Kompass Gesundheit DAS MAGAZIN FÜR BADEN-WÜRTTEMBERG
Nr. 2 2016
TOP-THEMA
Rheumatische Erkrankungen Höchst aktuell:
DROGEN
Problem: Prostata Herzinfarkt vorbeugen Barrierefreiheit gefordert
5. Jahrgang www.kompass-gesundheit-bw.de
In Zusammenarbeit mit der
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Kompass Gesundheit zum Hören!
Gefäße gut – alles gut
Seelischer Kummer und warum er krank macht
Prof. Dr. med. Christian Herdeg
Prof. Dr. med. Christian Herdeg
Ein Hörbuch der Zeitschrift KOMPASS GESUNDHEIT in Kooperation mit den Kreiskliniken Esslingen
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Foto: © Monkey Business/fotolia.de
wie man Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorbeugt
Osteoporose Hilfe bei Knochenschwund Werner Waldmann im Gespräch mit Prof. Dr. med. Ulrich Liener
Ein Hörbuch der Zeitschrift KOMPASS GESUNDHEIT in Kooperation mit dem Marienhospital Stuttgart
Zu bestellen bei MEDITEXT DR. ANTONIC Postfach 3131 73751 Ostfildern Fax: 0711 7656590 E-Mail: dr.antonic@meditext-online.de
Keine Angst vor der
Narkose Prof. Dr. med. René Schmidt Ein Hörbuch der Zeitschrift KOMPASS GESUNDHEIT in Kooperation mit dem Marienhospital Stuttgart
Jede CD 6,- EUR
(plus Vers
andkoste
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REISE
editorial Liebe Leserin, lieber Leser, es sind erschreckende Zahlen: Etwa 20 Millionen Deutsche haben eine rheumatische Erkrankung. Darunter sind über 5 Millionen von Arthrose betroffen – der häufigsten Gelenkkrankheit überhaupt. Etwa 20.000 Kinder und Jugendliche leiden an einer entzündlich-rheumatischen Erkrankung und jährlich kommen etwa 1500 Kinder hinzu. Einige rheumatische Erkrankungen betreffen nicht nur Gliedmaßen und Gelenke, sie können auch innere Organe schädigen, so etwa das Herz, die Nieren, die Lunge oder auch die Haut. Die chronische Entzündung führt zu schweren Erschöpfungszuständen und den Betroffenen fällt es zum Teil sehr schwer, ihren Alltag zu meistern. Die über 100 verschiedenen rheumatischen Erkrankungen sind immer noch ein häufiger Grund für eine Schwerbehinderung und Frühberentung. Die Behandlungskosten betragen jährlich etwa 28 Milliarden Euro. Und: Trotz aller medizinischen Fortschritte, eine Heilung ist nicht möglich. Dank moderner Therapien können jedoch die Schmerzen gelindert und die Zerstörung der Gelenke aufgehalten werden. Diese Ausgabe unseres „Kompass Gesundheit“ widmet sich in ihrem Schwerpunkt dem komplexen Thema Rheuma und vermittelt Ihnen einen ersten allgemeinen Überblick. Darüber hinaus haben wir mit Prof. Deger, einem der besten Experten für urologische Tumore in Baden-Württemberg, über Probleme der Prostata und die Bedeutung der Vorsorge für Männer gesprochen. Prof. Matthias Leschke vom Klinikum Esslingen hielt vor Kurzem einen spannenden Vortrag zum Thema Herzinfarkt, den wir hier wiedergeben. Damit möchten wir Sie auch ein wenig auf unseren ersten Patientenkongress einstimmen: In wenigen Wochen findet der „1. Stuttgarter Herztag“ statt. Wir können, glaube ich, sagen, dass wir ein sehr vielfältiges . Programm zusammengestellt haben und wir freuen uns sehr, dass gleich bei dieser „Auftaktveranstaltung“ so viele Kooperationspartner mit an Bord sind. Sie alle sind herzlich eingeladen am 9. Juli in das VeranstaltungszenSchirmherrschaft trum Waldaupark! Alle weiteren Informationen finden Sie Deutsche Herzstiftung auf den Seiten 26, 27.
Werner Waldmann ist Medizinjournalist und leitet die Redaktion von „Kompass Gesundheit“.
1 STUTTGARTER
HERZTAG BNK
(Bundesverband Niedergelassener Kardiologen e.V.)
Veranstaltungszentrum
Ich wünsche Ihnen eine informative Lektüre
Waldaupark 9. Juli 2016 9 bis 17 Uhr
Ihr Werner Waldmann
EINTRITT FREI Kompass Gesundheit
Kompass Gesundheit 2/2016
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ZGH 0058/01 · 07/15 · Foto: Silke Weinsheimer
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Impressum Kompass Gesundheit – Das Magazin für Baden-Württemberg Herausgeber: Dr. Magda Antonic Redaktionsleitung: Werner Waldmann (V.i.S.d.P.) Botschafter: Prof. Dr. med. Matthias Leschke, Dr. med. Suso Lederle Redaktions-Beirat: Prof. Dr. med. Walter-Erich Aulitzky, Dipl. oec. troph. Andrea Barth, Dr. med. Wolfgang Bosch, Dr. med. Ernst Bühler, Dr. med. Hans-Joachim Dietrich, Dr. med. Rainer Graneis, Dr. med. Rudolf Handschuh, Prof. Dr. phil. Dipl.Psych. Thomas Heidenreich, Dieter Kress, Christof Mühlschlegel, Dr. med. Stefan Reinecke MBA, Dr. med. Nobert Smetak, Isolde Stadtelberger, Dr. med. Bernd Voggenreiter, Dr. med. Sieglind Zehnle Medizinisch-wissenschaftlicher Beirat: Dr. med. Alexander Baisch, Dr. med. Carl-Ludwig v. Ballestrem, Prof. Dr. med. Gerd Becker, Prof. Dr. med. Alexander Bosse, Prof. Dr. med. Claudio Denzlinger, Prof. Dr. med. Rainer Dierkesmann, Dipl.-Psych. Sabine Eller, Dr. med. Wilhelm Gienger, Dr. med. Joachim Glockner, Dr. med. Christian Hayd, Prof. Dr. med. Bernhard Hellmich, Prof. Dr. med. Doris Henne-Bruns, Prof. Dr. med. Christian Herdeg, Prof. Dr. med. Monika Kellerer, Prof. Dr. med. Alfred Königsrainer, Dr. med. Klaus Kraft, Prof. Dr. med. Ulrich Liener, Prof. Dr. med. Alfred Lindner, Dr. med.
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Gerhard Müller-Schwefe, Dr. med. Jürgen Nothwang, Dr. med. Martin Runge, Dr. med. Wolfgang Sperber, Prof. Dr. med. Arnulf Stenzl, Prof. Dr. med. Thomas Strowitzki, Holger Woehrle Gesundheitspolitik: Markus Grübel (MdB), Michael Hennrich (MdB) Redaktion: Dr. J. Roxanne Dossak, Andrew Leslie, Ursula Pieper, Marion Zerbst Art Direction: Dr. Magda Antonic Herstellung: Barbara Schüler Fotos: Cover: © high resolution/fotolia.de; S. 6: goodluz/123rf.com; S. 12: Acuradon, Bad Kreuznach; S. 14: PT Images/shutterstock.com; S. 22: DAK; S. 24 oben: Vital-Zentrum Sanitätshaus Glotz; S. 24 unten: Baumann; S. 25: Vital-Zentrum Sanitätshaus Glotz; S. 31: A. Fischer; S. 32 oben: Piccolo/fotolia.com; S. 36: TBEC Review/ Wikimedia Commons; S. 39: www.facesofmeth.us; Für die Autoren- und Ärzteporträts liegen die Rechte bei den abgebildeten Personen. Alle anderen Fotos: MEDITEXT Dr. Antonic Verlag: MEDITEXT Dr. Antonic Verlagsleitung: Dr. Magda Antonic Panoramastr. 6; D-73760 Ostfildern Tel.: 0711 7656494; Fax: 0711 7656590 dr.antonic@meditext-online.de; www.meditext-online.de Wichtiger Hinweis: Medizin als Wissenschaft ist ständig im Fluss. Soweit in dieser Zeitschrift eine Applikation oder Dosierung angegeben ist, darf der Leser zwar darauf vertrauen, dass Autoren, Redaktion und Verlag größte Mühe
darauf verwandt haben, dass diese Angaben genau dem Wissensstand bei Drucklegung der Zeitschrift entsprachen. Dennoch sollte jeder Benutzer die Beipackzettel der verwendeten Medikamente selbst prüfen, um in eigener Verantwortung festzustellen, ob die dort gegebene Empfehlung für Dosierungen oder die Beachtung von Kontraindikationen gegenüber der Angabe in dieser Zeitschrift abweicht. Leser außerhalb der Bundesrepublik Deutschland müssen sich nach den Vorschriften der für sie zuständigen Behörden richten. Geschützte Warennamen (Warenzeichen) müssen nicht besonders kenntlich gemacht sein. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt. Das Magazin und alle in ihm enthaltenen Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Mit Ausnahme der gesetzlich zugelassenen Fälle ist eine Verwertung ohne Einwilligung von MEDITEXT Dr. Antonic strafbar. Die Redaktion behält sich die Bearbeitung von Beiträgen vor. Für unverlangt eingesandte Manuskripte, Fotos und Abbildungen wird keine Haftung übernommen. Mit Namen gezeichnete Artikel geben die Meinung des Verfassers wieder. Erfüllungsort und Gerichtsstand ist Esslingen. Ein Einzelheft ist zum Preis von 1,60 Euro (zzgl. Versandkosten) beim Verlag erhältlich. Copyright © 2016 by MEDITEXT Dr. Antonic, 73760 Ostfildern
ISSN 2194-5438
Kompass Gesundheit 2/2016
inhalt • Wenn das Immunsystem verrückt spielt Rheumatische Erkrankungen – heute gut behandelbar
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• Ergotherapie – Wege zurück in die Selbstständigkeit
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• Radon – sanfte, wirksame Therapie gegen Rheuma und Arthrose
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• Wie die Vorsteherdrüse dem Mann das Leben schwermachen kann
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• Das Gesundheitsgespräch mit Johannes Bauernfeind Das System als chronisch kranker Patient
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• Herzinfarkt Wie hoch ist mein Risiko – und wie kann ich vorbeugen?
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• Der Protector für implantierte Defibrillatoren und Herzschrittmacher
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• Für ein barrierefreies Land – gleichberechtigt und selbstbestimmt leben
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• Sport: gerade für Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen wichtig! Was die Teilnahme an einer Herzgruppe Ihnen bringt
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• Sport als privates Lebensglück
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• Fitnesstipps von Jürgen Saur
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• Mammographie-Screening: Einfach mehr wissen!
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• Ihr Hausarzt meint GENERATION Y – Der alte Arzt hat ausgedient?
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• E-Zigaretten & E-Shisha Rauchen für die Gesundheit?
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• Eine Gesellschaft unter Drogen? Speed, Crystal Meth & Co.
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• Wie der Ruhestand glücken kann
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Rubriken Impressum 4 | Kolumne Dr. Lederle 13 | Aboformular 35 | Termine 43 |
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Wenn das Immunsystem verrĂźckt spielt
Rheumatische Erkrankungen – heute gut behandelbar 6
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„Rheuma“ ist ein Oberbegriff für entzündliche Gelenk- oder Muskelerkrankungen wie die rheumatoide Arthritis oder die Bechterew-Krankheit. Meist stecken Autoimmunprozesse dahinter: Unser Abwehrsystem greift „versehentlich“ körpereigene Strukturen an. Sind davon Gelenke betroffen, so kann das sehr unangenehm werden: Schmerzen, Schwellungen und Gelenkdeformitäten machen den Patienten das Leben zur Qual. Zum Glück gibt es für solche Erkrankungen heute viele gute Behandlungsmöglichkeiten. Wir sprachen mit Professor Dr. med. Bernhard Hellmich von den Kreiskliniken Esslingen in Kirchheim.
Unter Gelenkschmerzen leiden viele Menschen – vor allem in höherem Alter. Woran erkennt man, ob es sich dabei um Rheuma handelt? Prof. Hellmich: Der Begriff „Rheuma“ bezeichnet eigentlich den Schmerzcharakter: ziehende, fließende Schmerzen, die vor allem in Ruhe bestehen, durch Bewegung und Kälteanwendung besser werden und auf eine Entzündung zurückzuführen sind – ganz im Gegensatz zur Arthrose, die ja durch Gelenkverschleiß hervorgerufen wird und sich bei Belastung verschlimmert. Die häufigste Rheumaform ist die rheumatoide Arthritis: Sie betrifft etwa 1% der Bevölkerung und tritt am häufigsten zwischen dem 50. und 70. Lebensjahr auf. Aber auch junge Menschen, ja sogar Kinder können an einer rheumatoiden Arthritis erkranken. Wo liegen die Ursachen? Prof. Hellmich: Die häufigste Ursache ist eine Fehlsteuerung des Immunsystems. Normalerweise kann unser Immunsystem gut zwischen fremden und körpereigenen Strukturen unterscheiden: Viren, Bakterien und sonstige „Eindringlinge“ werden als fremd erkannt und angegriffen, während das Abwehrsystem körpereigene Strukturen wie Lungen und Gelenke in Ruhe lässt. Bei der rheumatoiden Arthritis empfinden unsere Immunzellen die Strukturen im Gelenk fälschlicherweise als fremd, greifen sie an und verursachen Entzündungen. Warum das Immunsystem plötzlich anfängt, verrückt zu spielen, wissen wir bei den meisten rheumatischen Erkrankungen nicht. In seltenen Fällen spielen Infektionen als Auslöser eine Rolle. Es gibt allerdings Begleitumstände, die das Risiko für eine rheumatoide Arthritis erhöhen; so weiß man z.B. heute, dass Rauchen ein wichtiger Risikofaktor ist. Patienten mit Schuppenflechte (Psoriasis) und chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa leiden be-
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sonders häufig unter rheumatischen Entzündungen der Gelenke. Aber auch die Gene spielen eine Rolle: Es gibt Familien, in denen Rheuma gehäuft vorkommt. Bei welchen Symptomen oder Beschwerden sollte man zum Arzt gehen? Prof. Hellmich: Schmerzen an Gelenken oder Muskeln, die hauptsächlich in Ruhe auftreten und sich durch Bewegung und Kälte bessern, sind ein Alarmsignal – vor allem, wenn sie von weichen Gelenkschwellungen begleitet sind. Mit welchen Medikamenten kann man eine rheumatoide Arthritis behandeln? Prof. Hellmich: Das Ziel besteht immer darin, die Entzündung komplett zu bremsen, weil sie die Ursache der Beschwerden ist. Am Anfang behandelt man ein Gelenkrheuma normalerweise mit Methotrexat; das ist ein langwirksames, immunbremsendes Mittel. Da die Wirkung von Methotrexat erst nach einer gewissen Zeit eintritt, kombiniert man es in den ersten sechs Monaten gerne mit Kortison, versucht das Kortison aber dann relativ schnell wieder auszuschleichen, um Nebenwirkungen zu vermeiden. Als Alternativen zu Methotrexat gibt es Leflunomid (ebenfalls ein Mittel zur Unterdrückung des Immunsystems) und das entzündungshemmende Sulfasalazin; diese Medikamente kann man auch in Kombination miteinander einsetzen, falls eines allein nicht ausreicht. Wenn auch das nicht zum Erfolg führt, kommen Biologika zum Einsatz, die Entzündungsbotenstoffe oder Entzündungspfade im Körper sehr gezielt blockieren. Es gibt heute eine ganze Reihe von Biologika, die jeweils für die Behandlung spezieller rheumatischer Erkrankungen zugelassen sind und mit denen man oft ganz erhebliche Verbesserungen erreichen kann.
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Sicherlich haben auch diese Biologika Risiken und Nebenwirkungen? Prof. Hellmich: Alle Rheumamedikamente regulieren das Immunsystem herunter, sodass Infekte häufiger auftreten können. Das gilt vor allem für Kortison in höherer Dosierung. Außerdem kann jedes Medikament natürlich auch andere Nebenwirkungen (z.B. Übelkeit oder eine Veränderung bestimmter Blutwerte) verursachen. Deshalb sind regelmäßig Kontrolluntersuchungen erforderlich. Heute stehen aber so viele Medikamente zur Auswahl, dass man diese bei Unverträglichkeiten gegeneinander austauschen kann. Hilft diesen Patienten auch eine manuelle Therapie oder Krankengymnastik? Prof. Hellmich: Krankengymnastik ist wichtig, um das entzündete Gelenk wieder beweglicher zu machen. Denn bei Schmerzen nimmt man automatisch eine Schonhaltung ein; und auch aufgrund von Gelenkergüssen sind Gelenke oft nicht so gut beweglich. Diese Beweglichkeit muss man wiederherstellen und außerdem mithilfe von Krankengymnastik versuchen, die Muskulatur um das Gelenk herum zu stärken. Hinzu kommt die Anwendung von Kälte im akuten Arthritisschub und die Ergotherapie, bei der der Patient lernt, bestimmte Belastungen am Gelenk zu vermeiden und Hilfsmittel richtig einzusetzen. Eine gute Einlagen- und Schuhversorgung ist ebenfalls wichtig, wenn die Beine betroffen sind. Was für Hilfsmittel gibt es denn da? Prof. Hellmich: Es gibt z.B. spezielle Einlagen für die Füße, mit denen man Ungleichmäßigkeiten im Fußprofil ausgleichen kann. Manchmal müssen auch Gehstützen eingesetzt werden, wenn beispielsweise die Hüfte entzündet ist. Für Patienten mit Gelenkdeformitäten an den Händen gibt es ebenfalls Hilfsmittel, z.B. Schraubmechanismen zum Öffnen von Weckgläsern oder Flaschen. Sollten Patienten mit rheumatischen Erkrankungen auch Sport treiben? Prof. Hellmich: Sport wird durchaus empfohlen, sobald das Gelenk nicht mehr ganz so entzündet ist – einfach um die Beweglichkeit zu verbessern und die Muskulatur zu stärken. Ideal sind Sportarten, die die Gelenke nicht belasten, wie beispiels-
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weise Schwimmen. Aber auch ein strukturiertes Krafttraining am Gerät kann sinnvoll sein, wenn es medizinisch begleitet ist. Fahrradfahren ist ebenfalls sehr gut, weil es die Muskulatur stärkt. Weniger empfehlenswert sind Risikosportarten wie z.B. Abfahrtsskifahren. Muss man bei solchen Erkrankungen auch auf die Ernährung achten? Prof. Hellmich: Ja, die Ernährung spielt schon eine gewisse Rolle – auch wenn man mit einer Ernährungsumstellung alleine ein Rheuma nicht heilen kann. Es ist ratsam, etwas weniger Fleisch und dafür mehr Fisch zu essen, weil bestimmte Fettsäuren im Fisch antientzündlich wirken. Wenn gewichtstragende Gelenke betroffen sind und der Patient übergewichtig ist, macht es Sinn, abzunehmen. Kann man entzündlichen rheumatischen Erkrankungen eigentlich vorbeugen? Prof. Hellmich: Viele Möglichkeiten gibt es da nicht. Die einzig sinnvolle Vorbeugung besteht darin, aufs Rauchen zu verzichten und andere entzündliche Autoimmunerkrankungen adäquat behandeln zu lassen. Wenn z. B. eine Colitis ulcerosa, ein Morbus Crohn oder eine Schuppenflechte nicht richtig therapiert wird, erhöht sich bei diesen Patienten das Risiko für eine rheumatische Erkrankung. Morbus Bechterew ist ja auch eine relativ häufige rheumatische Erkrankung. Wie äußert sie sich? Prof. Hellmich: Bei der Bechterew-Krankheit liegt eine Entzündung an der Wirbelsäule vor. Diese Erkrankung beginnt normalerweise schon in jungen Jahren (meist zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr). Häufig sind dabei die Kreuz-Darmbein-Gelenke entzündet, nicht selten auch der Rest der Wirbelsäule. Die Krankheit äußert sich vor allem durch nächtliche tiefsitzende Rückenschmerzen. Es sind also nicht die üblichen Kreuzschmerzen, die im Tagesverlauf oder nach stärkerer Belastung auftreten und in Ruhe besser werden. Beim Bechterew ist es genau umgekehrt: Die Schmerzen kommen in der Nacht in Ruhe und werden im Tagesverlauf besser. Wenn junge Menschen unter chronischen Rückenschmerzen leiten, sollte man an diese Krankheit denken.
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Und wie entsteht der Morbus Bechterew? Ist das auch eine Autoimmunerkrankung? Prof. Hellmich: Ja, aber wodurch sie ausgelöst wird, weiß man nicht so genau. Es gibt einen genetischen Risikofaktor, das HLA-B27. 6 bis 8 % der Bevölkerung tragen diese Genvariante. Die bekommen aber nicht alle einen Morbus Bechterew, sondern haben lediglich ein erhöhtes Risiko dafür.
Sie führen auch klinische Studien mit neuen, noch in der klinischen Erprobung befindlichen Medikamenten gegen Rheuma durch und bieten Ihren Patienten dadurch neue Behandlungschancen.
„Die einzig sinnvolle Vorbeugung besteht darin, aufs Rauchen zu verzichten und andere entzündliche Autoimmunerkrankungen adäquat behandeln zu lassen.“
Wie wird diese Krankheit behandelt? Prof. Hellmich: Zunächst einmal mit nicht-steroidalen Antirheumatika wie Diclofenac oder Ibuprofen; damit kommen 80 % der Patienten gut zurecht. Begleitend dazu ist eine gute Krankengymnastik wichtig, damit die Wirbelsäule nicht einsteift. Bei den 20 % der Patienten, die sich damit nicht ausreichend einstellen lassen, kommen Biologika wie beispielsweise TNF-alpha-Blocker zum Einsatz.
Rheumatische Erkrankungen befallen ja nicht nur die Gelenke. Auch andere Strukturen und Körperorgane können beteiligt sein. Prof. Hellmich: Das stimmt. Rheuma erhöht z. B. die Wahrscheinlichkeit, eine Osteoporose zu entwickeln. Bestimmte Rheumamittel (beispielsweise Kortison) fördern die Entstehung solcher Krankheitsprozesse noch weiter. Ferner weiß man, dass bei rheumatoider Arthritis das Risiko für eine Arteriosklerose deutlich steigt. Eine gute Rheumaeinstellung reduziert das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen stärker als ein Rauchstopp! Auch die Augen können beim Rheuma insofern involviert sein, als diese Entzündungen eben auch am Auge auftreten, z. B. in der Lederhaut in Form einer Skleritis oder an der Regenbogenhaut in Form einer Uveitis. Aber auch innere Organe wie Niere oder Lunge können von einer rheumatischen Erkrankung betroffen sein. Es gibt bestimmte Rheumaerkrankungen, bei denen die inneren Organe sehr häufig oder fast immer mitbeteiligt sind und die man über spezielle Laboruntersuchungen nachweisen kann. Deshalb halten wir hier in Kirchheim auch ein eigenes Labor vor, wo wir solche Tests quasi täglich durchführen. Das ist ein sehr wichtiger Baustein der Rheuma-Diagnostik – ergänzend zu bildgebenden Verfahren wie Kernspin und Ultraschall.
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Prof. Hellmich: Richtig. Eine Studienteilnahme kommt immer dann in Betracht, wenn für die entsprechende Erkrankung noch keine passenden Medikamente zugelassen sind oder bereits zugelassene Medikamente bei einem Patienten nicht ausreichend gewirkt haben. Gerade bei seltenen rheumatischen Erkrankungen ist die Teilnahme an einer Studie oft sehr sinnvoll, weil für solche Krankheiten natürlich weniger zugelassene Medikamente zur Verfügung stehen. Kann man Rheuma überhaupt heilen, oder kann man diese Erkrankung nur so weit behandeln, dass sie erträglich wird? Prof. Hellmich: Unser heutiges Behandlungsziel ist die Remission. Das heißt, die Patienten sind entzündungsfrei und – wenn die Krankheit frühzeitig genug behandelt wird – auch schmerzfrei, müssen aber weiterhin regelmäßig Medikamente einnehmen. Deshalb kann man beim Rheuma bisher noch nicht von einer Heilung sprechen.
Prof. Dr. med. Bernhard Hellmich ist Chefarzt der Klinik für Innere Medizin, Rheumatologie und Immunologie in Kirchheim, Kreiskliniken Esslingen gGmbH Klinik Kirchheim Eugenstr. 3 73230 Kirchheim unter Teck Tel.: 07021 8841450
www.kk-es.de
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Ergotherapie: Wege zurück in die Selbstständigkeit Marion Zerbst Die einfachste Alltagsaktivität wird zu einem Dilemma, wenn man durch eine rheumatische Erkrankung oder Behinderung, einen Unfall oder Schlaganfall in seiner Bewegungsfähigkeit beeinträchtigt ist. Solche Menschen brauchen Hilfe zur Selbsthilfe: Sie müssen Techniken und Strategien erlernen, um ihren Alltag wieder in den Griff zu bekommen. Dafür ist der Ergotherapeut da.
er seine Gliedmaßen nicht mehr richtig bewegen kann, ist im Alltag verloren: Selbst so einfache Dinge wie das Aufschrauben einer Flasche oder das Anziehen der Schuhe werden dann zum unlösbaren Problem. Außerdem nimmt man bei beeinträchtigter Bewegungsfähigkeit leicht Fehl- oder Schonhaltungen ein, die einem zwar kurzfristig das Leben erleichtern, langfristig aber zu Muskelfehlbelastungen, Verspannungen und Schmerzen führen. Hier beginnt die Kunst des Ergotherapeuten: Er unterstützt den Patienten beim Umlernen seines Bewegungsverhaltens und Einüben von Aktivitäten des täglichen Lebens wie Essen, Körperpflege und Hausarbeit. Außerdem zeigt er ihm den richtigen Umgang mit Hilfsmitteln wie Rollstuhl, Geh- oder Anziehhilfe. Diese Unterstützung beginnt schon im Akutkrankenhaus und setzt sich in der Rehaklinik fort; es gibt aber auch Praxen für Ergotherapie, und bei Bedarf kommt der Therapeut auch ins Haus. Die Aufgaben eines Ergotherapeuten sind sehr vielfältig: Jüngeren Menschen mit Behinderung oder nach einem Unfall versucht er die Wiedereingliederung ins Berufsleben zu ermöglichen. Älteren Menschen mit Erkrankungen des Bewegungsapparats verhilft er dazu, möglichst lange selbstständig im eigenen Haus oder der eigenen Wohnung leben zu können – denn wer will schon gerne ins Pflegeheim? Demenzkranke Patienten lernen mit seiner Hilfe, mit dem Nachlassen ihrer Gedächtnisleistung umzugehen und sich wieder besser im Alltagsleben zurechtzufinden. Bei Bedarf werden auch pflegende Angehörige in die Behandlung einbezogen. Dieser Beruf erfordert nicht nur ein Studium oder eine mehrjährige Ausbildung an einer Berufsfach-
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schule, sondern darüber hinaus auch jede Menge Einfühlungsvermögen, Geduld und Kreativität. Denn der Ergotherapeut muss sich genau auf die individuellen Fähigkeiten und Bedürfnisse seines Patienten einstellen und auch mit schwierigen, durch ihre Lebenssituation verbitterten Menschen umgehen können. Ohne psychische Belastbarkeit und gute Stressbewältigungsstrategien schafft man das nicht.
Wer braucht eine Ergotherapie? Alle Menschen, die durch eine körperliche oder psychische Erkrankung, eine Behinderung oder Entwicklungsstörung in ihrer Selbstständigkeit und Handlungsfähigkeit beeinträchtigt oder von Einschränkungen bedroht sind; z. B. Patienten • • • •
mit Querschnittslähmung nach einem Schlaganfall bei multipler Sklerose bei Einschränkungen des Bewegungsapparats durch rheumatische Erkrankungen • bei Demenz, Morbus Parkinson und anderen neurologischen Krankheitsbildern.
Nähere Informationen erhalten Sie auf der Webseite des Deutschen Verbands der Ergotherapeuten (www.dve.info/ergotherapie.html). Dort können Sie auch einen Therapeuten in der Nähe Ihres Wohnorts suchen.
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Radon – sanfte, wirksame Therapie gegen Rheuma und Arthrose Marion Zerbst Immer öfter litt Markus K. unter bohrenden Kreuzschmerzen, vor allem nachts. Sobald er aufstand und herumlief, wurden die Schmerzen besser. Später kam dann noch ein quälendes Steifigkeitsgefühl in der Wirbelsäule dazu: Vor allem morgens konnte er sich oft kaum bewegen. Nach einer Odyssee von Orthopäde zu Orthopäde erhielt Markus im Alter von 23 Jahren die niederschmetternde Diagnose: Morbus Bechterew – eine rheumatische Erkrankung, die vor allem Wirbelsäule und Kreuz-Darmbein-Gelenke betrifft, Schmerzen verursacht und mit der Zeit zu einer Versteifung der Wirbelsäule führen kann. Es folgte die übliche Therapie: Antikörper und entzündungshemmende Schmerzmittel, die bei Markus allerdings Magen-Darm-Probleme verursachten. Trotz der Medikamente kam es immer wieder zu schmerzhaften Krankheitsschüben. Bis ihm ein Mitpatient aus seiner Selbsthilfegruppe von einer schonenden Behandlungsmethode gegen rheumatische Erkrankungen erzählte: Radon. Markus K. probierte es aus und ließ sich die Therapie verschreiben. Danach war er zum ersten Mal seit vielen Jahren fast schmerzfrei und konnte die Dosis seiner Medikamente deutlich verringern. adon ist ein farb- und geruchloses, leicht radioaktives Edelgas, das in manchen Gebirgsstollen vermehrt vorkommt. Es aktiviert bestimmte körpereigene Substanzen, die entzündungshemmend wirken: So wird das Entzündungsgeschehen bei rheumatischen Erkrankungen wie Morbus Bechterew und rheumatoider Arthritis, aber auch bei verschleißbedingter Gelenksarthrose eingedämmt. Dadurch lassen auch die Schmerzen nach. Zwar kann man eine rheumatische Erkrankung auf diese Weise nicht heilen, zumindest aber die Beschwerden deutlich lindern, sodass die Patienten mit niedrigeren Medikamentendosen auskommen. Allerdings setzt der antientzündliche Effekt erst nach ein paar Wochen ein und hält nur sechs bis zwölf Monate an; daher müssen die Behandlungen in regelmäßigen Zeitabständen wiederholt werden. „Man kann zweimal pro Jahr acht, zehn oder zwölf Radonstollengänge machen – öfters sollte die Therapie aus Strahlenschutzgründen nicht angewendet werden“, erklärt Dr. Andreas Zöller, Facharzt für Nuklearmedizin und ärztlicher Leiter des Radonstollens in Bad Kreuznach. Eine Sicherheitsmaßnahme – obwohl das Risiko, durch die Strahlen an Krebs zu erkranken, verschwindend gering ist. Aus demselben Grund sollten Krebspatienten sich keiner Radontherapie unterziehen. Für Menschen mit einer Überfunktion der Schilddrüse ist Radon ebenfalls tabu; bei Kindern, Schwangeren und Patienten mit Lungenerkrankungen ist Vorsicht geboten. Unerwünschte Nebenwirkungen einer Radontherapie sind nicht bekannt.
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Rheumatherapie in idyllischer Weinbergslandschaft Der einzige Radonstollen Deutschlands befindet sich in Bad Kreuznach. Die Therapie ist einfach: Man begibt sich in den Stollen und inhaliert dort –
bequem auf einer Liege ausgestreckt – jeweils eine Stunde lang bei Zimmertemperatur die radonhaltige Luft. Über den Blutkreislauf gelangt das Radon in alle Körperregionen und gibt dabei eine Alphastrahlung ab, die zur Aktivierung schmerzlindernder und entzündungshemmender Substanzen führt. Der Radonstollen ist ebenerdig erreichbar und behindertengerecht. Auch für Menschen mit Klaustrophobie ist die Therapie kein Problem, da
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ZAR Stuttgart & Bad Cannstatt der Stollen hoch und großräumig ausgebaut ist. Ergänzend zur Radontherapie bietet Bad Kreuznach auch noch eine Vielfalt anderer Behandlungsmöglichkeiten für Menschen mit rheumatischen Erkrankungen an: Mehrere Akut- und Rehakliniken in dem Kurort haben sich auf dieses Krankheitsbild spezialisiert. „Wir haben ‘Jubilare’, die schon 20- oder 30mal hier waren“, sagt Dr. Zöller. „Manche Patienten nehmen nur die Radontherapie in Anspruch; andere kommen in eine unserer Kliniken oder lassen sich über Badeärzte sinnvolle Zusatzmaßnahmen zum Radon verschreiben.“ So bieten die Kliniken z. B. spezielle Krankengymnastik für Bechterew-Patienten und Kältekammer-Behandlungen gegen rheuma-
toide Arthritis an. Fango, Heilerdekneten für Hände oder Füße, Bewegungstraining im Thermalbad, Massagen, manuelle Therapie und Elektrotherapie runden das Angebot ab.
Adressen von Ärzten mit langjähriger Erfahrung in der Radontherapie und weitere Informationen erhalten Sie unter Tel.:0671 83600-150 im Crucenia Gesundheitszentrum Kurhausstr. 22–24 55543 Bad Kreuznach www.crucenia-gesundheitszentrum.de
Rheuma – Wenn es überall weh tut Die Kolumne von Dr. Suso Lederle chmerzen in allen Gelenken und jede Bewegung wird zur Qual. So lässt sich beschreiben, was viele Menschen unter Rheuma verstehen. Doch genau weiß es meist keiner und so gilt eher das Motto: „Was man nicht erklären kann, sieht man gern als Rheuma an“. Übersetzt bedeutet das griechische Wort ‚Rheuma’ soviel wie „fließender Schmerz“. Und Schmerzen tauchen bei vielen Erkrankungen des Bewegungsapparates auf, ob bei eher harmlosen Muskelverspannungen, bei degenerativem Gelenkverschleiß, beim Weichteilrheumatismus oder bei den gefährlichen entzündlich-rheumatischen Erkrankungen. Nur letztere entstehen durch ein außer Kontrolle geratenes Immunsystem, das sich nicht gegen äußere Feinde wehrt, sondern gegen vermeintlich innere – die Gelenkschleimhaut zum Beispiel. Entzündungen bis hin zur Gelenkzerstörung sind die Folge. Deshalb schmerzen die Gelenke, schwellen an und sind besonders morgens merkwürdig steif. Arthrose, Arthritis, Rheuma – eine Menge verwirrender Dr. med. Suso Lederle Fachbegriffe, nicht wahr? DieCharlottenstraße 4 ser Kompass Gesundheit wird 70182 Stuttgart Tel.: 0711 241774 versuchen, sie Ihnen näher zu E-Mail: bringen, und Sie wissen dann suso-lederle@t-online.de auch, welche Therapie möglich und nötig ist: So früh wie möglich, bevor es zu spät ist!
Zentren für ambulante Rehabilitation
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Orthopädie Kardiologie Onkologie
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ZAR Stuttgart Wilhelmsplatz 11 . 70182 Stuttgart Tel. 0711.239 43-0 www.zar-stuttgart.de
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Nanz medico
Wie die Vorsteherdrüse dem Mann das Leben schwermachen kann Männer gehen nicht gerne zur Vorsorgeuntersuchung. Viele suchen erst bei akuten gesundheitlichen Problemen den Arzt auf – und auch das nur, wenn es gar nicht mehr anders geht. Vielleicht, weil Kranksein sich nicht mit dem Bild vom „starken Mann“ vereinbaren lässt: vielleicht aber auch, weil sie befürchten, dass der Arzt eine schlechte Nachricht für sie haben können – und da steckt man eben doch lieber den Kopf in den Sand. Eigentlich schade – denn die Koloskopie zur Darmkrebsvorsorge sollte für Männer wie Frauen ein Muss sein. Beim Mann kommt dann noch die Prostatakrebsvorsorge dazu – ebenfalls eine wichtige vorbeugende Maßnahme. Denn nicht jedes Prostatakarzinom ist ein „Haustierkrebs“, mit dem man 100 Jahre alt werden kann. Mit dem Motto der Beatles, „Obladi, oblada, life goes on“ – frei übersetzt: „Es kommt, wie es kommt“ – sollte man(n) es daher lieber nicht halten. Außer Krebs gibt es auch noch ein anderes Problem, mit dem die Vorsteherdrüse Männern in vorgerücktem Alter das Leben zur Hölle machen kann: die gutartige Prostatavergrößerung, die zu Beschwerden beim Wasserlassen führt und im fortgeschrittenen Stadium sogar die Nieren schädigen kann. Auch dieses Problem sollte man also nicht auf die leichte Schulter nehmen. Wir sprachen mit Professor Dr. med. Serdar Deger von der Klinik für Urologie des Paracelsus-Krankenhauses in Ruit. Ab welchem Alter sollten Männer zur Prostatakrebsvorsorge gehen? Prof. Deger: Fast alle großen Fachgesellschaften – die deutsche ebenso wie die europäische oder amerikanische urologische Gesellschaft – empfehlen eine Vorsorgeuntersuchung ab 40 Jahren bei Männern, bei denen eine familiäre Belastung für Prostatakrebs besteht; ansonsten ab 45 Jahren. Denn bei dieser Vorsorge ist es ganz besonders wichtig, die Veränderung der Prostata im Verlauf zu beobachten. Deshalb sollte man schon in relativ jungen Jahren mit den Untersuchungen beginnen.
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Welche Rolle spielt die Vorsteherdrüse oder Prostata im Organismus des Mannes? Prof. Deger: Die Prostata ist eine Drüse, die Flüssigkeit produziert. Diese Flüssigkeit wird dann in den Samenblasen – das sind kleine Bläschen, die an der Prostata dranhängen – gelagert, um den im Hoden gebildeten Samen die Nährstoffe zu liefern, die sie zum Überleben brauchen. Für Männer, die das fortpflanzungsfähige Alter bereits hinter sich haben, erfüllt die Prostata also eigentlich keine Funktion mehr. Dafür fängt sie jetzt an, Ärger zu machen: Sie kann sich vergrößern; oder Prostatazellen können bösartig werden und einen Tumor bilden.
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An welchen Symptomen erkennt man eine gutartige Vergrößerung der Prostata? Wann sollte man zum Arzt gehen? Prof. Deger: Der Begriff „Prostatavergrößerung“ (oder in der medizinischen Fachsprache: Prostatahypertrophie) ist eigentlich irreführend, denn für die Vorsteherdrüse gibt es keine Standardgröße; ich kann als Arzt also nicht berechnen, wie groß die Prostata eines 50- oder 70-Jährigen sein sollte. Wir sprechen immer dann von einer vergrößerten Prostata, wenn der Harnweg dadurch eingeengt wird. Somit muss in der Blase ein höherer Druck entstehen, damit diese entleert werden kann; der Patient muss also stärker pressen, hat aber trotzdem einen dünneren, schwächeren Harnstrahl und muss häufiger Wasser lassen. In der Regel steht er auch nachts auf, weil er seine Blase tagsüber nicht gut entleeren kann. Dadurch kann es auch zu Entzündungen oder Steinbildungen in der Blase kommen. Aber die klassischen Symptome bestehen darin, dass man einen schwächeren Harnstrahl hat, auf der Toilette länger braucht, um seine Blase zu entleeren, mehr pressen muss und hinterher nicht unbedingt das Gefühl hat, dass die Blase leer ist. Mit welchen Untersuchungen kann man eine Prostatahypertrophie diagnostizieren? Prof. Deger: Am wichtigsten sind die Harnstrahlmessung und der Ultraschall der Blase und der Nieren, um festzustellen: Wird die Harnblase beim Wasserlassen vollständig entleert? Ist die Wand der Blase bereits verdickt? Aber man schaut sich auch die Nieren an, denn wenn in der Blase permanent ein höherer Druck existiert, wird die Barriere zur Niere irgendwann unterbrochen, und der Urin läuft wieder in die Nieren zurück. So kommt es zu einem Stau, der die Nieren auf Dauer schädigen kann. Wie gehen Sie bei einer Prostatahypertrophie vor? Gibt es medikamentöse Behandlungsmöglichkeiten? Prof. Deger: Es gibt mehrere Therapieoptionen. Zum Beispiel Kürbiskernextrakte, die man rezeptfrei in der Apotheke kaufen kann. In einem sehr frühen Krankheitsstadium wirken diese Kürbiskernkapseln abschwellend auf die Prostata, was durchaus sinnvoll ist. In meinen Augen braucht man dazu aber kein Medikament zu kaufen; wenn man jeden
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Abend eine Schale Kürbiskerne isst, reicht das vollkommen aus. Außerdem gibt es Medikamente, die die Muskulatur am Blasenhals und in der Prostata schwächen, damit der Druck auf die Blase nachlässt. Dadurch kann der Patient besser Wasser lassen. Allerdings gehen diese Medikamente mit einer Ejakulationsstörung einher: Man hat zwar eine Ejakulation, aber dadurch, dass der Blasenhals und die Prostata weicher geworden sind, geht dieser Samenerguss nicht nach vorne, sondern nach hinten in die Blase, was manche Patienten als störend empfinden. Wann ist eine Operation sinnvoll? Prof. Deger: Ich würde immer dann dazu raten, wenn die Medikamente nicht mehr wirken oder nicht mehr ausreichen. Auch wenn der Patient seine Harnblase nicht mehr richtig entleeren kann, sodass immer wieder Rest-Urin in der Blase bleibt, ist eine Operation notwendig; denn das erhöht das Risiko für Infektionen. Und wie wird so ein operativer Eingriff durchgeführt? Prof. Deger: Das gängigste Operationsverfahren ist die transurethrale Resektion, bei der der Chirurg die Prostata durch die Harnröhre mithilfe einer elektrischen Schlinge ausschält. Das Gleiche lässt sich auch mit einem Laser erreichen. Letzten Endes geht es immer darum, Prostatagewebe zu entfernen und so den Druck auf die Blase zu reduzieren. Überschreitet die Größe der Prostata ein gewisses Limit, kann eine transurethrale Resektion für den Patienten gefährlich oder belastend sein, weil sie länger dauert und sehr viele Wasserspülungen erfordert. In diesem Fall kann man die Prostata auch operativ ausschälen, was wir in der Regel aber nicht in einer offenen Operation, sondern minimalinvasiv – also mit dem Laparoskop – machen. Das ist für den Patienten schonender, und er hat hinterher weniger Schmerzen. Führen Sie diesen Eingriff in Vollnarkose oder örtlicher Betäubung durch? Prof. Deger: Wenn wir im kleinen Becken – also durch die Harnröhre – operieren, ist eine Rückenmarksnarkose sehr sinnvoll, und zwar aus zweierlei Gründen: Erstens bleibt der Patient dabei wach, und wir können mit ihm kommunizieren. Zweitens
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hat die Rückenmarksnarkose den Vorteil, dass der Patient hinterher relativ schnell wieder essen und trinken kann. Und da die Spinalanästhesie auch nach dem Eingriff noch weiter wirkt, ist damit auch die Schmerztherapie nach der Operation gewährleistet.
man nur mit einem Tastbefund und im transrektalen Ultraschall. Der Tastbefund ist ein wichtiger Bestandteil der Vorsorgeuntersuchung; denn bei einem auffälligen Befund würde man unabhängig vom PSA-Wert eine Biopsie durchführen, also Gewebeproben aus der Prostata entnehmen.
Kommen wir zum Prostatakarzinom. Wie äußert sich diese Erkrankung? Prof. Deger: Leider verursacht ein Prostatakarzinom keinerlei Beschwerden: Die Patienten haben keine Schmerzen, keine Probleme beim Wasserlassen und fühlen sich gesund, obwohl sie eine bösartige Erkrankung haben. Genau deshalb sollten Männer regelmäßig zur Krebsvorsorge gehen.
Die Bestimmung des PSA-Werts im Rahmen der Vorsorge ist ein sehr umstrittenes Verfahren und wird daher von den gesetzlichen Krankenkassen nicht bezahlt; das heißt, der Patient muss dafür in die eigene Tasche greifen. Wie sinnvoll ist das? Prof. Deger: Es gibt eine große europäische Studie, die zeigt, dass die Bestimmung des PSA-Werts für die Patienten einen Überlebensvorteil bringt. Ein zu hoher PSA-Wert beweist zwar nicht, dass ein bösartiger Tumor vorliegen muss; er ist aber prostataspezifisch, das heißt, diese Substanz im Blut kann nur von der Prostata kommen, und ein erhöhter Wert zeigt an, dass mit dieser Drüse etwas nicht in Ordnung ist – ob das nun unbedingt Krebs ist oder ein anderes Problem vorliegt, müssen weitere Untersuchungen zeigen. Wer sich für eine Vorsorge entscheidet, sollte also auch einen PSA-Wert abnehmen lassen. Das kostet nicht mehr als 20 oder 30 Euro, die der Patient dann eben aus eigener Tasche bezahlen muss. Durch die Krebsvorsorge fallen Patienten bereits in einem frühen Stadium des Prostatakarzinoms auf, und dann hat man mehr Optionen: Man kann erst einmal abwarten oder aber sich für eine Behandlung entscheiden.
Was für Untersuchungen werden da durchgeführt? Prof. Deger: Bei der Prostatakrebsvorsorge gibt es drei Säulen: die digitale rektale Untersuchung, den transrektalen Ultraschall und den PSA-Wert. Wir wissen, dass diese drei Komponenten gemeinsam stärker sind als jede einzelne. Das heißt, man kann eine komplette Prostatakrebsvorsorge nur dann durchführen, wenn man alle drei Befunde erhebt. Bei der digitalen rektalen Untersuchung tastet der Arzt die Prostata mit dem Finger durch den Mastdarm ab. Ergänzend dazu wird eine Ultraschallsonde in den Mastdarm eingeführt, die Bilder von der Prostata und ihrer Umgebung liefert. Außerdem sollte der PSA-Wert bestimmt werden. Die Abkürzung PSA steht für „prostataspezifisches Antigen“ – ein Zucker-Eiweiß-Molekül, das im Blut normalerweise nur in Spuren nachweisbar ist. Bei gut- und bösartigen Erkrankungen der Prostata, aber auch bei körperlicher Anstrengung oder Druck auf die Prostata steigt der PSA-Wert im Blut an. Beim PSA handelt es sich also nicht um einen tumorspezifischen Marker; doch wenn die Werte bei mehreren Messungen zu hoch ausfallen oder ansteigen, besteht Verdacht auf ein Karzinom. Würde eine regelmäßige Kontrolle des PSAWerts denn dann nicht ausreichen – sodass der Patient sich die anderen, etwas unangenehmeren Vorsorgeuntersuchungen ersparen kann? Prof. Deger: Nein. 20 bis 25% aller Prostatakarzinome sind PSA-negativ; das heißt, der PSA-Wert erhöht sich dabei nicht. Diese Karzinome erkennt
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Wann und wie wird eine Biopsie durchgeführt? Prof. Deger: Wir entnehmen immer dann Gewebeproben, wenn der PSA bei mehreren Untersuchungen zu hoch ist (normal ist ein PSA-Wert unter vier) oder sich im Verlauf verschlechtert. Auch bei Patienten mit auffälligem Tastbefund ist eine Biopsie
Prof. Dr. Serdar Deger, Chefarzt der Klinik für Urologie Kreiskliniken Esslingen gGmbH, Paracelsus-Krankenhaus Ruit Hedelfinger Str. 166 73760 Ostfildern Tel.: 0711 4488-11350 E-Mail: urologie@kk-es.de www.kk-es.de
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erforderlich. Diese Biopsien werden mit einem transrektalen Ultraschall durchgeführt, und wir entnehmen zehn bis zwölf Gewebeproben aus verschiedenen Bereichen der Prostata.
gen des Patienten berücksichtigen. Im fortgeschrittenen Krankheitsstadium müssen vielleicht auch mehrere Therapien hintereinandergeschaltet werden.
Werden solche Biopsien unter örtlicher Betäubung durchgeführt? Prof. Deger: Ja. Wir spritzen dem Patienten vorher ein Lokalanästhetikum um die Prostata herum. Das ist sehr wirksam; nur sehr wenige Patienten haben während dieser Prozedur oder danach Schmerzen.
Ist die chirurgische Variante sicherer? Prof. Deger: Nein. Je nach Stadium gibt es für beide Therapiesäulen gute Ergebnisse. Die operative Therapie bietet in meinen Augen insofern einen größeren Vorteil, als der Patient genaue Informationen über seine Erkrankung erhält, was bei der Bestrahlung nicht der Fall ist. Denn bei der Operation entfernen wir die Prostata – je nach Stadium mit oder ohne Lymphknoten – und erhalten bei der Untersuchung des entnommenen Tumorgewebes ein genaues Ergebnis. Dieses Ergebnis kann unter Umständen zeigen, dass der Tumor größer oder aggressiver ist als ursprünglich angenommen; dann brauchen wir weiterführende Therapiemaßnahmen. Ich glaube, dieses Wissen ist der größte Gewinn bei einer operativen Therapie. Ansonsten gibt es Patienten, die mehr von der einen oder der anderen Maßnahme profitieren; aber das kann man nicht pauschal sagen, das muss man individuell betrachten. Bei uns wird die operative Prostataentfernung immer minimalinvasiv, also sehr patientenschonend durchgeführt.
Wann muss man einen Patienten mit Prostatakarzinom operieren? Können Sie voraussagen, ob es sich um einen aggressiven Tumor handelt oder um einen harmlosen, an dem der Patient nicht sterben wird? Prof. Deger: Inzwischen liegen uns über das Prostatakarzinom sehr viele Daten vor, die eine Einteilung in mehrere verschiedene Profile ermöglichen. Es gibt ein Niederrisiko-, ein mittleres Risiko- und ein Hochrisikoprofil. Die Biopsie sagt etwas über die Aggressivität des Tumors aus und verrät uns (weil wir ja von mehreren Bereichen Proben genommen haben) auch, wo sich der Tumor befindet bzw. wie er in der Prostata verteilt ist. Die Antworten auf all diese Fragen – haben wir es mit einem aggressiven Tumor zu tun? ist er noch lokal beschränkt oder bereits über die ganze Prostata verteilt? – beeinflussen dann die weitere Vorgehensweise: „Abwarten und Tee trinken“, Bestrahlen oder Operieren. Ist vorerst keine Therapie notwendig, heißt das aber nicht, dass der Patient einfach nach Hause gehen kann und erst in fünf Jahren wiederkommen muss. In solchen Fällen führen wir eine aktive Beobachtung mit regelmäßigen PSAund Biopsie-Kontrollen durch; denn wenn der PSA-Wert weiter steigt oder der Aggressivitätsgrad des Tumors sich verändert, müssen wir eine aktive Therapie einleiten. Bei einem aggressiven Tumor muss man von vornherein über eine aktive Behandlung nachdenken. Die Prostatakrebstherapie hat zwei große Säulen: die Strahlentherapie und die operative Entfernung der Prostata. Welche der beiden Therapieoptionen ist besser? Prof. Deger: Die Behandlung von Prostatakarzinomen sollte individuell gestaltet werden. Das heißt, der Arzt muss dabei die Bedürfnisse und Erwartun-
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Kann man Prostataproblemen auch vorbeugen? Prof. Deger: Alles, was den Darm schont, ist auch gut für die Prostata: Das heißt, scharfes oder würziges Essen und Alkohol sollte man meiden. Aber dass die Prostata im Alter wächst, kann man dadurch leider nicht verhindern. Das ist einfach eine Alterserscheinung. Was den Prostatakrebs anbelangt, muss jeder für sich selber die Entscheidung treffen: „Möchte ich eine Vorsorge betreiben, will ich wissen, ob ich ein Prostatakarzinom habe oder nicht?“ Und wenn Sie sich für eine Vorsorge entscheiden, sollten Sie sich auch gleich über die zweite Frage klarwerden: „Was tue ich dann?“ Wenn die Antwort lautet: „Ich würde in so einem Fall gar nichts machen“, brauchen Sie auch nicht zur Vorsorge zu gehen. Viele Männer, die eine Vorsorgeuntersuchung durchführen lassen, haben diese Entscheidung über das weitere Vorgehen noch gar nicht getroffen, sodass eine unschöne Diagnose sie dann überrumpelt, weil sie nicht wissen, was sie jetzt tun sollen.
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Das Gesundheitsgespräch mit Johannes Bauernfeind
Das System als chronisch kranker Patient Die Kassenbeiträge steigen, Medikamentenpreise explodieren und Kliniken treiben in die Insolvenz: Die Forderung nach einer wirklichen Reform unseres Gesundheitssystems ist vital. Werner Waldmann unterhielt sich mit dem Geschäftsführer der AOK Neckar-Fils. Die Ausgaben im Gesundheitswesen steigen, die Einnahmen halten nicht mit. Krankenkassen müssen ihre Beiträge anheben. Wie geht es unseren Krankenkassen finanziell? Johannes Bauernfeind: Die Entscheidungen des Bundesgesetzgebers treiben die Ausgaben kontinuierlich nach oben. Es sind viele Gesetze erlassen worden, die Mehrausgaben mit sich bringen, insbesondere im Bereich der Krankenhausversorgung. Aber es gibt auch andere Bereiche, z. B. Leistungsausweitungen, die Versicherten zugute kommen, aber letztendlich über den Zusatzbeiträge finanziert werden, der jetzt zum 1. Januar angestiegen ist. Der vom Bundesministerium festgelegte durchschnittliche Zusatzbeitragssatz liegt jetzt bei 1,1% (im Jahr davor hatte er noch 0,9% betragen), und die allermeisten Krankenkassen haben diesen Schritt nachvollzogen, manche sind bei der Erhöhung ihrer Zusatzbeiträge sogar noch deutlich darüber hinausgegangen. Es gibt nur noch ganz wenige Kassen, die unterhalb dieser 1,1%-Grenze liegen. Glücklicherweise gehört die AOK BadenWürttemberg momentan auch dazu. Wir liegen derzeit bei 1,0 %. Aber das zeigt: Auch wir müssen Ausgabensteigerungen weitergeben, wir können das nicht alles refinanzieren durch gute Vertragsgestaltung oder eine Optimierung der Versorgungsangebote, die wir mitgestalten können. Es gibt viele Prognosen, die davon ausgehen, dass in den nächsten Jahren der Zusatzbeitragssatz deutlich steigen wird – allein deswegen, weil auch jetzt schon gesetzlich festgelegte Regelungen erst im Jahr 2017 und 2018 greifen und sich auf die Ausgabenentwicklung auswirken werden. Und noch etwas wird deutlich: Die Spreizung zwischen den Krankenkassen wird immer größer, d.h. die finanzielle Belastung, die aus der Gesetzgebung resultiert, trifft offensichtlich auf unterschiedliche Belastbarkeiten der einzelnen Krankenkassen – sei es, dass sie noch Rücklagen aus der Vergangenheit
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haben, die sie jetzt aufzehren, sodass sie das nicht alles über höhere Zusatzbeiträge an die Mitglieder weitergeben müssen; sei es, dass sie besser aufgestellt sind. Was die teuren Medikamente betrifft, heißt es jetzt in der Presse, von einer Kostenexplosion sei keine Rede. Trifft das wirklich zu? Johannes Bauernfeind: Die Ausgabenentwicklung bei bestimmten wenigen Arzneimitteln ist exorbitant. Die Entwicklung der Arzneimittelausgaben insgesamt ist hoch gegenüber anderen Leistungsausgaben. Nichtsdestotrotz sind es nur einige wenige Medikamentenbereiche, die extreme Kostentreiber sind. Das sind die Arzneimittel zur Behandlung von Hepatitis C, teilweise auch Krebsmedikamente, die extrem hohe Preise am Markt verlangen, weil die Pharmafirmen dies momentan noch dürfen und können. Wenn es keine Probleme in diesem Bereich gäbe, würde sich der Gesetzgeber ja nicht überlegen: Wie können wir hier eine Begrenzung einziehen, gerade bei solchen exorbitanten Preissteigerungen? Die Idee ist jetzt – so habe ich es zumindest in der Presse verfolgt –, dass man bei Arzneimitteln, die innerhalb ihrer Einführungsphase sehr schnell exorbitant hohe Umsätze erzielen, die freie Preisgestaltung durch die Hersteller begrenzen möchte, d. h. dass dort Vereinbarungen zwischen den Krankenkassen und dem Hersteller über eine Preisfindung getroffen werden und dass diese Preise dann sehr viel schneller greifen als bisher. 2015 zahlte die GKV rund 80 Milliarden für die Klinikbehandlung; 2016 wird es wahrscheinlich noch teurer. Trotzdem schreiben viele Kliniken rote Zahlen. Was kann man da tun? Man redet ja auch immer wieder von Strukturänderungen. Was ist damit gemeint, wie könnte das aussehen?
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Johannes Bauernfeind: Strukturänderungen sind eine Forderung von vielen, aber es gibt bisher nur wenige Gesetze, die den Namen Struktur in sich getragen haben und das Thema Krankenhausstruktur auch angegangen sind. Hier wird nach wie vor viel zu wenig getan. Die Grundprobleme sind in all den Jahren immer nur dadurch gelöst werden, dass man an der einen oder anderen Stelle einfach versucht hat, Mittel zielgenauer einzusetzen, oder man hat quasi für die eine oder andere spezifische Maßnahme Geld draufgelegt – sei es für Hygiene, sei es für die Pflegekräfte oder für die laufende Instandsetzung. Doch es sind immer nur Löcher gestopft worden; die Grundprobleme ist man nie angegangen. Das letzte Gesetz – das Krankenhausstrukturgesetz – hat im Grunde genommen auch keine wesentlichen Veränderungen gebracht. Es gibt ein paar wenige Elemente, deren Wirksamkeit durchaus als positiv zu bewerten ist; das ist das Thema, inwieweit Qualität der Versorgung sich auch in der Planung niederschlagen kann. Da sind letzten Endes die Länder gefordert, das real anzuwenden. Aber es sind zumindest mal Denkanstöße in die Landesplanung hinein. Das ist auch eine Erwartung von uns an die Krankenhausplanung hier in der Region, dass sie Möglichkeiten aufgreift, Qualitätsmerkmale in die Krankenhausplanung zu integrieren. Der nächste wichtige Punkt ist das Thema des Strukturfonds: dass man versuchen möchte, über Mittel, die dort insgesamt der GKV oder für die Krankenhäuser zur Verfügung stehen, gezielt bestimmte Strukturen so anzugehen, dass dort die Versorgungsstrukturen optimiert werden. Manch einer spricht in diesem Zusammenhang von Abwrackprämien, aber letzten Endes kann das eine oder andere medizinisch nicht leistungsfähige Krankenhaus, das hohe Kosten verursacht, vielleicht doch eher aus der Versorgung herausgenommen werden. Leistungsfähigere Krankenhäuser, die trotzdem noch immer in der Nähe liegen, können diese Versorgungsangebote übernehmen und besser realisieren. Gibt es einfach immer noch zu viele Kliniken? Johannes Bauernfeind: Wenn jede Klinik nur auf ihre eigenen Interessen schaut und die Gesamtversorgung nicht gemeinsam strukturiert wird, dann haben wir definitiv ein zu großes Angebot. Und dann muss man sich die Frage stellen, ob die Strategie nicht sinnvoll ist, die schon im letzten Jahrtausend in Lörrach angegangen wurde mit einer Konzentration von Standorten, mit einer Verbesserung des Angebots insgesamt, aber eben an zentraleren Orten. Der Rems-Murr-Kreis ist einen ähnlichen Weg gegangen: Aus drei Krankenhäusern sind zwei geworden; man hat dort auch Angebote konzentriert, weil man festgestellt hat: Wir können das nicht leisten, diese relativ schwachen Einzelstrukturen aufrechtzuerhalten; man muss starke, zusammengefasste Strukturen aufbauen. Auch im
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Landkreis Esslingen ist hier ein erster Schritt in die richtige Richtung gegangen worden. Man kann logischerweise nicht frisch aufgebaute oder frisch sanierte Krankenhäuser einfach wieder zumachen. Aber es besteht sicherlich die Notwendigkeit einer besseren Abstimmung der Versorgungsangebote im Landkreis Esslingen, genauso auch im Landkreis Göppingen, auch über die Landkreisgrenzen hinaus, auch innerhalb der Region Stuttgart insgesamt; und da sind die Krankenhausträger gefordert, für eine solche gemeinsame Versorgungsgestaltung offener zu sein – gemeinsam auch mit den Krankenkassen – und nicht immer nur auf ihre eigenen Interessen zu schauen. Doppelversorgungen innerhalb einer Region, die nicht notwendig sind, müssten beseitigt werden. Das Problem ist wohl das Konkurrenzdenken zwischen den einzelnen Kliniken. Johannes Bauernfeind: Kliniken stehen im Wettbewerb miteinander Da ist es schwer, auf Dinge zu verzichten, die auch Geld in die Kassen bringen. Aber es findet zu wenig Dialog im Hinblick auf diese Themen statt, um sich dort abzustimmen. Es gibt sicherlich Möglichkeiten – insbesondere im Hinblick auf die Versorgungsqualität – hier zu einer entsprechenden Abstimmung von Versorgungsangeboten zu kommen. Wenn jeder alles macht, kann es nun einmal nicht jeder besonders gut machen – Stichwort: Mindestmengen. Johannes Bauernfeind: Mindestmengen bedeuten immer auch Expertise und Übung. Die Prozesse sind gut organisiert, das gesamte Personal ist gut auf die Prozesse eingestellt. Es passieren weniger Fehler. Das sind Erfahrungswerte. Daran sollte man sich vielleicht auch stärker messen, statt immer nur zu fragen: Wie hoch ist die Vergütung für die jeweilige Leistung? Kann ich es mir leisten, etwas nicht zu tun? Aber es geht natürlich auch immer um das Renommee der jeweiligen klinischen Einrichtung. Jeder versucht Leuchttürme für sich aufzubauen, die weithin leuchten und vermeintlich Patienten bringen. Sie bringen aber nicht immer Qualität, sondern in der Regel hohe Kosten; und sie bringen nicht unbedingt effizientere Prozesse in den Krankenhausbetrieb hinein.
Johannes Bauernfeind, Geschäftsführer der AOK Neckar-Fils
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Herzinfarkt: Wie hoch ist mein Risiko – und wie kann ich vorbeugen? Jedem Menschen sollte es – im wahrsten Sinn des Wortes – am Herzen liegen, zu wissen, wie hoch sein HerzKreislauf-Risiko ist. Da spielen verschiedene Faktoren eine Rolle – und viele kann man im positiven Sinn beeinflussen. Zum Beispiel die Lebensweise: Wer auf sein Gewicht achtet, sich regelmäßig bewegt und nicht raucht, hat auf jeden Fall die besseren Karten. Doch selbst wenn sich das Risiko auf diese Weise nicht in den Griff bekommen lässt (zum Beispiel, weil man erblich vorbelastet ist oder unter Diabetes leidet), ist das heute kein Grund mehr zum Verzweifeln: Die moderne Kardiologie bietet viele Möglichkeiten zur Diagnostik und Therapie von HerzKreislauf-Erkrankungen. Welche Untersuchungen sind sinnvoll? Welche Medikamente helfen? Und was kann man selber tun, damit die „Pumpe“ nicht schlapp macht? Darüber unterhielt sich Dr. med. Suso Lederle im Rahmen seiner Veranstaltung „Gesundheit beginnt im Kopf“ mit dem Kardiologen Professor Dr. Matthias Leschke. Viele Menschen werden viel zu früh vom Herzinfarkt getroffen – oft völlig unerwartet, aus einem gesunden Leben heraus. Wie kommt so etwas? Prof. Leschke: Wenn jemand in noch relativ jungen Jahren einen Herzinfarkt oder plötzlichen Herztod erleidet, liegt häufig eine familiäre Risikokonstellation vor; das heißt, der Patient hat genetisch bedingt ein erhöhtes Herz-Kreislauf-Risiko. Oft sind Menschen, die frühzeitig einen Herzinfarkt bekommen, auch starke Raucher oder Diabetiker: 20 bis 30% aller Herzinfarktpatienten leiden an einem bereits bekannten, meist schon seit längerer Zeit bestehenden Diabetes. Bei diesen Patienten hat der Hausarzt vielleicht mal erhöhte Blutzuckerwerte festgestellt, aber eben leider keine konsequente Gefäßdiagnostik durchgeführt, sondern einfach nur gesagt: „Ach, so ein bisschen Alterszucker, das ist nicht so schlimm.“ Aber diesen „Altersdiabetes“ darf man nicht auf die leichte Schulter nehmen – daran sterben die Menschen. Bei weiteren 30% aller Herzinfarktpatienten stellt man im Nachhinein einen Diabetes fest, der bis dahin nicht erkannt und somit auch nicht adäquat behandelt wurde. Wie ermittelt man das Herz-Kreislauf-Risiko eines Menschen? Prof. Leschke: Wir Kardiologen orientieren uns an strikten Leitlinien. Dennoch sind die Übergänge fließend. Beim Blutdruck gibt es zum Beispiel eindeutige Zielwerte: maximal 140 zu 90 mmHg. Aber neuesten Erkenntnissen zufolge reichen diese Werte langfristig wahrscheinlich nicht aus; für einen Großteil unserer Patienten wären wesentlich niedrigere Werte besser. Bei den Cholesterinwerten gilt
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als Richtwert 200, vielleicht auch noch 210 oder 220 mg/dl. Das ist das Gesamtcholesterin; aber es ist auch wichtig, zu wissen, wie hoch das „gute“ HDL-Cholesterin ist, das unsere Gefäße schützt, und wie es um den Spiegel des „schlechten“, gefäßschädigenden LDL-Cholesterins bestellt ist. Außerdem muss man sich auch die Familie des Patienten anschauen: Wie alt sind die Eltern geworden? Sind in der Familie vorzeitig (also unter 55 Jahren) Herz-Kreislauf-Ereignisse aufgetreten? Denn dann man ein bis zu fünffach höheres Risiko, selbst einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden. Und nicht zuletzt frage ich alle meine Patienten (auch die älteren) nach ihrer körperlichen Aktivität. Sport ist in jedem Lebensalter wichtig. Es gibt ja den berühmten Satz „Wir sind so alt wie unsere Gefäße“. Warum spielen gerade die Arterien für unsere Herz-Kreislauf-Gesundheit eine so wichtige Rolle, und warum nehmen sie so leicht Schaden? Prof. Leschke: Im Lauf der Zeit kommt es in den Arterien zu Abnutzungen und Ablagerungen. Diese Ablagerungen (im medizinischen Fachjargon als Arteriosklerose bezeichnet) bestehen aus Kalk, Cholesterinkristallen, Blutbestandteilen und Entzündungszellen. Dieser Prozess beginnt schon im Kindesalter und setzt sich über Jahrzehnte hinweg fort – bis es irgendwann zur Katastrophe kommt: Dann bricht so eine arteriosklerotische Plaque auf, und es werden Blutplättchen aktiviert, die sich dort anlagern. So entsteht ein Blutgerinnsel, das die Herzkranzgefäße oder Hirnarterien – manchmal auch die Arterien der Beine – verschließt.
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Zu einem Herzinfarkt oder Schlaganfall kommt es also nicht durch Gefäßverengungen? Prof. Leschke: Nein. Bis in die Achtzigerjahre hinein war man tatsächlich der Meinung, dass arteriosklerotische Ablagerungen mit der Zeit immer stärker werden, irgendwann ein Gefäß verschließen, und durch diesen Verschluss entsteht dann der Herzinfarkt. Das ist eine völlig falsche Vorstellung. Zum Infarkt kommt es nicht durch die Ablagerungen an sich, sondern durch Einrisse arteriosklerotischer Plaques (sogenannte Rupturen). Wenn ein Kardiologe also verspricht: „Ich kann anhand einer Herzkatheteruntersuchung feststellen, welches Gefäß bei Ihnen möglicherweise einmal zu einem Herzinfarkt führen wird, weil da hochgradige Engstellen vorliegen“, wäre ich anstelle des Patienten vorsichtig. Solche Engstellen führen fast nie zu einem Herzinfarkt; daher kann man das Infarktrisiko durch eine Herzkatheteruntersuchung auch nicht erkennen. Eine Katheterintervention hat ihren Stellenwert in meinen Augen hauptsächlich in der Behandlung des Herzinfarkts – und vielleicht auch, um bei Patienten mit Angina pectoris-Beschwerden hochgradige Engstellen zu beseitigen. Dadurch verbessert sich die Lebensqualität, aber nicht die Prognose des Patienten. Welche Plaques erhöhen das Herzinfarktrisiko? Prof. Leschke: Bedrohlich sind vor allem die fetthaltigen Ablagerungen, weil sie besonders rupturgefährdet sind. Eine kalkdichte Ablagerung platzt nicht auf. Aber wenn eine Plaque Fette enthält, dann ist der Kern dieser Ablagerung flüssiger, und sie reißt bei mechanischen Belastungen des Gefäßsystems, Bewegungen oder Blutdruckschwankungen eher ein. Deshalb ist es unsinnig, Patienten Angst einzujagen, indem man sagt: „Sie haben da eine 70- oder 80-prozentige Engstelle der Halsschlagader, also sind Sie schlaganfallgefährdet.“ Denn wir wissen, dass da fast nie etwas passiert: Solche Gefäßveränderungen können über Jahrzehnte stabil bleiben. Nur 10 bis 15% aller Schlaganfälle entstehen auf dem Boden von Verengungen der Halsschlagader. Allein in Deutschland werden jedes Jahr 5000 Interventionen und Operationen bei asymptomatischen Veränderungen der Halsschlagadern vorgenommen – wahrscheinlich viel zu viele: Denn in Dänemark, wo in solchen Fällen nichts unternommen wird, ist die Schlaganfallrate
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Infarktgebiet
Verstopft ein Herzkranzgefäß durch ein Blutgerinnsel, so wird die von diesem Gefäß versorgte Region des Herzmuskels nicht mehr mit Sauerstoff beliefert und stirbt ab.
nicht höher als bei uns. Bedenklich sind Verengungen der Halsschlagader erst, wenn sie mit neurologischen Ausfallerscheinungen einhergehen. Ist es denn wirklich nur das Cholesterin (oder genauer gesagt: das schädliche LDL-Cholesterin), das zur Entstehung dieser gefährlichen
Prof. Dr. med. Matthias Leschke ist Chefarzt der Klinik für Kardiologie, Angiologie und Pneumologie am Klinikum Esslingen. Hirschlandstr. 97 73730 Esslingen Tel.: 0711 3103-2401 Fax: 0711 3103-2405 E-Mail: m.leschke@klinikum-esslingen.de
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Wie entstehen in Arterien gefährliche Blutgerinnsel? Normale, das heißt gesunde, Blutgefäße haben eine völlig glatte Innenwand, damit das Blut widerstandslos durch sie fließen kann.
Ablagerungen aus Cholesterin und Körperzellen bilden in der Wand des Blutgefäßes Ablagerungen (Plaques) und engen das Gefäß ein.
Reißt eine solche Ablagerung ein, so bildet sich ein Blutgerinnsel und blockiert das Gefäß vollständig. Der Blutstrom ist unterbrochen.
Plaques führt, oder spielen auch Entzündungen eine Rolle? Prof. Leschke: Wenn man Gefäße mit arteriosklerotischen Ablagerungen feingeweblich untersucht, findet man dort sehr viele Entzündungszellen. Diese Entzündungsprozesse in der Gefäßwand sind umso ausgeprägter, je ungesünder die betreffende Person lebt, aber interessanterweise auch, je höher die Cholesterinwerte sind. Wenn das LDL-Cholesterin auf die 200 zugeht, bisher aber noch keine Herz-Kreislauf-Erkrankung vorliegt – sollte man diese erhöhten Werte dann behandeln oder lieber erst mal abwarten? Prof. Leschke: Wenn jemand einfach nur ein erhöhtes Cholesterin und keine weiteren Risikofaktoren hat, ist das kein Behandlungsgrund. Man muss fragen: Besteht bei diesem Patienten womöglich ein erhöhtes genetisches Risiko, weil Eltern oder Verwandte bereits mit unter 50 Jahren einen Schlaganfall oder Herzinfarkt erlitten haben? Liegt zusätzlich auch noch ein Diabetes mellitus und/oder ein zu hoher Blutdruck vor? Dann könnte man schon über eine medikamentöse Behandlung nachdenken. Das gilt erst recht für Patienten, die
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bereits einen Schlaganfall oder Herzinfarkt erlitten haben: Bei ihnen streben wir einen sehr niedrigen Cholesterinwert an, denn in solchen Fällen ist es sehr wahrscheinlich, dass die Gefäßveränderungen fortschreiten. Wenn man das LDL-Cholesterin bei diesen Patienten durch Behandlung mit hochdosierten Statinen auf Werte unter 100, möglichst sogar unter 70 md/dl absenkt, kann man die Arteriosklerose zum Stillstand bringen. Was bewirken Statine? Prof. Leschke: Wir setzen diese Präparate nicht ein, um die Cholesterinwerte zu senken. Das ist zwar auch ein Effekt, den man damit erzielt; aber eigentlich kommt es darauf an, die Entzündungsprozesse in den Gefäßen zum Stillstand zu bringen und die arteriosklerotischen Ablagerungen zu stabilisieren. Außerdem ist bei Gefäßveränderungen immer ein ganzheitliches Behandlungskonzept anzustreben: Es hat keinen Sinn, das Cholesterin zu senken, aber einen zu hohen Blutdruck oder einen Diabetes unbehandelt zu lassen, und umgekehrt. Spielt bei zu hohem Cholesterin denn nicht auch die Ernährung eine Rolle? Prof. Leschke: Obwohl cholesterinsenkende Medikamente äußerst wirksam sind, sollte der Patient seine Ernährung trotzdem umstellen. Denn mittlerweile gibt es sehr gute Daten, die beweisen, dass eine mediterrane Kost mit viel Fisch, Olivenöl, Nüssen, Obst und Gemüse tatsächlich das Risiko für einen Herzinfarkt oder Schlaganfall senkt. Wie gut muss ein Typ-2-Diabetes eingestellt werden, um das Herz-Kreislauf-Risiko zu senken? Prof. Leschke: Bisher gibt es keinerlei Daten, die zeigen, dass eine gute Blutzuckereinstellung vor Herzinfarkten schützt. Man kann bei jedem Diabetiker durch Insulinspritzen den Blutzucker auf Normalwerte bringen – aber mit welchem Erfolg? Die Patienten nehmen zu, bekommen Heißhunger und sind von ihrer Stoffwechselsituation her dann noch wesentlich schlechter dran. Daher lautet unsere Devise, bei Typ-2-Diabetikern möglichst spät eine Insulintherapie durchzuführen. Die Gefahr für einen Diabetiker liegt nicht im erhöhten Blutzuckerspiegel, sondern in den Gefäßen. An einer Stoffwechselentgleisung stirbt heutzutage kein Diabetiker mehr: 80% aller Diabetiker versterben am Herzin-
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farkt oder Schlaganfall oder an einer Amputation infolge einer Verkalkung der Beinarterien. Deshalb darf man sich bei Typ 2-Diabetikern nicht zu einseitig auf die Blutzuckereinstellung konzentrieren; denn dass ein zu hoher Blutzucker per se die Herzund Hirnarterien schädigt, ist nach bisherigem Kenntnisstand eher unwahrscheinlich. Bei Diabetikern muss man ganz besonders auf die Gefäße achten, also eine Ultraschalluntersuchung der Halsschlagader durchführen und auf eine gute Einstellung des Blutdrucks und der Cholesterinwerte achten; denn es gibt praktisch keinen Diabetiker, der normale Blutdruck- und Blutfettwerte hat. Typ-2-Diabetiker sind meistens übergewichtig; also müssten sie sich ja eigentlich auch um eine Gewichtsreduktion bemühen, oder nicht? Prof. Leschke: Das wäre langfristig sicherlich die erfolgreichste Therapiemaßnahme, ist aber leider nur selten von Erfolg gekrönt. Denn es gibt keine wirklich guten Strategien zur Gewichtsreduktion; die Medikamente, die man dazu in der Vergangenheit eingesetzt hat, wurden alle wegen unerwünschter Nebenwirkungen aus dem Verkehr gezogen. Stark übergewichtige Patienten sollten körperlich aktiv sein; denn Bewegung ist der beste Gefäßschutz, den es gibt. Bewegung senkt den Blutdruck, den Blutzuckerspiegel und die Blutfette und verändert die Fließeigenschaften des Blutes: Das Blut wird fließfähiger, kann nicht mehr so leicht Gerinnsel bilden. Und körperliche Aktivität reduziert auch die Ausschüttung bestimmter Stresshormone. Selbst für Patienten mit Herzschwäche ist Bewegung sinnvoll, denn dadurch kann das HerzKreislauf-System wesentlich ökonomischer mit der geschwächten Herzleistung umgehen. Da reichen schon Spaziergänge, ein dosiertes Hanteltraining oder ein leichtes Ergometertraining aus. Es kommt nicht nur auf das Gewicht an, sondern auch auf den Bauchumfang. Prof. Leschke: Richtig. Bei Männern sollte der Bauchumfang nicht mehr als 108 cm, bei Frauen höchstens 98 cm betragen. Anhand dieses Maßes kann jeder Mensch sein Herz-Kreislauf-Risiko problemlos selbst beurteilen: Man nimmt ein Maßband, atmet ganz normal und ruhig ein (also nicht den Bauch einziehen) und misst den Bauchumfang in Atemmittellage etwas oberhalb des Nabels.
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Liegt er über dieser Obergrenze, so hat man ein erhöhtes Risiko. Das liegt nicht so sehr am oberflächlichen Fettgewebe, sondern an den Fettzellen zwischen den Darmschlingen: Diese Zellen sind tickende Zeitbomben, denn sie produzieren viele Entzündungseiweiße, Gerinnungsfaktoren und andere Stoffe, die die Entstehung krankhafter Gefäßveränderungen begünstigen. Wenn man abnimmt, schmelzen zuallererst diese Zellen weg. Deshalb sollte der Arzt einem Patienten nicht sagen: „Nehmen Sie so viel ab, dass Sie auf Ihr Normalgewicht kommen“ – das frustriert ihn nur, weil er es in der Regel sowieso nicht schafft. Schon eine Gewichtsabnahme um 5 kg führt bei übergewichtigen Menschen zur Einschmelzung dieser aggressiven Fettzellen; und das ist enorm wichtig, weil man dieses gefährliche Bauchfett medikamentös nicht so gut in den Griff bekommt.
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Der ICD Ein implantierbarer Kardioverter oder Defibrillator (ICD) ist ein kleines Elektrogerät, das Patienten eingesetzt wird, die ein hohes Risiko für lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen haben. Die Elektroden des ICD befinden sich in der Herzkammer und haben auf diese Weise direkten Kontakt zum Herzmuskel. Kommt es irgendwann zu Herzkammerflattern oder -flimmern, wird automatisch ein elektrischer Impuls ausgelöst. Dieser Stromstoß bewirkt, dass sich die Herzmuskelaktivität wieder normalisiert und die lebenswichtige Pumpleistung des Organs ist wieder gegeben. Implantiert wird das Gerät wie ein Herzschrittmacher.
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Wir vom Vital-Zentrum Glotz (www.glotz.de) wollen Menschen mit Handicap für ein sicheres Leben Unterstützung anbieten. So haben wir für einen Fußballspieler, der einen implantierten Defibrillator trägt und diese Körperstelle gegen Schläge schützen muss, einen speziellen Protector entwickelt. Dieses individuell entwickelte Hilfsmittel lässt sich in unzähligen Lebenssituationen einsetzen. Joachim Glotz
Der Protector für implantierte Defibrillatoren und Herzschrittmacher „Vor ungefähr anderthalb Jahren rief mich ein Physiotherapeut der Stuttgarter Kickers an“, schildert Orthopädietechniker-Meister Thomas Maas vom Vital-Zentrum Glotz den Beginn einer genialen Erfindung zum Schutz für Herzschrittmacher- und Defi-Träger. „Er hatte einen Fußballspieler mit einem implantierten Defibrillator. Der Spieler durfte nicht aufs Spielfeld, da die Gefahr bestand, dass der Ball die Körperstelle treffen konnte, unter welcher der Defi implantiert war. Dies war ein echtes Problem. Ob ich eine Lösung hätte, fragte der Physiotherapeut, und etwas bauen könnte, das den Defi des Spielers vor Schlägen schütze. Der Mann war zwar mit einem Hilfsmittel ver-
sorgt, kam damit aber nicht zurecht. Es handelte sich um einen ziemlich schweren Protector, eine Art Schwimmanzug. Darin schwitzte der Spieler sehr stark und hatte Probleme mit der Atmung, weil der Schutz sehr eng am Oberkörper anlag. Wir brauchten also etwas, das die freie Atmung ermöglicht, mit dem man nicht schwitzt, was schnell anzuziehen ist und zu 100 % den Körperbereich sicher um den Defibrillator absichert. Zunächst überlegte ich mir, ob man diesen Protector über einen Gurt am Körper fixieren könnte. Das war aber keine gute Idee. Das Problem ist, dass der Protector beim Spielen nicht verrutschen darf und auf der zu schützenden Stelle bleiben muss. Ich entschloss mich dann, eine anatomische Schulterschlinge zu konstruieren und zwar aus einem festen Kunststoff-
Der Fußballprofi Daniel Engelbrecht mit dem Prototyp des Protectors vom VitalZentrum Glotz
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material, das nicht schnürt, sondern die Schulter kreisförmig erfasst. Den Arm sollte der Spieler völlig frei bewegen können. An dieser Schlinge, dem Schulterring, wollte ich den Protector befestigen und diesen damit sicher zu fixieren. Ein elastisches Gurtsystem spannt sich vom Schulterring um den Thorax unter dem rechten Arm auf den Rücken wieder zu dem Schulterring. So wird die Schulterspange, die mit dem Protector verbunden ist, zuverlässig fixiert. Der Spieler arretiert den Thoraxgurt mittels eines elastischen Klettverschlusses: So deckt der Protector sicher den zu schützenden Bereich des Thorax ab. Mir war sofort klar, dass dieses Schutzsystem speziell für seinen Träger gefertigt werden muss, einfach weil jeder Mensch anatomisch individuell geformt ist. Eine Standardanfertigung könnte niemals einen zuverlässigen Schutz bieten. Natürlich musste ich eine Methode finden, um diesen Protektor nicht allzu aufwändig herzustellen. Es gibt in der Orthopädie sicher zahlreiche Materialien, doch muss man dabei meistens ein Gipsmodell anfertigen. Das ist aufwändig, und eben dies wollte ich vermeiden. Für den Patienten, der das aus eigener Tasche bezahlen will, wäre das viel zu teuer gekommen. Der Protector sollte, dies war mein Ziel, nicht nur gegen mechanische Einwirkungen auf den Bereich des Defis, etwa durch einen Ball, schützen, sondern dem Patienten noch einen weiteren Komfort bieten. Ein implantierter Defibrillator verursacht nämlich seinem Träger oft ein Fremdkörpergefühl, da das Gerät unter der Haut ein gewisses Spiel haben kann, sich also bei heftigen Körperbewegungen ein ganz klein wenig verschiebt. Dies kann ein unangenehmes Gefühl hervorrufen. Der Protector schützt also nicht nur die Stelle, unter welcher der Defi sitzt, vor möglichen Ballschlägen, er hebt auch die von einigen Patienten verspürte Eigenbewegung des Defis auf. Unser erster Patient, den wir mit dem Protector versorgten, hat sich in der Öffentlichkeit geoutet. Die Folge waren viele positive Reaktionen und Anfragen aus dem In- und Ausland. Da erst haben wir begriffen, dass unser Protector für Menschen mit einem implantierten Defibrillator und – dies sind noch enorm viel mehr Patienten – mit einem Herzschrittmacher eine äußerst sinnvolle Hilfe sein kann. Wenn man erst einmal darüber nachdenkt, in
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welchen Situationen man diesen Protector einsetzen kann, wird einem schnell klar, dass dies nicht nur ein wichtiges Hilfsmittel beim Fußballspielen ist, sondern bei einer ganzen Reihe von sportlichen Aktivitäten und Alltagssituationen eingesetzt werden kann. Man denke etwa ans Autofahren: Der Sicherheitsgurt spannt sich ziemlich genau über die Körperstelle, hinter der das Implantat sitzt. Sinnvoll ist dieser Schutz bei zahlreichen Freizeitaktivitäten, genauso bei Garten- oder Hausarbeit. Kurz: Überall dort, wo man Gefahr läuft, einen unbeabsichtigten Schlag auf den Brustbereich zu bekommen und damit auf die Stelle des Implantats. Wir haben uns den Protector mit einem Gebrauchsmuster schützen lassen. Und obwohl er noch nicht im Hilfsmittelverzeichnis steht, haben vier von fünf Krankenkassen die Kosten für ihn übernommen.“
Thomas Maas Orthopädietechniker-Meister und OrthopädietechnikFachberater Vital-Zentrum Sanitätshaus Glotz Dieselstr. 19–21 70839 Gerlingen
1. Protector mit Polster 2. Elastischer Gurt mit Schiebepolster
3. 2.
3. Anatomischer Schulterring mit wechselbarem Bezug
1.
Der sichere Protector für Ihr Herz Stöße beim Sport (z. B. Tennis, Skifahren, Fußball, Hand- und Volleyball), bei sonstigen Freizeitaktivitäten (z. B. Fahrradfahren, Garten- und Hausarbeit) und am Arbeitsplatz werden durch den Protector abgefedert. Auch beim Autofahren schützt der Protector bei unvorhergesehenen Bremsvorgängen. Somit ist der implantierte Defibrillator oder Herzschrittmacher vor Beschädigungen geschützt. Da alle Teile aus atmungsaktivem Material und individuell für den jeweiligen Patienten gefertigt werden, hat der Protector beim Sport und bei sonstigen Bewegungen einen hohen Tragekomfort. Durch die individuelle Anfertigung ist somit auch die Versorgung von Kindern möglich.
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1. STUTTGARTER
HERZTAG Schirmherrschaft BNK
(Bundesverband Niedergelassener Kardiologen e.V.)
Veranstaltungszentrum
Waldaupark 9. Juli 2016 9 bis 17 Uhr
Deutsche Herzstiftung
Kompass Gesundheit In Zusammenarbeit mit
ZAR Stuttgart
Zentrum f端r ambulante Rehabilitation LVPR Baden-W端rttemberg e.V.
Anmeldung
Programm Moderation: Dr. med. Suso Lederle (Stuttgart)
앮 Ich komme alleine
9.00 Einlass 10.00 Eröffnung und Grußworte
앮 Wir nehmen mit insg. _________ Personen
10.15 Dr. med. Norbert Smetak (BNK, Kirchheim/Teck): Hilfe für Ihr Herz – moderne Kardiologie heute
an der Veranstaltung teil.
10.40 Prof. Dr. med. Udo Sechtem (Robert Bosch Krankenhaus): Herzrhythmusstörungen – wenn das Herz außer Takt gerät
Name: _________________________________________
11.05 Prof. Dr. med. Hansjörg Bäzner (Klinikum Stuttgart): Herz und Hirn – Behandlung und Vorbeugung des Schlaganfalls
Vorname: _________________________________________
11.30 Prof. Dr. med. Ulrich Franke (Robert Bosch Krankenhaus): Herzchirurgie – minimalinvasiv und schonend
Straße: _________________________________________
___________________________________________________
12.00 –13.00 Mittagspause ___________________________________________________
PLZ: _________________________________________
13.00 Dr. med. Martin Runge (Esslingen): Bewegung hält das Herz jung
Ort: _________________________________________
13.25 Prof. Dr. med. Christian Herdeg (Paracelsus Krankenhaus Ruit): Plötzlicher Herztod
Tel.: _________________________________________
13.50 Dr. med. Stefan Reinecke (Marienhospital): Herz und Schlafapnoe ___________________________________________________
Der Eintritt ist frei!
14.15 –14.45 Pause ___________________________________________________ 14.45 Prof. Dr. med. Thomas Nordt (Klinikum Stuttgart): Herzschwäche
Sie müssen sich für den Kongress nicht anmelden. Sie erleichtern uns aber die
15.15 Prof. Dr. med. Ralf Lobmann (Klinikum Stuttgart): Herz und Diabetes
Vorbereitung, wenn Sie es tun. Schicken Sie eine
15.45 PD Dr. med. Klaus Schröder (ZAR Stuttgart): Kardiologische Prävention und Rehabilitation
E-Mail an:
dr.antonic@meditext-online.de
16.10 Dr. med. Gabriele Wehr (Gerlingen): Bluthochdruck – die schleichende Gefahr
Oder schicken Sie ein Fax an:
0711 7656590 Parallel zum Vortragsprogramm erwarten Sie interessante Angebote, u. a. Herzsport, Ultraschalluntersuchung
SSB-Veranstaltungszentrum Waldaupark Friedrich-Strobel-Weg 4-6 70597 Stuttgart
der Halsschlagader, Blutdruckmessung, Herz-LungenWiederbelebung, AED-Handhabung, Lungenfunktionsprüfung,
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Diabetes-Check
Für ein barrierefreies Land – gleichberechtigt und selbstbestimmt leben Um seinen sozialpolitischen Forderungen Nachdruck zu verleihen, führt der Sozialverband VdK des Öfteren bundesweite Aktionen durch. Seit Januar 2016 läuft die Kampagne „Weg mit den Barrieren!“. Wir sprachen über die Kampagne mit Roland Sing, dem Vizepräsidentem des Sozialverbands VdK Deutschland e. V. In Deutschland regelt das „Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen“ die Barrierefreiheit. Warum ist es trotzdem notwendig, dass der VdK eine Kampagne startet? Roland Sing: Das ist trotzdem notwendig, weil Deutschland dringenden Nachholbedarf hat. So hat die UN den ersten Staatenbericht der Bundesregierung im April 2015 geprüft und kam zum Ergebnis: „Unzureichend!“ – insbesondere weil private Anbieter von der Verpflichtung zur Barrierefreiheit weitgehend ausgenommen sind. Es bleibt oft immer noch dem Zufall überlassen, ob ein Angebot für Menschen mit Behinderungen oder Beeinträchtigungen zugänglich ist. Die bisherige gesetzliche Grundlage alleine reicht nicht aus, insbesondere fehlen verbindliche Fristen, Kontrollen und Sanktionen. Oftmals werden auch die hohen Kosten bei Herstellung von Barrierefreiheit angeführt. Dabei hilft Barrierefreiheit allen Menschen, nicht nur gehbehinderten Menschen und Rollstuhlfahrern. Auch muss bedacht werden, dass aufgrund des demografischen Wandels die Menschen in Deutschland immer älter werden, Barrierefreiheit damit alleine schon zwingend wird. Darauf aufmerksam zu machen ist das Ziel der bundesweiten VdK-Kampagne „Weg mit den Barrieren!“.
Länder wie etwa Österreich werden in Bezug auf die Barrierefreiheit als Vorbild genannt. Was machen sie anders und besser? Roland Sing: Soweit es von hier aus beurteilt werden kann gibt es in Österreich ein obligatorisches Schlichtungsverfahren. Dies ist einem Gerichtsverfahren wegen Schadensersatzansprüchen aufgrund Diskriminierung vorangeschaltet. Das Schlichtungsverfahren wird kostenfrei abgewickelt, die Teilnahme an ihm ist freiwillig. Im Verfahren gilt eine Beweislasterleichterung, welche einer Beweislastumkehr nahe kommt. Einen Anspruch auf Beseitigung oder Unterlassung der Diskriminierung wird zwar von den österreichischen Behindertenverbänden gefordert – und war auch im ursprünglichen Entwurf des Gleichstellungspakets beinhaltet – wurde aber, so wir informiert sind, im Zuge der parlamentarischen Beschlussfassung gestrichen. Die Barrierefreiheit soll sich nicht nur auf den Straßenverkehr beziehen, sondern auf verschiedene andere Lebensbereiche. Auf welche? Roland Sing: Barrierefreiheit muss grundsätzlich alle Lebensbereiche betreffen und nicht nur den öffentlichen Straßenverkehr, sondern alle öffentlichen
Roland Sing, geb. 1941, fungiert seit Jahren als Vizepräsident des Sozialverbands VdK Deutschland e.V. Dem Sozialverband VdK Baden-Württemberg e.V. dient der Sozial- und Gesundheitsexperte seit 2004 ehrenamtlich in verschiedenen Führungsfunktionen auf Landes- und Bezirksverbandsebene. So wirkt Roland Sing seit 2011 als Landesverbandsvorsitzender, zudem seit etlichen Jahren auch als Vorsitzender des VdK-Bezirksverbands Nordwürttemberg. Außerdem steht Sing seit 2008 an der Spitze des Landesseniorenrats Baden-Württemberg und er engagiert sich in vielen weiteren Ehrenämtern auf Landes- und Bundesebene. Dem früheren Vorstandsvorsitzenden der AOK Baden-Württemberg wurde 2015 für seine Verdienste das Bundesverdienstkreuz Erster Klasse verliehen.
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Räume und öffentlichen Gebäude. Auch beim Wohnen sollte barrierefreies Bauen schon beim Planen und dann gerade auch bei der Umsetzung „Dem eigentlichen Bauen“ beachtet werden. Der Sozialverband VdK setzt sich dafür ein, dass Menschen so lange wie möglich selbstbestimmt in der Wohnung leben können. Eine Wohnraumanpassung ist dann später auch einfacher und billiger, wenn Belange der Barrierefreiheit schon früh berücksichtigt wurden. Aber auch in den Medien, Rundfunk und Fernsehen, bei der Bedienung von Automaten, beim Service muss Barrierefreiheit beachtet werden. Barrierefreiheit ist für den VdK eine wesentliche Voraussetzung, damit alle Menschen gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben teilhaben können und damit sie auch selbstbestimmt leben können. Die Barrierefreiheit soll nicht nur Menschen mit körperlichen Behinderungen helfen, sondern auch Älteren, Kindern und überhaupt allen, die zeitweise oder dauerhaft in ihrer Mobilität eingeschränkt sind. Von wie viel Menschen sprechen wir? Und wie hoch wären die Kosten für eine flächendeckende Umsetzung der Barrierefreiheit? Roland Sing: Mit der Ratifizierung der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen (UNBRK) hat sich die Bundesrepublik Deutschland 2009 verpflichtet, geeignete Maßnahmen für eine barrierefreie Umwelt zu treffen. Schon heute ist jeder vierte Erwachsene auf Barrierefreiheit angewiesen. In Zukunft werden es noch deutlich mehr Menschen sein, denn das durchschnittliche Lebensalter steigt: Heute liegt der Anteil der über 65Jährigen in Deutschland bei 21 Prozent. Im Jahr 2023 werden es 24 Prozent sein und im Jahr 2050 bereits 33 Prozent. Um Verbesserungen zu erreichen, sollte ein Investitionsprogramm im Umfang von 800 Millionen Euro pro Jahr aufgelegt werden. Programme in den Ländern müssen die Maßnahmen in allen Bereichen unterstützen. Zudem kurbeln diese Investitionen die Wirtschaft an. So fließen von jedem Euro, der in die bauliche Barrierefreiheit investiert wird, 40 Cent an die öffentliche Hand vor allem durch Umsatz- und Lohnsteuer zurück. Eigentlich ist das eine Win-Win-Situation!
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Was kann, soll jeder einzelne tun, um hier bessere Bedingungen zu erreichen? Roland Sing: Jeder einzelne kann dafür sorgen, indem beispielsweise die eigenen gedanklichen Barrieren und auch Vorteile gegenüber älteren, behinderten und kranken Menschen überdacht und abgebaut werden. Dies wird umso deutlicher, wenn man bedenkt, dass die meisten Menschen im Laufe ihres Lebens eine Behinderung entwickeln und dann selbst von vielfältigen Barrieren, Hindernissen und Hürden betroffen sein können.
VdK-Aktionstag „Weg mit den Barrieren!“ 18. Juni 2016 Liederhalle Stuttgart Anmeldung erbeten: E-Mail: a.unger@vdk.de Tel.: 0711 61956-52
Der Sozialverband VdK Der Sozialverband VdK, gegründet nach dem Zweiten Weltkrieg, zunächst von und für Kriegsopfer, ist heute eine unabhängige und überparteiliche Selbsthilfeorganisation und Interessenvertretung unter anderem von Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen, von Pflegebedürftigen und pflegenden Angehörigen, von Rentnern und Senioren, aber auch von Grundsicherungsempfängern und anderen von Armut betroffenen oder bedrohten Menschen. Der Sozialverband VdK Baden-Württemberg e. V. ist ein gemeinnütziger Verein mit zur Zeit rund 220.000 Mitgliedern. Der Sozialverband VdK Deutschland e. V., als Dachverband, hat mehr als 1,7 Millionen Mitglieder. Im VdK Baden-Württemberg engagieren sich gegenwärtig gut 8000 Menschen ehrenamtlich. Es gibt 170 hauptamtliche Mitarbeiter, die in 38 Geschäftsstellen wirken. Zu den Hauptaufgaben des größten Sozialverbands im Lande gehören die sozialpolitische Interessenvertretung und der Sozialrechtsschutz für VdK-Mitglieder. Darüber hinaus bietet der Verband seinen Mitgliedern weitere Serviceleistungen, beispielsweise „VdK Reisen“, und er organisiert auch öffentliche Informationsveranstaltungen und Schulungen zu Themen mit sozialen, sozialrechtlichen oder sozialpolitischen Fragestellungen. Um seinen sozialpolitischen Forderungen Nachdruck zu verleihen, führt der Sozialverband VdK des Öfteren bundesweite Aktionen durch. Seit Januar 2016 läuft die Kampagne „Weg mit den Barrieren!“. Weitere Informationen unter www.weg-mit-den-barrieren.de sowie unter www.vdk.de und www.vdk-bawue.de im Internet.
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Sport: gerade für Menschen mit HerzKreislauf-Erkrankungen wichtig! Was Ihnen die Teilnahme an einer Herzgruppe bringt Regelmäßige Bewegung ist wichtig, um das Herz gesund zu erhalten. Aber auch wenn man bereits unter einer Herz-Kreislauf-Erkrankung leidet – wenn Blutdruck oder Cholesterinwerte zu hoch sind oder man schon einmal einen Herzinfarkt oder eine Herzoperation durchgemacht hat –, lässt sich mit sportlicher Aktivität eine Menge erreichen. Am besten gemeinsam – denn so überwindet man den inneren Schweinehund leichter. In einer Herzgruppe können Sie nicht nur gemeinsam mit anderen Betroffenen regelmäßig herz-kreislauf-gerechten Sport treiben, sondern auch noch vieles andere für Ihr Herz tun! Werner Waldmann erade wenn das Herz schon ein bisschen angeschlagen ist, ist ärztliche Betreuung beim Sport wichtig. Denn der Arzt weiß genau, wie viel so ein Patient sich zumuten kann und soll, um sein Herz zwar zu fordern, aber nicht zu überfordern. Deshalb ist bei den von verschiedenen Sportvereinen angebotenen Treffen der Herzgruppen außer dem Übungsleiter immer auch ein Arzt mit dabei. Die Kosten werden auf Rezept von den Krankenkassen übernommen. Trainiert wird in Gruppen bis zu 20 Patienten; je nach individueller Erkrankung und körperlicher Belastbarkeit gibt es unterschiedliche Gruppen. Aber Sport allein reicht natürlich nicht aus, sondern ist lediglich ein wichtiger Baustein der Lebensstiländerung, zu der jeder Herz-Kreislauf-Patient sich aufraffen sollte. Deshalb bieten die Herzgruppen außer körperlicher Aktivität noch viel mehr an: Bei den gesundheitsbildenden Maßnahmen stehen auch Vorträge zum Thema gesunde Ernährung, Raucherentwöhnung, Stressabbau, Blut-
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Nähere Infos zu den Gruppen finden Sie auf der Homepage des LVPR: www.lvpr-bw.de/herzgruppen/herzgruppen.php oder bei LVPR Baden-Württemberg e.V.; Geschäftsstelle Bergheimer Weg 45; 70839 Gerlingen Ansprechpartnerin der Geschäftsstelle Brigitte Maier Tel.: 07156 4301 636 Fax: 07156 4301 637 E-Mail: lvpr-bw@t-online.de
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druck- und Diabeteseinstellung auf dem Programm. Außerdem erfahren die Teilnehmer z. B., wie man eine Herz-Lungen-Wiederbelebung durchführt, was bei Herzrhythmusstörungen zu tun ist und was es beim Leben mit einem Herzschrittmacher zu beachten gilt. Diese Vortragsveranstaltungen z. B. in den eigenen Herzgruppe, bei denen die Patienten natürlich auch Fragen stellen dürfen, sind sehr beliebt: „Rund zwei Drittel unserer Herzpatienten kommen zu unseren Vorträgen. Hinterher veranstalten wir immer noch eine kleine Festivität, bei der ein Spiel gemacht wird oder irgendetwas anderes auf dem Programm steht, was den Leuten Spaß macht – das kommt sehr gut an“, erklärt die Kardiologin Dr. Gabriele Wehr, Präsidentin des Landesverbands für Prävention und Rehabilitation von Herz-Kreislauferkrankungen (LVPR) in Baden-Württemberg, der diese Herzgruppen organisiert. Ist der LVPR denn die einzige Institution, die so etwas anbietet? „Nein. Es gibt auch Herzsportgruppen vom Württembergischen und Badischen Behinderten- und Rehabilitationssportverband (WBRS und BBS). Allerdings liegt in diesen Gruppen der Schwerpunkt auf Sport, während der LVPR seinen Patienten ein ganzes Maßnahmenpaket zur Förderung einer herzgesunden Lebensweise anbietet – weil wir eben der Meinung sind, dass mehr dazugehört als nur Sport. Deswegen nennen wir unser Angebot im Gegensatz zum WBRS und BBS ja auch ,Herzgruppe‘ und nicht ,Herzsport‘“, betont Dr. Wehr. 220 Herzgruppen sind im LVPR organisiert.
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Sport als privates Lebensglück „Sport ist für mich das Element meinens Lebens. Sport bedeutet für mich absolute Lebensqualität. Und ist nebenbei vorteilhaft für die Gesundheit, die Psyche. Sport ist meine Arznei gegen den alltäglichen Stress, der viele auslaugt." Nach dieser Philosophie lebt Andrea Fischer. ie ist keine Sportlerin, die im Rampenlicht steht und medienwirksam auf ihre Leidenschaft hinweist, die von den Titelseiten der Frauenzeitschriften lächelt. Wandern, laufen, radeln, klettern, schwimmen – sie agiert nicht vor Zuschauern, sie läuft und radelt und schwimmt und klettert alleine. Ihr Mann teilt ihre Leidenschaft nicht. Doch sie hat dennoch einen Begleiter, wenn sie über die Felder um ihren Ort läuft, ihren jungen Vierbeiner. Andrea Fischer steht geduldig hinter dem Ladentisch ihres Papierwarengeschäfts, berät bei der Wahl eines Kugelschreibers, zieht Fotokopien, registriert die Lottoscheine. Sie macht das immer gut gelaunt, auch wenn Kunden besondere Wünsche äußern. Die meisten kennt sie ohnehin, wie das in einem kleinen Ort üblich ist. Woher kommt diese
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Ausgeglichenheit? „Sport macht mir sehr, sehr viel Spaß.“ Andrea bezieht ihre Lebenslust vom Sport, konkret beim Laufen, Klettern, Radeln. Sie wundert sich manchmal, dass sie manchem Jogger über den Wanderweg läuft, der mit verbissenen Zügen unterwegs ist. Sport macht doch Spaß, hebt die Laune, warum so miesepetrig durch die Gegend laufen? Das begreift sie nicht. Wenn sie draußen ist und sich bewegt oder sich an einer Übungswand hochhangelt, dann ist für sie ein Sonnentag. „Ich brauche die Bewegung!“ Ohne Bewegung fehlt was im Leben. Still sitzen, beim Fernsehen? Höchstens die Viertelstunde während der Tagesschau. Oder im Kino? Das geht nicht. Wenn Andrea bei einem Geburtstag eingeladen ist, ist sie die erste, die beim Tischabräumen hilft. Sitzen ist für sie Strafe. „Zu
meinem Mann sage ich immer, wenn du mich bestrafen willst, lad mich zum Essen ins Restaurant ein.“ Andrea Fischer zeigt, dass wir Menschen nicht zum Stillhalten geboren sind. Bewegung macht unser Leben aus. Sollte es wenigstens ausmachen. Bewegung hält und macht gesund. Wir sollten hin und wieder an die zarte Frau in ihrem Papierwarengeschäft und ihre Leidenschaft denken – und mehr für unsere eigene Bewegung tun. Red.
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Fitnesstipps von Jürgen Saur Wer regelmäßig Sport treibt, kann sein Risiko für Arteriosklerose und Herzinfarkt senken. Das ist kein Geheimnis. In manchen Fällen können Herzprobleme sich durch sportliche Betätigung sogar zurückbilden, sodass das Infarktrisiko sinkt. Nun hört und liest man immer wieder in den Medien, dass Sport auch gefährlich sein könne. Stichwort: plötzlicher Herztod. Da bricht jemand bei einem Marathonlauf zusammen und ist auf der Stelle tot. Immerhin kommen Jahr für Jahr mehrere hundert Menschen beim Sport durch einen plötzlichen Herzstillstand zu Tode. In dieser Notsituation bricht der Blutkreislauf zusammen, das Gehirn und der ganze Organismus werden nicht mehr mit Sauerstoff versorgt. Also doch lieber auf Sport verzichten? Das ist ein großer Irrtum. Die Deutsche Herzstiftung betont, dass man im Gegenteil durch Sport sein persönliches Risiko für einen plötzlichen Herztod senken kann! Die Ursache für einen plötzlichen Herztod beim Sport sind nicht selten Vorerkrankungen, die bisher nicht erkannt oder ignoriert wurden. Regelmäßiger Sport ist ein wirkungsvolles Medikament gegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Freilich sollte man dabei ein paar Spielregeln beachten und nicht plötzlich mit aller Gewalt lossprinten. Der Sport-Neueinsteiger und derjenige, der sich regelmäßig hohen Belastungen aussetzt, sollte sich von seinem Arzt durchchecken lassen. Ein solcher Check-up ist ab dem 35. Lebensjahr alle zwei Jahre sinnvoll und wird auch von den Krankenkassen bezahlt. Vernunft ist beim Sport ein guter Ratgeber: Widmen Sie sich Ihrer sportlichen Aktivität ohne übertriebenen Ehrgeiz! Und Sie sollten auch die richtige Sportart wählen. Geeignet für den Wiedereinstig sind Ausdauersportarten wie Walken, Joggen, Schwimmen, Radfahren. Sie können jedoch auch alle anderen Sportarten betreiben, wenn Sie diese vernünftig und in dem für Sie richtigen und vernünftigen Maß betreiben. Achten Sie auf die Zeichen und Signale Ihres Körpers und gönnen Sie sich nach Belastungen die nötigen Pausen und Ruhephasen und trainieren Sie nur, wenn Sie sich gesund fühlen. Ich kann Ihnen auch empfehlen, in ein Fitnessstudio zu gehen, das sich einem seriösen Training verpflichtet fühlt. Die Mitarbeiter dort sind ausgebildete Sportexperten und können Sie gesundheitlich korrekt beraten. Vielleicht macht es Ihnen auch mehr Spaß, dort zusammen mit anderen motivierten Mitmenschen zu trainieren, statt allein durch die Gegend zu laufen. Denn ohne Spaß werden Sie den Sport nicht langfristig durchhalten – und nur regelmäßige sportliche Betätigung nützt Ihrem Kreislauf und Ihrer Herzgesundheit. Jürgen Saur Operativer Leiter – Prokurist Vitalcenter am Paracelsus-Krankenhaus Ruit Hedelfinger Straße 166/1 73760 Ostfildern 0711 9933939-26 saur@vitalcenter-ruit.de
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MammographieScreening – Einfach mehr wissen! eit über neun Jahren läuft in BadenWürttemberg mit beachtlichem Er-folg das Mammographie-Screening-Programm: mehr als jede zweite teilnahmeberechtigte Frau im Alter zwischen 50 und 69 Jahren hat das Angebot angenommen und am Screening-Programm teilgenommen. Über 2.000 Mal innerhalb eines Jahres wurde dabei ein Brustkrebstumor entdeckt – in den meisten Fällen so frühzeitig, dass Therapien mit guten Erfolgsaussichten eingeleitet werden konnten. Aber wissen Frauen genug über das Mammographie-Screening-Programm? Einer aktuellen, durch das Bundesgesundheitsministerium geförderten Studie zufolge, lautet die Antwort nein. Demnach unterschätzten viele Frauen den Zusammenhang zwischen Alter und Brustkrebsrisiko. Denn das Erkrankungsrisiko steige mit dem Alter und ist mit 260 von 100.000 Frauen im Alter zwischen 50 und 60 Jahren pro Jahr deutlich höher als bei Frauen im Alter zwischen 40 und 50 Jahren. Ebenfalls, so zeigt die Studie, sei vielen Frauen auch nicht bewusst, was die Untersuchung im Mammographie-ScreeningProgramm von anderen Methoden in der Brustkrebsfrüherkennung unterscheide. Um Wissenslücken und Irrtümer rund um die Brustkrebsfrüherkennung auszuräumen, gibt es ein neues Informationsangebot unter www.mammo-programm.de. Dort kann Frau ihr Wissen zu Brustkrebsfrüherkennung, Mammographie-Screening und Prävention testen sowie auf unterhaltsame Weise alle wichtigen Daten und Informationen rund um das Programm erfahren. Übrigens: Die Früherkennungsuntersuchung wird von den gesetzlichen und privaten Krankenkassen finanziert. Informationen und Anmeldung unter der zentralen Telefonnummer 07221 9565-55. Weitere Informationen unter www.radiologie.de. Red.
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Ihr Hausarzt meint GENERATION Y – Der alte Arzt hat ausgedient? Die nach 1980 Geborenen und jetzt in das Berufsleben eintretenden junge Ärztinnen und Ärzte nennt man die Generation Y. Es ist ganz klar, dass diese jungen Menschen ganz andere Erwartungen an ihren Beruf stellen als wir sie hatten. Für mich begann ein Wochenenddienst in der Klinik am Freitagmorgen und am Montagabend kam ich nach Hause zu meiner jungen Familie. 8–12 Nachtdienste im Monat waren normal. Einen Ausgleich in Freizeit gab es damals noch nicht. Ich lebte, um zu arbeiten und um Geld zu verdienen und meine Familie zu ernähren. Für meine Eltern, die Kriegsgeneration, war es noch härter. Sie arbeitete, um zu leben. Was ist der Unterschied zur heutigen Generation? Sie lebt mit der Arbeit. Das heißt der Anspruch auf eine ausgewogene Work-Life-Balance steht an vorderster Stelle. Nachtdienste und Wochenenddienst werden nicht mehr einfach als gegeben akzeptiert. Die Freizeit mit der Familie spielt eine genauso wichtige Rolle wie die Arbeit. Teilzeitarbeit wird gesucht. Sich mit einer Niederlassung erst mal gehörig zu verschulden, wird gescheut und man sucht sich lieber eine Anstellung mit geregelten Arbeitszeiten. Von den niedergelassenen Ärzten werden 30 % in den nächsten Jahren aus Altersgründen ihre Praxis aufgeben. Sie haben dann 40 Jahre Berufserfahrung hinter sich und oft 30 Jahre Praxistätigkeit. Ich gehöre auch dazu. Welche Botschaft haben wir von unseren Eltern mitgenommen? „Ihr sollt es einmal besser haben.“ Unsere Eltern war die Kriegsgeneration und lebte für den Wiederaufbau und das Vergessen des Schrecklichen. Wir haben es besser gehabt. Meine Generation hat das Wirtschaftswunder erlebt, schließlich rebelliert, alte Werte hinterfragt und wir haben unseren Kindern nach Durchlaufen der Beatlemania und Hippiezeit die Botschaft mitgegeben: „Du kannst alles haben und machen was du willst“. Dies erzeugt eine enorme Erwartungshaltung bei unseren Kindern, der Generation Y. Auf diese Situation müssen sich die Kliniken und auch die Niedergelassenen in den Praxen einstellen, sonst wandert der Nachwuchs in das Ausland aus. Dies geschieht heute schon oft. Die Kliniken sind dabei, Teilzeitstellen anzubieten, sich um Kindertagesstätten an den Klinken zu kümmern. 60–70 % der jungen Ärzte/innen an den Kliniken sind bereits Frauen. Wir Niedergelassene müssen Kooperationsformen gründen wie Gemeinschaftspraxen, Ärztehäuser, um den jungen Ärzten eine Anstellung anbieten zu können. Die Einzelpraxis wird aussterben. Wir haben die Notdienste für die Praxen faktisch abgeschafft durch die Gründung der Notfallpraxen. Hier wird von erfahrenen Ärzten im Ruhestand oder Frauen in Elternzeit eine qualifizierte Basis-Notversorgung angeboten. Wenn wir uns auf die veränderten Erwartungen der jungen Ärztinnen und Ärzte einstellen, können wir darauf hoffen, dass auch die Jungen wieder Freude finden an unserem wunderschönen und befriedigenden Beruf, Menschen über längere Zeit als ihr Hausarzt mit Rat und Tat beistehen zu können. Und eines können wir von der jüngeren Generation lernen: Der Work-Life-Balance eine größere Bedeutung einzuräumen, als wir es früher taten. Ihr Wolfgang Bosch
Dr. med. Wolfgang Bosch Facharzt für Allgemeinmedizin und Naturheilverfahren Kronenstraße 30; 73760 Ostfildern www.praxis-bosch-hauser.de
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E-Zigaretten & E-Shisha
Rauchen für die Gesundheit? Werner Waldmann
Rauchen war gestern. Rauchen macht hässlich und führt zu Krebs und Herzinfarkt. Das steht auf jeder Zigarettenpackung. Dabei war das Rauchen doch früher so schön. So gemütlich. Beim Smalltalk an der Zigarette ziehen. Beim Lesen, am PC oder hinterm Steuer: die unverzichtbare Zigarette im Mundwinkel. Beworben werden Zigaretten nur noch unter Einschränkungen. Doch das macht nichts. Längst steht Ersatz bereit: die E-Zigarette und (für Wasserpfeifenfreunde) die E-Shisha.
er Unterschied zwischen Tabakkonsum und Genuss der E-Zigarette ist elementar. Auf den ersten Blick zumindest. Rauchen wird offiziell definiert als „das bewusste Einatmen von Rauch verbrennender Pflanzenteile bis in die Mundhöhle bzw. in die tieferen Atemwege und die Lunge“. Bei der „gesünderen“ Elektrovariante des Rauchens, bei der keine Pflanzenteile verbrannt werden, wird eine spezielle Flüssigkeit verdampft. Die E-Zigarette sieht fast aus wie ein echter Glimmstängel. Bei jedem Zug glüht sie an der Spitze rot auf. Freilich ist das Schwindel, denn verbrannt wird kein Tabak – eine Leuchtdiode schafft die Illusion des Rauchens. Im Inneren der E-Zigarette stecken ein Akku, eine Heizwendel und ein Tank, der mit einem Chemikaliengemisch (dem sogenannten Liquid) befüllt wird. Dieses Liquid besteht in der Regel aus
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Propylenglykol, Glycerin und Wasser. Dazu kommen Lebensmittelaromen und für den, der’s nicht lassen kann, auch Nikotin. Das alles wird mittels der Heizwendel erhitzt. Dabei entsteht ein Aerosol, das durch das Mundstück inhaliert wird. E-Zigarettenkonsumenten sind stolz darauf, dass sie den Absprung von der immer heftiger geächteten „Tabak-Zigarette“ geschafft haben. Wer das Rauchen anfängt, greift Untersuchungen zufolge recht selten zur E-Zigarette. Also handelt es sich meist doch um Raucher, die dem Nikotin abschwören wollen. Die Freunde des elektronischen Rauchens argumentieren, dass E-Zigaretten eine weniger gesundheitsschädliche Alternative zum Konsum üblicher Zigaretten seien. Die inzwischen weitgehend gesellschaftlich geächteten Zigaretten enthalten Hunderte giftiger Substanzen, die krebs-
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erregend sind. Der kometenhafte Aufstieg der E-Zigarette irritiert die Tabakwarenindustrie und begeistert die Hersteller der „Gesundheitszigarette“. Die frisch-fröhliche Werbung richtete sich bis vor Kurzem auch an Kinder und Jugendliche, die die moderne Version der Zigarette kaufen und konsumieren dürfen. Doch im Februar diesen Jahres billigte der Bundesrat den Gesetzentwurf zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor den Gefahren des Konsums von elektronischen Zigaretten und Shishas. Diese dürfen künftig nur noch an Erwachsene verkauft werden. Aus gutem Grund: E-Zigaretten sind keinesfalls weniger schädlich als die alten Tabakzigaretten. Wahr ist, dass bei der E-Zigarette weder Tabak noch andere Pflanzen verbrannt werden. Der bisherige Rauch ist durch Dampf ersetzt, doch der hat es faustdick hinter den Ohren. Propylenglykol, die Grundsubstanz des Liquids, reizt die Atemwege, und Aromastoffe können Allergien auslösen. Auch der Dampf ist nicht ohne, denn er besteht aus winzigen Tröpfchen, die beim Inhalieren tief in die Lunge eindringen. Statt Nikotin also nun ein unberechenbarer Chemikalienmix. Elektrisch betriebene Wasserpfeifen üben einen noch größeren Reiz auf Jugendliche aus. Bis vor Kurzem trafen sich die jungen Leute in Shisha-Bars oder konsumierten die Pfeifen auf dem Schulhof. Das wurde als cool empfunden: Dampfen ohne schlechtes Gewissen, der Gesundheit zu schaden. Der Shisha-Dampf ist fantasievoll aromatisiert: Einmal schmeckt er nach Energy-Drinks, dann wieder nach Zuckerwatte, Honigmelone, Erdbeeren oder nach Ananas-Kokos. Wer denkt bei solchen „natürlichen“ Geschmacksrichtungen schon an Gefahr? Weshalb sollte man sich vor E-Shishas hüten? Das Zeug ist doch harmlos und schmeckt lecker und gesund. Zum Glück hat der Gesetzgeber nun auch den EShishas für Jugendliche einen Rigel vorgeschoben.
Risiken nicht unterschätzen Wie schädlich ist denn nun eigentlich das Gemisch, das man aus der E-Zigarette oder der Shisha-Pfeife inhaliert? Teilweise enthält der Dampf auch krebserregende Substanzen. Die Langzeitfolgen einer häufig wiederholten Inhalation dieses Chemikaliengemischs sind aufgrund der relativen Neuheit der beiden Produkte bisher unbekannt.
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Fest steht: Schon die bereits bekannten, kurzzeitigen Folgen des Shisha-Rauchens können verheerend sein. Das Deutsche Krebsforschungszentrum warnt davor, dass die Inhalation des beim Verdampfen entstandenen Aerosols nicht nur zu Husten und Atemwegsreizungen führen kann – auch
Nach einer Auswertung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung hat jeder fünfte in der Altersgruppe der 12- bis 17-Jährigen schon einmal eine E-Shisha probiert, jeder siebte eine E-Zigarette. Augenreizungen, Zahnfleischbluten, Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit, Müdigkeit und Schlafstörungen stehen auf der langen Liste der unerwünschten Nebenwirkungen. Im Übrigen verursachen E-Zigaretten und EShishas das gleiche Problem wie beim traditionellen Tabakkonsum: Man wird wieder zum Rauchen verführt. Das alte Ritual: Man steckt sich das Ding zwischen die Lippen, zieht daran, inhaliert, stößt den Qualm aus. Ganz so wie mit dem früheren Glimmstängel. Eine alte Sucht wird von einer neuen abgelöst. Wer der Nikotinzigarette abschwört und Trost in der E-Zigarette findet, sollte sich nicht einreden, dass er jetzt seine Raucherkarriere hinter sich gelassen hat. Es ist ja nicht nur der fehlende Tabakgenuss, sondern auch die alte Gewohnheit, in gemütlichen, entspannten Situationen oder im blanken Stress nach einer Zigarette zu greifen. Die E-Zigarette kann höchstens ein Meilenstein auf dem Weg zum Rauchstopp sein. Eine großangelegte Metastudie der Cochrane Foundation hat gezeigt, dass die Verwendung von E-Zigaretten ohne Nikotin in der Tat den Ausstieg aus dem Rauchen sehr viel wahrscheinlicher werden lässt. Allerdings gibt es bis heute keinen stichhaltigen Nachweis dafür, dass E-Zigaretten bei der Tabakentwöhnung nachhaltig wirken.
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Eine Gesellschaft unter Drogen?
Speed, Crystal Meth & Co. Dr. Roxanne Dossak Wir stehen unter Druck. Im Job wird uns nichts geschenkt. Wir müssen ständig auf der Hut sein, dass uns der Kollege nicht überholt. Immer präsent, unter Hochspannung – und das bis in die Nacht hinein. Das Projekt muss fertig werden, koste es, was es wolle. Und die sozialen Medien fordern ebenso Präsenz. Nach dem Job geht es nahtlos weiter: mit den Kollegen, den Freunden. Afterwork-Party. In der Bar, der Disco. Schließlich muss man nach dem täglichen Arbeitsstress ja irgendwie wieder herunterkommen – oder „chillen“, wie die jungen Leute sagen. Abfeiern bis zum Geht-nicht-mehr. Irgendwann gegen Morgen schleppt man sich dann ins Bett. Notgedrungen. Nichts geht mehr. Man ist total kaputt. Und am nächsten Morgen in aller Herrgottsfrühe unter die kalte Dusche und wieder ab zur Arbeit oder an die Uni. Das schafft keiner auf Dauer. Hilfe ist angesagt. Wozu gibt es die Chemie? Werfen wir morgens den Wachmacher ein, der den Geist beflügelt. Und um spätnachts wieder `runterzukommen, ein Schlaf- oder Beruhigungsmittel. Irgendwann hilft das nichts mehr. Energy-Drinks sind machtlos. Ebenso die rezeptpflichtigen Wachmacher. Dann also illegale Helferlein. Amphetamine beispielsweise. Speed. Oder Crystal Meth. m Sport ist Doping tabu. Wer diese Spielregel ignoriert, dem geht es ziemlich schnell an den Kragen. Im Alltag zu dopen, ist nicht verboten. Da existieren keine Doping-Checks. Studenten stehen heutzutage gewaltig unter Strom. Die Studienzeiten sind extrem kurz, die Anforderungen immens. Scheitern kann man sich nicht leisten. Kaffee, Espresso, Energy-Drinks – irgendwann ist auch damit das Ende der Fahnenstange erreicht. Der Geist macht schlapp. Das darf aber nicht sein. Methylphenidat und Modafinil gibt’s in der Apotheke – unter den Handelsnamen Ritalin und Vigil. Pillen, die unter Strom setzen. Sie sind zwar rezeptpflichtig, doch dank Internet leicht zu beschaffen. Die Pillen helfen. Machen sagenhaft wach, sodass man die langen Nächte vor der Klausur problemlos durchsteht. Man schätzt, dass in Deutschland rund zwei Millionen Erwerbstätige ihr Gehirn regelmäßig mit Medikamenten oder Drogen auf Vordermann bringen. Das immense Arbeitspensum laugt aus, macht gereizt, raubt den Schlaf. Nach den Medikamenten folgen die härteren Substanzen. Solche, die wieder eine starke Performance garantieren. Die das Selbstvertrauen zurückbringen. Ängste und Schmerzen verscheuchen. Leistung und Spaß: Das ist unser modernes Leben. Effizient, fit, schön und sexy. Superman und Supergirl. Man will mithalten, so wenig wie möglich vom Lebenszirkus
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verpassen. Schlaf war gestern. Nachts unermüdlich durchfeiern und am nächsten Morgen trotzdem hellwach im Job – so lautet heute die Devise.
Amphetamin – eine deutsche Erfindung Die synthetische Droge Amphetamin gehört zur Gruppe der Stimulanzien, zu denen unter anderem auch Methamphetamin zählt. Illegal gehandeltes Amphetamin wird auch als „Speed“ oder „Pep“ bezeichnet. Das weiße bis gelbliche Pulver ist in der Regel eine Mixtur aus verschiedenen psychoaktiven Substanzen. Meist werden noch Verschnittstoffe beigemengt, um das Volumen zu erhöhen. Der Anteil an Amphetamin kann extrem schwanken. Der Reinheitsgehalt liegt normalerweise zwischen 10 und 80 Prozent. Proben von beschlagnahmtem Speed enthielten neben Amphetamin unter anderem auch Methamphetamin, Ephedrin, Koffein und Schmerzmittel wie Paracetamol oder Acetylsalicylsäure. Unter den Verschnittstoffen finden sich häufig Laktose und Glukose. Die Zusammensetzung der auf dem Schwarzmarkt gehandelten Drogen ist aber nur selten genau bekannt. Entdeckt wurde Amphetamin von den Berliner Temmlerwerken vor dem Zweiten Weltkrieg und unter dem Namen Pervitin in den Handel gebracht. Im Krieg spielte Pervitin eine wichtige Rolle und wurde erst in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts vom Markt genommen.
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In Tschechien wurde die Droge neu entdeckt. Als die Russen der Dubcek-Ära den Garaus machten, zogen sich die Tschechen ins Privatleben zurück. Ein Pavel Gregor kam auf die Idee, das Pervitin neu zu entdecken – für seine Clique, um sich trotz des deprimierenden kommunistischen Alltags bei Laune zu halten. Das wurde zur Tradition. Heute werden in Tschechien illegal um die acht Tonnen Methamphetamin produziert – und exportiert. Die alte neue Droge hat unter dem Namen Speed oder Crystal Meth neue Berühmtheit erlangt. Sie regt den sympathischen Bereich unseres Nervensystems an, hat also eine aufputschende Wirkung. Konsumieren kann man Crystal Meth als Tablette; man kann es aber auch rauchen oder als Pulver schnupfen. In einer Lösung lässt es sich sogar intravenös spritzen. So wirkt es noch radikaler. Und Crystal Meth ist billig. In Heimlabors kann man es sich selber zusammenmixen. Die Grundsubstanzen sind ganz legal zu beschaffen: Aus Ephedrin – einer Substanz, die in zahlreichen verschreibungsfreien Medikamenten (etwa in Erkältungsmitteln) enthalten ist – lässt sich Crystal Meth synthetisie-
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ren. Und zwar zu einem Stoff, der doppelt so wirksam ist wie das herkömmliche Amphetamin, da es eine zusätzliche Methylgruppe besitzt. Dazu kommen Substanzen wie Farbverdünner, Batteriesäure und Abflussreiniger, was den Drogencocktail noch gesundheitsschädigender macht. Crystal Meth ist eine heimtückische Substanz. Wer ihr verfällt, kommt nicht mehr davon los. Die Spuren des Gifts sind fatal: Die Haut wird welk und fahl, das Gesicht ist von Pickeln und Geschwüren gezeichnet, die Zähne fallen aus. Nervenzellen werden geschädigt, Wahnvorstellungen und Schlaflosigkeit zehren an der Psyche, das Zeitgefühl schwindet, der Kreislauf bricht zusammen.
Hoffentlich abschreckend: „Faces of Meth“ zeigen Menschen vor Beginn ihres Chystal Meth-Konsums und und einige Zeit später, als die Droge sie schon fest im Griff hatte.
Eine unheilvolle Wirkung Zu Beginn des Drogenkonsums stellen sich Gefühle entspannter Aufmerksamkeit und Stärke ein. Man erlebt ein gesteigertes Selbstvertrauen und überschätzt seine körperliche und geistige Leistungsfähigkeit. Die Bronchien erweitern sich, Pulsfrequenz und Blutdruck steigen. Der Körper schüttet Glückshormone aus. Man ist ein anderer
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Mensch. Wie neugeboren – ohne Hunger, Durst und Schlafbedürfnis. Der Alltag mit seinen lästigen Sorgen und Problemen bleibt zurück. Der Körper wird auf eine erhöhte Leistungsfähigkeit eingestellt. Allerdings nur für kurze Zeit. Denn durch die aufputschende Droge wird das letzte Quäntchen Energie aus dem Körper gequetscht. Wer Crystal Meth gleich wieder nachlegt, sobald die Wirkung schwindet, provoziert Erregungszustände mit heftigem Zittern bis hin zu Krampfanfällen. Tragische Berühmtheit erlangte der Radrennfahrer Tom Simpson: Er brach während der Tour de France 1967 beim Anstieg zum Mont Ventoux vor Erschöpfung zusammen. In seinem Blut fand man Amphetamine. Konsumenten haben ein 5-fach erhöhtes Schlaganfallrisiko. Die Gefahr, einen Herzinfarkt zu erleiden, liegt bei Amphetaminkonsum um 60 Prozent höher. Das unterdrückte Hungergefühl führt zu einem starken Gewichtsverlust; lebenswichtige Organe werden geschädigt. Seit der Pervitin-Ära der Nazizeit weiß man außerdem, dass hohe Dosen eine Psychose verursachen können. Es kommt zu paranoide Wahnvorstellungen, teilweise mit starken Angstzuständen. Betroffene schilderten optische und taktile Halluzinationen, bei denen sie glaubten, dass Ameisen, Läuse oder Wanzen unter ihrer Haut liefen. In neuerer Zeit griffen amerikanische Piloten auf Speed eigene Bodentruppen an. Naturgemäß steigern die Konsumenten ihre Einnahme. Denn man muss mit der Zeit immer mehr Stoff zu sich nehmen, da man für die psychoakti-
ven Wirkungen zunehmend unempfindlich wird. Häufiger und hochdosierter Konsum von Crystal Meth zerstört Nervenzellen. Die Folge: bleibende Hirnschäden mit entsprechenden kognitiven Defiziten wie beispielsweise Gedächtnis- und Konzentrationsproblemen bei Langzeitkonsumentinnen und -konsumenten. Amphetamine haben ein hohes Abhängigkeitspotential. Doch nicht jeder Mensch spricht in der gleichen Weise darauf an: Manche sind besonders empfänglich für die Wirkung dieser Aufputschmittel. So sprechen vor allem jene Personen auf das gesteigerte Selbstwertgefühl, die Erhöhung der Leistungsfähigkeit und das Gefühl geistiger Klarheit an, die den Eindruck haben, dass es ihnen an diesen Eigenschaften mangelt. Untersuchungen zeigen, dass die Droge nicht nur in der Homosexuellen-Szene beliebt ist (weil sie die sexuelle Leistungsfähigkeit erhöht), sondern auch konsumiert wird, um dem Stress während der Ausbildung oder am Arbeitsplatz besser standzuhalten. Eine typische Nebenerscheinung unserer modernen Leistungsgesellschaft also? Seit etwa zehn Jahren ist der Crystal Meth-Konsum in Deutschland stark angestiegen. Vielleicht die beste Vorbeugung, um gar nicht erst mit dem Konsum solcher Drogen anzufangen (denn ist man erst einmal süchtig, kommt man nur schwer wieder davon los): Bei Google den Suchbegriff „Faces of Meth“ eingeben und sich die Horrorgesichter von Menschen anschauen, die eine Zeitlang von Crystal Meth abhängig waren!
Drogen im Dritten Reich – „dieses Buch ändert das Gesamtbild“ (Hans Mommsen) Über Drogen im Dritten Reich ist bislang wenig bekannt. Norman Ohler geht den Tätern von damals buchstäblich unter die Haut und schaut direkt in ihre Blutbahnen hinein. Arisch rein ging es darin nicht zu, sondern chemisch deutsch – und ziemlich toxisch. Wo die Ideologie für Fanatismus und „Endsieg“ nicht mehr ausreichte, wurde hemmungslos nachgeholfen, während man offiziell eine strikte Politik der „Rauschgiftbekämpfung“ betrieb. Als Deutschland 1940 Frankreich überfiel, standen die Soldaten der Wehrmacht unter 35 Millionen Dosierungen Pervitin. Das Präparat – heute als Crystal Meth bekannt – war damals in jeder Apotheke erhältlich, machte den Blitzkrieg erst möglich und wurde zur Volksdroge im NS-Staat. Auch der vermeintliche Abstinenzler Hitler griff gerne zur pharmakologischen Stimulanz: Als er im Winter 1944 seine letzte Offensive befehligte, kannte er längst keine nüchternen Tage mehr. Ohler hat bislang gesperrte Materialien ausgewertet, mit Zeitzeugen, Militärhistorikern und Medizinern gesprochen. Entstanden ist ein erschütterndes, faktengenaues Buch. Norman Ohler: Der totale Rausch – Drogen im Dritten Reich Kiepenheuer & Witsch, 2015 ISBN: 978-3-462-04733-2; 19,99 EUR
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Wie der Ruhestand glücken kann Wolfgang Kramer n meine Verabschiedung aus dem Berufsleben vor anderthalb Jahren erinnere ich mich nicht gerne. Ich war schlecht darauf vorbereitet und die vielen wohlmeinenden Grußworte konnte ich gar nicht richtig aufnehmen. Fast wie in Trance zogen die beiden größeren Feiern an mir vorüber. Es war alles viel zu schnell gegangen. Eigentlich wollte ich ja noch ein, zwei Jahre anhängen. Aber mein Arbeitgeber sprach sich dagegen aus, denn die Stelle, die ich nach 21 Jahren aufgeben musste, war unter den jüngeren Kolleginnen und Kollegen sehr begehrt. Nach ein paar Urlaubswochen spürte ich den Ernst der neuen Situation, als meine erste Rentenzahlung aufs Konto überwiesen wurde. Ganz schön viel weniger. Wie soll es nun weiter gehen? Der Auszug aus meiner großen Wohnung – das Haus gehört meinem Arbeitgeber – stand als nächstes auf dem Programm. Bis Ende des Jahres hatte ich Zeit. Die Wohnungssuche erwies sich als äußerst schwierig. Eine günstige 3-ZimmerWohnung mit guter Anbindung an das VVS-Netz war in Esslingen nicht so leicht zu finden. Mit den Gedanken steckte ich noch ganz in meinem 41-jährigen Berufsleben. Wie jetzt in neue Gleise kommen? Beim Abschied gab es zwar jede Menge Geschenke, die mir in die neue Lebensphase hinüber helfen sollten: Wanderausrüstung, Bildbände reizvoller Länder, Karten für Theater- und Konzertbesuche, Gutscheine für kulinarische Genüsse, Bücher über Bücher, die zu lesen ich ja jetzt Zeit hätte. Aber sie bewahrten mich nicht vor einem Stimmungstief, aus dem ich erst heraus fand, als ich nach Bad Cannstatt in eine geeignete Wohnung umgezogen war. Mit dem Umzug war ein Ausmisten größeren Stil angesagt. Ich musste mich von ca. 60 % meines bisherigen Hausrates trennen. Zwei Monate dauerte dieser Loslass-Prozess. Er kostete viel Schweiß, aber noch mehr Seelenschmerz. Dieser Auszug aus dem bisherigen Lebenszusammenhang, aus alten Gewohnheiten und Beziehungen, die mehrheitlich beruflich zustande gekommen waren, bedeuteten einen Wendepunkt. Immer mehr gelang es mir, über meinen Ruhestand, über neue Perspektiven und Lebensziele nachzudenken. Auf dem „Rentnerbänkle“ auf meinem Balkon sitzend nahm ich zunehmend den quantitativen Zuwachs an frei verfügbarer Lebenszeit wahr. Zu Anfragen aus dem bisherigen Berufsleben konnte ich jetzt ja oder nein sagen und dies ohne Begründung. Wie wohltuend, sein eigener Herr zu sein und die Phasen der Anspannung und der Entspannung nach eigenem Gutdünken ausbalancieren zu können! Natürlich wird einem die Begrenztheit des Daseins bewusst. Doch die kürzer werdende Zeit kann auch dazu führen, dass man sich ihrer Kostbarkeiten bewusst
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wird. Und irgendwann kam der einsichtsvolle Tag, an dem ich mir sagte: „Heute ist der erste Tag vom Rest meines Lebens.“ Entscheidend für das neue Lebensgefühl war die Erkenntnis, dass „Ruhestand“ eigentlich ein falsches Wort ist. „Ruhe“ ja, aber „Stand“? Nein, Bewegung ist angesagt! Bewegung körperlicher Art, aber auch geistiger und spiritueller Art. Ich wandere jetzt weit mehr als in früheren Jahren. Es muss nicht in den Alpen sein. Auch im Schurwald oder im Schönbuch lässt es sich gut wandern. An Werktagen, wenn die meisten ihrer Berufsarbeit nachgehen, ist es am schönsten. Radfahren oder das wöchentliche Freizeitbad gehören jetzt auch zu meinem regelmäßigen Programm. Dass ich zum Lesen von Romanen und von interessanten Sachbüchern komme und hin und wieder ein paar Verse – zum eigenen Gebrauch – dichte, macht mich richtig glücklich. An manchen Tagen passiert es, dass ich darüber ganz vergesse, die Tageszeitung zu lesen. Öfter schreibe ich Briefe – handschriftlich. Wer das mal (wieder) angefangen hat,
„Heute ist der erste Tag vom Rest meines Lebens.“ der spürt, dass es mehr ist als nur mailen. Ausgehend von der Überzeugung, dass jedem Menschen, auch dem religiös unbegabten, eine spirituelle Dimension eigen ist, kann ich feststellen, dass, nachdem man die ersten Hürden des Widerstandes überwunden hat, das Nachdenken über „die letzten Dinge“, über den Sinn des Lebens, über Sterben und Tod und das „Bestellen des Hauses“ in Form vorsorgender Verfügungen, eines Testamentes oder der Festlegung, wie der Tag des endgültigen Loslassens und die Tage der Trauerfeier und der Bestattung verlaufen sollen, enorm erleichternd sind. Am meisten Ballast ist abgefallen, nachdem ich auf eine Person zugegangen bin, mit der ich seit Jahren auf Kriegsfuß war. Wir haben uns ausgesöhnt. Auf der anderen Seite habe ich mich von Freunden getrennt, die mich benutzt haben und von mir nahmen, ohne zu geben. Diese Härte war wohltuend. Am meisten überrascht mich, dass ich heute Dinge tue, die ich mir Jahrzehnte nicht zugetraut habe: ich zeichne, male, bastle, koche, backe, mache rundum meinen Haushalt. Uralte und ganz neue Möglichkeiten werden Wirklichkeiten. Eines meiner Lieblingszitate stammt von Picasso. Es lautet: „Man braucht lange, um jung zu werden.“ Und zum geneigten älteren Leser sage ich: „Es ist noch nicht zu spät, damit anzufangen – damit der „Ruhe-Bewegungszustand“ glückt.
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Termine 6. Mai 2016 17.00 Uhr Gemeinsam statt einsam: Meine Erfahrung für die Zukunft Ein Buch von Henning Scherf. Einfuhrung und Lesung Ernst-Werner Briese, Kreisseniorenrat Tübingen e. V. LebensPhasenHaus Rosenau 9 (neben dem Gasthaus Rosenau) 72076 Tübingen
11. Mai 2016 20.00 Uhr Depression – Wenn die Seele trauert Dr. med. Suso Lederle im Gespräch mit Prof. Dr. med. Barbara Wild und Dr. med. Dipl.-Psych. Wulf Bertram Dass die Stimmung trüb ist, man sich traurig, erschöpft und schließlich schauerlich einsam fu ̈hlt, dieses Gefü ̈hl der Gefü ̈hllosigkeit kennt wahrscheinlich fast jeder. Rü ̈cken- und Kopfschmerzen begleiten oft dieses Seelentief und es dauert lange, bis klar ist, dass eigentlich eine Depression dahinter steckt. Wer dann den Alltag nicht mehr zu meistern vermag, benötigt Hilfe, denn eine frühe Behandlung erspart viel Leid. TREFFPUNKT Rotebühlplatz Rotebühlplatz 28; 70173 Stuttgart
4. Juni 2016 14.00 Uhr Schlafapnoe und Restless Legs Syndrom Podiumsdiskussion mit Dipl.-Psych. Sabine Eller (Klinik Schillerhöhe, Gerlingen); Lilo Habersack (RLS e.V., München); Prof. Dr. med. Magdolna Hornyak (Facharztpraxis, Erding); Moderation: Werner Waldmann (BSD e. V., Ostfildern) Das Restless Legs Syndrom und das Schlafapnoe-Syndrom sind beide überaus häufig. Vermutlich ist jedoch auch die Kombination beider Erkrankungen so häufig, dass von einem mehr als zufälligen Zusammentreffen ausgegangen werden muss. Trotzdem gibt es bislang nur wenige Untersuchungen, die sich mit dieser Krankheitskombination beschäftigen. Anmeldungen per Fax: 0711 7656590 oder per E-Mail: w.waldmann@bsd-selbsthilfe.de Vital-Zentrum Glotz; Dieselstr. 19–21; 70839 Gerlingen
16. Juni 2016 19.00 Uhr Probleme mit der Schilddrüse – Was tun? Referenten: Prof. Dr. med. Andreas Zielke, Facharzt f. Chirurgie, Viszeralchirurgie, Gefäßchirurgie, Diakonie-Klinikum, Stuttgart; Dr. med. Oswald Ploner, Facharzt für Innere Medizin, Endokrinologie, und Diabetologie, Stuttgart; Frau Dr. med. Petra Zimmer, Leitende Oberärztin f. Nuklearmedizin und Radiologie, Klinikum Esslingen Moderation: Dr. med. Hans-J. Dietrich, Facharzt f. Innere Medizin, Göppingen Die Referenten berichten zunächst über die Symptomatik sämtlicher Schilddrüsenerkrankungen und ihre konservative Behandlung. Ein besonderes Schwergewicht der Veranstaltung liegt auf der Bildgebung, sowohl in Form von Ultraschall, als auch in Form szintigraphischer Untersuchungen. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Bestrahlung des Organes über das Blut (Radio-Jod-Therapie), schließlich wird von chirurgischer Seite, insbesondere auch auf minimalinvasives Vorgehen, eingegangen. Das Arzt-Patienten-Forum wird durch drei Patientenvorstellungen abgerundet. Hier werden Patienten sprechen, die einen bösartigen Tumor, eine Überfunktion, oder auch „nur“ Knoten hatten, bzw. haben. Eintrittskarten: 3.- EUR sind bei der VHS Göppingen, Mörikestr. 16 und der NWZ, Rosenstr. 24 erhältlich. Klosterneuburgsaal, Stadthalle Göppingen Blumenstraße 41; 73033 Göppingen
29. Juni 2016 20.00 Uhr Demenz und Alzheimer – Der lange Weg ins Vergessen Dr. med. Suso Lederle im Gespräch mit Dr. med. Jochen Hoffmann und Sylvia Kleine Alzheimer Gesellschaft Baden-Wu ̈rttemberg) Die ganze Welt verändert sich fu ̈r den, der eine Demenz-Erkrankung hat. Fü ̈r den ist nichts mehr so wie es einmal war. Und fü ̈r den hat eine langsame Reise in das Vergessen begonnen. Aber es darf kein Weg in das „Vergessen-Werden“ sein! „Was wird aus mir?“ oder „Wie können wir helfen?“ – Diese zentralen Fragen von Betroffenen und ihren Angehörigen können und müssen beantwortet werden. TREFFPUNKT Rotebühlplatz Rotebühlplatz 28; 70173 Stuttgart
Thementag Schlaf
2016
19.11.2016
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Thementag Schlaf 2016 19.11.2016 • 9.00–16.00 Uhr Treffpunkt Rotebühlplatz • Rotebühlplatz 28 • 70173 Stuttgart Mehr Infos unter: www.dasschlafmagazin.de