Kompass Gesundheit DAS MAGAZIN FÜR BADEN-WÜRTTEMBERG
Nr. 2 2012
TOP-THEMA
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Der Trend geht zum Zweitrollator für zuhause
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editorial Liebe Leserin, lieber Leser, unser neues Gesundheitsmagazin für BadenWürttemberg will dafür werben, dass wir beginnen, ein bewussteres Leben zu führen. Dass wir in Zukunft nicht mehr ganz so viel Raubbau mit unserem Körper treiben, wie wir es bisher getan haben – und zwar meist ohne uns große Gedanken darüber zu machen. Denn im Großen und Ganzen geht es uns ja gut; und wenn der Körper doch einmal Probleme macht, weil wir ihn zu lange mit Alkohol, Nikotin, zu üppiger Kost und Bewegungsarmut gequält haben, gibt es dafür schließlich Ärzte und Kliniken. So denken viele. Doch das ist ein verhängnisvoller Irrtum. Denn aus verschiedenen Gründen werden wir (zum Glück) immer älter; unser Nachwuchs fällt aber immer spärlicher aus, und mit zunehmendem Alter stellen sich bei den meisten Menschen chronische Erkrankungen ein. Ein Chroniker kann dank unserer heutigen medizinischen Möglichkeiten ohne weiteres 80, 90 oder auch 100 Jahre alt werden. Allerdings müssen wir alle in unserem eigenen Interesse mehr auf unsere Gesundheit achten – und konsequent etwas dafür tun. Das ist gar nicht so schwer. Allerdings ist es wichtig, dies auch selbst zu wollen. Übrigens: Dies erspart einem auch ganz persönlich Kosten. Denn die Zuzahlungen heute sind schon ganz happig und werden in Zukunft sicher noch zunehmen. In Deutschland leiden rund 16 Millionen Menschen an ausgeprägtem Übergewicht. Jeder dritte Erwachsene bringt zu viele Pfunde auf die Waage und sollte aus medizinischen Gründen dringend abnehmen. Denn Übergewicht und Adipositas (krankhaftes Übergewicht) erhöhen das Risiko für Folgeerkrankungen wie Typ-2-Diabetes, Herz-KreislaufProbleme und bestimmte Krebsarten. Adipositas mindert die Lebensqualität und kostet Geld: Unser Gesundheitswesen legt dafür rund 17 Milliarden Euro pro Jahr auf den Tisch. Noch dramatischer ist es, dass schon unsere Kinder und Jugendlichen immer häufiger übergewichtig sind. Wenn ein 14-jähriges Kind bereits unter krankhaftem Übergewicht leidet, dann ist das eine Katastrophe. Man kann sich ausmalen, mit welchen Gesundheitsproblemen solch ein Jugendlicher sein Leben lang zu kämpfen haben wird. Von zentraler Bedeutung ist ein Präventionsgesetz das von der Bundesregierung für diese Legislaturperiode auf Eis gelegt worden ist. Wir müssen durch entsprechende gesetzliche Rahmenbedingungen auf allen Ebenen, sei es in den Kindergärten, Schulen und vor allen Dingen in den Betrieben Prävention zu einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe erklären. Ihr Roland Sing Vizepräsident VdK Deutschland Vorsitzender VdK Baden-Württemberg
Unser Titelbild
Wenn die kalte Jahreszeit beginnt, klagen viele über eine Schniefnase, Kratzen im Hals und leichten Husten: eben eine Erkältung. Es gibt verschiedene Hausmittel, die dabei helfen. Etwa ein heißes Bad nehmen, eventuell auch mit entsprechenden Zusätzen. Oder eine warme Tasse Tee, die von innen Wärme bringt und je nach Teeart heilend wirken kann. Salbeitee tut gut bei Halsschmerzen und wirkt entzündungshemmend. Lindenblütentee kräftigt die Abwehrkraft, hilft bei Hustenreiz und treibt den Schweiß bei Fieber. Spitzwegerich verwendet man gerne bei trockenem Husten. Erkältungstees sollte man so heiß wie möglich trinken. Zum Süßen eignet sich am besten Honig. Geben Sie den Honig jedoch erst in den Tee, wenn dieser kälter als 40 Grad ist. Sonst werden die Wirkstoffe im Honig zerstört. Wer es mag, kann auch etwas Zitrone hinzugeben, dies wirkt sich ebenfalls positiv auf die Erkältung aus.
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Unser Redaktions-Beirat
Prof. Dr. Walter Aulitzky (Vorsitzender Krebsverband Baden-Württemberg)
Andrea Barth (Diplom-Oecotrophologin)
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Dr. Ernst Bühler (Esslinger Initiative)
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Dieter Kress (Geschäftsführer AOK Neckar-Fils)
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Dr. Stefan Reinecke MBA (Ärztlicher Direktor Innere Medizin II, Marienhospital Stuttgart)
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Dr. Bernd Voggenreiter (Medizinischer Geschäftsführer Filderklinik)
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Impressum Kompass Gesundheit – Das Magazin für Baden-Württemberg, Herausgeber: Dr. Magda Antonic Redaktionsleitung: Werner Waldmann (V.i.S.d.P.) Redaktions-Beirat: Prof. Dr. med. Aulitzky, Dipl. oec. troph. Andrea Barth, Dr. med. Wolfgang Bosch, Dr. med. Ernst Bühler, Dr. med. Hans-Joachim Dietrich, Dr. med. Rainer Graneis, Dr. med. Rudolf Handschuh, Prof. Dr. phil. Dipl.-Psych. Thomas Heidenreich, Dieter Kress, Christof Mühlschlegel, Dr. med. Constanze Nebe, Dr. med. Stefan Reinecke MBA, Isolde Stadtelberger, Dr. med. Bernd Voggenreiter, Dr. med. Sieglind Zehnle Medizinisch-wissenschaftlicher Beirat: Dr. med. Alexander Baisch, Dr. med. Carl-Ludwig v. Ballestrem, Prof. Dr. med. Alexander Bosse, Prof. Dr. med. Claudio Denzlinger, Prof. Dr. med. Rainer Dierkesmann, Dipl.-Psych. Sabine Eller, Dr. med. Wilhelm Gienger, Dr. med. Joachim Glockner, Dr. med. Christian Hayd, Prof. Dr. med. Bernhard Hellmich, Prof. Dr. med. Doris HenneBruns, Prof. Dr. med. Christian Herdeg, Prof. Dr. med. Alfred Königsrainer, Prof. Dr. med. Ulrich Liener, Prof. Dr. med. Alfred Lindner, Dr. med. Gerhard Müller-Schwefe, Dr. med. Martin Runge, PD Dr. med. Klaus Schröder, Dr. med. Udo Schuss, Dr. med. Nobert Smetak, Prof. Dr. med. Arnulf Stenzl, Prof. Dr. med. Egon Weidle, Holger Woehrle
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Juristische Beratung: RA Mirja K. Trautmann Patientenrechte: Markus Grübel (MdB), Wolfgang Zöller, Patientenbeauftragter der Bundesregierung, Berlin) Redaktion: Dr. J. Roxanne Dossak, Andrew Leslie, Ursula Pieper, Marion Zerbst Art Direction: Dr. Magda Antonic Herstellung: Barbara Schüler Druck: Bechtle Druck & Service, Esslingen Fotos: Cover: © Dusan Zidar/ScanStockPhoto; S. 6: © kaowenhua/Fotolia; S. 10: © Mic-3/Fotolia; S. 24: © Filderklinik; S. 29: © Claudia Hautumm/pixelio; S. 33: © Fotolia; S. 35: © Dienste für Menschen gGmbH; S. 36: © IKO/ScanStockPhoto; Alle anderen Fotos: MEDITEXT Dr. Antonic Verlag: MEDITEXT Dr. Antonic Verlagleitung: Dr. Magda Antonic Hagäckerstraße 4; D-73760 Ostfildern Tel.: 0711 7656494; Fax: 0711 7656590 dr.antonic@meditext-online.de www.meditext-online.de Wichtiger Hinweis: Medizin als Wissenschaft ist ständig im Fluss. Soweit in dieser Zeitschrift eine Applikation oder Dosierung angegeben ist, darf der Leser zwar darauf vertrauen, dass Autoren, Redaktion und Verlag größte Mühe darauf verwandt haben, dass diese Angaben genau dem Wissensstand bei Drucklegung der Zeitschrift entsprachen. Dennoch sollte jeder Benutzer die Beipackzettel
der verwendeten Medikamente selbst prüfen, um in eigener Verantwortung festzustellen, ob die dort gegebene Empfehlung für Dosierungen oder die Beachtung von Kontraindikationen gegenüber der Angabe in dieser Zeitschrift abweicht. Leser außerhalb der Bundesrepublik Deutschland müssen sich nach den Vorschriften der für sie zuständigen Behörden richten. Geschützte Warennamen (Warenzeichen) müssen nicht besonders kenntlich gemacht sein. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt. Das Magazin und alle in ihm enthaltenen Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Mit Ausnahme der gesetzlich zugelassenen Fälle ist eine Verwertung ohne Einwilligung von MEDITEXT Dr. Antonic strafbar. Die Redaktion behält sich die Bearbeitung von Beiträgen vor. Für unverlangt eingesandte Manuskripte, Fotos und Abbildungen wird keine Haftung übernommen. Mit Namen gezeichnete Artikel geben die Meinung des Verfassers wieder. Erfüllungsort und Gerichtsstand ist Esslingen.
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ISSN 2194-5438
Kompass Gesundheit 2/2012
inhalt Besonders aggressiv
Typ-2-Diabetes bei Kindern und Jugendlichen
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Online abnehmen
Die „HausMed-Coaches“
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Übergewicht: Nur mit Konsequenz zu überwinden
So überlisten Sie den Jo-Jo-Effekt
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Magenbypass & Co.
Der Patient muss intensiv mitarbeiten
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AOK unterstützt Übergewichtige beim Abnehmen
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Idealgewicht – aber keine Traumfigur ?
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Leben nach Krebs
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Krebstherapie im 21. Jahrhundert: Besser – gezielter – erfolgreicher
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Ganzheitliche Medizin
Die Chirurgie in der Filderklinik
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Im Gespräch mit Dieter Kress
Jeder Patient braucht einen „Lotsen“
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Impflücken nicht auf die leichte Schulter nehmen
Infektionskrankheiten können gefährlich sein – vor allem für Kinder
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Organtransplantation
Für viele Menschen die letzte Rettung
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So wird der Hirntod festgestellt
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Gesellige Stunden für Menschen mit Demenz
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Rubriken | Impressum 4 | Aboformular 27 | Ernährungs-Kolumne 33 | Apotheker-Kolumne 29 |
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Besonders aggressiv
Typ-2-Diabetes bei Kindern und Jugendlichen Werner Waldmann
Unsere Kinder und Jugendlichen werden immer dicker. Laut Daten der Arbeitsgemeinschaft „Adipositas im Kindes- und Jugendalter“ sind über 22 000 Kinder aus dem deutschsprachigen Raum extrem übergewichtig. Sie haben ein erhöhtes Risiko, bereits in jungen Jahren Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes zu entwickeln. Eine neue Studie hat jetzt gezeigt, dass Menschen, die bereits im Jugendalter an Typ-2-Diabetes erkranken, eine besonders aggressive Form dieser Stoffwechselkrankheit entwickeln, der mit Medikamenten und Lebensstiländerungen kaum beizukommen ist.
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n einer amerikanischen Studie wurden rund 700 übergewichtige Jugendliche, die bereits im Alter von 10 bis 17 Jahren an Typ-2-Diabetes erkrankt waren, in drei verschiedene Behandlungsgruppen eingeteilt: Die erste erhielt den Blutzuckersenker Metformin, ein sehr gut wirksames Präparat, das auch bei erwachsenen Diabetikern oft als erstes Mittel gegeben wird. Die zweite Gruppe nahm Metformin in Kombination mit einem zweiten Antidiabetikum (Rosiglitazon) ein, das in Deutschland wegen Herz-Kreislauf-Risiken mittlerweile nicht mehr auf dem Markt ist. Die dritte Gruppe nahm Metformin und änderte zusätzlich ihren Lebensstil: Ein persönlicher Trainer brachte den Jugendlichen bei, kalorienreiche Nahrungsmittel zu meiden, sich ballaststoffreicher zu ernähren und 200 Minuten pro Woche Sport zu treiben. Leider waren die Ergebnisse dieser Studie ziemlich niederschmetternd: Nur 50 % der jungen Patienten erreichten mit Metformin einen akzeptablen Blutzucker; und die Änderung der Lebensweise brachte keine zusätzliche Besserung – obwohl die Mehrzahl der Jugendlichen sich wirklich an die Vorgaben ihres Trainers hielt. Woher diese entmutigenden Resultate kommen, weiß man noch nicht genau. Man kann aber davon ausgehen, dass jemand, in dessen Familie gehäuft Typ-2-Diabetes aufgetreten ist, ein höheres Risiko hat, ebenfalls daran zu erkranken – und zwar oft schon in jungen Jahren. Und dabei handelt es sich dann häufig um eine besonders aggressive Diabetesform.
Kindern lernen von den Eltern „Schon seit längerem weiß man, dass sich das Risiko bei Menschen, bei denen ein erstgradiger Verwandter (Vater, Mutter oder Geschwister) Diabetes hat, stark erhöht“, erklärt der Pressesprecher der Deutschen Diabetesgesellschaft, Prof. Dr. Andreas Fritsche. Das muss aber nicht unbedingt nur genetische Ursachen haben: Auch Umwelt und soziales Umfeld spielen bei der Entstehung dieser Stoffwechselkrankheit eine wichtige Rolle. „Die häufigsten Umweltfaktoren, die zu Diabetes führen können, sind zu hohe Kalorienaufnahme und zu wenig Bewegung“, sagt Prof. Fritsche. Und solche Verhaltensmuster werden eben leider oft von den Eltern an die Kinder weitergegeben. Übergewicht ist aber nur ein Risikofaktor und nicht die Ursache des Diabetes; denn sonst würde
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jeder übergewichtige Mensch an Diabetes erkranken. Das ist aber nicht so. In letzter Zeit werden immer mehr Diabetes-Risikofaktoren bekannt: unter anderem Stress und zu wenig Schlaf. Manche Daten deuten sogar auf Luftverschmutzung als Diabetes-Ursache hin. „Wir stellen uns das so vor, dass wir eine Umwelt haben, die die Grundlage für den Diabetes bildet. Dieses so genannte diabetogene Umfeld besteht aus Risikofaktoren wie Bewegungsmangel, Übergewicht, Stress usw. Damit es dann aber wirklich zum Diabetes kommt, muss auch noch eine Störung der insulinproduzierenden Zellen vorliegen“, erklärt Prof. Fritsche. „Wenn man eine gesunde Bauchspeicheldrüse hat, die genügend Insulin produziert, können einem diese diabetogenen Umweltfaktoren nicht so viel anhaben – dann wird man vielleicht übergewichtig, bekommt einen Gelenkschaden an den Knien, aber keinen Diabetes. Wenn man aber eine schwache Bauchspeicheldrüse hat bzw. die Betazellen in der Drüse, die das Insulin produzieren, geschädigt sind, dann entsteht ein Diabetes.“ Warum es bei manchen Menschen zu dieser Schwächung der Bauchspeicheldrüse und Schädigung der Betazellen kommt und bei anderen nicht, muss erst noch erforscht werden.
Eine Krankheit mit vielen Gesichtern
Prof. Dr. Andreas Fritsche ist Leiter des Bereichs Ernährungsmedizin und Prävention an der Medizinischen Klinik IV des Universitätsklinikums Tübingen und im Bereich der Diabetesforschung tätig. Außerdem ist er Pressesprecher der Deutschen Diabetesgesellschaft. Prof. Dr. med. Andreas Fritsche Medizinische Klinik IV Universität Tübingen Otfried-Müller-Str. 10 72076 Tübingen andreas.fritsche@ med.unituebingen.de
Außerdem, meint Prof. Fritsche, darf man Diabetes-Patienten nicht alle über einen Kamm scheren, weil es viele Spielarten dieser Stoffwechselerkrankung gibt. „Das diabetogene Umfeld, der Betazellschaden und 40 bis 50 verschiedene Gene, die an der Diabetes-Entstehung beteiligt sind – diese vielen Faktoren ergeben bei jedem Patienten ein anderes Bild. Der eine ist schlank und bekommt trotzdem Diabetes (bei so einem Patienten steht die Schädigung der Betazellen im Vordergrund); wieder andere Diabetiker sind extrem übergewichtig, sodass die überzähligen Pfunde die Hauptursache darstellen – da gibt es Hunderte von Kombinationen.“ Daher darf man nicht bei allen Risikokandidaten die gleichen vorbeugenden Maßnahmen ergreifen. „Wir haben viele Patienten, die schlank sind und trotzdem ein erhöhtes Diabetes-Risiko haben. Denen können wir keine Abnehm-Diät empfehlen, weil sie gar nicht mehr abnehmen dürfen.“ Das Gleiche gilt für die Therapie: „Einen Patienten, der an einer Verfettung der Leber und Entzün-
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dungen im Körper leidet, muss man ganz anders behandeln als einen, der eine schwache Bauchspeicheldrüse hat“, erklärt Prof. Fritsche. „Bei Patienten mit Bauchspeicheldrüsenproblemen greift man wahrscheinlich schneller zu Medikamenten als bei einem Patienten mit verfetteter Leber; bei Leberverfettung wiederum hilft Bewegung besonders gut. Wenn ein Patient dagegen zu viel Bauchfett hat, geben wir ihm bestimmte Ernährungstipps wie z. B. mehr Ballaststoffe zu essen. Wir versuchen möglichst individuell auf die Patienten einzugehen.“
Hohes Risiko bei sozial benachteiligten Kindern Studien zeigen, dass Kinder aus Problemfamilien (Migrantenhintergrund, Armut usw.) ein besonders hohes Diabetesrisiko haben. Woran liegt das? „Ein ursächlicher Faktor ist sicherlich,
Mehr Infos auf:
www.kompass-gesundheit-bw.de Die Langfassung dieses Beitrags finden Sie auf der Homepage von „Kompass Gesundheit“. Scannen Sie dazu diesen QR-Code. http://www.kompass-gesundheitbw.de/cms/diabetes-kinder-jugendliche
dass diese Kinder mehr Stress haben. Außerdem müssen unsere Gene zu unserer Umwelt passen: Der Eskimo ist an die Lebensverhältnisse in Grönland angepasst, der Japaner an Japan und ein Spanier oder Italiener an den Mittelmeerraum. Wenn jemand nun in eine andere Essens- und Lebensumwelt (z. B. nach Deutschland oder Amerika) kommt, kann es sein, dass die dort herrschende ungesunde Lebens- und Ernährungsweise für diesen Menschen aufgrund seines anderen genetischen Hintergrunds doppelt schädlich ist.“ So weiß man beispielsweise schon lange, dass Japaner, die in die USA auswandern, ein sehr hohes Risiko tragen, einen Herzinfarkt zu erleiden; und ein türkischstämmiges Kind, das nach Deutschland auswandert, hat eben ein besonders hohes Diabetesrisiko. Was sollen Eltern tun, deren Kinder schon im Jugendalter an Typ-2-Diabetes erkranken? „Ich empfehle dringend, diese Kinder in einer Diabetes-Spezialeinrichtung vorzustellen, weil sie aufgrund ihrer aggressiven Diabetesform besonders intensiv betreut werden müssen. Denn wenn es nicht gelingt, ihren Blutzucker zu normalisieren, haben sie eine sehr geringe Lebenserwartung und ein hohes Risiko, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und andere Folgekrankheiten des Diabetes zu entwickeln. Wir haben an der Kinderklinik und der Medizinischen Klinik des Tübinger Universitätsklinikums eine spezielle DiabetesAdipositas-Sprechstunde.“
Online abnehmen
Die „HausMed-Coaches“
Dr. Sieglind Zehnle
HausMed ist eine Initiative des Deutschen Hausärzteverbandes. Gemeinsam mit persönlich engagierten Privatpersonen und Experten im Gesundheitswesen wurde HausMed 2010 gegründet, um Hausärzte und ihre Patienten bei der Vorbeugung von Krankheiten und deren Behandlung zu unterstützen. Hausmed bietet dafür internetgestützte Patientenschulungen an. Interessierte Hausarztpraxen sollten sich für die Teilnahme registrieren lassen. Die Teilnahme am HausMed-Coach „Gesunder Rücken“ ist z. B. aber auch für Orthopäden möglich. Wie unterstützt Hausmed Ärzte und ihre Patienten? Unter der Bezeichnung: „HausMed“ wurden therapiebegleitende, internetgestützte Patientenschulungen zu folgenden Themen entwickelt: Leichter Leben (Abnehmen), Rauchfrei (Raucherentwöhnung), Gesunder Rücken (Rückenschule online), Depression, Bluthochdruck und viele mehr. Der „HausMed Coach Leichter leben“ zum Beispiel wurde von Hausärzten, Psychologen, Sport- und Ernährungswissenschaftlern entwickelt. Es handelt sich eher um ein Lebensumstellungs-Programm als um ein reines Diätprogramm. Damit ist es leicht, erfolgreich und gesund abzunehmen — ohne zu hun-
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gern. Das auf den Patienten zugeschnittene onlinebasierte Programm begleitet ihn 12 Wochen lang. Mit wöchentlichen Übungen, regelmäßigem Feedback und einer umfangreichen Lebensmittel- und Rezeptdatenbank lernt er, die Ernährungsund die Lebensweise so umzustellen, dass er abnimmt und trotzdem satt wird. Das Ziel des Abnehmprogramms ist also eine nachhaltige Umstellung der bisherigen Gewohnheiten auch über den 12-Wochen-Kurs hinaus. Durch regelmäßige motivierende Anrufe der teilnehmenden Praxis wird der Teilnehmer zusätzlich motiviert. Erinnerungen erfolgen täglich zusätzlich von HausMed aus z. B. über SMS.
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Der „HausMed Coach Leichter leben“ eignet sich sowohl für Patienten, die nur einige Kilos verlieren wollen, als auch für solche, die eine grundlegende Änderung in ihrem Ernährungs- und Bewegungsverhalten anstreben. Im Rahmen von insgesamt 12 Wochenthemen erfahren Interessierte nicht nur Wissenswertes zu gesunder Ernährung und Bewegung – sie lernen vor allem, das gewonnene Wissen anhand von einfachen Tipps für den Alltag direkt anzuwenden. Der Ernährungsplan wird entsprechend des Kalorienbedarfs individuell auf den einzelnen Teilnehmer abgestimmt. Das Coaching ist auch für Diabetiker und Patienten mit Bluthochdruck geeignet, da für deren Anforderungen gezielt individualisierte Inhalte zur Verfügung gestellt werden. Gegenanzeigen sind allerdings zu beachten (online abrufbar unter www.hausmed.de). Wer teilnehmen möchte, sollte mit dem Internet umgehen können und bereit sein, anfangs etwa zwei Stunden (Einlernphase) und anschließend eine Viertel- bis halbe Stunde wöchentlich online das Programm und die Wocheninfos und -aufgaben abzurufen.
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Unsere Erfahrungen Wir nutzen vor allem das HausMed-Programm „Leichter leben“. Damit kann ich Patienten, die gern abnehmen möchten und mit dem Internet umgehen können, als Hausärztin ein zertifiziertes und von vielen Kassen bezuschusstes seriöses Online-Programm bieten. Um den Kurs für meine Patienten zu testen, habe ich ihn selbst mitgemacht und kann sagen, dass er sich wirklich leicht in den Alltag integrieren lässt. Ein erfreulicher Nebeneffekt: Auch ich habe insgesamt vier Kilogramm abgenommen und halte mein neues Gewicht auch seit einem Jahr. Vor allem finde ich das Preis-Leistungs-Verhältnis sehr gut. Zahlreiche meiner Patienten waren sehr erfolgreich und haben mehr als 10 kg abgenommen.
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Dr. med. Sieglind Zehnle Hausarzt-Praxis Scharnhausen Allgemeinmedizin – Homöopathie – Palliativmedizin Ruiter Str. 7 73760 Ostfildern Tel.: 07158 8073 Fax: 07158 68411 praxiszehnle@web.de http://drzehnle.word press.com
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Übergewicht: Nur mit Konsequenz zu überwinden
So überlisten Sie den Jo-Jo-Effekt Es ist schwierig, überflüssige Pfunde loszuwerden. Noch schwerer aber scheint es zu sein, hinterher auch dauerhaft schlank zu bleiben: Nur rund 15 % aller Menschen schaffen es, eine erfolgreiche Gewichtsabnahme über mehrere Jahre zu halten. Die meisten nehmen bereits im darauffolgenden Jahr 30 bis 50 % ihres verlorenen Gewichts wieder zu, und nach drei bis fünf Jahren sind sie genauso übergewichtig wie vorher. Marion Zerbst
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m Rahmen einer neuen Studie, der „Essen-Bochum Obesity Treatment Study“ (EBOTS), untersuchen deutsche Wissenschaftler über 500 stark übergewichtige (adipöse) Männer und Frauen, um herauszufinden, welche Faktoren für einen langfristigen Gewichtserhalt wichtig sind. Dabei wurden verschiedene Personengruppen unter die Lupe genommen: Über 250 Patienten nahmen ein Jahr lang an einem Gewichtsreduktionsprogramm teil, das neben einer Abnahmephase mit FormulaDiät (Optifast®) ein ausgewogenes Ernährungs- und Bewegungsverhalten förderte und entsprechende Verhaltensweisen in Gruppensitzungen unter psychologischer Anleitung besprach. Eine zweite Gruppe von 153 adipösen Männern und Frauen unterzog sich einem chirurgischen Eingriff und ließ sich ein Magenband legen. Als Kontrollgruppe dienten 128 adipöse bzw. 174 normalgewichtige Personen, die nicht an einer Gewichtsabnahme interessiert waren. Die Studie zeigt, dass diejenigen Patienten, die sich einer chirurgischen Maßnahme unterzogen, sowohl kurzzeitig als auch im Langzeitverlauf den größten Erfolg hatten: Diese Patienten nahmen im ersten Jahr nach der Operation im Durchschnitt fast 37 kg ab; vier Jahre nach dem Eingriff lag ihre durchschnittliche Gewichtsabnahme immerhin noch bei 34,5 kg. Die Behandlungsgruppe, die mittels Formula-Diät plus Verhaltensänderung abgenommen hatte, erreichte im Jahr nach der Behandlung nur eine durchschnittliche Gewichtsreduktion von rund 18 kg; und nach vier Jahren war ihr durchschnittlicher Abnehmerfolg auf bloße 3,7 kg zusammengeschmolzen.
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Viele Übergewichtige haben psychische Probleme Frühere Studien hatten bereits gezeigt, dass stark übergewichtige Menschen häufiger unter psychischen Problemen (vor allem Depressionen, Angstund Essstörungen) leiden. Zu der Frage, inwieweit solche Probleme sich auf den Gewichtsverlauf auswirken, gibt es unterschiedliche Ergebnisse. So weiß man, dass Depressionen und Verhaltensstörungen in Kindheit und Jugend das Risiko für die Entstehung von Übergewicht im Erwachsenenalter erhöhen. Für erwachsene Menschen ist dieser Zusammenhang allerdings nicht belegt. Auch die EBOTS-Studie ging der Frage nach der Auswirkung psychischer Störungen auf das Gewicht nach. Nach der bisherigen Datenanalyse wirkt sich die seelische Situation jedoch nur bei denjenigen Patienten auf den Gewichtsverlauf aus, die sich einer Operation zur Gewichtsreduktion unterzogen. Bei diesen Patienten verschlechterte eine Depression die Chance, das erreichte Gewicht auch langfristig zu halten. Woran das liegt, weiß man nicht genau; möglicherweise laufen depressive Menschen eher Gefahr, in ungesundes Essverhalten zu verfallen, oder es fällt ihnen schwerer, sich an die strengen Ernährungsregeln zu halten, die nach einem solchen Eingriff eingehalten werden müssen. Daher ist anzuraten, in diesen Fällen möglichst rasch therapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen und nicht erst zu warten, bis das Gewicht wieder nach oben geklettert ist.
Ein schwieriger, aber lohnender Weg Was soll man nach den Ergebnissen dieser Studie denn nun tun, um sein Gewicht langfristig zu halten? Hier sind gleich mehrere Verhaltensweisen wichtig: Zunächst einmal muss man lernen, sich beim Essen zu kontrollieren. Zweitens darf man
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Kontrolliert essen – regelmäßig bewegen In den USA wird seit 1994 ein großes Register über mehr als 10 000 Personen geführt, die kräftig abgenommen und ihr Gewicht hinterher auch über einen langen Zeitraum gehalten haben. Wie haben diese Leute das geschafft? Einfach war es nicht: Sie haben sich fettarm ernährt, regelmäßig ihr Gewicht kontrolliert und sich viel bewegt. Nur durch bewusste Ernährung allein schafft es offenbar kaum jemand, dauerhaft abzunehmen. An der Spitze der sportlichen Aktivitäten steht zügiges Gehen oder Walken, gefolgt von Radfahren, Gewichtheben, Joggen, Aerobic und Treppensteigen. Im Vergleich dazu erhöhten Menschen, die nach einer Gewichtsabnahme erneut zunahmen, ihren Fettkonsum nach einer Weile wieder, begannen unkontrollierter zu essen und bewegten sich deutlich weniger. Das Erfolgsrezept ist also eigentlich ganz einfach – aber eben nicht immer leicht umzusetzen: Man muss „dranbleiben“!
sich nicht auf seinen Lorbeeren ausruhen, sondern sollte die einmal erreichten Lebensstiländerungen ständig überprüfen, damit sie einem auch in „Fleisch und Blut“ übergehen. Wie man so etwas anstellt, bleibt jedem selbst überlassen; es gibt die verschiedensten Strategien dafür. Manche Leute tragen sich ihre Sporttermine in den Terminkalender ein, um auch wirklich daran zu denken und sich für diesen Zeitpunkt nichts anderes vorzunehmen. Wieder andere verabreden sich zum Joggen oder Schwimmen mit Freunden; denn erstens macht Sport vielen Menschen in der Gruppe mehr Spaß, und zweitens setzt man sich dadurch unter einen gewissen Zugzwang. Zu kontrolliertem Essverhalten gehört, niemals „nebenbei“ zu essen und Mahlzeiten oder Snacks nicht als Belohnung oder Trostpflaster bei Frust und Stimmungstiefs einzusetzen. Nachteilig wirkt sich auch ein Essverhalten aus, das sich an externen Reizen (beispielsweise Uhrzeiten oder Speisenangebot) orientiert. Stattdessen sollte man wieder lernen, auf die Signale seines Körpers (Hunger- bzw. Sättigungsgefühl) zu achten. Ferner ist eine längerfristige Nachbetreuung vorteilhaft, um den veränderten Lebensstil zu festigen. Wer das Gefühl hat, es allein nicht zu schaffen, sollte sich also Hilfe holen. Grundsätzlich braucht man fürs Gewichtsmanagement einen langen Atem: Adipositas muss als chronische Erkrankung begriffen werden, meint Dr. Tanja Legenbauer, eine der Projektleiterinnen der Studie. Man sollte seinem Gewicht permanent zu Leibe rücken – alle Anstrengungen nützen nichts, wenn die Patienten hinterher wieder in alte Gewohnheiten zurückfallen. Aber die Mühe lohnt sich – auch im Hinblick auf das seelische Wohlbefinden: Insbesondere bei den operierten Patienten, die stark abgenommen hatten, war ein und zwei Jahre nach dem chirurgi-
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schen Eingriff eine deutliche Besserung ihrer depressiven Symptomatik und Lebensqualität zu beobachten.
Die ersten Jahre sind am schwersten Auch andere Studien haben untersucht, wie Menschen es schaffen, ihr Wunschgewicht dauerhaft zu halten, und wie viel man denn überhaupt abnehmen sollte. Sie sind teilweise zu recht ähnlichen Ergebnissen gekommen wie die EBOTS-Studie. Nicht jeder erreicht durch eine Gewichtsreduktion sein Wunschgewicht. Aber schon mit ein paar Kilo weniger kann man sein Risiko deutlich senken. So weiß man, dass übergewichtsbedingte Risiken und Erkrankungen sich bereits durch eine Gewichtsabnahme von mindestens 5 % des Ausgangsgewichts deutlich bessern lassen. Optimal wäre es allerdings, mindestens 10 kg abzuspecken. Die Erfahrung zeigt, dass Menschen, die weniger als 10 kg verlieren, ein höheres Risiko für eine erneute Gewichtszunahme haben. O Feste Ansprechpartnerin Außerdem ist die Gefahr O Beratung und Anprobe in einer erneuten Zunahme anspruchsvoller Atmosphäre in den ersten Jahren O Unabhängigkeit in der nach der GewichtsreAuswahl der Lieferanten duktion am höchsten. O Wir kümmern uns um die Wer es also schafft, sein Abwicklung mit Ihrer Gewicht zwei oder drei Krankenkasse Jahre lang zu halten, O Wir wollen Sie auf Ihrem Weg kann gelassen in die Zuzu Ihrer eigenen Lebensqualität kunft schauen: Ihm wird begleiten das GewichtsmanageTel.75 7587 8765 6516 16 Esslingen · Rossmarkt 29 · Tel ment mit der Zeit immer Nellingen Tel.3348 4823 2383 83 Nellingen ·· Hindenburgstr. Hindenburgstr. 6 6 ·· Tel leichter fallen.
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Magenbypass & Co.
Der Patient muss intensiv mitarbeiten Die Adipositaschirurgie ist zurzeit in aller Munde, und die Medien machen auch kräftig Reklame dafür. Oft bleiben Risiken, Probleme und Nachteile dieser Verfahren dabei leider unerwähnt. Aber eine Operation, durch die man auf wundersame Weise schlank wird und bleibt, ohne selbst etwas dafür tun zu müssen, gibt es nicht. Nach solch einem Eingriff muss der Patient vieles beachten und sein Ernährungsverhalten radikal umstellen. Wir sprachen mit Privatdozentin Dr. med. Anna Maria Wolf, die an der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie des Universitätsklinikums Ulm für die adipositaschirurgischen Eingriffe zuständig ist. Dr. Wolf blickt auf eine zwanzigjährige Erfahrung auf diesem Terrain zurück. Frau Dr. Wolf, können Sie bitte kurz das Prinzip der Adipositaschirurgie erklären? Dr. Wolf: Prinzipiell muss man wissen, dass die Adipositaschirurgie keine normale Chirurgie ist. Im Gegensatz zu anderen Operationen behandelt sie nicht die Ursache der Erkrankung, sondern ist eine rein symptomatische Therapie, die nur dann etwas bringt, wenn die Patienten nach der Operation für den Rest ihres Lebens intensiv und diszipliniert mitarbeiten. Das heißt, man kann nach jeder Art der Adipositaschirurgie wieder zunehmen, auch über das ursprüngliche Ausgangsgewicht hinaus. Das müssen die Patienten wissen.
PD Dr. med. Anna Maria Wolf, Universitätsklinikum Ulm Klinik für Allgemeinund Viszeralchirurgie Albert-EinsteinAllee 23 89081 Ulm Tel.: 0731 500-53553 Fax: 0731 500-21595 anna-maria.wolf @uniklinik-ulm.de
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Da müssen Sie Ihre Patienten vorher wahrscheinlich genau prüfen und ausführlich mit ihnen sprechen, um ein Gefühl dafür zu bekommen, ob der jeweilige Patient mitarbeiten wird. Dr. Wolf: Das Problem ist, dass jeder Übergewichtige alles versprechen wird, damit man die Operation bei ihm durchführt; aber kein Mensch kann voraussagen, wie er hinterher mit der Situation umgehen wird. Ich versuche meinen Patienten folgende Botschaft zu vermitteln: „Wenn Sie denken, ich lasse mich operieren, werde dadurch dünn und mache dann einfach weiter wie bisher, können Sie es ebenso gut gleich bleiben lassen.“ Das große Problem der Adipositaschirurgie ist aus meiner Sicht, dass es kein Messinstrument gibt, anhand dessen wir von vornherein feststellen können, welcher Patient bei der erforderlichen Umstellung seiner Lebensweise Erfolg haben wird und welcher nicht. Es gab Patienten, bei denen ich in dieser Hinsicht große Bedenken hatte und die hinterher trotzdem extrem erfolgreich waren. Andere Patien-
ten, bei denen ich davon ausging, dass alles gut klappen würde, hatten dagegen große Probleme. Welche Verfahren werden zurzeit durchgeführt? Kommt der Magenballon noch zum Einsatz? Dr. Wolf: Der Magenballon wird heutzutage meist bei sehr schwer übergewichtigen Patienten eingesetzt, um sie überhaupt erst operabel zu machen. Durch das Volumen des Ballons ist der Magen ausgefüllt, und wenn die Patienten wirklich nach ihrem Sättigungsgefühl gehen würden, dürften sie damit 30 oder 40 kg abnehmen. Aber auch da gilt wieder: Der Erfolg hängt von der konsequenten Mitwirkung des Patienten ab. Ein Problem ist allerdings, dass der Ballon nach drei Monaten wieder herausgenommen werden muss. Somit ist dieses Verfahren ähnlich wie eine Gewichtsreduktionsdiät: Wenn der Patient sich entscheidet, seinen Lebensstil zu ändern – also sein Ernährungs- und Bewegungsverhalten dauerhaft umzustellen –, wird er auch nach der Entfernung des Magenballons keine Gewichtsprobleme haben. Die meisten Patienten fallen hinterher aber wieder in ihr altes Verhalten zurück, und dann tritt der berühmte Jo-Jo-Effekt ein. Dann ist das Magenband eher eine erfolgversprechendere Lösung? Dr. Wolf: Am Magenband wird immer wieder gelobt, dass man es einfach wieder herausnehmen kann, wenn der Patient sein Wunschgewicht erreicht hat. Aber das halte ich nicht für sinnvoll, weil adipositaschirurgische Methoden eigentlich bis ans Lebensende durchgeführt werden sollten. Sobald man das Band entfernt, nimmt der Patient garantiert wieder zu. Ich habe keinen einzigen Pa-
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tienten erlebt, der danach sein Gewicht halten konnte.
zungsmittel einnehmen, die auch viel Platz im Magen brauchen.
Wie ist es mit dem Schlauchmagen? Dr. Wolf: Dieses Verfahren hat im Gegensatz zum Magenband den Vorteil, dass kein Fremdkörper in den Bauchraum eingebracht wird. Beim Schlauchmagen gibt es aber wiederum ein anderes Problem, nämlich dann, wenn die Patienten sich nicht an das vorgegebene Ess- und Trinkverhalten halten: Dann wird sich der Schlauchmagen natürlich auch wieder ausweiten und kann sogar genauso groß werden wie der alte Magen. Und dann kommen die Patienten und sagen: „Der Arzt hat mir den Schlauchmagen nicht eng genug gemacht.“ Ein Vorteil wiederum ist, dass im Fundusbereich des Magens (der bei diesem Verfahren entfernt wird) ein Hunger erzeugendes Hormon namens Ghrelin gebildet wird. Das Hungergefühl verringert sich also nach der Operation.
Welche Vor- und Nachteile haben sehr invasive Verfahren wie die biliopankreatische Diversion? Dr. Wolf: Dadurch, dass bei diesem Verfahren eine große Dünndarmstrecke umgangen wird, bekommen die Patienten massive Fettstühle und vertragen keine fetthaltige Nahrung mehr. Ein weiteres Problem ist, dass fettlösliche Vitamine, Spurenelemente und Mineralstoffe vom Verdauungssystem nicht mehr aufgenommen werden können und die Patienten daher (ebenso wie nach einer Magenbypass-Operation) ihr Leben lang zahlreiche Nahrungsergänzungsmittel schlucken müssen. Das heißt, sie nehmen zwar gut ab, müssen aber sehr diszipliniert sein und alle notwendigen Nahrungsergänzungspräparate regelmäßig einnehmen.
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mit sich und seinem Körper ist entscheidend für Wohlbefinden und
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Was würde passieren, wenn sie diese einmal weglassen? Dr. Wolf: Dann gibt es große Probleme: Diese Patienten entwickeln Osteoporose, die das Risiko von Knochenbrüchen erhöht, außerdem einen Eiweißmangel, der sich auf den ganzen Körper auswirkt, Vitaminmangelerscheinungen, und so weiter. Viele Medien preisen die Adipositaschirurgie als das Nonplusultra an, ohne diese Probleme zu erwähnen. Dr. Wolf: Das ist ein großer Fehler. Wir klären unsere Patienten sehr intensiv darüber auf, was sie nach einer solchen Operation alles beachten müssen. Je invasiver der Eingriff, umso schlimmer sind die Konsequenzen, wenn die Patienten sich nicht an die Vorgaben halten. Werden die Operationen offen gemacht oder laparoskopisch? Dr. Wolf: Mittlerweile werden auf der ganzen Welt die meisten Eingriffe laparoskopisch durchgeführt, und auch wir gehen jetzt dazu über. Die Patienten haben einen
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Gilt dies auch für den Magenbypass? Dr. Wolf: Bei diesem Verfahren wird ein so großer Teil des Verdauungssystems (mitsamt den dort produzierten Verdauungshormonen) ausgeschaltet, dass die meisten Patienten mindestens ein halbes Jahr lang gar nicht mehr ans Essen denken und dies natürlich als enorme Erleichterung empfinden. Aber danach kann es schon passieren, dass sie wieder in ihre alten Ernährungsgewohnheiten zurückfallen; sie können dann nur nicht mehr so gut essen wie vorher. Stattdessen suchen sie eine andere Möglichkeit der exzessiven Nahrungsaufnahme, die die Amerikaner als „grazing“ bezeichnen (das heißt auf Deutsch „grasen“, wie Kühe es tun): Sie essen den ganzen Tag und schaffen es auf diese Weise tatsächlich, sich die vielen Kalorien, die sie früher zu den üblichen Mahlzeiten aufgenommen haben, nun über den Tag verteilt zuzuführen. Wir empfehlen solchen Patienten drei Mahlzeiten pro Tag, keine fünf! Denn in der Zeit dazwischen müssen sie ihre Nahrungsergän-
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Vorteil davon, denn natürlich sind die Schmerzen, die direkt nach einer offenen Operation durch das Durchtrennen der Bauchdecke entstehen, beim minimalinvasiven Verfahren nicht so hoch. Die Patienten müssen nach der Operation aber mehrere Tage im Krankenhaus bleiben, um zu lernen, wie und was sie essen und trinken dürfen. Das Essverhalten, das ein Patient sich über Jahre angewöhnt hat, kann man durch eine Operation nicht von einem Tag auf den anderen verändern. Bekommen die Patienten nach dem Eingriff irgendwelche Hilfen, z. B. ein Training oder therapeutische Unterstützung? Dr. Wolf: Das stellt man sich so einfach vor. Aber wir müssen uns über eines im Klaren sein: Diese Patienten haben jahrelang Raubbau mit ihrem Körper betrieben. Übergewicht ist eine Lifestyle-Erkrankung; das sieht man schon allein daran, dass ihre Häufigkeit in den letzten Jahrzehnten so dramatisch zugenommen hat. Die Leute essen einfach drauflos, wie sie möchten oder wie sie es gelernt haben, und dann kommen sie und sagen: „Mach’ mich wieder schlank!“ Aber im Grunde möchten sie ja so weiteressen wie bisher. Die Vorstellung, dass diese Menschen psychische Probleme haben und deshalb dick werden, also eine psychotherapeutische Behandlung brauchen, ist falsch. Das Einzige, worin die Psyche von Übergewichtigen sich von der Durchschnittsbevölkerung unterscheidet, besteht darin, dass Depressionen bei ihnen prozentual gesehen häufiger vorkommen; und das hat mit ihrem Übergewicht zu tun. Studien konnten zeigen, dass die Depression mit jedem Kilogramm Gewichtsverlust zurückgeht. Wir bieten unseren Patienten an, dass sie nach einem adipositaschirurgischen Eingriff mindestens fünf Jahre lang regelmäßig zur Nachbetreuung zu uns kommen können; aber viele kommen nicht. Genau das ist unser Problem: Übergewichtige Menschen sind oft sehr unzuverlässige Patienten. Wann raten Sie zu einem adipositaschirurgischen Eingriff? Dr. Wolf: Die Patienten müssen schon ein gewisses Gewicht haben, wobei ich aber der Meinung bin, dass nicht jeder dicke Patient für eine solche Operation geeignet ist. Einen Drogenabhängigen oder Alkoholiker würde ich nicht operieren; demente und der deutschen Sprache nicht mächtige Patienten ebenfalls nicht, weil es gerade bei der prä- und postoperativen ambulanten Behandlung für mich sehr wichtig ist, dass meine Patienten Deutsch sprechen. Jemand, der kein Deutsch versteht, kann die Bedeutung vieler Erklärungen gar nicht richtig erfassen. Was für Operationsrisiken gibt es? Dr. Wolf: Die üblichen Probleme, die bei jedem Patienten auftreten können; aber mit ansteigendem Gewicht sind die Risiken natürlich wesentlich höher. Massiv dicke Patienten haben
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außerdem noch ein besonderes Problem: Wenn sie während der Operation die ganze Zeit in einer bestimmten Position liegen, kann bei ihnen eine Rhabdomyolyse auftreten: Das heißt, die Muskulatur, auf der sie liegen und die diese enorme Gewichtsbelastung tragen muss, kann sich auflösen, und die Zersetzungsprodukte werden dann über die Nieren ausgeschieden. Wenn man nicht rechtzeitig genügend Flüssigkeit gibt und die Harnausscheidung forciert, können die Nieren dadurch völlig zerstört werden. In dieser Hinsicht muss man auch nach der Operation noch sehr vorsichtig sein. Welche Chancen hat ein Typ-2-Diabetiker, durch so einen Eingriff von Diabetes geheilt zu werden? Man spricht in diesem Zusammenhang ja auch von Diabeteschirurgie? Dr. Wolf: Das ist das neueste Modewort. Natürlich profitieren die Patienten durch das Abnehmen in jedem Fall. Diabetiker, die einen Magenbypass bekommen, haben nach der Operation häufig keinen Diabetes mehr. Warum das so ist, können wir bis heute nicht sagen; es hat garantiert auch etwas damit zu tun, dass der Restmagen und der Zwölffingerdarm keine Nahrungspassage mehr sind. Beim Schlauchmagen ist ein ähnlicher Effekt zu beobachten, aber nicht ganz so ausgeprägt wie beim Magenbypass oder der biliopankreatischen Diversion. Das sind die drei Methoden, bei denen der Diabetes ziemlich rasch verschwindet. Wie schnell das geht, hängt offensichtlich davon ab, wie lange der Patient vorher daran erkrankt war. Und wie sieht die Zukunftsprognose aus? Man weiß ja nicht, ob der Diabetes in zehn Jahren vielleicht wieder auftritt, auch wenn der Patient schlank bleibt? Dr. Wolf: In Schweden wurde eine Studie dazu durchgeführt, die zeigte, dass der Diabetes deutlich im unteren Segment bleibt. Es gibt sicherlich auch Patienten, die nie ganz von ihrem Diabetes geheilt werden; aber die meisten brauchen dann zumindest kein Insulin mehr. Ein ähnlicher Effekt hat sich beim Bluthochdruck gezeigt: Der sank auch ab, ist im Gegensatz zu den Blutzuckerwerten dann aber leider wieder angestiegen. Wann erstatten Krankenkassen die Adipositaschirurgie? Dr. Wolf: Die Kassen machen sich das sehr einfach. Sie halten sich an die internistischen Leitlinien der Deutschen Adipositasgesellschaft, und dort steht: „Ein Patient muss nachweisen, dass er mindestens sechs Monate lang in einem multimodalen Team, bestehend aus Internist, Endokrinologe, Psychosomatiker, Ernährungsberater und Physiotherapeut bzw. Sporttherapeut erfolglos versucht hat, abzunehmen.“ Das ist ein Ding der Unmöglichkeit; ich kenne kein solches multimodales Gewichtsreduktionsprogramm. Außerdem gehen Übergewichtige nicht gern zum Sportmediziner oder Physiotherapeuten.
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Aus der Kreisärzteschaft Esslingen
Ärztestreik – muss das sein?
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ie Kassenärztliche Vereinigung (KV) hat die Sicherstellung der Gesundheitsversorgung für die Bevölkerung in Deutschland übernommen. Dafür handeln die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Krankenkassen jährlich den Geldbetrag aus, der für die Versorgung der Versicherten notwendig ist. Die KV verteilt dieses Geld dann an die niedergelassenen Ärzte je nach erbrachten Leistungen und sichert die medizinische Versorgung auch in der Nacht und an den Wochenend- und Feiertagen. Es liegt in der Natur der Sache, wie bei den Tarifverhandlungen der Gewerkschaften, dass man über die Höhe der Geldleistungen unterschiedlicher Meinung sein kann. Bei den jetzigen Verhandlungen haben die Krankenkassen zunächst verlangt, die Zahlungen für die KV und damit für die Versorgung der Patientinnen und Patienten um 7 % zu senken! Hier fragt man sich dann schon, was denn die gesundheitliche Versorgung der Bevölkerung zu allen Tag- und Nachtzeiten und die Arbeit des Arztes den Kassen wirklich wert sind. Wenn ich jemandem das Honorar absenken möchte, bin ich der Meinung, dass seine Arbeit weniger wert ist, dass ich mit der Leistung unzufrieden bin oder der Ansicht sie sei eh schon überteuert. Die Arzthelferinnen haben dieses Jahr eine Lohnerhöhung von 3,5 % erhalten, dazu kommen steigende Praxisausgaben für EDV, Materialien usw. In den Verhandlungen wurde der Ärzteschaft dann eine Lohnerhöhung von 0,9 % zugestanden. Das kann es nicht sein! Deswegen drohen die Ärzte mit Streik. In Baden-Württemberg stellt sich die Situation etwas anders dar. Krankenkassen und Ärzte können hier eigene Verträge verhandeln, wie sie die Behandlung der Patienten und die Honorierung der Ärzte gestalten. Dies haben die AOK, später auch die anderen Kassen, mit dem MEDIVERBUND und dem Hausärzteverband in vorbildlicher Weise geregelt. Die Vergütung ist deutlich besser für die Ärzte und die medizinische Versorgung hat sich, wie wissenschaftliche Auswertungen ergeben
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haben, ebenso verbessert. Patienten, die sich in Hausarztverträge und Facharztverträge eingeschrieben haben, bekommen innerhalb von zwei Wochen einen Termin bei einem Kardiologen oder Gastroenterologen. Das Gleiche gilt auch für Behandlungen bei Psychotherapeuten: hier können innerhalb von zwei Wochen Termine vereinbart werden – die Patienten müssen nicht monatelang auf einen freien Termin warten. Deshalb werden wir Ärzte in Baden-Württemberg nicht streiken. Wir danken unseren Patienten, die uns unterstützen, indem Sie sich in die Hausarzt- und Facharztverträge eingeschrieben haben. Wir sichern Ihre Versorgung. Sie haben es uns ermöglicht. Dr. R. Graneis (Vorsitzender)
Dr. W. Bosch (stellv. Vorsitzender)
Die Ärzteschaft Göppingen veranstaltet unter der Ägide ihres Vorsitzenden Dr. Hans-Joachim Dietrich seit Jahren Arzt-Patienten-Foren mit wachsendem Erfolg. Insgesamt waren es bis heute 44 Veranstaltungen, die über 10 000 Besucher anzogen. Die kommenden Veranstaltungen greifen hochaktuelle Themen auf:
29.11.12 19.00 Uhr Stadthalle Göppingen Gefäßerkrankungen Referenten: Dr. Karl-Heinz Nedder, Niedergelassener Internist und Angiologe (Stuttgart); Dr. Gerhard Rupp-Heim, Klinik am Eichert (Göppingen); Dr. Klaus Klemm M. Sc. Ärztlicher Direktor, Klinik für Gefäßchirurgie, Marienhospital (Stuttgart)
31.01.13 19.00 Uhr Stadthalle Göppingen Organspende – das geschenkte Leben Referenten: Dr. Frank Genske, Facharzt für Innere Medizin und Nephrologie, Dialyse-Zentrum (Göppingen); Dr. Klaus-Dieter Hanel, Facharzt für Innere Medizin und Nephrologie, Chefarzt Klinik am Eichert (Göppingen); Prof. Dr. Alfred Königsrainer, Facharzt für Allgemein- und Transplantationschirurgie, Ärztlicher Direktor, Universitätsklinik Tübingen (Tübingen)
Esslingen / Göppingen
Ärzteschaft Nürtingen
Sport nach Schlaganfall
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ie Ärzteschaft Nürtingen ist die zweite Ärzteschaft, die die Ärzte im Landkreis Esslingen vertritt. Wir begrüßen die Initiative dieses neuen Magazins, denn angesichts der immer dramatischer ausufernden Kosten unseres Gesundheitssystems muss man den Bürgern bewusst machen, dass es wenig Sinn hat, einfach so dahinzuleben, ohne sich Gedanken um seine Gesundheit zu machen, und sich dann im Krankheitsfall einfach der Medizin anzuvertrauen. Sicherlich kann die Medizin heute schon sehr viel. Auch mit chronischen Krankheiten kann man heutzutage alt werden. Doch das kostet Geld; und auch die Lebensqualität leidet unter einer chronischen Erkrankung. Die meisten Volkskrankheiten wie Hypertonie, Arteriosklerose oder Diabetes lassen sich verhindern, wenn man nur etwas gesundheitsbewußt lebt: auf Zigaretten verzichtet, sich regelmäßig bewegt, ausgewogen und nicht zu kalorienreich ernährt. Ich bin von der Ärzteschaft Nürtingen beauftragt, Fortbildungsveranstaltungen für meine Kollegen zu initiieren. Vor kurzem hatten wir das Thema Schlafapnoe auf dem Programm. Dazu möchte ich gern ein paar Worte verlieren. Die Schlafapnoe (krankhaftes Schnarchen mit Atemaussetzern in der Nacht) hat sich inzwischen zu einer wahren Volkskrankheit mit Folgen entwickelt, deren Ausmaß wir eigentlich erst erahnen. Die nächtlichen Atemstillstände sind Stress fürs Herz und erhöhen das Risiko für einen Herzinfarkt oder Schlaganfall und andere Erkrankungen drastisch. Außerdem sind die Betroffenen tagsüber unausgeschlafen, unkonzentriert und in erhöhtem Maße unfallgefährdet. Dieses Thema möchte ich auch im Kompass Gesundheit zusammen mit meinen ärztlichen Kollegen weiter verfolgen. Ebenso am Herzen liegt mir die HerzLungen-Wiederbelebung. Da fällt plötzlich jemand auf der Straße um. Herzstillstand. Dieser Mensch hat keine Überlebenschance, wenn nicht sofort beherzte Bürger eine Herz-Lungen-Massage beginnen und vielleicht einen in der Nähe befindlichen AED (automatischen externen Defibrillator) bedienen, mit dem jeder Laie durch Elektroschocks ein stillstehendes Herz möglicherweise wieder zum Schlagen bringen kann. Leider sind diese Geräte in der Öffentlichkeit noch selten, und die meisten Menschen haben längst vergessen, wie man eine Herzdruckmassage ausführt. Dieses Anliegen müssen wir in die Öffentlichkeit tragen; auf diese Weise ließen sich Menschenleben retten. Ich bin sicher, dass wir mit diesem Magazin manchen Leser dazu motivieren, ein klein wenig mehr über seine Gesundheit nachzudenken – und dann auch etwas dafür zu tun! Ihr Dr. Rudolf Handschuh
ach einem Schlaganfall ist plötzlich alles andes. Die Beweglichkeit, die Hobbys, das ganze Leben ändert sich mit einem Schlag. In vielen kleinen Schritten müssen dann die Betroffenen wieder mühsam sitzen, stehen, gehen und sprechen lernen. Damit ist oft auch die erste kleine Freiheit erkämpft: ein Platz im Rollstuhl. Mit viel Krankengymnastik, Ergotherapie, Logopädie und noch mehr eigenem Training kann es dann nach Monaten gelingen, den „AOK-Jopper“ wieder zu verlassen, in der „Stock-Klasse“ mitzuhumpeln und sich mit anderen zu unterhalten. Damit enden dann die akuten und oft stationären Rehabilitationsmaßnahmen. Ab jetzt gilt es, selber das Erreichte zu erhalten und vielleicht noch zu verbessern. Untätigkeit wäre nämlich Stillstand und könnte sehr schnellen Rückschritt bedeuten. Und, wer in gesunden Tagen keinen wirklich guten Freundeskreis hatte, der kann in dieser Zeit obendrein auch noch recht einsam werden! Der TSV Wäldenbronn begegnet mit seiner Sportgruppe nach Schlaganfall nicht nur diesen Problemen von Schlaganfall-Patienten. Zum einen wird jede Woche unter der sachkundigen Leitung von Hannelore Gonzalez trainiert. Dabei geht es ganz einfach darum, Gehen, Stehen, Greifen, Gleichgewicht halten und die Geschicklichkeit der Bewegungen zu verbessern. Zum anderen trifft man sich aber auch noch jeden Monat zu einer gemütlichen Hocketse, zusammen mit den Pflegepersonen. Dabei geht es dann hauptsächlich um soziale Kontakte, ums Reden und Erzählen. Man hilft sich gegenseitig, mit der neuen Situation fertig zu werden und sein Handicap anzunehmen. In diesem vertrauten Kreis von Leidensgenossen kann nämlich jeder unge-
(Fortbildungsbeauftragter der Ärzteschaft Nürtingen)
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in der Selbsthilfegruppe des TSV Wäldenbronn Horst Mauser niert Sprechen lernen, ohne befürchten zu müssen, dass man ihn wegen seiner vielleicht noch etwas unbeholfenen Sprache oder Ausdrucksweise auslacht. Trotzdem wird dabei auch viel gelacht – aber miteinander und nie übereinander. Die Fortschritte, die in dieser Sportgruppe erreicht werden, sind übrigens beachtlich. Manche Teilnehmer bewegten sich am Anfang nur mühsam, auf ihre Gehhilfen gestützt, durch die Halle. Wenn sie dann nach ein paar Monaten in der vertrauten Umgebung auf den Stock verzichten können, ist die Eleganz der Bewegung natürlich noch nicht vollendet. Aber immerhin es geht jetzt wieder: alleine gehen! Hierher kommen aber auch Personen, die können sich zuerst kaum ohne Hilfe ordentlich auf einen normalen Stuhl setzen – und schon gar nicht von dort wieder aufstehen. Aber nach einem Jahr setzt sich derselbe Patient problemlos auf die niedrige Gymnastikbank und steht auch wieder ohne große Schwierigkeiten alleine auf – wenn es sein soll, sogar mehrmals schnell hintereinander. Wenn sich diese Gruppe schweißtreibend bewegt, ist es für Außenstehende sicher nicht immer einfach, den Sinn der jeweiligen Übungen zu verstehen. Aber jeder sieht: Reines Hobby ist das ganz bestimmt nicht! Hier werden nämlich unter fachkundiger Anleitung Muskelgruppen und Gelenke mobilisiert, die bei Gesunden ganz selbstverständlich richtig funktionieren. Es ist also nicht Bequemlichkeit oder gar Faulheit, wenn manche Übungen im Sitzen auf einem Stuhl ablaufen. Anders ist der gewünschte Effekt nämlich leider nicht zu erreichen. Sofort und auch kurzfristig kann man die Erfolge solcher Übungen ohnehin nicht erkennen. Wie im Sport allgemein und im REHA-Sport ganz besonders, zählt das langfristige Ergebnis – und genau darauf kann diese Gruppe durchaus stolz sein. Heute sind viele Übungen für die meisten Gruppenmitglieder kein Problem mehr. Das wird auch den neu Hinzukommenden vermittelt und schafft bei denen Hoffnung und Vertrauen. Für alle ist es außerdem viel schöner und motivierender, sich hier in einem Freun-
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deskreis zu bewegen, in dem auch erzählt und gelacht werden darf. Die eher strenge Atmosphäre der stationären REHA oder eines Studios für Krankengymnastik kann das nicht bieten. Hört man von den langfristig erzielten Ergebnissen in dieser Sportgruppe, dann klingen die zwar für Gesunde nicht gerade aufregend. Sie sind aber nach einem Schlaganfall für alle Betroffenen ein Riesenerfolg. In der normalen REHA kann dieser oft nicht erreicht werden. Aber durch ständiges Training in einer Sportgruppe über lange Zeit ist das durchaus möglich. Auch wenn solche Leistungen für Laien kaum der Rede Wert sein mögen: Mit der Zeit gibt es auch beim Gehen, beim Werfen und Fangen eines Balls, bei einfachen Fingerübungen und vielen anderen „Kleinigkeiten“ in diesem Freundeskreis auch nach langer Zeit doch noch erstaunliche Fortschritte. Was zufälligen Betrachtern dieser Sportgruppe nach Schlaganfall oft wie Kinderspiele vorkommen mag, ist hier in Wirklichkeit ein Leistungssport der etwas anderen Art. Wenn es dabei auch keine Wettkämpfe zu gewinnen gilt, darf man die breit gefächerte Sachkenntnis der Trainerin nicht unterschätzen. Es geht hier ja nicht nur um Sport, sondern insbesondere darum, die behinderten Akteure freundlich aber bestimmt zu fordern, ohne sie zu überfordern. Auch in diesem Kreis gilt eben immer noch die alte Bauernweisheit: Man kann den Ochsen nur zur Tränke führen, saufen muss er dann aber selber!
Jeden Donnerstag ab 10.30 Uhr trainiert die Gruppe Sport nach Schlaganfall in der Turnhalle des TSV Wäldenbronn, Barbarossastr. 41. Zuschauen kostet nichts, oder höchstens ein wenig Mut, zu seinem Handicap zu stehen, statt sich zu verstecken. Wer die Absicht hat, sich helfen zu lassen, für die oder den wird dann wieder plötzlich alles ganz anders – und manches sicher viel leichter.
Esslingen / Göppingen
Markus Grübel MdB:
„Organspende und Patientenverfügung müssen kein Widerspruch sein!“
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rganspende trotz Patientenverfügung? Das klingt zunächst widersprüchlich. Immerhin zieht derjenige, der sich für eine Patientenverfügung entscheidet, eine klare Grenze und lehnt unter bestimmten Umständen lebensverlängernde Maßnahmen ab. Im Gegensatz dazu, erklärt sich der Organspender zu der Entnahme von Organen in Folge des Hirntodes bereit. Er gestattet damit die Anwendung von Intensivmedizin nach dem Hirntod. Der Besitz beider Anweisungen führt dennoch nicht automatisch zu einer Konfliktsituation. Ausschlaggebend ist dafür zunächst, dass Organspende und Patientenverfügung in der Regel unterschiedliche Indikationsgruppen haben. Grundsätzlich gilt: Wer eine Patientenverfügung unterschreibt, möchte in bestimmten Fällen keine lebensverlängernden Maßnahmen. Meistens sind diese Menschen keine potentiellen Organspender, da sie schwer krank sind. Für eine Organspende kommen häufig Personen in Frage, bei denen sich ein naher Hirntod abzeichnet. Beispielhaft sind dafür etwa Unfallopfer. Es können jedoch auch Fälle eintreten, in denen es zu einem Konflikt kommen kann, sollte eine eindeutige Regelung fehlen. Denn: In einer Patientenverfügung wird in der Regel die Anwendung von Intensivmedizin untersagt. Diese ist bei einer Organspende jedoch für
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einige Stunden oder wenige Tage erforderlich. Fehlt ein entsprechender Zusatz, demzufolge der Patient trotz Patientenverfügung mit einer kurzfristigen Intensivtherapie angesichts einer gewünschten Organspende einverstanden ist, fällt die Entscheidung in die Hände der Angehörigen. Solch eine Situation kann durch das Verfassen einer möglichst eindeutigen und lückenlosen Patientenverfügung vermieden werden. Wer sowohl eine Patientenverfügung aufsetzen möchte als auch zur Organspende bereit ist, muss insofern nicht auf eine Anweisung verzichten. Er sollte nur auf Genauigkeit und Klarheit seiner Patientenverfügung achten. Eine Hilfestellung für solche Fälle bietet eine Veröffentlichung zum Thema Patientenverfügung vom Bundesministerium der Justiz. Diese Broschüre beinhaltet konkrete Textbausteine zur Verhinderung einer Widerspruchssituation. Folgende Formulierung ließe sich in die Patientenverfügung aufnehmen: „Ich stimme einer Entnahme meiner Organe nach meinem Tod zu Transplantationszwecken zu (ggf.: Ich habe einen Organspendeausweis ausgefüllt). Komme ich nach ärztlicher Beurteilung bei einem sich abzeichnenden Hirntod als Organspender in Betracht und müssen dafür ärztliche Maßnahmen durchgeführt werden, die ich in meiner Patientenverfügung ausgeschlossen habe, dann a) geht die von mir erklärte Bereitschaft zur Organspende vor oder b) gehen die Bestimmungen in meiner Patientenverfügung vor.“ Alternativ: „Ich lehne eine Entnahme meiner Organe nach meinem Tod zu Transplantantionszwecken ab.“ (Quelle: www.bmj.de)
Es ist wichtig, dass jeder Bürger über das Thema Organspende und Patientenverfügung umfassend informiert wird. Beide Anweisungen betreffen hochsensible Fragen bezüglich des Sterbeprozesses.
Kompass Gesundheit 2/2012
AOK unterstützt Übergewichtige beim Abnehmen
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ür Übergewichtige, die sich einer adipositaschirurgischen Operation unterziehen möchten, gelten strenge Vorgaben: Die abnehmwilligen Patienten müssen sich erst einmal mindestens sechs Monate lang einer Kombination aus Ernährungsberatung, Bewegungs- und Verhaltenstherapie unterziehen, ehe gesetzliche Krankenkassen die Kosten für den Eingriff übernehmen. Und selbst dann unterliegt es immer noch einer Einzelfallentscheidung, ob die Kasse die Operation bezahlt; verpflichtet ist sie dazu nicht. „Im Prinzip geht es darum, zu prüfen, ob unter dieser intensiven sechs- bis zwölfmonatigen Betreuung eine Gewichtsreduktion möglich ist“, erklärt Doris Mauthe, die als Diplom-Sozialarbeiterin bei der AOK-Bezirksdirektion Neckar-Fils den Sozialen Dienst leitet. Die Mitarbeiterinnen ihres Teams beraten und begleiten die Versicherten in dieser Zeit. „Wenn auf diese Weise keine erhebliche Gewichtsreduktion gelingt, dann ist der chirurgische Eingriff möglicherweise die einzige wirksame Behandlungsmaßnahme für den betreffenden Patienten. Das lassen wir dann in jedem Fall durch den
Medizinischen Dienst der Krankenkassen begutachten.“ Stimmt der MDK einer Kostenübernahme zu, dann übernimmt die AOK die Kosten für die Operation, um die Patienten in ihren Bemühungen um eine Gewichtsreduktion zu unterstützen. Interessant ist, wie viele Patienten dieses Programm durchziehen, und welchem Prozentsatz es gelingt, auf diese Weise – ohne Operation – tatsächlich abzunehmen. „Wir haben seit 2009 etwa 90 Patienten nach unserem neuen Konzept betreut und bisher 44 Genehmigungen erteilt. Das heißt, etwa die Hälfte absolviert das Ernährungsberatungs-, Bewegungs- und Verhaltenstherapie-Programm und bekommt am Ende von der AOK eine Operation bewilligt und bezahlt. Rund ein Viertel bricht das Programm vorzeitig ab und verzichtet dann auch auf die Operation. Bisher handelt es sich bei diesem Konzept um ein Pilotprojekt, das die AOK im Raum Neckar-Fils durchführt. „Ab Januar 2013 wird das Konzept wissenschaftlich begleitet und evaluiert, und dann will unser Vorstand entscheiden, ob die AOK es BadenWürttemberg-weit einführen wird oder nicht.“
Doris Mauthe, Leiterin CompetenceCenter Sozialer Dienst Bezirksdirektion der AOK BadenWürttemberg Plochinger Str. 13 73730 Esslingen Tel.: 0711 9399-276 doris.mauthe @bw.aok.de www.aok-bw.de
Idealgewicht – aber keine Traumfigur ?
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st unsere Haut nur eine äußere Hülle um unseren Körper oder ein wesentlicher Bestandteil unseres Ichs? Zunächst ist die Haut mit einer Gesamtfläche von etwa 1,5–2 m2 und einem Gewicht bis zu 10 kg unser größtes Organ mit einer Vielzahl von Funktionen. Sie schützt uns vor Verletzungen, Bakterien und UV-Strahlen. Sie übernimmt wichtige Aufgaben für den Stoffwechsel und verfügt über vielfältige Anpassungsmechanismen. Aber sie ist auch unser wichtigstes Organ für den Kontakt mit Mitmenschen und mit unserer Umgebung. Die Haut ist sehr elastisch, sie dehnt sich z. B. bei Schwangerschaften und bildet sich wieder zurück. Diese Eigenschaft ist sehr unterschiedlich, abhängig von Anlage, Alter und Lebensweise. Chronisches Übergewicht und häufige Gewichtsschwankungen führen zu einem Elastizitätsverlust. Deshalb verbleiben nach einer Gewichtsabnahme oft überschüssige Hautfalten oder -lappen, die sehr störend sind. Die Freude an der neuen Figur,
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das Tragen von Badekleidung und sportliche Aktivitäten sind dadurch sehr beeinträchtigt. Und was tun plastische Chirurgen mit der Haut? Sie schneiden, verschieben und entfernen sie. Handelt es sich bei einer Augenlidplastik oder beim Facelifting um kleine Hautbereiche, so geht es bei einer Bauch- oder Beinstraffung oft um beträchtliche Mengen. Aber natürlich bestehen diese Eingriffe nicht nur in der Entfernung von Haut, die entscheidenden Schritte passieren darunter. Es muss Binde- und Muskelgewebe gestrafft oder eine deutlich erschlaffte Brust in eine neue Form gebracht werden. Die allgemeine Tendenz geht zu narbensparenden Operationsmethoden, was aber bei entsprechenden Hautüberschüssen nur bedingt angewandt werden kann. Doch Narben müssen nicht auffällig sein, sie werden im Laufe der Zeit und mit einer konsequenten Nachbehandlung immer blasser. Dr. Karina Klein
Dr. med. Karina Klein, Fachärztin für Plastische und Ästhetische Chirurgie sowie Chirurgin mit der Zusatzbezeichnung Handchirurgie Berliner Str. 4 73728 Esslingen Tel.: 0711 5502320 Fax: 0711 5502322 www.drkarinaklein.de info@drkarinaklein.de
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Leben nach Krebs Dank verbesserter Diagnostik und Therapie überleben immer mehr Menschen den Krebs. Aber es ist ein anderes Leben als vorher. Viele haben Angst, dass die Krankheit irgendwann wieder zuschlägt, und fragen sich, was sie tun können, um ihre Überlebenschancen zu erhöhen. Werner Waldmann sprach mit Prof. Dr. med. Walter Aulitzky, dem Vorsitzenden des Krebsverbandes Baden-Württemberg und Leiter der Fachabteilung für Blut- und Tumorerkrankungen am Robert-BoschKrankenhaus in Stuttgart.
Prof. Dr. med. Walter Aulitzky, Vorsitzender des Krebsverbandes Baden-Württemberg und Chefarzt der Abteilung für Hämatologie, Onkologie und Palliativmedizin Robert-BoschKrankenhaus Auerbachstr. 110 70376 Stuttgart Tel.: 0711 8101-3506 Fax: 0711 8101-3796
Die Angst, dass ihre Erkrankung irgendwann wiederkommen könnte, verfolgt viele Krebspatienten. Ab wann kann man sagen, dass jemand seinen Krebs überlebt hat, also „geheilt“ ist? Prof. Aulitzky: Ich finde es wichtig, Krebspatienten nicht als chronisch krank abzustempeln – auch wenn sie selbst oft fürchten, nie wieder richtig gesund zu werden. Wer den Krebs überstanden hat, ist ein gesunder Mensch mit bestimmten Risiken, die andere Leute nicht haben – so wie beispielsweise auch jemand mit zu hohem Cholesterinspiegel besondere Risiken hat. Um die Frage zu beantworten, ab wann ein Patient sich als „geheilt“ betrachten kann, muss man zunächst einmal abklären, wann man denn überhaupt von Heilung spricht. Heilung bedeutet, dass das Risiko, an der Erkrankung zu sterben, nur noch so groß ist wie das Risiko der Durchschnittsbevölkerung – eine hundertprozentige Sicherheit gibt es also nicht, denn auch ein zuvor gesunder Mensch kann an Krebs erkranken. Aber es gibt einen Zeitpunkt, ab dem das Risiko nicht mehr erhöht ist. Und der ist von Krebsart zu Krebsart unterschiedlich. Es gibt Krebserkrankungen, bei denen Rückfälle fast nur in den ersten drei Jahren auftreten. Beim Brustkrebs hängt das Rezidivrisiko beispielsweise davon ab, was für eine Art von Brustkrebs es ist: Bei rezeptorpositiven Brustkrebserkrankungen tritt die Hälfte der Rückfälle nach dem fünften Jahr auf; bei rezeptornegativem Brustkrebs sind Rückfälle nach fünf Jahren eine Rarität. Wie klären Sie Ihre Patienten über ihre Zukunftsprognose auf? Greifen Sie dabei auf statistische Werte wie beispielsweise die „mittlere Überlebenszeit“ zurück?
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Prof. Aulitzky: Nein. Einem Patienten seine mittlere Überlebenszeit mitzuteilen, halte ich für Unsinn, weil man ihm damit keine wirkliche Information gibt. Wir erläutern unseren Patienten lieber „Bestcase“- und „Worst-case“-Szenarien. Denn für einen Patienten ist es wichtig, zu wissen: Was kann schlimmstenfalls passieren, und worauf darf ich hoffen? Diese beiden Eckpunkte sind sehr viel informativer als eine mittlere Überlebenszeit, die für den individuellen Patienten wahrscheinlich keine Bedeutung hat. Ein Krebspatient möchte wissen: Habe ich eine Chance, vollständig gesund zu werden? Habe ich ein minimales, mittleres oder hohes Risiko, an der Krankheit zu sterben? Und diese Informationen sollte man einem Patienten auch nicht vorenthalten, denn er muss sein weiteres Leben ja schließlich planen können. Er muss wissen: Werde ich in der Lage sein, meine Hypothek abzubezahlen? Soll ich lieber jetzt zum Schuldenberater gehen oder später? Deshalb wäre es eine falsch verstandene Gutherzigkeit, dem Patienten sein Worstcase-Szenario nicht mitzuteilen. Best-case-Szenarien dagegen sind Ziele, die man einem Patienten vor Augen halten kann: Dafür lohnt es, sich bestimmten Behandlungsmaßnahmen zu unterziehen. Das Ziel der Behandlung (für das man gewisse Risiken oder Nebenwirkungen in Kauf nimmt) ist ja meistens keine mittlere Überlebenschance, sondern ein Best-case-Szenario. Wenn man einem Patienten dieses Szenario erläutert, kann er entscheiden, ob das Verhältnis von Nutzen und Risiko bei einer Therapie für ihn so günstig ist, dass er sich ihr unterziehen möchte. Was können Menschen nach Krebs tun, um ihre Überlebenschancen zu erhöhen?
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Prof. Aulitzky: Bei einigen Krebserkrankungen ist der Nutzen sportlicher Aktivität gut belegt: Bei diesen Krebsarten trägt Sport wahrscheinlich zur Heilung bei. Wenn das Risiko der Krebserkrankung vorbei (der Patient also „geheilt“) ist, gibt es mehrere Dinge, auf die er achten sollte. Erstens: Gesund zu leben, bleibt wichtig. Man hat seine Risiken nicht mit einer Krebserkrankung „abgehakt“, sondern sollte weiterhin auf seine Gesundheit achten, das heißt: nicht rauchen, nach Möglichkeit vier Stunden pro Woche Sport treiben und sich vorwiegend vegetarisch ernähren. Außer dass es sinnvoll ist, mit dem Rauchen aufzuhören, ist allerdings keine dieser Empfehlungen hundertprozentig belegt; ganz genau wissen wir also nicht, ob all diese Maßnahmen wirklich etwas nützen. Denn um beispielsweise definitiv herauszufinden, ob vegetarische Ernährung vor Krebs schützt, müsste man eine große Studie durchführen, deren Teilnehmer in zwei Gruppen eingeteilt werden – wobei die eine vegetarisch lebt und die andere sich fleischreich ernährt. Und das ist sehr schwierig. Genauso unbewiesen sind die Überlebensvorteile des Sports. Wenn es jemanden also todunglücklich macht, Sport zu treiben, soll er nicht das Gefühl haben, dass sein Krebs wiederkommt, wenn er es nicht tut – so weltbewegend
sind die positiven Effekte nun auch wieder nicht. Die Empfehlungen für eine gesunde Lebensweise, die Sie ansprechen, gelten ja eigentlich für alle Menschen. Was kann jemand, der einen Krebs überlebt hat, darüber hinaus noch tun? Prof. Aulitzky: Viele Krebspatienten haben gewisse zusätzliche Risiken, die durch ihre Behandlung bedingt sind. So kommen Frauen zum Beispiel durch bestimmte Chemotherapien früher in die Wechseljahre und Männer in einen wechseljahrsähnlichen Zustand. Diese verfrühte Menopause bringt bestimmte Risiken mit sich; sie kann beispielsweise zu beschleunigter Osteoporose führen oder Partnerschaftsprobleme verursachen, weil es mit der Sexualität nicht mehr so gut klappt. Bei Männern kann es durch Hormontherapien zu vermehrtem Übergewicht und einer erhöhten Diabetesneigung kommen. Wieder andere Behandlungsmethoden können Organe schädigen: So kann die Bestrahlung des Mediastinums zum Beispiel die Schilddrüse in Mitleidenschaft ziehen und zu einer Schilddrüsenunterfunktion führen. Durch Bestrahlungen des Brustkorbs kann sich das Brustkrebsrisiko erhöhen; das heißt, man muss mit der Brustkrebsvorsorge, die sich ja am Risiko orientiert und deshalb normalerweise erst mit 40 beginnt, dann eben entsprechend früher anfangen. Das gilt natür-
Anwalt der Patienten: der Krebsverband Baden-Württemberg: Der Krebsverband Baden-Württemberg ist eine eigenständige Teilgesellschaft der Deutschen Krebsgesellschaft. Die meisten unserer Mitglieder sind Selbsthilfegruppen, und wir verstehen uns als Anwalt der Patienten. Wir nehmen die Interessen der Selbsthilfegruppen auf verschiedenen Ebenen wahr, sind in diversen Landesgremien vertreten und möchten dort (ergänzend zur Tätigkeit der Patientenvertreter) dem Blickwinkel der Patienten mehr Geltung verschaffen. Außerdem helfen wir den Selbsthilfegruppen, indem wir ihre Landesförderung organisieren und auf diese Weise auch kleine Selbsthilfe-Projekte finanzieren können. Denn wir halten Selbsthilfegruppen für sehr wichtig. Ich finde diese Gruppierungen vor allem deshalb wertvoll, weil es sich dabei um eine nicht-professionelle Initiative handelt. Und das soll auch so bleiben. Als zweite große Gruppe ist die Arbeitsgemeinschaft der Tumorzentren, Onkologischen Schwerpunkte und Onkologi-
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schen Arbeitskreise Baden-Württemberg (ATO) Mitglied im Krebsverband Baden-Württemberg. Die ATO ist die einzige interprofessionelle Organisation dieser Art. Darin sind Geschäftsführer, Ärzte, Krankenschwestern, Sozialarbeiter und Psychoonkologen vertreten und sie versuchen gemeinsam, über inhaltliche und politische Fragen und Versorgungsstrukturen zu diskutieren und miteinander in einen Dialog zu treten. Ich glaube, dass der Krebsverband in Zukunft eher noch eine wichtigere Rolle spielen wird als bisher. Denn unser Gesundheitssystem ist ja bis zu einem gewissen Grad marktgetrieben; und in einem solchen System ist eine freie Organisation, die darüber diskutiert, welche Behandlungsmaßnahmen sinnvoll sind und welche nicht, sehr wichtig. Wir sind eine der wenigen Organisationen, die nicht an Interessen gebunden sind und in der man solche Fragen objektiv besprechen kann. Prof. Dr. Walter Aulitzky
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lich auch für andere Organe, die im Rahmen der Krebstherapie bestrahlt worden sind. Woher weiß ein Patient, worauf er achten muss? Prof. Aulitzky: Menschen, die eine Krebserkrankung hinter sich haben, brauchen einen Arzt, der genau weiß, welche Behandlungen bei ihnen durchgeführt wurden, und auch kundig genug ist, um entsprechende Empfehlungen zu geben – der also beispielsweise sagen kann: Diese oder jene zusätzliche Vorsorgeuntersuchung ist bei Ihnen sinnvoll oder notwendig. Und was ist mit dem erblich bedingten Risiko? Prof. Aulitzky: Das ist ein weiterer wichtiger Aspekt: Bei Menschen, die ihren Krebs gut überstanden haben, aber aus einer Familie stammen, in der Krebserkrankungen gehäuft vorkommen, kann ebenfalls eine intensivierte Vorsorge sinnvoll sein. Das heißt, der Arzt muss die Familienvorgeschichte des Patienten genau analysieren. Zum Beispiel ist bei Menschen, in deren Familie gehäuft Brustkrebserkrankungen aufgetreten sind, nicht nur das Brustkrebs-, sondern auch das Eierstockkrebsrisiko erhöht, und daher ist es sinnvoll, diese Gefahr ein bisschen stärker im Auge zu behalten. Das heißt aber nicht, dass diese Erkrankungen unbedingt auftreten müssen. Um nur ein Beispiel zu nennen: Wenn erstgradige Verwandte von Ihnen an einem Lymphom erkrankt sind, haben Sie ein doppelt so hohes Risiko, ebenfalls eine solche Krebserkrankung zu entwickeln. Das bedeutet aber nur, dass statt einem Menschen von 100 (was dem normalen Risiko entspricht) dann eben zwei von 100 ein Lymphom bekommen. Man muss als Arzt also schon genau über die Größenordnung eines Krebsrisikos Bescheid wissen, denn davon hängt es letztendlich ab, ob zusätzliche Vorsorgemaßnahmen sinnvoll sind oder nicht. Und ansonsten können Menschen, die den Krebs überlebt haben, ein ganz normales Leben führen? Prof. Aulitzky: Fast. Bestimmte Beeinträchtigungen, die auf die Krebstherapie zurückzuführen sind, können allerdings langfristig bestehen bleiben. Da spielen vor allem Sexualfunktionen eine Rolle, weil das bei den Patienten ein Tabuthema ist. Wenn sie in die Nachsorge kommen, sind sie froh,
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wenn der Arzt keinen Krebs findet – und dass es mit der Potenz vielleicht nicht mehr ganz so gut funktioniert wie früher, dieses Problem wird nur ganz selten angesprochen, denn die Patienten finden es im Verhältnis zum Ausmaß der Bedrohung durch den Krebs unangemessen, nach solchen Dingen zu fragen. Damit nehmen sie unter Umständen Probleme in Kauf, mit denen sie nicht leben müssten, weil man etwas dagegen tun kann. Wenn sexuelle Probleme einen Patienten stören, sollte er sie auch zur Sprache bringen, weil die meisten Ärzte nicht von sich aus danach fragen. Was ist mit der gefürchteten Fatigue, von der man im Zusammenhang mit Krebs oft hört? Prof. Aulitzky: Manche Krebspatienten behalten nach der Chemotherapie ein kleines Leistungsminus zurück. Das kann sowohl die körperliche als auch die geistige Leistungsfähigkeit betreffen: Das heißt, die Merk- und Konzentrationsfähigkeit leidet unter Umständen ein bisschen. Meistens merken die Patienten das gar nicht, oder es stört sie zumindest nicht. Aber wenn man ganz genau hinschaut, sieht man doch, dass es bei manchen Patienten nach einer Krebserkrankung zu einem gewissen Karriereknick kommt. Auch solche Probleme sollte ein Patient mit seinem behandelnden Arzt besprechen – auch wenn das nicht immer einfach ist, denn dieses Thema ist extrem schambesetzt. Dass die eigenen geistigen Fähigkeiten nachlassen, bespricht man mit niemandem gern, nicht einmal mit der eigenen Familie. Wo liegen die Ursachen dafür? Prof. Aulitzky: Fatigue ist ein vielschichtiges, schwer fassbares Phänomen. Während einer Chemotherapie ist es völlig normal, sich müde und erschöpft zu fühlen; bei vielen Menschen bleibt aber auch hinterher eine herabgesetzte körperliche und geistige Leistungsfähigkeit bestehen. Das kann die verschiedensten Gründe haben. Manchmal sind Hormonstörungen daran schuld. Wenn Frauen durch eine Chemotherapie verfrüht in die Wechseljahre kommen, beeinträchtigt das natürlich auch ihre körperliche und geistige Leistungsfähigkeit. Die Bandbreite der Ursachen – von Depressionen bis hin zum echtem Chemotherapieschaden – ist groß, und daher braucht man schon einen sehr kundigen Arzt, um die richtige Ursache zu finden.
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Denn davon hängen wiederum die Behandlungsmaßnahmen ab. Und was sind das für Maßnahmen? Prof. Aulitzky: Die einzig wirksame Gegenmaßnahme bei Fatigue (deren Sinn sich auch in Studien immer wieder bestätigt hat) ist Training – sowohl für die körperliche als auch für die geistige Leistungsfähigkeit. Die kognitiven Trainingsverfahren sind bisher noch nicht so ausgereift; aber körperliches Training ist auf jeden Fall sinnvoll. Manchmal kann man aber auch gar nicht viel dagegen tun und muss die Alltagsanforderungen und das berufliche Umfeld dann eben an das herabgesetzte Leistungsniveau des Patienten anpassen. Meiner Meinung nach berenten wir zu viele Menschen. Ich finde es schade, dass man für Krebspatienten keinen Halbtagskrankenstand einrichten kann. Auch während der Therapie sollte ein Patient nach Möglichkeit noch ein bisschen weiterarbeiten, denn die spätere Leistungseinschränkung ist teilweise auf die Inaktivität während der Behandlungsphase zurückzuführen. In dieser Hinsicht ist unser soziales System meiner Meinung nach überprotektiv: Nach Stellung der Diagnose wird der Patient sofort krankgeschrieben und bleibt bis vier Monate nach Ende der Therapie im vollen Krankenstand. Insgesamt sind das unter Umständen zehn bis zwölf Monate. Nach so langem Ausscheiden aus dem Berufsleben würde auch ein gesunder Mensch lange brauchen, um wieder sein altes Leistungsniveau zu erreichen! Stattdessen könnte
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man es so einrichten, dass ein Patient z. B. auch während der Chemotherapie zwei Tage pro Woche zur Arbeit geht. Damit könnte man Krebspatienten deutlich besser im Berufsleben halten – was ich gerade bei jungen Menschen wichtig finde. Es wird ja oft davon gesprochen, dass die persönliche Einstellung bei der Krebsbewältigung eine wichtige Rolle spielt. Stimmt das? Hat es tatsächlich eine Auswirkung auf das Überleben, wenn man seinen Krebs optimistisch und in kämpferischer Haltung angeht? Prof. Aulitzky: Auf das Wohlbefinden wirkt sich das schon positiv aus, aber auf das Überleben nicht unbedingt. Die vorliegenden Studien zeigen jedenfalls keinen eindeutigen Hinweis darauf, dass die innere Einstellung eine Rolle spielt. Für Wohlbefinden zu sorgen, ist, unabhängig von der Überlebensfrage, sinnvoll; aber ein Mensch, der ab und zu einmal weinend und verzweifelt zu Hause sitzt, sollte deshalb nicht das Gefühl haben: Oh je, jetzt kommt mein Krebs wieder, weil ich so eine negative Einstellung habe. Ich persönlich halte es psychologisch jedenfalls nicht für hilfreich, den Leuten so etwas einzureden. Seriöse Psychoonkologen verneinen die Auswirkung der persönlichen Einstellung aufs Überleben auch eher. Die meisten schieben die Verantwortung für die Krebsentstehung nicht der Psyche zu. Für diese Sichtweise spricht, dass beispielsweise auch Muscheln an Leukämie erkranken können, obwohl sie wahrscheinlich keine psychischen Probleme haben.
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Krebstherapie im 21. Jahrhundert: Besser – gezielter – erfolgreicher Krebs hat viel von seinem früheren Schrecken verloren. Viele bösartige Tumorerkrankungen, die früher für den Patienten ein Todesurteil bedeutet haben, kann man mittlerweile heilen. Oft ist sogar im metastasierten Stadium noch eine Heilung möglich. Außerdem kann man Nebenwirkungen von Krebstherapien, wie beispielsweise die lästige Übelkeit, inzwischen sehr gut bekämpfen. Damit ist ein weiteres Horrorszenario – ständiges Erbrechen und Gewichtsabnahme während der Therapiephase – gebannt. Wir sprachen mit Prof. Dr. med. Claudio Denzlinger vom Marienhospital Stuttgart über den aktuellen Stand der Krebstherapie. Kann man heute immer noch sagen, dass die Chemotherapie – neben Operation und Bestrahlung – eine der drei tragenden Säulen der Krebsbehandlung ist? Prof. Denzlinger: Ja, auf jeden Fall. Inzwischen haben sich als weitere wichtige Säule zwar noch die Immuntherapien (zu denen u. a. die Antikörper zählen) etabliert, und in manchen Fällen gibt es auch noch andere Therapieoptionen; aber die Chemotherapie ist nach wie vor eine wichtige Säule.
Prof. Dr. med. Claudio Denzlinger, Ärztlicher Direktor des Zentrums für Innere Medizin III, das auf die Behandlung von Krebserkrankungen spezialisiert ist, am Marienhospital Stuttgart. Böheimstr. 37 70199 Stuttgart Tel.: 0711 6489-8101 Fax: 0711 6489-8102
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Inzwischen gibt es die Targeted Therapy, also die zielgerichtete Behandlung mit Antikörpern oder Angiogenesehemmern, die nur den Tumor angreifen, gesunde Zellen aber weitgehend intakt lassen. Warum braucht man die Chemotherapie trotz dieser vielversprechenden neuen Entwicklungen noch? Prof. Denzlinger: Weil die zielgerichteten Therapien eben leider doch eine größere Streubreite haben, als man sich das wünschen würde: Manche Nebenwirkungen betreffen doch andere Organe oder Systeme außerhalb des Tumors; und die meisten Tumoren, die wir behandeln müssen, besitzen auch gar keine Strukturen, die man zielgerichtet angehen könnte. Nur die Angiogenesehemmung kann man recht breit bei vielen Tumorerkrankungen einsetzen. Dabei wird der Tumor „ausgehungert“, indem man die Bildung neuer Blutgefäße im und zum Tumor hemmt, sodass die Krebszellen nicht genügend Sauerstoff und Nährstoffe erhalten. Kann es sein, dass die Zytostatika (also die Chemotherapie) irgendwann von anderen, zielgerichteteren Medikamenten abgelöst werden? Prof. Denzlinger: Irgendwann vielleicht schon,
aber ich glauben nicht, dass ich das noch erleben werde. Ich denke, dass die medikamentösen Ansätze immer spezifischer werden; das heißt, es wird immer wahrscheinlicher, dass sie hauptsächlich den Tumor treffen. Aber es ist auch in Zukunft nicht zu erwarten, dass man für alle Tumoren Zielstrukturen findet, bei denen eine Targeted Therapy ansetzen könnte. Deshalb wird man, glaube ich, zu meinen Lebzeiten bei den meisten Tumoren nicht um eine Mono- oder Polychemotherapie herumkommen. Chemotherapie ist ja für viele Menschen immer noch eine Art Schreckgespenst. Sie denken mit Grauen daran, dass einem dabei ständig übel ist und die Haare ausfallen. Sind Zytostatika heute immer noch so aggressiv? Prof. Denzlinger: Ja, aber es gibt inzwischen sehr gute Medikamente, um die Nebenwirkungen in Schach zu halten. So können wir den meisten Patienten nahezu garantieren, dass sie durch die Chemotherapie nicht unter Übelkeit leiden werden. Kann ein Patient auch selbst etwas tun, um die Chemotherapie besser zu vertragen? Prof. Denzlinger: Ja: durch eine gesunde Lebensführung (also Verzicht auf bestimmte Genussmittel wie Rauchen und Alkohol) und körperliche Aktivität. Das ist auch eine wesentliche Veränderung zu früher. Früher hat man gesagt, Tumorpatienten sollen sich schonen und möglichst viel im Bett liegen. Heute ist es genau umgekehrt: Diese Patienten sollen, soweit es ihnen möglich ist, auch in Phasen der Therapie möglichst aktiv bleiben. Das ist ein wesentlicher Beitrag dazu, die Verträglichkeit und sogar das Ergebnis der Behandlung zu verbessern.
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Betreutes Wohnen Menschen, Nähe, Lebensfreude Quartier am Hainbach - Wohnen mit Service § 0711 39 05-118/100 Spielt dabei auch die Psyche eine Rolle? Wenn man der Behandlung positiv gegenübersteht, wenn man daran glaubt, dass sie hilft – wird man dann eher wieder gesund? Prof. Denzlinger: Auf jeden Fall. Untersuchungen konnten zeigen, dass Patienten, die sich gut aufgehoben fühlen, die das Gefühl haben, das Richtige zu tun, und eine gewisse innere Ruhe und Gelassenheit besitzen, die Therapie besser vertragen und auch bessere Ergebnisse damit erzielen. Inwieweit können Sie als Onkologe dazu beitragen, auf die Psyche der Patienten einzuwirken? Prof. Denzlinger: Ich bemühe mich, zu jedem Patienten einen Zugang zu finden, indem ich ihm im Gespräch vermittle, dass wir ihm die bestmögliche Therapie anbieten und den bestmöglichen Weg gemeinsam gehen. Wenn es mir gelingt, einem Patienten das klarzumachen, habe ich den Eindruck, dass er dadurch in eine ruhigere und gefasstere Grundstimmung kommt. Tumoren sind sehr unterschiedlich, selbst innerhalb einer Kategorie. Welche Krebsarten lassen sich heute gut behandeln und bei welchen ist die Prognose nicht so günstig? Prof. Denzlinger: Man muss immer unterscheiden, ob es sich um eine Krebserkrankung im Früh- oder Spätstadium handelt. Im Frühstadium lassen sich
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fast alle Krebsarten durch verschiedene Therapieansätze wesentlich beeinflussen bzw. sogar heilen. Einen frühen Lungenkrebs z. B. kann man in der Regel durch eine Operation heilen. Die meisten Tumoren werden aber leider erst spät festgestellt, sodass man dann in der Regel eine Chemotherapie braucht. Aber es gibt auch Krebserkrankungen, die sich mit Chemotherapie heute schon sehr gut heilen lassen. Ein Paradebeispiel dafür sind Keimzellentumoren wie Hodenkrebs; aber auch bei manchen Lymphomarten sind die Heilungsaussichten gut. Und selbst im metastasierten Stadium kann man bei vielen Tumoren noch für lange Zeit einen Stillstand erreichen. Dazu gehören unter anderem einige früher sehr gefürchtete Brustkrebsarten. Richtig heilbar werden manche Tumoren dann noch, wenn man zusätzlich operieren kann. Wir haben einige Patienten mit metastaMehr Infos auf: siertem Kolonkarwww.kompass-gesundheit-bw.de zinom, die man nach einer ChemoDie Langfassung dieses therapie noch einInterviews finden Sie auf der Homepage von „Kompass mal operiert und Gesundheit“. Scannen Sie die Erkrankung dadazu diesen QR-Code. http://www.kompass-gesundheitmit auch heilen bw.de/cms/krebstherapiekann. interview-denzlinger
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Ganzheitliche Medizin
Die Chirurgie in der Filderklinik
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uf der Grundlage naturwissenschaftlicher und schulmedizinischer Erkenntnisse bietet die chirurgische Abteilung der Filderklinik mit modernster apparativer Ausstattung in natürlichem Ambiente beste Voraussetzungen für Heilung. Nach Wunsch ergänzen vielfältige anthroposophische Therapien komplementär das chirurgische Behandlungsspektrum.
Die Chirurgie in der Filderklinik: Wer hierherkommt, ist in guten Händen In der Bundesrepublik gibt es drei große anthroposophische Akutkliniken. Eine von ihnen – das zentrale Förderprojekt der MAHLE-STIFTUNG – steht in Süddeutschland am Rande des Schönbuchs südlich von Stuttgart: die Filderklinik. Eine ihrer wichtigsten Fachabteilungen ist die Chirurgie. Viele Patienten werden von niedergelassenen Ärzten eingewiesen, um sich hier operieren zu lassen. Zudem ist die Filderklinik das Notfallkrankenhaus für den nahe gelegenen internationalen Flughafen, das Messezentrum sowie zwei Autobahnen und zwei Schnellstraßen, die in unmittelbarer Nähe verlaufen. „Neben einer breiten Basisversorgung in der Allgemein- und Unfallchirurgie haben wir uns im chirurgischen Bereich auf die Viszeralchirurgie spezialisiert“, erklärt Dr. Bernd Voggenreiter, der seit April 2008 die chirurgische Fachabteilung an der Filderklinik leitet. Der Chefchirurg verfügt über große Erfahrung vor allem im Bereich der Bauch- und Darmchirurgie und ist auf die operative Behandlung des Magen-Darm-Traktes und aller umliegender Organe spezialisiert. Operiert wird in der Filderklinik in vier großen Operationssälen. Entsprechend dem Stand der Medizintechnik sind es hochmoderne Hightech-Zentren mit computergesteuerten Instrumentarien, die den Patienten schonende Operationsverfahren und dem Operateur ein präzises Arbeiten ermöglichen.
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Ein Beispiel ist die minimalinvasive so genannte Schlüsselloch-Chirurgie, deren Einführung einen Paradigmenwechsel in der Chirurgie darstellt. „Heute ist es undenkbar, dass ein operativer Eingriff an der Gallenblase oder am Blinddarm nicht laparoskopisch durchgeführt wird“, betont Dr. Voggenreiter. Kleine Schnitte, unblutige Eingriffe, gewebeschonende Operationsverfahren, das sind nur einige wenige Beispiele, was für hoch qualifizierte Spezialisten, die innovative Technologien nutzen, in der Chirurgie heute möglich ist. Besonders wichtig ist Dr. Voggenreiter die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Arztkollegen inner- und außerhalb des Hauses. Denn die Qualität der Behandlung von Tumorpatienten, erklärt er, sei abhängig von guten interdisziplinären Versorgungsstrukturen. Beim Darmkrebs beispielsweise, einer der häufigsten Krebserkrankungen in der westlichen Welt, ist eine enge Kooperation von Gasteroenterologie, Viszeralchirurgie und Onkologie von großer Bedeutung. Um die bereits vorhandene hohe Kompetenz auf diesem Gebiet zu unterstreichen, wird an der Filderklinik zurzeit ein zertifiziertes Darmzentrum aufgebaut. Mehr noch: Damit die Patienten stets auf dem neuesten Stand der Therapiemöglichkeiten behandelt werden können, arbeitet das Ärzteteam der Filderklinik eng mit qualifizierten Kooperationspartnern zusammen und ist dem Onkologischen Verbund Esslingen angeschlossen.
Und was ist mit der Anthroposophie? „Es gibt keine anthroposophische Chirurgie; es gibt nur eine gute oder schlechte Chirurgie.“ Diesem Satz einer seiner Vorgänger hält Dr. Voggenreiter entgegen: Natürlich müsse die Chirurgie den fachlichen Ansprüchen entsprechen, die man an sie stellt. Die Frage sei deshalb nicht, ob es in der Filderklinik
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© agencyteam Hohnhausen · AOKBW-05-12511
eine anthroposophische Chirurgie gäbe, sondern eine anthroposophische Medizin, die auch im chirurgischen Bereich eine individuelle, ganzheitliche und integrative Medizin ermögliche. „Entscheidend ist doch, dass ich nicht nur das organische Problem sehe, sondern als Chirurg die Patienten mit Empathie behandle und sie als ganze Persönlichkeiten wahrnehme. Und in diesem Zusammenhang ist die Anthroposophie von unschätzbarem Wert.“ Mittel und Verfahren hat Dr. Voggenreiter erst im klinischen Alltag der Filderklinik kennen und schätzen gelernt – das aber bereits in seinen ersten Tagen: Er habe eine betagte Patientin operiert, berichtet er, die nach dem Eingriff völlig verwirrt auf Station lag und schrie. „Der normale schulmedizinische Reflex wäre gewesen, Valium auszupacken und die Patientin ruhigzustellen.“ Stattdessen kam Musiktherapeutin Monica Bissegger mit einer Harfe und kleinen Holzpflöcken. „Frau Bissegger musizierte, die Patientin entspannte sich und wurde völlig ruhig“, erzählt Dr. Voggenreiter noch immer sichtlich beeindruckt. Musik- und Kunsttherapie,
Wickel und Auflagen, Heileurythmie, rhythmische Massage oder anthroposophische Medikamente – all das setzt die Filderklinik bei frisch Operierten zusätzlich zu schulmedizinischen Verfahren ein. Unter diesem Aspekt, die hohe Kunst der Chirurgie mit der anthroposophischen Medizin zu verbinden, gilt auch für das „schneidende Fach“, was Wolfgang Goethe in „Dichtung und Wahrheit“ schrieb: „Die Medizin beschäftigt den ganzen Menschen, weil sie sich mit dem ganzen Menschen beschäftigt.“ Red.
Dr. med. Bernd Voggenreiter, Facharzt für Allgemeine Chirurgie, Schwerpunkt Viszeralchirurgie, und Medizinischer Geschäftsführer der Filderklinik Im Haberschlai 7 70794 Filderstadt-Bonlanden Tel.: 0711 7703 2271 Fax: 0711 7703 2275 E-Mail: chirurgie@filderklinik.de www.filderklinik.de
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Im Gespräch mit Dieter Kress
Jeder Patient braucht einen „Lotsen“ Die Medizin scheint kaum noch Grenzen zu kennen. Was heute noch nicht möglich ist, wird bestimmt morgen oder übermorgen Realität. Das fasziniert die Menschen. Und da der Allgemeinmediziner in seinem Wissen mit den rasanten Fortschritten der modernen Medizin kaum noch Schritt halten kann, vertrauen immer mehr Patienten sich nur noch dem Facharzt an. Sie gehen nicht mehr zum Hausarzt, wenn sie ein Problem haben, sondern lieber gleich zum Urologen, Kardiologen oder Gastroenterologen. Nicht nur Privatpatienten, auch gesetzlich Versicherte suchen immer häufiger nach eigenem Gutdünken Spezialisten auf. Wie kann man dieser Entwicklung, die weder aus gesundheitlicher noch aus wirtschaftlicher Sicht sinnvoll ist, Einhalt gebieten? Die Krankenkassen, allen voran die AOK, haben aus gutem Grund ein System entwickelt, das die Rolle des Hausarztes wieder stärker ins Bewusstsein rücken will. Nicht nur aus wirtschaftlichen Erwägungen, sondern auch, um das in Vergessenheit geratene Arzt-Patienten-Verhältnis zu stärken. Werner Waldmann sprach mit dem Geschäftsführer der AOK Neckar-Fils, Dieter Kress.
Dieter Kress, Geschäftsführer der AOK Bezirksdirektion Neckar-Fils
Werner Waldmann, Chefredakteur des „Kompass Gesundheit“
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Werner Waldmann: Der gute alte Hausarzt ist im Lauf der Jahre fast gänzlich in Vergessenheit geraten. Man zweifelt an seiner Kompetenz – kann doch ein einzelner Mediziner das geballte Wissen dieser Wissenschaft gar nicht mehr überblicken. Man billigt dem Hausarzt höchstens noch die Fähigkeit zu, seine Patienten zu diesem oder jenem Spezialisten zu überweisen. Warum dann nicht gleich selbst zum Experten gehen? Die Krankenkassen haben sich nun entschlossen, den Hausarzt für ihre Mitglieder neu zu entdecken. „Hausarztvertrag“ heißt die Idee. Wie funktioniert diese Strategie? Dieter Kress: Hausarztzentrierte Versorgung bedeutet, dass der Versicherte einen Hausarzt wählt, der ihn betreut und seine gesamte Behandlung (ambulant, fachärztlich und stationär) steuert. Der Hausarzt berät und behandelt den Patienten und überweist ihn bei Bedarf an den richtigen Facharzt oder in eine Klinik. Die Teilnahme am Hausarztmodell ist freiwillig. Dafür bieten die Kassen ihren Mitgliedern gewisse Vergünstigungen (beispielsweise Prämien oder Zuzahlungsermäßigungen) an. Werner Waldmann: Warum hat die AOK das Hausarztmodell eingeführt? Dieter Kress: Ohne die Bedeutung der Fachärzte schmälern zu wollen – die ganz entscheidende Rolle (und davon sind wir in den letzten 30 Jahren leider immer mehr abgekommen) spielt der Hausarzt. Früher war der Hausarzt der erste Ansprech-
partner des Patienten, und es war selbstverständlich, dass er den Zugang zum Facharzt und zur stationären Behandlung im Krankenhaus organisiert hat. Heute ist das leider nicht mehr so – eine bedauerliche Entwicklung. Ich persönlich brauche den Hausarzt: Er muss mich beraten, muss das oft unverständliche medizinische Fachchinesisch für mich übersetzen und meine Behandlung organisieren. Der Hausarzt ist für mich der Arzt des Vertrauens, zu dem ich Nähe brauche und auf dessen Rat ich vertraue. Wenn unser Gesundheitswesen auf Dauer nicht in eine finanzielle Schieflage geraten will, brauchen wir Verbündete, und diese Verbündeten sind die Hausärzte. Aber nicht, um Kosten zu sparen, sondern weil der Hausarzt Situationen mit Sicherheit richtig oder zumindest besser beurteilen kann als ein Facharzt, der den Patienten zum ersten Mal sieht. Der Hausarzt kennt auch die familiären Strukturen seines Patienten, und das ist oft sehr wichtig – er ist in gewisser Weise auch eine Art Sozialarbeiter. Der Hausarzt ist derjenige, der im Lauf der Zeit ein Vertrauensverhältnis zum Patienten aufbaut, und dieses Vertrauensverhältnis ist das A und O. Nur ein Arzt, der seinen Patienten genau kennt und dessen Vertrauen genießt, kann seine Behandlung richtig koordinieren. Werner Waldmann: Wenn ich als Patient einen Hausarztvertrag eingehe, binde ich mich für einige Zeit an einen einzigen Arzt. Zu dem muss ich künf-
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tig immer gehen. Wie wird diese – ich nenne das mal so – Einschränkung von den Patienten angenommen? Dieter Kress: Zurzeit haben sich bei unserer AOK Neckar-Fils rund 120 000 Versicherte im Hausarztvertrag eingeschrieben. Insgesamt haben wir 305 000 Versicherte. 75 % der Hausärzte der Landkreise Esslingen und Göppingen nehmen am Hausarztvertrag teil. Werner Waldmann: Was ist der Grund dafür, dass nicht alle Ärzte mitmachen? Dieter Kress: Das hat verschiedene Ursachen. Um am Hausarztvertrag teilnehmen zu können, braucht man eine bestimmte Praxissoftware. Es gibt Ärzte, die sagen: Ich praktiziere nur noch zwei Jahre, da will ich mir das nicht mehr anschaffen. Das muss man verstehen. Außerdem gibt es natürlich auch Hausärzte, die zwar offiziell noch eine Kassenzulassung haben, aber nicht mehr so richtig praktizieren – die lassen ihre Praxis quasi „auslaufen“ und wollen deshalb auch nicht mehr am Hausarztvertrag teilnehmen. Mit den 75 % haben wir unser Potenzial so gut wie erschlossen.
Kompass Gesundheit DAS MAGAZIN FÜR BADEN-WÜRTTEMBERG
Abonnement Ja, ich möchte „Kompass Gesundheit“ regelmäßig lesen. Bitte senden Sie mir die Kompass-GesundheitAusgaben nach Erscheinen zu. „Kompass Gesundheit“ erscheint 4-mal jährlich. Ich übernehme die Porto- und Versandkosten von Euro 10,- pro Jahr. Ich kann diese Vereinbarungen jederzeit widerrufen. Bitte keine Vorauszahlung! Sie erhalten von uns eine Rechnung. Frau / Herr Vorname Nachname
Werner Waldmann: Lässt es sich heute schon sagen, wie erfolgreich das Hausarztmodell ist? Dieter Kress: Es bringt den Patienten enorme Vorteile. Zum Beispiel gibt es wissenschaftliche Untersuchungen, die zeigen, dass Patienten, die einen Hausarztvertrag abgeschlossen haben, doppelt oder dreimal so häufig an den empfohlenen Vorsorgeuntersuchungen teilnehmen wie in der normalen KV-Versorgung. Werner Waldmann: Sind auch Fachärzte vertraglich mit Ihrer Kasse verbunden, und welchen Nutzen haben die Patienten davon? Dieter Kress: Wir haben neben den Hausarztverträgen auch Facharztverträge im Bereich der Gastroenterologie und Kardiologie – und seit neuestem auch in der Psychiatrie, Neurologie und Psychotherapie. Geplant ist außerdem ein Facharztvertrag für Orthopädie. Der Psychotherapievertrag, der seit Anfang Oktober in Kraft ist, wird sicherlich besonders gut angenommen werden, weil es für die Patienten sehr wichtig ist, bei psychischen Problemen einen möglichst schnellen Zugang zum Psychotherapeuten zu bekommen. Die unendlichen Wartezeiten von drei bis sechs Monaten sind für Mitglieder der AOK vorbei: Man bekommt innerhalb einer Woche, spätestens binnen 14 Tagen einen Termin bei einem Psychotherapeuten, der an dem Vertrag teilnimmt. Das ist wichtig, um Langzeittherapien nach Möglichkeit zu vermeiden. Denn auch bei psychischen Erkrankungen ist eine frühzeitige Diagnostik und Therapie oft von entscheidender Bedeutung.
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Straße und Hausnummer PLZ Ort Tel. E-Mail Datum / Unterschrift Widerrufsrecht: Mir ist bekannt, dass ich die Vereinbarung innerhalb einer Woche bei MEDITEXT DR. ANTONIC (Leser-Service, Postfach 3131, 73751 Ostfildern) widerrufen kann. Die Frist beginnt mit Absendung dieses Formulars. Faxen Sie Ihre Bestellung an 0711 7656590 oder senden Sie diese in einem Briefumschlag an: MEDITEXT DR. ANTONIC Postfach 3131 73751 Ostfildern
Der nächste Kompass Gesundheit erscheint im Januar 2013
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Impflücken nicht auf die leichte Schulter nehmen
Infektionskrankheiten können gefährlich sein – vor allem für Kinder Impfungen werden heute von vielen Menschen für überflüssig gehalten oder sogar belächelt. In den Medien wird höchstens über das Risiko von Impfungen berichtet und den Menschen Angst davor gemacht. Impfen ist nicht mehr in. Vielleicht auch, weil die Erkrankungen gerade bedingt durch die Impfungen nur noch selten vorkommen und deswegen in Vergessenheit geraten sind. Dr. Constanze Nebe und Dr. Dominique Scheuermann
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Dr. Constanze Nebe
as Impfen gehört nach wie vor zu den wirksamsten und einfachsten Schutzmaßnahmen, die es gibt. Neben der Lebensmittel- und Wasserhygiene haben wir unsere heutige hohe Lebenserwartung und die geringe Säuglingssterblichkeit in den westlichen Industrieländern vor allem der breiten Anwendung von Impfungen zu verdanken. Die Ausrottung lebensgefährlicher Seuchen, die früher eine Geißel der Menschheit waren, ist nicht zuletzt auf die Entwicklung wirksamer Impfstoffe zurückzuführen. So ist die Welt dank eines konsequenten Impfprogramms der Weltgesundheitsorganisation (WHO) seit dem Jahr 1980 pockenfrei. Andere bedrohliche Infektionserkrankungen sind infolge von Impfprogrammen mittlerweile selten geworden und könnten vielleicht längst ganz ausgerottet sein, wenn die Menschen sich konsequenter dagegen impfen lassen würden.
Kinderlähmung ist grausam ...
Dr. Dominique Scheuermann Landratsamt Esslingen Gesundheitsamt Gesundheitsförderung im Landkreis Esslingen Pulverwiesen 11 73726 Esslingen Tel.: 0711 3902 1686 Fax: 0711 3515 4070
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Die durch das Poliovirus übertragene Kinderlähmung ist dank intensiver Impfkampagnen in Amerika und Europa weitestgehend ausgerottet. Aber gebannt ist die Gefahr noch lange nicht: Immer wieder flackerten in den letzten Jahrzehnten in verschiedenen europäischen Ländern kleinere, regional begrenzte Polio-Epidemien auf. Auch in Deutschland kam es zu einzelnen Neuerkrankungen. Es besteht immer das Risiko, dass die Infektion aus anderen Ländern, in denen sie nach wie vor relativ häufig vorkommt, reimportiert wird oder dass das Virus in einer kleinen Gruppe von Menschen, die nicht geimpft wurden, überlebt. Ähnlich ist es bei den Masern, die – insbesondere bei Jugendlichen und Erwachsenen – lebensgefährliche Komplikationen verursachen und zu einer
Fehl- oder Totgeburt führen können, wenn eine schwangere Frau sich damit infiziert. Auch bei dieser Erkrankung kommt es immer wieder zu regionalen Ausbrüchen, von denen vor allem ungeimpfte Kinder betroffen sind. Kinder müssen zweimal gegen Masern geimpft werden. Wurde jemand als Kind nur einmal geimpft, so sollte die zweite Impfung im Erwachsenenalter unbedingt nachgeholt werden. Das Gleiche gilt für die Rötelnimpfung. Wurde hier im Kindesalter nur einmal geimpft, so sollte man die zweite Impfung später ebenfalls nachholen. Dies ist besonders wichtig für Frauen im gebärfähigen Alter, denn eine Rötelninfektion während der Schwangerschaft kann zu schweren Schädigungen des Neugeborenen führen.
Verantwortungsbewusst handeln „Impf-Muffel“ bringen nicht nur sich selbst und ihre Kinder in Gefahr, sondern auch die Allgemeinheit. Denn nur wenn sich möglichst viele Menschen den von der Ständigen Impfkommission (STIKO) des Robert Koch-Instituts empfohlenen Impfungen unterziehen, kann man eine so genannte „HerdenImmunität“ erreichen: Ab einer bestimmten Impfrate innerhalb der Bevölkerung kann ein Infektionserreger sich nicht mehr effizient vermehren und stirbt aus. Lassen sich zu wenige Menschen gegen einen Krankheitserreger impfen, so kann er sich wieder vermehrt ausbreiten und zur ernsten Gefahr werden – wie z. B. der Keuchhusten, der vor allem für Säuglinge ein hohes Risiko darstellt und sie im schlimmsten Fall sogar das Leben kosten kann. Da Säuglinge aber erst ab dem zweiten Monat gegen Keuchhusten geimpft werden dürfen, kann man sie in den ersten Lebenswochen nur durch „Herden-
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Immunität“ vor dem gefährlichen Virus schützen – z. B., indem bei Eltern, Großeltern und älteren Geschwistern auf den Impfschutz geachtet wird. Wenn Erwachsene nicht gegen Keuchhusten geimpft sind, können sie sich ebenfalls mit dieser Kinderkrankheit infizieren. Keuchhusten verläuft beim Erwachsenen sehr viel weniger dramatisch als bei Kindern. Aber es besteht leider die Gefahr, dass Eltern ihre Babys mit dem Krankheitserreger anstecken. Deshalb empfiehlt die STIKO seit 2009 allen Erwachsenen, sich bei der nächsten fälligen Tetanus-DiphtherieImpfung einmalig auch gegen Keuchhusten (Pertussis) impfen zu lassen – und bei dieser Gelegenheit auch ihren Polio-Impfschutz zu überprüfen. Das ist vor allem bei jüngeren Menschen wichtig, die noch Eltern werden wollen. Ungeimpfte Erwachsene sind die Hauptansteckungsquelle für Keuchhusten bei Neugeborenen. Wer berufsmäßig mit Neugeborenen zu tun hat, sollte alle zehn Jahre eine Impfauffrischung gegen Keuchhusten erhalten.
Keine Angst vor Impfschäden Die von Impfgegnern gerne beschworenen Risiken und Nebenwirkungen der öffentlich empfohlenen Impfungen sind so gering, dass der Nutzen dieser Vorbeugungsmaßnahmen weitaus größer ist als mögliche Impfreaktionen oder -komplikationen. Denn normalerweise sind unsere modernen Impfstoffe sehr gut verträglich. Die negative Stimmung gegen das Impfen in der Öffentlichkeit basiert meist auf pseudowissenschaftlichen Erkenntnissen und spielt die so selten vorkommenden Impfschäden in übertriebener Weise in den Vordergrund. Ebenso verfehlt ist der bei vielen Menschen herrschende Glaube, Impfungen seien heute nicht mehr notwendig. Diese Impfmüdigkeit kann, wie wir gesehen haben, dazu führen, dass eine längst totgeglaubte Infektionserkrankung auch bei uns wieder aufflackert.
Mehr Infos auf:
www.kompass-gesundheit-bw.de Eine tabellarische Übersicht über die wichtigsten Impfungen finden Sie auf der Homepage von „Kompass Gesundheit“. Scannen Sie dazu diesen QR-Code. http://www.kompass-gesundheitbw.de/cms/impfungen
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Die Apotheker-Kolumne
Bei gleichzeitiger Einnahme verschiedener Arzneimittel: Vorsicht vor Wechselwirkungen!
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iele Menschen nehmen ihre vom Arzt verordneten Arzneimittel nicht ein, weil sie Angst vor Nebenwirkungen haben. Ein verordnetes Medikament jedoch nicht zu nehmen, kann viel größere Risiken bergen. Daher ist es wichtig, sich wirklich genau an die Empfehlungen seines Arztes und Apothekers zu halten. Häufig ist gar nicht das Medikament schuld, wenn es zu unangenehmen oder gar gefährlichen Nebenwirkungen kommt. Oft sind auch Fehler bei der Einnahme die Ursache. Zum Beispiel Wechselwirkungen zwischen Arzneimitteln, die eigentlich nicht zusammen eingenommen werden sollten. Medikamente können sich nämlich gegenseitig in ihrer Wirkung abschwächen oder verstärken. Und wenn sich die Wirkung erhöht, steigt natürlich auch das Risiko von Nebenwirkungen. So darf beispielsweise ein bestimmtes cholesterinsenkendes Mittel (Simvastatin) nicht in Kombination mit gewissen blutdrucksenkenden Mitteln und Medikamenten gegen Herzrhythmusstörungen (Verapamil, Amiodaron) eingenommen werden, da es sonst zu einer Auflösung der Muskulatur und in der Folge zu lebensgefährlichem Nierenversagen kommen kann. All dies ist jedoch kein Grund zur Panik. Ärzte achten darauf, ihren Patienten keine Medikamente zu verschreiben, die sich nicht miteinander vertragen. Wer bei mehreren verschiedenen Ärzten in Behandlung ist, sollte sicherheitshalber jeden Arzt über sämtliche Arzneimittel informieren, die er einnimmt oder anwendet. Am besten, man stellt vor dem Arztbesuch eine Liste dieser Medikamente zusammen – sonst kann es leicht passieren, dass man einmal eines vergisst. Als zusätzliche Sicherheitsmaßnahme sollte auch Ihr Apotheker alle Arzneimittel kennen, die Sie einnehmen. Denn auch Apotheker sind über die wichtigsten Wechselwirkungen zwischen Medikamenten informiert oder können im Zweifelsfall herausfinden, ob zwei Mittel sich miteinander vertragen oder nicht. Übrigens können auch „Naturheilmittel“ in Wechselwirkung mit anderen Medikamenten treten. So schwächt z. B. Johanniskraut, Christof Mühlschlegel das gegen leichte DepressioRosenau Apotheke nen und Stimmungstiefs einPlochinger Str. 81; 73730 Esslingen Tel.: 0711 315477-0 gesetzt wird, die Wirkung der Fax: 0711 315477-19 „Pille“ ab und kann den empmuehlschlegel@rosenau-apotheke.de fängnisverhütenden Effekt dawww.rosenau-apotheke.de durch u. U. zunichte machen.
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Organtransplantation
Für viele Menschen die letzte Rettung Früher war ein Mensch, dessen Herz oder Leber versagte, zum Tode verurteilt. Inzwischen sind wir so weit, dass fast alle Organe verpflanzt werden und die Patienten hinterher ein fast normales Leben führen können. Sogar ganze Därme in Kombination mit Leber, Bauchspeicheldrüse oder Nieren werden inzwischen schon transplantiert. Werner Waldmann und Marion Zerbst sprachen mit Prof. Dr. med. Alfred Königsrainer von der Universitätsklinik für Allgemeine, Viszeral- und Transplantationschirurgie in Tübingen, die als einziges Zentrum in Deutschland sämtliche Bauchorgane verpflanzen darf, auch Dünn- und Dickdarm – für Menschen mit nicht mehr funktionsfähigem Darm oft die einzige Überlebenschance. Sicherlich hatte man in der Medizin schon lange den Wunsch, Organe zu ersetzen; aber wirklich gelungen ist das erst in den letzten Jahrzehnten. Wie kommt das? Prof. Königsrainer: Das Hauptproblem bei der Organtransplantation bestand früher darin, dass die Übertragung von Gewebe von einem Individuum auf ein anderes aufgrund immunologischer Barrieren nicht realisierbar war: Das heißt, unser Immunsystem erkennt das Spenderorgan als Fremdkörper und stößt es ab. Inzwischen gibt es Medikamente zur Unterdrückung der körpereigenen Abwehr, so genannte Immunsuppressiva. Dadurch lässt sich die gefürchtete Abstoßungsreaktion in den allermeisten Fällen verhindern.
Prof. Dr. med. Alfred Königsrainer, Ärztlicher Direktor der Universitätsklinik für Allgemeine, Viszeral- und Transplantationschirurgie Hoppe-Seyler-Str. 3 72076 Tübingen Tel.: 07071 2986619
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Welche Organe kann man heute transplantieren? Prof. Königsrainer: Man kann inzwischen praktisch alle Eingeweideorgane verpflanzen: Lunge, Herz, Leber, Bauchspeicheldrüse, Niere und Darm. An einigen wenigen Zentren werden auch vermehrt Gewebetransplantationen (z. B. Hand und Gesicht) durchgeführt. Natürlich kann man auch die Hornhaut der Augen verpflanzen, und die Übertragung von Knochenmark ist ebenfalls möglich. Welche Organtransplantationen führen Sie in Ihrem Zentrum durch? Prof. Königsrainer: Wir verpflanzen alle Bauchorgane: am häufigsten Nieren und Lebern, gefolgt von der Bauchspeicheldrüse, die in den allermeisten Fällen in Kombination mit einer Niere transplantiert wird. Wir können aber auch Darmtransplantationen durchführen. Auch da ist in etwa der Hälfte aller Fälle eine kombinierte Transplantation zusammen mit der Leber erforderlich.
Welche Erkrankungen gibt es, die die Darmfunktion so beeinträchtigen, dass der Patient einen neuen Darm braucht? Prof. Königsrainer: Meistens haben diese Patienten ihren Darm verloren, z. B. durch einen Gefäßverschluss: Dann stirbt der Darm ab, und man muss einen Großteil davon operativ entfernen. Das kann z. B. durch eine Thrombose der Eingeweidegefäße bei angeborenen Gerinnungsstörungen, ja sogar bei einer Blinddarm- oder Gallenblasenentzündung passieren. Auch bei Vorhofflimmern kann ein Blutgerinnsel aus dem Herzen in die Eingeweidegefäße geschwemmt werden und diese verschließen. Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa können ebenfalls zu schweren Komplikationen führen, die eine Darmtransplantation erforderlich machen. Und bei Kindern gibt es verschiedene angeborene Leiden, durch die der Darm funktionsunfähig wird. Deshalb sind unter meinen Darmtransplantationspatienten manchmal auch Kleinkinder. Aber für Kinder braucht man ja kleinere Organe. Ist es da schwierig, einen Spender zu finden? Prof. Königsrainer: In solchen Fällen muss man den Darm oder die Leber unter Umständen auf chirurgisch-technischem Weg verkleinern. Grundsätzlich ist ein Verhältnis von 1:4 noch akzeptabel; das heißt, wenn das Kind zehn Kilogramm schwer ist, kann man von einem 40 kg schweren Spender noch die Organe nehmen. Und in welchen Fällen muss eine Bauchspeicheldrüse transplantiert werden? Prof. Königsrainer: Zum Beispiel bei Typ-1-Diabe-
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tes. Bei solchen Patienten kommt es in 40 bis 50 % aller Fälle trotz guter Blutzuckereinstellung mit Insulin im Laufe der Zeit (so etwa nach 15 bis 20 Jahren) zu schweren Gefäßveränderungen, durch die Nieren, Augen und unter Umständen auch die Beine irreparabel geschädigt werden; und dieser Diabetes tritt tragischerweise ja oft bereits im Jugendalter oder auch schon bei Kindern auf. Durch eine Bauchspeicheldrüsentransplantation lässt er sich heilen. Solchen Patienten transplantieren wir oft auch gleich die Niere mit, falls diese ebenfalls geschädigt ist. Es gibt auch noch eine Sonderform des Diabetes, die so schlecht kontrollierbar ist, dass der Blutzucker bei diesen Patienten rapide abfällt, ohne dass sie es merken (z. B. nachts während des Schlafs). Diese extremen Blutzuckerabfälle können zum Tod führen. Deshalb sind solche Diabetiker ebenfalls Transplantationskandidaten. Ist eine Transplantation des gesamten Darmsystems nicht ein sehr schwieriger Eingriff? Prof. Königsrainer: Ein Hauptproblem ist, dass diese Patienten in vielen Fällen schon mehrere Voroperationen durchgemacht und deshalb entsprechende Verwachsungen im Bauch haben. Zum anderen beinhaltet der Darm einen Teil unseres Immunsystems. Das erhöht natürlich die Abstoßungsgefahr. Es kann sogar zu einer so genannten Transplantat-gegen-Wirt-Reaktion kommen, bei der die Immunzellen des Spenderorgans sich ge-
gen den Organismus des Empfängers wenden, weil sie ihn als Fremdkörper empfinden. Hinzu kommt noch, dass der Darminhalt nicht steril ist, sodass hier schon eine sehr komplexe und aufwändige Nachbetreuung erforderlich ist. Wie lange dauert so ein Eingriff? Prof. Königsrainer: Das hängt ganz von der Ausgangssituation ab. Wir haben schon Darmtransplantationen in vier bis fünf Stunden durchgeführt; manchmal dauert es aber auch 12 bis 13 Stunden. Kann man eigentlich auch Krebspatienten ein neues Organ einpflanzen? Prof. Königsrainer: Bei Krebserkrankungen gibt es sehr strenge Richtlinien. Einem Patienten, der einen primären Lebertumor hat, welcher nur auf die Leber begrenzt ist, und der zusätzlich auch noch gewisse Kriterien erfüllt, kann eine Leber transplantiert werden. Ganz eingeschränkt gilt das auch für Patienten mit einem so genannten neuroendokrinen Tumor der Leber; aber bei den allermeisten Tumoren scheidet eine Transplantation aus. Auch Patienten, die einen bösartigen Tumor an anderer Stelle haben, darf kein Organ verpflanzt werden. Erhalten Patienten, die ihre Erkrankung selbst verschuldet haben (z. B. durch Alkohol) auch Spenderorgane? Prof. Königsrainer: Alkohol und Lebererkrankun-
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gen – das ist schon eine Situation, mit der wir tagtäglich konfrontiert sind. Die Frage ist in solchen Fällen immer: Akzeptieren wir den Alkoholismus als Krankheit, oder betrachten wir ihn als Selbstverschuldung? Und wir sind ja im Wesentlichen keine Richter, sondern Ärzte und müssen unseren Patienten helfen. Aber aufgrund der eingeschränkten Verfügbarkeit von Spenderorganen müssen wir natürlich strenge Maßstäbe anlegen, die auch vom Gesetzgeber mitgetragen werden. Das heißt, dass der Patient mindestens ein halbes Jahr lang trocken sein muss, des Weiteren muss er in ein stabiles soziales Umfeld eingebettet und bereit sein, sich einer Suchtbehandlung zu unterziehen ehe er gelistet werden kann. Glauben Sie, dass die Organspendebereitschaft in der Bevölkerung durch den jüngst durch die Presse gegangenen Organspendenskandal zurückgegangen ist? Prof. Königsrainer: Eigentlich handelte es sich dabei ja nicht um einen Organspende-, sondern um einen Organverteilungsskandal. Außerdem weiß man inzwischen, dass er auf ganz wenige Fälle beschränkt war. In Deutschland sind in dem untersuchten Zeitraum ja über 50 000 Transplantationen durchgeführt worden, und es gab lediglich 20 Regelverletzungen – das ist extrem wenig. Andererseits hat das in der Öffentlichkeit sicherlich zu einer gewissen Verunsicherung geführt. Die Transplantationszentren haben daraufhin eine Eigenprüfung durchgeführt, und man ist natürlich immer heilfroh, wenn im eigenen Zentrum keine Auffälligkeiten zutage treten. Ich habe in der Presse und im Radio mehrmals hierzu Stellung genommen und auch etliche Mails von Patienten und gesunden Menschen erhalten, die über die Bereitschaft, Transparenz in das System zu bringen, sehr erfreut waren. Welche Qualitätskriterien müssen Spenderorgane eigentlich erfüllen? Kann man auch Organe von älteren Menschen verwenden? Prof. Königsrainer: Das ist von Organ zu Organ unterschiedlich. Früher hätte man ein Herz von einem über 50-Jährigen nicht mehr entnommen. Inzwischen ist man hier schon deutlich großzügiger geworden. Man hat sogar schon im Rahmen der Herztransplantationen bei dem verpflanzten Herzen gleich auch noch einen Bypass gelegt, weil die
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Herzkranzgefäße des Spenders bereits verengt waren. Bei der Leber gibt es keine altersmäßigen Begrenzungen; man kann durchaus auch noch eine Leber von einem 80-jährigen Spender entnehmen. Das gilt auch für ältere Spender mit normaler Nierenfunktion. Wie sind Sie eigentlich zur Transplantationsmedizin gekommen? Prof. Königsrainer: Ich bin da einfach hineingewachsen. Dadurch, dass in Innsbruck, wo ich studiert habe und mich zum Facharzt für Chirurgie ausbilden ließ, schon sehr früh mit der Transplantation begonnen wurde und Organtransplantationen immer ein Teil der allgemeinen Bauchchirurgie waren, wurde ich schon als junger Mediziner mit den fantastischen Ergebnissen der Organtransplantation konfrontiert. Stellen Sie sich vor, Sie sehen einen schwerkranken Menschen vor sich, und kaum gibt man bei der Transplantation die Blutzirkulation frei, ist das Organ wieder ganz normal durchblutet, und der Patient erholt sich blitzschnell ... Das ist schon ein wunderbares Erfolgserlebnis. In der Transplantationschirurgie sieht man die Ergebnisse seiner Arbeit relativ rasch, und das ist natürlich für einen jungen Mediziner extrem motivierend. Dann ist man auch bereit, viele Stunden dafür zu opfern. Denn man kann den Patienten dadurch sehr helfen und ihnen ihre Lebensqualität zurückgeben. Das ist das Faszinierende an unserer Arbeit. So muss z. B. ein Patient mit schwerer Niereninsuffizienz regelmäßig zur Dialyse gehen und sich streng an Diäten und Einschränkungen der Flüssigkeitsaufnahme halten; doch sobald er eine Spenderniere erhalten hat, kann er wieder ein völlig normales Leben führen. Und bei anderen Patienten, bei denen z. B. das Herz oder die Leber nicht mehr funktionsfähig ist, geht es ja nicht „nur“ um die Lebensqualität, sondern wirklich ums Leben. Ich hatte gerade eine Patientin in meiner Sprechstunde, der ich in Innsbruck im Jahr 1993 eine Bauchspeicheldrüse und eine Niere transplantiert habe. Beide Organe funktionieren exzellent, die Frau ist Universitätsprofessorin und führt ein ganz normales Leben, geht ihrem Beruf nach – und das ist einfach schön. Ohne Transplantation wäre sie vermutlich nicht so alt geworden. Das größte Problem zur Zeit ist, dass der Bedarf durch die Organspende nicht gedeckt werden kann. In Deutschland sterben jeden Tag bis zu
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drei Patienten auf der Warteliste, weil sie nicht rechtzeitig ein Spenderorgan erhalten haben. Welche Probleme und Ängste stehen Ihrer Meinung nach der Bereitschaft entgegen, sich einen Organspendeausweis ausstellen zu lassen? Prof. Königsrainer: Das Hauptproblem, mit dem wir auch in unseren Diskussionen mit Laien immer wieder konfrontiert werden, besteht darin, dass viele Menschen nicht verstehen, was Hirntod bedeutet. Viele Leute setzen Hirntod mit Koma gleich; leider ist es in der Bevölkerung noch nicht breitflächig genug angekommen, dass der Hirntod unwiederbringlich als Tod des Individuums gilt. Wenn das Hirn komplett abgestorben ist, dann ist dies nicht mehr reversibel und nicht mit dem Leben vereinbar. Ich kann zwar durch Maschinen ein paar Stunden oder vielleicht ein paar Tage lang den Kreislauf und die Herzfunktion aufrechterhalten; trotzdem ist der Mensch nicht mehr am Leben. Und natürlich ist es schwer, wenn jemand als Mutter, Vater, Bruder oder Schwester auf der Intensivstation einen Angehörigen im Bett liegen sieht, der noch warm ist; man kann seinen Puls fühlen und am Monitor die Herzaktionen erkennen – dann ist es sehr schwer, solchen Angehörigen klarzumachen, dass dieser Mensch tot ist.
Die Ernährungs-Kolumne
Magenband & Co: Keine einfache Lösung
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Wahrscheinlich haben viele Leute auch Angst, dass sie von der Organentnahme selbst im hirntoten Zustand noch etwas spüren könnten? Prof. Königsrainer: Inzwischen ist bewiesen, dass die Reflexe, die den Schmerz zur Kenntnis bringen, beim Hirntod ausgeschaltet sind. Das heißt, man kann Schmerz herbeiführen, aber er wird nicht mehr wahrgenommen. Aber ich glaube, die meisten Menschen denken: Wenn ich als Patient in eine Klinik komme, in der Organe transplantiert werden, machen die einfach einen Spender aus mir. Deshalb gibt es die Regelung, dass wir als Vertreter einer Klinik, die Transplantationen durchführt, immer erst gerufen werden, wenn bei einem Patienten bereits der Hirntod festgestellt wurde. Das heißt, es gibt in jedem Klinikum mit Intensivstation einen so genannten Transplantationsbeauftragten, der dafür verantwortlich ist, dass korrekt gearbeitet wird.
ie Adipositaschirurgie ist für viele stark Übergewichtige der letzte Hoffnungsschimmer dauerhaft Gewicht zu verlieren. Natürlich ist es eine schöne Vorstellung, durch ein stark verkleinertes Magenvolumen nur noch wenig essen zu können, trotzdem satt zu sein und die Pfunde nur so purzeln zu sehen. Das klingt so schön einfach, aber zu schön, um wahr zu sein. Und natürlich ist es das auch nicht. Nur zu oft passiert es, dass die Kilos nach und nach wieder kommen oder der Abnehmerfolg weit hinter dem Erhofften steht. Der Grund hierfür ist relativ einfach: Viele der Betroffenen sehen in Magenband & Co. die Lösung ihres Gewichtsproblems und nicht das, was es tatsächlich ist: ein Hilfsmittel, das beim Abnehmen unterstützen kann, aber nur, wenn der Betroffene selbst einiges zum Erfolg beiträgt. Wer sein bisheriges Essverhalten nicht grundlegend ändert, wird auch mit dieser Unterstützung nicht zum Ziel kommen. Eine solche Operation verlangt im Nachgang sehr viel mehr Konsequenz in Sachen Ernährung und Lebensstil als je zuvor! Ansonsten ist nicht nur der Abnehmerfolg gefährdet, sondern auch die Gesundheit. Denn durch die relativ kleinen Essensmengen muss die Nahrung sehr viel vitamin- und mineralstoffreicher sein als vorher. Sonst ist eine Mangelversorgung mit all ihren Folgen vorprogrammiert. Wer also eine solche Operation in Betracht zieht, tut gut daran, sich schon Monate vor dem Eingriff mit seinem Ess- und Bewegungsverhalten auseinanderzusetzen – und das im eigenen Interesse und nicht nur, weil die Krankenkassen es fordern. Und auch nach der Operation ist eine begleitende Ernährungs- und Bewegungstherapie elementar wichtig. Verhaltensänderungen brauchen Zeit! Jahrzehntelange Gewohnheitsmuster lassen sich nicht einfach über Bord werfen und ändern – erst recht nicht ohne professionelle Hilfe. Die Chirurgie kann dabei unterstützen, der große Rest muss sich aber im Kopf ändern – und dazu muss jeder selbst aktiv werden. Wer dazu nicht bereit ist und meint, eine solche Maßnahme löst das Problem von alleine, ist in der Adipositaschirurgie nicht richtig. Nur wer selber bereit ist, auch an sich zu arbeiten, wird mit einem solchen Andrea Barth Eingriff langfristig erDiplom-Oecotrophologin, Integriertes folgreich und glücklich Gesundheitszentrum Esslingen (IGZE), Praxis für Ernährungsberatung und -therapie sein!
Nach welchen Kriterien werden Spenderorgane vergeben?
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Prof. Königsrainer: Das hängt vom Organ ab. Bei der Leber ist die Dringlichkeit das oberste Kriterium: Da wird die Leberfunktion anhand eines Scores ermittelt, und dieser Score sagt im Wesentlichen aus, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass der Patient, wenn er nicht transplantiert wird, innerhalb einer gewissen Zeit verstirbt. Also steht er umso weiter vorne auf der Liste, je mehr Punkte
er hat. Bei der Niere ist das oberste Prinzip die Gewebeverträglichkeit oder Gewebeübereinstimmung (das heißt, Spender und Empfänger müssen sich in ihren Erbmerkmalen sehr ähnlich sein); ein zweites Kriterium ist die Wartezeit. Wenn zwei Patienten die gleiche Gewebeübereinstimmung mit dem Spenderorgan haben, erhält derjenige die Niere, der schon seit längerer Zeit auf der Warteliste steht.
So wird der Hirntod festgestellt A
PD Dr. Christina Schleicher, Geschäftsführende Ärztin Deutsche Stiftung Organtransplantation Region BadenWürttemberg Kriegerstr. 6 70191 Stuttgart Tel.: 069 6773285001 Fax: 069 6773285099
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ls Hirntod wird der Zustand der irreversibel erloschenen Funktionen des gesamten Gehirns, also des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms, bezeichnet. Beim Hirntod kommt es zu einem Durchblutungsstopp im Gehirn und in der Folge zu einer Auflösung des Gehirns, wie bei allen nicht mit Sauerstoff versorgten Organen und Geweben. Das Gehirn ist das übergeordnete Steuerorgan aller lebenswichtigen Funktionen. Viele Organe können heute für einen bestimmten Zeitraum künstlich ersetzt oder in der Funktion gehalten werden. Für das Gehirn gilt das nicht. Ist seine Funktion irreparabel zerstört, ist der Mensch als Individuum endgültig gestorben. Laut Transplantationsgesetz von 1997 müssen zwei maßgebliche Voraussetzungen für eine Organspende erfüllt sein: Erstens muss eine Zustimmung zur Organspende vorliegen, entweder vom Verstorbenen selbst, einer durch den Verstorbenen dazu benannten Person oder von Angehörigen, die nach dem mutmaßlichen Willen des Verstorbenen eine Entscheidung treffen. Zweitens muss der Hirntod als sicheres Todeskriterium festgestellt worden sein. Bevor die Diagnostik zur Feststellung des Hirntodes eingeleitet werden darf, müssen die Ärzte im Krankenhaus die Voraussetzungen zur Hirntoddiagnostik abklären. Dies beinhaltet immer zunächst die Feststellung, dass eine Behandlung, mit dem Ziel der Lebensrettung des Patienten ausgeschlossen ist. Oberstes therapeutisches Ziel der Ärzte ist immer das Überleben des ihnen anvertrauten Patienten. Der Hirntod muss nach einem von der Bundesärztekammer genau festgelegten Untersuchungsschema diagnostiziert werden. Fachärzte prüfen, ob die klinischen Symptome vor-
liegen, die mit dem Hirntod verbunden sind. Die Untersuchungen werden nach einem bestimmten Beobachtungszeitraum wiederholt. Anstelle einer Wiederholung kann auch eine ergänzende apparative Untersuchung erfolgen, durch die der Ausfall der gesamten Gehirnfunktion oder der Gehirndurchblutung nachgewiesen wird. Die beiden durchführenden Ärzte müssen alle Ergebnisse in einem Protokoll dokumentieren. Erst wenn der Hirntod von zwei erfahrenen und vom Transplantationsteam unabhängigen Ärzten festgestellt und die Todesbescheinigung ausgefüllt ist, wird mit den Angehörigen konkret über eine mögliche Organspende gesprochen. Somit ist eine Organspende auch nur möglich, wenn im Krankenhaus auf der Intensivstation der Hirntod festgestellt wurde. Eine Hirntodfeststellung am Unfallort oder zu Hause ist nicht möglich.
Deutsche Stiftung Organtransplantation Region Baden-Württemberg In der Akutsituation Organspende begleitet die DSO-Region Baden-Württemberg alle Schritte des Organspendeablaufs: Von der Mitteilung eines möglichen Spenders im Krankenhaus über die qualifizierte Feststellung des Hirntods, dem Gespräch mit den Angehörigen, den medizinischen Maßnahmen zur Erhaltung von Organen, den Sicherheitsuntersuchungen zum Schutz der Organempfänger bis hin zur Datenvermittlung an die internationale Vermittlungsstelle für Spenderorgane Eurotransplant sowie den Organtransport in die Transplantationszentren.
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Gesellige Stunden für Menschen mit Demenz D
ie Betreuungsgruppe „Gesellige Stunden“ bietet Menschen mit Demenz regelmäßig einen anregenden und abwechslungsreichen Nachmittag. Jeden Montagnachmittag finden in einer fachlich betreuten Kleingruppe Unternehmungen statt, die allen möglich sind und Freude machen. Das können Bewegungsangebote, Bilderreisen, Aktivitäten an der frischen Luft, Spiele, ein Liederreigen und Gespräche bei Kaffee und Kuchen sein.
... Bewegung inklusive Das Training und der Erhalt der vier Fitnesskomponenten Kraft, Schnelligkeit, Balance und Beweglichkeit stehen hier im Vordergrund. Diese helfen den Abbau von Muskulatur und Knochen zu verhindern und verringern das Sturzrisiko. Das Bewegungsangebot wird nach dem Bewegungsprogramm Fünf Esslinger von Dr. Martin Runge gestaltet.
Entlastung für alle Fünf Sinne Die Inhalte des Nachmittags sind nach dem „Demenzkonzept Fünf Sinne“ gestaltet. Die aktive Ansprache der Sinne Sehen, Hören, Fühlen, Riechen und Schmecken steht im Mittelpunkt der Aktivitäten. Die jahreszeitlichen Themen, Lieder und Materialien aus der Natur unterstützen die zeitliche Orientierung und knüpfen an Erinnerungen an.
„... Wenn von Demenz die Rede ist, wissen wir alle, was gemeint ist: Nachlassen geistiger Leistungsfähigkeit und am Ende der Verlust des selbstbestimmten Lebens. Daher ist die Diagnose, wenn sie gestellt wird, oft im ersten Moment ein Schock – für die Betroffenen nicht weniger als für die Angehörigen. Da hilft es schon ein wenig, dass die erkrankte Person nicht innerhalb kürzester Zeit zum Pflegefall werden wird. Trotzdem müssen sich alle Beteiligten damit auseinandersetzten, dass erkrankte Personen mehr und mehr auf die Unterstützung anderer Menschen angewiesen sein werden. Eine Million demenziell erkrankte Menschen leben derzeit in Deutschland, und aufgrund des demografischen Wandels ist davon auszugehen, dass in Zukunft voraussichtlich mehr Menschen an Demenz erkranken werden. [...] Derzeit werden rund 80 % der an Demenz erkrankten Menschen zu Hause gepflegt. Meist sind es Angehörige, die sich der Betreuung ihrer erkrankten Ehepartner, Eltern oder Großeltern mit großem Engagement annehmen. Dies stellt eine starke Belastung für die Angehörigen, aber auch für die Betroffenen und die gesamte Gesellschaft dar.“ Daniel Bahr, Bundesminister für Gesundheit (Auszug aus dem Ratgeber „Wenn das Gedächtnis nachlässt“, Bundesministerium für Gesundheit 2012)
Das Angebot bietet pflegenden Angehörigen Entlastung und aktiviert die Betroffenen entsprechend ihren Fähigkeiten. Neue Impulse und Inhalte für den pflegerischen Alltag zu Hause lassen sich entdecken. Einer Isolation der Betroffenen und Pflegenden kann vorgebeugt werden. Der Diakonische Ambulante Dienst Esslingen lädt herzlich zu den „Geselligen Stunden“ ein – zu abwechslungsreichen Nachmittagen, die Zufriedenheit, Ausgeglichenheit und Vorfreude auf die nächsten Begegnungen mit sich bringen! Die „Geselligen Stunden“ finden jeden Montag ab 14 Uhr im Geriatrischen Zentrum Esslingen-Kennenburg in der Pianostube statt. Information und Anmeldung unter Telefon: 0172 7808420 oder E-Mail: AmbulanterDienstEsslingen@udfm.de
Ein Demenz- bzw. Sinnesgarten ist mit Arten bepflanzt, die den Demenzkranken aus ihrer früheren, aktiven Zeit bekannt sind.
Kompass Gesundheit 2/2012
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16. M채rz 2013 KuBinO Ostfildern-NellinModeration: Stefanie Anhalt (SWR) gen Information: www.kompass-gesundheit-bw.de