Kompass Gesundheit DAS MAGAZIN FÜR BADEN-WÜRTTEMBERG
Nr. 2 2015
TOP-THEMA
Wie wollen wir sterben? Vorgestellt: Filderklinik und St. Anna-Virngrund-Klinik Früherkennungsuntersuchungen bei Krebs Neue Blutverdünner Ist Glück planbar oder nur ein Traum?
rt: DKV-Repo
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4. Jahrgang
www.kompass-gesundheit-bw.de
AOK – Die Gesundheitskasse Neckar-Fils · aok-bw.de/nef
ZGH 0044/03 · 11/14 · Burg Teck · Foto: www.peterheck.de
Vor Ort und persönlich. Von früh bis spät: Wir sind für Sie da, gehen die Dinge an, engagieren uns, nehmen uns Zeit, kümmern uns, hören zu, geben Rat und helfen. Wir sind ganz nah – für Sie und Ihre Gesundheit.
editorial Liebe Leserin, lieber Leser, wir berichten üblicherweise über medizinische Innovationen und Lebensstiländerungen, die Krankheiten vermeiden helfen. Doch was hat Sterben in einem Gesundheitsmagazin zu suchen? Nun, der Tod gehört zum Leben wie die Geburt. Ich weiß, der Tod bedeutet für viele Ärzte eine persönliche Niederlage. Die Palliativmedizin – langsam kommt auch sie zu Ehren – nimmt sich jener Patienten an, die schwerwiegend chronisch erkrankt sind und sich in ihrer letzten Lebensphase befinden. Diese Menschen brauchen eine einfühlsame Begleitung, von ärztlicher wie von menschlicher Seite. Doch hier stehen sich unterschiedliche Einstellungen gegenüber: sanfte Sterbebegleitung oder assistierter Suizid. Zu dieser sensiblen Thematik passt auch das Porträt eines Klinikgeschäftsführers, der ein Haus der besonderen Art leitet, die anthroposophisch ausgerichtete Filderklinik: Volker Ernst. Eine weitere Klinik stellen wir Ihnen unter einem exemplarischen Aspekt vor, die St. Anna-Virngrund- Klinik in Ellwangen. Ihr Chef, Thomas Schneider, argumentiert gegen die Schaffung großer medizinischer Zentren und für ein intelligentes Netzwerk kleiner, jedoch spezialisierter Kliniken und ärztlicher Praxen, um so der regionalen Bevölkerung wohnortnah eine exzellente Versorgung zu garantieren. Bestimmte Player unseres Gesundheitswesens werden ständig kritisiert. Die Pharmaindustrie wird weiterhin als nur dem Profit verpflichtet angesehen. Auch neue Medikamente seien zu teuer, so etwa die neuen Blutverdünner für Risikopatienten, die das alte Marcumar ablösen können. Dr. Suso Lederle zeigt in seinem Gespräch mit dem Kardiologen Prof. Thomas Nordt, was diese neuen Substanzen für Patienten bedeuten. Doch Pharmakonzerne können auch ganz anders, beispielsweise MSD SHARP & DOHME, die zwar Gewinn einfahren, doch auch in Deutschland und weltweit die Gesundheitsvorsorge vorantreiben. Lesen Sie in unserem Bericht über die Flussblindheit wie sich gerade dieses Unternehmen für die Dritte Welt einsetzt. Die Medizin entwickelt sich rasant weiter. Um Schlaganfälle noch wirkungsvoller zu therapieren, entfernt der Neuroradiologe Prof. Tomandl von der Göppinger Klinik Christophsbad mit einem Katheter das gefährliche Blutgerinnsel direkt aus einem Hirngefäß. Der Strahlenmediziner Prof. Martin Bleif vom CyberKnife-Zentrum Göppingen informiert über sinnvolle Vorsorgemaßnahmen gegen bösartige Tumore. Wer würde sich besser auskennen in Sachen Prävention als gerade ein Krankenkassenexperte: AOK-Geschäftsführer Johannes Bauernfeind denkt kritisch über sinnvolle präventive Maßnahmen nach. Und last, but not least bricht der Ärztliche Direktor des Stuttgarter Marienhospitals, der Internist Dr. Stefan Reinecke, eine Lanze für den Allgemeinmediziner, den „Hausarzt“, der für seine Patienten ein verlässlicher Führer durch das fachärztliche Angebot ist.
Werner Waldmann ist Medizinjournalist und leitet die Redaktion von „Kompass Gesundheit“.
Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre Ihr
Werner Waldmann
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Es gibt Situationen, da vergessen uns unsere Patienten. Das ist unser höchstes Ziel.
Patientencompliance bedeutet für uns seit mehr als 25 Jahren, dem Menschen ein Höchstmaß an beschwerdefreiem Leben zurückzugeben. Ob national oder international – ob im direkten Kontakt mit dem Patienten oder als zuverlässiger Partner für Krankenhäuser, Kliniken und Ärzte.
Impressum Kompass Gesundheit – Das Magazin für Baden-Württemberg Herausgeber: Dr. Magda Antonic Redaktionsleitung: Werner Waldmann (V.i.S.d.P.) Botschafter: Prof. Dr. med. Matthias Leschke, Dr. med. Suso Lederle Redaktions-Beirat: Prof. Dr. med. Aulitzky, Dipl. oec. troph. Andrea Barth, Dr. med. Wolfgang Bosch, Dr. med. Ernst Bühler, Dr. med. Hans-Joachim Dietrich, Dr. med. Rainer Graneis, Dr. med. Rudolf Handschuh, Prof. Dr. phil. Dipl.-Psych. Thomas Heidenreich, Dieter Kress, Christof Mühlschlegel, Dr. med. Stefan Reinecke MBA, Dr. med. Nobert Smetak, Isolde Stadtelberger, Dr. med. Bernd Voggenreiter, Dr. med. Sieglind Zehnle Medizinisch-wissenschaftlicher Beirat: Dr. med. Alexander Baisch, Dr. med. Carl-Ludwig v. Ballestrem, Prof. Dr. med. Gerd Becker, Prof. Dr. med. Alexander Bosse, Prof. Dr. med. Claudio Denzlinger, Prof. Dr. med. Rainer Dierkesmann, Dipl.-Psych. Sabine Eller, Prof. Dr. med. Florian Gekeler, Dr. med. Wilhelm Gienger, Dr. med. Joachim Glockner, Dr. med. Christian Hayd, Prof. Dr. med. Bernhard Hellmich, Prof. Dr. med. Doris Henne-Bruns, Prof. Dr. med. Christian Herdeg, Prof. Dr. med. Monika Kellerer, Prof. Dr. med. Alfred Königsrainer, Dr. med. Klaus Kraft, Prof. Dr. med. Ulrich Liener,
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Prof. Dr. med. Alfred Lindner, Dr. med. Gerhard MüllerSchwefe, Dr. med. Jürgen Nothwang, Dr. med. Martin Runge, Prof. Dr. med. Arnulf Stenzl, Prof. Dr. med. Thomas Strowitzki, Holger Woehrle Patientenrechte: Markus Grübel (MdB), Michael Hennrich (MdB) Redaktion: Dr. J. Roxanne Dossak, Andrew Leslie, Ursula Pieper, Marion Zerbst Art Direction: Dr. Magda Antonic Herstellung: Barbara Schüler Fotos: Cover: © 123rf/Antonio Guillem; S. 6: © ScanStockPhoto/Tyler Olson; S. 10: © pixabay.com; S.14: © Filderklinik; S. 22: © St. Anna-Virngrund-Klinik; S. 26: © MSD Sharp & Dohme; S. © 32 Rainer Sturm/pixelio.de; S.42: © pixabay.com; Für die Autoren- und Ärzteporträts liegen die Rechte bei den abgebildeten Personen. Alle anderen Fotos: MEDITEXT Dr. Antonic Verlag: MEDITEXT Dr. Antonic Verlagsleitung: Dr. Magda Antonic Panoramastr. 6; D-73760 Ostfildern Tel.: 0711 7656494; Fax: 0711 7656590 dr.antonic@meditext-online.de; www.meditext-online.de Wichtiger Hinweis: Medizin als Wissenschaft ist ständig im Fluss. Soweit in dieser Zeitschrift eine Applikation oder Dosierung angegeben ist, darf der Leser zwar darauf vertrauen, dass Autoren, Redaktion und Verlag größte Mühe darauf verwandt haben, dass diese Angaben genau dem Wissensstand bei Drucklegung der Zeitschrift entspra-
Homecare Pneumologie Neonatologie Anästhesie Intensivbeatmung Schlafdiagnostik S E RV I C E Patientenbetreuung
Heinen + Löwenstein Arzbacher Straße 80 D-56130 Bad Ems Telefon: 0 26 03/96 00-0 Fax: 0 26 03/96 00-50 Internet: hul.de
chen. Dennoch sollte jeder Benutzer die Beipackzettel der verwendeten Medikamente selbst prüfen, um in eigener Verantwortung festzustellen, ob die dort gegebene Empfehlung für Dosierungen oder die Beachtung von Kontraindikationen gegenüber der Angabe in dieser Zeitschrift abweicht. Leser außerhalb der Bundesrepublik Deutschland müssen sich nach den Vorschriften der für sie zuständigen Behörden richten. Geschützte Warennamen (Warenzeichen) müssen nicht besonders kenntlich gemacht sein. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt. Das Magazin und alle in ihm enthaltenen Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Mit Ausnahme der gesetzlich zugelassenen Fälle ist eine Verwertung ohne Einwilligung von MEDITEXT Dr. Antonic strafbar. Die Redaktion behält sich die Bearbeitung von Beiträgen vor. Für unverlangt eingesandte Manuskripte, Fotos und Abbildungen wird keine Haftung übernommen. Mit Namen gezeichnete Artikel geben die Meinung des Verfassers wieder. Erfüllungsort und Gerichtsstand ist Esslingen. Ein Einzelheft ist zum Preis von 1,60 Euro (zzgl. Versandkosten) beim Verlag erhältlich. Copyright © 2015 by MEDITEXT Dr. Antonic, 73760 Ostfildern
ISSN 2194-5438
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inhalt • Sterbebegleitung oder assistierter Suizid? In Würde sterben • Das Hospiz: Ein Ort des Friedens, der Stille, der Zeit füreinander
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• In welchen Fällen darf ein Arzt „Sterbehilfe“ leisten? Der assistierte Suizid
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• Bücher zum Thema Sterbehilfe
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• Palliativmedizin – wichtige Begriffe
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• Ganzheitliche Therapie und Menschlichkeit Ein Gespräch mit dem Geschäftsführer der Filderklinik • Facharzt oder Allgemeinmediziner: Wo ist man als Patient besser aufgehoben? • Schreckgespenst Krebs: Welche Früherkennungs-Untersuchungen sind sinnvoll?
• Wir begleiten Schwerkranke und Sterbende Grundsätze der Sterbebegleitung im Pflegestift Esslingen-Kennenburg
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• Moderne Schlaganfallintervention Blutgerinnsel einfach aus der Hirnarterie herausfischen
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• Psychologen geben Auskunft: Ist Glück planbar – oder nur ein Traum?
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• Dr. Suso Lederle im Gespräch mit Prof. Thomas Nordt Das Problem mit den neuen Blutverdünnern
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• Kurze Meldungen
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• Gesundheitsbewusstes Verhalten erfordert Konsequenz – und ist in der Gruppe am leichtesten
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• DKV-Report „Wie gesund lebt Deutschland?“ Wer lebt am gesündesten?
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• Grünes Licht fürs Frühstücksei
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• Modellkrankenhaus ländlicher Raum Beispielhaftes Netzwerk medizinischer Versorgung im Ostalbkreis: die St. Anna-Virngrund-Klinik
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• Erster Meilenstein im Kampf gegen die Flussblindheit MSD Sharp & Dohme engagiert sich für Menschen in der Dritten Welt
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Rubriken Impressum 4 | Kolumne Dr. Lederle 13 | Aboformular 29 | Termine 43 |
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Sterbebegleitung oder assistierter Suizid?
In Würde sterben
Werner Waldmann
Wir Deutschen haben bei der Diskussion um die Sterbehilfe ein Problem: unsere braune Vergangenheit, in der Menschen getötet wurden um der „Rassenhygiene“ willen. Damit wurde bestialischer Massenmord von geistig und körperlich behinderten Menschen ideologisch gerechtfertigt. Heute geht es darum, einem Menschen, der todkrank ist, keine Aussicht mehr auf Heilung oder auch nur auf eine gewisse Lebensverlängerung hat, den Wunsch zu erfüllen, friedvoll ohne Schmerzen zu sterben oder sich auch die oftmals mit dem Sterben verbundenen Qualen bewusst zu ersparen. Beides ist in Deutschland nicht garantiert.
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ie Palliativmedizin schafft es nicht immer, das Sterben zu erleichtern. Wer Angst vor dem Leiden am Lebensende, vor Schmerzen und Atemnot hat, verzweifelt an gesetzlichen und bürokratischen Hürden. Das ist nicht überall so. Der assistierte Suizid ist in unseren Nachbarländern weitgehend akzeptiert. In den Niederlanden etwa ist unter bestimmten Umständen sogar die aktive Sterbehilfe bei schwerstkranken Menschen erlaubt. In Deutschland votiert eine Mehrheit der Bevölkerung für die Möglichkeit, in einem unheilbaren schwerstkranken Zustand selbst sein Ende bestimmen zu können. Ärzteschaft und Politik argumentieren dagegen. Die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissen-
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schaften (SAMW) hat in einer Befragung von 1318 Schweizer Ärzten deren Haltung zur Sterbehilfe eruiert. Viele Schweizer Ärztinnen und Ärzte halten es für vertretbar, dass Ärzte Suizidhilfe leisten können. Jedoch ist nur eine Minderheit auch bereit, selbst bei einem Suizid zu helfen. Drei viertel der Ärztinnen und Ärzte, die an der Befragung teilgenommen haben, halten die ärztliche Suizidhilfe grundsätzlich für vertretbar. Etwas weniger als die Hälfte kann sich Situationen vorstellen, in denen sie persönlich bereit wären, Suizidhilfe zu leisten. Ein gutes Viertel der Antwortenden toleriert zwar die Suizidhilfe, würde diese aber selbst nicht leisten. Entscheidend ist für die Mehrheit der Befragten die konkrete Situation: Es muss sich um eine eindeutig
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körperliche Erkrankung handeln, und das Lebensende muss fast unmittelbar bevorstehen. Sterbehilfe bei hochbetagten, jedoch gesunden oder psychisch erkrankten Menschen wird abgelehnt.
Sterben in Würde – mit Hindernissen Unsere Hochleistungsmedizin beschäftigt sich nicht mit dem Sterben. Im Gegenteil. Aufgabe des Arztes ist es, Leben zu retten. Gleichgültig, ob es sich um einen Vierzigjährigen handelt, der trotz schwerstem Unfalltrauma Chancen hat, zu überleben, ja wieder vollkommen zu gesunden, oder ob es sich um einen achtzigjährigen Menschen geht, der eine neue Herzklappe erhält. Das alles ist ein Verdienst der Intensivmedizin, die Unglaubliches leistet. Bei Krebserkrankungen sieht es schon etwas anders aus. Eine Reihe von Krebsarten sind heute, im Frühstadium entdeckt, heilbar. Leider gilt das für viele Tumorleiden noch nicht. Die Onkologie kann Lebenszeit gewinnen helfen, Wochen, Monate, sogar Jahre. Das Ende ist oft jedoch unausweichlich. Und gerade in der Endphase, bei multiplen Metastasen, wird oft noch eine weitere Behandlung mit brandneuen Medikamenten angeboten, die in Studien erprobt werden. Patienten greifen nach jedem Hoffnungszipfel. Sie nehmen extreme Nebenwirkungen, Übelkeit, Hautausschläge in Kauf. Lebensqualität ist das meistens keine mehr. Die statistische Überlebenszeit beträgt oft einen Monat und noch weniger. Ist dies nun Lebensverlängerung oder Sterbeverzögerung? Die Medizin gibt nicht auf. Der Tod gilt ihr als Niederlage.
Medizintechnik behindert das Sterben „Die immer besseren Möglichkeiten der Medizintechnik können sich am Lebensende“, so der Pressesprecher der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie, Prof. Dr. Eckart Fleck, „gegen den Menschen wenden.“ Viele Herzkranke tragen heute einen implantierten Defibrillator (ICD) in der Brust. Diese Hightech-Geräte verhindern bei Hochrisiko-Patienten im Falle eines Kammerflimmerns den plötzlichen Herztod. Die Elektronik des ICD registriert das Chaos der linken Herzkammer und zwingt mit einem elektrischen Schock das Herz wieder in seinen normalen Rhythmus. Ohne diese Hilfe wäre der Betroffene sofort tot. Die ICDs arbeiten unabhängig vom übrigen Gesundheitszustand des Betroffenen. Dazu muss man wissen, dass das Kam-
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merflimmern ein Teil des natürlichen Sterbeprozesses ist. Wer also einen ICD trägt, stirbt nicht so leicht, selbst wenn sich der Körper in einem finalen Zustand befindet. „Ein friedliches Sterben ist so lange nicht möglich“, so der Kardiologe Prof. Dr. Georg Ertl, „bis der ICD deaktiviert wird oder die Batterie leer ist. Doch das Deaktivieren eines ICD ist nicht so einfach. Das Abschalten eines potentiell lebenserhaltenden Geräts ist zumindest passive Sterbehilfe. In manchen Fällen, wenn der ICD zugleich auch als Herzschrittmacher agiert, handelt es sich um aktive Sterbehilfe – und ist somit verboten. Das alles wirft massive ethische Probleme auf.“ Konkret bedeutet dies, dass das Abschalten des ICD in der Patientenverfügung ausdrücklich erwähnt werden muss. Doch wenn einem Herzpatienten, meist nach einem Herzstillstand ein solches Gerät implantiert wird, kommen weder Kardiologe noch Patient auf den Gedanken, schon an das Lebensende dieses Patienten zu denken.
Sterbehilfe oder Palliativversorgung? Der Patient ist längst nicht mehr Untertan der Ärzteschaft. Seine Autonomie wächst. Die Zeiten sind vorbei, in denen der Patient die Therapieentscheidung des Arztes widerspruchslos hinzunehmen bereit war. Die Medizin propagiert heute selbst die partizipative Entscheidungsfindung. Der Gesetzgeber gibt Patient und Arzt auf, gemeinsam Diagnostik und Therapie durchzuführen – ohne freilich konkret zu werden. Diese Autonomiebestrebung gilt auch für den Patienten, der auf sein Ende zugeht. Der Wille des Patienen ist entscheidend – wenn er ihn denn schriftlich und unmissverständlich dokumentiert hat. Der Bundesgerichtshof hat dies bereits im Jahre 2010 klargestellt (Az.: 2 StR 454/09): „Sterbehilfe durch Unterlassen, Begrenzen oder Beenden einer begonnenen medizinischen Behandlung (Behandlungsabbruch) ist gerechtfertigt, wenn dies dem tatsächlichen oder mutmaßlichen Patientenwillen entspricht (§ 1901a BGB) und dazu dient, einen ohne Behandlung zum Tode führenden Krankheitsprozess seinen Lauf zu lassen.“ Der Patient ist Herr über sein Leben. So könnte man glauben. Es liegt in seiner Entscheidung, aus dem Leben zu gehen. Es geht nur darum, ob er dies alleine zustande bringt oder ob er Hilfe benötigt. Der sterbenskranke Patient hofft darauf, dass
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ihm sein Arzt – wer sonst? – ein Medikament zur Verfügung stellt, das seinen Tod beschleunigt herbeiführt. Einnehmen muss er es selbst. Dies wäre der Tatbestand des assistierten Suizids. Indirekte Sterbehilfe dagegen wäre, wenn der behandelnde Arzt seinem leidenden Patienten schmerzstillende Medikamente in einer Dosis verabreicht, die einen früheren Tod herbeiführt. Der Patient muss damit einverstanden sein. Aus Mitleid darf dies der Arzt nicht tun, sonst macht er sich strafbar. Das Strafgesetz greift nicht, wenn der Arzt Beihilfe zum frei verantworteten Suizid leistet. Doch – je nach Bundesland – kann ihm die Ärztekammer die Approbation entziehen. Diese Kuriosität des Föderalismus schreit nach einer einheitlichen Regelung. Die Palliativmedizin wendet sich gegen den assistierten Suizid, die willkürliche Beendigung eines leidvollen Lebens in der Endphase. Die Palliativversorgung setzt auf den natürlichen Weg des Sterbens und versucht diesen zu unterstützen, indem sie Symptome lindert. Das hört sich vernünftig an, und ermöglicht vielen Patienten einen friedlichen Tod. Doch gute Palliativmedizin erfordert große Erfahrung. Medikamente wirken nicht immer so, wie es zu erwarten wäre. Es kommt vor, dass eine Schmerzmedikation, die sanften Schlaf bewirken soll, den Patienten in Panik versetzt.
Palliativmedizin – Theorie und Wirklichkeit Im Jahr 2002 wurde die „Charta zur ärztlichen Berufsethik“ von zahlreichen Berufsverbänden in den USA und Europa verabschiedet. Sie verpflichtet den Arzt, dem Interesse des Patienten zu dienen. „Es ist eine in weiten Teilen der Ärzteschaft verbreitete Auffassung,“ so der langjährige Chefarzt und Buchautor Michael de Ridder, „ihren Auftrag allein darin zu sehen, Krankheiten zu heilen, Leben zu erhalten und zu verlängern. Diesem kurativen Auftrag des Arztes steht ein zweiter, nicht minder bedeutsamer an der Seite, dann nämlich, wenn die verfügbaren Mittel zur Heilung und Lebensverlängerung im Zustand terminaler Erkrankung oder schwerster Versehrtheit nicht mehr von einer medizinischen Indikation und/oder vom Patientenwillen getragen sind und als Behandlungsauftrag ein friedliches Lebensende respektive Sterben ganz in den Vordergrund tritt. Dieser palliative Auftrag steht – und dies kann nicht genug betont werden – ethisch gleichrangig neben seinem kurativen Pendant. Beide Anteile des ärztlichen Auftrags verfolgen zwar unterschiedliche Therapieziele, sie gehorchen jedoch in gleicher Weise dem Wohl des Patienten, das letztlich mit dem Patientenwillen identisch ist.“ Bei Patienten mit malignen Erkrankungen im Endstadium ist das Lebensende absehbar. Dennoch gibt es auch Menschen, die den Sterbeprozess nicht bis zum letzten erleben wollen, die bewusst in einem Zustand geistiger Präsenz ohne den Aufruhr
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entsetzlicher Schmerzen und Atemnot dahingehen wollen. Sie können es mit ihrer Würde nicht vereinbaren, in ein Stadium des Sterbens zu gelangen, indem sie hilflos, verletzlich und ihrer Autonomie beraubt sind. Diese Menschen haben ein Recht darauf, dass ihnen ein Arzt beisteht, ihrem flüchtigen Leben ein bewusstes Ende zu setzen. Michael de Ridder spricht von der „grundsätzlichen Verpflichtung des Arztes, den Interessen des Patienten zu dienen, und es ist offensichtlich, dass diese im Kontext der Medizin am Lebensende eine besondere Rolle spielen. Letztlich ist es der Kranke, der Sterbende selbst – so er denn dazu in der Lage ist oder eine Vorausverfügung getroffen hat –, der darüber entscheidet, was seinem Wohl dient und was nicht, und eben nicht der Arzt, so unbestritten und wünschenswert es auch ist, dass Handlungsweisen und Entscheidungen, die das Lebensende betreffen, auf dialogischem Weg zwischen Krankem, Arzt und Angehörigen zustande kommen sollten (wie es auch das Patientenverfügungsgesetz vorsieht).”
Leben bis zum Ende Der Medizinethiker Prof. Giovanni Maio vertritt eine gänzlich andere Meinung: „Mit der Wahl des assistierten Suizids machen wir uns die unabdingbare Aufgabe der Leidenslinderung zu einfach.“ „Der Suizid“, so Maio weiter, „ist eben keine Problemlösung, er ist keine Bewältigung eines schwierigen Problems, sondern er ist das Aus-dem-Weg-Räumen des Problems, das ungelöst geblieben ist. Es ist daher verwunderlich, wie leichtfertig wir uns mit der Lebensvernichtung zufriedengeben, anstatt zu überlegen, wie wir helfen können, dass der betroffene Mensch sein Leidensproblem auch bewältigen kann anstatt sich selbst zu töten.“ „Ich bin der Auffassung,“ so Michael de Ridder, „dass Palliativmedizin und ärztliche Suizidassistenz sich nicht wechselseitig ausschließen. Beide Weisen ärztlichen Beistands am Lebensende verhalten sich nach meinem Dafürhalten – formal betrachtet – nicht antagonistisch, sondern komplementär zueinander. Ich würde sogar so weit gehen, zu sagen, dass die ärztliche Beihilfe zum Suizid zu einer äußersten Maßnahme palliativer Medizin werden kann ... Sigmund Freud, der sich an seinem Lebensende mit einem Mundbodenkarzinom grausam quälte, erbat und erhielt von seinem Arztfreund Max Schur Sterbehilfe, die als Tötung auf Verlangen sogar über die Beihilfe zum Suizid hinausging. Und kein Geringerer als Franz Kafka war es, der Lunge und Kehlkopf von Tuberkulose zerfressen sterbend seinen ärztlichen Freund Robert Klopstock um eine sein Leiden beendende Morphiumspritze bat: ,Sie haben es mir immer versprochen. Töten Sie mich, Klopstock, sonst sind Sie ein Mörder.’ Und Klopstock erfüllte sein Versprechen. Wollte irgendjemand Schur und Klopstock ihrer Hilfe wegen verurteilen?“
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Das Hospiz
Ein Ort des Friedens, der Stille, der Zeit füreinander Ein Hospiz (der Name komm aus dem Lateinischen hospitium und bedeutet „Herberge“) ist eine Einrichtung der Sterbebegleitung. Das erste stationäre Hospiz wurde 1967 in Großbritannien eröffnet, das St. Christopher's Hospice in Sydenham (bei London). In Deutschland war das erst 1986 der Fall. Mittlerweile gibt es in Deutschland etwa 180 stationäre Hospize, 230 Palliativstationen in Krankenhäusern sowie über 1500 ambulante Hospizdienste. Wir sprachen mit Susanne Kränzle, der 2. stellvertretenden Vorsitzenden des Hospiz- und PalliativVerbands Baden-Württemberg e. V. über ihre Arbeit. Ein Hospiz ist definiert als eine Einrichtung für die Sterbebegleitung. Was ist der Unterschied zu einer Palliativstation im Krankenhaus? S. Kränzle: Zunächst gibt es einmal atmosphärische Unterschiede. Wir haben den Anspruch, unseren Patienten hier eine Art zweites Zuhause zu bieten. Wir wollen ihnen die Möglichkeit geben, in dem Tagesrhythmus zu leben, den sie wünschen, den sie selbst bestimmen. Wir machen da keine Vorgaben, wie das eben im Krankenhaus notwendig ist. Wir stellen uns auf die individuelle Persönlichkeit des Betroffenen ein, der zu uns ins Hospiz kommt. Was hat er für Vorlieben? Was möchte er, was will er nicht. Das alles berücksichtigen wir. Wir gehen total auf die Bedürfnisse und Wünsche des Kranken ein. Allein das ist schon anders als in der Klinik. Und dann ist es so, dass wir hier keine Diagnostik mehr betreiben, keine Therapie, mehr anbieten in dem Sinne, wie sie auch auf einer Palliativstation durchaus noch stattfindet, etwa Bestrahlung oder eine palliative Chemotherapie. Bei uns gibt es palliative Therapien nur im Sinne von Lindern der aktuellen Beschwerden, und es sind kaum invasive Maßnahmen. Zudem erhalten unsere Patienten eine exzellente psychosoziale Begleitung. Es gibt stationäre und ambulante Hospize. Was passiert in den ambulanten Hospizen? S. Kränzle: Die ambulante Hospizarbeit ist das Kerngeschäft der Hospizbewegung. In vielen Umfragen wurde immer wieder bestätigt, dass Menschen in ihrer vertrauten Umgebung sterben möchten. Dazu hilft die ambulante Hospizarbeit. Das sind geschulte ehrenamtliche Helferinnen und Helfer – über 90 % sind allerdings Frauen –, die aus der
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Mitte der Gesellschaft kommen und sagen, wir möchten sterbende Menschen begleiten, wir möchten dazu beitragen, dass sie zu Hause bleiben können oder im Pflegeheim, aber nicht am Lebensende ins Krankenhaus müssen oder auch ins stationäre Hospiz. Sie begleiten die Sterbenden und auch die Angehörigen nach Absprache, besuchen sie zwei bis drei Mal die Woche oder auch nur einmal und später häufiger. Das ist keine Konkurrenz zu Pflegediensten, die Hospizmitarbeiter versorgen nicht, sie sind „nur“ da und schauen, was dem Menschen in seiner schwierigen Lebenssituation gerade gut tut. Wie finden Sie ehrenamtliche Mitarbeiterinnen? S. Kränzle: Wir machen viel Öffentlichkeitsarbeit. Wir bieten jedes Jahr Kurse als Vorbereitung auf diese Tätigkeit an. Die ehrenamtlichen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen kriegen viel Wissen mit, müssen sich aber in diesem Kurs auch intensiv mit sich selbst auseinandersetzen. Sie kommen zu uns, weil sie von unserer Arbeit gehört oder selbst Erfahrungen mit einem Hospiz gemacht haben und sich sagen: Das möchte ich auch machen. Das ist insgesamt eine schwere Aufgabe, oder? S. Kränzle: Ja, das ist eine schwere und doch auch eine schöne Aufgabe. Ich sehe da eine Parallele zum Lebensanfang. Im Kreißsaal muss jede Frau, egal welcher sozialen Schicht sie angehört, welche Vorbildung sie hat, jede muss ihre Aufgabe erledigen, nämlich ihr Kind zur Welt bringen. Beim Sterben ist es ähnlich. Da ist man schnell ganz nah an den Menschen, weil alles wegfällt, was im Alltag sonst wichtig ist. Da kommt es zu sehr intensiven und auch sehr schönen Begegnungen.
Susanne Kränzle, 2. stellvertretende Vorsitzende des Hospiz- und PalliativVerband BadenWürttemberg e. V. Keplerstr. 40 73730 Esslingen Tel.: 0711 136320-11 E-Mail: s.kraenzle@ hospiz-esslingen.de www.hospizesslingen.de www.hpvbw.de
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Wer kann einen Platz im stationären Hospiz bekommen? S. Kränzle: Das ist relativ klar definiert. Das sind Menschen, die eine schwerwiegende Erkrankung haben, die aus medizinischer Sicht nicht mehr therapiert und nicht mehr zum Stillstand gebracht werden kann. Menschen, die eine Lebenserwartung von Tagen, Wochen bis wenigen Monaten haben und die weder zu Hause noch im Pflegeheim betreut werden können und die auch keine Krankenhausbehandlung nötig haben. Ins Hospiz kommen Menschen, für die es sonst keine andere Möglichkeit der Hilfe gibt. Wie ist die Chance, einen Platz im Hospiz zu bekommen? S. Kränzle: Wenn man nicht gerade von heute auf morgen einen Platz braucht, ist die Chance ganz gut. Die Wartezeit beträgt beispielsweise bei uns in Esslingen etwa zehn Tage. Wir sind regelmäßig mit den Menschen, die eine Anfrage gestellt haben, in Kontakt und rufen an, wenn wir ein freies Bett haben.
Die Menschen sollen aber auch sagen, wenn es doch noch zu Hause geht und sie noch nicht kommen möchten. Kosten entstehen den Menschen hier nicht? S. Kränzle: Nein, das zahlt die Kranken- und Pflegekasse und die Träger der Hospize müssen auch einen Eigenanteil bezahlen. Sie nehmen Menschen jeglicher Konfession auf? S. Kränzle: Ja, jeglicher Konfession, jeglicher Nationalität, jeglicher politischer Ausrichtung. Ich sage immer, Hospize sind diskriminierungsfreie Räume. Da tun wir auch alles, damit die Menschen das so erleben können. Wer übernimmt die ärztliche Betreuung? S. Kränzle: In der Regel Hausärzte. Wenn es möglich ist, der bisherige Hausarzt.
In welchen Fällen darf ein Arzt „Sterbehilfe“ leisten?
Der assistierte Suizid Die Rechtslage in Deutschland ist vielen unklar: Darf der Arzt einem unheilbar Kranken in der leidvollen Endphase seines Lebens Beistand zur Selbsttötung leisten? Was steht im Strafgesetzbuch – und was sagen die Ärztekammern dazu? In manchen Fällen ist der Beistand des Arztes strafrechtlich erlaubt, doch die Ärztekammern sehen dies anders und entziehen dem betreffenden Arzt dann die Approbation. Werner Waldmann sprach mit dem Juristen Prof. Konrad Stolz. Wie ist die Rechtslage zum Thema „assistierter Suizid“ in Deutschland zurzeit? Prof. Stolz: Rein rechtlich ist der assistierte Suizid nicht unter Strafe gestellt, weil die Selbsttötung als solche nicht verboten ist und daher auch die Beihilfe und Anstiftung dazu nicht strafbar sind. Die Frage ist nun: Wie verhält es sich mit den Ärzten? Für diese gilt natürlich dasselbe Strafrecht. Wenn ein Arzt also Hilfe beim Suizid leistet, ist er dafür strafrechtlich nicht zur Verantwortung zu ziehen. Voraussetzung dabei ist jedoch, dass es sich um eine selbstverantwortliche und mit freiem Willen durchgeführte Selbsttötung handelt. Die Beurteilung der Willensfreiheit kann schwierig sein, weil es auch Selbsttötungen gibt, die etwa infolge einer psychischen Erkrankung oder eines psychischen Ausnahmezustandes erfolgen. Es geht also um die Frage, ob sich jemand mit freiem Willen das Leben nehmen darf. Das darf er, und andere dürfen ihm dabei helfen. Die Entscheidung muss aber bei dem betreffenden Patienten liegen,
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er muss den letzten Schritt selbst tun, z. B. ein tödliches Medikament selbst einnehmen. Wie darf die Hilfe des Arztes aussehen? Prof. Stolz: Die Hilfe könnte z. B. darin bestehen, dass der Arzt dem Patienten ein Mittel verschreibt oder beschafft, das dieser dann mit freiem Willen einnimmt, um aus dem Leben zu scheiden. Wichtig ist, dass derjenige, der aus dem Leben scheiden will, dieses Medikament selbst einnehmen muss. Er kann also nicht sagen: „Geben Sie mir jetzt eine Spritze, damit ich einschlafen kann.“ Das wäre Tötung auf Verlangen und strafbar. Oft wirken Tabletten ja nicht so gut. Doch eine Injektion oder Infusion (etwa mit einem überdosierten Narkotikum) muss man applizieren, und das kann nicht jeder selbst tun. Prof. Stolz: Wenn der Arzt dem Patienten eine Infusion legt oder eine Spritze gibt, wäre – wie gesagt – die Grenze zur Tö-
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Welche Krankheiten haben Ihre Patienten in der Regel? S. Kränzle: Über 90 % sind es Tumorkranke, aber dann auch neuromuskuläre Erkrankungen wie z. B. ALS , gelegentlich auch COPD oder auch mal jemand mit einer schweren finalen Herzinsuffizienz oder Niereninsuffizienz. Wenn Sterbende den assistierten Suizid wünschen, gibt es auch im Hospiz diese Möglichkeit? S. Kränzle: Nein. Das ist etwas, das wir als Hospizbewegung rundweg ablehnen. Ich bin der Meinung, dass wir ganz viele Möglichkeiten haben, Menschen diese letzte Lebensphase zu erleichtern. Meine Erfahrung aus vielen Jahren Hospizarbeit ist, dass die Sterbehilfewünsche gegen Null gehen, wenn eine sehr gute Palliativarbeit da ist. Können Sie etwas zur Hospiz- und Palliativversorgung in Baden-Württemberg allgemein sagen?
tung auf Verlangen schon überschritten. Und dieser Tatbestand wird in Deutschland mit Sicherheit auf absehbare Zeit strafbar bleiben. Es geht nur um den frei verantworteten Suizid und die Beihilfe dazu durch Bereitstellen von möglichen Mitteln, z. B. von Medikamenten und einer Beratung bei der Zusammenstellung. Theoretisch wäre es auch möglich, dass der Patient sich selbst eine Spritze setzt oder selbst eine Infusion in Gang setzt und der Arzt dabei beratend wirkt. Der Bundestag berät zurzeit über ein neues Gesetz zu diesem Thema. Was soll dieses Gesetz regeln? Prof. Stolz: Ich vermute, dass die gewerbliche Förderung der Beihilfe zur Selbsttötung verboten werden soll. Also die Sterbehilfevereine, die es in der Schweiz gibt und die auch bei uns Fuß fassen wollen und die gegen Bezahlung Sterbehilfe leisten, sollen verboten werden. Was den ärztlichen assistierten Suizid anbelangt, vermute ich, dass es keine Regelung geben wird. Würde man das gesetzlich regeln wollen, so wäre das höchst kompliziert. Man müsste viele Einzelfragen klären. U. a. müsste geklärt werden, in welchem unerträglichen Zustand der Patient sein müsste, damit der Arzt ihm beistehen kann. Es wäre sehr schwierig, dies in ein Gesetz zu fassen. Deshalb kann es sein, dass es dazu kein Gesetz geben wird. Man wird aber wohl darauf hinwirken, dass die Berufsordnungen der Landesärztekammern von einem ausdrücklichen standesrechtlichen Verbot der ärztlichen Hilfe bei einer Selbsttötung absehen. Die Landesärztekammer in Baden-Württemberg z. B. hat statt eines Verbots folgende Formulierung gewählt: „Die Ärztinnen und Ärzte haben den Sterbenden unter Wahrung ihrer Würde und unter Achtung ihres Willens beizustehen.“
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S. Kränzle: Es gibt Gegenden, wo es keine Palliativstationen und keine Hospize gibt. Das ist im Nordosten des Landes und im Südwesten der Fall. Es gibt flächendeckend ambulante Hospizarbeit und fast überall auch SAPV-Teams. Man hat sich ja in Baden-Württemberg entschlossen, dass man das in jedem Landkreis installieren möchte, und das ist bald soweit. Es gibt in jedem Landkreis auch ein ambulantes Kinderhospiz. Eine spezialisierte ambulante Palliativversorgung für Kinder dagegen fehlt völlig. Da sind wir (also der Hospiz- und PalliativVerband Baden-Württemberg) politisch dran, dass das vorankommt. Wie engagiert steht die Politik dahinter? S. Kränzle: Im Zuge der Sterbehilfedebatte tut sich was. Es gibt bundespolitisch den ersten Gesetzesentwurf zur Stärkung der Hospiz- und Palliativversorgung. Ich bin froh, dass die Politik quer durch alle Parteien sagt, dass diese Versorgung gestärkt werden muss, bevor man über den assistierten Suizid redet.
Was heißt das? Prof. Stolz: Das bedeutet, dass es nicht ausgeschlossen ist, dass ein Hausarzt in einer Ausnahmesituation zu seinem schwer kranken und leidenden Patienten sagt: „Ich kann Sie verstehen, dass Sie so nicht mehr weiter leben und jetzt Schluss machen wollen. Und ich helfe Ihnen dabei.“ Das wäre z. B. eine Möglichkeit, diesem Patienten unter Achtung seiner Würde und seines Willens beizustehen. In Baden-Württemberg müsste der Arzt für sich keine Sanktionen befürchten, wenn er so handeln würde und es nachvollziehbar eine Ausnahmesituation gewesen wäre. Aber was ist, wenn jemand im Koma liegt? Er selbst kann nicht mehr entscheiden. Er hat aber in seiner Patientenverfügung festgehalten, dass er in so einem Zustand nicht mehr weiterleben möchte. Wer hat dann das Recht – oder hat überhaupt jemand das Recht, den „Stecker zu ziehen“? Prof. Stolz: Diese Frage ist gesetzlich geregelt. Wenn beide für den Patienten Verantwortlichen (der behandelnde Arzt und der Patientenvertreter – der Bevollmächtigte oder der gesetzliche Betreuer) übereinstimmen, dass der Patient in einer Patientenverfügung rechtswirksam verfügt hat, dass die Behandlung in dieser Behandlungssituation abgebrochen werden soll, dann muss diese abgebrochen werden. Dabei handelt es sich um einen von Gerichten vielfach bestätigten Fall der Umsetzung einer Patientenverfügung durch Behandlungsabbruch. Voraussetzung ist, dass der Patient mit freiem Willen in einwilligungsfähigem Zustand genau beschrieben hat, welche lebenserhaltende Maßnahmen abgebrochen werden sollen, wenn er z. B. dauerhaft ohne Hoffnung auf Besserung bewusstlos sein sollte.
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Bücher zum Thema Sterbehilfe MICHAEL DE RIDDER Wie wollen wir sterben? Ein ärztliches Plädoyer für eine neue Sterbekultur in Zeiten der Hochleistungsmedizin Originalverlag: DVA Paperback, Klappenbroschur, 320 Seiten,
GERHARD POTT, DURK MEIJER Sterbebegleitung in Europa am Beispiel Deutschlands und der Niederlande mit einem Exkurs zur intuitiven Ethik Schattauer, 138 Seiten ISBN: 978-3-7945-3095-3 (Print) 978-3-7945-6907-6 (eBook PDF) 19,99 Euro
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PALLIATIVMEDIZIN – wichtige Begriffe Hospiz: eine Pflegeeinrichtung, in der schwerstkranke Menschen mit einer voraussichtlichen Lebenserwartung von unter sechs Monaten bis zu ihrem Lebensende betreut werden. Die Aufgabe eines Hospizes besteht darin, Betroffene und Angehörige in ihrem Sterbe- bzw. Trauerprozess zu begleiten und zu unterstützen. Die ärztliche Betreuung findet durch niedergelassene Ärzte statt; die Überweisung ins Hospiz erfolgt durch den behandelnden Haus- oder Krankenhausarzt. Sofern die Sterbenden nicht zu Hause gepflegt werden können und keine Behandlung in einem Krankenhaus oder auf einer Palliativstation benötigen, werden die Kosten für die Betreuung in einem Hospiz normalerweise anteilig von Krankenkasse, Pflegekasse und Hospizträger übernommen. Besteht die Möglichkeit einer ambulanten Versorgung des Patienten im eigenen Haushalt oder bei seiner Familie, so kann ein ambulanter Hospizdienst (AHD) aus hauptamtlichen Koordinationskräften und geschulten ehrenamtlichen Hospizhelfern die Betreuung übernehmen.
Palliativmedizin, Palliativversorgung (engl.: palliative care): medizinische Versorgungsmaßnahmen zur Verbesserung der Lebensqualität von Patienten mit unheilbaren Erkrankungen
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und begrenzter Lebenserwartung. Im Gegensatz zur kurativen Medizin, deren Ziel die Heilung von Krankheiten ist, zielt die Palliativmedizin darauf ab, die körperlichen und psychischen Folgen einer unheilbaren Erkrankung (Schmerzen, Luftnot, Übelkeit, Ängste, Depressionen usw.) so weit als möglich zu lindern. Sie umfasst auch Angebote zur psychologischen und spirituellen Begleitung der Patienten bis zum Tod.
Palliativmedizinisches Konsiliarteam: ein Dienst, der auf sämtlichen Stationen einer Klinik palliativmedizinische Betreuung anbietet. Er besteht aus einem interdisziplinären Team aus Ärzten, Pflegekräften, Psychologen, Seelsorgern und Sozialarbeitern, die speziell für die Betreuung schwerkranker Patienten geschult sind.
Palliativstation: eine Abteilung in einem Krankenhaus, die auf die Behandlung und Betreuung von Palliativpatienten (siehe oben) spezialisiert ist. Solche Abteilungen werden von einem multiprofessionellen Team aus Ärzten, Psychologen, Seelsorgern und Sozialarbeitern betreut. Palliativstationen arbeiten eng mit Hausärzten, stationären Hospizen und ambulanten Pflegeund Hospizdiensten zusammen mit dem Ziel, die krankheits-
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UWE-CHRISTIAN ARNOLD, MICHAEL SCHMIDT-SALOMON Letzte Hilfe Rowohlt, 240 Seiten ISBN 978-3-498-09617-5 18,95 Euro Hardcover 16,99 Euro E-Book
Gesundheit beginnt im Kopf Die Kolumne von Dr. Suso Lederle
Unheilbar krank – Menschen leben bis zum Schluss
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DR. MED. MABUSE Nr. 210 (4/2014) Schwerpunkt: Hilfe beim Sterben Mabuse 2014, 82 Seiten Bestellnr.: 700414 ISBN: 9783007004141 7,00 Euro
und therapiebedingten Beschwerden der Patienten zu lindern und ihren Krankheitszustand und ihre Betreuungssituation so zu stabilisieren, dass sie wieder aus der Klinik entlassen werden können. Auch die Behandlung und Begleitung von Patienten in der Sterbephase gehört zu den Aufgaben einer Palliativstation.
Spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV): ein multiprofessionelles Team, das unheilbar kranken Patienten mit begrenzter Lebenserwartung eine Palliativversorgung in ihrer gewohnten Umgebung (zu Hause, im Hospiz oder in einem Pflegeheim) anbietet. Sie besteht mindestens aus einem Palliativmediziner und einer Palliativpflegekraft, manchmal auch noch aus Angehörigen anderer Berufsgruppen wie z. B. Psychologen, Seelsorgern oder Sozialarbeitern. Das SAPVTeam muss rund um die Uhr erreichbar sein und in Bereitschaft stehen, um unnötige Krankenhauseinweisungen zu vermeiden. Laut Paragraph 37b SGB V müssen die Krankenkassen „Versicherten mit einer nicht heilbaren, fortschreitenden und weit fortgeschrittenen Erkrankung bei einer zugleich begrenzten Lebenserwartung, die eine besonders aufwändige Versorgung benötigen“, eine spezialisierte Palliativversorgung zu Hause bezahlen. Allerdings ist Deutschland leider nicht flächendeckend mit solchen SAPV-Teams versorgt.
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as Einzige, was im Leben feststeht, ist der Tod. Auch wenn wir uns alle des Lebens erfreuen, irgendwann geht es einmal dem Ende zu. Wir sind die einzigen Lebewesen auf der Erde, die um ihre Endlichkeit wissen. Doch es zeugt von wenig Weitsicht, wenn wir von diesem Wissen keinen rechtzeitigen und angemessenen Gebrauch machen. Man könne dem Tod ebenso wenig ins Auge sehen wie der Sonne, sagt man. Doch das ist falsch. Denn eine Verdrängung oder gar Tabuisierung des Todes verstärkt nur die Angst vor dem Ende des Lebens. Angst vor dem Tode ist aber letztlich die Wurzel aller Ängste im Leben! Wir leben also, um zu sterben, aber nicht jeder stirbt gleich. Deshalb haben auch die meisten Menschen wohl weniger Angst vor dem Tod als vor dem Sterben – Angst einmal vor Hilflosigkeit und schweren Schmerzen und zum anderen vor Einsamkeit und Verlassenheit. Zweifellos ist der letzte Abschied der schwerste. Doch auch das Ende des Lebens ist Leben. Alle in der Palliativmedizin Tätigen sehen deshalb das Sterben als ein ‚Leben bis zum Tod’. Sie begleiten, sie stehen bei und sie helfen, um in ‚Würde gehen zu können’. Für die Sterbenden ist das tröstend und nimmt ihnen etwas die Angst. Für die Lebenden ist es ermutigend und hilft ihnen, aus dem Schweigen dem Tod gegenüber herauszufinden. Dr. Suso Lederle
Dr. med. Suso Lederle Charlottenstraße 4 70182 Stuttgart Tel.: 0711 241774 E-Mail: suso-lederle@t-online.de
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Ganzheitliche Therapie und Menschlichkeit Ein Gespräch mit dem Geschäftsführer der Filderklinik Werner Waldmann
Unregelmäßige, geschwungene Formen, lichtdurchflutete Räume, helle Hölzer und Pastelltöne, jede Menge Pflanzen, Skulpturen und Gemälde … Schon an der Architektur und Innenraumgestaltung erkennt man, dass hier keine „Krankenhausatmosphäre“ herrscht. Die Filderklinik ist eine der drei großen anthroposophisch ausgerichteten Kliniken Deutschlands. Ganzheitliche Medizin und Wirtschaftlichkeit, Sparzwänge auf der einen und einfühlsame Hinwendung zum Patienten auf der anderen Seite – wie passt das zusammen? Wir sprachen mit Volker Ernst, dem kaufmännischen Geschäftsführer der Filderklinik.
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ei unserer heutigen Hightech-Medizin, in der man als Patient oft nur noch als „Fall“ betrachtet wird, ist es eigentlich kein Wunder, dass die Menschen sich nach einer anderen, ganzheitlichen Behandlung sehnen. Aus ganz Süddeutschland kommen Patienten in die Filderklinik, die sich dem anthroposophischen Therapiekonzept verschrieben hat: Der Mensch besteht nicht nur aus seinem Körper (und seinen Krankheiten), sondern ist eine Einheit von Leib, Seele und Geist. Bei der Behandlung von Erkrankungen spielen die Selbstheilungskräfte eine wichtige Rolle: Sie sollen angeregt und gefördert werden.
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Alle Ärzte der Filderklinik sind in der modernen naturwissenschaftlichen Medizin ausgebildet, kennen sämtliche für ihr Fachgebiet relevanten Methoden der Diagnostik und Therapie. Darüber hinaus aber fühlen sie sich dem anthroposophisch-ganzheitlichen Therapieansatz verpflichtet und beherrschen ein breites Spektrum ergänzender Behandlungsmethoden, zu denen unter anderem auch pflanzliche, homöopathische und anthroposophische Medikamente gehören. Speziell ausgebildete Therapeuten und Pflegekräfte bieten Mal- und Musiktherapie, Heileurythmie und eine biografisch orientierte Psychotherapie an. Mit Bädern, Wickeln
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und Massagen wird für das körperliche und seelische Wohlbefinden der Patienten gesorgt. Eine solche Klinik zu führen – ist das nicht die Quadratur des Kreises? Vor allem angesichts der heutigen Sparzwänge in einer Zeit chronisch leerer Gesundheitskassen? Wir fragten Geschäftsführer Volker Ernst, wie er das schafft – und welcher berufliche Weg ihn in diese ganz besondere Klinik geführt hat.
Von der Amtsstube in die Klinik „Ursprünglich wollte ich Bürgermeister werden“, erzählt Volker Ernst. Also machte er eine Ausbildung mit Studium zum gehobenen Verwaltungsdienst in Ludwigsburg. „Aber schon während meiner praktischen Ausbildungstätigkeit auf dem Göppinger Landratsamt habe ich gemerkt, dass die bürokratischen Amtsstuben mir doch ein bisschen zu verstaubt sind.“ Einen Teil seiner Ausbildung absolvierte Volker Ernst in der Verwaltung der heutigen Helfenstein Klinik in Geislingen. Das war schon eher seine Welt. Anschließend ging es zum Studium der Verwaltungswissenschaft nach Konstanz. Nebenher jobbte er in der Personalabteilung des damaligen Spitalstifts in Konstanz: „Dort habe ich das Personalmanagement von der Pike auf gelernt.“ An der Uni Konstanz belegte er unter anderem krankenhausspezifische Verwaltungskurse und wurde gleich nach dem Studium zum stellvertretenden Verwaltungsdirektor im Kreiskrankenhaus Waiblingen gewählt, wo er ebenfalls für das Personalmanagement zuständig war. Bald wurde ihm klar: „Ich will nicht mehr Bürgermeister werden, sondern Krankenhausgeschäftsführer!“ Dazu fehlten ihm allerdings noch betriebswirtschaftliche Kenntnisse. Also ging er als Krankenhausprüfer zur Gemeindeprüfungsanstalt: „Vier Jahre lang war ich in ganz Baden-Württemberg unterwegs, habe Kliniken auf Herz und Nieren geprüft, Wirtschaftsanalysen durchgeführt und Berichte darüber geschrieben und Beratungen durchgeführt.“ Alle acht bis zehn Wochen in einem anderen Krankenhaus, einer anderen Stadt – das wurde Volker Ernst irgendwann zu viel, und so bewarb er sich bei einem privaten Klinikkonzern, der Sana: „Ich wollte mal sehen, wie die Privaten arbeiten.“ Zweieinhalb Jahre lang war er Referent des Regionaldirektors in Stuttgart und dort unter anderem für
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die Verwaltung der bestehenden und die Akquisition neuer Kliniken zuständig. Nach einem einjährigen Intermezzo in der SanaZentrale in München kehrte Volker Ernst 2004 nach Stuttgart zurück und wurde kaufmännischer Leiter der Sana-Herzchirurgie. „Das war eine tolle Zeit: eine relativ kleine Klinik, schlagkräftig, betriebswirtschaftlich hervorragend aufgestellt. Dort bin ich etliche Jahre geblieben. Dann wurde ich gefragt, ob ich nicht die Geschäftsführung der Filderklinik übernehmen möchte – und ich habe ja gesagt.“ Muss man denn nicht Anthroposoph sein, um so eine Klinik zu leiten? „Diese Frage stellt man mir immer wieder. Die Antwort lautet: Nein, nicht unbedingt, weil man als kaufmännischer Geschäftsführer ja für die Zahlen zuständig ist; aber man muss diesem Thema natürlich schon offen gegenüberstehen und sich bis zu einem gewissen Grad damit identifizieren.“ Da sein Großvater überzeugter Anthroposoph gewesen war und der enge Kontakt mit diesem Mann Volker Ernst in seiner Kindheit stark geprägt hatte, fiel ihm das nicht schwer. Außerdem fand er die berufliche Kehrtwende spannend: „Von der kardiochirurgischen HightechMedizin, die stets darum kämpfen musste, dass über all der Technik die Menschlichkeit nicht verloren geht, zu einem sehr menschlichen Krankenhaus, das trotz seiner Kompetenz doch immer wieder um medizinische Anerkennung ringen muss – das war ein spannender Wechsel. Und darum kämpfe ich noch heute: medizinische Kompetenz, Menschlichkeit und Betriebswirtschaftlichkeit zusammenzubringen.“ Denn bei aller Menschlichkeit darf die Klinik keine roten Zahlen schreiben. „Als GmbH sind wir schließlich ein Wirtschaftsbetrieb und somit zu selbstständiger, wirtschaftlicher, nachhaltiger Tätigkeit verpflichtet. Auch die Mahle-Stiftung – unser Hauptförderer und einer unserer Träger – hat uns eindeutig signalisiert, dass sie unser spezielles anthroposophisches Behandlungskonzept fördert und unterstützt; sie ist aber nicht bereit, dauerhaft Betriebsdefizite zu finanzieren, sodass auch wir, wie jedes andere Krankenhaus, zu einem auskömmlichen Wirtschaften verpflichtet sind – und das haben wir bisher auch immer geschafft. Vermutlich liegt das daran, dass wir eben doch einen ganz besonderen Mehrwert für unsere Patienten und Mitarbeiter bieten.“
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Das Menschliche steht im Vordergrund Die Rechnung geht auf – und die Patienten profitieren davon. Vor allem die Geburtshilfe, die Abteilung für Psychosomatik und Psychologie und das Zentrum für integrative Onkologie locken viele Patienten an, die teilweise auch von weither kommen. Denn gerade in diesen Bereichen ist die Zuwendung zum Patienten und sein Annehmen als einmaliges, unverwechselbares Individuum besonders wichtig. Über knapp 2000 Kinder kommen jährlich in der Filderklinik zur Welt, die mit ihrer Frühgeborenen-Intensivstation ein neonatologischer Schwerpunkt ist. Auch hier steht das Menschliche im Vordergrund: Von Anfang an wird besonderer Wert auf einen engen, liebevollen Kontakt zwischen Mutter und Kind gelegt. Deshalb fördert die Klinik das Stillen: Speziell geschulte Mitarbeiterinnen begleiten die stillende Mutter und ihr Kind. Für Probleme beim Stillen nach der Entlassung gibt es sogar eine 24-Stunden-Telefonhotline. Seit September 2003 ist die Fil-
derklinik von der WHO/UNICEF-Initiative als babyfreundliches Krankenhaus ausgezeichnet. In der Onkologie helfen Einzel- und Gruppengespräche, Krankenhaus-Seelsorge, künstlerische Therapien und Heileurythmie den Patienten bei der Bewältigung ihrer Krankheit. Neben schulmedizinischen onkologischen Behandlungsmethoden wie Operation, Chemotherapie und Bestrahlung hat auch die Misteltherapie im Behandlungskonzept der Filderklinik einen wichtigen Stellenwert. Und gerade schwerkranke Menschen finden Trost und neuen Lebensmut in den vielfältigen kulturellen Angeboten: Jedes Wochenende finden Konzerte, Theateraufführungen und Vorträge im großen Festsaal der Klinik statt. In der Werkstube können die Patienten sich künstlerisch betätigen.
Würdiges Sterben – liebevolles Abschiednehmen Diese etwas andere Lebenseinstellung prägt auch
Facharzt oder Allgemeinmediziner:
Wo ist man als Patient besser aufgehoben? Die Medizin hat sich in den letzten Jahrzehnten enorm spezialisiert. Zwar gibt es den Hausarzt nach wie vor, doch viele Patienten gehen inzwischen gar nicht mehr zum Allgemeinmediziner, sondern suchen sich gezielt einen Spezialisten, den sie bei ihren Beschwerden für zuständig halten. Ist dieses Vorgehen sinnvoll? Wir sprachen mit Dr. Stefan Reinecke, dem Ärztlichen Direktor des Zentrums für Innere Medizin II am Marienhospital Stuttgart. Wie ist es eigentlich zu dieser Entwicklung gekommen, dass Menschen, die ein gesundheitliches Problem haben, von vornherein Fachärzte (z. B. einen niedergelassenen Kardiologen oder Urologen) aufsuchen, statt sich erst mal an ihren Hausarzt zu wenden? Dr. Reinecke: Dafür gibt es sicherlich mehrere Gründe. Ich glaube, die Patienten trauen den Spezialisten einfach eine höhere Kompetenz zu. Wenn man sich den heutigen Wissenszuwachs in der Medizin anschaut, geht man als Patient wahrscheinlich davon aus, dass es immer schwieriger wird, den Überblick über so ein großes Gebiet zu behal-
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ten. Deshalb glauben die Menschen, einen Spezialisten zu brauchen – weil nur er ihrer Einschätzung nach das nötige in die Tiefe gehende Wissen hat, um sie richtig beraten und behandeln zu können. Aber in der Medizin ist doch auch ein breites Wissen erforderlich. Der Facharzt kennt sich hauptsächlich auf seinem Gebiet aus. Braucht man denn nicht einen breiten Überblick, um als Mediziner überhaupt eine Diagnose stellen zu können – vor allem, wenn man noch gar nicht so genau weiß, wo das Problem liegt? Dr. Reinecke: Das würde die spezielle Rolle des
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den Umgang mit dem Tod an der Filderklinik: „Für uns gehört das Sterben zum Leben“, sagt Volker Ernst. „Deshalb pflegen wir einen ganz anderen Umgang mit Sterbenden.“ Angehörige verstorbener Patienten bekommen in der Filderklinik viel Zeit, um den Tod des geliebten Menschen zu verarbeiten: Die Verstorbenen bleiben zunächst in ihrem Krankenzimmer, bis Freunde und Familie sich in aller Ruhe von ihnen verabschiedet haben. Dann werden sie in eigens hierfür bestimmten Räumen aufgebahrt, und es findet eine Abschiedsfeier statt, an der Angehörige und Mitarbeiter des Krankenhauses gemeinsam teilnehmen. „Uns ist es wichtig, den Sterbeprozess zu einem würdigen Abschluss zu bringen. Auch die Mitarbeiter sollen Gelegenheit haben, Abschied zu nehmen von einem Patienten, der in anderen Krankenhäusern nach seinem Tod einfach plötzlich weg ist.“ Die Familie wird in ihrer Auseinandersetzung mit dem Sterben von Angehörigen und in ihrer Trauer nach Kräften unterstützt. Diese Beratungsleistung soll in Zukunft noch weiter ausgebaut werden: „Der Tod ist immer auch ein Familienproblem; und die Familie wird damit oftmals alleingelassen. Was geht in dem Bruder oder der Schwester eines todkranken
Kindes vor? Was passiert mit einem Elternteil, der in einer finalen Lebensphase steht und merkt, dass seine Kinder sich innerlich von ihm entfernen oder nicht mehr mit ihm umgehen können? In solchen schwierigen Situationen möchten wir die Angehörigen beraten. Die Familie soll wieder mehr in den Vordergrund gerückt werden. Anthroposophie ist eine ganzheitliche Sicht auf den Patienten mit all seinen Problemen. Diese Sichtweise leben wir hier.“ Auch beim Thema Versorgungsqualität sollen die Patienten in Zukunft mehr Mitspracherecht haben. „Seit einem Jahr bin ich Mitglied im Vorstand des anthroposophischen Klinikverbandes, dem es unter anderem darum geht, den Patientenwunsch und die Patientensicht stärker in die Qualitätsdiskussion einzubringen“, sagt Volker Ernst. „Wenn man Qualität nach Strukturprozess und Ergebnisqualität definiert, hat der Patient spätestens bei der Ergebnisqualität ein wichtiges Wort mitzureden – denn er ist derjenige, der entscheidet, welche Qualität für ihn die richtige ist. Deshalb kämpfen wir darum, auch die Patientenperspektive als Kriterium in die Qualitätsbewertung mit einfließen zu lassen.“
Internisten oder Allgemeinmediziners definieren. Solche Ärzte haben den Anspruch und das Ziel, sich vor allem in der Breite zu qualifizieren – ein kompetenter Berater und Lotse für den Patienten zu sein, der in 80 bis 90 % aller Fragestellungen konkrete, hilfreiche Lösungen anbieten kann.
Dr. Reinecke: Das ist letztendlich, glaube ich, der entscheidende Punkt. Allein die Tatsache, dass Sie von einem Spezialisten einen guten Rat bekommen haben, wird Sie nicht davon überzeugen, Ihr Verhalten zu ändern oder eine Behandlung wirklich über Jahre hinweg durchzuführen. Der Patient braucht jemanden, der ihn von den notwendigen Therapiemaßnahmen überzeugt; und diese Überzeugung wird wahrscheinlich aus einem Vertrauensverhältnis erwachsen: Der Patient muss wissen, dass er einen Arzt hat, der ihn in glaubwürdiger Weise begleitet und bei dem er sich auch als Mensch akzeptiert fühlt. Bei dem er weiß: Ich kann zu ihm kommen, meine Fragen stellen und werde eine ehrliche Antwort bekommen. Wenn der Arzt so einen Zugang zu seinem Patienten hat und die Therapie auf Augenhöhe mit ihm besprechen kann – wenn er sich Zeit nimmt, ihm zu erläutern, warum er dieses oder jenes Medikament vorschlägt und was er damit erreichen möchte –, dann wird er vielleicht einen Weg finden, den Patienten dazu zu motivieren, dass er diese Behandlung über längere Zeit durchführt.
Welcher Stellenwert kommt dem Arzt zu, der den Menschen als Ganzes betrachtet, und wie findet man so einen Arzt? Dr. Reinecke: Grundsätzlich hat jeder Arzt den Anspruch, seine Patienten als Ganzes zu betrachten. In der Realität sieht das aber ganz anders aus. Natürlich wird der Facharzt nur zu dem Thema Stellung nehmen, bei dem er als Spezialist gefragt ist, und sich ansonsten eher zurückhalten. Patienten haben aber das Bedürfnis nach einem Arzt, der nicht nur das medizinische Problem in ihnen sieht, sondern den ganzen Menschen betrachtet: die Krankheitsgeschichte, die Lebensumstände, den familiären Hintergrund ... Und all das muss letztendlich in die diagnostischen Maßnahmen und die Therapie einfließen. Die Beziehung zwischen Patient und Arzt sollte also weniger vom Spezialistentum, sondern eher von einem Vertrauensverhältnis, von gegenseitigem Respekt getragen werden. Da ist der Spezialist, der alles über sein Gebiet weiß und mir sagt, was ich tun soll. Ohne menschlichen Kontakt werde ich das als Patient aber wahrscheinlich nicht so leicht annehmen können und die Therapieempfehlungen des Arztes dann womöglich nicht befolgen.
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Dr. med. Stefan Reinecke Ärztlicher Direktor Zentrum für Innere Medizin II Vinzenz von Paul Kliniken gGmbH Marienhospital Stuttgart Böheimstr. 37 70199 Stuttgart www.marienhospital-stuttgart.de
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Schreckgespenst Krebs
Welche FrüherkennungsUntersuchungen sind sinnvoll? Marion Zerbst und Werner Waldmann „Mit dem Krebs tritt plötzlich der Tod als reale Bedrohung mitten ins Leben ein“, schreibt der Onkologe Martin Bleif in seinem Buch „Krebs: Die unsterbliche Krankheit“. Besser kann man kaum ausdrücken, was diese Diagnose für einen Menschen bedeutet: Soeben noch (vermeintlich) gesund, sieht er plötzlich einer schweren Krankheit oder vielleicht gar dem baldigen Ableben ins Auge. Wahrscheinlich jagt gerade das Heimtückische dieser Erkrankung, die den Patienten quasi aus heiterem Himmel überfällt, vielen Menschen eine so panische Angst vor Krebs ein, dass sie am liebsten jede Früherkennungsmöglichkeit nutzen würden. Leider gibt es neben sinnvollen Screening-Untersuchungen auch unsinnige Früherkennungsmaßnahmen, die mehr Schaden als Nutzen anrichten. Wir sprachen mit Professor Bleif über Krebsfrüherkennung und schonende Strahlentherapie-Verfahren. Man hat den Eindruck, dass in der Bekämpfung bösartiger Tumore bisher kein großer Durchbruch erzielt worden ist. Viele neue Krebsmedikamente kosten ein Vermögen, verlängern das Leben aber nur um wenige Monate, und das auch noch mit eklatanten Nebenwirkungen. Trifft dieser Eindruck zu? Prof. Bleif: Ja und nein. Wenn man sich die nackten Zahlen – die Statistik – anschaut, steigt die Zahl der Krebserkrankungen tatsächlich erschreckend an. Das liegt aber vor allem an der veränderten Altersstruktur unserer Gesellschaft; die Menschen werden immer älter, und damit erhöht sich natürlich auch die Anzahl der Krebserkrankungen und Krebstoten. Außerdem haben wir inzwischen bessere diagnostische Möglichkeiten, Krebserkrankungen schon in sehr frühen Stadien festzustellen. Dadurch steigt die Anzahl der diagnostizierten Krebspatienten eklatant. Trotzdem ist es seit Mitte der 1990er Jahre gelungen, die Mortalität (also den Anteil der Patienten, die an ihrer Krebserkrankung sterben) zu senken. Aber diese Trendwende ist ein Ergebnis vieler sehr, sehr kleiner Schritte; und es gibt immer noch Krebsarten, bei denen keine Fortschritte erzielt werden konnten. Der große Durchbruch in der Krebstherapie fehlt bisher also tatsächlich. Viele Menschen fürchten sich vor Krebs und möchten gerne vorsorgen, zum Beispiel durch bildgebende Verfahren oder Tumormarker-Tests.
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Sind solche Früherkennungsmaßnahmen sinnvoll? Prof. Bleif: Was die Tumormarker anbelangt: ganz klar nein! Von einer einzigen Ausnahme abgesehen. Tumormarker sind bei einer gesunden Durchschnittsbevölkerung nicht dazu geeignet, eine Krebserkrankung zu erkennen, die vielleicht schon vorhanden ist, aber noch keine Symptome verursacht. Und selbst der PSA-Test zur Früherkennung von Prostatakrebs ist umstritten. Manche Privatkliniken bieten mittlerweile ja schon ein Ganzkörper-MRT zur Krebs-Früherkennung an: Da wird man durch die Röhre geschoben und von oben bis unten untersucht – und das alles ohne konkreten Tumorverdacht. Die Krankenkassen bezahlen so etwas nicht; aber bei manchen Menschen ist die Angst vor Krebs so groß, dass sie dafür gerne in die eigene Tasche greifen. Kann man auf diesen Hunderten von Schnittbildern überhaupt etwas erkennen? Oder wird hier einfach nur ein gewinnbringendes Spiel mit der Angst der Menschen getrieben? Prof. Bleif: Es gibt momentan keine belastbaren Untersuchungen, die zeigen, dass es Sinn macht, gesunde Menschen nach dem Gießkannenprinzip mit bildgebenden Verfahren auf Krebs zu untersuchen. Bei bestimmten Krebsarten gibt es aber durchaus sinnvolle Vorsorgeprogramme – zum Beispiel zur Früherkennung von Brust- oder Darmkrebs.
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Sind bildgebende Verfahren zur Krebserkennung sinnvoll? Man erkennt auf diesen Bildern ja nicht, ob es sich um einen bösartigen Tumor handelt, sondern sieht nur, dass da etwas ist. Prof. Bleif: Die bildgebenden Untersuchungsverfahren haben sich seit den 1970er Jahren, als wir mehr oder weniger nur das Röntgen zur Verfügung hatten, enorm weiterentwickelt. Heute ist die Röntgenuntersuchung bis auf die Mammografie fast komplett in den Hintergrund getreten; inzwischen gibt es Verfahren wie Ultraschall, Kernspintomografie, PET und Computertomografie, die den Onkologen ungeheuer weitergeholfen haben. Allerdings vor allem in Form der Ausbreitungsdiagnostik (um zu erkennen, wie fortgeschritten eine Krebserkrankung ist und ob sie bereits metastasiert hat) und zur Verlaufskontrolle – also um zu überprüfen, ob eine Therapie anschlägt oder nicht. Von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen, kann die Frage, ob es sich um Krebs oder um eine gutartige Veränderung handelt und was für eine Tumorart vorliegt, nur anhand des Krebsgewebes beantwortet werden – sprich: Wir müssen Gewebeproben entnehmen, die der Pathologe dann untersucht, um eine exakte Diagnose zu stellen. Damit wären wir beim Mammakarzinom. Das Brustkrebs-Screening ist inzwischen ja sehr ins Kreuzfeuer der Kritik geraten. Sind diese Mammografien überhaupt sinnvoll? Prof. Bleif: Das ist ein schwieriges Thema. Auf den ersten Blick ist die Idee natürlich sehr verführerisch: Wir untersuchen ein Organ, wo sich häufig Krebs entwickelt (jede neunte Frau in Deutschland erkrankt an Brustkrebs), und wir wissen: Früh erkannter Brustkrebs lässt sich besser therapieren und leichter heilen. Die Schattenseite dieses Screenings ist natürlich, dass man dazu viele Untersuchungen bei Hunderttausenden von Frauen durchführen muss und dass keine Untersuchung hundertprozentig verlässlich ist – sprich: Es gibt falsch positive Befunde mit allen psychischen Problemen, die sich für die betroffene Frau daraus ergeben, und natürlich auch mit der Notwendigkeit, den Verdacht zu überprüfen, also eine Biopsie zu machen. Damit setzt man Frauen, die ohne diese Untersuchung glücklich und unbeschwert weitergelebt hätten, einem enormen Druck aus. Und hin und wieder gibt es natürlich auch Intervallkarzino-
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me, die bei den Screening-Untersuchungen nicht entdeckt werden, sodass die Frau dann einige Zeit nach der Mammografie doch an Brustkrebs erkrankt. Eigentlich gibt es nur ein einziges Instrument, um zu bewerten, ob dieses Screening-Programm sinnvoll ist oder nicht: Man muss untersuchen, ob sich die Brustkrebssterblichkeit dadurch senken lässt. Das ist tatsächlich der Fall – allerdings in viel geringerem Maße, als man erwartet hatte. Wahrscheinlich profitiert letztendlich nur jede 1000. Frau davon, dass sie an einem BrustkrebsScreening-Programm teilnimmt. Somit muss eine Frau, die vor der Frage steht, ob sie sich diesem Screening unterziehen soll oder nicht, eine schwierige Abwägung treffen: Soll sie für einen geringen statistischen Überlebensvorteil den Aufwand auf sich nehmen, zur Mammografie gehen und im Fall eines falsch positiven Ergebnisses die unangenehmen Folgeuntersuchungen über sich ergehen lassen? Das ist keine einfache Entscheidung. Und bei Risikopatientinnen, in deren Familie häufig Brustkrebs aufgetreten ist, kann man ja schon zu einem früheren Zeitpunkt Ultraschalluntersuchungen durchführen und MRTs machen. Manche Frauen lassen sich sogar prophylaktisch beide Brüste entfernen. Prof. Bleif: Das ist natürlich eine sehr radikale Maßnahme, die nur bei eindeutiger genetischer Belastung diskutiert werden sollte. Diese liegt nur bei etwa 5 % aller Brustkrebserkrankten vor. Vor einiger Zeit ist ja dieser spektakuläre Fall von Angelina Jolie durch die Medien gegangen, die sich die Brüste abnehmen ließ. Sie ist teilweise auch dafür kritisiert worden – meiner Ansicht nach zu Unrecht.
Prof. Dr. med. Martin Bleif RadioChirurgicum GmbH CyberKnife®Südwest (in den Alb Fils Kliniken) Eichertstr. 3, 73035 Göppingen Tel.: 07161 642205, Fax: 07161 6452205 E-Mail: info@radiochirurgicum.de www.radiochirurgicum.de
Prof. Dr. Martin Bleif ist leitender Arzt an der Klinik für Radioonkologie in den Alb Fils Kliniken in Göppingen, geschäftsführender Gesellschafter des RadioChirurgicums und Autor des Buches „Krebs: Die unsterbliche Krankheit“. Die Grausamkeit und Unerbittlichkeit dieser Erkrankung hat er selbst miterlebt, als er seine Frau Imogen von der Erstdiagnose „Brustkrebs“ bis zu ihrem Tod liebevoll begleitete.
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Denn eine Frau mit so einer genetischen Prädisposition hat ein Lebenszeitrisiko von 60 bis 80 %, an Brustkrebs zu erkranken; und die Brustentfernung ist die einzige Maßnahme, die die Wahrscheinlichkeit, an diesem Krebs zu sterben, mit hundertprozentiger Sicherheit senkt. Insofern ist diese Maßnahme absolut gerechtfertigt. Aber es sollte kein Druck auf die Frauen ausgeübt werden, so etwas zu tun. Es gibt auch Alternativen dazu – etwa verschärfte Früherkennungsmaßnahmen. Die Koloskopie scheint eine Vorsorgemaßnahme zu sein, die tatsächlich sinnvoll ist. Trotzdem wird sie von vielen Menschen nicht angenommen – wahrscheinlich, weil das immer noch ein Tabu ist, oder wegen der Darmreinigung, die heute ja aber gar nicht mehr so unangenehm ist. Prof. Bleif: Von den großen Vorsorgeprogrammen – Brustkrebs, Prostatakrebs, Gebärmutterhalskrebs, Hautkrebs – ist die Koloskopie zur Darmkrebsvorsorge neben der Vorsorge zum Gebärmutterhalskrebs meiner Ansicht nach die unumstrittenste und wirksamste. Diese Untersuchung zahlen die Krankenkassen ja mittlerweile ab dem 55. Lebensjahr, und der mögliche Nutzen im Hinblick auf eine potentielle Senkung der Darmkrebssterblichkeit ist relativ gut dokumentiert. Es ist eigentlich fast die einzige Vorsorgemaßnahme, die den Namen Vorsorge auch tatsächlich verdient; alles andere sind ja Früherkennungsmaßnahmen, die die Erkrankungswahrscheinlichkeit nicht reduzieren, sondern lediglich eine frühzeitigere Diagnose ermöglichen. Darmkrebs entwickelt sich in der Regel schrittweise über gutartige Vorstufen (sog. Adenome oder Polypen), und die werden bei dieser Untersuchung gleich mit entfernt, sodass daraus kein Krebs mehr entstehen kann. Freilich gibt es auch hier das Phänomen der Intervallkarzinome; mittlerweile hat man jedoch herausgefunden, dass das wahrscheinlich biologisch andere Tumore sind, die sich nicht über den normalen Weg zum Darmkrebs entwickeln. Aber solche Ausreißer gibt es immer; das ist kein Argument gegen die Vorsorge. Wie steht es mit dem Gebärmutterhalskrebs? Diese Krebsart kann man durch regelmäßige PAP-Abstriche frühzeitig erkennen und mit einer Impfung sogar verhindern. Prof. Bleif: Auch das würde ich als eine der Erfolgsgeschichten der Screening-Programme ansehen. Früher haben wir viele sehr große Gebärmutterhalskrebstumore gesehen; heute findet man diese Krebsart in Deutschland zum Glück meist im Frühstadium. Die Sterblichkeit an Gebärmutterhalskrebs ist erheblich gesunken, und seit einigen Jahren wird von der ständigen Impfkommission die Impfung gegen Papillomaviren empfohlen, welche die Ursache der allermeisten Gebärmutterhalstumore sind. Allerdings erfassen die Impfstoffe nur 70 bis 80 % des Gesamtspektrums an Papillomavirustypen. Man wird die-
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se Erkrankung also auch mit der gegenwärtigen Impfung nicht komplett ausrotten, die Häufigkeit aber wohl erheblich senken können. Dieser Effekt wird sich erst in 15 bis 20 Jahren zeigen. Und wie sieht es mit der Früherkennung von Prostatakrebs aus? Die Untersuchung der PSA-Werte ist ja sehr umstritten. Prof. Bleif: Das ist wieder ein schwieriges Thema. Zur mangelnden Treffsicherheit des PSA-Tests kommt hier auch noch ein Problem hinzu, das wir bei anderen Früherkennungsprogrammen in dieser krassen Form nicht haben: nämlich das einer möglichen Übertherapie. Wir wissen: Wenn bei Männern jenseits der 70 oder gar 75 ein Prostatakarzinom im Frühstadium diagnostiziert wird, das bestimmte Kriterien erfüllt (niedriger PSA-Wert, geringe Wachstumsrate), dann haben diese Patienten auch unbehandelt eine Lebenserwartung, die sich eigentlich nicht von derjenigen ihrer gesunden Altersgenossen unterscheidet. Nur der Druck und das Wissen, dass ein Krebs vorhanden ist, treibt sie sehr oft zu einer Behandlung – sei es eine Strahlentherapie oder eine operative Prostataentfernung mit allen potenziellen Risiken und Nebenwirkungen. In diesem Fall führt das Screening also nicht nur dazu, dass man viele Menschen unnötig aufregt, sondern dass die Patienten auch übertherapiert werden. Kann man denn irgendwie feststellen, ob es sich um einen aggressiven Tumor handelt oder nur um einen „Haustierkrebs“, mit dem der Patient genauso alt werden kann wie ohne Prostatakarzinom? Prof. Bleif: Letztendlich beruht die Einschätzung des Risikos immer auf drei Kriterien: der Größe und dem Ausbreitungsgrad des Tumors in der Prostata, der Höhe des PSA-Werts bei Diagnosestellung und dem feingeweblichen Typ. Auch da kommt man um eine Biopsie also nicht herum. Die Operation ist nicht ohne Risiken. Wäre es da nicht besser, wenn sich der Patient bei Ihnen unter das CyberKnife legt? Prof. Bleif: So ganz pauschal möchte ich das nicht sagen. Grundsätzlich gibt es beim Prostatakrebs zwei Behandlungsformen, die hohe Heilungschancen bieten – Operation und Strahlentherapie –, und je nach Situation wird man sich eher für die eine oder andere Variante entscheiden. Was die Heilungschancen angeht, sind beide Verfahren äquivalent. Nun gibt es seit einigen Jahren eine spezielle Form der Strahlentherapie, das CyberKnife; und soweit wir sehen, sind die Ergebnisse dieses Verfahrens für speziell ausgewählte Patienten, bei denen der Tumor noch nicht so weit fortgeschritten und auf die Prostata begrenzt ist, ausgezeichnet. Was uns allerdings im Moment noch fehlt, ist eine große Studie, die dieses Verfahren mit der konventionellen Strahlentherapie vergleicht. Im Mo-
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ment ist die CyberKnife-Therapie noch nicht Standard; aber in ausgewählten Fällen halte ich es für vertretbar, Patienten so zu behandeln. Ein Vorteil dabei ist, dass sie nach fünf Tagen mit der Behandlung fertig sind, weil wir mit sehr viel höheren Einzeldosen arbeiten. Außerdem ist die CyberKnife-Radiochirurgie viel präziser als die konventionelle Strahlentherapie, und man kann die Bestrahlung damit auch schonender durchführen, weil der Sicherheitsrand rund um die Prostata, der mitbestrahlt werden muss, kleiner gehalten werden kann. Das geht freilich nur dann, wenn man sich einigermaßen sicher sein kann, dass außerhalb der Prostata keine versteckten Tumorzellen sitzen; und das wissen wir im Moment am ehesten für die sogenannten Low-risk- oder Intermediate-risk-Tumore, die noch kein so aggressives Verhalten zeigen. Aber dann bietet die Therapie durch das CyberKnife doch auf jeden Fall wesentliche Vorteile gegenüber anderen, älteren Bestrahlungsmethoden? Prof. Bleif: Die Vorteile scheinen auf der Hand zu liegen; aber die endgültige Antwort kann nur aus der Klinik kommen. Das heißt, nur wenn wir genügend Prostatakrebspatienten behandelt und lange genug nachbeobachtet haben, können wir sagen, dass die CyberKnife-Radiochirurgie der konventionellen Strahlentherapie gleichwertig oder sogar überlegen ist. Momentan scheinen die Behandlungsergebnisse in diese Richtung zu weisen. Es gibt ja auch Krebsarten, für die keine Früherkennungsmaßnahmen zur Verfügung stehen, beispielsweise Bauchspeicheldrüsen- oder Lungenkrebs … Prof. Bleif: Richtig. Beim Lungenkrebs konnte bisher noch nicht gezeigt werden, dass sich die Sterblichkeit senken lässt, indem man unselektiert alle potenziellen Patienten unters CT legt; dabei bekommt man auch viele falsch-positive Befunde. Möglicherweise wäre eine intelligente
Eingrenzung auf bestimmte Risikogruppen die Lösung; aber zurzeit gibt es da noch kein wirklich etabliertes Konzept. Eignen Lungenmetastasen sich auch für eine Behandlung mit dem CyberKnife? Prof. Bleif: Man kann es ganz allgemein so formulieren: Eine CyberKnife-Radiochirurgie sollte immer dann erwogen werden, wenn ein Tumor in irgendeiner Form von bildgebenden Verfahren klar erkennbar ist und wir der Meinung sind, dass der Patient davon profitiert, wenn wir diesen Tumor durch Bestrahlung entfernen. Bei vielen Primärtumoren wie beispielsweise Brust- oder Darmkrebs ist eine Operation die Therapie der Wahl. Das CyberKnife kommt immer dann ins Spiel, wenn der Primärtumor – aus welchen Gründen auch immer – inoperabel ist oder wenn die Strahlentherapie eine sinnvolle Alternative zur Operation darstellt, wie etwa beim Prostatakrebs oder bei Patienten mit Lungentumoren, denen die klassische Chirurgie aufgrund ihrer schlechten Lungenfunktion nicht zumutbar ist. Ein wichtiges Einsatzgebiet für das CyberKnife ist die Bestrahlung von Metastasen – wobei es natürlich auch Situationen gibt, in denen die Metastase nur die Spitze eines Eisbergs darstellt und der Patient daher nicht von einer Strahlentherapie profitiert. Aber es gibt auch immer wieder Patienten, bei denen nur ein oder zwei Metastasen in einem oder zwei Organsystemen vorliegen und bei denen man die Chemotherapie vielleicht bereits ausgereizt hat; und in solchen Fällen – etwa, wenn ein Patient Jahre nach der Primärerkrankung ein bis zwei Lungenmetastasen oder eine einzelne Lymphknoten-, Knochen- oder Hirnmetastase entwickelt – ist das CyberKnifeVerfahren natürlich eine sehr elegante Lösung. Gerade im Gehirn ist die Chirurgie ja doch eine sehr eingreifende Maßnahme; lokal begrenzte Hirnmetastasen können wir mit dem CyberKnife bei neun von zehn Patienten wegbekommen.
Zentrum für Integrative Onkologie In einem interdisziplinären Team kombinieren wir die Möglichkeiten der modernen Onkologie mit den Therapieverfahren der anthroposophischen Medizin zu einem individuellen und ganzheitlichen Therapiekonzept.
Diagnostik-, Therapie- und Beratungsangebot u. a.: Diagnostik: Onkologische Diagnostik mit Spiral-CT und MRT Endoskopie Immunlabor Beratung: Interdisziplinäre Tumorkonferenzen Second-Opinion-Zentrum Therapie: Tumorchirurgie Chemotherapie, Immuntherapie, Hormontherapie, Radiotherapie (in Kooperation) Schmerztherapie Lokale- und Ganzkörperhyperthermie, aktive Fiebertherapie Tumorimpfung im Rahmen eines individuellen Heilversuches Individuelle Misteltherapie, anthroposophische Konstitutionsbehandlung Ernährungsmedizin Psychoonkologie, Heileurythmie, Musik-, Kunst- und Farblichttherapie Physiotherapie und äußere Anwendungen Infos über das Sekretariat der Onkologie Fon 0711. 7703-1171
Anthroposophische Medizin: Akut- und Ganzheitsmedizin Im Haberschlai 7 | 70794 Filderstadt - Bonlanden
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Beispielhaftes Netzwerk medizinischer Versorgung im Ostalbkreis: die St. Anna-Virngrund-Klinik Kostenträger und Leistungserbringer, Krankenkasse und Klinik – zwei Welten. Kontrahenten. Die einen zahlen, die anderen fordern. Doch beide Parteien sind in keiner komfortablen wirtschaftlichen Lage: Die Krankenkassen müssen mit dem zur Verfügung stehenden Budget auskommen, ansonsten werden Zusatzbeiträge fällig, welche die Mitglieder vertreiben; die Kliniken stöhnen über ausufernde Kosten und bangen um ihre Zukunft. Thomas Schneider kennt die eine Seite und arbeitet jetzt für die andere.
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Weitere Informationen: www.klinik-ellwangen.de
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homas Schneider war viele Jahre lang in Führungspositionen bei der AOK Baden-Württemberg tätig. Seit kurzem leitet er als Krankenhausdirektor eine Klinik. Schneider hat den Blickwinkel gewechselt: eine hochinteressante Konstellation. Doch das ist noch nicht alles. In der bundesdeutschen Krankenhauslandschaft herrscht trotz treuherziger Versicherungen, man arbeite überall kooperativ zusammen, ein harter Wettbewerb. Die Politik träumt davon, kleine Krankenhäuser wegzurationalisieren und große Zentren zu fördern, weil die angeblich wirtschaftlicher arbeiten könnten. Kleine Krankenhäuser, draußen auf der grünen Wiese, seien zu teuer, würden sich nicht mehr rechnen. Also weg damit, geschlossen, in ein Pflegeheim umgewandelt oder abgerissen und stattdessen einen Supermarkt hochgezogen. An die Patienten wird dabei nicht
gedacht. Thomas Schneider leitet kein großes „Zentrum“. Seine Klinik steht im Ostalbkreis, in Ellwangen. Das ist ländlicher Raum und man erwartet nicht unbedingt, dass da Hochleistungsmedizin erbracht wird. Thomas Schneider muss beweisen, dass ein kleines Haus, 100 km von Stuttgart entfernt, nicht nur eine Berechtigung hat, sondern eine elementare Versorgungsaufgabe für die Menschen in der Region wahrnehmen kann. Man braucht innovative Strategien, um ein solches Krankenhaus unentbehrlich zu machen. Schneider braucht kein Zentrum wie in der Großstadt; er setzt auf Zentrenbildung, eine qualitativ hochwertigen Grund- und Regelversorgung sowie einzelne medizinische Leuchttürme der Versorgung (Zentren), die klug untereinander und mit weiteren Partnern vernetzt sind. Wir unterhielten uns mit dem Geschäftsführer der St. Anna-
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Virngrund-Klinik in Ellwangen, einem modernen und patientenfreundlichen Krankenhaus im ländlichen Raum. Wie fühlen Sie sich, Herr Schneider, nach nun gerade einem Jahr im Amt als Krankenhauschef hier in Ellwangen, der Sie zuvor auf der Krankenkassenseite waren? Thomas Schneider: Ich fühle mich sehr gut, weil ich schon immer ein Mensch war, der seine Aufgabe ernst nimmt und andere Menschen einbindet, der aber auch selbstbewusst Standpunkte vertritt und sich grundsätzlich als Diener der Sache sieht. Keiner hat die „alleinige Wahrheit“, weder der Geschäftsführer eines Krankenhauses noch der einer Krankenkasse. Beide Partner haben unterschiedliche Denkansätze, doch sie dienen der gleichen Sache – den Patienten und Versicherten – und letztendlich kommt es darauf an, sich so zu verständigen, dass der Patient Vorteile daraus zieht. Aus meiner Zeit als AOK-Mitarbeiter weiß ich, dass die AOK in Baden-Württemberg, wie die weiteren Kassen auch, faire Partner sind und sich vom Patientenwohl leiten lassen. Jetzt habe ich die Interessen meiner Klinik zu vertreten. Da muss ich mit den Krankenkassen natürlich auch zusammenarbeiten und mich auf konstruktive und faire Weise auseinandersetzen. Ich bin sicher, dass wir immer gemeinsame Lösungen finden werden, von denen letztendlich der Patient profitiert. Wenn Sie jetzt mit den ehemaligen Kollegen von der AOK verhandeln, dann wissen die ja, dass Sie auch die Denkweise der AOK verinnerlicht haben. Ist das bei den Verhandlungen nicht ein gewisser Vorteil für Sie? Thomas Schneider: Einige meinen, das sei vorteilhaft, andere sehen es eher kritisch. Zum einen wissen die Kassen, dass ich ein fairer und verlässlicher Verhandlungspartner bin, dass ich maßvoll agiere und auch die Probleme der Krankenkassen in meine Überlegungen einfließen lasse. Verhandlungstaktisch muss ich aber meine Positionen sachlich genauso begründen wie alle anderen auch, denn ich bekomme ebenso wenig „geschenkt“ wie andere Klinikgeschäftsführer. Doch ich bin überzeugt davon, dass man mit klaren Fakten und durchdachten Leistungsangeboten überzeugen und einen Mehrwert für Patienten erreichen kann. Die Krankenkassen befördern die ambulante Versorgung, weil sie der Meinung sind, dass die stationäre Behandlung teurer sei. Das würde aber bedeuten, dass die Kliniken weniger zu tun hätten, wenn auch die fachärztliche Versorgung teilweise in den ambulanten Bereich abwandert. Thomas Schneider: Richtig, der Grundsatz ambulant vor stationär galt im Gesundheitswesen schon immer. Er macht oft auch Sinn, aber ich glaube, wir denken immer noch zu sehr in
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einzelnen, separierten Behandlungssektoren: ambulant, hausärztlich-ambulant, fachärztlich-ambulant, dann die Kliniken mit all ihren Facetten. Wir brauchen eine Versorgungskette, in der alle Elemente zielgenau zusammenwirken. Da gibt es keinen Gegensatz mehr zwischen stationär = teuer und ambulant = preiswert. Das perfekte Zusammenspiel der einzelnen Player – stationär und ambulant – ist die Erfolgsgarantie einer ökonomischen und medizinisch optimalen Versorgung. Ein solches Zusammenwirken muss man aktiv gestalten, mit überzeugenden Absprachen, denn wenn das alles nebeneinander herläuft, ist nichts gewonnen. Dazu bedarf es klarer Strukturen und regionaler sowie überregionaler Netzwerke zwischen den Leistungsanbietern. Nun leiten Sie ein relativ kleines Krankenhaus draußen in der Region. Kostenträger und Gesundheitspolitiker möchten die Krankenhauslandschaft ausdünnen, damit es am Ende womöglich nur noch wenige große Zentren gibt. Sie müssen für dezentrale Klinikstandorte werben, denn einen solchen Standort haben Sie ja zu verteidigen. Sind kleine Krankenhäuser unter den wirtschaftlichen Zwängen noch sinnvoll? Thomas Schneider: Und ob! Wir brauchen in Deutschland keine vermehrte Zentrumsbildung, sondern eine Zentrenbildung! In Großstädten mögen medizinische Zentren sinnvoll sein, wobei auch dort kleinere Häuser mit Spezialangeboten das Spektrum des jeweiligen Großklinikums sinnvoll ergänzen. Aus Erfahrung wissen wir aber, dass große Zentren nicht unbedingt wirtschaftlicher arbeiten und leichter zu steuern sind – und vor allem den Patienten selten die für kranke Menschen wichtige Geborgenheit und menschliche Zuwendung bieten. Wir müssen uns in den Regionen mit unseren medizinischen Angeboten am Patientenbedarf orientieren und uns spezialisieren. Zentrenbildung in der Region garantiert eine vollumfängliche Versorgung. Verzichten wir darauf und schließen wir die kleineren Häuser, dann werden in der Fläche die Strukturen der Gesundheitsversorgung im Ganzen zerstört. Ambulante und stationäre Leistungserbringer arbeiten zusammen wie ein Organismus. Jeder braucht den Anderen, damit das System funktioniert. Dann müssen diese oft weite Wege in Kauf nehmen, um sich in den wenigen Zentren ihre Behandlung zu holen. Für ältere Menschen ist das eine Katastrophe, denn denen fehlt die notwendige Mobilität, und unsere Gesellschaft wird immer älter! Damit nehmen chronische Erkrankungen und multimorbide Patienten zu. Effiziente Versorgung kann hier nur ein regionales Versorgungsnetzwerk bieten. Das bedenken die Verteidiger der Zentrumsbildung nicht. Kliniken einfach zu schließen, weil sie auf dem Land angesiedelt sind, das ist also keine Option?
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Thomas Schneider Krankenhausdirektor St. Anna-Virngrund-Klinik Dalkinger Str. 8–12 73479 Ellwangen E-Mail: thomas.schneider @klinik-ellwangen.de www.klinik-ellwangen.de
Thomas Schneider: Wenn wir hier eine Klinik schließen, was passiert dann? Wir bekommen ein Versorgungsleck mit Folgen, an die zuerst kaum einer denkt. Nicht nur, dass die Klinik dann nicht mehr zur Verfügung steht – da passiert noch viel mehr, ein Dominoeffekt würde einsetzen mit unerwünschten Folgen. Die Ärzte in den Praxen sagen dann: Wenn ich keine Klinik mehr in der Nähe habe, keine Urologie, keine Chirurgie, keine Orthopädie, keine Innere Medizin, einfach gar nichts mehr – ja, warum soll ich mich dann in dieser Gegend niederlassen? Da gehe ich doch lieber gleich nach Stuttgart oder Ulm oder woanders hin, wo es noch Kliniken gibt, in die ich meine Patienten wohnortnah einweisen kann. Wenn wir unser Haus schließen würden, wo sollten die Hausärzte, die Fachärzte ihre Patienten dann hinschicken? Dann gäbe es keine Ambulanz der inneren Abteilung, keine Unfallambulanz mehr – das wäre alles weg. Wo sollen die Leute mit akuten Gesundheitsproblemen nachts oder am Wochenende hin? Die ambulante Notfallpraxis wird auch in den Räumen der Klinik durch niedergelassene Ärzte erbracht. Wenn dieses Szenario eintritt, dann geht das ganze System unserer bislang noch sehr guten Gesundheitsversorgung kaputt. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, plädieren Sie nicht für die Schaffung von medizinischen Zentren, was sich nach großen Krankenhäusern anhört, die sämtliche Therapiemöglichkeiten anbieten. Sie setzen sich für die Bildung mehrerer medizinischer Player ein, also für die Verknüpfung einzelner Spezialanbieter mit Kliniken der Regelversorgung. Thomas Schneider: Das ist korrekt. Ein Beispiel: Wir haben einen nicht-invasiv arbeitenden Kardiologen. Wir halten kein Herzkatheterlabor vor. Das machen die mit uns vernetzten Kollegen in Aalen und Mutlangen. Für die Rettungswagen ist es gleichgültig, ob sie einen Infarktpatienten nach Aalen oder zu uns nach Ellwangen fahren. Es hätte keinen Sinn, wenn jedes
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Haus ein eigenes Herzkatheterlabor vorhielte. Das wäre unwirtschaftlich. Man muss als Klinik nicht alles haben, doch das, was man hat, muss exzellent aufgestellt sein. Wir haben beispielsweise keine Neurochirurgie. Aalen hat als einziges Haus in unserer Region eine Neurochirurgie. Wir haben auch keine Kinder- und Jugendmedizin. Das bieten Aalen und Mutlangen an. Zu unseren Versorgungsschwerpunkten für den Ostalbkreis gehört ein leistungsfähiges Zentrum für Urologie. Wir unterhalten ein Zentrum für Kinder- und Jugendpsychiatrie mit stationären, tagesklinischen und InstitutsambulanzAngeboten. Die Erwachsenenpsychiatrie gestalten wir in enger Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Psychiatrie Klinikum Schloß Winnenden. Eine professionelle Schmerztherapie ist heute vielerorts noch ein Novum. Deshalb haben wir seit Januar 2013 an unsere Anästhesie und Intensivmedizin eine Abteilung für die stationäre Schmerztherapie angegliedert; dazu gehört auch eine ambulante Schmerzpraxis. Dieses Angebot gilt in der Region Ostwürttemberg als modellhaft. Wir sind, um unser Netzwerk weiter darzustellen, Mitglied im Verbund des Onkologischen Schwerpunkts Ostwürttemberg; in unserem 2011 gegründeten Zentrum für kolorektale Chirurgie behandeln wir mit hoher Expertise Patienten mit gut- und bösartigen Tumoren am Mast- und Dickdarm. Unsere Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie ist in ein eng kooperierendes Netzwerk eingebunden mit unserem Chefarzt „Bei einer älter werdenden Dr. Reinhold und der ArBevölkerung gibt es mehr thros Klinik Neu-Ulm, chronisch kranke Menschen. deren drei Chefs bei Diesen Versorgungsbedarf uns operieren, und eimüssen wir den in der Region ner Facharztpraxis für abdecken.“ Orthopädie Dres. Hauf, die lange in München praktiziert haben, – alles in allem ein sehr innovatives Modell mit einer tollen Qualität. Vor Ort können wir auf die Angebote unseres Arzt- und Therapiezentrums zurückgreifen: Dazu gehören eine Dialysegemeinschaftspraxis, Praxen für Intensivpflege, Logopädie und Ergotherapie. Unser Netzwerk, das sich aus vielen Kooperationen mit stationären und ambulanten Leistungsanbietern unserer Region zusammenfügt, hat den unschätzbaren Vorteil, dass wir unseren Patienten stets die bestmögliche Behandlung anbieten können. Die Gesundheitspolitik präferiert große Zentren auch wegen der Qualität, die an Mindestmengen bestimmter Eingriffe gebunden sein soll. Wie erreichen Sie solche Eingriffszahlen, wenn Sie mit einzelnen kleineren Kliniken und Arztverbünden kooperieren?
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Thomas Schneider: Wir sind für Qualität und stellen uns der Debatte; doch Qualität muss auch beim Patienten ankommen. Qualität auf dem Papier nützt niemandem. Es muss eine Qualität sein, die im Behandlungsergebnis und für den Patienten spürbar ist. Man sollte die Debatte um die Mindestmenge nicht überstrapazieren. Wenn die Eingriffszahlen um ihrer selbst willen hochschnellen, dann bezweifle ich, ob dabei unbedingt noch Qualität im Spiel ist. Wenn in einer großen Klinik von einem Assistenzarzt operiert wird, damit man die Zahlen erreicht, ist damit nicht mehr Qualität gewährleistet. Bei uns operieren Chef- und Oberärzte sowie Spezialisten von auswärts (Kooperationspartner). Da nehme ich für uns schon in Anspruch, dass wir z. B. mit unserem „endoprothetischen Zentrum“ und dessen Partnern eine exzellente Leistung bieten.
Das hört sich fast so an, als würden Sie keine Klinik betreiben, sondern ein Hotel? Thomas Schneider: Wir sind kein Hotel, auch wenn wir den Patienten eine Tageszeitung und Fernsehen in den Zimmern anbieten. Sehen Sie: Wer geht schon gerne ins Krankenhaus? Keiner! Doch wenn das nun einmal sein muss, wollen wir den Patienten ein wenig ihre Ängste nehmen, damit sie sich ein Stück weit zu Hause fühlen können. Der Elan, die menschliche Wärme, das spürbare Interesse der Ärzte und Pflegenden an unseren Patienten, das hilft ihnen über manches hinweg und macht die Behandlung erträglicher. Unsere Patienten sollen sich hier geborgen und sicher fühlen. Sie sollen nicht den Druck spüren, der durch den rasanten Reformprozess unseres Gesundheitswesens zwischen Sparzwängen und Qualitätsforderungen auf den Kliniken lastet. Auch in dieser Hinsicht sind wir wirklich sehr gut aufgestellt. Und letztlich sind Patienten in ihrer Entscheidung frei und wählen sich ihre Klinik aktiv aus.
Oft wird beklagt, dass das Klima in vielen Krankenhäusern kalt und seelenlos sei. Patienten fühlen sich allein gelassen, überflüssig, missverstanden, ignoriert. Wer krank ist, braucht außer Medikamenten und Operationen Zuwendung. Es ist beachtlich, wie Sie das hinkriegen. Doch auch Ihr Zugegebenermaßen ist dies schwierig in einer Zeit, in Haus in Ellwangen steht unter finanziellem Druck und dem der Kostendämpfung durch Personalreduktion, insbeZwang, ständig vorauszuschauen, neue Allianzen zu sondere in der Pflege, realisiert wird. Wie sehen Sie das? schmieden, auf die Forderungen des – drücken wir es einThomas Schneider: Sicherlich nimmt der Fimal mit einem nanzierungsdruck auf Kliniken weiter zu. Für merkantilen „Wir haben hier im Ostalbkreis drei Kliniken. Wir das Modellkrankenhaus im ländlichen Raum Begriff aus – brauchen ein vollumfängliches Leistungsangebot spricht die Wohlfühlatmosphäre. Ein KrankenMarktes zu reamit hervorragenden Experten, wir brauchen aber haus ist auch eine Marke, und somit hat es ein gieren und danicht alle Ressorts dreimal.“ Image und gewisse Identifikationsmerkmale. bei auch die Wohlfühlatmosphäre: Das spürt man sofort, Sympathie der wenn man unser Haus betritt. Hier „riecht“ es nicht nach KranPatienten nicht aus den Augen zu verlieren. Viele Krankenkenhaus. Wir versuchen, eine achtsame Stimmung und indivihäuser haben ernste Probleme mit ihren Trägern. Wie ist das duelle Betreuung zu organisieren. Hier schauen die Mitarbeiter bei Ihnen? nicht zur Seite, wenn man an ihnen vorbeiläuft. Sie strahlen Thomas Schneider: Unser „Modellkrankenhaus im ländlichen den Besucher an, grüßen ihn, auch wenn sie ihn nicht persönRaum“ braucht einen starken Träger. Und wir sind sehr dankbar lich kennen. Menschlicher Kontakt zählt bei uns. Zuerst geht es dafür, dass wir auf unseren Träger, auf den Ostalbkreis und an bei uns um den Menschen. Wir nehmen ihn als Individuum seiner Spitze auf Landrat Klaus Pavel bauen können, der als Viernst. Wir sind dazu da, uns um ihn aktiv zu kümmern. Das sionär und Gestalter genau weiß, welche Versorgungsstruktur Haus hier ist zwar weitläufig, doch es ist keine nüchterne Bedie Region braucht, um die Bürger mit hoher Qualität und tonarchitektur mit Krankenzimmern und Funktionsräumen. Das Menschlichkeit medizinisch bestens zu versorgen, und dies Ambiente folgt einem ansprechenden Konzept: lichtdurchfluteauch morgen noch. So hat der Landkreis bereits vor Jahren zur te Räume, angenehme Farben, modern ausgestattete Zimmer. rechten Zeit in die drei Klinikstandorte investiert. Vor jeder Station liegen große, helle Besucherzimmer. Eine Heute würde das alles sehr viel mehr kosten. So wurde vorGroßfamilie auf Besuch kann mit dem Patienten das Krankenausgedacht und wir sind wettbewerbsfähig aufgestellt. Das ist zimmer verlassen und dort ein wenig Privatatmosphäre erleleider nicht immer so, da ja auch die Länder sich nicht leicht ben. Dazu eine wunderschöne Cafeteria, wo man auch auf der tun den Investitionsstau der Kliniken aufzulösen. Terrasse sitzen und die Sonne genießen kann. Wir betreiben Der Ostalbkreis nimmt die politischen Anforderungen an die eine eigene Küche mit täglich vier Speiseangeboten zur AusKliniken an und schafft die erforderlichen Rahmenbedingunwahl, denn wir wissen, dass auch das Essen für unsere Patiengen für eine erfolgreiche Arbeit. Das möchte ich zum Abten ein wichtiger Aspekt in ihrem Krankenhausalltag darstellt. schluss unseres Gesprächs ganz dick unterstreichen.
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Erster Meilenstein im Kampf gegen die Flussblindheit
MSD Sharp & Dohme engagiert sich für Menschen in der Dritten Welt Schon lange wissen die Menschen in dem Dorf, dass der Fluss „die Augen kaputtmacht“ – denn in den Nachbardörfern, die nicht an Fließgewässern liegen, kommt diese rätselhafte Krankheit nicht vor. Viele junge Dorfbewohner haben deshalb schon ihre Sachen gepackt und sind weggezogen, weil sie nicht das gleiche Schicksal erleiden möchten wie ihre Eltern. Immer mehr Felder liegen brach, denn die Blinden können das Ackerland nicht bewirtschaften. Bis eines Tages Mitarbeiter einer Hilfsorganisation ins Dorf kommen und kleine weiße Tabletten verteilen. Drei Pillen pro Jahr genügen, sagen sie, um die Krankheit in den Griff zu bekommen. Zunächst sind die Dorfbewohner skeptisch; doch wenn man verzweifelt ist, klammert man sich an jeden Hoffnungsschimmer. Sie schlucken die Tabletten, und tatsächlich: Schon nach kurzer Zeit hört der quälende Juckreiz auf. Die Geschwüre bilden sich zurück; und die Menschen erblinden auch nicht mehr. Nach und nach spricht sich die Geschichte von den „WunderheiAnne Greveling und Dr. Roxanne Dossak lungen“ in dem afrikanischen Dorf herum, und viele jüngere Leute, die vor der unheimlichen Krankheit geflüchtet waren, mmer mehr junge Menschen verlassen das kleine kehren wieder in ihr Heimatdorf zurück und beginDorf am Ufer des Niger, obwohl ihre Eltern und nen die verwaisten Felder zu bestellen. Großeltern schon seit vielen Generationen dort Ein Wurm entvölkert ganze Landstriche wohnen und ihre Felder bewirtschaften. Eine unFlüsse sind die Lebensadern der ländlichen tropiheimliche Krankheit, der die Erwachsenen reihenschen Regionen. In den Uferregionen gedeihen weise zum Opfer fallen, macht ihnen Angst: Erst Obst und Getreide in Hülle und Fülle, sodass man bilden sich juckende Geschwüre am ganzen Körkeine Angst vor Hungersnöten zu haben braucht. per. Dann lässt das Sehvermögen nach, bis die Das Flusswasser ist aus dem Alltag der Menschen Menschen schließlich völlig erblinden. Apathisch dort nicht wegzudenken: Es dient als Trinkwasser, sitzen sie vor ihren Häusern, kratzen sich und werzur Körperhygiene, zum Waschen der Kleidung und den wegen ihrer entstellenden Wunden von den zur Bewässerung der Felder und Gärten. übrigen Dorfbewohnern gemieden.
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Aber der Fluss birgt auch Gefahren. Und dort lauern keineswegs nur Krokodile. Viel gefährlicher sind Parasitenerkrankungen wie die gefürchtete Flussblindheit: Die Krankheit entsteht durch Fadenwürmer, die von Kriebelmücken übertragen werden. Diese kleinen schwarzen Quälgeister gibt es zwar auch bei uns; nur verbreiten sie da zum Glück keine gefährlichen Erkrankungen. Wenn eine solche Mücke einen mit Flussblindheit infizierten Menschen sticht, nimmt sie Wurmlarven aus dessen Haut auf. Diese Larven überträgt die Mücke dann bei ihrer nächsten Blutmahlzeit auf einen anderen Menschen. So verbreitet sich die Krankheit ziemlich rasch, denn vor den Angriffen der blutsaugenden Insekten, die in der Nähe von Fließgewässern in Scharen vorkommen, kann man sich kaum retten. Die Larven wachsen innerhalb von sechs bis zwölf Monaten zu erwachsenen Würmern heran und entfalten im Körper ihres Wirts ein reges Familienleben: Die Weibchen haben bis dahin eine stattliche Größe von 30 bis 80 Zentimetern erreicht und leben knäuelartig aufgewunden in Knoten unter der Haut ihres Opfers. Die wesentlich kleineren Männchen wandern von Knoten zu Knoten, um die Weibchen zu befruchten. Von den Hunderten von Wurmlarven, die die Weibchen daraufhin tagtäglich freisetzen, geht die größte Gefahr aus: Denn die wandern mit der Zeit in andere Hautpartien, unter anderem auch in die Hornhaut der Augen. Sehbeeinträchtigungen bis hin zur Erblindung sind die Folge. Die Flussblindheit (Onchozerkose) kommt weltweit in 36 Ländern vor. Am schlimmsten ist das tropische Afrika südlich der Sahara betroffen: Laut Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) haben in manchen afrikanischen Ländern rund 50 % aller Männer über 40 Jahren durch Flussblindheit ihr Augenlicht verloren. Neben dem unsäglichen menschlichen Leid, das diese Krankheit mit sich bringt, hat sie auch gravierende soziale und wirtschaftliche Konsequenzen: Wenn die Rate der Erblindeten die 10 %-Marke erreicht, hat so ein Dorf wirtschaftlich kaum mehr eine Überlebenschance. Daher verlassen viele jüngere Menschen die Dörfer in den fruchtbaren Flusstälern und lassen sich woanders nieder. Zurück bleiben „Geisterdörfer“, in denen nur noch blinde Menschen mit juckenden Hautgeschwüren vor sich hinvegetieren.
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Eine Pharmafirma sagt der Flussblindheit den Kampf an Auch in Süd- und Mittelamerika kommt diese verheerende Erkrankung vor, wenn auch nicht ganz so häufig wie in den afrikanischen Ländern. WHOSchätzungen zufolge sind weltweit zirka 18 Millionen Menschen mit den gefährlichen Fadenwürmern infiziert; 800 000 davon haben eine Sehbehinderung; rund 270 000 Patienten sind bereits erblindet. Aber es gibt Hoffnung: Denn vor rund 25 Jahren sagte eine große Pharmafirma – MSD Sharp & Dohme – der Flussblindheit den Kampf an. Sie entwickelte das Mittel Ivermectin (Mectizan), das die Parasiten lähmt, sodass sie nicht mehr durch den Körper ihres Wirts wandern können und schließlich absterben. Mit nur einer einzigen jährlichen Dosis von drei Tabletten kann man den quälenden Juckreiz lindern und den langsamen Prozess der Erblindung stoppen. MSD hat sich verpflichtet, das Medikament Mectizan so lange und in so großer Menge kostenlos an alle Menschen abzugeben, die es benötigen, bis die Flussblindheit weltweit ausgerottet ist. Dieses Ziel könnte laut Einschätzung der WHO bereits im Jahr 2020 verwirklicht werden. Ein bedeutendes Etappenziel hat das Projekt bereits erreicht: In Kolumbien konnte die Flussblindheit als erstem Land Lateinamerikas ausgerottet werden. „Wir sind stolz auf die großartige Arbeit des Mectizan Spendenprogramms und seiner Partner. Es schützt zukünftige Generationen von Kolumbianern vor einer Krankheit, die verheerende Auswirkungen auf Menschen, Familien, Gesundheits- und lokale Wirtschaftssysteme hat“, sagt Kenneth C. Frazier, CEO von Merck & Co., Inc., dem Mutterkonzern von MSD Sharp & Dohme. Das Programm erreicht mittlerweile jedes Jahr 110 Millionen Menschen und wächst immer weiter. Alljährlich können auf diese Weise 40 000 Fälle von Blindheit verhindert und über 24 Millionen Hektar ehemals verwaisten Landes wieder genutzt werden. Das Mectizan Spendenprogramm setzt vielschichtige Behandlungsmaßnahmen um, die weit über die bloße Medikamentenausgabe hinausreichen. So werden über das Programm beispielsweise auch Augenbehandlungen angeboten und andere parasitäre Erkrankungen behandelt. Dabei
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werden freiwillige Mitarbeiter in den Gemeinden durch Trainings geschult. Seit 1998 hat das Spendenprogramm seine Arbeit auf die in Afrika häufig zusammen mit der Flussblindheit auftretende Elephantiasis ausgeweitet. Diese Krankheit entsteht ebenfalls durch Würmer, die durch Mückenstiche übertragen werden, und hat ähnlich verheerende Folgen: Denn die Würmer breiten sich im Lymphsystem aus und führen dort zu Entzündungsreaktionen und Lymphstauungen. Genitalien und Gliedmaßen schwellen schmerzhaft an, bis die Füße und Beine der betroffenen Patienten tatsächlich wie Elefantenbeine aussehen – daher der Name „Elephantiasis“. Diese Krankheit ist die Hauptursache für Invalidität in den Ländern, in denen sie vorkommt. Auch hier hilft MSD durch Abgabe von Mectizan, das der Entstehung einer Elephantiasis vorbeugt. Ziel des Unternehmens ist es, auch diese Krankheit bis spätestens 2025 auszurotten.
Irgendwie scheint es seit einiger Zeit große Mode zu sein, die Pharmaindustrie zu verteufeln. „Die fahren satte Gewinne ein und vergiften uns mit ihren Chemikalien“ – so das pauschale Vorurteil vieler Pharma-Gegner und vielleicht auch ein Grund dafür, dass alljährlich lebenswichtige Medikamente im Wert von Milliarden Euro auf dem Müll landen. Nur seltsam, dass kaum jemand über die Zigarettenindustrie oder über Hersteller hochprozentiger Spirituosen herzieht ... Aber ob der überzeugte Kettenraucher („Ich rauche gern!“), der seine vom Arzt verschriebenen Herz-Kreislauf-Medikamente schon seit Jahren nicht mehr einnimmt, weil er „auf die Selbstheilungskräfte seines Körpers vertraut“, mit seiner Philosophie wohl langfristig Erfolg haben wird? „Was – 25 Euro für die paar Tabletten?“, fragen viele Patienten sich, wenn sie ihr Rezept beim Apotheker einlösen und sich dabei wieder einmal über die obligatorische Zuzahlung von 10 % des Verkaufspreises ärgern. Ohne soziales Engagement geht es nicht Doch dass Medikamente ihren Preis haben, wird verständMit Medikamenten zur Behandlung von Tropenkrankheiten lich, wenn man sich vor Augen hält, wie viele Millionen Dollar lässt sich kein Geld verdienen. Denn die Menschen in diesen ein Pharmaunternehmen für die Entwicklung und Vermarktung Ländern sind zu arm, um sich solche Arzneimittel leisten zu eines neuen Arzneimittels ausgeben muss. Denn wenn nach können; und dass Urlauber den Wurm, der die Flussblindheit langjähriger Forschungsarbeit endlich eine vielversprechende hervorruft, aus tropischen Regionen mit nach Hause bringen, neue Substanz gegen eine Krankheit entdeckt wurde, fängt die kommt eher selten vor. Arbeit erst richtig an: Dann muss das Unternehmen im RahDoch die Pharmaindustrie darf nicht nur Medikamente hermen groß angelegter Studien nachweisen, dass das neue stellen und auf den Markt bringen, die einen satten Gewinn verMittel auch tatsächlich wirksam ist und die damit verbundenen sprechen. Was würde sonst aus all den Menschen werden, die Risiken und Nebenwirkungen sich in vertretbaren Grenzen halan seltenen Erkrankungen leiden? Oder die in Entwicklungsten. Hält die neue Substanz nicht, was sie verspricht, so hat die ländern leben und kein Geld für Medikamente haben? Hier ist Pharmafirma Milliarden Dollar in den Sand gesetzt. Doch soziales Engagement gefragt. Als großes, weltweit tätiges selbst wenn es gelingt, ein vielversprechendes neues ArzneiPharmaunternehmen ist MSD Sharp & Dohme sich seiner sozimittel auf den Markt zu bringen, läuft der Patentschutz für diealen Verantwortung bewusst und scheut weder Kosten noch ses Mittel schon nach 20 Jahren wieder aus. Dann dürfen anMühe, um den Ärmsten der Armen zu einem menschenwürdidere Unternehmen Nachahmerpräparate – sogenannte Genegeren Leben zu verhelfen. rika – auf den Markt bringen, die sie natürlich sehr viel billiger abgeben können, da sie kein Geld für die Erforschung und Entwicklung des Mittels investieren MSD gehört zu Merck & Co., Inc. mit Sitz in Whitehouse Station, N.J. mussten. Spätestens dann ist für die Pharmafirma (USA), einem weltweit führenden Gesundheitsunternehmen. Mit seimit ihrem mühsam entwickelten Originalpräparat nen verschreibungspflichtigen Arzneimitteln, Impfstoffen, Biologika, nicht mehr viel Geld zu verdienen. Präparaten zur Selbstmedikation und für die Tiergesundheit bietet Und nicht zuletzt finanzieren Pharmaunternehmen MSD in mehr als 140 Ländern umfassende und innovative Lösungen mit den Gewinnen, die ihre Medikamente ihnen brinfür die Gesundheit. Besondere Anliegen von MSD sind darüber hinaus gen, auch ihr soziales Engagement mit – zum Beidie Verbesserung der weltweiten Gesundheitsversorgung und ein verspiel die Entwicklung von „Orphan Drugs“ gegen besserter Zugang zu Medikamenten. Dafür engagiert sich MSD in seltene Erkrankungen oder groß angelegte Spenweitreichenden Gesundheitsprogrammen und Partnerschaften. In denprogramme wie den Kampf gegen Flussblindheit Deutschland hat die Unternehmensgruppe ihren Sitz in Haar bei Münund Elephantiasis, die den Bewohnern der Dritten chen. MSD ist erreichbar unter Tel.: 0800 673 673 673; Welt ein menschenwürdigeres Leben ermöglichen. E-Mail: infocenter@msd.de Internet: www.msd.de, www.univadis.de
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Wir begleiten Schwerkranke und Sterbende
Kompass Gesundheit
Grundsätze der Sterbebegleitung im Pflegestift Esslingen-Kennenburg
Abonnement
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ir ermöglichen Sterbenden bis zuletzt ein menschenwürdiges Leben in Gemeinschaft. Deshalb setzen wir uns für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit von Pflegenden, Ärzten, Angehörigen, Hospizdienst und Seelsorge ein. Wir streben eine optimale Betreuung zur Verbesserung der begrenzten Lebenszeit an. Therapeutische Maßnahmen sollen daran gemessen werden, welche Lebensqualität durch sie erreichbar wird. Wir versuchen, die Selbstbestimmung des Sterbenden so lange wie möglich aufrechtzuerhalten, indem wir seine Eigenarten achten, Wünsche akzeptieren und auf seine Körpersprache eingehen. Ängste nehmen wir ernst und versuchen sie zu verringern, indem wir dem Sterbenden Geborgenheit vermitteln und für eine gute Schmerztherapie sorgen. Unsere Mitarbeitenden unterstützen den Kontakt zwischen Angehörigen und dem Sterbenden. Sie nehmen sich Zeit für das Gespräch mit den Angehörigen und ermutigen sie, bei dem Sterbenden zu bleiben. Wir gestalten den Raum angenehm und sorgen für eine ruhige Atmosphäre. Wir bieten eine seelsorgerliche Begleitung durch die Pfarrerin und seelsorgerlich geschulte Mitarbeitende an. Das Abschiedsritual ist ein letzter Dienst im Heim an dem Verstorbenen. Es ist uns wichtig, dass auch nach dem Tod an einen Verstorbenen gedacht wird - mit einem Windlicht, einem Abschiedstisch, einer Gedenkkarte. Am Ende des Kirchenjahres feiern wir einen Gedenkgottesdienst, zu dem wir die Angehörigen aller Verstorbenen einladen.
Kontakt und Information Pflegestift Kennenburg Heimleitung Sabine Kutschus Tel.: 0711 3905-110 E-Mail: SKutschus@udfm.de
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DAS MAGAZIN FÜR BADEN-WÜRTTEMBERG
Ja, ich möchte „Kompass Gesundheit“ regelmäßig lesen. Bitte senden Sie mir die „Kompass Gesundheit“-Ausgaben nach Erscheinen zu. „Kompass Gesundheit“ erscheint 4-mal jährlich. Ich übernehme die Abo-Kosten in Höhe von 12,- Euro pro Jahr. Ich kann diese Vereinbarung jederzeit widerrufen. Bitte keine Vorauszahlung! Sie erhalten von uns eine Rechnung. Frau / Herr Vorname Nachname Straße und Hausnummer PLZ Ort Tel. E-Mail Datum / Unterschrift Widerrufsrecht: Mir ist bekannt, dass ich die Vereinbarung innerhalb einer Woche bei MEDITEXT DR. ANTONIC (Leser-Service, Postfach 3131, 73751 Ostfildern) widerrufen kann. Die Frist beginnt mit Absendung dieses Formulars. Faxen Sie Ihre Bestellung an 0711 7656590 oder senden Sie diese in einem Briefumschlag an: MEDITEXT DR. ANTONIC Postfach 3131 73751 Ostfildern
Der nächste Kompass Gesundheit erscheint im Juli 2015
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Moderne Schlaganfallintervention
Blutgerinnsel einfach aus der Hirnarterie herausfischen Vier von fünf Schlaganfällen werden durch ein Blutgerinnsel in einer Hirnarterie ausgelöst. Die traditionelle Behandlung solcher Schlaganfälle besteht darin, diesen Thrombus durch Infusion eines Enzyms – die sogenannte Lysebehandlung – wieder aufzulösen. Durchgeführt wird diese Lyse jedoch nur bei rund 10 % aller Schlaganfallpatienten in Deutschland, vor allem deshalb, weil nur 30 bis 40 % der Patienten rechtzeitig in die Klinik kommen. Denn die Lysetherapie wirkt nur innerhalb eines Zeitfensters von viereinhalb Stunden. Kommt der Patient später, so ist sie nicht mehr möglich.
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nzwischen gibt es ein neues Verfahren für die Behandlung von Schlaganfallpatienten, das bisher allerdings erst wenige Kliniken durchführen: Mithilfe eines über die Leistenarterie und Halsschlagader in das betroffene Hirngefäß eingeführten Katheters wird das Blutgerinnsel einfach aus der Arterie herausgezogen. Dazu schiebt der Arzt den Katheter durch das Gerinnsel hindurch und führt dann ein dünnes Drahtgeflecht (Stent-Retriever) in das Blutgefäß ein, das sich über dem Thrombus entfaltet, sodass er jetzt praktisch „eingefangen“ ist. Anschließend wird das Gerinnsel samt Stent aus der Hirnarterie hinausgezogen: Das Blut kann wieder ungehindert fließen und das Gehirn mit lebenswichtigem Sauerstoff versorgen. Zu den wenigen Krankenhäusern, die dieses innovative Verfahren namens Thrombektomie bisher anbieten, gehört das Klinikum Christophsbad in Göppingen. Wir sprachen mit Prof. Bernd Tomandl, der die Klinik für Radiologie und Neuroradiologie im Christophsbad leitet. Mit diesem Verfahren bieten Sie Ihren Patienten enorme Vorteile, weil das Zeitfenster größer ist als bei der Lyse. Wie viele Schlaganfallpatienten behandeln Sie pro Jahr? Prof. Tomandl: Mittlerweile werden Patienten mit akutem Schlaganfall meist schon direkt zu uns gebracht. Das ist sinnvoll, weil wir hochspezialisiert sind: Bei uns steht rund um die Uhr ein Team für die sofortige Schlaganfalltherapie zur Verfügung, und wir können auch immer gleich eine Kernspintomografie durchführen. Wir behandeln hier im Haus etwa 800 Schlaganfälle im Jahr; davon kommen 400 innerhalb des LyseZeitfensters zu uns. Unser Einzugsgebiet ist überwiegend der Landkreis Göppingen. Und wie gehen Sie in solchen Fällen technisch vor? Prof. Tomandl: Wenn ein Patient mit dem Notarzt oder Rettungsdienst zu uns kommt, führen wir erst mal die übliche Diagnostik durch; im Allgemeinen ist das eine Kernspintomografie
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oder ein komplexes CT mit Gefäßdarstellung. Aufgrund dieser Bilder können wir die Gefäßsituation ziemlich genau beurteilen und sehen, was beschädigt ist und ob man noch etwas retten kann. Bei Verschlüssen großer Hirngefäße sprechen neueste Studien dafür, dass man eine Thrombektomie durchführen sollte. Das bedeutet nicht, dass man deshalb auf die intravenöse Lyse verzichtet: Man leitet die Lysetherapie ein und bringt den Patienten dann frühzeitig in den Angiografieraum, wo die Anästhesisten ihn intubieren. (Wir führen die Thrombektomie meistens in Narkose durch, weil das für die Patienten angenehmer ist.) Dann wird der Führungskatheter mit dem Stent-Retriever, der für das Einfangen und Herausziehen des Blutgerinnsels zuständig ist, über die Leistenarterie und die Halsschlagader bis in das verstopfte Hirngefäß vorgeschoben – ähnlich wie bei einer Herzinfarkt-Intervention im Herzkatheterlabor. Wie wirksam ist dieses Verfahren im Vergleich zur Lyse? Prof. Tomandl: In einer neuen Studie namens „Mr. Clean“ erhielten Patienten mit großen Hirnarterienverschlüssen entweder nur eine intravenöse Lyse oder zusätzlich auch noch eine Behandlung mit dem Stent-Retriever. In dieser Studie erreichte man bei denjenigen Patienten, die mit beidem (Lyse plus StentRetriever) behandelt wurden, doppelt so häufig positive Ergebnisse wie bei Patienten, die nur die Lysetherapie erhielten. Wie wird die Entwicklung in der Schlaganfalltherapie Ihrer Einschätzung nach weitergehen? Prof. Tomandl: Wenn sich die aus der Mr. Clean-Studie gewonnenen Erkenntnisse bestätigen (und dafür sprechen die Ergebnisse von drei weiteren Studien die Anfang 2015 veröffentlicht wurden), dann ist in der Behandlung von Schlaganfällen wohl mit einer ähnlichen Entwicklung zu rechnen wie bei der interventionellen Herzinfarkttherapie im Herzkatheterlabor: Dann müsste eigentlich bald jede Stroke Unit die Schlaganfalltherapie mit dem Stent-Retriever durchführen können. Allerdings ist
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das gar nicht so einfach: Die hirnversorgenden Gefäße sind ein schwieriges Territorium, wo man vieles falsch machen kann. In einem Gehirngefäß kann schon eine Luftblase einen Infarkt verursachen. Die Thrombektomie erfordert eine spezielle Technik, die aufwändig zu erlernen ist. Außerdem gibt es bisher leider nicht allzu viele Neuroradiologen, die sie durchführen können. Grundsätzlich ist Deutschland in der Schlaganfalltherapie sehr gut aufgestellt. Es gibt flächendeckend zertifizierte Stroke Units, die zumindest einen Minimal-Therapiestandard anbieten, welcher viel höher ist als in den meisten anderen Länder: All diese Zentren können ein Schädel-CT durchführen und eine Lysetherapie einleiten. Wenn sich aber weiterhin bestätigen sollte, dass die Interventionstherapie in der Behandlung von Schlaganfällen einen Stellenwert hat – v. a. bei großen Verschlüssen, die ja die schlimmsten Behinderungen verursachen –, müsste man jetzt fordern, dass mehr Stroke Units diese neue Therapie anbieten oder zumindest intensiv mit entsprechend ausgestatteten Zentren kooperieren. Bis jetzt gibt es in Deutschland nur rund 100 Kliniken, die diese Behandlung routinemäßig durchführen. Man merkt Ihnen an, dass Sie Arzt aus Leidenschaft sind: Ihnen ist es wichtig, Patienten zu
helfen und das bestmögliche Behandlungsergebnis zu erzielen. Wie sind Sie eigentlich zur Medizin gekommen? Prof. Tomandl: Ich war schon immer naturwissenschaftsbegeistert, und Medizin ist ein flächendeckendes Studium, das alle naturwissenschaftlichen Gebiete abdeckt: Biologie, Physik, Chemie … Deshalb hat die Idee, dieses Fach zu studieren, mich begeistert, auch wenn das Ziel, Arzt zu werden, für mich damals noch gar nicht so sehr im Vordergrund stand. Ich wollte mir mit diesem Studium eine Basis schaffen, um später einen faszinierenden Beruf ausüben zu können. Ich habe in Erlangen studiert und dort auch meine Facharztausbildung gemacht. Angefangen habe ich in der Chirurgie; das war eine sehr interessante Zeit. Dann bekam ich das Angebot, in die Radiologie überzuwechseln. Was hat Sie daran gereizt? Prof. Tomandl: Ich war immer schon technisch interessiert, und die Radiologie ist ein wunderbares Fach, das Medizin und Technik miteinander kombiniert. Ich habe im Fach Neurochirurgie meine Doktorarbeit gemacht und festgestellt, dass alles, was mit dem Kopf zu tun hat, mich besonders fasziniert. Anschließend habe ich mich auf die Neuroradiologie spezialisiert.
Prof. Dr. med. Bernd Tomandl, Chefarzt der Klinik für Radiologie und Neuroradiologie, Klinikum Christophsbad Faurndauer Str. 6–28 73035 Göppingen www.christophsbad.de
Klinik für Radiologie und Neuroradiologie im Klinikum Christophsbad: ein breites Behandlungsspektrum Außer Schlaganfällen werden in der Klinik für Radiologie und Neuroradiologie auch viele andere Krankheitsbilder behandelt. Bei Verengungen der Halsschlagader (Karotis), die das Schlaganfallrisiko erhöhen, zeigen aktuelle Studien inzwischen allerdings, dass eine offene Operation (bei der die Halsschlagader eröffnet und das arteriosklerotische Plaque-Material „herausgeschält“ wird) tendenziell etwas bessere Ergebnisse erbringt als das Einsetzen eines Stents. Das „Carotis-Stenting“ wird im Christophsbad daher nur noch in Einzelfällen durchgeführt. Die Stenttherapie hat u. a. den Nachteil, lebenslang Aspirin einnehmen zu müssen; denn sonst kann das gestentete Gefäß sich wieder verschließen, oder es kann sich ein Blutgerinnsel (Stentthrombose) darin bilden. Viele Menschen vertragen Aspirin aber nicht, denn dieses Medikament kann zu unangenehmen Magen-Darm-Beschwerden und schlimmstenfalls sogar zu Magenblutungen führen. Wird ein gestenteter Patient operiert, so muss er das blutverdünnende Aspirin vorher absetzen – mit allen hiermit verbundenen Risiken. Bei Bandscheibenvorfällen wird in vielen Kliniken zu schnell zum Skalpell gegriffen – ein Eingriff, der nicht ohne Risiken ist: Viele Patienten haben danach noch schlimmere Beschwerden als vorher. Inzwischen weiß man, dass eine Operation beim Bandscheibenvorfall nur sehr selten notwendig ist – nämlich dann, wenn das vorgefallene Bandscheibenmaterial so stark auf einen Rücken-
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marksnerv drückt, dass eine Lähmung auftritt, die sich nicht schnell wieder zurückbildet. Dann muss operiert werden, sonst drohen langfristige Nervenschäden und Lähmungen. Ansonsten brauchen bei einem Bandscheibenvorfall nur die Schmerzen, die für den Patienten belastend sein können, behandelt zu werden. Das lässt sich mit minimalinvasiven Verfahren leicht erreichen: Man braucht dem Patienten lediglich ein lokales Betäubungsmittel oder Kortison an die durch den Vorfall gereizte Nervenwurzel zu injizieren. Bei schmerzhaften Abnutzungserscheinungen der kleinen Wirbelgelenke (Facettengelenke) kann man die irritierten Nerven ebenfalls mit einem Lokalanästhetikum betäuben. Solche Wurzel- oder Facettenblockaden haben kaum unerwünschte Nebenwirkungen und lindern den Schmerz in vielen Fällen so gut, dass der Patient sich nicht „unters Messer legen“ muss. Fortbildungshinweis: Prof. Bernd Tomandl: „ Thrombektomie-Verfahren bei Schlaganfall und aktuelle Studien“ 20. Mai; 16.30 Uhr; Herrensaal des Klinikums, Faurndauerstr. 6–28, 73035 Göppingen. Eintritt frei, Anmeldung nicht erforderlich. Zielgruppe: Internisten, Allgemeinärzte, Radiologen, Neuroradiologen, Neurologen und Rettungsdienstler
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Fast jeder Mensch sehnt sich nach Glück, viele rennen ihm sogar hinterher – doch leider ist es meistens schneller als wir. Und doch scheint es Menschen zu geben, die ein glückliches Naturell haben, die aus jeder Situation das Beste machen und die selbst der größte Schicksalsschlag nicht aus der Bahn wirft. Worin besteht das Geheimnis dieser Menschen? Wie findet man den Weg zum Glück?
Marion Zerbst
Psychologen geben Auskunft
Ist Glück planbar – oder nur ein Traum? E
igentlich sind wir eher ein Volks des Jammerns“, stellt Dr. med. Suso Lederle fest. „Wir beklagen uns über den Verkehrsstau, die Arbeit, die Steuern, die Politik – obwohl wir wissen, dass das überhaupt nichts bringt. Gleichzeitig wünschen wir uns Glück und Zufriedenheit. Aber was ist Glück überhaupt?“ Im medizinischen Bereich sind die Psychologen und Neurowissenschaftler für diese Frage zuständig. Deshalb hat Dr. Lederle im Jahr 2014 zu seiner Podiumsdiskussion „Glück ist kein Zufall“ Prof. Dr. Matthias Backenstraß und Prof. Dr. Dr. Martin Bürgy eingeladen. Bürgy leitet das Zentrum für seelische Gesundheit, Backenstraß das Institut für klinische Psychologie, beides am Krankenhaus Bad Cannstatt. Die beiden müssten doch eigentlich wissen, wie man den Weg zu mehr Glück findet!
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Glück – was ist das überhaupt? Tatsächlich taten die beiden Experten sich mit dem Begriff Glück recht schwer. „Die Psychotherapie befasst sich eigentlich eher mit den negativen Seiten der Psyche: Ängste, Depressionen, Zwangsstörungen …“, meint Prof. Backenstraß. „Ich kann mich nicht daran erinnern, mit meinen Patienten schon mal über Glück gesprochen zu haben, zumindest nicht am Anfang der Therapie. Wir Psychotherapeuten beschäftigen uns eben von Berufs wegen mit der kranken Seele. Und in der Psychotherapie gilt die Regel, den Patienten da abzuholen, wo er sich gerade befindet. Wenn jemand an Ängsten oder Depressionen leidet, ist das Nicht-Glück, das Leiden an der psychischen Erkrankung so ausgeprägt – da hätte ich Angst, an meinem Patienten vorbeizureden, wenn ich ihm mit dem The-
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ma Glück komme.“ Das hat nicht zuletzt auch wirtschaftliche Gründe: Eine Psychotherapie wird in der Regel von Krankenkassen bezahlt. Die übernehmen aber nur die Kosten für medizinisch notwendige Maßnahmen zur Behandlung von Krankheiten – dafür, uns zusätzlich auch noch glücklich zu machen, sind sie nicht zuständig; und vielleicht würde das auch tatsächlich den Rahmen ihres Budgets sprengen. „Glücksforschung“, sagt Prof. Backenstraß, „ist ein Zweig der Psychologie, nicht der Psychotherapie.“ In der Psychotherapie würde man stattdessen eher von Sinnfindung oder Sinnerfahrung sprechen – von Zufriedenheit, gelungener Anpassung an die äußeren Bedingungen, Fähigkeit zur Freude, Stressbewältigung oder einem erfüllten Leben.
Einen Sinn im Leben finden „Wir sind eher die Experten für das kleine Glück“, meint Prof. Bürgy. „Wir behandeln Krankheiten und ebnen unseren Patienten dadurch den weiteren Weg, wo Glück und Sinnerfahrung möglich sind. Ein erster Schritt besteht dabei oft darin, dass wir dem Patienten helfen, in seiner Krankheit einen Sinn zu entdecken.“ Dies deckt sich mit der Auffassung des Psychoanalytikers C. G. Jung, dass unserem Entwicklungsweg ein Individuationsprozess zugrunde liegt: „Unsere Erfahrungen und Krankheiten widerfahren uns nicht zufällig. Sie können eine sinnhafte Bedeutung haben, und die kann man gemeinsam mit dem Patienten herausarbeiten. Klinisch gesehen gibt es den Begriff ,Glück‘ nicht. ,Sinn verstehen‘ oder ,Kohärenzen herstellen‘ wäre ein angemessenerer Begriff – die Löcher in der Biografie des Patienten in einen nachvollziehbaren Zusammenhang bringen. Wenn das gelingt, sind wir dort angelangt, wo das Leben beginnt: bei der Fähigkeit, glücklich zu sein. Am glücklichsten sind diejenigen Menschen, die alles, was auf sie zukommt, annehmen und etwas daraus machen – die das Chaos in ihr Leben einarbeiten und einen Sinn darin finden“, erklärt Bürgy.
Glücklichsein kann man lernen Aber wie kann man als psychisch gesunder Mensch einen Weg zu mehr Glück im Leben finden? Da gibt es viele Möglichkeiten: „Umfragen zeigen, dass es zum Glück beiträgt, gute Freundschaften und Beziehungen pflegen, Sport zu treiben und Musik zu hören“, sagt Prof. Backenstraß. Ein weiterer wichtiger Trittstein durch das Meer des Jammerns – hin zu einem glücklicheren Leben – ist Dankbarkeit: Oft nehmen wir die positiven Dinge in unserem Leben gar nicht mehr wahr, oder wir betrachten sie als selbstverständlich. Eine gute Strategie dagegen besteht darin, eine Dankbarkeitsliste zu führen: „Schreiben Sie jeden Abend auf, was Ihnen an diesem Tag gut gelungen ist und wofür Sie dankbar sind.“ Wenn man hinterher in Gedanken noch ein bisschen bei diesen positiven Erinnerun-
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gen verweilt, kann man auch besser einschlafen. Ein weiterer wichtiger Weg zu einem glücklichen, sinnerfüllten Leben ist der Versuch, authentisch zu sein, sich selbst zu verwirklichen: „Tun Sie das, was Sie wirklich wollen, was Ihnen wichtig ist, und hängen Sie sich da voll ‘rein.“ Auch Altruismus – etwas für andere Menschen zu tun – kann uns glücklich machen. Ferner gibt es mentale Übungen, die den Weg zum Glück ebnen: So weiß man, dass Entspannungsübungen und Meditation uns nicht nur zu mehr innerer Ruhe und Gelassenheit verhelfen, sondern – regelmäßig praktiziert – auch unsere Gehirnstrukturen verändern. Das konnte mittlerweile sogar in Studien nachgewiesen werden. Durch Achtsamkeitsübungen gewinnt man mehr Distanz zu negativen Ereignissen und dem oft stressigen Alltag: „Dadurch erlernt man die Fähigkeit, eigene Gefühle wahrzunehmen und vorbeiziehen zu lassen – nach der Devise: Ich bin nicht mein Gefühl, sondern ich habe ein Gefühl.“ Wer zu Pessimismus und negativen Gedankenkreisläufen neigt, sollte diese Gedanken genau unter die Lupe nehmen. Manchmal hilft es schon, diese destruktiven Glaubenssätze, die unserem Glück im Weg stehen, schriftlich festzuhalten („Stimmt das wirklich? Bringt dieser Gedanke mich in meinem Leben weiter?“), sie dann objektiv zu bewerten und gegebenenfalls zu verändern. Mittlerweile gibt es Workshops und Seminare, in denen man solche und andere Strategien zur Glücksfindung erlernen kann. Studien zeigen, dass die Menschen dadurch tatsächlich eher wieder Wege zum Glück finden.
Nicht jeder hat das gleiche „Talent zum Glück“ Schon in der anderthalbstündigen Podiumsdiskussion wurde vieles klar: Glück ist kein Zufall, sondern man muss selbst etwas dafür tun. Zweitens: Glück ist kein Dauerzustand; nach jedem Höhenflug kommt auch wieder eine Talsohle. Und drittens: Die Menschen bringen auf dem Weg zum Glück sehr unterschiedliche Voraussetzungen mit. Warum sieht der eine das Leben grundsätzlich positiv („Das Glas ist noch halb voll“), während der andere überall nur die Schattenseiten erkennt („Das Glas ist schon halb leer“)? Teilweise hängt das mit unserer genetischen Veranlagung zusammen, mit der psychischen Konstitution, die wir von Geburt an mitbringen. Aber auch die Lebenserfahrung spielt dabei eine wichtige Rolle: Ein Mensch, der schon in früher Kindheit traumatisierende Erfahrungen machen muss, für den ist es viel schwieriger, später einmal Glück zu erfahren. Denn dann kann sich die Bereitschaft für Negativerfahrungen u. U. durch das ganze spätere Leben hindurchziehen. Psychologen sprechen in diesem Zusammenhang von Wiederholungszwang. Aber auch solche Menschen sollten die Hoffnung nicht aufgeben, denn mit neuen, positiven Erlebnissen kann man alte, negative Erfahrungen in unserem Gehirn gewissermaßen „überschreiben“ wie eine alte Computerdatei.
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Dr. Suso Lederle im Gespräch mit Prof. Thomas Nordt
Das Problem mit den neuen Blutverdünnern Die Blutgerinnung ist ein hochkomplexer biochemischer Prozess, an dem viele Faktoren beteiligt sind. Der Organismus schützt sich dadurch selbst, denn bei einer Verletzung wird dafür gesorgt, dass das Blut eine Wunde abdichtet. Doch unter bestimmten Bedingungen kann ein Gerinnungspfropf in den Blutgefäßen zum falschen Zeitpunkt entstehen, z. B. nach Operationen, bei längerer Bettlägerigkeit oder auch beim Vorhofflimmern des Herzens. Um dies nun zu vermeiden, erhalten mehr als 1,2 Mio. Patienten in Deutschland langfristig ein gerinnungshemmendes Medikament. Seit über 60 Jahren stehen dafür Medikamente als Tabletten zur Verfügung, sogenannte Vitamin-K-Antagonisten, bei uns bekannt unter dem Medikamentennamen Marcumar. Seit 2011 aber gibt es neue gerinnungshemmende Medikamente. Sie sind der bisherigen Marcumar-Therapie zumindest ebenbürtig, ihre Handhabung gestaltet sich aber wesentlich einfacher, da keine engmaschige Überwachung der Patienten mehr nötig ist. Darüber unterhielt sich Dr. Suso Lederle mit dem Kardiologen vom Klinikum Stuttgart, Prof. Dr. Thomas Nordt.
Das ganze Gespräch können Sie auf unserer Homepage in der Mediathek hören: www.kompassgesundheit-bw.de
Dr. Lederle: An Sie, Herr Prof. Nordt, zunächst die Frage: Der Organismus schützt sich selbst bei Verletzungen mit einem Gerinnungsprozess. Vielleicht sollten wir zu Beginn noch einmal darstellen, wie das funktioniert. Prof. Nordt: Das Blutgerinnungssystem des Menschen ist sehr komplex. Es muss so fein reguliert sein, dass zum einen ermöglicht wird, dass Blut durch die Gefäße fließen kann, zum anderen aber auch, dass, wenn Gefäßwände verletzt sind, diese Verletzungen schnell durch Gerinnsel wieder geschlossen werden. Die Blutplättchen, die Thrombozyten, sind die zellulären Bestandteile der Blutgerinnung. Dazu gibt es noch die Gerinnungsfaktoren, die miteinander agieren und zusammen mit den Blutplättchen ein Blutgerinnsel formen. Dr. Lederle: In den Blutgefäßen darf es keine Blutgerinnsel (Thrombosen) geben. Wie können aber solche doch entstehen? Prof. Nordt: Etwa durch das Vorhofflimmern. Dies ist eine Herzrhythmusstörung, bei der sich die Vorhöfe des Herzens nicht mehr rhythmisch zusammenziehen und dann wieder entspannen. Im Bereich der Wände der beiden Vorhöfe des Herzens fließt dann das Blut nur noch sehr träge oder steht beinahe; immer, wenn Blut im Körper nicht fließt, fängt es an zu gerinnen. Das erklärt, warum bei vielen Patienten, die unter Vorhofflimmern leiden, in den Vorhöfen des Herzens Gerinnsel entstehen, die dann mit dem nächsten Herzschlag irgendwo in den Körper fortgespült werden.
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Dr. Lederle: Durch einen Thrombus im Gefäß wird nicht nur die Durchblutung unterbunden, vom Thrombus können sich auch Partikel lösen und dann im Organismus weiter transportiert werden. Prof. Nordt: Diese Blutgerinnsel sind doppelt gefährlich. Verschließt ein Gerinnsel ein kleineres Gefäß, z. B. ein Herzkranzgefäß, so bedeutet dies einen Herzinfarkt. Wird ein Gerinnsel z. B. an einer Herzkammer gebildet und löst sich ein Teil davon ab, wird es sehr häufig ins Gehirn fortgespült und verschließt dort ein Gefäß – dies führt zu einem Schlaganfall. Gelangt es die Lunge, führt es zu einer Lungenembolie. Dr. Lederle: Dies sind sehr gefährliche Störungen und deswegen war es natürlich schon immer das Bestreben der Mediziner, diese Thrombusentstehung zu unterdrücken. Dafür stehen schon lange Substanzen zur Verfügung, die sogenannten Antikoagulanzien. Was hat man damit erreicht und wie ist man in den letzten Jahrzehnten mit diesem Medikament umgegangen? Prof. Nordt: Es gibt, um die Gerinnung im menschlichen Körper zu hemmen, verschiedene Ansätze. Man kann die Blutplättchen daran hindern, zu verklumpen, indem man sogenannte Blutplättchenhemmer oder Thrombozytenfunktionshemmer verabreicht, und es gibt die zweite Möglichkeit, nämlich die Zusammenarbeit der Gerinnungsfaktoren zu hemmen. Beim Beispiel des Vorhofflimmerns wissen wir, dass die Gerinnsel überwiegend aus Gerinnungsfaktoren entstehen, wobei die Blutplätt-
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chen eine geringere Rolle dabei spielen. Das führt zu der Behandlungskonsequenz, Gerinnungsfaktorenhemmer oder orale Antikoagulanzien einzusetzen. Das erste brauchbare Medikament in diesem Bereich war vor etwa 60 Jahren das Marcumar, ein Stoff, der als Gegenspieler zum Vitamin K funktioniert, der auf diese Art und Weise die Bildung von bestimmten Gerinnungsfaktoren hemmt. Diese fehlen dann im Blut, wodurch es nicht so leicht zu Gerinnseln kommt. Dr. Lederle: Marcumar wird bei uns in Deutschland hauptsächlich eingesetzt. Doch diese Therapie muss überwacht werden, das Gerinnungssystem muss kontrolliert werden, damit man immer im therapeutischen Bereich bleibt. Prof. Nordt: Marcumar ist ein bewährtes Medikament, um bei Vorhofflimmern Schlaganfälle zu verhindern. Es hat aber den Nachteil, dass man es nicht in einer festen Dosis geben kann. Es muss, je nach Patient, eine höhere oder niedrigere Dosis gegeben werden. Selbst wenn man einen Patienten eingestellt hat, kann es sein, dass diese Einstellung im Laufe der Zeit angepasst werden muss. Deshalb ist es erforderlich, dass ein Patient, der eine Marcumar-Behandlung erhält, regelmäßig beim Hausarzt ambulant erscheint und sein Blut kontrollieren lässt. Da wird gemessen, wie stark das Blut verdünnt ist. Ein Maß für die Blutverdünnung war früher der Quick-Wert, jetzt ist es der INR-Wert. Dr. Lederle: Die INR-Werte schwanken individuell und auch die Dosis, die die verschiedenen Patienten brauchen, ist sehr unterschiedlich. Das muss man überwachen, deswegen gibt es seit vielen Jahren Bestrebungen, Ersatzmedikamente zu finden, die diese Überwachung nicht mehr notwendig machen, also die Nachteile der bisherigen Standardtherapie überwinden. Es gibt Alternativen seit dem Jahr 2011. Da sind neue gerinnungshemmende Medikamente zugelassen worden. Wie schätzen Sie diese Entwicklungen ein? Prof. Nordt: Das ist eine sehr erfreuliche Entwicklung, die einen langen Weg hinter sich hat. Heute haben wir in Deutschland drei Medikamente, die bei Vorhofflimmern wirksam vor Schlaganfällen schützen und die in dieser Eigenschaft so gut sind wie Marcumar, zum Teil sogar besser, also mehr Schlaganfälle verhindern und die gleichzeitig – was
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das Blutungsrisiko angeht – so wirken wie Marcumar, also weniger Blutungen als Nebenwirkung haben. Also ein echter Fortschritt bei konstanter Einnahme und geringerer bis fehlender Abhängigkeit von der Ernährung und von anderen Medikamenten. Dr. Lederle: Es gibt drei Medikamente zum gegenwärtigen Zeitpunkt, das Pradaxa, das Xarelto, das Eliquis. Diese Medikamente müssen nicht in der Therapie direkt überwacht werden. Es gab große internationale Studien, die zunächst einmal eine Nicht-Unterlegenheit gegenüber Warfarin (das ist der international übliche Vergleichsstoff) zeigten und die sogar Vorteile aufwiesen. Logisch wäre, jetzt vermehrt diese neuen Substanzen einzusetzen. Prof. Nordt: Auf jeden Fall! Wir haben einmal den Vorteil der konstanten Dosierung, wir haben als weiteres den Vorteil der geringeren Abhängigkeit von der Ernährung, der Begleitmedikation und geringerer Risiken bei höherer Effektivität und Sicherheit. Dr. Lederle: Es muss nicht mehr kontrolliert werden, wie die Gerinnung beeinflusst wird, dennoch ist eine gewisse Überwachung notwendig. Man muss auf bestimmte Funktionen im Organismus, insbesondere der Leber und der Nieren, achten. Prof. Nordt: In der Tat, wir müssen nicht mehr den Effekt kontrollieren, weil wir von einer konstanten Wirkung ausgehen können. Wir wissen aber, dass
Dr. med. Suso Lederle Charlottenstraße 4 70182 Stuttgart Tel.: 0711 241774 E-Mail: suso-lederle@t-online.de
Prof. Dr. med. Thomas Nordt Ärztlicher Direktor der Klinik für Herz- und Gefäßkrankheiten am Klinikum Stuttgart – Katharinenhospital Kriegsbergstraße 60; 70174 Stuttgart Tel.: 0711 278-35201 E-Mail: t.nordt@klinikum-stuttgart.de
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diese Medikamente letztendlich abhängig sind von der Nierenfunktion. Solange bei dem Patienten die Nierenfunktion gut ist, können wir die vorgeschlagene Dosis geben. Da aber vor allem ältere Patienten unter Vorhofflimmern leiden, müssen wir uns mit der im Alter oft einhergehenden Einschränkung der Nierenfunktion auseinandersetzen. Ab einem gewissen Umfang der Nierenfunktionseinschränkung müssen diese neuen oralen Antikoagulanzien entweder in einer geringeren Dosis gegeben oder es muss auf die Gabe ganz verzichtet werden, weil durch die reduzierte Nierenfunktion die Ausscheidung der neuen oralen Antikoagulanzien verringert wird und dadurch die Gefahr wächst, dass sich die Stoffe im Körper ansammeln, dass sich der Wirkspiegel erhöht und dadurch die Blutungsgefahr steigt. Das heißt, wir müssen bei diesen Patienten die Nierenfunktion kontrollieren und im Falle einer weiteren Verschlechterung entweder die Dosis reduzieren oder das Medikament ganz absetzen. Dr. Lederle: Zahllose Patienten hatten in der Vergangenheit Marcumar bekommen. Jetzt seit gut drei bis vier Jahren sind die neuen Antikoagulanzien auf dem Markt, werden vermehrt eingesetzt, bisher vorrangig bei Patienten, die neu eingestellt wurden. Die europäische und auch die deutsche Gesellschaft für Kardiologie sagte bisher, Umstellungen sollte man eher nicht vornehmen bei Patienten, die bislang gut mit Marcumar eingestellt waren. Nicht zuletzt spielt da auch der hohe Preis dieser neuen Medikamente eine Rolle. Wie halten Sie es: sollte umgestellt werden, offensiv, oder wartet man erst einmal noch ab und gibt nur den neu einzustellenden Patienten die sogenannten NOAKs? Prof. Nordt: Der Preisunterschied zwischen der Marcumargabe und der Gabe eines neuen oralen Antikoagulans ist leider beträchtlich. Während wir bei Marcumar mit den Therapiekosten deutlich unter einem Euro pro Tag liegen, eher im Cent-Bereich, liegen wir bei den neuen oralen Antikoagulanzien, das gilt für alle drei, die heute auf dem Markt sind, in der Größenordnung von drei Euro pro Patient pro Tag. Das ist aufs Jahr bezogen richtig viel Geld. Natürlich spielt da auch die Gesundheitsökonomie eine gewichtige Rolle, deshalb sind natürlich die Kassen, die das Ganze zu bezahlen haben, eher geneigt zu sagen, lasst die Leute beim Marcumar, wenn sie gut damit zurechtkommen. Dagegen meinen die Wissenschaftler und die Ärzte, lieber ein neues orales Antikoagulans zu geben, weil wir hier auch Vorteile haben im Vergleich zu Marcumar in Form von mehr Schutz vor Schlaganfällen und weniger Blutungen als Komplikation. Dr. Lederle: Man weiß, dass etwa jeder vierte Patient, der ein gerinnungshemmendes Medikament einnimmt, im Laufe der fol-
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genden zwei Jahre einen chirurgischen Eingriff hat oder auch eine diagnostische Maßnahme, die interventionell eingreifend ist. Da stellt sich die notwendige Frage der Unterbrechung dieser Behandlung mit oralen Gerinnungshemmern. Wie geht man vor, bei Marcumar oder bei den sogenannten NOAKs? Prof. Nordt: Das ist das sogenannte Problem des Bridging, des Überbrückens: Wie überbrücken wir die eigentlich notwendige gerinnungshemmende Therapie über eine Phase, wo die Blutgerinnungshemmung stört, z. B. bei einer Operation? Hier haben wir die Beobachtung gemacht, dass das Bridging beim Einsetzen eines Schrittmachers, oft mehr Nachteile schafft als Vorteile und es deshalb inzwischen den klaren Trend gibt, einen Schrittmacher neu einzusetzen oder einen Schrittmacher mit zu Ende gehender Batterie zu ersetzen unter laufender Blutverdünnung, also unter laufendem Marcumar, weil hier die Gesamtrisiken für den Patienten geringer sind, als erst Marcumar abzusetzen, durch Heparin zu ersetzen, später nach dem Eingriff wieder auf Marcumar umzustellen. Aber es bleiben genügend Operationen übrig, wo Marcumar oder neues orales Antikoagulans einfach stört. Da muss man die Behandlung unterbrechen. Der Vorteil bei den neuen oralen Antikoagulanzien ist, dass die Unterbrechung, das heißt, der Zeitraum zwischen Absetzen des Medikaments und dem operativen Eingriff in der Regel kürzer ist als bei Marcumar. Je nach Größe des Eingriffs reichen da zwei bis vier Tage aus, das heißt, Sie setzen heute das neue orale Antikaogulans ab und können dann nach zwei bis vier Tagen bereits Operationen durchführen. Bei Marcumar müssen Sie in der Regel schon sieben bis zehn Tage vorher absetzen. Und wenn der Patient wegen anderer Ursachen eine Leberfunktionsstörung hat, dann kann es manchmal zwei Wochen dauern, bis die Blutgerinnung sich nach Absetzen von Marcumar wieder normalisiert hat. Also hier haben wir mit den neuen oralen Antikoagulanzien erneut einen Vorteil, weil der Zeitraum um die Operation herum ohne das bewährte Medikament kürzer gehalten werden kann. Dr. Lederle: Man darf also zusammenfassend sagen, dass Wirkung und Nebenwirkungen der drei neuen oralen Antikoagulanzien in die gleiche Richtung gehen. Große wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass alle drei Medikamente der bisherigen Therapie mit Marcumar nicht unterlegen sind; sie sind teilweise sogar der bisherigen Therapie überlegen. Man muss natürlich darauf achten, dass auch diese Medikamente regelmäßig eingenommen werden, doch man muss die Patienten nicht mehr kontinuierlich überwachen. Das ist ein wesentlicher Fortschritt für alle die Patienten, die aus einer medizinischen Indikation die Gerinnung des Blutes reduzieren oder beeinflussen müssen.
Kompass Gesundheit 2/2015
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KURZE MELDUNGEN Verursachen Zahnpasta, Deodorants & Co. Leberkrebs? Reinigungsmittel, Kosmetika und selbst Textilien enthalten den Bakterienhemmer Triclosan. Diese Substanz ist inzwischen weltweit so verbreitet, dass sie sich in 97 % aller Muttermilchproben nachweisen lässt. Drei Viertel aller Menschen scheiden sie sogar mit dem Urin aus. Die amerikanische Aufsichtsbehörde FDA (Food and Drug Administration) argwöhnt, dass Triclosan, ein polychloriertes Polyphenol, das Hormonsystem und die Muskelkontraktion nachteilig beeinflussen kann. Forscher der Universität von Kalifornien in San Diego verabreichten Labormäusen ein halbes Jahr lang mit Triclosan vermischtes Futter. Das bestürzende Ergebnis: Die Substanz förderte die Entstehung von Leberkrebs. Die Wirkung auf den Menschen ist noch nicht festgestellt; der Verdacht, dass Triclosan beim Menschen tatsächlich für Leberkrebs verantwortlich sein könnte, ist aber ziemlich ernst zu nehmen. Bereits 2006 warnte das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) davor, Triclosan in Zahnpasten, Haushaltsreinigern, Deodorants und Textilien breit anzuwenden. Die Kosmetikindustrie ignoriert diese Warnung leider hartnäckig. Selbst niedrige Dosen rufen einen negativen Effekt hervor: Triclosanhaltige Desinfektionsmittel bewirken, dass Bakterien mit der Zeit Resistenzen entwickeln und Antibiotika dadurch gegen Keime unwirksam werden. Man weiß inzwischen, dass Triclosan die Ursa-
Kompass Gesundheit 2/2015
che dafür ist, dass wichtige Antibiotika wie Tetrazykline und Chinolone weitgehend ihre Wirkung verloren haben. Der Plan, Triclosan sogar noch in Lebensmittelverpackungen zu verwenden, stößt auf heftigen Widerstand der Experten. Textilhersteller schätzen Triclosan als bakteriellen Geruchsstopper in Kleidungsstücken. Dabei wird der Teufel allerdings mit dem Beelzebub ausgetrieben. Der antibakterielle Geruchsstopper hilft zwar der Nase, züchtet aber resistente Hautkeime. Triclosan, so das Urteil der Experten, sollte nur im medizinischen Bereich verwendet werden. Quelle: M.F. Yueh et al., Proc Natl Acad Sci USA 2014, online first
Hoffnung für Patienten mit Makuladegeneration? Die altersbedingte Makuladegeneration (AMD) ist in den Industriestaaten Hauptursache für Erblindung bei über Fünfzigjährigen. Weltweit sind 25 bis 30 Millionen Menschen da von betroffen; zirka 500 000 Neuerkrankungen kommen jährlich dazu. In Deutschland leiden schätzungsweise zwei Millionen Menschen an einer AMD. Mit embryonalen Stammzellen könnte es bald möglich sein, diesen Patienten ihre Sehkraft zurückzugeben: US-Forscher haben in einer Studie aus pluripotenten Zellen Retina-Epithel hergestellt und ins Auge gespritzt. Bei der Mehrzahl der behandelten Patienten kam es dadurch zu einer Verbesserung des Sehens, bei anderen wurde zumindest eine Verschlechterung verhindert. Quelle: Steven D. Schwartz et al., The Lancet 2014
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Gesundheitsbewusstes Verhalten erfordert Konsequenz – und ist in der Gruppe am leichtesten Viele große Volkskrankheiten – Herz-Kreislauf-Leiden, Lungenerkrankungen, Diabetes – wären wahrscheinlich viel seltener oder zumindest leichter in den Griff zu bekommen, wenn sich die Menschen gesundheitsbewusster verhalten würden. Was kann man tun, um sie zu mehr Prävention zu motivieren? Ist das nicht auch eine Aufgabe der Krankenkassen? Werner Waldmann sprach mit Johannes Bauernfeind, dem Geschäftsführer der AOK Neckar-Fils.
Johannes Bauernfeind, Geschäftsführer der AOK Neckar-Fils
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Die AOK setzt sich ja sehr für Prävention ein. Nicht umsonst bezeichnet sie sich als „Gesundheitskasse“ – nach dem Motto: am besten gar nicht erst krank werden. Wo sehen Sie Chancen und Probleme der Krankheitsvorbeugung? Johannes Bauernfeind: Prävention setzt immer beim einzelnen Menschen an und setzt dessen Mitwirken voraus; denn oft sind Verhaltensänderungen notwendig, damit Prävention Erfolg haben kann. Die Überzeugungsarbeit, die da geleistet werden muss, ist sehr zeitaufwendig und diese Zeit fehlt im Gesundheitswesen häufig. Die AOK Baden-Württemberg hat in ihren Selektivverträgen genau diesen Zeitfaktor mitberücksichtigt. In den Verträgen haben wir die Motivation von Patienten zur Verhaltensänderung explizit als Leistung oder Vergütungselement mit eingebaut: als motivierende Beratung, die bei bestimmten Krankheitsbildern obligat durchgeführt werden muss. Und wir geben den Ärzten im Rahmen solcher Verträge auch mehr Zeit für diese Beratung und Motivationsarbeit. Ich glaube, dass wir als AOK hier ganz weit vorne stehen; wenn man mal schaut, was die AOK BadenWürttemberg so alles für Prävention (Schulung, Aufklärung, Beratung, Begleitung, Unterstützung) ausgibt, dann ist das deutlich mehr als beim Durchschnitt der gesetzlichen Krankenversicherungen – weil wir davon überzeugt sind, dass Prävention langfristig enorme Ressourcen einspart. Andererseits steht am Ende solcher Maßnahmen aber immer der Patient: Der Mensch, der sich in seinem bisherigen Leben Risikofaktoren ausgesetzt hat, muss sein Verhalten ändern. Wenn er das nicht tut, laufen Präventionsmaßnahmen zwangsläufig ins Leere.
Welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht: Wie wirkt diese Prävention? Bekommen Sie auch ein Feedback – ist das in so einem sensiblen Bereich überhaupt möglich? Johannes Bauernfeind: Es ist schwierig, da Feedback zu bekommen, weil es oft ein sehr langfristiger Prozess ist: Vielleicht schaffen wir es z. B. mit Kursangeboten, Eltern dazu zu bewegen, dass sie für eine gesündere Ernährung in der Familie sorgen; und ein Mensch, der das in seiner Kindheit und Jugend erlebt, wird sich tendenziell auch später an diesem Lebensstil orientieren und auf eine gesunde Ernährung achten. Aber genau erfassen lässt sich so etwas natürlich nicht. Ähnlich schwierig ist die Erfolgseinschätzung z. B. bei Kursangeboten für die Raucherentwöhnung: Da gibt es Menschen, die nach solch einem Kurs trotzdem weiter rauchen oder nach einiger Zeit wieder rückfällig werden; aber es gibt eben auch einige, die hinterher dauerhaft die Finger von der Zigarette lassen – und jeder Raucher, bei dem man das erreicht, ist ein positiver Beitrag für die Zukunft. Eine Rückmeldung ist, dass sehr viele Menschen unsere Kursangebote in Anspruch nehmen. Es besteht also durchaus ein Wunsch nach Information, Aufklärung, Schulung: Die Leute wollen einen Anschub dafür bekommen, ihr Verhalten zu ändern. Natürlich wird es immer Menschen geben, bei denen solche Maßnahmen nicht helfen; aber es gibt auch genügend Leute, bei denen sie nachhaltig wirken. Man kann niemanden zu gesundheitsbewusstem Verhalten zwingen. Johannes Bauernfeind: Richtig. Und so etwas funktioniert auch nur, wenn man sich das neue Ver-
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halten konsequent zur Gewohnheit macht. Manche Menschen schließen sich z. B. den teilweise von der AOK initiierten Laufgruppen in ihren Betrieben an oder gehen zu Lauftreffs von Vereinen, die die AOK ebenfalls mit unterstützt. So entwickeln sie mit der Zeit die Gewohnheit, ein- bis zweimal pro Woche in der Gruppe zu laufen. Andere laufen für sich allein und machen daraus eine Gewohnheit, sodass sich das Laufen mit der Zeit routinemäßig in ihren Tages- oder Wochenablauf einfügt. Ohne solch eine konsequente Verhaltensänderung – ohne sich zu sagen: Ja, ich mache das jetzt regelmäßig – funktioniert es nicht. Und in der Gruppe geht so etwas leichter. Wir stellen immer wieder fest: Wenn Menschen, die regelmäßig in einer Gruppe laufen gehen, wegen einer Grippe mal zwei Wochen nicht an diesen Lauftreffs teilnehmen können, fangen sie nach zwei Wochen wieder damit an; Menschen, die für sich alleine laufen, finden diesen Wiedereinstieg nicht immer. Heute gibt es ja auch die Möglichkeit, durch Armbänder oder andere technische Überwachungsmethoden zu dokumentieren, ob jemand sich ausreichend bewegt oder nicht. Die private Krankenversicherung Generali lässt sich z. B. im Rahmen eines Pilotprojekts Lebensstildaten ihrer Patienten übermitteln; und wer sich viel bewegt, bekommt einen Bonus. Was halten Sie von dieser Idee? Johannes Bauernfeind: Also erstens – und das ist ein ganz wichtiger Aspekt – sind solche Maßnahmen freiwillig. So etwas gibt es auch bei gesetzlichen Krankenversicherungen: Dort
Selektivverträge: eine echte Win-win-Situation Dabei wird ein Versorgungsvertrag zwischen einer Krankenkasse und einzelnen Leistungserbringern oder Gruppen von Leistungserbringern (z. B. Arztnetze oder Ärzteverbände) geschlossen. Für die Versicherten ist die Teilnahme an diesem alternativen Versorgungsangebot freiwillig: Sie können sich dafür einschreiben oder auch nicht. Ein Beispiel für solch einen Selektivvertrag ist die hausarztzentrierte Versorgung. Diese „Hausarztverträge“ werden mit als Vertragsärzte zugelassenen Hausärzten bzw. Hausarztgemeinschaften abgeschlossen. Die daran teilnehmenden Versicherten verpflichten sich, einen Arzt aus dem Kreis der Hausärzte zu wählen, die mit ihrer Kasse einen solchen Vertrag abgeschlossen haben, und dürfen Fachärzte in der Regel nur auf dessen Überweisung hin aufsuchen. Die Vergütung für die an der hausarztzentrierten Versorgung teilnehmenden Ärzte wird in Selektivverträgen der Krankenkasse – also unabhängig von der Gesamtvergütung der Kassenärztlichen Vereinigung – geregelt.
Kompass Gesundheit 2/2015
wird gesundheitsbewusstes Verhalten mit entsprechenden Tarifgestaltungen belohnt, und das ist im fünften Sozialgesetzbuch (SGB V) auch ausdrücklich geregelt. Dabei ist natürlich immer die Frage: Welche Parameter soll man erfassen? Die Generali hat sich für ein „Monitoring“ bestimmter Daten entschieden; andere, vielfach gesetzliche Krankenkassen gehen anders vor. Da wird z. B. die Teilnahme an bestimmten Präventionsangeboten oder Impfungen belohnt: Man sucht sich aus dem Leistungsangebot der gesetzlichen Krankenversicherung diejenigen Elemente heraus, deren Inanspruchnahme vermutlich dazu beiträgt, dass dieser Mensch gesünder lebt, und dafür gibt es dann eine Belohnung oder einen Bonus. Daten aus „Fitnessbändern“ – ob z. B. die Schlafgewohnheiten eines Versicherten tatsächlich unbedingt an die Krankenkasse weitergeleitet werden müssen und ob sie überhaupt ein Indikator für gesundheitsbewusstes Verhalten sind – halte ich zumindest für fraglich. Erst recht schwierig wird es dann, wenn man als Krankenversicherung diese Daten bekommt und dann möglicherweise Druck auf den Versicherten ausübt und sagt: Jetzt musst du dich aber wieder mehr bewegen, damit du deinen Bonus noch mal bekommst. Aber das Entscheidende ist: Man muss sich als Versicherer Gedanken darüber machen, in welchen Bereichen es tatsächlich einen kausalen Zusammenhang gibt zwischen dem, was ein Mensch tut, und dem, was er dann tatsächlich an mehr Gesundheit gewinnt. Nur wenn diese Zusammenhänge belegt sind, ist es sinnvoll, Versicherte für ein bestimmtes Verhalten mit einem Bonus zu belohnen.
Ferner gibt es im Rahmen der Selektivverträge auch Disease-Management-Programme (DMPs): strukturierte Behandlungsprogramme für chronisch kranke Menschen, die den Behandlungsablauf und die Versorgungsqualität für diese Patienten verbessern sollen. Eine strukturierte und kontinuierliche medizinische Betreuung soll Folgeschäden und -erkrankungen vorbeugen und die Lebensqualität der Patienten erhalten oder verbessern. Dabei spielen regelmäßige Folgeuntersuchungen und Schulungsprogramme, in denen der Patient den eigenverantwortlichen Umgang mit seiner Krankheit erlernt, eine wichtige Rolle. Die bessere medizinische Versorgung kommt nicht nur den Patienten zugute, sondern spart auch Ressourcen – und das ist in Zeiten, in denen die Menschen immer älter und diese Ressourcen in unserem Gesundheitssystem dringend gebraucht werden, sehr wichtig. Solche DMPs gibt es z. B. für Patienten mit Diabetes, Brustkrebs, koronarer Herzkrankheit, Asthma bronchiale und chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD).
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DKV-Report „Wie gesund lebt Deutschland?“
Wer lebt am gesündesten? Baden-Württemberg ist bei Statistiken zur Wirtschaft im Bundesländervergleich immer ganz vorne mit dabei und darauf sind Schwaben und Badener stolz. Anfang diesen Jahres erschien der DKV-Report „Wie gesund lebt Deutschland?“. Ob Baden-Württemberg da auch ganz vorne mitspielt? Ursula Pieper
Z
ivilisationskrankheiten wie Diabetes mellitus, Bluthochdruck, Herz- und Gefäßerkrankungen, Allergien, Übergewicht usw. (im Englischen treffender lifestyle disease genannt) sind auf dem Vormarsch, unser Alltag wird immer schnelllebiger und der Leistungsdruck nimmt in vielen Bereichen zu. Da ist ein gesunder Lebensstil, also aktiv die Verantwortung für die eigene Gesundheit zu übernehmen und auf sich selbst zu achten, wichtig. Für den DKV-Report wurden über 3000 Menschen in ganz Deutschland telefonisch zu ihrem Gesundheitsverhalten befragt. Die Fragen betrafen die Gesundheitsbereiche • körperliche Aktivität • Ernährung • Rauchen • Alkohol • Umgang mit Stress Um die Antworten bewerten zu können, wurden die Mindestempfehlungen (Benchmarks) an die Empfehlungen und Standards verschiedener Fachgesellschaften angelehnt. So gilt für die Aktivität pro Woche die Empfehlung der WHO. Danach sollten Erwachsene mindestens 150 Minuten moderat oder 75 Minuten in-
In Baden-Württemberg erreichen 54 % der befragten Personen die Aktivitätsempfehlung, das ist leider nur Durchschnitt. Liegt das daran, dass unser Bundesland mit seiner starken Autoindustrie etwas bewegungsfaul ist?
tensiv körperlich aktiv sein. Für den Benchmark im Bereich Ernährung wurden die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung zu Grunde gelegt. Beim Rauchen gibt es keine Empfehlung. Fünf Zigaretten pro Tag oder nur 10 Stück über die ganze Woche verteilt kann hier kein Argument sein. Hier gilt ganz klar: Der Benchmark ist nur als Nichtraucher erreicht. Beim Alkoholkonsum ist die Mindestempfehlung entweder gar kein Alkohol oder nur gelegentlich ein Glas Wein oder Bier. Ein gesundes Stressverhalten wird durch wirksame Strategien wie Sport, Bewegung, Freunde treffen, Entspannungsübungen erreicht und wenn das subjektive Stressempfinden gering ist.
Risikofaktor Sitzen Außerdem wurden in die Umfrage noch die vier Themen • Sitzverhalten von Erwachsenen • Bewegung von Kindern • Medienverhalten von Kindern • Sitzverhalten von Kindern aufgenommen. Hier wurde auch nach Regeln im
Erreichen der Aktivitätsempfehlung 59%
Bayern 57%
Sachsen
57%
Mecklenburg-Vorpommern
57%
Berlin 56%
Sachsen-Anhalt
56%
Rheinland-Pfalz/Saarland 55%
Thüringen
55%
Brandenburg 54%
Hamburg
54%
Baden-Württemberg 52%
Schleswig-Holstein 51%
Nordrhein-Westfalen
51%
Niedersachsen/Bremen 50%
Hessen 44
40
46
48
50
52
54
56
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Elternhaus gefragt, die das Verhalten von Kindern in Bezug auf Medienverhalten und körperliche Aktivität beeinflussen können – schließlich ist die Familie das Vorbild für das Gesundheitsverhalten unserer Kinder. Sitzen ist ein eigenständiger Risikofaktor für die Gesundheit. Zu langes und häufiges Sitzen schadet der Gesundheit offenbar selbst dann, wenn wir zum Ausgleich Sport treiben. Das wurde an der University of Toronto bei der Auswertung von 47 Studien ermittelt. Das Ergebnis war nicht gerade ermutigend: Egal, wie viel Sport die Teilnehmer machten, ihr Krankheitsrisiko war umso höher, je mehr Zeit sie täglich im Sitzen oder zumindest bewegungsarm verbrachten. Es reicht offensichtlich nicht, 30 Minuten am Tag Sport zu treiben und die restlichen 23,5 Stunden quasi ohne Bewegung zu verbringen. Besser ist es, Bewegung in den Alltag zu integrieren, z. B. die Treppe statt den Aufzug nehmen, den Arbeitskollegen im Nachbarbüro nicht anrufen sondern ihn persönlich besuchen oder jede halbe Stunde für wenigstens ein paar Schritte aufstehen. Es lassen sich viele Möglichkeiten finden, mit denen man die tägliche Bewegungslosigkeit unterbrechen kann.
Mecklenburg-Vorpommern
52%
Sachsen-Anhalt
51% 50%
Schleswig-Holstein
50%
Niedersachsen/Bremen Nordrhein-Westfalen
47%
Berlin
47% 45%
Brandenburg
45%
Bayern
44%
Sachsen 42%
Thüringen Hamburg
42%
Rheinland-Pfalz/Saarland
40% 40%
Hessen 36%
Baden-Württemberg 30
35
40
45
In Sachen Nichtrauchen bewegen sich die BadenWürttemberger mit 73 % rauchfreien Bürgern im hinteren Drittel. Hier sind die Brandenburger mit 84 % Nichtrauchern unschlagbar. Die Berliner, mit nur 64 % Nichtrauchern liegen abgeschlagen am Schluss.
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Anteil der Nichtraucher 84% 80%
Hessen
79%
Bayern Sachsen
78%
Rheinland-Pfalz/Saarland
78%
Mecklenburg-Vorpommern
78% 77%
Nordrhein-Westfalen 75%
Niedersachsen/Bremen
74%
Thüringen
73%
Baden-Württemberg 71%
Sachsen-Anhalt Hamburg
69% 68%
Schleswig-Holstein 64%
Berlin 60
65
70
Hessen
92%
Brandenburg
92% 90%
Nordrhein-Westfalen
90%
Baden-Württemberg Niedersachsen/Bremen
89%
Mecklenburg-Vorpommern
89% 88%
Schleswig-Holstein
87%
Bayern
86%
Sachsen-Anhalt
86%
Hamburg 83%
Rheinland-Pfalz/Saarland 80% 78% 77%
Berlin 65
70
75
Leider leben wir in BaWü nicht so entspannt wie Hamburger oder Rheinland-Pfälzer. Woran kann es liegen, dass wir hier im Süden nicht so gelassen mit Stress umgehen können, dass er uns weniger belastet? Ein paar Tipps für mehr Gelassenheit und positives Denken gibt unser Beitrag über das Glück auf S. 32.
80
85
90
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80
85
90
Brandenburger und Hessen rauchen am wenigsten und gehen mit Alkohol am vernünftigsten um, d. h. die meisten konsumieren Alkohol in einem gesunden Maß. Und die Berliner, die am meisten rauchen, trinken auch mehr als die restlichen Bundesbürger. BadenWürttemberger bewegen sich beim „gesunden“ Alkoholkonsum im oberen Drittel, sind hier also ganz vernünftig.
Anteil der Menschen mit einem Alkoholkonsum in gesundem Maße
Thüringen
Obwohl 57 % aller Befragten ihren Gesundheitszustand als gut einschätzten, leben nur 11 % der befragten Erwachsenen in allen fünf Bereichen gesund. Frauen leben häufiger gesund als Männer und ältere Menschen leben gesünder als Personen mittleren Alters. Aber wo steht Baden-Württemberg im Ländervergleich? Wenn man sich die einzelnen Ergebnisse ansieht wird klar: Da ist vieles noch verbesserungswürdig.
50
Brandenburg
Sachsen
Ergebnisse im Bundesländervergleich
Bei der Frage nach gesunder Ernährung bildet BadenWürttemberg tatsächlich das Schlusslicht – und zwar deutlich. Baden-Württemberg ist das Bundesland mit den meisten Restaurants, die durch den Guide-Michelin geadelt wurden, wir essen also gerne und gut, aber vielleicht ist gute Küche nicht unbedingt auch eine gesunde Küche.
Anteil der Befragten mit ausgewogener Ernährung
95
Gesundes Stressverhalten Hamburg
60%
Rheinland-Pfalz/Saarland
58%
Schleswig-Holstein
58% 57%
Bayern Mecklenburg-Vorpommern
55%
Thüringen
54% 54%
Sachsen-Anhalt 53%
Sachsen
53%
Hessen 51%
Baden-Württemberg Niedersachsen/Bremen
50%
Berlin
50% 49%
Brandenburg 47%
Nordrhein-Westfalen 44
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48
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Steuerberatung ist Vertrauenssache.
Grünes Licht fürs Frühstücksei
Und einen Steuerberater zu wechseln, ist für manche, als ob sie von einem 10-Meter-Brett springen müssten. Ohne zu wissen, ob Wasser im Becken ist.
Cholesterin doch nicht so ungesund, wie man bisher dachte! isher hieß es, man solle sich generell cholesterinarm ernähren – wobei dies natürlich insbesondere für Patienten galt, die sowieso bereits ein erhöhtes HerzKreislauf-Risiko haben. Zum Beispiel, weil ihr Blutdruck, ihre Cholesterin- oder Triglyzeridwerte zu hoch sind oder weil bei ihnen bereits Ablagerungen in den Arterien diagnostiziert worden waren. Inzwischen weiß man jedoch, dass ungünstige Cholesterinwerte großenteils erblich bedingt sind. Außerdem nehmen wir auch nur einen geringen Anteil unseres Cholesterins mit der Nahrung auf; den größten Teil produziert unser Körper selbst. „Zwischen dem Cholesterinverzehr und dem Cholesterinspiegel im Blut besteht nur ein schwacher Zusammenhang“, erklärt Prof. Klaus Parhofer von der Münchener Universitätsklinik, der sich auf die Behandlung von Fettstoffwechselstörungen spezialisiert hat. „Deswegen kann man auch keine allgemeine Empfehlung zum Cholesterinverzicht geben.“1 In Zukunft können Sie Ihr Frühstücksei also vielleicht wieder ohne schlechtes Gewissen essen – vorausgesetzt, dass Sie sich allgemein gesund ernähren. Viel wichtiger als eine cholesterinarme Ernährung ist es nämlich, auf eine Ernährung mit wenig gesättigten Fettsäuren zu achten. Und die sind vor allem in tierischen Fetten (außer Fisch) enthalten – also in Fleisch, Wurst und Milchprodukten. Ungesättigte Fettsäuren, wie sie hauptsächlich in pflanzlicher Nahrung (Nüssen und Kernen, hochwertigen Pflanzenölen und Avocados) und in Fisch vorkommen, sind viel gesünder. Man kann den Spiegel des „schlechten“ LDL-Cholesterins durch eine geringe Zufuhr gesättigter Fettsäuren nämlich viel besser senken als durch das früher propagierte „Cholesterinsparen“. Allerdings ist die Auswirkung einer gesunden Ernährung auf den Cholesterinspiegel individuell sehr verschieden. Und nicht zuletzt darf man auch nicht vergessen, dass ungünstige Cholesterinwerte (also ein zu hohes LDL- und zu niedriges HDLCholesterin) nicht der einzig wichtige Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind. Man sollte bei seiner Ernährung also nicht nur auf die Art der Fette, sondern auch auf den Fettgehalt insgesamt achten – zumindest dann, wenn man Gewichtsprobleme hat: „Low-fat-Produkte“ wie fettarme Milch oder fettarmer Käse sind kalorienärmer und daher für Menschen, die auf ihr Gewicht achten müssen, besser geeignet. Und auch die Kohlenhydrate schlagen auf der Waage teilweise stark zu Buche – vor allem, wenn man viele Weißmehlprodukte und Lebensmittel mit hohem Zuckergehalt zu sich nimmt. Quelle: 1) Ist Cholesterin doch nicht so ungesund? MMW – Fortschritte der Medizin 2015; 157 (5), S. 22
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Foto: © Moodboard/123rf.com
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