnahme, Rückenlageverhinderung oder Schienentherapie) kombinieren, um einen noch besseren Therapieerfolg

zu erzielen. Generell ist festzustellen, dass die Erfolgschancen HNO-ärztlicher Operatio-

nen umso geringer sind, je höher der Body-Mass-Index (BMI) und der Ausgangs-AHI des Patienten ist. Fettleibige Patienten mit schwergradiger Schlafapnoe eignen sich also eher weniger für solche operativen Verfahren! Ferner sollte bei der Therapieentscheidung stets berücksichtigt werden, dass OSA-Patienten ein erhöhtes Risiko für Komplikationen während oder nach der Operation (z. B. Lungenembolien, Delir und Herz-Kreislauf-Probleme) haben und daher einer besonderen Betreuung bedürfen. Außerdem dürfen sie (wegen der muskelerschlaffenden Wirkung) keine Prämedikation mit Benzodiazepinen erhalten und sollten nach dem Aufwachen sofort wieder ihr CPAP-Gerät nutzen. Nach vielen Operationen kommt es außerdem zu Schmerzen und Schwellungen im Rachenraum, die das Atmen erschweren können und gegebenenfalls mit Kortikosteroiden und nichtsteroidalen Antiphlogistika (NSAR) behandelt werden müssen.

83


Therapiealternativen

Wenn die Mandeln zu groß sind „Mandeln“ sind eigentlich ein ungenauer Oberbegriff für zwei verschiedene Lymphgewebsstrukturen im Rachen, die der Immunabwehr dienen und vor allem im Kindesalter eine wichtige Rolle spielen. Die paarig angelegten Gaumenmandeln (Tonsillen) sind Vorwölbungen, die sich zwischen dem vorderen und hinteren Gaumenbogen befinden. Sie bestehen aus Lymphgewebe, das eine weiche, schwammige Konsistenz hat. Die Oberfläche ist von Rillen oder Einbuchtungen übersät, in denen Viren und Bakterien hängenbleiben, welche beim Einatmen über Nase oder Mund in den Rachenraum gelangen. Die Mandeln enthalten Abwehrzellen, die sich mit diesen Krankheitserregern auseinandersetzen und Antikörper dagegen bilden. Die Rachenmandeln (Adenoide, umgangssprachlich auch als „Polypen“ bezeichnet) liegen oberhalb des Zäpfchens hinter der Nase und erfüllen eine ähnliche Funktion wie die Gaumenmandeln. Im Kleinkindalter muss das Immunsystem sich immer wieder mit neuen Krankheitserregern auseinandersetzen, die es noch nicht kennt. Deshalb sind Gaumen- und Rachenmandeln bei Kindern größer als beim Erwachsenen. Die Mandeln vergrößern sich nach der Geburt allmählich und erreichen im Alter von etwa sieben Jahren ihre maximale Größe. Danach verkleinern sie sich in der Regel wieder. Dementsprechend sind Schnarchen und obstruktive Schlafapnoe bei Kindern ziemlich häufig auf krankhaft vergrößerte Rachen- und/oder Gaumenmandeln zurückzuführen. Bei Erwachsenen kommt das viel seltener vor, und wenn, dann sind in der Regel nur die Gaumenmandeln (Tonsillen) daran schuld; die Rachenmandeln bilden sich bei den meisten Menschen mit der Zeit so weit zurück, dass sie im Erwachsenenalter gar nicht mehr vorhanden sind. Gegen Schlafapnoe infolge zu großer Gaumenmandeln kann eine operative Entfernung der Mandeln (Tonsillektomie) helfen.

84


Mit Skalpell und Laser gegen Atemnot

Ferner gibt es die Möglichkeit einer teilweisen Abtragung der Gaumenmandeln per Radiofrequenzchirurgie, bei der eine Sonde ins Mandelgewebe eingeführt und dieses auf Temperaturen von 40 bis 60° C erhitzt wird, um das überschüssige Gewebe zu entfernen (Tonsillotomie). Dieses Verfahren ist zwar schonender und verursacht weniger Nebenwirkungen wie beispielsweise Blutungen, Schluckbeschwerden und Schmerzen nach dem Eingriff als eine chirurgische Tonsillektomie und erfordert auch einen kürzeren Krankenhausaufenthalt. Viele Experten ziehen es daher der Tonsillektomie vor. Allerdings liegen zu diesem Verfahren leider keine Studien mit polysomnografischen Daten vor. Außerdem besteht das Risiko, dass die Gaumenmandeln nachwachsen und die schlafbezogene Atmungsstörung somit im Lauf der Zeit wieder auftritt bzw. sich verschlechtert. Untersuchungen zufolge kommt dies in bis zu 10 % aller Fälle vor.

Bei mehreren Engstellen: UPPP Oft sind bei erwachsenen Schlafapnoe-Patienten jedoch gleich mehrere Strukturen im Rachenraum vergrößert und tragen zur Entstehung von Engstellen in den oberen Atemwegen bei: Der hintere Gaumenbogen hängt tiefer in den Rachen hinein; das Zäpfchen ist größer und oft auch dicker. Solchen Patienten kann eine Uvulopalatopharyngoplastik (UPPP) helfen, in deren Rahmen überschüssige Schleimhaut am Gaumen und Zäpfchen, bei Bedarf auch noch an weiteren Weichteilen des Rachens beseitigt wird und der Chirurg gleichzeitig normalerweise auch noch die Gaumenmandeln entfernt (Tonsillektomie). Anschließend vernäht er den hinteren mit dem vorderen Gaumenbogen, um diesen mitsamt dem Gaumensegel vorzuverlagern. Die Patienten für diesen Eingriff, der in Vollnarkose durchgeführt wird, müssen allerdings sorgfältig ausgewählt werden: Bei den meisten OSA-Patienten kommt es nämlich auf mehreren verschiedenen Ebenen zu einem Verschluss

85


Therapiealternativen

Blick in den Rachen mit vergrößerten Gaumenmandeln und einem großen Zäpfchen

Im Rahmen der UPPP wurden Gaumenmandeln und Zäpfchen radikal entfernt

Der uvulopalatale Flap ist eine schonendere Variante der UPPP

Bei der Laserassistierten Uvulopalatoplastik (LAUP) werden ebenso überschüssige Schleimhaut und ein Teil des Zäpfchens entfernt

der Atemwege, zum Beispiel hinter dem weichen Gaumen und hinter dem Zungengrund. Eine UPPP ist aber nur dann wirksam, wenn der Verschluss sich auf den Bereich hinter dem weichen Gaumen beschränkt – was bei fettleibigen Schlafapnoikern und Patienten mit schwergradiger Schlafapnoe eher selten der Fall ist. Deshalb wurde dieses Verfahren bisher auch hauptsächlich bei Patienten mit leichter bis mittelschwerer Schlafapnoe untersucht. Das Fazit der Autoren der Arbeitsgruppe der European Respiratory Society: Außer bei sorgfältig ausgewählten Patienten ist eine UPPP nicht zu empfehlen. Außerdem ist der potenzielle Nutzen eines solchen Eingriffs gegen das Risiko von anhaltenden Nebenwirkungen wie beispielsweise Stimmveränderungen, trockenen Rachenschleimhäuten und Schluckstörungen abzuwägen. Der auf HNO-chirurgische Eingriffe bei Schlafapnoe spezialisierte Schlaf-

86


Mit Skalpell und Laser gegen Atemnot

mediziner Dr. Joachim Maurer hält eine UPPP für Patienten mit leicht- bis mittelschwerer Schlafapnoe (AHI < 30) mit Obstruktion im Bereich des Gaumensegels und einem BMI bis zu 30 für eine sinnvolle Therapieoption; in solchen Fällen ist auch bei kleinen oder fehlenden Gaumenmandeln immer noch mit einem Therapieerfolg von über 50 % zu rechnen. Bei höhergradiger Schlafapnoe empfiehlt Dr. Maurer die UPPP nur für Patienten, die mit einer CPAPTherapie nicht zurechtkommen (wobei die UPPP in solchen Fällen oft auch mit Eingriffen am Zungengrund kombiniert werden muss), und stellt fest, dass die Erfolgsrate umso höher liegt, je größer die Mandeln bei dem betreffenden Patienten sind. Große Mandeln, kleine Zunge und nicht zu starkes Übergewicht sind eindeutige Erfolgsindikatoren für eine UPPP. Bei kleinen oder fehlenden Gaumenmandeln und großer Zunge ist dieser Eingriff hingegen nicht so erfolgversprechend. Zwar ist der Therapieerfolg einer UPPP nicht vorhersehbar; jedoch liegt die Erfolgsrate nach sechs Monaten in den meisten Studien zwischen 50 und 60 %. Die Langzeiterfolge dieses Operationsverfahrens wurden nur in wenigen Studien untersucht. Laut diesen Studien scheint die Wirksamkeit des Eingriffs im Lauf der Zeit nachzulassen, sodass die Langzeiterfolgsrate nur noch zwischen 40 und 50 % liegt; daher empfiehlt sich eine langfristige Nachbeobachtung der Patienten. Die S3-Leitlinie „Nicht erholsamer Schlaf/Schlafstörungen“ empfiehlt zusätzlich zur kurzfristigen Therapiekontrolle ausdrücklich eine polysomnografische Kontrolle im Schlaflabor nach einem bis drei Jahren.

Uvulopalataler Flap: Therapieerfolg ähnlich wie bei UPPP Hierbei handelt es sich um eine Modifikation der UPPP. Durch Entfernung der Mundschleimhaut und der Speicheldrüsen und beidseitige Einschnitte in den hinteren Gaumenbogen entsteht ein uvulopalataler Flap. Dieser Flap wird nach

87


Therapiealternativen

oben rotiert und festgenäht. Der Eingriff kann entweder in örtlicher Betäubung oder Vollnarkose durchgeführt werden; die nachfolgenden Beschwerden und möglichen Komplikationen sind ähnlich wie bei einer schonend durchgeführten UPPP. Dauerhafte Probleme nach dem Eingriff (z. B. Schluckstörungen) sind bisher nicht aufgetreten; nachteilig gegenüber der UPPP ist jedoch, dass danach kein Zäpfchen zur Befeuchtung des Gaumens mehr übrig bleibt. Insgesamt scheint der Erfolg dieses Verfahrens sehr ähnlich zu sein wie bei der UPPP.

Insgesamt ist die UPPP sehr viel weniger wirksam als eine Schienentherapie – und geht mit schwerwiegenderen Nebenwirkungen einher. Radiofrequenzchirurgie am Weichgaumen Bei der interstitiellen Radiofrequenzchirurgie wird mit einer kleinen Elektrode an mehreren Stellen in den Weichgaumen eingestochen und mithilfe von Radiowellen im Rahmen mehrerer Therapiesitzungen eine thermische Zerstörung des Gewebes erzeugt. Die nach dem Eingriff erfolgende Vernarbung führt zu einer Straffung des Gaumensegels. Ferner kann überschüssige Schleimhaut am weichen Gaumen (und bei Bedarf auch am Zäpfchen) mit Laser oder Radiofrequenz entfernt werden; diese beiden Verfahren bezeichnet man als laserassistierte Uvulopalatoplastik (LAUP) bzw. radiofrequenzassistierte Uvulopalatoplastik (RAUP). Mit der interstitiellen Radiofrequenzchirurgie und der radiofrequenzassistierten Uvulopalatoplastik ließen sich in den von der Arbeitsgruppe der European Respiratory Society untersuchten Studien durchaus Verbesserungen nächtlicher Atmungsparameter erzielen, wobei die RAUP der interstitiellen Radiofrequenzchirurgie vom Therapieerfolg her überlegen war, allerdings auch mit mehr Schmerzen nach dem Eingriff einherging. Da es jedoch keine kontrol-

88


Mit Skalpell und Laser gegen Atemnot

lierten Studien zur Behandlung der Schlafapnoe mit diesen beiden Verfahren gibt, können die Autoren sie höchstens bei Patienten mit leichter obstruktiver Schlafapnoe empfehlen, die eine CPAP-Therapie ablehnen oder nicht benötigen – und zwar auch nur dann, wenn die anatomischen Gegebenheiten einen Therapieerfolg versprechen. Die laserassistierte Uvulopalatoplastik (LAUP) führte in Studien nicht zu nennenswerten Verbesserungen der Symptome oder des Schweregrads einer OSA und kann daher nicht empfohlen werden.

Weichgaumenimplantate: schonend, aber leider nicht sehr wirksam Bei diesem auch als Pillar-Implantate bezeichneten Verfahren werden mithilfe einer Hohlnadel drei 18 mm lange, stäbchenförmige Implantate in den Weichgaumen eingespritzt, um diesen zu straffen und so den Atemwegswiderstand zu verringern. Die Operation kann ambulant in örtlicher Betäubung durchgeführt werden. In den Studien, die die Arbeitsgruppe der European Respiratory Society zu diesem Verfahren untersuchte, litten die Patienten in den ersten Tagen nach dem Eingriff nur unter geringfügigen Beschwerden wie Fremdkörpergefühl oder leichten Halsschmerzen, die mit schwach wirksamen Schmerzmitteln wie Paracetamol gut unter Kontrolle zu bringen waren. Sprechstörungen oder Schluckbeschwerden traten nicht auf. Zu den häufigsten Komplikationen (fast 10 % aller Fälle) gehört eine Abstoßung des Implantats. Allerdings ist die Erfolgsrate bei dieser Therapie nur begrenzt. Die Autoren der Arbeitsgruppe empfehlen den Einsatz von Weichgaumenimplantaten daher auch nur bei Patienten mit leichter bis mittelschwerer Schlafapnoe, die konservative Verfahren wie beispielsweise eine CPAP-Therapie oder Unterkieferprotrusionsschiene nicht akzeptieren; dies deckt sich weitgehend mit den Emp-

89


Therapiealternativen

Bei Weichgaumenimplantaten werden drei Stifte aus Polyethylenterephthalat in den muskulären Teil des Weichgaumens eingebracht, um so zum einen durch Narbenbildung und zum anderen durch Zunahme der Masse Schnarchereignisse zu reduzieren.

fehlungen der S3-Leitlinie „Nicht erholsamer Schlaf/ Schlafstörungen“.

Außer-

dem sollten die Patienten nicht oder nur leicht übergewichtig sein (BMI unter 32), keine oder nur kleine Gaumenmandeln

haben,

keine anatomischen Auffälligkeiten aufweisen, und es sollte bei ihnen auch kein Atemwegsverschluss im Bereich des Zungengrundes vorliegen.

Radiofrequenz-Chirurgie am Zungengrund: nur bei bestimmten Patienten sinnvoll Auch Operationen am Zungengrund werden oft zusammen mit anderen Operationsverfahren im Rahmen einer Multi-Level-Chirurgie durchgeführt. Dabei gibt es verschiedene Therapieansätze: Bei der Radiofrequenzchirurgie des Zungengrunds werden mit Nadelelektroden innerhalb von einer bis mehreren Therapiesitzungen in Lokalanästhesie viele kleine Läsionen am Zungengrund gesetzt. Obwohl es sich hierbei um ein minimalinvasives Verfahren handelt, muss mit Schmerzen nach dem Eingriff (ähnlich wie nach einer UPPP plus Entfernung der Gaumenmandeln) gerechnet werden. Auch zur Bildung eines Abszesses am Zungengrund kann es kommen; Schluck- oder Sprechstörungen nach dem Eingriff waren jedoch glücklicherweise nicht zu beobachten. Zu diesem Verfahren liegen (mit Ausnahme einer einzigen Studie) lediglich Fallserien vor, und zwar meist nur mit kurzer Nachbeobachtungsdauer, sodass

90


Mit Skalpell und Laser gegen Atemnot

über den Langzeiterfolg wenig ausgesagt werden kann. Die wenigen vorliegenden Daten zu Langzeitergebnissen deuten darauf hin, dass der Therapieerfolg mit der Zeit nachlassen könnte. Die von der Arbeitsgruppe untersuchten Fallserien ergaben eine zwar statistisch signifikante, aber leider doch nur begrenzte Senkung des AHI und Besserung der Tagesschläfrigkeit. Die Autoren empfehlen daher auch dieses Verfahren nur bei Patienten mit leichter bis mittelschwerer Schlafapnoe, die konservative Verfahren ablehnen. Diese Patienten sollten nicht oder nur leicht übergewichtig sein, keine oder nur kleine Gaumenmandeln haben, und der Atemwegsverschluss muss im Bereich des Zungengrundes liegen, da der Eingriff sonst natürlich nicht wirksam sein kann. Neben der Radiofrequenzchirurgie gibt es auch noch verschiedene andere Verfahren zur teilweisen Resektion des Zungengrunds. Bei der Zungensuspension zum Beispiel wird der Zungengrund mithilfe einer Fadenschlinge (Repose®) über eine Titanschraube im Unterkieferknochen an der Innenseite des Kinns befestigt, damit die Zunge im Schlaf nicht nach hinten fallen kann. Dieser Eingriff muss in Vollnarkose durchgeführt werden; es ist mit ähnlichen Erfolgsraten zu rechnen wie nach einer Radiofrequenzchirurgie am Zungengrund. Auch diese Technik eignet sich nur für Patienten mit Obstruktion auf der Ebene des Zungengrunds. Allerdings kann es passieren, dass der Faden sich im Lauf der Zeit durch den Zungenmuskel arbeitet, was zu einem Wirkungsverlust führt.

91


Therapiealternativen

Der Wert solcher Verfahren liegt nach Meinung der Autoren in der relativ geringen Komplikationsrate und in ihrer Kombinierbarkeit mit anderen chirurgischen Behandlungsmaßnahmen der Schlafapnoe im Rahmen einer Multi-Level-Chirurgie; als Einzelmaßnahmen sind sie in der Regel nicht zu empfehlen. Chirurgische Eingriffe an der Nase Auch Obstruktionen im Bereich der Nase – z. B. eine Nasenscheidewandverkrümmung (Septumdeviation) oder zu große Nasenmuscheln (Nasenmuschelhyperplasie) – können den Atemwegswiderstand erhöhen und nächtliche Atemstillstände hervorrufen oder zumindest begünstigen. Sie sind aber nur selten alleinige Ursache für eine Schlafapnoe. Zur Behandlung solcher Obstruktionen gibt es verschiedene chirurgische Eingriffe: von der Nasenmuschelverkleinerung (Conchotomie) bis hin zur Begradigung einer verkrümmten Nasenscheidewand (Septumplastik). Nur in zwei der von den Autoren der Arbeitsgruppe untersuchten Studien besserte sich die schlafbezogene Atmungsstörung bei den Patienten, die einen chirurgischen Eingriff zur Verbesserung ihrer Nasenatmung durchführen ließen, signifikant. Normalerweise lässt sich der AHI dadurch jedoch kaum beeinflussen. Ein solcher Eingriff ist als Einzelmaßnahme zur Behandlung einer obstruktiven Schlafapnoe also nicht zu empfehlen. Allerdings benötigen Patienten mit Behinderungen der Nasenatmung oft einen höheren CPAP-Druck, sodass eine Nasenoperation diesen Patienten helfen kann, mit einem niedrigeren Druck auszukommen, was oft auch die Therapieakzeptanz und Compliance verbessert. Aus dem gleichen Grund ist es sinnvoll, den Therapiedruck nach so einer Operation im Rahmen einer Polygrafie oder Polysomnografie neu zu titrieren.

92


Mit Skalpell und Laser gegen Atemnot

Ultima Ratio: die Tracheotomie Die Tracheotomie (Luftröhrenschnitt) war das erste erfolgreiche Therapieverfahren der obstruktiven Schlafapnoe; damit behandelte man Patienten mit schwerer OSA in den Siebzigerjahren des letzten Jahrhunderts, als es noch kein CPAP und auch keine Unterkieferprotrusionsschienen gab. Dabei wird die Luftröhre operativ eröffnet und in diese Öffnung eine Kanüle eingelegt, über die der Patient atmen und sprechen kann. Diese Therapie ist zwar äußerst wirksam; die nächtlichen Atemstillstände lassen sich damit fast zu 100 % beseitigen. Aufgrund der damit verbundenen Einbuße an Lebensqualität wird sie heute jedoch nur noch in schwersten Fällen durchgeführt, die anders nicht behandelbar sind.

Kieferchirurgische Verfahren Bei vielen Menschen liegen die Ursachen einer obstruktiven Schlafapnoe in der Gesichtsform. Oft ist ein zu schmaler oder zu kurzer Unterkiefer („fliehendes Kinn“) an der Schlafapnoe schuld, denn auch er kann die Atemwege verengen. Hier setzen verschiedene kieferchirurgische Verfahren an, die die Gesichtsform bzw. Kieferstellung korrigieren. Bei der maxillomandibulären Umstellungsosteotomie handelt es sich um eine relativ aufwendige Operation, bei der Unter- und Oberkiefer nach vorn verlagert werden. Dadurch wird der Rachenraum vergrößert, sodass die oberen Atemwege im Schlaf nicht mehr so leicht zusammenfallen können. Der Eingriff wird in Vollnarkose durchgeführt und erfordert einen mehrtägigen stationären Krankenhausaufenthalt. Durch die Operation verändert sich die Gesichtsform; man kann dem Patienten die zu erwartende Veränderung jedoch per Computer-Imaging am Bildschirm vorführen, sodass er weiß, was ihn erwartet. Erfahrungsgemäß empfinden über 90 % der Patienten die ästhetischen Auswirkungen der Kiefervorverlagerung als nicht störend oder sogar positiv, weil es

93


Therapiealternativen

dadurch zu einer Harmonisierung der Gesichtsform kommt. Die Umstellungsosteotomie eignet sich nicht nur für Patienten mit angeborenen Gesichtsfehlbildungen (z. B. Apert-Syndrom, Pierre-Robin-Sequenz) oder anatomischen Besonderheiten der oberen Atemwege (z. B. kleinem Unterkiefer oder Unterkieferrücklage), sondern auch für OSA-Patienten mit normgerechter Entwicklung des Unterkiefers, wobei eine Vorverlagerung des Kiefers um 10 mm als erforderlich angesehen wird. Diese OP scheint genauso wirksam zu sein wie eine CPAP-Therapie und ist daher für Patienten, die es ablehnen, jede Nacht mit Gerät und Maske zu schlafen, durchaus empfehlenswert. Besonders erfolgversprechend ist sie bei jüngeren, nicht übergewichtigen Patienten. Im Lauf des Alterungsprozesses kann der Therapieerfolg allerdings nachlassen, vor allem, wenn die Patienten zunehmen. Außerdem muss der Nutzen dieses Eingriffs stets gegen das Komplikationsrisiko abgewogen werden; schließlich handelt es sich dabei um ein recht invasives Operationsverfahren. Obwohl der Therapieerfolg sofort nach dem Eingriff eintritt, sollte erst nach sechs Wochen, wenn die Knochen verheilt und die operationsbedingten Schwellungen abgeklungen sind, eine Therapiekontrolle in Form einer Polysomnografie erfolgen. Im weiteren Verlauf sind polysomnografische Kontrollen nach einem Jahr und dann wieder nach drei, fünf und zehn Jahren zu empfehlen.

Multi-Level-Chirurgie Bei den meisten Schlafapnoe-Patienten besteht der Atemwegsverschluss nicht nur an einer, sondern gleich an mehreren verschiedenen Stellen. Für solche Patienten ist die Multi-Level-Chirurgie ein sinnvoller Ansatz. Dabei werden je nach Obstruktionsort chirurgische Eingriffe auf verschiedenen „Etagen“ vorgenommen: z. B. am Weichgaumen, an den Mandeln und/oder am Zungengrund, bei Bedarf auch im Bereich der Nase oder des Kiefers. Die Autoren der Arbeitsgruppe empfehlen jedoch, vorher zunächst einmal

94


Mit Skalpell und Laser gegen Atemnot

alles zu versuchen, um die Patienten an eine CPAP-Therapie oder andere konservative Therapien heranzuführen. Wenn dies nicht funktioniert und die entsprechenden anatomischen Gegebenheiten vorliegen, kann eine Multi-LevelChirurgie durchaus sinnvoll sein – vor allem bei jüngeren Patienten, bei denen eine CPAP-Therapie trotz aller Bemühungen erfolglos bleibt oder abgelehnt wird. Bei Patienten unter 60 Jahren mit leichter bis mittelschwerer Schlafapnoe und einem BMI unter 30 (und bei Patienten, bei denen die Atempausen vor allem im REM-Schlaf auftreten) ist sie besonders erfolgversprechend. Leider lässt sich der Therapieerfolg aber nicht immer voraussagen; insgesamt ist die Multi-Level-Chirurgie weniger wirksam als CPAP. Außerdem kann die Ansprechrate über einen Zeitraum von fünf Jahren abnehmen. Dieser QR-Code führt Sie zu einer Diskussionsrunde über das Pro und Contra der chirurgischen Korrektur des Kiefers mit Dipl.-Psych. Sabine Eller, Dr. med. Joachim T. Maurer und Dr. Dr. Dr. Winfried Kretschmer http://www.bsd-selbsthilfe.de/mediathek/filme/pro-und-contrachirurgische-kieferkorrektur.html

95


8 Stimulation

des Nervus Hypoglossus: Zungenschrittmacher

Über diesen QR-Code gelangen Sie zu einem Film, in dem der HNOArzt Dr. med. Winfried Hohenhorst den Zungenschrittmacher erklärt. http://www.bsd-selbsthilfe.de/mediathek/filme/ zungenschrittmacher.html Über diesen QR-Code sehen Sie den HNO-Arzt Dr. med. Joachim T. Maurer mit einem Patienten, der sich über den Zungenschrittmacher als Therapiealternative informiert. http://www.bsd-selbsthilfe.de/mediathek/filme/ patientensprechstunde.html

96


B

ei der Zungenschrittmachertherapie wird dem Patienten ein Schrittmachersystem implantiert, das den Unterzungennerv stimuliert. So wird der Tonus der Muskeln, die den Zungenansatz steuern, erhöht, sodass die

Atemwege im Schlaf nicht mehr zusammen fallen können. Die S3- Leitlinie „nicht erholsamer Schlaf/ Schlafstörungen“ empfiehlt die Zungenschrittmachertherapie für Patienten mit mittel- bis schwergradiger obstruktiver Schlafapnoe (OSA) (AHI: 15 bis 50), bei denen eine CPAP-Therapie nicht angewendet werden kann – also bei Patienten, die CPAP ablehnen oder nicht vertragen oder bei denen eine solche Behandlung nicht wirkt. Die Patienten sollten nicht oder nur leicht fettleibig (höchstens Adipositas Grad 1 = BMI von 30 bis 34,9), außerdem muss bei den Patienten zuvor eine Schlafendoskopie durchgeführt werden, denn der Zungenschrittmacher ist nur für Patienten mit einer bestimmten Art von Obstruktion geeignet: bei Patienten mit konzentrischer Obstruktion hinter dem Gaumensegel wirkt er nicht.

97


Therapiealternativen

F

ür Patienten, die die Standardtherapien wie Atemmasken oder Unterkieferprotrusionsschienen nicht vertragen, gibt es eine Alternativtherapie, die derzeit auf großes Interesse der Patienten stößt: den Zungenschritt-

macher bzw. die elektrische Stimulation des Hypoglossus-Nervs. Ähnlich wie ein Herzschrittmacher, wird der Stimulator unterhalb des Schlüsselbeins auf der rechten Brustseite implantiert, (die linke bleibt frei, falls einmal ein Herzschrittmacher implantiert werden muss.) von wo aus die Elektroden zum Zungennerv geführt wird. Die Stimulation des Zungennervs führt nicht nur zu einer Protrusion des Zungengrundes und Mundbodens, sondern auch zu einer Vorwärtsbewegung des Weichgaumens durch die Aktivierung des Gaumen-Zungen-Muskels und hält den Atemweg offen, damit ein freies Atmen möglich ist. Die Atemwegsstimulation, auch Zungenschrittmacher genannt, ist ein alternatives Behandlungsverfahren für die Patienten, bei denen die traditionellen Behandlungsmethoden erfolgslos bleiben. Durch eine sanfte Stimulation des Zungennervs „Hypoglossus“ werden die Zunge und andere Strukturen bewegt, um die Atemwege während des Schlafes offen zu halten und somit die nächtlichen Atemaussetzer zu unterbinden. Mit einer kleinen Fernbedienung wird das System einfach vor dem Zubettgehen eingeschaltet und am Morgen, nach dem Erwachen, wieder ausgeschaltet. Die lateinische Bezeichnung Hypoglossus-Stimulator beschreibt das Prinzip des Zungenschrittmachers genau. Der Hypoglossus ist der Nerv, der für die Bewegung der Zunge zuständig ist. Der Stimulator steuert diesen Nerv gezielt mit einem elektrischen Impuls an, um eine Tonussteigerung der Zungenmuskulatur zu bewirken mit dem Ziel, nächtliche Atemaussetzer zu verhindern. Das Aggregat, das die Impulse erzeugt, sitzt in einem kleinen Gehäuse, das wie ein Herzschrittmacher aussieht und über Elektroden seine Impulse an den Zun-

98


Stimulation des Nervus Hypoglossus: Zungenschrittmacher

gennerv weiterleitet. Nachdem der Patient eingeschlafen ist, beginnt das Gerät mit der Stimulation und Schnarchen und Atempausen verschwinden. Die Technik des Zungenschrittmachers befindet sich inzwischen nicht mehr im Erprobungsstadium und die Ergebnisse überzeugen. Seit Anfang 2016 wird diese Behandlung bei bestimmten Voraussetzungen, wie z. B. Bestätigung der CPAP-Intoleranz, Feststellung einer mindestens mittelgradigen obstruktiven Schlafapnoe, Durchführung einer Schlafendoskopie, in der die anatomischen Voraussetzungen festgestellt werden, von den Krankenkassen getragen. Die entsprechende Beratung, Einleitung und Durchführung der Therapie wird mittlerweile in ausgewählten deutschen Kliniken angeboten.

Keine Routinetherapie! So vielversprechend die Therapie auch klingt, kommt diese Behandlungsmethode leider nicht für jeden Patienten in Frage. Es gibt eine Reihe von Ausschlusskriterien. Doch für die Betroffenen, für die die strengen Indikationsstellungen nicht zutreffen, ermöglicht diese Therapie ein Leben ohne Maske. Deutschlandweit bieten immer mehr Zentren diesen Eingriff auch als Kassenleistung an. Außerdem gibt es die Möglichkeit, mit einem Einzelfallantrag bei seiner Krankenversicherung die Zahlungsbewilligung für die Therapie zu erhalten. Bevor die Implantation eines Zungenschrittmachers ernsthaft zur Diskussion steht, müssen ein paar wichtigen Bedingungen erfüllt sein. Der Patient muss erst einmal nachweisen, dass er es ernsthaft mit der CPAP-Therapie versucht, möglicherweise auch andere Alternativen ausprobiert hat und trotzdem gescheitert ist. Patienten, die mit einem hohen CPAP-Druck nicht klarkommen oder psychische Probleme haben, sind ohnehin ernsthafte Anwärter für einen Schrittmacher. Obligatorisch muss eine Schlaf-Video Endoskopie durchgeführt werden, um

99


Therapiealternativen

festzustellen, ob der betreffende Patient für den Hypoglossus Stimulator anatomisch geeignet ist. Dabei wird der Patient mit einer Dormicum- oder Propofol-Sedierug in Schlaf versetzt, bis er schnarcht. Mit einem extrem dünnen Endoskop wird auf dem Bildschirm die Situation im Rachen dargestellt. Weiter ist natürlich eine Polysomnografie ohne CPAP-Gerät fällig, um die Anzahl der Atemaussetzer pro Stunde, also den AHI festzustellen. Die Operation selbst ist für HNO-Ärzte Routine. Dabei werden Elektroden zum Zungennerv gelegt und zwischen zwei Rippen der Stimulator auf der rechten Brustseite implantiert. Das Gerät ist etwas kleiner als ein Herzschrittmacher. Etwa zwei Wochen nach der Operation werden die Fäden gezogen. Weitere zwei Wochen später ist auch die Elektrode um den Nerv herum eingeteilt, sodass das Aggregat aktiviert werden kann. Der Stimulator bringt die Zunge dazu, sich zu bewegen. Bei der Implantation des Geräts von ImThera werden sechs Kontakte am Unterzungennerv angebracht. Die Zungenbewegung wird nach der Operation beim Patienten im Wachzustand kontrolliert. Dazu werden die Kontakte nacheinander durchgetestet und die Stimulationsstärke wird langsam erhöht, bis der Patient signalisiert, dass er den elektrischen Impuls jetzt spürt. Dies nennt man die Empfindungsschwelle. Die Ärzte steigern die Impulsstärke so weit, bis die Zunge eine funktionelle Bewegung ausführt. Das Ziel ist, dass sich die Zunge nach vorne bewegt, damit hinten im Rachen Platz geschaffen wird, um den Atemweg zu erweitern.

Zwei konkurrierende Systeme Auf dem Markt werden heute zwei Systeme angeboten. Einmal die atmungsgesteuerte Stimulation der oberen Atemwege der Firma Inspire Medical Systems. Bei dieser Technik wird über einen Drucksensor das Atmungssignal im Thorax registriert und an den Impulsgenerator weitergeleitet. Dieser gibt da-

100


Stimulation des Nervus Hypoglossus: Zungenschrittmacher

rauf unter Berücksichtigung des Atemzyklus einen Impuls an den Zungennerv ab, wodurch ein Verschluss des Atemwegs verhindert werden soll. Das zweite System ist die atmungsunabhängige Stimulation der oberen Atemwege der Firma ImThera Medical. Bei dieser Stimulation wird auf die Respirationsdetektion verzichtet. Die Stimulationssonde besitzt sechs ringförmig angeordnete Kontakte, welche jeweils einzelne Faseranteile des gesamten Zungennervs abwechselnd stimulieren. Beide Geräte werden elektrisch betrieben. Das Inspire-Gerät arbeitet mit einem Akku, der rund acht Jahre lang Energie bereitstellt, dann aber operativ ausgetauscht werden muss. Das ImThera-Gerät muss jeden Tag aufgeladen werden, wobei das Ladegerät gegen die Stelle auf der Brust gehalten wird, wo sich der Simulator befindet (Induktionsmethode).

Die Compliance der Patienten ist groß! Neuesten Daten zeigen, dass die Patienten die Therapie im Durchschnitt über 42 Stunden pro Woche – das entspricht in etwa 6 Stunden pro Nacht – verwenden. Das ist eine hohe Therapietreue seitens der Patienten und zeigt, dass die Therapie sehr gut angenommen wird.

Über diesen QR-Code gelangen Sie zu einem Film, der Sie den Ablauf einer Schlafendoskopie miterleben lässt. http://www.bsd-selbsthilfe.de/mediathek/filme/ schlafendoskopie.html

101


9 Anti-Schnarch-Hilfen

Bilder aus dem Schnarchmuseum in Alfeld

102


N

icht zu empfehlen sind Zungenretainer, bei denen die Zunge sich in eine Ausbuchtung hineinsaugt und während der Nacht in dieser vorverlagerten Position verbleibt, um die oberen Atemwege zu öffnen.

In einigen Studien ließ sich die Anzahl der Apnoen durch Zungenretainer tatsächlich reduzieren. Sie eignen sich aber lediglich für einen Behandlungsversuch bei ausgewählten Patienten mit leichter bis mittelschwerer Schlafapnoe, bei denen andere Behandlungen versagt haben oder nicht möglich sind. Auch hier muss der Behandlungserfolg genau überwacht werden; außerdem könnte die Compliance ein Problem darstellen. Viele Menschen, die schnarchen oder unter einer schlafbezogenen Atmungsstörung leiden, benutzen Nasenspreizer (sogenannte Nasendilatatoren), um die Nasenlöcher offenzuhalten und dadurch den Luftstrom beim Ein- und Ausatmen zu verbessern. Man unterscheidet zwischen internen Dilatatoren, die in den Nasenvorhof eingebracht werden, und externen Dilatatoren – Pflastern, die man von außen auf die Nasenflügel aufklebt. Solche Dilatatoren können zwar in manchen Fällen leichte positive Auswirkungen auf das Schnarchen haben; zur Behandlung einer obstruktiven Schlafapnoe sind sie jedoch nicht geeignet.

103


Therapiealternativen

S

chnarchen ist ein weit verbreitetes Phänomen und es muss nicht immer krankhaft sein. Zu allererst war das Schnarchen immer schon eine peinliche Angelegenheit, gegen die man oft fast verzweifelt Gegenmittel

suchte. Der Schlafmediziner Franz Josef Wirth in Alfeld hat vor Jahren das einzige Museum gegründet, das sich mit dem Schnarchen befasst. Wirth hat im Lauf der Jahre die skurrilen Hilfsmittel zusammengetragen, die jemals erfunden wurden, um den Schnarchern das Leben angenehmer zu machen. Über diese historischen Glanzstücke mögen wir uns heute amüsieren, doch der Markt bietet auch heute noch unzählige Hilfsmittel an, die es einem ermöglichen sollen, das Schnarchen zu beherrschen. In diesem Kapitel beschreiben wir einige aktuelle Mittel gegen das Schnarchen, wobei die Hersteller oft auch anführen, dass diese Produkte sich auch bei Schlafapnoe einsetzen lassen. Schnarchen mag man als soziales Problem ansehen, bei dem mit Internetangeboten experimentiert werden darf. Wer allerdings an Schlafapnoe leidet, sollte eigenmächtig die Finger von solchen Hilfsmitteln lassen und sich an das halten, was der behandelnde Arzt empfiehlt.

Sehen Sie über diesen QR-Code einen Film über das Schnarchmuseum in Alfeld, dessen Exponate Prof. Josef A. Wirth in jahrelanger Arbeit zusammengetragen hat. http://www.bsd-selbsthilfe.de/mediathek/filme/schnarchmuseum-inalfeld.html Dr. Klaus Düring erklärt in einem Film, den Sie über diesen QR-Code aufrufen können, Funktion und Anwendung des AlaxoStents. http://www.bsd-selbsthilfe.de/mediathek/filme/alaxostent.html

104


Anti-Schnarch-Hilfen

AlaxoStent gegen die Obstruktion im Rachen Es ist eine raffinierte Erfindung, der aus selbstexpandierendem Nitinolgeflecht bestehende Stent, den man jeden Abend vor dem Schlafengehen mithilfe eines Schlauchs über den linken oder rechten Nasengang in den Rachenraum einführen muss. Nach Erreichen der korrekten Position entfaltet sich das Nitinolgeflecht und legt sich an die Rachenwand an. Dieser AlaxoStent soll den Rachenraum stabilisieren und damit einem Kollaps der oberen Atemwege vorbeugen. Warum sollte ein Patient sich dieser Prozedur unterziehen? Der Hersteller wirbt mit verschiedenen Vorzügen, die der Stent gegenüber einer CPAP-Therapie hat: Man sei unabhängig von Gerät und Maske, brauche keinen Stromanschluss, es entstünden keine störenden Geräusche, und auch von der Optik her sei solch ein Stent unauffälliger als CPAP-Gerät und Maske. Das Einsetzen sei auch kein großes Problem: „Die emotionale Hürde des Einführens durch die Nase in den Rachenraum ist vergleichbar mit dem Einsetzen einer Kontaktlinse in das Auge. Nach einer Schulung durch den Arzt und einer kurzzeitigen Trainingsperiode kann der Patient den Stent erfahrungsgemäß sicher und schnell selbst anwenden“, heißt es im Flyer der Firma. Genau hier scheint jedoch das Problem zu liegen: In einer von 2011 bis 2012 am Schlafmedizinischen Zentrum der Universitäts-HNO-Klinik Mannheim durchgeführten Studie sollte die therapeutische Wirksamkeit des AlaxoStents getestet werden. Leider ist diese Prüfung von vornherein an Problemen beim Einführen des Stents gescheitert: Alle 22 an der Studie teilnehmenden Patienten empfanden schon das Hereinschieben des Einführungsschlauchs in Nase und Rachenraum als unangenehm. Nach der Hälfte der Studienzeit ersetzte die Firma den Schlauch durch einen weicheren. Dennoch war den Patienten nach wie vor die Entfaltung des Stents im Rachenraum unangenehm. Keiner konnte den Stent über den geplanten Studienzeitraum von 14 Tagen tolerieren. Die Au-

105


Therapiealternativen

toren der Studie kamen zu dem Ergebnis, dass der AlaxoStent lediglich in Einzelfällen eine wirksame Behandlung zu sein scheint, sich aufgrund der eingeschränkten Akzeptanz jedoch nicht für eine breite Anwendung eignet.

Nasenspreizer – eine effektive Unterstützung zu CPAP, Schiene & Co. Für die CPAP-Therapie gibt es eine Reihe unterschiedlicher Maskensysteme. Die am häufigsten verwendeten Masken sind reine Nasenmasken. Ein häufiges Problem bei dieser Art von Maske ist, dass die Patienten während des Schlafs unbewusst auf Mundatmung umstellen – also nicht mehr wie gewöhnlich durch die Nase atmen, sondern durch den Mund. Die Beatmungsluft entweicht nach dem Einströmen in die Nase direkt wieder durch den Mund, anstatt über die Atemwege in die Lungen zu gelangen. Diese sogenannte „Mundleckage” kann die CPAP-Therapie im Extremfall wirkungslos machen. Dazu kommt, dass die Atmung durch den Mund ungesund ist. Der Mund wird trocken, weil er die ganze Zeit offen steht. Viele kennen diesen Zustand auch von einer Nacht mit Schnupfen. Es können sich durch die Mundatmung aber auch handfeste gesundheitliche Probleme ergeben. Wenn man durch den Mund atmet, trocknet der dünne Speichelfilm aus, der die Zähne überzieht. Dieser Speichelfilm erfüllt aber eine ganz wichtige Schutzfunktion für die Zahnoberfläche: Er spült Bakterien weg und verhindert gleichzeitig, dass sich neue Karies-Bakterien auf der Zahnoberfläche ausbreiten. Mundtrockenheit und Karies wiederum begünstigen die Entstehung einer entzündeten Mundschleimhaut, was ziemlich schmerzhaft sein kann. Mit dem Austrocknen des Speichels verändert sich außerdem die Zusammensetzung der Bakterien in der Mundhöhle, also die sogenannte Mundflora. Fäulnisbakterien gewinnen die Herrschaft über den Mund. Das geht mit einem unangenehmen Mundgeruch einher.

106


Anti-Schnarch-Hilfen

Ein Therapieansatz, um die Mundatmung zu verhindern, liegt darin, die Nasenatmung zu verbessern. Funktioniert diese problemlos, gibt es keinen Anlass mehr, durch den Mund zu atmen. Nasenspreizer bzw. Nasenklammern oder Nasendilatatoren können da eine Hilfe sein. Sie bestehen nur aus zwei Kunststoffteilen, die in die Nase eingesetzt werden. Nasenspreizer weiten die Nasenlöcher sanft auf und sorgen so dafür, dass es in der Nase zu weniger Atemwegswiderständen kommt. Die Atemluft kann besser über die Nase in die Lunge strömen. Deshalb werden Nasenspreizer gerne als Unterstützung gegen das Schnarchen eingesetzt. Technisch gesehen gibt es zwei unterschiedliche Ansätze, die Nasenflügel aufzuspreizen. Entweder über eine Röhrchen- bzw. Zylinderform oder über eine Flügelform. Beide Formen sind gleichermaßen wirksam. Wichtig für den Tragekomfort und damit auch für eine langfristige Nutzung ist die Wahl der richtigen Größe. Es bietet sich an, zunächst ein sogenanntes „Starter-Pack” zu kaufen, in dem von jeder Größe ein Exemplar enthalten ist. Hat man die richtige Größe gefunden, kann man anschließend ganz spezifisch auswählen. Erhältlich sind diese und andere Produkte gegen das Schnarchen u. a. bei SomniShop, einer Informations- und Verkaufsplattform rund um das Thema „Gesunder Schlaf“. SomniShop bietet eines der europaweit größten und bestsortierten Produktangebote zum Thema Schnarchen sowie tiefgehende Fach- und Beratungsexpertise. (Kontakt: www.somnishop.com)

Beispiel für einen Nasenspreizer (Nasendilatator)

107


Therapiealternativen

Strategie gegen Mundleckagen Ein Problem der CPAP-Beatmung besteht in Mundleckagen: Die Atemluft, die über die Nasenmaske in die oberen Atemwege gedrückt wird, kann teilweise durch den Mund entweichen. Diese sogenannten Mundleckagen haben zwei negative Folgen. Die bewirken, dass die CPAP-Therapie nicht mehr 100 % effektiv wirken kann. Denn die Beatmungsluft wird nicht mehr in die Atemwege und die Lunge gedrückt, sondern entweicht sofort wieder durch den Mund und trocknet die Schleimhäute aus, da der Atemluftstrom unkontrolliert entweicht. Doch Mundleckagen müssen nicht sein! Dank des Mundstücks somnipax

CPAP pro. Dies ist eine Mundvorhofplatte, die das unkontrollierte Entweichen der Atemluft über den Mundraum verhindert. Das Mundstück wirkt damit wie eine Ausatem-Barriere. Die mithilfe des CPAP-Geräts einströmende Atemluft findet ihren Weg in die Lunge, ohne dass Teile der Atemluft über den Mundraum entweichen können. somnipax CPAP pro wird vor dem Schlafengehen in den Mund zwischen Lippen und Frontzähnen eingesetzt.

somnipax CPAP pro ist von seiner Form vergleichbar mit einem sehr dünnen und kleinen „Boxer-Zahnschutz”. Das Produkt ist groß genug, dass es nicht versehentlich verschluckt oder eingeatmet werden kann. Kommt es im Schlaf zu Atemnot wird das Mundstück ohne Weiteres ausgespuckt.

somnipax CPAP pro besteht aus verschiedenen EU-zugelassenen thermoplastischen Kunststoffen. Es kann schnell und einfach angepasst werden – mit dem sogenannten Boil-and-Bite-Verfahren. In warmem Wasser wird die Platte weich und formbar. Zur Anpassung liegt der Lieferung ein Temperaturmessstreifen bei. Ein Biss in das weichgewordene Mundstück und es ist individuell an die Zahnstellung des Trägers angepasst.

somnipax CPAP pro ist ein sehr effektives Mittel, um Schlafapnoe- Patienten mit Mundleckagen den erfolgreichen Umstieg von der Vollgesichtsmaske auf eine Nasenmaske/Nasenpolstermaske zu ermöglichen.

108


Anti-Schnarch-Hilfen

Velumount® Anti-Schnarchspange Der Begriff der Anti-Schnarchspange ist eng verknüpft mit dessen Erfinder, dem Schweizer Arthur Wyss und der Marke Velumount. Andere Hersteller haben sich von Wyss’ Erfindung inspirieren lassen und bieten ebenfalls Anti-Schnarchspangen an. Schnarchspangen werden ausschließlich vom jeweiligen Hersteller und seinen lokalen Anpassungspartnern vertrieben und angepasst. Anti-Schnarchspangen sind feine, flexible Drahtkonstruktionen, die während der Nacht getragen und vom Mundraum aus hinter den Gaumenbogen gespannt werden. Eine Spange reicht bis hinter das Gaumenzäpfchen, stabilisiert das Gaumensegel und das Gewebe im Gaumenbogen. So hält sie den Bereich des Nasenund Mundrachens konstant geöffnet. Der freie Atemluftfluss ist auf diese Weise gewährt. Schnarchen und Atemaussetzer werden verhindert. Die Velumount® Anti-Schnarchspange wird während des Schlafes diskret im Mund getragen. Eine Anti-Schnarchspange darf übrigens nicht mit einer Anti-Schnarchschiene verwechselt werden. Sie wird bei nicht-lageabhängiger Schlafapnoe eingesetzt und hat ihren Einsatzschwerpunkt bei milder bis mittelgradiger Schlafapnoe. Die Schnarchspange stabilisiert das Gewebe im Gaumenbogen und im oberen Bereich des Mundrachens. Ob die Spangentherapie als komfortabel eingestuft wird, hängt maßgeblich davon ab, wie stark der Würgereiz beim Patienten ausgeprägt ist. Wer diesbezüglich wenig Probleme hat, für den wird die Eingewöhnung schnell möglich sein und er hat in dem Produkt eine gute CPAP-Alternative gefunden. Wer allerdings unter starkem Würgereiz leidet oder ein ausgeprägtes Fremdkörpergefühl im Rachenbereich hat, für den kann die Anpassung langwieriger ausfallen. In diesem Fall sollte man mit einer mehrwöchigen Eingewöhnungsphase rechnen. Das Hilfsmittel muss individuell angepasst werden. Betroffene, die sich eine

109


Therapiealternativen

-Spange anpassen lassen wollen, benötigen wichtige Informationen über die Funktion und Anordnung des eigenen Gaumensegels und der dahinter liegenden Gewebestrukturen. Ein Velumount® erbringt seine Leistung erst nach optimaler Anpassung an die individuellen anatomischen Gegebenheiten seines Trägers. Die hochflexible Kunststoff-Draht-Konstruktion folgt den Muskelbewegungen in der Gaumenumgebung und dem Zungenbereich.

Abb. oben links und rechts: Die Velumount® Schnarchspange wirkt gegen pathologisches Schnarchen, bei leichtem und mittelschwerem OSAS sowie bei schwerem OSAS mit CPAP-Intoleranz. Bei Adipositas wird empfohlen, die Spange in Kombination mit CPAP zu benutzen. Abb. unten links und rechts: Velumount® Intro Ring wird intraoral getragen und ist unsichtbar.

110


Anti-Schnarch-Hilfen

Nach korrekter individueller Anpassung treten während des Tragens der Spange beim Schlucken und Wassertrinken keine Behinderungen auf. Wer mit der Velumount-Gaumenspange das Schnarchen erfolgreich verhindert, darf jedoch nicht davon ausgehen, dass gar keine Atemunterbrechungen mehr vorhanden sein werden. Betroffene, welche an sich weiter Atempausen vermuten, sollten in jedem Fall nach einer Eingewöhnungsphase eine fachgerechte Messung der Schlafqualität beim Facharzt durchführen lassen. Während der individuellen Anpassung erhält der Patient alle wichtigen Informationen über die Funktion und Anatomie des Gaumensegels und der dahinter liegenden Gewebestrukturen, sowie der Entstehung des Schnarchens. Bei den Velumount® Spezialisten handelt es sich um HNO-Ärzte und examiniertes medizinisches Personal mit langjähriger Erfahrung im Umgang mit Patienten, die von Arthur Wyss für diese Aufgabe persönlich aus- oder weitergebildet wurden. Das Velumount®-System findet in Deutschland vorwiegend unter HNO-ärztlicher Obhut Anwendung. Die Anpassung dauert 45–90 Minuten. Nach ein paar Tagen, ist eine kostenlose Nachkontrolle angezeigt. Das Velumount-Team betreut Sie auch danach weiterhin kostenfrei, falls noch Hilfe benötigt wird. (Weitere Informationen bei www.velumount.de)

Über diesen QR-Code sehen Sie ein Interview mit dem Erfinder der Schnarchspange, Arthur Wyss. http://www.bsd-selbsthilfe.de/mediathek/zumanhoeren/die-velumount-schnarchspange.html

111


Therapiealternativen

Impressum Herausgegeben von Werner Waldmann Bundesverband Schlafapnoe und Schlafstörungen Deutschland e. V. (BSD), Geschäftsstelle: Panoramastraße 6, 73760 Ostfildern Research: Anne Greveling Texte: Marion Zerbst, Dr. med. dent Susanne Schwarting, Dr. med. Alexander Meyer Illustrationen: Ulla Pieper Abbildungen: S. 2, 58, 102: © Werner Waldmann; S. 10: © Zeichnung nach ResMed-Vorlage; S. 16: © Andrey Popov/fotolia.de; S. 26 links: © SomnoMed; S. 26 Mitte: © ResMed; S. 26 rechts: © SCHEU-DENTAL; S. 28–29: © Dr. Alexander Meyer; S. 54: © cocoparisienne/pixabay.com; S. 62 oben: © Khoon Lay Gan/123rf.com; S. 62 unten: © designed by freepik; S. 64 oben: © HDZ NRW; S. 64 Mitte, 64 unten, 107: © SomniShop; S. 72: © Heinz Ehlers; S. 81: © Alise Ojay; S. 82: © skeeze/pixabay.com; S. 86: © Drcamachoent/WikimediaCommons; S. 90: © Restore Medical, Inc.; S. 96 links: © ImThera; S. 90 rechts: Inspire Medical Systems; S. 110: © Velumount Videoproduktion: Tobias von Brockdorff, Patrick Deiner Audio-Schnitt: Florian Kontny Korrektur: Annemarie Döring Redaktion: Dr. Roxanne Dossak Layout: Anna Wagner Gesamtleitung: Werner Waldmann QR-Code-Medien: Dr. med. Stefanie Werther, Dipl.-Psych. Sabine Eller, Dr. med. Hubert Trötschler, Dr. Alexander Hoffmann, Dr. med. dent. Susanne Schwarting, Dr. med. dent. Alexander Meyer, Prof. Dr. med. Tilo Andus, Dr. med. Tobias Meile, Heinz Ehlers, Celiné Westphal, Alise Ojay, Dr. med. Winfried Hohenhorst, Dr. med. Viola Götz, Prof. Dr. med. Andreas Walther, Dr. med. Winfried Kretschmer, Dr. med. Joachim T. Maurer, Prof. Dr. med. Josef A. Wirth, Dr. Klaus Düring, Arthur Wyss

© 2017 by BSD, Ostfildern; 2. Auflage 2018 gefördert von der

112



Sie leiden vermutlich schon länger unter einem Schlafapnoe-Syndrom. Und Sie haben sich dieses Buch ganz offensichtlich angeschafft, weil Sie mit der Atemtherapie mittels Maske nicht zurechtkommen. Freilich ist Ihnen klar, dass die nasale Überdruckbeatmung (nCPAP) heute immer noch als Goldstandard in der Behandlung der obstruktiven Schlafapnoe (OSA) gilt. Wenn Ihre Therapie ordentlich eingestellt ist, sind Sie auf der sicheren Seite. Sie müssen also all die Folgeerkrankungen, die einem unbehandelten Schlafapnoe-Patienten drohen, nicht befürchten. Es gibt eine ganze Reihe von Gründen, weshalb diese Therapie nicht immer funktioniert. Wie in Ihrem Fall. Vielleicht versetzt Sie die Maske in Panik. Das ist keine Einbildung, sondern ein ernsthaftes psychisches Problem. Gegen Ihre Phobie kann Ihnen womöglich ein Psychotherapeut helfen. Eine solche Behandlung lässt sich aber nicht von heute auf morgen realisieren und so lange dürfen Sie Ihre Schlafapnoe nicht unbehandelt lassen. Vielleicht verhindern Druckstellen und Zugluft infolge einer Maskenleckage die Nutzung. Auch da gibt es Möglichkeiten: eine andere Maske, gar eine Individualmaske. Dennoch kann das alles kein Allheilmittel sein. Schließlich kann es ja auch sein, dass die Maske Ihre Partnerschaft gefährdet. Es gibt Patienten, die eine CPAP-Therapie ablehnen, nicht vertragen oder bei denen sie nicht zum gewünschten Erfolg führt. Deshalb sind Schlafmediziner ständig auf der Suche nach alternativen Therapien für schlafbezogene Atemstörungen. In diesem Ratgeber zeigen wir mögliche Therapiealternativen. Wir nennen Ihnen auch Hilfsmittel, die in den Augen der Schlafmediziner wenig Gnade finden, weil die Evidenz fehlt. Nennen wollen wir sie dennoch, denn dem einen oder anderen können sie wertvolle Hilfe leisten. Dieser Ratgeber arbeitet multimedial: Wenn Sie die QR-Codes im Buch mit Ihrem Smartphone oder Tablet-Computer scannen, werden Sie mit Filmen und Hörsequenzen tiefer ins Thema eingeführt. Der Herausgeber: Der Bundesverband Schlafapnoe und Schlafstörungen Deutschland e. V. (BSD) ist die bundesweit wirkende Dachorganisation für alle Selbsthilfegruppen, die sich der Betroffenen mit dem Schlafapnoe-Syndrom oder mit Schlafstörungen im weitesten Sinne annehmen.


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.