Kompass Gesundheit 2/2013

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Kompass Gesundheit DAS MAGAZIN FÜR BADEN-WÜRTTEMBERG

Nr. 2 2013

Baden-Wür emberg gegen den

Schlaganfall

Krank im Urlaub Alltag eines Hausarztes Anthroposophische Medizin Gesund kochen mit Sternekoch Oehler

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Grußwort

Liebe Leserinnen und Leser, „Kompass Gesundheit“ greift in seiner Mai-Ausgabe die Gesundheitsaktion „Baden Württemberg gegen den Schlaganfall“ auf, die im Mai 2013 startet und für die ich die Schirmherrschaft übernommen habe. Der Schlaganfall ist eine heimtückische Krankheit, die jeden, ob Jung oder Alt, unvermittelt treffen kann, oft auch mit weitreichenden Folgen für das familiäre Umfeld. Der Schlaganfall ist eine der häufigsten Todesursachen weltweit und führt oft zu einer dauerhaften Behinderung und eingeschränkten Lebensqualität. Allein in Baden-Württemberg erleiden pro Jahr fast 40 000 Menschen einen Schlaganfall. Wir wissen, dass jeder Schlaganfall ein akuter Notfall ist, bei dem schnelle und kompetente Hilfe notwendig ist. Viele Menschen können jedoch die Symptome eines akuten Schlaganfalls nicht richtig einordnen und wissen im Notfall nicht, was zu tun ist. Ziel der Aufklärungsaktion „BadenWürttemberg gegen den Schlaganfall“ ist es deshalb, die Bürgerinnen und Bürger im Land umfassend über das Thema Schlaganfall zu informieren, wie z. B. über Risikofaktoren, die zu einem Schlaganfall führen können, über die Früherkennung eines Schlaganfalls oder darüber, was im Ernstfall zu tun ist. Im einmonatigen Aktionszeitraum der Initiative finden viele unterschiedliche Veranstaltungen statt, die über die Möglichkeiten zur Prävention, Erkennung und Behandlung des Schlaganfalls informieren. Ziel ist es, dass möglichst viele Menschen im Land umfassend über die Symptome und Folgen eines Schlaganfalls Bescheid wissen und der Schlaganfall mehr in das Bewusstsein aller Generationen rückt. Ich lade Sie alle herzlich ein, sich bei den Veranstaltungen oder auch über Beiträge in Fachzeitschriften wie z. B. der aktuellen Ausgabe des Magazins „Kompass Gesundheit“ über das Thema Schlaganfall zu informieren und wünsche allen, dass diese Aktion im Interesse unserer Gesundheit nachhaltig sein wird.

Winfried Kretschmann Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg

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Der nächste „Kompass Gesundheit“ erscheint im August 2013 Zum besseren Verständnis

Unser Titelbild

Die Stoppuhr auf unserem Titelbild steht für das Motto „time is brain“ bei einem Schlaganfall. Gleichzeitig soll sie – als Dauerbegleiter vieler Sportler – an einen Aspekt gesunder Lebensweise erinnern: die Bewegung. Denn auch regelmäßige Bewegung kann helfen, einen Schlafanfall zu verhindern. Digitale Stoppuhren wie unsere kamen erst gegen 1970 auf den Markt, mechanische Stoppuhren gibt es seit dem 19. Jahrhundert. Die erste sollte übrigens auf Wunsch des französischen Königs Louis Philippe bei Pferderennen die exakte Zeit der Pferde festhalten. Der Erfinder dieses „Zeitschreibgerätes“ war Nicholas Rieussec.

Wir verwenden in diesem Magazin den QR-Code (englisch Quick Response, „schnelle Antwort“). Smartphones sind in der Lage, diesen Code zu scannen, sodass Sie ohne mühsames Abtippen automatisch eine bestimmte Website finden können. Wenn Sie diesen QR-Code einscannen, der bei einzelnen Beiträgen steht, gelangen Sie zu ergänzenden Texten, Adressen, Terminen, Tondateien und Videofilmen auf unserer Website www.kompass-gesundheit-bw.de

Wir bedanken uns beim Marienhospital Stuttgart für die freundliche Unterstützung.

Impressum Kompass Gesundheit – Das Magazin für Baden-Württemberg, Herausgeber: Dr. Magda Antonic Redaktionsleitung: Werner Waldmann (V.i.S.d.P.) Redaktions-Beirat: Prof. Dr. med. Aulitzky, Dipl. oec. troph. Andrea Barth, Dr. med. Wolfgang Bosch, Dr. med. Ernst Bühler, Dr. med. Hans-Joachim Dietrich, Dr. med. Rainer Graneis, Dr. med. Rudolf Handschuh, Prof. Dr. phil. Dipl.-Psych. Thomas Heidenreich, Dieter Kress, Dr. med. Suso Lederle, Christof Mühlschlegel, Dr. med. Constanze Nebe, Dr. med. Stefan Reinecke MBA, Dr. med. Nobert Smetak, Isolde Stadtelberger, Dr. med. Bernd Voggenreiter, Dr. med. Sieglind Zehnle Medizinisch-wissenschaftlicher Beirat: Dr. med. Alexander Baisch, Dr. med. Carl-Ludwig v. Ballestrem, Prof. Dr. med. Alexander Bosse, Prof. Dr. med. Claudio Denzlinger, Prof. Dr. med. Rainer Dierkesmann, Dipl.-Psych. Sabine Eller, Dr. med. Wilhelm Gienger, Dr. med. Joachim Glockner, Dr. med. Christian Hayd, Prof. Dr. med. Bernhard Hellmich, Prof. Dr. med. Doris HenneBruns, Prof. Dr. med. Christian Herdeg, Prof. Dr. med. Monika Kellerer, Prof. Dr. med. Alfred Königsrainer, Prof. Dr. med. Ulrich Liener, Prof. Dr. med. Alfred Lindner, Dr. med. Gerhard Müller-Schwefe, Dr. med. Martin Runge, Dr. med. Udo Schuss, Prof. Dr. med. Arnulf Stenzl, Prof. Dr. med. Egon Weidle, Holger Woehrle

Juristische Beratung: RA Mirja K. Trautmann Patientenrechte: Markus Grübel (MdB), Wolfgang Zöller, Patientenbeauftragter der Bundesregierung, Berlin) Redaktion: Dr. J. Roxanne Dossak, Andrew Leslie, Ursula Pieper, Marion Zerbst Art Direction: Dr. Magda Antonic Herstellung: Barbara Schüler Druck: Bechtle Druck & Service, Esslingen Fotos: Cover: © AlexMax/bigstockphoto.de; S. 6: © Sebastian Kaulitzki/fotolia.com; S. 8: © DRK Filderstadt; S. 17: © Klaus Klemm; S. 20 u. 21: © Christophsbad; S. 22: © Martin Runge; S. 28: © Rainer Sturm/pixelio.de; S. 30: © Hannes Eichinger/fotolia.com; S. 34: © Kreissparkasse Esslingen-Nürtingen; S. 44: © Thomas Zagler/fotolia.com; für die Autoren- und Ärzteporträts liegen die Rechte bei den abgebildeten Personen; alle anderen Fotos: MEDITEXT Dr. Antonic

Verlag: MEDITEXT Dr. Antonic Verlagleitung: Dr. Magda Antonic Hagäckerstraße 4; D-73760 Ostfildern Tel.: 0711 7656494; Fax: 0711 7656590 dr.antonic@meditext-online.de www.meditext-online.de Wichtiger Hinweis: Medizin als Wissenschaft ist ständig im Fluss. Soweit in dieser Zeitschrift eine Applikation oder Dosierung angegeben ist, darf der Leser zwar darauf ver-

trauen, dass Autoren, Redaktion und Verlag größte Mühe darauf verwandt haben, dass diese Angaben genau dem Wissensstand bei Drucklegung der Zeitschrift entsprachen. Dennoch sollte jeder Benutzer die Beipackzettel der verwendeten Medikamente selbst prüfen, um in eigener Verantwortung festzustellen, ob die dort gegebene Empfehlung für Dosierungen oder die Beachtung von Kontraindikationen gegenüber der Angabe in dieser Zeitschrift abweicht. Leser außerhalb der Bundesrepublik Deutschland müssen sich nach den Vorschriften der für sie zuständigen Behörden richten. Geschützte Warennamen (Warenzeichen) müssen nicht besonders kenntlich gemacht sein. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt. Das Magazin und alle in ihm enthaltenen Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Mit Ausnahme der gesetzlich zugelassenen Fälle ist eine Verwertung ohne Einwilligung von MEDITEXT Dr. Antonic strafbar. Die Redaktion behält sich die Bearbeitung von Beiträgen vor. Für unverlangt eingesandte Manuskripte, Fotos und Abbildungen wird keine Haftung übernommen. Mit Namen gezeichnete Artikel geben die Meinung des Verfassers wieder. Erfüllungsort und Gerichtsstand ist Esslingen. Copyright © 2013 by MEDITEXT Dr. Antonic 73760 Ostfildern ISSN 2194-5438


inhalt Baden-Württemberg gegen den Schlaganfall • Mit

einem Schlag ändert sich alles!

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• Ein

Schlaganfall ist ein Notfall

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• Die

TIA wird oft übersehen

• Vorbeugung • Die

Schlaganfallkonzeption des Landes Baden-Württemberg

• Klinik •

und Früherkennung

am Eichert und Christophsbad bilden Schlaganfall-Zentrum

FAST-Schnelltest

• Wenn • Die

die Halsschlagader verengt ist

Stroke-Unit

• Gefahr

von Schluckstörungen

• Hochbetagte • Erste • Wer

nach Schlaganfall

Hilfe beim Schlaganfall

organisiert und zahlt die Reha?

11 12 14 15 15 16 18 20 22 23 24

Spannend wie der „Tatort“

Hausarztalltag am Montagmorgen

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Krank im Urlaub

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Ursache vieler Beschwerden

Ein zu großer Busen

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Vorbeugen mit System

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Notfallpraxis in Göppingen

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Anthroposophische Medizin

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Sternekoch Frank Oehler von der Speisemeisterei präsentiert:

Spargel-Rezept

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Fünf Jahre „Hausarztzentrierter Vertrag“ der AOK für Baden-Württemberg

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Im Gespräch mit Michael Hennrich

Blick hinter die Kulissen der Gesundheitspolitik

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Rubriken Impressum 4 | Kolumne Dr. Lederle 15 | Leserbrief 19 | Apotheker-Kolumne 33 | Aboformular 37

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Ein Schlaganfallpatient berichtet

Mit einem Schlag ändert sich alles! Klaus-Dieter Sippel Klaus-Dieter Sippel traf es vor fast sechs Jahren. Schlagartig. Unerwartet. Ein Schlaganfall. Typisch für seine Geschichte: Er dachte keine Sekunde lang daran, dass es sich dabei um einen schwerwiegenden, lebensbedrohlichen Vorfall handeln könnte. So geht es vielen Betroffenen. Man will es nicht wahrhaben. Und viele wissen auch nicht, was diese eigenartigen Symptome bedeuten. Klaus-Dieter Sippel hat also alles falsch gemacht, was man in so einer Situation nur falsch machen kann. Und er hatte Glück. Aber damit sollte man nicht rechnen.

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eine Frau und ich hatten am Donnerstag, dem 13. Dezember 2007, beschlossen, gemeinsam in die Stadt zu gehen und dann getrennt voneinander Weihnachtseinkäufe zu erledigen. Nach zwei Stunden wollten wir uns wieder treffen. Damals hatte ich keinerlei gesundheitliche Probleme außer einer Schlafapnoe, die ich aber seit dem Jahr 1998 konsequent mit der üblichen Atemtherapie behandelte. Ich war noch keine halbe Stunde unterwegs, als ich Schmerzen an beiden Fußgelenken verspürte, die blitzschnell zunahmen und mir knapp zehn Minuten später das Gehen unmöglich machten. Quälende Schmerzen – als würden mir die Füße oberhalb der Knöchel mit einem heißen Draht abgetrennt. Ich rief meine Frau an und bat sie, doch bitte rasch dorthin zu kommen, wo ich mich gerade befand. Ich könne keinen Schritt mehr gehen. Meine Frau kam, so schnell sie konnte, und wir fuhren nach Hause. Sie bereitete das Abendessen zu. Ich war wegen meiner Schmerzen apathisch; meinen Arzt anzurufen, lehnte ich jedoch ab. „Das wird schon wieder“, beruhigte ich meine Frau und mich selbst. Gegen 23 Uhr ging meine Frau zu Bett. Ich blieb noch vor dem Fernseher sitzen. Gegen Mitternacht wollte ich auch schlafen gehen. Mein linker Arm fühlte sich irgendwie warm an. Als ich aus dem Sessel aufstehen wollte, versagte mein linker Fuß. Ich stolperte dahin, unsicher, am Mauerdurchbruch zum Esszimmer wollte ich mich festhalten. Doch auch der linke Arm versagte den Dienst. Ich stolperte in Richtung Esszimmertisch und von dort gegen die Zimmerwand. Dann landete ich unsanft auf dem Boden. Wie lange ich dort liegen blieb? Keine Ahnung. Ich wusste es nicht und konnte es auch mithilfe der Uhr nicht rekonstruieren.

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Plötzlich waren die Schmerzen weg. Ich wollte laut fluchen: „Was soll das? Was ist da eigentlich los?“ Doch meine Stimme war weg, gehorchte mir nicht mehr. Mein erster Gedanke war: Ob ich meine Frau wecken soll? Aber ich wollte sie nicht aus dem Schlaf schrecken. Irgendwie schleppte ich mich ins Bett. Mit viel Mühe setzte ich instinktiv die Maske meines Beatmungsgeräts auf und schaltete es ein. Gegen sechs Uhr morgens stand ich auf und schleppte mich ins Büro. Setzte mich an den PC und schickte meinem Hausarzt eine Mail. Mein Gehirn sagte mir, dass er sicher schon in seiner Praxis säße. Und kaum war die Mail draußen, klingelte das Telefon. Es war mein Arzt. Ich solle nicht sprechen, ich hätte wohl einen Schlaganfall erlitten. Der Notarzt sei schon unterwegs. Jetzt weckte ich meine Frau. Sie war entsetzt über das Geschehene und noch mehr über mein Verhalten. Zu diesem Zeitpunkt hatte meine Gehfähigkeit sich erstaunlicherweise wieder verbessert. Ich konnte hinken. Dann klingelte es an der Haustür. Die Sanitäter waren da. Denen machte ich unmissverständlich klar, dass ich erst duschen wollte, bevor sie mich mitnahmen. Und dann wollte ich auch etwas anziehen. Im Schlafanzug auf die Trage und in die Klinik? Ausgeschlossen. Meine Frau war über meine Starrköpfigkeit erbost. Das kostete Zeit. Bei der Ankunft in der Klinik hatte ich dann nichts mehr zu sagen. Die Routine eines funktionierenden Krankenhauses und seines Personals begann zu greifen. Notaufnahme, Intensivstation, massenhaft Untersuchungen. Das alles jagte wie ein schlechter Film an mir vorbei. Mir fiel auf, dass mein linker Arm und das Bein inzwischen wieder fast vollständig funktionierten. Nur die Koordination der

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Arme und Beine zwischen meiner linken und rechten Körperhälfte wollte einfach nicht besser werden. Meine Sprechweise war schleppend, verwaschen und die Satzstellung miserabel. Am 15. Dezember wurde ich von der Intensivauf die Normalstation verlegt und bereits am 18. Dezember entlassen. Dazwischen lagen jede Menge MRT-Untersuchungen, Bewegungstherapien, Geschicklichkeitstests. Zwischen dem 13. und 18. Dezember kehrte durch tägliches Training mit den Therapeuten in der Klinik linksseitig die Kraft Schritt um Schritt zurück. Nur mit der Sprache haperte es immer noch gewaltig. Ich solle mir, so die Empfehlung der Klinik, von einem Logopäden helfen lassen. Physiotherapie war ebenfalls angesagt. Muskeln, die Kraft linksseitig in Arm und Bein, das alles hatte sich schon wieder bis auf ca. 20 % erholt; die Feinmotorik von Arm und Hand auf der linken Seite ließ aber immer noch deutlich zu wünschen übrig. Bis Anfang 2010 war ich mit Physiotherapie und Logopädie mehrmals pro Woche beschäftigt. Regelmäßig musste ich mit anderen Betroffenen, die ebenfalls am 14. Dezember 2007 eingeliefert worden waren, in die Klinik, um an einer Studie teilzunehmen. Die Auswertung steht noch aus. Meine Frau geht mit mir jetzt schon über vier Jahre lang jede Woche zwei- bis dreimal zum Kieser Training. Das hat mir wunderbar geholfen. Die rechte und linke Körperseite funktionieren wieder wie vor dem Schlaganfall. Doch das Sprechvermögen wiederherzustellen, gestaltete sich weitaus schwieriger. Vor allem hatte meine Psyche stark gelitten. Meine Frau ermutigte mich immer wieder – bis ich durch die Hilfe der Logopädie eines Tages wieder so sprechen konnte wie vorher. Doch noch heute, sechs Jahre nach meinem Schlaganfall, merke ich, dass meine Sprache bei Müdigkeit unsicher wird und sich deutlich verlangsamt. Nur eine Fertigkeit ist mir unwiederbringlich verlorengegangen. Ich schreibe leidenschaftlich gern mit Tinte und Füller. Doch inzwischen sackt meine Schrift deutlich nach rechts unten ab. Auch wenn ich ein Linienblatt unterlege. Aber auch da konnte ich mir helfen: Ich lege einfach ein dünnes Lineal auf die Linie. Bei Unterlängen der Buchstaben muss ich das jedes Mal kurz wegnehmen und lege es hinterher wieder an. Das ist recht mühsam, doch das Schriftbild ist einfach schön.

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Liebe Leserin, lieber Leser, ein Schlaganfall ist eine unheimliche Krankheit. Manchmal kündigt er sich ganz harmlos an, und oft werden diese nur Minuten anhaltenden Symptome gar nicht wahr- oder ernstgenommen. Der Begriff „Hirninfarkt“ beschreibt anschaulicher, was sich dabei im Gehirn abspielt: das Gleiche wie beim Herzinfarkt. Durch den Verschluss eines Hirngefäßes wird ein bestimmter Bereich des Gehirns nicht mehr mit Blut versorgt. Es kann aber auch passieren, dass ein Gefäß im Gehirn reißt und eine Blutung verursacht. Und so ein Betriebsunfall im Gehirn ist eine Riesenkatastrophe. Meist trifft uns ein Schlaganfall wie der Blitz aus heiterem Himmel – plötzlich und unverhofft. Jedes Jahr erleiden fast 200 000 Bürger in Deutschland dieses Schicksal. Rettungswesen und Kliniken sind heute besser denn je darauf eingerichtet, in einem solchen Notfall umgehend zu helfen und das Schlimmste zu verhindern, also buchstäblich Gehirn zu retten. Manchmal funktioniert das; der Schlaganfall kann aber auch mit einer schweren lebenslangen Behinderung oder mit dem Tod enden. Trotz seines meist plötzlichen Auftretens ist ein Schlaganfall kein unabwendbares Schicksal. Sicherlich gibt es genetische Faktoren, die den einen oder anderen von uns dafür prädestinieren, einen Schlaganfall zu erleiden. Auch höheres oder hohes Lebensalter ist gewiss ein Risikofaktor. Doch der Schlag trifft auch junge Menschen. Und viele Schlaganfälle wären vermeidbar. Die Voraussetzungen für diese Krankheit entstehen im Laufe vieler Jahre. Leider tragen wir oft selbst dazu bei, ein Schlaganfallkandidat zu werden: Hoher Blutdruck, ungünstige Cholesterinwerte, Übergewicht und Diabetes bringen unser Gehirn in Gefahr. Dagegen kann man etwas tun. Zum Beispiel die altbekannten Risikofaktoren meiden: Rauchen, hoher Alkoholkonsum, falsche Ernährung, Übergewicht, Bewegungsarmut. Von der Zigarette kann man, wenn man bereit dazu ist, loskommen. Das ist nicht immer einfach, aber es gibt mittlerweile vielfältige Unterstützungsangebote. Ähnlich ist es bei Alkoholkonsum. Selbst eine ausgewogene, vernünftige Ernährung ist kein Hexenwerk und erfordert nur etwas Umdenken. Ohne Fastfood und fettes Essen auszukommen, ist kein Verzicht. Gesundes Essen – liebevoll zubereitet – schmeckt lecker. Auch Bewegung ist wichtig. Nur mit dem Auto fahren, den Lift benutzen und vor dem Fernsehgerät hocken – dies sind Gewohnheiten, die sich ändern lassen. Bewegung macht Freude, schenkt uns ein ganz neues Lebensgefühl. Versuchen Sie es! Werden Sie ein klein wenig nachdenklicher. Und nicht zu vergessen: Genießen Sie das Leben und versuchen Sie vermeidbaren Stress abzubauen! Ihr Markus Grübel Markus Grübel, MdB Wahlkreisbüro Esslingen markus.gruebel@wk.bundestag.de

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time is brain

Ein Schlaganfall ist ein Notfall Der Schlaganfall ist in Deutschland nach Herzinfarkt und Krebs die dritthäufigste Todesursache im Erwachsenenalter. Das allgemeine Wissen um diese Krankheit ist trotz aller Aufklärung in der Öffentlichkeit nicht allzu weit verbreitet. Viele Menschen, die einen Schlaganfall erleiden, kommen immer noch zu spät ins Krankenhaus. Wir sprachen mit Prof. Alfred Lindner, dem Ärztlichen Direktor der Klinik für Neurologie am Stuttgarter Marienhospital. Das Gehirn ist ein besonders empfindliches Organ. Wenn im Gehirn einmal Areale infolge ausbleibender Blutversorgung abgestorben sind, lässt sich nichts mehr daran reparieren? Prof. Lindner: Es bleibt in der Tat wenig Zeit. Nicht umsonst heißt es: „time is brain“. Je schneller die Diagnose steht und je schneller die Versorgung auf der Schlaganfallstation, der „Stroke-Unit“, erfolgt, desto günstiger fällt die Prognose aus. Welche Arten von Schlaganfällen gibt es? Prof. Lindner: Unter dem Begriff Schlaganfall ordnen wir einmal Durchblutungsstörungen des Gehirns ein, aber auch Gehirnblutungen. Durchblutungsstörungen des Gehirns infolge eines mit Blutgerinnseln verschlossenen Gefäßes kommen am häufigsten vor. Diese machen etwa 85 % aller Schlaganfälle aus. Der Rest geht auf das Konto von Gehirnblutungen, Subarachnoidalblutungen oder von Gehirnmassenblutung.

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Kennt man nicht auch das Phänomen mehrerer unerkannter Schlaganfälle, die dann zu vaskulären kognitiven Einschränkungen führen, also zu demenziellen Erkrankungen? Prof. Lindner: Sie sprechen die vaskuläre Enzephalopathie an, z. B. die Erkrankung der Haarkranzgefäße, die man in der Tat nur durch Einschränkung der Kognition, manchmal Auffälligkeiten im Verhalten erkennt, die aber nicht wie die „großen“ Schlaganfälle zu einer Halbseitenlähmung führen müssen oder zu Lähmungen oder anderen neurologischen Ausfällen. Wir kennen z. B. die zerebrale Amyloidangiopathie, bei der infolge von Ablagerungen von Beta-Amyloid an den Gefäßwänden die Weite der Blutgefäße vermindert wird und zu winzigen Gefäßaussackungen führt, die brechen und zu Gehirnblutungen führen können. Welche Symptome sollten einen medizinischen Laien an einen Schlaganfall denken lassen?

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Prof. Lindner: An einen Schlaganfall denken sollte man bei akuten neurologischen Ausfallerscheinungen jeglicher Art, denn die Warnsignale können je nach betroffener Hirnregion vielgestaltig sein: Häufig sind Seh- oder Sprachstörungen, z. B. eine verwaschene Sprache bis hin zur Sprechunfähigkeit. Andere typische Symptome sind Gefühlsstörungen oder Lähmungserscheinungen in Armen und/oder Beinen wie beispielsweise Taubheitsgefühl oder Kribbeln. Manchmal hat man auch einfach nur das Gefühl, in einem Arm oder Bein plötzlich weniger Kraft zu haben, oder es treten Gangstörungen auf, d. h. man knickt beispielsweise beim Gehen plötzlich ein, weil man keine Kontrolle mehr über seine Gliedmaßen hat. Oft – aber nicht immer – bestehen solche Symptome nur auf einer Körperseite; es ist also z. B. nur ein Auge oder ein Arm davon betroffen. Prof. Lindner: Auch Gesichtslähmungen können auftreten; dann hängt zum Beispiel ein Mundwinkel herunter oder das Gesicht sieht „schief“ aus. Plötzlich auftretende heftige Kopfschmerzen, starker Schwindel, Verwirrtheit, Bewusstseinseintrübung oder Bewusstlosigkeit sind ebenfalls ernst zu nehmende Alarmsignale. In solchen Fällen heißt es: Nicht erst lange zuwarten, ob es „von selber wieder weggeht“, sondern sofort den Notarzt rufen! Denn bei einem Schlaganfall ist jede Minute kostbar. Je schneller man mit der Behandlung beginnt, umso leichter lässt sich eine Schädigung des Gehirns verhindern oder wenigstens auf ein Minimum begrenzen. Können solche Symptome plötzlich auftreten oder können sie sich im Laufe des Tages entwickeln? Prof. Lindner: Die Symptome können plötzlich auftreten, nicht selten auch beim Aufwachen morgens. Doch sie können sich auch tagsüber, wie aus heiterem Himmel, zeigen. Die Krankheit trifft den Menschen wie ein Schlag. Daher der Name. Welche Risikofaktoren kann man selbst im Laufe der Jahre beeinflussen? Prof. Lindner: Die Risikofaktoren sind die hinlänglich bekannten, auch für Herzerkrankungen, für kardio- oder zerebrovaskuläre Erkrankungen. Beeinflussen kann man eigentlich alle Faktoren. Man

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kann durch eine gesundheitsbewusste Lebensweise, ausgewogene Ernährung und Sport das Übergewicht, die arterielle Hypertonie, den Diabetes, das Cholesterin positiv beeinflussen, man kann aufhören zu rauchen, man kann sich mehr bewegen. All dies sind Dinge, die das Risiko, an einem Schlaganfall oder auch am Herzinfarkt zu erkranken, vermindern. Welche Faktoren lassen sich nicht beeinflussen? Prof. Lindner: Nicht jeder Schlaganfall geht auf eine Durchblutungsstörung zurück. Auch genetische Ursachen können dafür verantwortlich sein. Bekannt sind auch Störungen im Gerinnungssystem, die Schlaganfälle hervorrufen. Zum Glück hat man das in den letzten Jahren besser erkannt. Die Therapie solcher Schlaganfallarten sieht unter Umständen anders aus als beim ischämischen oder blutungsbedingten Schlaganfall. Gehört die Subarachnoidalblutung auch zur Spezies Schlaganfall? Prof. Lindner: Sie gehört schon noch dazu, hat aber nicht selten andere Symptome. Da kommen die Symptome auch plötzlich, schlagartig, mit einem heftigsten, noch nie erlebten Kopfschmerz, manchmal ist der Kopfschmerz auch etwas verschleiert, manchmal gibt es Warnblutungen. Da gilt es auch die Symptome, die nicht immer so lehrbuchmäßig sein müssen, sofort zu erkennen, weil eine solche Blutung aus einem Aneurysma der Hirngefäße auch, wenn sie sehr heftig ist, tödlich sein kann. Man muss rasch die Diagnose finden und rasch eine Therapie, entweder eine operative oder aber auch eine interventionelle, neuroradiologische in die Wege leiten. Eine Subarachnoidalblutung wird nicht selten als Migräneattacke verkannt. Jeder neue, noch nie erlebte Kopfschmerz sollte sofort zum Spezialisten führen. Wie sollte eine optimale Diagnostik und Therapie ablaufen? Prof. Lindner: Die optimale Diagnostik und Therapie wird in den Schlaganfalleinheiten gewährleistet, in Stroke-Units. Das ist aber sicher nicht überall gegeben, wenn man z. B. mal das Land anschaut. Ob da ein Krankenwagen sofort den Weg in eine Stroke

Prof. Dr. med. Alfred Lindner Ärztlicher Direktor Klinik für Neurologie Marienhospital Stuttgart Böheimstraße 37 70199 Stuttgart Tel.: 0711 6489-2481 Fax: 0711 6489-2482 neurologie@ vinzenz.de

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Unit fährt oder ob man doch in einem normalen Krankenhaus landet? Prof. Lindner: In Baden-Württemberg ist es so, dass diese Schlaganfallstationen nahezu flächendeckend vorhanden sind und viele der kleineren Häuser sind auch vernetzt über die Teleradiologie mit größeren Zentren, so dass auch da eine adäquate Therapie möglich ist. Ist diese Teleradiologie schon flächendeckend realisiert? Prof. Lindner: Die Teleradiologie ist noch nicht ganz flächendeckend etabliert, aber nahezu. Und die kleineren Häuser, die diese Spezialstationen anbieten, sind in der Regel mit größeren Zentren vernetzt. Was hat sich seit 1980 in der Diagnostik und der Therapie geändert? Prof. Lindner: Das sind schon Meilensteine in der Therapie. In den 1980er Jahren hat man den Schlaganfall eigentlich nicht so ernst genommen. Die Patienten wurden meist von Internisten behandelt, wir Neurologen haben uns das auch relativ spät zu eigen gemacht. In der Diagnostik hat sich eine Menge verbessert: die differenzierte Schnittbildgebung, etwa die Kernspintomographie, verfeinerte, schnelle, hochauflösende CTs mit Gefäßdarstellung, die Ultraschalldiagnostik der hirnversorgenden Arterien. Und, nicht zu vergessen, der deutliche therapeutische Fortschritt mit der Lyse-Therapie oder auch die Ursachensuche, was man früher gar nicht kannte, die genetischen Ursachen, die vielfältige heterogene Gruppe der Schlaganfälle. Das hat man erst in den letzten Jahren oder Jahrzehnten erforscht. Was erwarten Sie noch von der Forschung? Prof. Lindner: Wenn man die Mechanismen noch besser versteht, wird es wahrscheinlich neue Medikamente geben; das eine oder andere Medikament, das die Thrombozyten beeinflusst, ist schon in der Entwicklung oder kurz vor der Zulassung. Wir haben ganz große Fortschritte gemacht in der interventionellen Therapie, also im Legen von Stents, auch in verengten Gefäßen. Patienten, die mal eine TIA oder einen Schlaganfall hatten, kriegen ja Antikoagulantien. Was halten Sie von den neuen oralen Antikoagulantien? Sie sind teurer, haben auch deutlich geringere Nebenwirkungen und sind nicht so anspruchsvoll in der Einstellung. Prof. Lindner: Genau das sind die Vorteile, diese Mittel sind leichter zu handhaben, leichter einzunehmen. Manche muss man nur einmal am Tag nehmen und eine ständige Kontrolle der Gerinnungswerte ist nicht nötig. Doch diese Medikamente

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sind wie alle neuen Medikamente, kritisich zu sehen, weil uns die jahrzehntelange Erfahrung mit gewissen Nebenwirkungen fehlt, die wir z. B. mit Marcumar haben. Man muss auf gewisse Dinge achten, beim älteren Patienten vor allem auf die Nierenfunktion. Der Aufenthalt auf der Stroke-Unit ist relativ kurz. Wie lange dauert er? Prof. Lindner: Je nach Ausmaß des Schlaganfalls manchmal nur einen Tag, dann 72 Stunden, das sind die Vorgaben. Dann erfolgt die Verlegung auf die Normalstation bzw. Frührehastation, idealerweise im selben Team der Schlaganfallstation, das nennt sich „Comprehensive Stroke-Unit“, wo dasselbe Team, das den Patienten von Anfang an kennt, weiterbehandelt. Das ist aber nicht überall so. Bis die Patienten in die Früh-Reha verlegt werden, vergehen oft viele Tage. Prof. Lindner: Die Früh-Reha ist natürlich ein wichtiger Punkt. Es ist aber leider oft so, dass uns für die vielen Patienten auch Plätze fehlen und wir viel zu lange Wartezeiten haben. Was machen dann die besonders alten Patienten? Prof. Lindner: Dieses Problem ist vorhanden, das darf man auch nicht leugnen. Wir haben bei Patienten, die nicht mehr erwerbstätig sind, das Problem, dass von den Kostenträgern manchmal keine Rehabilitation oder höchstens eine geriatrische Rehabilitation übernommen wird, und die Patienten dann in die Kurzzeitpflege müssen und von dort in ein Pflegeheim. Schlafapnoe und Schlaganfall ist ebenfalls ein wichtiges Thema. Wenn Schlafapnoe-Patienten nicht richtig eingestellt sind, was hat dies für Konsequenzen? Prof. Lindner: Bluthochdruck ist einer der Hauptrisikofaktoren für den Schlaganfall. Eine unbehandelte Schlafapnoe verursacht meistens Bluthochdruck, besonders in der Nacht, wo der Blutdruck abfallen sollte. Wenn ein Patient CPAP-mäßig gut eingestellt ist, ist dann das Risiko für einen Schlaganfall vermindert? Prof. Lindner: Richtig. Da gibt es einige Studien, die das nachweisen und sogar empfehlen, man sollte den Patienten, bei denen man als Ursache für den akuten Schlaganfall eine Schlafapnoe gefunden hat, gleich eine CPAP-Beatmung angedeihen lassen.

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Gut für mehr Bewegung. Gut für den Landkreis. Die Sportförderung – soziales Engagement der Kreissparkasse

Die Kreissparkasse Esslingen-Nürtingen bewegt viele Menschen im Landkreis. Von Aquafitness bis Wasserball, von Badminton bis Zehnkampf. Wir fördern, was Freude macht – durch Sponsoring und Patenschaften für kleine und große Sportvereine, Freizeit- und Spitzensportler. Damit unsere Region auch im Sport ein gutes Stück weiterkommt. Ihre Filiale vor Ort • www.ksk-es.de/engagement • 0711 398-5000

Der „kleine“ Schlaganfall

Die TIA wird oft übersehen

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s gibt nun auch eine Art von Schlaganfall, bei dem die Ausfallerscheinungen nur vorübergehend auftreten und nach ein paar Minuten bis Stunden wieder verschwinden. Im Schwäbischen bezeichnet man dies etwas verniedlichend als „Schlägle“, im medizinischen Fachjargon heißt es „transitorische ischämische Attacke“ (TIA). Solche Mini-Schlaganfälle entstehen dadurch, dass ein kleines Blutgerinnsel ein Gefäß blockiert, sich nach kurzer Zeit aber wieder auflöst oder mit dem Blutstrom weitergeschwemmt wird. Auch in solchen Fällen sollte man sofort den Notarzt verständigen und sich in eine Klinik bringen lassen. Der Grund ist, dass oft kurze Zeit danach ein richtiger Schlaganfall eintritt. Und diesen kann man durch rechtzeitige Behandlung verhindern! Leider werden solche Mini-Schlaganfälle von den Betroffenen gerne bagatellisiert. Es ist jedoch verantwortungslos, einfach zuzuwarten, denn in dieser Phase hat man gute Möglichkeiten, durch eine entsprechende Untersuchung und medikamentöse Behandlung den großen Schlaganfall zu verhindern. Die ersten Tage nach einem solchen Warnschuss sind entschei-

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dend. Man geniert sich vielleicht, wenn man nur für eine halbe Stunde eine Sehstörung hat, ein Schwindelgefühl oder Kopfschmerzen. Es könnte ja auch etwas Harmloses sein, eine Befindlichkeitsstörung. Da wartet mancher lieber, vor allem wenn es am Wochenende passiert, bis Montag und nimmt sich dann vor, zum Hausarzt zu gehen. Dieses Verhalten ist aber falsch. Wenn sich solche Symptome zeigen, muss sofort der Notarzt verständigt werden! Man gehört dann in eine Klinik, die eine spezialisierte Schlaganfallstation vorhält. Doch woher weiß der Laie, ob solche Symptome harmlos oder gefährlich sind? Kribbeln und Taubheitsgefühl in Armen oder Beinen treten auch manchmal auf, wenn man zu lange ein und dieselbe Position eingenommen hat. Und ein Flimmern vor den Augen kann auch durch harmlose vorübergehende Kreislaufprobleme bedingt sein. Wenn solche Symptome zum ersten Mal auftreten, besondere bei älteren Menschen mit Risikofaktoren wie Rauchen, Bluthochdruck, Zuckerkrankheit oder bekannten Gefäßerkrankungen wie arterielle Verschlusskrankheit oder auch nach einem Herzinfarkt, muss man die Symptome grundsätzlich ernst nehmen. Aber auch jüngere Menschen sollten sich lieber ärztlich untersuchen lassen. Dr. Markus Schad, Facharzt für Neurologie, Willi-Bleicher-Str. 3, 73033 Göppingen, www.neurpraxis-goeppingen.de

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Gib dem Schlaganfall keine Chance!

Vorbeugung und Früherkennung Während viele Menschen einen Herzinfarkt dank der Möglichkeiten unserer modernen Medizin recht gut überstehen, ist der Schlaganfall nach wie vor ein Schreckgespenst: Rund ein Drittel aller Betroffenen verstirbt daran; ein weiteres Drittel bleibt dauerhaft behindert, und nur ein Drittel erholt sich weitgehend oder sogar vollständig und kann hinterher wieder ein normales Leben führen. Deshalb ist es wichtig zu wissen, wie man einem Schlaganfall vorbeugen kann, welche Früherkennungsmöglichkeiten es gibt und woher man weiß, ob man ein erhöhtes Risiko für den gefährlichen „Kurzschluss im Gehirn“ hat. Zum Glück gibt es hier tatsächlich gute Möglichkeiten: Schlaganfall ist kein unausweichliches Schicksal, sondern man kann sein Risiko relativ gering halten, wenn man ein paar wichtige Spielregeln beachtet. Wir sprachen mit dem Kirchheimer Kardiologen und Vorsitzenden des Bundesverbands Niedergelassener Kardiologen Dr. med. Norbert Smetak.

Was kann man tun, um einem Schlaganfall vorzubeugen? Dr. Smetak: Hundertprozentig sichere Vorbeugungsmaßnahmen gibt es nicht. Man kennt aber doch gewisse Risikofaktoren, die sich gut beeinflussen lassen – durch eine vernünftige Lebensweise und, falls das allein nicht ausreicht, auch mit Medikamenten. Diese Risikofaktoren entsprechen zum großen Teil denen des Herzinfarkts; denn die Hauptursache eines Schlaganfalls sind arteriosklerotische Veränderungen an den hirnversorgenden Gefäßen. Diesen kann man vorbeugen, indem man aufs Rauchen verzichtet, auf sein Gewicht achtet und ganz allgemein einen herz-kreislauf-gesunden Lebensstil mit regelmäßiger Bewegung und ausgewogener Ernährung pflegt, die nicht zu reich an tierischen Fetten – Ausnahme: Fisch – ist. Und welche Medikamente gibt es für die Schlaganfallprävention heute? Dr. Smetak: Medikamente sind nur dann sinnvoll, wenn bereits bestimmte Herz-Kreislauf-Risikofaktoren oder Vorerkrankungen vorliegen. Dr. med. Norbert Smetak, Schlaganfallrisikofak1. Bundesvorsitzender des tor Nummer eins ist Bundesverbandes Niedergelassener Kardiologen ein zu hoher BlutFacharzt für Innere Medizin druck. Leider nehmen und Schwerpunkt Kardioviele Menschen diese logie und Angiologie Gefahr nicht ernst geHahnweidstr. 21 73230 Kirchheim nug. Ein BluthochTel.: 07021 861348 druck sollte medikaFax: 07021 861349 mentös gut einge-

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stellt und den Anweisungen des Arztes entsprechend ab und zu kontrolliert werden – entweder mit dem Blutdruckmessgerät zu Hause oder im Rahmen einer 24-Stunden-Blutdruckmessung. Das Gleiche gilt für zu hohe Cholesterinwerte und Triglyzeride: Auch hier reicht eine Umstellung der Ernährung und Lebensweise oft nicht aus, um die Zielwerte zu erreichen. Dann müssen blutfettsenkende Medikamente (z. B. Statine) eingenommen werden. Und auch ein eventuell bestehender Diabetes sollte – falls durch lebensverändernde Maßnahmen nicht adäquat angehbar – mit oralen Antidiabetika oder Insulin adäquat eingestellt werden; denn zu hohe Blutzuckerwerte sind eine der größten Gefahren für unsere Gefäße. Viele Menschen nehmen ihre vom Arzt verschriebenen Medikamente leider nicht regelmäßig ein. Laut Schätzungen des Gesundheitsministeriums landen jedes Jahr allein in Deutschland 4000 Tonnen Arzneimittel im Müll. Dr. Smetak: Ja, das ist ein großes Problem. Gerade Arzneimittel, bei denen eine langfristige, eventuell sogar lebenslange Einnahme erforderlich ist, werden von den Patienten nach einer gewissen Zeit oft weggelassen – vor allem bei Krankheiten, die „nicht wehtun“, wie beispielsweise Bluthochdruck, zu hohen Blutfettwerten oder einem Typ-2-Diabetes im Anfangsstadium. Jeder Patient sollte sich darüber im Klaren sein, dass solche Erkrankungen wiederkehren, wenn man die Medikamente weglässt – und damit steigt natürlich auch das Risiko für einen Herzinfarkt oder Schlaganfall! Deshalb

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sollte die tägliche Einnahme solcher Medikamente genauso selbstverständlich sein wie Zähneputzen. Wer Angst vor Risiken und Nebenwirkungen hat (oder vielleicht tatsächlich unerwünschte Wirkungen spürt), sollte mit seinem Arzt darüber sprechen. Meist lassen sich Nebenwirkungen durch eine Veränderung der Dosis oder den Umstieg auf ein anderes Präparat gut in den Griff bekommen. Gibt es Früherkennungsmöglichkeiten, mit denen man feststellen kann, ob jemand ein erhöhtes Schlaganfallrisiko hat? Dr. Smetak: Ja. Viele Schlaganfälle werden durch arteriosklerotische Verengungen oder Verschlüsse der Halsschlagader (Karotis) verursacht, die das Gehirn mit Blut versorgt. In Deutschland erleiden jährlich rund 30 000 Menschen einen solchen Schlaganfall. Diesen Risikofaktor kann man durch eine Ultraschalluntersuchung der Karotis leicht erkennen: Im Ultraschallbild sieht man, ob die Halsschlagader durch Ablagerungen verengt ist und wie dick diese sind. Wer sollte seine Halsschlagader schallen lassen? Dr. Smetak: Eine alljährliche Ultraschalluntersuchung empfiehlt sich bei Menschen mit erhöhtem Herz-Kreislauf-Risiko, also z. B. wenn jemand bereits an einer koronaren Herzkrankheit oder Verengungen in den Beinarterien leidet, Diabetiker ist oder raucht. Bei Menschen, die weder Risikofaktoren noch Beschwerden haben, werden die Kosten für eine solche Untersuchung leider nicht von den Krankenkassen übernommen. Wer genau über den Zustand seiner Karotis Bescheid wissen möchte, muss den Ultraschall aus eigener Tasche bezahlen; diese Untersuchung ist jedoch nicht allzu teuer und gibt ein Gefühl der Sicherheit – denn gerade in höherem Alter nehmen Ablagerungen in den Arterien natürlich zu. Schlaganfälle entstehen nicht nur durch verstopfte Blutgefäße, sondern können auch durch eine Hirnblutung ausgelöst werden. Welche Rolle spielen Kopfverletzungen dabei? Man hört ja immer wieder mal, dass jemand gestürzt ist oder sich den Kopf angeschlagen hat, zunächst keine Beschwerden verspürte und dann nach Tagen plötzlich neurologische Ausfallerscheinungen entwickelte. Was soll man in so einem Fall tun: Sollte man sich nach einem Schlag oder Sturz auf den Kopf sicherheitshalber immer ärztlich untersuchen lassen, auch wenn man keine Beschwerden hat und äußerlich keine Verletzung zu erkennen ist? Oder wartet man erst einmal ab? Dr. Smetak: Gehirnblutungen können lebensbedrohlich sein oder zu schwersten Gehirnschädigungen und Behinderungen führen; denn durch die Blutansammlung kommt es zu einem

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starken Druckanstieg im Schädel, der die Gehirnzellen schädigt. Da die Einblutung ins Gehirn oft langsam erfolgt, treten Ausfallerscheinungen manchmal erst Stunden oder Tage nach dem Ereignis auf. Nach einem Sturz von einer Treppe oder Leiter oder beim Sport, aber auch nach einem schweren Schlag auf den Kopf, besteht grundsätzlich immer die Gefahr einer Gehirnblutung. Besonders hoch ist dieses Risiko bei Menschen, die blutverdünnende Medikamente einnehmen. Deshalb sollte man in solch einem Fall stets vom Facharzt abklären lassen, ob eine Gehirnblutung vorliegt. Spätestens beim Auftreten verdächtiger Symptome (Konzentrationsstörungen, Verwirrtheit, Wesensveränderungen, starken Kopfschmerzen, Druckgefühl im Kopf) muss man sofort ins Krankenhaus! Auch hier gilt: Bei verdächtigen Symptomen lieber einmal zu viel als einmal zu wenig den Arzt aufsuchen. Manche Gehirnblutungen können mit konservativen Maßnahmen behandelt werden; in anderen Fällen ist eine Operation notwendig.

Erhöhtes Schlaganfallrisiko bei Vorhofflimmern und künstlicher Herzklappe Leider gibt es auch Herzerkrankungen, die das Schlaganfallrisiko erhöhen. Zum Beispiel eine Herzrhythmusstörung namens Vorhofflimmern, bei der sich der Blutfluss in den Herzvorhöfen verlangsamt, sodass besonders leicht Blutgerinnsel entstehen. Diese können mit dem Blutstrom ins Gehirn geschwemmt werden und dort einen Schlaganfall verursachen. Immerhin gehen allein in Deutschland rund 40 000 Schlaganfälle pro Jahr auf das Konto von Vorhofflimmern. In Deutschland leidet knapp eine Million Menschen unter dieser Rhythmusstörung. Mit zunehmendem Alter wird sie häufiger. Viele dieser Patienten müssen regelmäßig jeden Tag ein blutgerinnungshemmendes Medikament einnehmen, um einem Schlaganfall vorzubeugen. Das gilt auch für Menschen mit künstlichen Herzklappen; denn leider empfindet der Organismus das Klappenmaterial als Fremdkörper und reagiert darauf mit einer erhöhten Blutgerinnungsneigung. So können sich – ähnlich wie beim Vorhofflimmern – Gerinnsel bilden und mit dem Blutstrom ins Gehirn wandern, wenn man nicht mit einem gerinnungshemmenden Mittel vorbeugt.

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Die Schlaganfallkonzeption des Landes Baden-Württemberg Schlaganfälle sind die dritthäufigste Todesursache und die führende Ursache dauernder Invalidität. Entscheidend für einen Behandlungserfolg sind schnelle Einlieferung in ein geeignetes Krankenhaus, differenzierte Diagnostik und umgehender Behandlungsbeginn sowie frühzeitig einsetzende Rehabilitation. Das Land Baden-Württemberg nimmt in diesem Zusammenhang eine konzeptionelle Vorreiterrolle ein. Zusammen mit den 9 Stroke-Units verfügt Baden-Württemberg über 48 Schlaganfalleinheiten. Damit kann gewährleistet werden, dass jeder Schlaganfallpatient möglichst wohnortnah eine optimale medizinische Versorgung erhält.

Das Planungskonzept sieht drei Versorgungsebenen vor:

nach dem neueste medizinischen Stand und zur Organisation einer Versorgungskette für jeweils mehrere

Schlaganfallzentrum (Überre-

Land- und Stadtkreise einer Pla-

Mehr Infos auf:

gionale Stroke-Unit) zur Sicherstel-

nungsregion des Landes oder für gro-

www.kompass-gesundheit-bw.de

lung der Akutversorgung nach dem

ße Stadt- und Landkreise ab 400 000

neuesten medizinischen Stand und

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zur Organisation einer lückenlosen Lokale Schlaganfallstation zur Si-

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Wichtige Adressen rund um das Thema Schlaganfall und die Karte mit Stroke-Units in Baden-Württemberg finden Sie auf der Homepage von „Kompass Gesundheit“. Scannen Sie dazu diesen QR-Code.

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Zwei Konkurrenten finden zueinander

Gesundheit beginnt im Kopf

Klinik am Eichert und Christophsbad bilden Schlaganfall-Zentrum

Die Kolumne von Dr. Suso Lederle

Im Landkreis Göppingen gibt es die große Klinik am Eichert als Haus der Maximalversorgung und das Spezilaklinikum Christophsbad für Neurologie und Psychiatrie. Beide Kliniken besitzen eine StrokeUnit, die Klinik am Eichert gilt nach den Kriterien der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft als lokale Stroke-Unit, das Christophsbad als regionale Stroke-Unit. Was bislang ein Konkurrenzverhältnis war, soll mit dem am 17. April geschlossenen Kooperationsvertrag eine Verbesserung der Schlaganfallpatienten in dieser Region bringen. Die Klinik am Eichert stellt intensivmedizinische und kardiologische Kompetenz bereit, das Christophsbad neurologische Kompetenz. Der Notarzt entscheidet künftig nach medizinischen Kriterien, welcher Patient in die eine oder andere Klinik kommt. Dabei steht der Neuroradiologe des Christophsbads Prof. Tomandl rund um die Uhr den Patienten am Eichert zur Verfügung. Dass es zu dieser Zusammenarbeit kam, war – so lässt sich ahnen – nicht leicht. Das Ganze ist jedoch ein exzellentes Beispiel dafür, wie ehemalige Konkurrenten zu Gunsten der Patienten (und der Finanzen!) zusammenfinden.

SCHLAGANFALL – EIN NOTFALL

FAST-Schnelltest Erkennen Sie die Schlaganfall-Symptome !

Face

(Gesicht): Bitten Sie den Betroffenen um ein Lächeln. Das Gesicht wird bei einer Lähmung einseitig verzogen.

Arms (Arme): Bitten Sie den Betroffenen, die Arme nach vorne zu heben. Die Handflächen nach oben. Bei einer Lähmung können die Arme nicht gehoben werden. Sie sinken wieder oder drehen sich.

Speech

E

s geht um die 20 Milliarden Nervenzellen im Gehirn, es geht um eine Krankheit, die sich alle drei Minuten in Deutschland ereignet und an der alle neun Minuten ein Patient stirbt. Die Rede ist von dem Schlaganfall, hierzulande auch „Schlägle“ genannt, was soviel bedeutet wie „vom Schlag gerührt sein“. Man könnte auch sagen, es ereignet sich ein „Kurzschluss im Gehirn“, wenn plötzlich eine Lähmung eintritt, oder die Sprache gestört ist oder das Bewusstsein getrübt. Diese Erkrankung tut nicht weh – und doch ist sie ein Riss im Leben, ein Schicksalsschlag für die betroffenen Menschen. Leider sind warnende Symptome wie Sprach- oder Sehstörungen oft nur flüchtig und die all zu bekannten Risikofaktoren werden zu wenig beachtet. Einer der vielen Schlaganfall – Patienten war Louis Pasteur, der Mikrobiologe aus dem 19. Jahrhundert. Von ihm stammt der Satz: „Wenn ich über diese Krankheit nachdenke, suche ich nicht zuerst nach einer Möglichkeit zur Heilung, sondern nach einer Möglichkeit zur Verhütung“. Wie recht hatte er. Denn Vorbeugung ist bei Schlaganfall besonders gefragt: Hoher Blutdruck, Diabetes und erhöhte Blutfette müssen wirksam behandelt werden. Hier kann die Medizin wirksam helfen. Doch dann muss auch noch jeder selbst das Rauchen aufgeben, muss abnehmen und muss sich mehr bewegen. Doch wenn ein Schlaganfall eingetreten ist, ist dies erst einmal ein Notfall und es muss rasch und effizient am besten in der „Stroke-Unit“ eines Krankenhauses behandelt werden. „Time is brain“, betonen Neurologen immer wieder. Denn in den ersten drei Stunden kann Hirngewebe noch gerettet werden, danach sind die Zellen irreversibel geschädigt. Und dann beginnt die lange Zeit der Rehabilitation. Mit viel Geduld und Motivation kann ein Weg zurück ins Leben und meist auch in die Selbständigkeit gefunden werden. Ärzte, Krankengymnasten, Ergotherapeuten und die Patienten, sie alle müssen gemeinsam dafür etwas tun, aber es lohnt sich! Dr. med. Suso Lederle Charlottenstrasse 4 70182 Stuttgart Tel.: 0711 241774 E-Mail: suso-lederle@t-online.de

(Sprache): Der Betroffene soll einen Satz nachsprechen. Ist seine Sprache verwaschen, handelt es sich um eine Lähmung.

Time

(Zeit): Liegt mindestens ein Anzeigen vor, wählen Sie den Notruf 112 und fordern Sie medizinische Hilfe an.

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Manchmal hilft nur eine Operation

Wenn die Halsschlagader verengt ist Dr. Klaus Klemm M.Sc. Nach einem vorübergehenden Schlaganfall – bei uns oft liebevoll-verharmlosend als „Schlägle“ bezeichnet – muss etwas getan werden, um das Risiko eines weiteren Schlaganfalls zu verringern. Denn es kann jederzeit ein Blutgerinnsel entstehen, das ins Gehirn geschwemmt wird und dort eine Katastrophe auslöst. Manchmal reicht die Gabe blutverdünnender Medikamente aus, um dieses Risiko zu senken. Bei einer starken Verengung der Halsschlagadern kann man das Risiko, dass sich aus der verengten Arterie Partikel lösen und ins Gehirn gelangen, durch einen operativen Eingriff oder eine Katheterintervention vermindern.

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ine verengte oder sogar verschlossene Halsarterie muss nicht unbedingt einen Schlaganfall verursachen. Das Gehirn ist ein wichtiges Organ; deshalb sorgt der Organismus dafür, dass es mehrfach mit Blut versorgt wird. Der Ausfall einer Halsschlagader muss also noch keine Katastrophe bedeuten, denn wir besitzen auf jeder Seite des Halses jeweils eine solche Arterie, dazu noch zwei Wirbelarterien. Selbst der komplette Verschluss einer Halsarterie kann folgenlos verlaufen. Dennoch ist eine Verengung oder gar ein Verschluss einer Halsschlagader ein hohes Risiko für einen Schlaganfall, vor allem, wenn er bereits zu Symptomen (beispielsweise zu vorübergehenden neurologischen Ausfallerscheinungen) geführt hat. Ist der innere Durchmesser der Halsschlagader durch arteriosklerotische Ablagerungen um mehr als 70 % eingeengt, steigt das Risiko für einen Schlaganfall. Wenn es infolge von Verengungen in der Halsschlagader zu Verwirbelungen des Blutstroms kommt, können sich an diesen Engstellen Blutgerinnsel anlagern. Diese Gerinnsel können sich lösen und in das Gehirn abgeschwemmt werden. Dort können sie eine Gehirnarterie verschließen und lösen damit einen Schlaganfall aus. Arteriosklerotische Plaques (dies sind Einlagerungen von Cholesterin, Fettsäuren und Kalk) bilden sich häufig an Aufzweigungsstellen von Gefäßen, wie es sie auch in der Halsschlagader gibt. Solche Plaques können aufbrechen, Teile davon ins

Dr. med. Klaus Klemm M.Sc. Ärztlicher Direktor Klinik für Gefäßchirurgie, vaskuläre und endovaskuläre Chirurgie Marienhospital Stuttgart Böheimstraße 37 70199 Stuttgart Tel.: 0711 6489-8341 Fax: 0711 6489-8342 gefaesschirurgie@vinzenz.de

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Gehirn geschwemmt werden, Gehirngefäße verschließen und so ebenfalls zu einer Mangeldurchblutung eines bestimmten Hirnareals führen.

Verengungen der Halsschlagader operativ behandeln? 20 bis 30 % aller Schlaganfälle werden durch eine Engstelle der Halsschlagader hervorgerufen. Die Therapie der Wahl ist die Entfernung dieser Engstelle, wenn diese 70 % oder mehr beträgt. Zeigt der Patient allerdings schon Symptome (vorübergehende oder dauerhafte neurologische Ausfälle), dann sollte er auch schon bei einem Verengungsgrad von 50 % operiert werden. Rauchen, hoher Blutdruck oder hohe Blutfettwerte, aber auch Veranlagung sind Risikofaktoren für die Entwicklung von Gefäßverkalkungen (Arteriosklerose) und daraus entstehenden Engstellen. Patienten, die an Verengungen der Beinarterien – einer so genannten peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (PAVK) – oder einer koronaren Herzerkrankung (KHK) leiden, sollten routinemäßig ihre Halsschlagader untersuchen lassen. Arteriosklerotische Ablagerungen setzen sich nämlich nicht nur in den Herzkranzgefäßen und Beinschlagadern, sondern oft auch in der Halsschlagader ab.

Diagnostik und Operation Um das Ausmaß der Verengung festzustellen, wird grundsätzlich erst einmal eine Ultraschalluntersuchung durchgeführt. Dazu benötigt man weder Kontrastmittel noch Röntgenstrahlen. So kann man für den Patienten völlig risikolos und nebenwirkungsfrei den Grad der Gefäßverengung und die Geschwindigkeit messen, mit der das Blut die Engstelle passiert. Um die Diagnose vor einem chirurgischen Eingriff abzusichern, kann der Arzt noch auf weitere Untersuchungsverfahren zurückgreifen, beispielsweise auf die Magnetresonanzangiografie oder die CT-Angiografie. Bei beiden Verfahren müssen Kontrastmittel gegeben werden. Um eine verengte Halsschlagader wieder zu eröffnen, ist die

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offene Operation (also die chirurgische Entfernung des Plaquematerials aus dem Halsgefäß) bisher immer noch die anerkannteste Behandlungsmethode und gilt als goldener Standard. Da die Operation aber selbst ein geringes Risiko für einen Schlaganfall birgt, sollte man einen solchen Eingriff nur in einem Zentrum durchführen lassen, das hierauf spezialisiert ist und große Erfahrung damit hat. Es muss immer das Risiko, durch die Gefäßveränderungen einen Schlaganfall zu bekommen, sorgfältig gegen das Operationsrisiko abgewogen werden.

Der Operationsverlauf Der Eingriff kann sowohl in Vollnarkose als auch in örtlicher Betäubung (Lokalanästhesie) erfolgen. Letzteres ist günstiger, denn dann ist der Patient während des Eingriffs ansprechbar. Der Gefäßchirurg kann also jederzeit feststellen, wie sich der Patient fühlt und ob bei dem Eingriff womöglich ein neurologisches Problem auftritt. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass viele Patienten eine örtliche Betäubung der Vollnarkose vorziehen und dies im Nachhinein auch nicht bereuen. Der Eingriff wird mit einem Schnitt seitlich am Hals begonnen. Dann werden die Halsschlagader und ihre beiden Seitenabgänge freigelegt. Als Nächstes bekommt der Patient ein Mittel zur Blutverdünnung (Heparin) gespritzt, damit während des Eingriffs kein Blutgerinnsel entstehen kann. Danach wird die Ader geöffnet und, bei Bedarf, ein Shunt (eine Art Kurzschlussverbindung zwischen den beiden Ader-Enden) eingelegt, der den Blutfluss um die Reparaturstelle sicherstellt und das Gehirn weiter mit Blut versorgt. Nun werden die Gefäßablagerungen, also die arteriosklerotischen Plaques, von der inneren Schicht der Gefäßwand entfernt. Diesen Vorgang bezeichnet man in der Fachsprache als Thrombendarteriektomie. Auf die Gefäßwand wird anschließend eine Art Flicken (Patch) aufgenäht. Bevor die Arterie wieder zusammengenäht wird, entfernt man den Shunt. Am Schluss wird anhand einer Röntgenaufnahme mit Kontrastmittel überprüft, ob das Gefäß offen ist. Wäre dies nicht der Fall, ließe sich das Problem sofort beheben. Der ganze Eingriff dauert etwa eineinhalb Stunden. Nach vier Tagen kann der Patient wieder nach Hause gehen.

Die Alternative zur Operation Begonnen hat die interventionelle Beseitigung von Engstellen der Halsschlagader (Karotis) 1980. Die interventionelle Methode wird meist von Radiologen, Kardiologen oder Gefäßchirurgen durchgeführt. Die Halsschlagader muss nicht über einen Schnitt freigelegt werden. Ähnlich wie bei der Behandlung des Herzinfarkts wird unter örtlicher Betäubung der Leistengegend durch die Oberschenkelarterie ein dünner Katheter bis zur Halsschlagader vorgeschoben. Durch Kontrastmittel wird das

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Mit der Ultraschalluntersuchung wird die Geschwindigkeit des Blutes in der Engstelle gemessen. Beträgt die Geschwindigkeit mehr als 300 cm/s entspricht dies einer Einengung von 70–80 %. Hier im Beispiel mißt man 434 cm/s, was einer über 90 % igen Engstelle in der Halsschlagader entspricht. Die verschiedenen Farben hinter der Engstelle zeigen an, dass das Blut stark verwirbelt wird. Dort können sich leicht Blutgerinnsel bilden, welche sich lösen und einen Schlaganfall auslösen können.

Gefäß auf dem Röntgenmonitor dargestellt und die Verengung genau vermessen. Erst jetzt kann man sagen, ob die Verengung so groß ist, dass überhaupt etwas unternommen werden muss. Die Kriterien, ab welchem Verengungsgrad eingegriffen werden muss, sind dieselben wie bei der offenen Operation. Medikamentös wird nun das Blut mit Heparin verdünnt und ein dünner Draht zuerst durch den Katheter und dann durch die Verengung in der Halsschlagader vorgeschoben. Am Ende der Verengung wird oft ein Schutzschirmchen entfaltet, das Plaqueteilchen auffängt, die bei diesem Eingriff womöglich abgesprengt und mit dem Blutstrom in die feinen Hirngefäße verschleppt werden könnten. Erst jetzt wird der noch zusammengefaltete Stent – ein röhrenförmiges Implantat aus einer NickelTitan-Legierung – mithilfe eines aufblasbaren Ballons an der Engstelle der Gefäßwand angebracht. Dabei wird das Plaquematerial vom Stent in die Gefäßwand gedrückt. So verhindert man, dass sich aus dem Plaquematerial Teile lösen und ins Gehirn geschwemmt werden können. Anschließend wird das Kathetersystem herausgezogen und die Punktionsstelle vernäht. Dieser Eingriff verläuft ohne Schnitt am Hals, sondern über eine Punktion der Arterie in der Leiste, ist aber bezüglich der Schlaganfallgefahr während des Eingriffes doppelt so risikobehaftet wie die offene Operation, da es auch bei der Katheterintervention zur Abschwemmung kleiner Blutgerinnsel ins Gehirn, also zu einem Schlaganfall kommen kann. Allerdings gibt es zur Zeit noch keine verlässlichen Studienergebnisse, die eine Gleichwertigkeit der beiden Verfahren zeigen würden. Solange bleibt die Operation die Standardbehandlung, während Stents nur in Ausnahmefällen eingesetzt werden.

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Akutbehandlung des Schlaganfalls

Die Stroke-Unit

Dr. Uwe Mauz

Beim Verdacht auf einen Schlaganfall muss der Patient so rasch wie möglich ins Krankenhaus. Das Gehirn braucht viel Energie. Wenn es plötzlich nicht mehr ausreichend Sauerstoff und Zucker über die Blutversorgung erhält, nimmt es schnell Schaden, der nicht mehr zu beheben ist. Klinik ist Klinik, mag mancher denken, doch dies trifft in diesem Fall nicht zu. Schlaganfallpatienten gehören grundsätzlich auf eine Spezialstation, die Stroke-Unit.

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m Grunde müsste jedes Krankenhaus in der Lage sein, einen Patienten mit Verdacht auf einen Schlaganfall zu behandeln. Jedes Krankenhaus hat eine Notaufnahme und eine Intensivstation mit allen technischen Mitteln, um lebensbedrohlich Erkrankten zu helfen. Beim Schlaganfall verhält sich dies aber anders. Wenn ein Behandlungsteam nur ein paar Mal im Monat Patienten mit Schlaganfall zu betreuen hat, fehlt die Routine des Teams, das dies ausschließlich Tag für Tag macht. Und große Routine bedeutet, dass Zeit gespart wird. Der Patient kann beispielsweise nicht auf die Untersuchung im Computertomografen warten, weil dieser gerade von anderen Patienten belegt ist. Selbst bei einer perfekt durchgeführten Betreuung versterben im ersten Jahr nach dem Ereignis 40 % der Betroffenen, zwei Drittel der Überlebenden sind später von Hilfe abhängig und gut 15 % müssen sogar ins Pflegeheim. Zuerst einmal geht es um eine blitzschnelle Diagnose, die für die Behandlung von elementarer Bedeutung ist. Ein Schlaganfall, der durch die Blockierung eines Gefäßes entstanden ist, muss anders therapiert werden als eine Blutung im Gehirn, weil dort ein Gefäß eingerissen oder geplatzt ist. Bei der Diagnose geht es um Minuten. Ein Blutgerinnsel kann bis zu viereinhalb Stunden nach Auftreten des Schlaganfalls mit einem blutverdünnenden MeDr. med. Uwe Mauz dikament, das in die Chefarzt der Klinik für Blutbahn gespritzt Neurologie Kreiskliniken Esslingen wird, der so genannten gGmbH Lyse, aufgelöst werden. Charlottenstr. 10 Dazu müssen die Ärzte 73230 Kirchheim u. Teck aber wissen, ob der Tel.: 07021-88-47481 neurologie@kk-es.de Schlaganfall tatsächlich durch einen Thrombus verursacht worden ist.

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Dies lässt sich nur mit einem Computer- oder Kernspintomogramm feststellen. Würde man einfach auf Verdacht die Lyse starten und läge in Wirklichkeit eine Blutung im Gehirn vor, so würde man diese nur noch verstärken und den Patienten in eine lebensgefährliche Situation bringen.

Eine hochspezialisierte Einheit Eine Spezialstation für Schlaganfallpatienten, kurz als Stroke-Unit bezeichnet, ist eine hochspezialisierte Einheit mit einer speziellen apparativen Ausstattung und – noch entscheidender – mit einem Team, das perfekt zusammenarbeitet und sekundenschnelles Handeln gewohnt ist. Wie auf einer üblichen Intensivstation werden die Vitalparameter auf Monitoren überwacht, also Blutdruck, Puls, Herztätigkeit, Sauerstoffsättigung des Blutes, Körpertemperatur, Blutzuckerspiegel und Atmung. Verändern sich die Werte, muss sofort gegengesteuert werden. Ein zu hoher Blutdruck wird behutsam gesenkt. Umgekehrt wird ein abgefallener Blutdruck erhöht. Die Körpertemperatur darf nicht den Normwert überschreiten, weil sie das in Not geratene Gehirn sonst mit einer Stoffwechselerhöhung zusätzlich belasten würde. Alles läuft nach einem streng geregelten Programm ab. Jeder Handgriff des Teams muss sitzen. Dafür gibt es einen Ablaufplan, der streng eingehalten wird. Die Stroke-Unit muss 24 Stunden bereit sein und dies an sieben Tagen in der Woche. Das Personal ist in der Lage, sofort ein CT oder zusätzlich ein Kernspintomogramm anzufertigen, ebenso eine Angiografie, also die Gefäßdarstellung mit Hilfe eines Kontrastmittels. Schlaganfalldiagnostik und -behandlung ist eine interdisziplinäre Aufgabe, das heißt, dass Ärzte verschiedener Fachrichtungen dabei mitwirken. An erster Stelle wird der Neurologe gebraucht, der

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Fachmediziner für Nerven und Gehirn. Ihm stehen noch die Vertreter anderer Disziplinen zur Seite, ein Internist, ein Radiologe, ein Neuroradiologe, ein Gefäßchirurg und ein Neurochirurg. Die drei letzteren müssen nicht unbedingt im selben Klinikum arbeiten. Es reicht, wenn eine Kooperation mit einem anderen Krankenhaus besteht, in das der Patient zur weiteren Spezialbehandlung verlegt werden kann. Es muss jedoch gewährleistet sein, dass zu jeder Zeit und umgehend ein CT oder ein MRT angefertigt werden kann. Möglicherweise muss auch ein Kardiologe hinzugezogen werden, wenn der Schlaganfall mit einer Herzkrankheit zusammenhängt, die behandlungsbedürftig ist. Die Patienten liegen nur sehr kurz auf der Stroke-Unit, in der Regel zwischen 24 und 72 Stunden. Zur Basistherapie gehört auch die Frührehabilitation. Der Patient darf nicht einfach im Bett liegen bleiben, er muss sofort mit Hilfe der Logopäden Ergo- und Physiotherapeuten beginnen, die durch den Schaden im Gehirn entstandenen Defizite, also Bewegungs- und Spracheinschränkungen, auszugleichen. Das Gehirn ist lernfähig und vermag Aktivitäten, die bislang von einem bestimmten Bereich gesteuert wurden, auf einen anderen ersatzweise zu verlagern. Dazu ist es aber notwendig, dass nach der kurzen Akutbetreuung sofort das Training beginnt, um verlorene Kompetenzen wieder zu erlangen, d. h. neu zu erlernen.

Günstigere Prognose auf der Stroke-Unit Viele Studien belegen, dass Patienten, die auf einer Stroke-Unit betreut werden, eine deutlich bessere Prognose haben als Patienten, die auf einer normalen Intensivstation behandelt werden. Das fängt bereits mit der Diagnose an. Ein Beispiel: Ein älterer Mensch, der eine Sprachstörung (Aphasie) hat, wirkt verwirrt. Da denkt man unter Umständen an Alzheimer, behandelt den Patienten dementsprechend und kann dabei übersehen, dass seine Sprachstörung in Wirklichkeit auf einen Schlaganfall zurückgeht. Einen klassischen Schlaganfall mit Halbseitenlähmung, vielleicht kombiniert mit einer Sprachstörung, das ist nicht schwierig zu diagnostizieren. Doch es gibt durchaus manche Symptome, die den neurologisch unerfahrenen Arzt nicht unbedingt an einen Schlaganfall denken lassen.

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Leserbrief Zum Artikel „Ökonomisierung in der Medizin“ von Dr. Graneis „Kompass Gesundheit 1/2013“ Dr. Graneis spricht von einer Kostenexplosion im Gesundheitswesen, die sich bei genauem Hinsehen als eigentlich gering zeigt. Die angegebenen Zahlen (Anteil Gesundheitskosten am Bruttosozialprodukt BIP) fand ich wirklich erstaunlich. Sie haben mein Interesse geweckt, sodass ich nachrecherchiert habe. Bei der Gesundheitsberichterstattung des Bundes bin ich fündig geworden und siehe da, die Zahlen stimmen. Aber Vorsicht – Statistiken sind ein gefährliches Terrain – je nachdem, welche Zahlen zueinander in Bezug gesetzt werden, ergeben sich völlig unterschiedliche Ergebnisse und Eindrücke. Die Gesundheitsausgaben/Kopf im Jahr 2000 betrugen 2 590 Euro, 2010 waren es 3 510 Euro (Quelle: Gesundheitsberichterstattung des Bundes). Das ist eine Steigerung um 35,5 % über diese Zeit und so sieht die „Übertreibung“ schon anders aus. Und damit diese Steigerung einigermaßen eingeordnet werden kann, hier noch ein paar Zahlen: Das statistisch verfügbare Einkommen je Arbeitnehmer stieg im gleichen Zeitraum um 17,5 % und das gerne genommene BIP um 21,9 %. So erscheinen die 35,5 % noch mal in einem anderen Licht. Außerdem erwähnt Dr. Graneis die „Zeiten begrenzter Mittel im Gesundheitssystem“. Gab es also auch einmal „Zeiten nicht begrenzter Mittel“? Ich bin alt genug, um mich an die 70er Jahre zu erinnern. Damals waren diese Kosten an kein Sparprogramm gefesselt. Im Gegenteil – uns allen wurden regelmäßig Wahlkampf-Geschenke im Sozialbereich gemacht und keiner hatte etwas dagegen. Ich erinnere mich aber auch daran, dass ein abgegebener Krankenschein von manchen Ärzten wie ein Blankoscheck behandelt wurde. Oder Liegetage im Krankenhaus – da wurde gerne mal statt am Freitag erst am Montag entlassen, obwohl am Wochenende beim eigentlich entlassungsfähigen Patienten kein Arzt und keine Pflegekraft vorbei schaute (außer um die Verpflegung zu bringen). Das Sprichwort „Spare in der Zeit, dann hast du in der Not“ war verpönt. Das haben wir jetzt davon. Aber ich gehe mit Dr. Graneis d’accord, dass die Arbeit von Ärzten und Pflegepersonal zu bürokratisiert ist, dass von ihnen zu viele ökonomische Überlegungen verlangt werden, um Zeit für die erwartete Zuwendung und Menschlichkeit zu haben. Die Verteilung der Ressourcen im Gesundheitssystem ist ins andere Extrem geraten. Hoffen wir, dass die verantwortlichen Politiker eine Synthese finden und verwirklichen, die allen Beteiligten gerecht wird. A. Harb, Esslingen

Sie möchten uns schreiben? MEDITEXT Dr. Antonic Redaktion „Kompass Gesundheit“ Hagäckerstr. 4, 73760 Ostfildern E-Mail: dr.antonic@meditext-online.de Fax: 0711 7656590

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Akutbehandlung ist nicht alles

Gefahr von Schluckstörungen gebannt Die Behandlung eines Schlaganfalls ist im Grunde in maximal drei Tagen abgeschlossen. Das Gefäß ist wieder geöffnet. Das Leben ist vorerst gerettet. Jetzt muss sofort die Rehabilitation beginnen. Der Patient darf nicht einfach ins Bett gelegt werden, denn dann droht zusätzlich die Gefahr, dass er sich infolge häufig auftretender Schluckbeschwerden nach zwei Tagen verschluckt. Er bekommt eine Lungenentzündung und diese ist lebensbedrohlich. Werner Waldmann

Abb. links: Normaler Schluckakt. Das Konstrastmittel bleibt in der Speiseröhre. Abb. rechts: Verschlucken (Aspiration). Teile des Kontrastmittels laufen in die Luftröhe.

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D

ie häufigste Folge eines Schlaganfalls ist eine Störung des Schluckaktes beim Trinken, bei der Nahrungsaufnahme oder beim Schlucken des eigenen Speichels. In der Sprache der Mediziner wird dies Dysphagie genannt. Die Folgen können sehr unangenehm sein: Der Patient wir nur mangelhaft ernährt und er trinkt zu wenig. Gelangen Speisereste oder Flüssigkeit in die Luftröhre, entwickelt sich eine Lungenentzündung. Der Patient kann dabei sogar ersticken. Die Dysphagie ist keinesfalls selten! Von den Schlaganfall-Patienten leiden in der Akutphase rund 50 % unter einer Dysphagie. Um zu verhindern, dass der Speichel in die Luftröhre gelangt und schon dadurch eine Lungenentzündung hervorgerufen wird, sind bereits in den ersten 24 Stunden nach Einlieferung des Patienten eine erste Diagnostik und logopädische Behandlung notwendig. Legt man den Patienten nach der Akutbehandlung nur ins Bett, können Schluckstörungen übersehen

werden. Noch nach zwei Tagen besteht diese Gefahr! Deshalb müssen Logopäden, Krankengymnasten und Ergotherapeuten den Patienten direkt nach der Akuttherapie drei Tage hintereinander behandeln. Um die Schluckfunktion zu untersuchen, führt man eine Videofluoroskopie durch: Dieses Verfahren erlaubt es, den Schluckvorgang mithilfe der Röntgendurchleuchtung exakt zu beobachten. Der Logopäde gibt dem Patienten mit Kontrastmittel angereicherte Nahrung in unterschiedlichen Konsistenzen und Portionen. Die Dokumentation des gesamten Schluckablaufs – Bild für Bild einschließlich des Tons, sodass man selbst das Husten hört – verrät die Schluckprobleme des Patienten. So lässt sich beurteilen, ob Nahrung oder Flüssigkeit beim Schlucken in Luftröhre und Lunge geraten und vor allem worin die Ursachen für die Schluckbeschwerden liegen. Kennt man die Ursache der Schluckstörung,

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etwa eine Kehlkopfverschlussstörung, so kann der Logopäde den Kehlkopf trainieren. Man weiß nun, was der Patient trinken darf und ob die Fließgeschwindigkeit verändert werden muss. In diesem Fall würde man dem Patienten ein dickflüssigeres Getränk reichen, damit er einfach langsamer trinkt. Dank dieser Untersuchung kann der Patient weiter trinken und muss nicht mit einer Magensonde ernährt werden. Mit dieser Therapie soll der Patient wieder befähigt werden, selbständig zu essen und zu trinken. Jeder Patient erhält dabei eine individuelle Behandlung, eine intensive Einzeltherapie, ein auf seinen Fall abgestimmtes Ess- und Schlucktraining und eine eigens angepasste Schluckdiät.

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Zentrum für Schluckstörungen am Klinikum Christophsbad Das Dysphagiezentrum bietet eine umfassende individuelle Diagnostik und Behandlung im stationären und ambulanten Bereich an. Hier arbeiten Therapeuten für Logopädie und Linguistik, Ärzte für Neurologie, Neuroradiologie und Innere Medizin eng zusammen. Damit zählt das Klinikum Christophsbad zu einer der größten Einrichtungen dieser Art in Deutschland. Hier wird eine umfassende Versorgung von Patienten mit Schluckstörungen angeboten, von der Aufnahme in der Neurologischen Akutklinik, über die Rehabilitationsphase in der Klinik für Geriatrische Rehabilitation bis zur ambulanten Diagnostik und Behandlung in der Dysphagieambulanz. Ansprechpartner im Zentrum: Koordinatoren/Therapeutische Leitung: Prof. Bernd Tomandl, Chefarzt der Klinik für Radiologie und Neuroradiologie Angelika Kartmann, M.A., ltd. Klinische Linguistin und Logopädin (Rehaklinik) Dipl.-Päd. Ursula Kling, ltd. Sprachtherapeutin (Neurologie)

Christophsbad GmbH & Co. Fachkrankenhaus KG Dysphagieambulanz Faurndauer Str. 6–28 73035 Göppingen Tel.: 07161 601-9650 info@christophsbad.de www.christophsbad.de

Abb. links: Angelika Kartmann (Leitende Klinische Linguistin und Logopädin an der Geriatrischen Rehaklinik am Christophsbad) bei der Diagnostik einer Schluckstörung mittels Videofluoroskopie

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Das Geheimnis der Rehabilitation

Hochbetagte nach Schlaganfall Der Schlaganfall bei hochbetagten Patienten ist eine äußerst dramatische Situation und kann durch Siechtum und Bewegungseinschränkungen die Lebensumstände der Betroffenen und ihrer Angehörigen radikal verändern. Dabei kann man Achtzigjährige meist ebenso erfolgreich rehabilitieren wie 70- oder 60jährige. Nur muss es getan werden! Überhaupt und kompetent. Und darin liegt das eigentliche Problem.

Dr. Martin Runge

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Dr. med. Martin Runge Ärztlicher Direktor der Aerpah-Klinik Geriatrisches Zentrum Esslingen-Kennenburg Kennenburger Str. 63 73732 Esslingen Tel.: 0711 3905-326 E-Mail: aerpah@ udfm.de

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ehabilitation heißt in diesem Fall, die Schlaganfallfolgen durch neues Erlernen verlorener Fertigkeiten und durch spezifisches Training zu verbessern, die Defizite im Bereich der Bewegung, des Gleichgewichts, der Sprache, der Sensibilität und des Schluckens auszugleichen. Das Problem ist nur, dass diese Defizite von Patient zu Patient sehr unterschiedlich ausfallen. Der Arm kann etwa vollständig gelähmt sein oder gar die ganze Körperhälfte. Oder vielleicht ist nur die Feinmotorik eingeschränkt, was sich beim Schreiben mit der Hand bemerkbar macht, etwa dass der Betroffene beim Schreiben nicht mehr die Zeile halten kann und mit den Buchstaben nach unten rutscht. Es gibt keine standardisierte Rehabilitationsmaßnahme! Rehabilitation hängt einerseits von der Art der Störung ab, andererseits aber auch von der Persönlichkeit und den Vorstellungen des Betroffenen – davon, wie er den Alltag bisher verbracht hat und wie er ihn künftig verbringen will. Der Neurologe und der Geriater müssen sich den Patienten genau anschauen und das Therapieziel an seine Wünsche gemeinsam anpassen. Daraus ergibt sich der Behandlungsplan. Grundsätzlich kann das Ziel nicht nur sein, einzelne Körperfunktionen wieder neu zu erlangen, sondern man muss versuchen, dem Betroffenen die Teilnah-

me am sozialen Leben – und zwar so eigenständig wie möglich – zu ermöglichen. Hochaltrige Schlaganfallpatienten gehören in die Geriatrie, weil sie einer außerordentlich aufwendigen Pflege bedürfen. Im Gegensatz zu jüngeren Patienten müssen bei ihnen auch die Begleiterkrankungen berücksichtigt werden. Diese Patienten haben nicht nur einen Schlaganfall erlitten, sondern bringen auch eine ganze Reihe anderer altersbedingter körperlicher und geistiger Einschränkungen mit. Deshalb muss hier eine Schlaganfallrehabilitation ganz anders ablaufen. Wenn sie z. B. auf der gesunden, nicht beeinträchtigten Körperseite ein kaputtes Knie haben oder auch vorher schon eine schwache Blase hatten, stellt dies die Rehabilitation vor neue Herausforderungen. Dazu braucht man ein eingespieltes Team aus Arzt, Therapeuten und Pflege. Besonders die Pflege spielt bei der Reha hochbetagter Patienten eine wichtige Rolle, um diese mit Geduld bei Schluck- oder Schlafstörungen und bei Inkontinenz zu betreuen. Jeder Landkreis hat nach dem Geriatriekonzept des Landes Baden-Württemberg eine geriatrische Rehabilitationsklinik. Die Frage ist nur, ob alle Patienten auch dahin geschickt werden und ob für alle zur rechten Zeit ein Platz vorhanden ist.

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Wie verhält man sich bei Verdacht auf Schlaganfall? Fragen an Marc Sachsenmaier vom DRK Rettungsdienst Esslingen-Nürtingen

Jemand deutet seine Symptome als Hinweis auf einen Schlaganfall, keine gravierenden neurologischen Störungen, doch immerhin könnte es sich um eine TIA handeln. Soll er sich in sein Auto setzen und von einem Familienmitglied fahren lassen oder den Rettungsdienst rufen? Sachsenmeier: Auf jeden Fall den Rettungsdienst anrufen! Die Notrufnummer ist national die 112. Das gilt allerdings nicht für Krankentransporte, die haben weiterhin die 19222 als Servicenummer. Wenn jemand die 112 wählt, führt der Disponent durch das Gespräch. Er fragt alles ab, was er wissen muss. Man sollte ihn also nicht mit Informationen überhäufen. Also ganz ruhig bleiben, zuhören und die Fragen der Reihe nach beantworten. Zuerst wird nach der Einsatzadresse gefragt, dann nach einer Rückrufnummer. Dies ist sehr wichtig, falls der Rettungswagen die Adresse nicht findet. Dann folgen gezielte Fragen nach dem Bewusstseinszustand des Patienten. Unter bewusstlos verstehen viele Menschen ganz Unterschiedliches. Wir wollen wissen, wie tief die Bewusstlosigkeit ist. Und ob der Patient auch Atemprobleme und Schmerzen hat. Dann lassen wir uns schildern, wie es zu der Situation gekommen ist, ob die Symptome plötzlich auftraten oder ob sie schon bekannt sind. Wir fragen auch nach Vorerkrankungen, weil wir uns dadurch schon ein gewisses Bild von der Ursache der Erkrankung machen können. Be-

wusstlosigkeit muss nicht nur auf einen Schlaganfall hinweisen, es kann sich z. B. bei einem Diabetiker auch um eine Unterzuckerung handeln. Der Disponent braucht schon eine ganze Menge an medizinischem Wissen? Sachsenmeier: Unsere Rettungsassistenten haben eine zweijährige Berufsausbildung hinter sich und die Disponenten in der Zentrale haben zusätzlich gelernt und trainiert, sich aus dem Gespräch am Telefon ein weitgehend zutreffendes Notfallbild zu machen. Bei einem Verdacht auf Schlaganfall schicken wir den Rettungswagen sofort los, denn hier geht es um Minuten. Bei Bewusstseinsstörungen wird auch der Notarzt alarmiert. Dieser entscheidet dann, in welche Klinik der Patient zu bringen ist. In der Regel wird dies die nächstgelegene Stroke-Unit sein. Es sei denn, der Weg wäre beim augenblicklichen Zustand des Patienten zu weit, dann wird ein anderes Krankenhaus angefahren. Falls der Patient das Bewusstsein verloren hat, muss er sofort von seinen Angehörigen in die stabile Seitenlage gebracht werden, um bei einem möglichen Erbrechen den Mageninhalt nicht in die Luftröhre zu bekommen. Deshalb wollen wir Sie in diesem Heft erinnern und Ihnen die stabile Seitenlage demonstrierten (s. Umschlagrückseite).

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Die Zeit danach

Wer organisiert und zahlt die Reha? Wir wissen heute, dass das Gehirn sich auch nach einem schweren Schaden wieder regenerieren kann. Unter „Neuroplastizität“ verstehen wir die Fähigkeit des Gehirns, auf funktionelle Veränderungen zu reagieren und zuvor ungenutzte Nervenverbindungen zu aktivieren. Von alleine funktioniert das allerdings nicht. Wer durch einen Schlaganfall Tätigkeiten wie Gehen, Stehen, Schlucken oder Sprechen verlernt hat, muss das alles wieder neu erlernen. Deshalb muss nach der Akutbehandlung des Schlaganfalls sofort die Rehabilitation einsetzen. Nur so kann der Betroffene in die Lage versetzt werden, auch nach dem Schlaganfall ein weitgehend „normales“ und selbstbestimmtes Leben zu führen. Über die Möglichkeiten und Probleme der Rehabilitation sprach Werner Waldmann mit Hubert Seiter, dem Ersten Direktor der Rentenversicherung Baden-Württemberg.

Hubert Seiter Erster Direktor Rentenversicherung Baden-Württemberg Adalbert-StifterStr. 105 70437 Stuttgart Tel.: 0711 61466-0 Fax: 0711 61466-190

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Herr Seiter, wer ist für die Reha zuständig: die Krankenkassen oder die Deutsche Rentenversicherung? Hubert Seiter: Grundsätzlich ist die Rentenversicherung immer dann zuständig, wenn jemand noch im Erwerbsleben steht, der Verbleib im Erwerbsleben allerdings aus gesundheitlichen Gründen erheblich gefährdet ist und durch Reha-Maßnahmen die Erwerbsfähigkeit (zumindest teilweise) erhalten werden kann. Bei älteren Menschen, die bereits Rente beziehen, und bei denen es darum geht, Pflege zu vermeiden oder wenigstens Pflegestufen zu verringern, ist die Krankenversicherung in der Pflicht. In neurologischen Fällen – auch bei Erwerbstätigen – ist die Krankenkasse für die Akutbehandlung und die frühe Rehabilitationsphase zuständig. In diesem Stadium muss man abwarten, wie sich der Zustand des Patienten stabilisieren und bessern lässt, damit er wieder arbeiten kann. Die spätere Reha-Phase, die dem Betroffenen helfen soll, seine früheren Fertigkeiten zurückzugewinnen oder zu kompensieren, also etwa mit seiner halbseitigen Lähmung oder seinem Sprachproblem umgehen zu können – das ist die klassische medizinische oder auch berufliche Reha durch uns. Wie schätzen Sie die Qualität der Versorgung mit Stroke-Units in Baden-Württemberg ein? Hubert Seiter: Die Einrichtung der Stroke-Units war eine gute Idee. Sie hat eine deutliche Verbesserung in der Behandlung des Schlaganfalls bewirkt. Da wird wirklich gute Arbeit geleistet und den Patienten sehr geholfen. Mich bewegt eher die Frage, was danach passiert. Ich habe den Eindruck, dass

es mit dem umgehenden Wechsel von Schlaganfallpatienten in die Früh-Reha hapert. Und das wäre ein großes Problem, denn die Stroke-Units erhalten das Leben, aber die Reha sorgt für die Lebensqualität! Ich fürchte, dass einige Patienten nach ihrer Entlassung aus der Stroke-Unit in der Kurzzeitpflege verschwinden und dann möglicherweise unrehabilitiert wieder in ihrer häuslichen Umgebung aufschlagen. Was fehlt, sind genaue Zahlen, die phasen- bzw. sektorenübergreifend dokumentieren, was mit den Schlaganfallpatienten zur Reintegration in Gesellschaft und Beruf geschieht. Was passiert mit hochbetagten Patienten? Hubert Seiter: Die werden nicht selten in der Kurzzeitpflege geparkt, bis sich ein Reha-Platz findet – mit der Konsequenz, dass wertvolle Zeit verloren geht. Es wäre sicherlich eine Untersuchung wert, einmal beim Sozialdienst der Stroke-Units nachzufragen, mit welchem Erfolg die Mitarbeiter für einen etwa 80jährigen Menschen nach Schlaganfall kurzfristig einen Platz in einer qualifizierten Reha-Einrichtung finden. Ob sie das überhaupt machen oder wegen der geringen Aussichten lieber gleich sein lassen. Vielleicht werden die Betroffenen auch gleich in die häusliche Umgebung geschickt mit dem Hinweis, sich Pflegeunterstützung zu suchen. Ich habe den Eindruck – wie offensichtlich auch Frau Sozialministerin Altpeter –, dass bei dem Thema „Rehabilitation und aktivierende Pflege“ gerade bei älteren Menschen noch Luft nach oben ist. Wie verfährt die Rentenversicherung mit ihren Reha-Kandidaten?

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Hubert Seiter: Innerhalb von maximal 14 Tagen haben wir alle unsere Fälle in der Reha untergebracht. Der Sozialdienst im Krankenhaus informiert uns, sobald eine Reha ansteht. Dafür haben wir ein Eilverfahren etabliert: Wir klären den Aufnahmetermin ab und suchen die Reha-Einrichtung heraus. Dabei beachten wir weitestgehend die Erwartungen oder die Wünsche der Betroffenen. Und in den eigenen Kliniken der Rentenversicherung? Hubert Seiter: Dort läuft das nach mit uns abgestimmtem Konzept ähnlich: Ein Schlaganfallpatient, der im erwerbsfähigen Alter ist, kommt innerhalb von maximal 14 Tagen in die medizinische Reha. Während dieser Reha wird nach der beruflichen Perspektive geschaut: Was kann er noch, was kann er mit Sicherheit nicht mehr? In der medizinischen Reha wird auch angeregt, möglicherweise eine berufliche Reha, eine Umschulung anzuschließen. Wir sind sehr daran interessiert, die Menschen schnell wieder in Arbeit zu bringen und sie nicht aus Nachlässigkeit zu Frührentnern zu machen. Diese Anstrengung lohnt sich für alle: Für die Rentenversicherung, die Krankenversicherung, für Staat und Gesellschaft und vor allem für die betroffenen Menschen selbst. Sie sind eigentlich für Rehabilitation zuständig. Wie stehen Sie zur Prävention? Hubert Seiter: Prävention sehe ich als wichtiges Angebot, um Schlimmeres zu vermeiden – nach dem Grundsatz: Prävention vor Reha und Reha vor Rente. Deswegen bieten wir in BadenWürttemberg „freiwillig“ Präventionsmaßnahmen an.

Und wie wird das angenommen? Hubert Seiter: Zunehmend besser. Denn mittlerweile halten nicht nur die Kostenträger, die sich damit möglicherweise den Supergau (Reha oder Rente) ersparen wollen, Prävention für wichtig. Auch immer mehr Arbeitgeber haben Interesse an präventiven Maßnahmen im Betrieb, weil sie merken, dass sie keinen Ersatz bekommen, wenn ein Arbeitnehmer einmal ausfällt. Und auch die Arbeitnehmer sehen, dass es gut ist, sich rechtzeitig auf gesundheitsfördernde Maßnahmen einzulassen, denn eine Minirente reicht ja nicht zum Leben. Wenn man diese Interessen bündeln kann und Angebote hat, die auf relativ einfache und damit auch kostengünstige Art und Weise Risikofaktoren ins Visier nehmen (also nicht erst wartet, bis ein Schlaganfall oder Herzinfarkt auftritt, sondern vorher schon aktiv wird), dann haben wir es geschafft. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind viel mehr an solchen Maßnahmen interessiert als noch vor ein paar Jahren.

Mehr Infos auf:

www.kompass-gesundheit-bw.de Die Langfassung dieses Interviews finden Sie auf der Homepage von „Kompass Gesundheit“. Scannen Sie dazu diesen QR-Code.

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Spannend wie der „Tatort“

Hausarztalltag am Montagmorgen Jeden Tag neue Überraschungen – nur selten verläuft der Praxisalltag einer Hausärztin einmal so wie geplant. Und es mangelt auch nicht an frustrierenden Erfahrungen: ermüdender Papierkram; Ärger mit den Krankenkassen; Patienten, denen ich nicht so gut helfen kann, wie ich möchte, weil sie das Rauchen nicht lassen oder einfach nicht konsequent genug sind, um an der Behandlung ihrer chronischen Erkrankung mitzuwirken ... Doch trotz Dauerstress und vieler Frustrationen habe ich es bisher keine Minute lang bereut, diesen Beruf ergriffen zu haben.

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s hat geschneit. Der erste bestellte Patient erscheint nicht, da sein Auto nicht angesprungen ist. Netterweise ruft er uns um 5 nach 8 Uhr an. Dafür kommen drei Patienten fast gleichzeitig in die Praxis, zwei davon ohne Voranmeldung, weil sie einen hohen Blutdruck und Herzrasen verspürt haben. Meine Mitarbeiterinnen wissen schon, was sie zu tun haben: Bei jedem der drei wird zunächst der Blutdruck gemessen und ein EKG geschrieben. Außerdem führen sie schon im Voraus ein beruhigendes Gespräch mit den – zu Recht – besorgten Patienten. Bei Schnee und Kälte steigt bei vielen Menschen der Blutdruck an, das weiß mein erfahrenes Personal. Da wir die meisten Patienten schon lange kennen, sind nur kurze Gespräche notwendig. Nachdem die drei Patienten versorgt sind, geht die normale Terminsprechstunde weiter. Bei meiner nächsten Patientin musste vor fünf Jahren wegen eines bösartigen Knotens die Schilddrüse entfernt werden. Leider kann sie das Rauchen nicht lassen, was ein Risikofaktor für das erneute Auftreten einer bösartigen Erkrankung ist. „Vitamine“ schlucke sie schon genug, meint sie. Und sie ernähre sich doch gesund. Ich gebe der Patientin eine Broschüre über das hausmed-Rauchfrei-Entwöhnungsprogramm vom Deutschen Hausärzteverband mit. Außerdem biete ich ihr an, bei mir einen Termin für eine Raucher-Akupunktur mit Dauernadeln zu vereinbaren. Als Nächstes kommt ein junger Mann, der ein

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Dr. Sieglind Zehnle

Attest braucht, weil er eine Ausbildung bei der Polizei machen möchte. Da ich ihn schon lange kenne, weiß ich, dass er gesund lebt und auch sehr sportlich ist. (Er läuft Marathon). Eine Brille trägt er glücklicherweise nicht – das ist eine wichtige Voraussetzung für die Arbeit bei der Polizei. Nachdem ich ihn untersucht habe, fülle ich das Attest aus und wünsche ihm viel Glück bei seiner Bewerbung. Ein Patient, der wegen einer Depression krank geschrieben ist, benötigt eine Wiedereingliederung in den Arbeitsalltag. Ich bespreche mit ihm das genaue Vorgehen, das anschließend beim Arbeitgeber vorgelegt und genehmigt werden muss. Dabei kommt seine schwierige finanzielle Situation zur Sprache. Aufgrund seiner Depression leidet der Patient unter Konzentrationsstörungen und kann nicht sehr gut formulieren. Das Gespräch dauert daher etwas länger. Eine junge Patientin mit Diabetes und stets sehr schlechten Blutzuckerwerten kommt zum Chroniker-Programm. Hier habe ich die Aufgabe, sie nochmals auf die problematische Einstellung ihres Diabetes und die möglichen Folgeerkrankungen hinzuweisen, auch wenn sie das vielleicht nicht noch einmal hören möchte. Leider sind schon diabetesbedingte Schäden an den Augen festzustellen. Ein regelmäßiger Besuch beim Augenarzt ist daher zur Überwachung erforderlich, außerdem natürlich eine möglichst gute Blutzuckereinstellung. Diese Patientin überweise ich an eine Diabe-

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tologin, mit der ich zusammenarbeite. Gegen 10 Uhr habe ich mir meine Fünf-Minuten-Teepause zum Luftholen und Gedankensortieren wirklich verdient. Der für einen Check-up um zehn Uhr bestellte Patient erscheint nicht, da er durch den Schnee wohl auch verhindert war. Dafür strömen in die nun allmählich schon beginnende „Akutsprechstunde“ andere Patienten mit grippalem Infekt oder sonstigen akuten Erkrankungen. Nicht alle haben sich angemeldet. Und es sind auch nicht alle akut erkrankt. Manche kommen, jetzt nach dem Wochenende, auch mit familiären Konflikten oder sonstigen psychischen Erschöpfungssyndromen. Selbst bei akuten Erkältungen stelle ich fest, dass viele Betroffene gerade eine schwierige berufliche oder familiäre Situation durchmachen. Das führt häufig zu einer Schwächung des Immunsystems. Auch Erschöpfungszustände, Herzrasen, Schlafstörungen und Bluthochdruck können da vermehrt auftreten. Eine ältere Patientin kommt in Begleitung ihrer zahlreichen Familienangehörigen. Versichertenkarte hat sie keine, sie ist zu Besuch aus dem Ausland da und kommt, weil die hiesige Verwandtschaft bei ihr einen erhöhten Blutzucker gemessen hat. Es ist bereits bekannt, dass sie an Diabetes leidet; die Patientin hat die Medikamente, die in einer fremden Sprache beschriftet sind, teilweise dabei. Zunächst muss der Versichertenstatus geklärt werden. Wer bezahlt, wenn die Patientin hier Arzneimittel und eine medizinische Behandlung benötigt? Außerdem braucht sie einen Übersetzer, weil sie kein Deutsch spricht. Wir nehmen bei ihr Blut ab. Am nächsten Tag werde ich ihre weitere medikamentöse Behandlung abklären. Außerdem veranlasse ich einen weiteren Besuch mit Dolmetscher bei der kooperierenden Diabetologin. Eine blasse, zarte Patientin klagt über starke, pulsierende Kopfschmerzen. Sie habe „schon alles probiert“ und möchte nun eine Infusion haben. Ich erkläre ihr, dass bestimmte Medikamente, die sie einnehmen bzw. sich auf die Zunge legen kann, genauso wirksam sind wie eine Infusion. Außerdem könne sie die Tabletten zu Hause selbst und unabhängig vom Arzt einnehmen. Ich stelle eine Krankmeldung für den heutigen Tag aus und gebe ihr ein Kopfschmerztagebuch mit, das sie ausfüllen soll. Zum Glück geht es der Patientin beim abendlichen Rückruf schon deutlich besser. Im Lauf der nächsten Tage werde ich versuchen, die Ursachen für ihr immer wiederkehrendes Kopfweh herauszufinden. Eine aufgeregte Mutter kommt mit ihrem 16-jährigen Sohn, der schon an der Anmeldung fast zusammenbricht. Beide haben Brechdurchfall und benötigen eine Krankschreibung und eine Infusion, durch die das EKG-Zimmer eine halbe Stunde lang blockiert ist. Dies führt teilweise zu ärgerlichen Äußerungen der Wartenden, die nicht verstehen, warum es nicht „vorangeht“. Doch zum Glück sind die meisten Patienten geduldig.

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Zwischenzeitlich veranlasse ich die Einweisung einer alten Dame, die zu Hause gestürzt ist, ins Krankenhaus. Der Sohn hatte angerufen: Sie könne nicht mehr aufstehen. Im Krankenhaus erfahre ich, dass alle Betten belegt sind. Ich werde gebeten, die Frau am besten erst morgen zu schicken. Die Diskussion am Telefon, bis ich sie schließlich doch einweisen kann, dauert fünf Minuten. Der nächste Patient, der beruflich in die USA fliegen möchte, hat seit zwei Tagen eine massive Schwellung des linken Knies bemerkt. Ich untersuche ihn, rate zu Schonung und entzündungshemmenden Maßnahmen und versuche, schnell noch einen Termin beim Orthopäden für ihn zu bekommen. Eine ältere Patientin ruft an. Sie hat nicht verstanden, wie sie das Antibiotikum gegen ihre Bronchitis einnehmen soll. Aus Angst vor einer Überdosierung hat sie in den letzten drei Tagen nur jeweils eine Tablette eingenommen. Ich kläre sie darüber auf, dass diese Dosis leider zu niedrig ist. Sie sollte das Antibiotikum zweimal täglich vor dem Essen einnehmen, und zwar weitere fünf Tage lang. Sie bedankt sich. Eine 50-Jährige fängt gleich im Sprechzimmer an zu weinen: „Frau Doktor, mein Hund ist gestern verstorben. Wir mussten ihn zum Einschläfern zum Tierarzt bringen, und er war doch mein Ein und Alles. Jetzt brauche ich eine Krankmeldung.“ (Wie ich auf diese Anfrage reagiert habe, wird hier nicht verraten!) Nebenher werden Langzeitblutdruckgeräte angelegt und abgenommen, wir führen EKGs, Belastungs-EKGs und Ultraschalluntersuchungen durch, nehmen Blut ab – und was morgens in einer Hausarztpraxis sonst noch so alles anfällt. Wir bekommen auch viel Zuspruch von unseren Patienten. Einer bedankt sich für die „gute Blutabnahme“. Eine andere bringt uns Brezeln „für die Pause“, eine Seniorin hat „Gutsle“ gebacken „für älle“. Alles in allem ist die Tätigkeit eines Hausarztes sehr spannend. Bis zu einem gewissen Grad kann ich mir meine Arbeit auch selbst einteilen. Zu vielen Patienten ist im Laufe der Jahre ein freundschaftliches Verhältnis entstanden. Inzwischen weiß ich: Die Arbeit in einer Hausarztpraxis ist mindestens so spannend wie der Tatort vom Sonntagabend. Vor allem am Montagmorgen.

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Krank im Urlaub Die Vorfreude ist groß, wenn der Urlaub endlich vor der Tür steht. Schließlich will man die Zeit frei vom Alltagsund Berufsstress genießen und nach eigenen Vorstellungen frei gestalten. Wer denkt da schon gerne daran, dass der Urlaubsgenuss durch einen Unfall oder eine plötzliche Erkrankung schnell vorbei sein kann. Es stellt sich dann natürlich auch die Frage, wer die Kosten übernimmt, wenn ein Gang zum Arzt oder gar ein Krankenhausaufenthalt nötig wird. RA Mirja K. Trautmann

Versicherungsschutz auch im Ausland? Der Versicherungsschutz Ihrer gesetzlichen Krankenkasse endet zunächst einmal an den deutschen Landesgrenzen. Trotzdem sind Sie auch im Ausland nicht völlig schutzlos. Aufgrund diverser Sozialversicherungsabkommen können Sie sich in vielen anderen Ländern ärztlich behandeln lassen oder ins Krankenhaus begeben. Sehr viel schwieriger wird es allerdings in den Ländern, mit denen kein Sozialversicherungsabkommen besteht.

Länder der EU/des EWR Am wenigsten Probleme gibt es bei einem Urlaub in den Ländern der EU (Europäischen Union) sowie des EWR (Europäischen Wirtschaftsraums). Dazu gehören folgende Staaten: Belgien, Bulgarien, Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Island, Italien, Lettland, Liechtenstein, Litauen, Luxemburg, Malta, Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Schweden, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechien, Ungarn und Großbritannien. In diesen Ländern ist der Versicherungsschutz sichergestellt.

Länder außerhalb der EU/des EWR Schwieriger wird es mit dem Versicherungsschutz bei einem Urlaub in Ländern, die nicht zur EU bzw. zum EWR gehören. Mit einigen wenigen Ländern existieren gesonderte Sozialversicherungsabkommen. Dazu gehören aktuell: BosnienHerzegowina, Kroatien, Marokko, Mazedonien, Montenegro, Schweiz, Serbien, Türkei und Tunesien. Mit allen anderen Ländern gibt es keine Sozialversicherungsabkommen oder vergleichbare Vereinbarungen. In diesen Fällen gibt es nur einen äußerst eingeschränkten Versicherungsschutz. Sichergestellt sind im Wesentlichen nur Notfall-

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behandlungen und auch diese nur für einen befristeten Zeitraum (dazu mehr unter „Umfang des Versicherungsschutzes“).

Ihr „Auslandskrankenschein“ Der frühere Auslandskrankenschein wurde durch die Europäische Krankenversicherungskarte (EHIC) abgelöst. Mit Ihrer EHIC weisen Sie im Ausland nach, dass Sie Anspruch auf die medizinisch notwendigen Leistungen haben. Die Versicherungskarte ist deshalb äußerst wichtig. Sollte sie doch einmal verloren gehen, benötigt man umgehend eine provisorische Ersatzbescheinigung. Diese kann von Ihrer Krankenkasse aus der Heimat auch gefaxt werden, steht also schnell zur Verfügung.

Umfang des Versicherungsschutzes Der Umfang des Versicherungsschutzes richtet sich nicht nach deutschem Recht. Versicherungsschutz besteht im Ausland nur in dem Umfang und in der Art und Weise, wie er für das jeweilige Land geregelt ist. Sie werden also nicht anders behandelt als die Einheimischen. Leistungen, die ein Einheimischer von seiner gesetzlichen Krankenkasse nicht bezahlt bekommt, können auch Sie nicht zu Lasten Ihrer Krankenkasse in Anspruch nehmen, selbst wenn die Leistung in Deutschland von der Krankenkasse bezahlt würde. Dies gilt nicht nur für den Umfang einer ärztlichen Behandlung oder Leistungen im Krankenhaus. Bei längeren Auslandsaufenthalten (z. B. beim Überwintern in wärmeren Gefilden) kann es auch sein, dass Ihnen im Ausland nicht alle Medikamente zur Verfügung gestellt werden, die Ihnen Ihr Arzt in Deutschland verordnet hat. Deshalb ist es sehr wichtig, sich rechtzeitig vor Antritt der Reise darüber zu informieren, in welchem Umfang Leistungen im Urlaubsland zu Lasten der Krankenkasse überhaupt in Anspruch genommen werden können.

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Kosten für einen Rücktransport nach Deutschland werden in keinem Fall übernommen. Dieser Ausschluss ist gesetzlich geregelt. Gravierende Einschränkungen des Versicherungsschutzes gibt es außerdem bei einer Erkrankung in Ländern, die nicht zur EU/zum EWR gehören und mit denen es auch kein Sozialversicherungsabkommen gibt (siehe oben). In diesen Fällen gibt es nur ausnahmsweise eine befristete Kostenübernahme; und das auch nur dann, wenn Sie sich wegen einer Vorerkrankung oder wegen Ihres Lebensalters nachweislich nicht privat (also insbesondere über eine Auslandskrankenversicherung) versichern konnten. Betroffen hiervon sind meist chronisch Kranke, z. B. Dialysepatienten oder Bluter. • Die Möglichkeit einer privaten Krankenversicherung muss generell ausgeschlossen sein; und zwar aus Gründen, die in Ihrer Person liegen. Es genügt also nicht, dass der Versicherungsschutz nur durch Risikozuschläge oder eine altersbedingt höhere Versicherungsprämie erreicht werden kann. Es genügt auch nicht, dass die Versicherung wegen zu hoher Risiken des Urlaubslandes verweigert wird. • Erforderlich ist außerdem, dass Sie den entsprechenden Antrag bei Ihrer Krankenkasse bereits vor Antritt der Reise stellen. Die Krankenkasse muss vor Beginn des Auslandsaufenthalts feststellen, dass Sie sich wegen Ihrer Vorerkrankung oder Ihres Lebensalters nicht versichern können. • Werden Leistungen dann übernommen, sind sie der Höhe nach auf die Kosten beschränkt, die auch bei einer Behandlung in Deutschland entstanden wären. Die Kostenübernahme ist außerdem zeitlich auf insgesamt sechs Wochen pro Kalenderjahr begrenzt.

Kosten und Eigenbeteiligung bei einer Behandlung im Ausland Da der Umfang des Versicherungsschutzes von den jeweiligen nationalen Regelungen im Urlaubsland abhängt, kann es zu deutlich höheren Kosten und damit verbunden auch deutlich höheren Eigenbeteiligungen als in Deutschland kommen. Dies gilt auch bei Urlauben innerhalb der EU/des EWR. So gibt es beispielsweise einige Länder, in denen Sie nicht „auf Karte“ versorgt werden, sondern als Patient zunächst in Vorleistung gehen

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müssen (Kostenerstattungsprinzip). In diesen Ländern müssen Sie die Belege dann entweder bei einer örtlichen Krankenkasse oder, nach Rückkehr aus dem Urlaub, bei Ihrer deutschen Krankenkasse einreichen. Erst dann erhalten Sie Ihr Geld zurück.

Informationsquellen

MammaVersorgung O Feste Ansprechpartnerin O Beratung und Anprobe in anspruchsvoller Atmosphäre O Unabhängigkeit in der Auswahl der Lieferanten O Wir kümmern uns um die Abwicklung mit Ihrer Krankenkasse O Wir wollen Sie auf Ihrem Weg zu Ihrer eigenen Lebensqualität begleiten

Weiterführende Informationen zum Thema „Urlaub im Ausland“ erhalten Sie insbesondere Esslingen · Rossmarkt 29 · Tel. 7587 8765 6516 16 Tel 75 auf den Seiten der DeutNellingen Tel.3348 4823 2383 83 Nellingen ·· Hindenburgstr. Hindenburgstr. 6 6 ·· Tel schen Verbindungsstelle Krankenversicherung Ausland, einer Abteilung des GKV-Spitzenverbandes; im Internet zu finden unter: www.dvka.de. Unter „Informationen für Versicherte“ finden sich u. a. Merkblätter „Urlaub im Ausland“. Diese können Sie für jedes einzelne Land, mit dem ein Sozialversicherungsabkommen besteht, aufrufen. Sie erhalten darin nähere Informationen zum Umfang des Krankenversicherungsschutzes im jeweiligen Land sowie die örtlichen Kontaktadressen. Die EU-Kommission hat im Sommer 2012 außerdem eine Smartphone-App online gestellt, die Hinweise dazu gibt, wie Versicherte ihre Krankenversicherungskarte im Ausland verwenden können. Den Download finden Sie auf der Seite der EU-Kommission: http://ec.europa.eu/social/main.jsp?catId=559.

Mirja K. Trautmann Rechtsanwältin & Fachanwältin für Medizinrecht Nauheimer Straße 67 70372 Stuttgart Tel.: 0711 39110572 Fax: 0711 39110573 E-Mail: info@anwaltskanzlei-trautmann.de Internet: www.anwaltskanzlei-trautmann.de

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Ursache vieler Beschwerden

Ein zu großer Busen

Dr. Karina Klein

„Es kann sich niemand richtig vorstellen, was es heißt, täglich (und zwar Tag und Nacht) knapp zwei Kilo um den Hals zu tragen. Im Sommer kommen noch das Schwitzen, Ausschläge und Wundsein hinzu.“ Das schrieb eine Frau, die jahrzehntelang mit übergroßen Brüsten leben musste und sich nach der Operation, der so genannten Mammareduktion, wie neugeboren fühlte: „Ich bin ein neuer Mensch geworden. Durch die Mammareduktion kann ich zum ersten Mal in meinem Leben einen Sport-BH tragen. Alles ist leichter, freier – somit bewegt man sich auch mehr.“

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ährend in den Medien immer wieder die Rede von Frauen ist, die ihren Busen deutlich vergrößern lassen, ist die Makromastie – die unnatürliche Größe der Brust, die nicht mehr zu den restlichen Körperproportionen passt – für viele ein enormes kosmetisches und medizinisches Problem. Betroffene Frauen werden von chronischen Nacken-, Schulter- und Rückenschmerzen geplagt, haben sich eine schlechte Körperhaltung angewöhnt, leiden unter Verspannungen, BH-Träger schneiden sich in die Haut ein und es treten Hautinfektionen in der Brustumschlagfalte auf. Außerdem sind die Frauen bei körperlichen Betätigungen stark eingeschränkt. Zu diesen körperlichen Beschwerden kommt oft auch eine psychische Belastung. Gerne wird der deformierende Busen mit weiter und lockerer Kleidung verdeckt.

Nur eine Operation entlastet

Dr. med. Karina Klein, Fachärztin für Plastische und Ästhetische Chirurgie sowie Chirurgin mit der Zusatzbezeichnung Handchirurgie Berliner Str. 4 73728 Esslingen Tel.: 0711 5502320 Fax: 0711 5502322 www.drkarinaklein.de info@drkarinaklein.de

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Konservative Therapien einer Makromastie wie Krankengymnastik und Massagen führen im besten Fall lediglich zu einer kurzfristigen Milderung der Probleme. Auch Gewichtsreduktionen sind nicht Erfolg versprechend. Vor allem bei jüngeren Frauen bewahrt das Drüsengewebe der Brust sein Volumen – unabhängig von einer Gewichtsveränderung. Eine Schmerzbefreiung, eine Normalisierung des Körperbildes, eine Korrektur der Körperhaltung kann nur mit einer Operation erreicht werden. Der Erfolg ist außerdem sofort gegeben. Im Vergleich zu allen anderen operativen Behandlungen von Brustdeformitäten zieht eine Mammareduktionsplastik keine Spätkomplikationen nach sich. Die medizinische Notwendigkeit einer Operation ist gegeben, wenn die Brust um mindestens zwei BH-Cup-Größen verkleinert werden muss, um

innerhalb der Normalgröße zu liegen. In Deutschland bedeutet Normalgröße: BH-Cup-Größe B bis C. Die Grenze zwischen einem kosmetischen Grund und einer gesundheitlich notwendigen Operation ist fließend, nach Ansicht verschiedener Fachärzte liegt sie bei einem Gewicht von mindestens 400 g, das bei der Operation von jeder Brust entfernt werden sollte. Dabei wird allerdings die Relation zur Körpergröße vernachlässigt. Denn eine kleine und schlanke Frau mit einer Cup-Größe D (was 410 g Brustgewicht entspricht) leidet unter dem Gewicht ihres Busens genauso wie eine stark gebaute und große Frau mit Cup-Größe D (1190 g Brustgewicht). Als Richtwerte für die Notwendigkeit einer Operation ergeben sich folgende Werte: BH-Cup A keine OP-Indikation BH-Cup B keine OP-Indikation BH-Cup C fragliche OP-Indikation BH-Cup D relative OP-Indikation Ab BH-Cup DD/E dringliche OP-Indikation Man kann also sagen, dass ab einer Körbchengröße von D und mehr eine medizinische Notwendigkeit zur Operation einer Makromastie vorliegt.

Kostenübernahme Auch wenn eine Brustverkleinerung eindeutig medizinisch notwendig ist (Entfernung von mehr als 500–600 g pro Seite, kärperliche Beschwerden, chronische Hautreizungen), muss ein Antrag auf Kostenübernahme gestellt werden. Dieser wird jeweils im Einzelfall entschieden, das Verfahren kann für die Patientin belastend, manchmal auch demütigend sein. Es empfiehlt sich, mehrere fachärztliche Gutachten vorzulegen (z. B. vom Orthopäden, Gynäkologe, Hautarzt) und bei einer Ablehnung nicht gleich aufzugeben.

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Die Apotheker-Kolumne

Patienten verkaufen rezeptpflichtige Medikamente weiter!

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n virtuellen Auktionshäusern wie eBay werden immer mehr apothekenpflichtige und verschreibungspflichtige Medikamente zum Kauf angeboten. Wer bei solchen „Schnäppchen“ zugreift, spielt russisches Roulette mit seiner Gesundheit. Im besten Fall sind diese Medikamente wirkungslos; schlimmstenfalls können sie sogar gesundheitsschädliche Stoffe enthalten. Außerdem sollte niemand in Eigenmedikation verschreibungspflichtige Medikamente einnehmen. Nur der Arzt kann beurteilen, ob ein Arzneimittel tatsächlich für einen Patienten geeignet ist, ob es ihm bei seinem speziellen Krankheitsbild hilft oder womöglich sogar schadet. Denn schließlich gibt es auch Kontraindikationen: Fälle, in denen bestimmte Medikamente nicht eingenommen werden dürfen, z. B., wenn jemand an einer Leber- oder Nierenerkrankung leidet – und das kann nur der Arzt beurteilen. Außerdem können schädliche oder gar gefährliche Wechselwirkungen zwischen dem neuen Medikament und den Arzneimitteln auftreten, die der Patient bereits nimmt. Deshalb sollte man niemals verschreibungspflichte Medikamente ohne ärztliches Rezept einnehmen! Es mag ja eine reizvolle Vorstellung sein, sich Mittel wie Viagra über das Internet zu besorgen und dadurch dem peinlichen Gespräch mit dem Arzt aus dem Weg zu gehen; nur bringt man sich damit u. U. in ernste Gesundheitsgefahr. Außerdem leistet man womöglich Beihilfe zu einer Straftat, wenn man solche eBay-Angebote nutzt. Denn offensichtlich lassen immer mehr Menschen sich Medikamente von ihrem Arzt verschreiben und bieten sie dann ungebraucht zu Schnäppchenpreisen in Internet-Auktionshäusern an. Apothekerverbände haben inzwischen schon mehrfach Online-Auktionsplattformen nach derartigen Angeboten durchsucht. Und oft genug wurden sie fündig. Dies ist nach Ansicht der Apothekerverbände ein klarer Verstoß gegen bestehendes Recht. Wer solche Verkäufe tätigt, schädigt die Solidargemeinschaft gleich in zweifacher Hinsicht: Er schadet seiner eigenen Gesundheit (indem er seinen Blutzucker nicht kontrolliert, seine vom Arzt verschriebenen Medikamente nicht nimmt etc.) – und für die

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daraus entstehenden Folgeerkrankungen müssen wir alle aufkommen. Zusätzlich entsteht den gesetzlichen und privaten Krankenkassen durch dieses betrügerische Verhalten nach Schätzungen der Apothekerverbände jährlich ein Schaden in zweistelliger Millionenhöhe. Zwar ist der Verkauf verschreibungspflichtiger Arzneimittel auf Online-Auktionsplattformen gesetzlich verboten. Bei eBay ist lediglich der Verkauf so genannter OTC-Produkte (apothekenpflichtiger, aber rezeptfreier Arzneimittel) erlaubt; auch sie dürfen jedoch nur von Apotheken mit Versandhandelserlaubnis verkauft werden. Diese Apotheken werden von eBay überprüft, bevor sie ihre Angebote einstellen können. Dennoch werden diese Kontrollen offensichtlich zu lax gehandhabt; sonst würde man bei eBay nicht immer wieder Angebote apothekenpflichtiger Arzneimittel durch Privatpersonen finden. Die Apothekerverbände haben die Rechtsabteilungen von eBay und anderen Betreibern über die rechtswidrigen Angebote informiert und dazu aufgefordert, die Anbieter abzumahnen. Im Fall des Betreibers lonelyplanet.de, wo in großen Mengen verschreibungspflichtige Malariamittel angeboten wurden, wurde sogar Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart erstattet. Obwohl die Bürokratie bei uns in Deutschland oft groteske Ausmaße annimmt, nimmt die Politik es mit der Verfolgung solcher krimineller Machenschaften offenbar nicht so genau – damit hinken wir hinter anderen europäischen Ländern her, in denen der Versandhandel mit Arzneimitteln längst verboten ist. Die Apothekerverbände fordern den Gesetzgeber auf, endlich zu handeln: Die Betreiber von Internetplattformen wie eBay müssen verpflichtet werden, keine illegalen Auktionen mehr online zu stellen. Es kann nicht sein, dass Apotheker durch überhand nehmende BüChristof Mühlschlegel rokratie und neue Gesetze in der Rosenau Apotheke Ausübung ihres Berufes immer Plochinger Str. 81; 73730 Esslingen mehr eingeschränkt werden, Tel.: 0711 315477-0 Fax: 0711 315477-19 während die Politik bei verbotemuehlschlegel@rosenau-apotheke.de nen Arzneimittelverkäufen beide www.rosenau-apotheke.de Augen zudrückt.

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Vorbeugen mit System Mit ihrem betrieblichen Gesundheitsmanagement fördert die Kreissparkasse EsslingenNürtingen das Wohlbefinden und die Motivation ihrer Mitarbeiter.

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m Montag Büro-Yoga, am Dienstag RückenFit, am Mittwoch Zumba oder Pilates, am Donnerstag White Collar Boxing, am Freitag ein „Schlanke Linie“-Menü in der firmeneigenen Kantine und am Wochenende ein Stadtlauf im Unternehmenstrikot ... Wenn sie wollten, könnten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kreissparkasse Esslingen-Nürtingen jeden Tag der Woche etwas für

ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden tun. Und das alles mit Unterstützung ihres Arbeitgebers. Unter dem Stichwort „Impuls“ bietet die Kreissparkasse bereits seit acht Jahren ein breites Angebot an Kursen, Aktionen und Gesundheitstagen. Und es kommen laufend neue Angebote dazu. „Ziel von Impuls ist, die Mitarbeiter zu mehr Vorsorge zu ermutigen“, sagt Klaus-Peter Friedrich,

Beispielhafte Kooperation zwischen niedergelassenen Ärzten und Klinik

Notfallpraxis in Göppingen Krankheiten warten nicht auf einen günstigen Augenblick unter der Woche, wenn der Hausarzt gerade Sprechstunde hält. Grimmige Bauchbeschwerden, ein schmerzhafter Hexenschuss, bei dem man sich kaum noch bewegen kann – so etwas passiert natürlich besonders häufig am Wochenende. Dafür braucht man den Arzt, den ärztlichen Notdienst. Früher rief man seinen Hausarzt an oder den Kollegen, der gerade Notdienst hatte, und der kam dann vorbei. Dies auch heute noch so, nur werden Hausbesuche heute weit restriktiver ausgeführt, da sie unzureichend bezahlt werden. Außerdem ist in vielen Fällen eine Behandlung z. B. in der Klinik auch effektiver.

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ie Organisation der Notfallversorgung obliegt der Kassenärztlichen Vereinigung, kurz KV genannt. In der KV sind alle Ärzte vereint, welche die Patienten der gesetzlichen Krankenversicherung versorgen. Außerdem ist die KV für die Organisation der Notfallversorgung zuständig. „Vor ein paar Jahren gab es in Göppingen schon einmal Bestrebungen, eine zentrale Notfallpraxis an einem unserer Krankenhäuser zu installieren“, so der Chef der Kreisärzteschaft Göppingen, Dr. Hans-Joachim Dietrich, “doch man wurde sich über den Standort nicht einig. Die Kreisärzteschaft hat nun einen Trägerverein gegründet – den Verein Notfallpraxis Göppingen.“ Die KV Baden-Württemberg beschloss dann einen Kahl-

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schlag, nämlich dass die bestehenden 400 Notfallbezirke zunächst auf ca. 200 und später auf 70 verringert werden sollten. Im Stauferkreis gab es ursprünglich allein 16 Bezirke. Jetzt sollten es zwei werden. Die Notfallversorgung in der Praxis änderte sich im Laufe der Jahre. Während vor ca. 10 Jahren noch der Großteil der Patienten in die Praxis des niedergelassenen Notfalldienstarztes gingen, hat sich dieses Verhältnis vollständig umgedreht. Heute gehen noch max. 5% zum Niedergelassenen, der Rest gleich in die Klinik. Somit war es folgerichtig, dass die Empfehlung lautete, eine Notfalldienstpraxis in der Klinik zu errichten. Dr. Dietrich, Dr. Emil Frick, Dr. Frank Genske und Dr. Geb-

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Bereichsleiter Personal. Das Konzept beruht auf den vier Säulen Gesundheit, Balance, Ernährung und Fitness. So haben sich über die Jahre Kurse wie Qigong oder Rücken-Fit etabliert. Aktionen wie kostenlose Äpfel als Vitaminschub im Herbst, Sehtests und die Grippeschutzimpfung sind eingeführt worden. Und Gesundheitstage zu Themen wie „Wir haben Rücken“ oder „Maß und Mitte finden“ sind zu einer festen Größe geworden. Rund 1000 Anmeldungen verzeichnet Impuls pro Jahr. Einen Schwerpunkt bildet der Sport- und Freizeitclub, der den Mitarbeitern der Kreissparkasse und anderen Interessierten offen steht. Mittlerweile gibt es die zwölf Sparten Laufen, Nordic Walking, Schwimmen, Radsport, Golf, Squash, Tanzen, Skiund Bergsport, Volleyball, Fußball, Inlineskating und Kegeln. Neben der sportlichen Betätigung steht hier vor allem das Miteinander im Mittelpunkt. Kollegen treffen sich nach Dienstschluss, trainieren zusammen, bestreiten Wettkämpfe und feiern die Erfolge zusammen. Die Verantwortung zur Prävention liegt jedoch nicht nur beim Mitarbeiter, sondern auch beim Unternehmen. So versucht die Kreissparkasse die Arbeitsbedingungen dort, wo es möglich ist, zu verbessern. Dabei nehmen Führungskräfte eine Schlüsselrolle ein. „Der jeweilige Führungsstil beeinflusst stark das Wohlbefinden der Mitarbeiter. Pflegt die Führungskraft einen offenen und ehrlichen Dialog mit ihrem Team und verhält sie sich fair und wertschätzend, so wirkt sich das positiv auf die Motivation und Gesundheit der Mitarbeiter aus“, sagt Friedrich. Deshalb ist beispielsweise die Schulung „Gemeinsam erfolgreich“ ein Pflichtbaustein im Aufbauprogramm für Führungskräfte. Seminare zum Thema „Work-Life-Balance“ für alle Mitarbeiter runden das Gesundheitskonzept ab. Red.

hardt planten zusammen mit der Klinik am Eichert, dort in eigener Regie und unternehmerischer Verantwortung die Notfallpraxis einzurichten. Die Tätigkeit wurde leitend durch den Vorsitzenden des Notfalldienstvereines, Dr. Genske und durch Dr. Frick durchgeführt. Das war nicht einfach, weil die KV ihren Einfluss nicht einbüßen wollte. Doch Dr. Genske und Dr. Frick verhandelten zäh. Der Verein Notfallpraxis Göppingen schloss mit der Klinik einen Vertrag, nach dem am Wochenende und an Feiertagen die niedergelassenen Ärzte die Notfallpraxis in der Klinik betreuen sollten. Für die niedergelassenen Ärzte, die Notdienst machen, ist das ideal, denn sie haben in der Klinik Zugriff auf sämtliche Geräte und das Labor. In der eigenen Praxis wäre dies nicht in diesem Umfang möglich. Auch für die Klinik ist das ein Vorteil, kamen doch sonst viele Patienten – die meisten mit Bagatellbeschwerden – in die Klinikambulanz. Jetzt schauen sich die niedergelassenen Kollegen die Patienten an und können ernste Fälle sofort in die Klinik einweisen. So kann die Klinik sich auf die Patienten konzentrieren, die eine stationäre Betreuung brauchen. Die Notfallpraxis in der Klinik am Eichert ist seit dem 23. Februar am Wochenende und an Feiertagen von 8 bis 22 Uhr besetzt. Nachts übernimmt die zentrale Notaufnahme der Klinik den Dienst. Da die Notfallversorgung in Baden-Württemberg bisher traditionell durch niedergelassene Ärzte durchgeführt wurde, mussten erhebliche Veränderungen durchgeführt werden. Ein Miteinander wie in Göppingen bedarf einer exzellenten, von gegenseitigem Vertrauen getragenen Partnerschaft zwischen Klinik und Ärzteschaft, und diese besteht. Ein Vorzeigemodell, von dem alle profitieren: Patienten, Ärzte und Kliniken. Jetzt sind die Geislinger Ärzte dabei, an der Helfensteinklinik ebenfalls eine Notfallpraxis nach diesem Muster einzurichten. Red.

Zentrum für Integrative Onkologie In einem interdisziplinären Team kombinieren wir die Möglichkeiten der modernen Onkologie mit den Therapieverfahren der anthroposophischen Medizin zu einem individuellen und ganzheitlichen Therapiekonzept. Unser Diagnostik-, Therapie- und Beratungsangebot umfasst u. a.: Diagnostik: Onkologische Diagnostik mit Spiral-CT und MRT Endoskopie Immunlabor Beratung: Interdisziplinäre Tumorkonferenzen Second-Opinion-Zentrum Therapie: Tumorchirurgie Chemotherapie, Immuntherapie, Hormontherapie, Radiotherapie (in Kooperation) Schmerztherapie Lokale- und Ganzkörperhyperthermie, aktive Fiebertherapie Tumorimpfung im Rahmen eines individuellen Heilversuches Individuelle Misteltherapie, anthroposophische Konstitutionsbehandlung Ernährungsmedizin Psychoonkologie, Heileurythmie, Musik-, Kunst- und Farblichttherapie Physiotherapie und äußere Anwendungen Infos über das Sekretariat der Onkologie Fon: 0711. 77 03 11 71

Anthroposophische Medizin: Akut- und Ganzheitsmedizin

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Im Haberschlai 7 | 70794 Filderstadt - Bonlanden www.filderklinik.de


Anthroposophische Medizin – eine vertrauensvolle Arzt-Patienten-Beziehung Lange schon gibt es den Trend zur sogenannten „sanften Medizin“. Doch so manch einer nimmt es nicht genau mit den Begriffen und spricht von Alternativmedizin, Homöopathie, Naturheilkunde, Anthroposophischer Medizin – ohne zu wissen, was was ist. Dr. Andreas Goyert von der Filderklinik hat den Begriff „Anthroposophische Medizin“ und die Philosophie, die dahinter steckt, erklärt. Dr. Magda Antonic

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Dr. med. Andreas Goyert Facharzt für Innere Medizin Die Filderklinik Im Haberschlai 7 70794 FilderstadtBonlanden Tel.: 0711 77030 E-Mail: anthro. amb@filderklinik.de

as wichtigste Element der Anthroposophischen Medizin ist die persönliche, vertrauensvolle Arzt-Patienten-Begegnung. Dieses Vertrauen ist wichtig, um die verschiedenen Ebenen der menschlichen Existenz in eine individuelle Diagnose und Therapie einbeziehen zu können. Die Anthroposophische Medizin erkennt die naturwissenschaftliche Medizin bzw. die Schulmedizin zur Erfassung der körperlichen, physischen Ebene des Organismus an und bezieht die ganze moderne Labordiagnostik und die apparativen Untersuchungstechniken mit ein. Sie erweitert aber ihre Diagnostik und Therapie, indem sie den Menschen immer als ein Zusammenwirken von Körper, Seele und Geist betrachtet. Krankheiten entstehen, wenn es zu einem Ungleichgewicht dieser Wesensglieder des Menschen kommt.

Entscheidend: das Ich Dr. Goyert macht den Kerngedanken der anthroposophischen Medizin an einem Krankheitsbild deutlich: „Ein Patient ist an einer schweren Lungenent-

Die Anthroposophische Medizin kann man nur praktizieren, wenn man einen Bezug zum Menschen- und Weltbild der Anthroposophen hat. zündung erkrankt. Der schulmedizinische Arzt sieht als Ursache für die Entzündung bestimmte Bakterien. Die kann man im Sputum nachweisen oder bei begleitender Sepsis auch im Blut. Diese Bakterien haben die Entzündung ausgelöst und müssen mit einer entsprechenden Antibiotikathe-

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rapie bekämpft werden. Das ist der Ansatz der Schulmedizin – sie geht vom Befund aus. Dass der Patient zu diesem Zeitpunkt diese Bakterien und die Entzündung bekommen hat, setzt aber voraus, dass in seinem Organismus die Bereitschaft dafür vorhanden war, die Lungenentzündung zu bekommen, dass er in irgendeiner Form geschwächt und dadurch empfänglicher war für diese Bakterien. Wie stark er erkrankt, hängt jetzt davon ab, wie gut sein Abwehrsystem ist bzw. wie gut seine Heilkräfte sind, die nun seine Krankheit überwinden helfen. Das wäre der Ansatz des anthroposophischen Arztes.“ In der Anthroposophischen Medizin weiß man, dass die Heilkräfte des Menschen auch abhängig sind von der seelischen Konstitution, in der sich ein Mensch befindet. „Wenn sich jemand in einer seelischen Hochstimmung befindet“, so Dr. Goyert, „etwa wenn er verliebt ist, wird er nicht krank, er braucht nicht mal Schlaf. Man kann in dieser Phase Berge versetzen. Umgekehrt ist es so, wenn jemand immer gekränkt wird, wenn er immer in Sorge ist, wird er anfällig für Krankheiten.“ In der Anthroposophischen Medizin hat man Therapien, die auch in diesem seelischen Bereich wirken. So wie die Therapien für die körperliche Seite aus der Natur gewonnen werden, werden die Therapien für die seelische Seite aus der Kultur gewonnen. Jeder, der seine seelische Stimmung auf die vollkommenste Weise zum Ausdruck bringen will, wird sich der Kunst bedienen. In der Kunst wird das Seelische ausgedrückt. Und wenn diese Kunst modifiziert wird, dann wird sie zur Therapie. Da gibt es u. a. die Musiktherapie, das Malen, die Sprachgestaltung. Alles, was den Menschen kulturfähig macht, lässt sich auch therapeutisch nutzen. Man muss nur wissen, wann man was einsetzen soll.

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Menschenweisheit Der Begriff Anthroposophie kommt aus dem Griechischen uns setzt sich zusammen aus dem Wort ánthropos (Mensch) und sophia (Weisheit), bedeutet also die Weisheit vom Menschen. Anthroposophie ist eine von Rudolf Steiner (1861–1925) begründete Weltanschauung. Sie betrachtet den Menschen in seiner Beziehung zum Übersinnlichen. Es ist eine Mischung aus Philosophie, Religion und Mystik und vereint in sich die Elemente des deutschen Idealismus, der Weltanschauung Goethes, fernöstlicher Lehren sowie der naturwissenschaftlichen Erkenntnisse ihrer Zeit.

Kompass Gesundheit DAS MAGAZIN FÜR BADEN-WÜRTTEMBERG

Abonnement Ja, ich möchte „Kompass Gesundheit“ regelmäßig lesen. Bitte senden Sie mir die „Kompass Gesundheit“-Ausgaben nach Erscheinen zu. „Kompass Gesundheit“ erscheint 4-mal jährlich. Ich übernehme die Porto- und Versandkosten in Höhe von Euro 10,pro Jahr. Ich kann diese Vereinbarung jederzeit widerrufen. Bitte keine Vorauszahlung! Sie erhalten von uns eine Rechnung. Frau / Herr

„Eine Krankheit hat man nicht umsonst“ In der Schulmedizin ist Krankheit im Grunde immer Pech, etwas ist falsch gelaufen, es liegt ein Reparaturfall vor. Ziel ist es, das zu reparieren, z. B. operieren, damit man leben kann wie vorher. In der Anthroposophischen Medizin sagt man, dass jede Krankheit zwar eine Krise im Leben ist, doch eine Krise hat immer zwei Seiten. Die eine Seite ist das Negative, die Gefahr, die man bewältigen muss. Das andere ist die Chance. Indem ich die Krise bewältige, kann ich mich entwickeln, komme ich weiter in meinem Leben. Dr. Goyert: „Und das ist der Grundgedanke in der Anthroposophie: Wir sind nicht umsonst hier, wir sind hier auf der Welt, um etwas zu werden, um uns zu entwickeln. Wenn ich eine Lungenentzündung überwunden habe, bin ich stärker als vorher. Genauso verhält es etwa bei Kinderkrankheiten. Wenn sie überstanden sind, ist man immun gegen sie. Der Körper hat etwas gelernt. Das ist ein Gesichtspunkt, der eine entscheidende Rolle in der Anthroposophischen Medizin spielt.“ Die Ärzte haben dabei die Aufgabe, Hilfestellung zu geben. Sie sollen nicht nur helfen, die Krankheit zu überwinden, sondern dem Patienten auch zeigen, wie er selbst zur Heilung beitragen kann. „Der Patient soll der Fachmann für sich selbst sein“, so Dr. Goyert. „Und er soll aktiv am eigenen Heilungsprozess mitwirken. Wer aktiv ist, Mut hat, Dinge anzupacken, fördert seinen eigenen Heilungsprozess. Wer passiv ist, sich aufgibt, beeinflusst den Heilbereich negativ.“

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Vorname Nachname Straße und Hausnummer PLZ Ort Tel. E-Mail Datum / Unterschrift Widerrufsrecht: Mir ist bekannt, dass ich die Vereinbarung innerhalb einer Woche bei MEDITEXT DR. ANTONIC (Leser-Service, Postfach 3131, 73751 Ostfildern) widerrufen kann. Die Frist beginnt mit Absendung dieses Formulars. Faxen Sie Ihre Bestellung an 0711 7656590 oder senden Sie diese in einem Briefumschlag an: MEDITEXT DR. ANTONIC Postfach 3131 73751 Ostfildern

Der nächste Kompass Gesundheit erscheint im August 2013

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Sternekoch Frank Oehler von der Speisemeisterei präsentiert: Spargel mit gebratener Poulardenbrust, Erbsenpüree und Morchel-Vinaigrette oder vegetarisch mit pochiertem Ei

Zutaten (für vier Personen) • 4 Poulardenbrüste oder 4 Eier • Rapsöl, Knoblauch, Thymian, Rosmarin zum Braten • Essigwasser mit Salz zum Pochieren vom Ei • 20 Stangen weißer Spargel • 200 g tiefgekühlte Erbsen • 100 ml Gemüsebrühe • 400 g Erbsen in der Schote • Erbsensprossen zum Garnieren

Spargel • 25 g getrocknete Morcheln • 1 Schalotte • 2 EL Rapsöl • 50 ml Weißwein • 50 ml Sherry • 20 ml Sherry-Essig • 1 Tl Honig • 1 Lorbeerblatt • Salz, Pfeffer, Sago

Zubereitung der Vinaigrette • Die Morcheln in 100 ml Wasser ca. 3 Std. einweichen, den Morchel-Sud durch einen Filter Passieren und auf 20 ml reduzieren. • Die Schalotte in feine Würfel schneiden, in zwei Esslöffel Rapsöl anschwitzen, mit Sherry-Essig, Sherry, Weißwein und MorchelSud aufgießen, einmal aufkochen, den Sago zugeben, noch einmal aufkochen lassen und ca. 30 Min. auf kleiner Flamme quellen lassen. • Die Morcheln anschwitzen und mit den ausgepulten und blanchierten Erbsen zu der Vinaigrette geben.

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Den Spargel schälen, die Enden abschneiden und in Salzwasser mit etwas Zitrone garen.

Das Erbsenpüree

Die tiefgekühlten Erbsen mit 100 ml Gemüsefond in einem Mixer fein pürieren, mit Salz und Pfeffer abschmecken und in einem Topf erhitzen.

Die Fleischvariante Die Poulardenbrüste mit Salz und Pfeffer würzen, in Rapsöl anbraten und für ca. 12 Min. mit etwas Knoblauch, Thymian und Rosmarin im Ofen bei 180 °C fertig garen. Die Ei-Variante

Für die pochierten Eier die Eier einzeln in Tassen aufschlagen, einen Topf mit Essigwasser und Salz zum Kochen bringen, mit Hilfe eines Schneebesens einen Strudel erzeugen, das Ei in den Strudel geben und leicht siedend 3 Min. garen. Das Ei mit einer Schaumkelle entnehmen. Die entnommen Eier kurz vor dem Servieren noch mal für eine halbe Minute ins Wasser zum Erhitzen geben.

Anrichten

Das Püree auf einer Seite des Tellers anrichten, mit drei Morcheln, drei Erbsen und zwei Erbsensprossen ausgarnieren. Fünf Stangen Spargel nebeneinander anrichten, die Poulardenbrust bzw. das Ei darauf geben und die Vinaigrette darüberträufeln.

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Gesunde Ernährung bedeutet auch, sich mit den Produkten auseinanderzusetzen. Das kann Spaß machen. Natürlich können Sie zwischen den Regalen der Lebensmittelmärkte „durchrasen“. Sie können aber auch mal die Stimmung auf dem Wochenmarkt genießen oder im Hofladen beim Bauern einkaufen und sich beraten lassen. Wir eröffnen unsere Rezeptreihe mit einem Spargelgericht. Wir stellen Ihnen das Rezept für vier Personen vor und gehen „frecherweise“ davon aus, dass zwei Personen Fleisch essen und zwei sich vegetarisch ernähren möchten. Wenn es Ihnen gefällt, können Sie uns das auch mitteilen: info@speisemeisterei.de. Spargel wurde übrigens schon vor Jahrtausenden wegen seiner heilenden und krankheitsvorbeugenden Wirkung geschätzt. Der griechische Arzt Dioskurides lobte seine harntreibende Wirkung. Mit unserem Rezept wollen wir Ihnen beweisen, wie toll gesunde Speisen schmecken können. Guten Appetit! Ihr Markus Eberhardinger

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Viele Menschen ernähren sich heute häufig ungesund. Industriell hergestellte Speisen schmecken auch meist sehr gut oder sogar phantastisch. Lebensmittelchemiker geben sich alle Mühe, das richtige „Knackgeräusch“ oder „Geschmackserlebnis“ zu entwickeln. Gesunde Ernährung muss allerdings nicht schlechter schmecken. Ich rate immer wieder: Probieren Sie beim Kochen etwas aus. Halten Sie sich nicht nur an das Rezept. Trauen Sie sich auch zu, etwas zu variieren. So wird das Kochen nicht nur ein Nachkochen, sondern vielleicht ein wunderbares Hobby. In diesem Sinne: Schmecken Sie! Riechen Sie! Genießen Sie! Und wenn es Ihnen gefällt, dann präsentieren wir Ihnen in jeder Ausgabe ein gesundes Gericht und erzählen Ihnen in der nächsten Ausgabe auch ein wenig mehr über unsere Philosophie in der Speisemeisterei. Ihr Frank Oehler

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Fünf Jahre „Hausarztzentrierter Vertrag“ der AOK für Baden-Württemberg:

So sehen Sieger aus! V

or fünf Jahren haben zwei große Ärzteorganisationen, der Hausärzteverband und der Medi-Verbund, mit der AOK in Baden-Württemberg eine kleine Revolution im Gesundheitssystem gestartet: die Hausarztzentrierte Versorgung (HzV). Was verbirgt sich dahinter? Eine Kasse schließt mit einzelnen Hausärzten Verträge ab, um so ihren Versicherten die Teilnahme an einem Hausarztprogramm anbieten zu können. Der Versicherte verpflichtet sich, für mindestens ein Jahr bei gesundheitlichen Problemen zuerst den von ihm gewählten Hausarzt aufzusuchen. Dieser ist die erste Anlaufstelle für den Patienten: Er führt ihn gewissermaßen als Lotse durch den Dschungel des Gesundheitssystems. Das ließ sich nicht von heute auf morgen verwirklichen, denn beide Seiten hatten ihre eigenen Vorstellungen von solch einem Zusammenwirken. Auch außerhalb Baden-Württembergs wurde und wird an solchen Verträgen gebastelt. Doch meistens gab es dabei Streitereien und eine Menge Ärger.

Unbürokratisch und patientenorientiert Was ist so anders an der Hausarztzentrierten Versorgung in Baden-Württemberg? „Zunächst einmal haben die AOK und die Ärzte einen Vertrag zur Versorgung der Patientinnen und Patienten direkt miteinander und nicht über die Kassenärztliche Vereinigung abgeschlossen und somit die Bürokratie auf ein Mini-

Werner Waldmann

mum vermindert“, sagt der Vorsitzende der Kreisärzteschaft Esslingen, Dr. Rainer Graneis, über das Hausarztmodell in Baden-Württemberg. „Das spart Zeit und Kosten, und die kommt den Versicherten der AOK zugute. Der Hausarzt wurde als zentraler Punkt der ambulanten medizinischen Versorgung festgelegt: Für die Grundversorgung der Patienten ist der Hausarzt zuständig und überweist bei Bedarf an die Fachärzte. Sämtliche Facharzt- und Krankenhausberichte laufen bei ihm zusammen, was ihn zu einer zentralen Informationsstelle für die Gesundheitsdaten seiner Patienten macht. Dadurch spart man unnötige Untersuchungen und somit Geld, das dann für die Verbesserung der Patientenversorgung zur Verfügung steht.“ Das Konzept hat sich in Baden-Württemberg bewährt: Die Patienten werden besser versorgt, und die Ärzte sind auch zufrieden, denn das Modell honoriert sie besser. Sie haben mehr Zeit für ihre Patienten. Dr. Graneis: „Wenn das kein Grund zum Feiern ist! Nur schade, dass die Bundesregierung die freie Weiterentwicklung solcher Versorgungsformen per Gesetz blockiert.“ Und wie akzeptieren die Patienten diese neue Art der Versorgung? Junge Menschen haben hin und wieder ein Problem damit. Das Gesundheitsbewusstsein Jüngerer ist wenig ausgeprägt; Gesundheit wird in diesem Alter als selbstverständlich betrachtet. Man braucht selten ärztliche Hilfe und sieht daher

Spezialist für Herzrhythmusstörungen am Paracelsus-Krankenhaus

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atienten mit Herzrhythmusstörungen kann in der Klinik für Herz- und Kreislauferkrankungen des Paracelsus-Krankenhauses Ruit mit modernsten Methoden geholfen werden. Mit dem Leitenden Oberarzt Dr. Alfons Rötzer verfügt die Klinik über einen Spezialisten für Rhythmologie. Dieses Spezialgebiet der Kardiologie widmet sich Unregelmäßigkeiten beim Herzschlag, die im Extremfall lebensgefährlich sein können. Der plötzliche Herztod durch Rhythmusstörungen bedroht viele Herzpatienten. Mit

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der fachlichen Expertise des Kardiologieteams können im Multifunktions-Katheterlabor des Paracelsus-Krankenhaus Ruit wirksame, nachhaltige und schonende Therapien angeboten werden. Grundlage einer rhythmologischen Behandlung ist zunächst eine gründliche Diagnostik, um die Ursache von Herzrasen oder Herzstolpern herauszufinden. Dazu müssen der Mensch und sein Herz als Ganzes betrachtet werden. Bei lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen kann mit einem relativ kleinen Eingriff ein Defi-

Dr. med. Alfons Rötzer

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plastisch-ästhetische Chirurgin

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nicht ein, sich fest an einen Arzt zu binden. „Stammpatienten und ältere Patienten, so ab 45 Jahren aufwärts”, erklärt Hausarzt Dr. Bosch in Ruit, „sind froh, dass es eine feste Koordinationsstelle für ihre gesundheitlichen Probleme gibt – einen Arzt, der sie als Vertrauter in allen gesundheitlichen Fragen begleitet. Sie schätzen die Beratung durch ihren Hausarzt durchaus auch noch, nachdem sie bereits verschiedene Fachärzte konsultiert haben. Und so höre ich öfters die Frage von meinen Patienten: Was würden Sie jetzt an meiner Stelle tun?“ Wer sich auf einen Hausarztvertrag einlässt, ist fast immer hochzufrieden. „Es gibt heute immer mehr Patienten”, so Dr. Stefan Reinecke, Ärztlicher Direktor am Marienhospital Stuttgart, „die sich einen Arzt wünschen, der sie in glaubwürdiger Weise begleitet und bei dem sie sich auch als Mensch akzeptiert fühlen. Bei dem man einfach weiß: Ich kann zu ihm kommen, meine Fragen stellen und werde eine ehrliche Einschätzung zu hören bekommen. Wenn der Arzt diesen Zugang zu seinem Patienten hat und die Therapie auf Augenhöhe mit ihm besprechen kann – wenn er sich Zeit nimmt, ihm zu erläutern, warum er dieses oder jenes Medikament vorschlägt und was er damit erreichen möchte –, dann wird er sicher auch einen Weg finden, den Patienten dazu zu motivieren, dass er diese Behandlung über längere Zeit durchführt.” Die AOK nennt sich Gesundheitskasse. Das kann man als Programm verstehen, den Menschen zu helfen, gesund zu bleiben, gesünder zu leben – um erst gar nicht krank zu werden. Viele Erkrankungen sind zu vermeiden, wenn – ja wenn! Das Rauchen aufzugeben, sich ausgewogen zu ernähren und ein wenig mehr an Bewegung – ein tolles Rezept! Doch dies umzusetzen braucht es eines ständigen Mahners. Diese Rolle passt zum Hausarzt. Zu dem Arzt, der einen über Jahre hinweg betreut und seine Schäfchen kennt. Auch dies ist ein Gedanke, der beim HzV eine Rolle spielt. Der Vertrag der AOK bietet den Patienten noch weitere Vorteile: So kann der Hausarzt Patienten mit psychischen Problemen innerhalb kurzer Zeit einen Termin bei einem Psychotherapeuten anbieten. Das ist phänomenal, denkt man an die üblichen Wartezeiten, die es braucht, um dort einen Termin zu erhalten. Anzeige

brillator implantiert werden. Dieser löst bei Rhythmusstörungen automatisch einen Elektroschock aus, der den Herzschlag wieder in den normalen Takt versetzt. Dr. Rötzer wendet noch eine weitere Methode an, die so genannte Katheterablation. In der Leistengegend wird ein spezieller Herzkatheter eingeführt. Der Katheter verödet genau die Herzfasern, die den normalen Herzrhythmus stören. Damit ist die Quelle der Störung beseitigt. Dr. Rötzer zu seinen Erfahrungen: „Der Eingriff ist für den Patienten nicht sehr belastend und kann in den meisten Fällen die Rhythmusstörung nachhaltig beseitigen. Gerade auch bei älteren Pa-

tienten ist dies ein großer medizinischer Fortschritt.“ Chefarzt Prof. Dr. Christian Herdeg sieht in der Rhythmologie eine wichtige Säule des Angebots der Kardiologie: „Zusätzlich zur Hilfe bei einem Infarkt oder bei gefährlichen Verengungen der Gefäße, die wir mit unserem Katheterlabor schon lange behandeln können, haben wir jetzt weitere therapeutische Möglichkeiten, die den Patienten im Landkreis Esslingen zugutekommen.“

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Kreiskliniken Esslingen gGmbH Paracelsus-Krankenhaus Ruit Hedelfinger Str. 166; 73760 Ostfildern Tel.: 0711 4488-0

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Im Gespräch mit Michael Hennrich

Blick hinter die Kulissen der Gesundheitspolitik D

as Wort „Politik“ hört sich ziemlich anonym an, doch Politik wird von Menschen gemacht. Von Mitbürgern, die sich zur Wahl stellen, die wir wählen; und wer die meisten Stimmen auf sich vereint, kriegt den Job. Michael Hennrich zum Beispiel. Er vertritt für die CDU den Wahlkreis Nürtingen, übrigens bereits in der dritten Wahlperiode. Ein alter Hase im Politikbetrieb also. Was ihn für uns besonders interessant macht: Er ist Mitglied des Gesundheitsausschusses in Berlin. Der setzt sich aus insgesamt 37 Mitgliedern zusammen: Die CDU/CSU stellt 14 Mitglieder, die SPD neun, die FDP sechs, die Linke und die Grünen jeweils vier. In regelmäßigen Abständen trifft sich dieser Ausschuss und behandelt aktuelle Fragen. Beispielsweise die Folgen von Alkoholsucht für Wirtschaft und Gesundheitswesen oder die Zuzahlungsmodalitäten in der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Ergebnisse der Sitzungen werden dann im Bundestag eingebracht. Und dort wird alles wieder debattiert. Es braucht halt seine Zeit: Entweder verläuft ein Projekt im Sand, weil sich keine Mehrheit dafür findet, oder es entsteht ein Gesetz daraus. Alles in allem ein mühsamer Prozess. Doch so ist das in einer Demokratie: Wo es viele Meinungen gibt, kommt nicht immer ein Entschluss heraus. Werner Waldmann hat den Bundestagsabgeordneten Michael Hennrich im Berliner Parlamentsgebäude besucht und nachgefragt, wie man überhaupt zu einem Job im gesundheitspolitischen Ressort kommt und wie Gesundheitspolitik denn nun konkret gemacht wird. Immerhin betreffen die Ergebnisse uns alle.

Michael Hennrich, MdB Platz der Republik 1 11011 Berlin Tel.: 030 227 75330 Fax: 030 227 76091 E-Mail: michael.hennrich@ bundestag.de

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Herr Hennrich, wie sieht Gesundheitspolitik konkret aus? Was kann sich der Bürger darunter vorstellen? Michael Hennrich: Gesundheitspolitik ist ein breites Feld. Das fängt auf der europäischen Ebene an, wo gewisse Dinge länderübergreifend geregelt werden. Es umfasst Themen wie Krankenkassen, Selbsthilfegruppen, Arzneimittelversorgung, Krankenhäuser, Prävention Patientenrechte, öffentliche Gesundheitsversorgung usw. Jeder Abgeordnete hat ein Spezialgebiet. In meinem Fall ist es die Arzneimittelpolitik. Ich bin in meiner Fraktion für den kompletten Arzneimittelsektor zuständig, von der Herstellung beim einzelnen Pharmaunternehmen über die Distribution und die Lieferkette bis hin zu Fragen der Erstattungsfähigkeit. Dafür bin ich allein verantwortlich und kümmere mich um alles, was in diesem Bereich ansteht und geregelt werden muss. Arzneimittelversorgung ist ein weites Gebiet. Wie informieren Sie sich über die Details und Zusammenhänge? Michael Hennrich: Es gibt unterschiedliche Informationsquellen. Zum einen versuche ich, regelmäßig Gespräche mit allen Beteiligten zu führen: mit der Pharmaindustrie, mit den dahinter stehenden Verbänden, mit Patientenselbsthilfegruppen, Groß-

händlern, Apotheken und Apothekerverbänden und natürlich auch mit den Krankenkassen und den Patienten. Pflicht ist die regelmäßige Lektüre einschlägiger Fachzeitschriften; aber auch die Tageszeitung bietet wichtige Informationen, denn dort werden Probleme der Menschen artikuliert. Es gibt also sehr unterschiedliche, fast unübersehbare Informationsquellen, und heute, im Zeitalter des Internets, versucht man das eine oder andere auch dort aufzuspüren. Doch die besten Informationen gewinne ich im Rahmen von Gesprächen mit den Betroffenen. Welche Aufgaben erfüllt der Gesundheitsausschuss? Michael Hennrich: In diesem Ausschuss werden in erster Linie die Gesetze beraten, die von der Bundesregierung, dem Bundesrat oder der Fraktion kommen. Der Gesundheitsausschuss berät über Gesetzesvorhaben, hört Sachverständige und Betroffene an. Diese Anhörungen werten wir dann aus und überlegen uns, ob ein Gesetz vielleicht korrigiert werden muss. Ist das der Fall, formulieren wir Änderungsanträge zu dem Gesetzesentwurf. Diese Änderungsanträge werden dann zusammen mit dem gesamten Gesetzespaket abschließend beraten, verabschiedet und wieder in den Deut-

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schen Bundestag zurücküberwiesen, der das Gesetz dann verabschiedet. Bereitet Ihnen, im Vertrauen gefragt, Ihr Koalitionspartner manchmal auch Stress? Michael Hennrich: Das gibt es immer wieder in der Gesundheitspolitik. Die letzte scharfe Auseinandersetzung hatten wir in Sachen Praxisgebühr. Es kann aber auch Meinungsverschiedenheiten im Verhältnis zur CSU und innerhalb einer Arbeitsgruppe geben. Auch innerhalb der CDU gibt es unterschiedliche Vorstellungen, z. B. was die Zukunft der Krankenhäuser angeht. Da müssen wir hart diskutieren, beraten, und dann stimmen wir ab und erwarten, dass die Minderheit dem Votum der Mehrheit folgt. Es gehört nun einmal zur parlamentarischen Demokratie, Kompromisse zu finden. Anfang dieses Jahres wurde das neue Patientenrechtegesetz verabschiedet, das den Patienten mündiger machen und ihm mehr Rechte einräumen will. Freilich gibt es auch Kritik am neuen Gesetz, z.B. dass die Beweislast bei Behandlungsfehlern nicht ausgewogen verteilt sei. Der Patient trägt immerhin noch die gesamte Beweislast. Obwohl er dies in vielen Fällen gar nicht kann. Sollte nicht erst der behandelnde Arzt belegen, dass der erlittene Schaden nicht auf einen Behandlungsfehler zurückzuführen ist? Michael Hennrich: Wir haben in dieses Gesetz die Beweislastumkehr bei “grober Pflichtverletzung” reingeschrieben . Dies ist ein juristischer Begriff, der natürlich im Einzelfall geklärt werden muss.

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Warum haben wir das nicht weiter gefasst? Weil dies natürlich auch unser Gesundheitssystem erheblich verkompliziert und für mehr Bürokratie gesorgt hätte. Eine generelle Umkehr der Beweislast hätte z.B. bei vielen Routineeingriffen zu einer umfangreicheren Dokumentation und u.U. auch zu einer Leistungsausweitung geführt. Der Patientenbeauftragte Wolfgang Zöller hat das an einem Beispiel anschaulich erklärt: Nehmen wir an, 100 Patienten kommen zum Arzt und klagen über Kopfschmerzen, und der Arzt verschreibt ihnen Kopfschmerzmittel. Nach vier Wochen kommen zwei Patienten wieder in die Praxis; bei dem einem stellt der Arzt fest, dass er einen Tumor hat und dass die Behandlung erfolgversprechender gewesen wäre, wenn man sie schon vor vier Wochen durchgeführt hätte. Das aber hieße, alle 100 Patienten, die beim Arzt über Kopfweh klagen, zum CT zu schicken, damit der Arzt juristisch auf der sicheren Seite ist und nicht schadenersatzpflichtig gemacht werden kann. So ist das in den USA, wo viele überflüssige CT-Aufnahmen angefertigt werden, die auch ein hohes Krebsrisiko darstellen. Deshalb wollten wir nicht in Mehr Infos auf: jedem Fall den Arzt www.kompass-gesundheit-bw.de beweispf lichtig Das ausführliche Interview mit machen, sondern Michael Hennrich können Sie auf der Homepage von nur, wenn ihm eine „Kompass Gesundheit“ besonders schwernachlesen. Scannen Sie dazu wiegende Pflichtdiesen QR-Code. verletzung vorzuwerfen ist.

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Erste Hilfe:

Durch die stabile Seitenlage wird sichergestellt, dass die Atemwege freigehalten werden und etwa Erbrochenes oder Blut ablaufen kann. Der Mund des Betroffenen wird dabei zum tiefsten Punkt des Körpers. Auf diese Weise wird der Betroffene vor dem Ersticken bewahrt.

Die stabile Seitenlage

Schritt 2 Schritt 1 • Knien Sie sich seitlich neben den Betroffenen. • Strecken Sie die Beine des Betroffenen. • Legen Sie den nahen Arm des Betroffenen angewinkelt nach oben, die Handinnenfläche zeigt dabei nach oben.

• Greifen Sie den fernen Arm des Betroffenen am Handgelenk. • Kreuzen Sie den Arm vor der Brust, legen Sie die Handoberfläche des Betroffenen an dessen Wange. • Lassen Sie die Hand nicht los.

Schritt 5 Schritt 3 • Greifen Sie an den fernen Oberschenkel und beugen Sie das Bein des Betroffenen.

Schritt 4 • Ziehen Sie den Betroffenen zu sich herüber. • Richten Sie das oben liegende Bein so aus, dass der Oberschenkel im rechten Winkel zur Hüfte liegt.

• Neigen Sie den Kopf des Betroffenen nach hinten, damit die Atemwege frei werden. • Öffnen Sie leicht den Mund des Betroffenen. • Richten Sie die an der Wange liegende Hand so aus, dass die Atemwege frei bleiben. • Decken Sie den Betroffenen zu. • Beruhigen, betreuen und trösten Sie den Betroffenen bis zum Eitreffen des Rettungsdienstes. Beobachten Sie ihn dabei wiederholt und prüfen Sie sein Bewusstsein und seine Atmung.


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