Kompass Gesundheit DAS MAGAZIN FÜR BADEN-WÜRTTEMBERG
Nr. 3 2017
2. Stuttgarter Herztag
Impfun
Rätselhaftes Rheuma
bei Reis
Kreativ mit Stress umgehen
6. Jahrgang www.kompass-gesundheit-bw.de
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en und als Präven tion
In Zusammenarbeit mit der
Klinik für Kardiologie, Angiologie und Pneumologie Das Diagnostik- und Therapiezentrum für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Gefäß-, Lungen- und Nierenerkrankungen Klinikum Esslingen Chefarzt Prof. Dr. Matthias Leschke Arzt für Innere Medizin, Kardiologie, Pneumologie und Intensivmedizin Telefon 0711 3103-2401 Telefax 0711 3103-2405 E-Mail: m.leschke@klinikum-esslingen.de
editorial Liebe Leserin, lieber Leser, in dieser Ausgabe des „Kompass Gesundheit“ geht es um das Herz. Der 2. Stuttgarter Herztag am 1. Juli im Treffpunkt Rotebühlplatz in der City von Stuttgart ist Anlass, dass wir in diesem Heft zusammenfassend über die einzelnen Vorträge berichten. Die Herzmedizin hat in den vergangenen zwei bis drei Jahrzehnten enorme Fortschritte gemacht. Ein Beweis: Die Sterbeziffer der häufigsten Herzkrankheiten im Jahr 2014 lag fast um 5 % unter dem Wert von 2013. Übrigens wird der Fortschritt der Herzmedizin besonders an einer Tatsache deutlich: Wir alle werden älter und dabei verschleißen zwangsläufig z. B. unsere Herzklappen. Früher bedeutete dies einen frühen Tod oder eine riskante Operation, bei der man den Brustkorb öffnen musste. Die Herzchirurgen und interventionellen Kardiologen arbeiten da heute intensiv zusammen und ersetzen undichte Herzklappen mit schonenden minimalinvasiven Methoden. Dennoch bedeutet dies keine Entwarnung: Herzkrankheiten sind leider nach wie vor Todesursache Nr. 1. Ich sehe einen hohen Handlungsbedarf vor allem in der Prävention. Die Risikofaktoren für koronare Herzerkrankungen sind heute jedermann bekannt: Rauchen, Übergewicht, sportliche Inaktivität. Eigentlich wäre Prävention ganz einfach: Verzicht auf die Zigarette, was zugegeben ordentliche Disziplin erfordert. Eine ausgewogene Ernährung, was keinesfalls den Verzicht auf kulinarische Freuden bedeutet: Der tägliche Konsum diverser Fast-Food-Produkte hat wenig mit Genuss zu tun. „Ausgewogene“ Ernährung schmeckt fantastisch; man muss sich nur erst einmal darauf einlassen. Und Bewegung wird vielfach als unangenehme Pflicht verstanden und boykottiert. Falsch: Bewegung bereitet großes Vergnügen, draußen an der frischen Luft oder im Wettbewerb mit guten Freunden. Jogging, Biking, Schwimmen, Training im Studio – wer sich wirklich regelmäßig bewegt, erlebt keinen Frust, sondern glückliche Momente: Der Körper dankt die Mobilität und begeistert mit der Ausschüttung der berühmten Glückshormone. Prävention heißt, Krankheiten zu vermeiden. Aber auch Infektionskrankheiten gefährden nach wie vor unserer Gesundheit. Doch dies können wir vermeiden, indem wir uns gegen eine Vielzahl von Infektionen impfen lassen. Das Risiko für Impfschäden ist extrem niedrig. Das Risiko ungeimpft eine solche Erkrankung mit allen bösen Folgen zu erleiden, ist immens. Insofern verstehe ich nicht, dass es immer noch Zeitgenossen gibt, die beinahe militant gegen den Impfschutz zu Felde ziehen. Ich wünsche Ihnen eine wunderschöne Sommerzeit. Nutzen Sie diese Tage und tun Sie etwas für Ihr Herz, das unermüdlich in Ihrer Brust schlägt. Behandeln Sie es gut. Essen und trinken Sie mit Genuss – und Vernunft. Und bewegen Sie sich draußen in der Natur. Sie werden sich super fühlen!
Prof. Dr. med. Matthias Leschke, Chefarzt der Klinik für Kardiologie, Angiologie und Pneumologie, Klinikum Esslingen
Ihr Matthias Leschke
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Herausgeber: Dr. Magda Antonic Redaktionsleitung: Werner Waldmann (V.i.S.d.P.) Botschafter: Dr. med. Suso Lederle Medizinisch-wissenschaftlicher Beirat: Prof. Dr. med. Tilo Andus, Prof. Dr. med. Walter-Erich Aulitzky, Dr. med. Carl-Ludwig v. Ballestrem, Prof. Dr. med. Hansjörg Bäzner, Prof. Dr. med. Gerd Becker, Dr. med. Wolfgang Bosch, Prof. Dr. med. Alexander Bosse, Dr. med. Ernst Bühler, Prof. Dr. med. Claudio Denzlinger, Dipl.-Psych. Sabine Eller, Prof. Dr. med. Ulrich Franke, Dr. med. Wilhelm Gienger, Dr. med. Joachim Glockner, Dr. med. Rainer Graneis, Dr. med. Christian Hayd, Prof. Dr. med. Bernhard Hellmich, Prof. Dr. med. Doris Henne-Bruns, Prof. Dr. med. Christian Herdeg, Prof. Dr. med. Bodo Klump, Prof. Dr. med. Monika Kellerer, Prof. Dr. med. Alfred Königsrainer, Dr. med. Klaus Kraft, Prof. Dr. med. Matthias Leschke, Prof. Dr. med. Ulrich Liener, Prof. Dr. med. Alfred Lindner, Prof. Dr. med. Ralf Lobmann, Dr. Tobias Meile, Dr. med. Gerhard Müller-Schwefe, Prof. Dr. med. Thomas Nordt, Dr. med. Jürgen Nothwang, Dr. med. Stefan Reinecke MBA, Dr. med. Martin Runge, Dr. med. Nobert Smetak, Dr. med. Wolfgang Sperber, Prof. Dr. med. Arnulf Stenzl, Prof. Dr. med. Thomas Strowitzki, Dr. med. Bernd Voggenreiter, Holger Woehrle, Dr. med. Sieglind Zehnle Gesundheitspolitik: Markus Grübel (MdB), Michael Hennrich (MdB) Redaktion: Dr. J. Roxanne Dossak, Ursula Pieper, Marion Zerbst Art Direction: Dr. Magda Antonic Herstellung: Barbara Schüler Druck: Wahl-Druck GmbH Fotos: Cover: Grafik: © ElisaRiva /pixabay.com; S. 18: Bild: © Sebastian Kaulitzki/ shutterstock.com; S. 22: Bild: © geralt/pixabay.com; S. 26: Foto: © AOK-Mediendienst; S. 31: Foto: © sfeichtner/shutterstock.com; S. 37: Foto: © Pavel L Photo and Video/ shutterstock.com; Für die Autoren- und Ärzteporträts liegen die Rechte bei den abgebildeten Personen. Alle anderen Fotos: MEDITEXT Dr. Antonic
Verlag: MEDITEXT Dr. Antonic Verlagsleitung: Dr. Magda Antonic Panoramastr. 6; D-73760 Ostfildern Tel.: 0711 7656494; Fax: 0711 7656590 dr.antonic@meditext-online.de; www.meditext-online.de www.kompass-gesundheit-bw.de Wichtiger Hinweis: Medizin als Wissenschaft ist ständig im Fluss. Soweit in dieser Zeitschrift eine Applikation oder Dosierung angegeben ist, darf der Leser zwar darauf vertrauen, dass Autoren, Redaktion und Verlag größte Mühe darauf verwandt haben, dass diese Angaben genau dem Wissensstand bei Drucklegung der Zeitschrift entsprachen. Dennoch sollte jeder Benutzer die Beipackzettel der verwendeten Medikamente selbst prüfen, um in eigener Verantwortung festzustellen, ob die dort gegebene Empfehlung für Dosierungen oder die Beachtung von Kontraindikationen gegenüber der Angabe in dieser Zeitschrift abweicht. Leser außerhalb der Bundesrepublik Deutschland müssen sich nach den Vorschriften der für sie zuständigen Behörden richten. Geschützte Warennamen (Warenzeichen) müssen nicht besonders kenntlich gemacht sein. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt. Das Magazin und alle in ihm enthaltenen Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Mit Ausnahme der gesetzlich zugelassenen Fälle ist eine Verwertung ohne Einwilligung von MEDITEXT Dr. Antonic strafbar. Die Redaktion behält sich die Bearbeitung von Beiträgen vor. Für unverlangt eingesandte Manuskripte, Fotos und Abbildungen wird keine Haftung übernommen. Mit Namen gezeichnete Artikel geben die Meinung des Verfassers wieder. Erfüllungsort und Gerichtsstand ist Esslingen.
Ein Einzelheft ist zum Preis von 1,60 Euro (zzgl. Versandkosten) beim Verlag erhältlich. Copyright © 2017 by MEDITEXT Dr. Antonic, 73760 Ostfildern
ISSN 2194-5438
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AOK – Die Gesundheitskasse Neckar- Fils
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Kompass Gesundheit – Das Magazin für Baden-Württemberg
ZGH 0116 /
Impressum
inhalt 2. Stuttgarter Herztag
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• Volkskrankheit Herzschwäche: Mit konsequenter Behandlung gut in den Griff zu bekommen
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• Bypass oder Herzkatheter: Was ist die bessere Behandlungsmethode bei verengten Herzkranzgefäßen?
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• Kurzschluss im Gehirn: Was tun bei einem Schlaganfall?
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• Wie viel Bewegung braucht und verträgt das Herz?
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• Leben nach dem Herzinfarkt
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• Was haben Herz und Schlaf miteinander zu tun? … oder: Warum Schnarchen gefährlich sein kann • Bluthochdruck, Herz und Nieren: Wie hängt das zusammen?
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Ein Volksleiden – doch selten erkannt Rätselhaftes Rheuma
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Kreativ mit Stress umgehen – Resilienz durch Mentalisieren
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Der Traum jedes Patienten: privat versichert?
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Nicht jammern – neue Wege suchen
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Fernreisen & Impfungen: Vorbereitet reisen, gesund heimkommen
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Eine oft versäumte Chance gegen Krebs: HPV-Impfung
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Weshalb sind die Deutschen impfmüde?
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Rubriken Impressum 4 | Aboformular 42 | Kolumne Dr. Lederle 43 | Veranstaltungen 43 |
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2. STUTTGARTER
HERZTAG Schirmherrschaft
Deutsche Herzstiftung
er aktuelle Herzbericht zeigt, dass die medizinische Versorgung von Herzleiden einen großen Fortschritt gemacht hat. „Die Zahlen zeigen nicht nur, dass die Herz-Medizin in den letzten zweieinhalb Jahrzehnten erhebliche Fortschritte erreicht hat“, so Prof. Katus von der Uni-Klinik Heidelberg. „Besonders erfreulich ist, dass selbst auf hohem Niveau noch Verbesserungen erzielt werden konnten.“ Herzkrankheiten stehen aber bei den Todesursachen leider immer noch an erster Stelle. Es gibt also im Bereich der Prävention nach wie vor viel zu tun, schließlich kennen wir die Risikofaktoren, etwa
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TREFFPUNKT
Rotebühlplatz 1. Juli 2017 9 bis 17 Uhr
in Zusammenarbeit mit
ZAR Stuttgart
Zentrum für ambulante Rehabilitation
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für koronare Herzerkrankungen, sehr genau: Rauchen, Übergewicht, Diabetes mellitus, Depressionen und sportliche Inaktivität. Hier liegen präventive Ansatzmöglichkeiten zur Senkung der Sterblichkeit. Wichtig ist, den Menschen Informationen darüber zu geben, wie Herzleiden entstehen und wie dies zu verhindern ist. Unser 2. Stuttgarter Herztag hat weiter aufgeklärt. Wie geht das Leben weiter nach einem Herzinfarkt? Lässt sich ein Schlaganfall verhindern und wenn es passiert, welche Überlebenschancen bietet die moderne Medizin? Bluthochdruck ist keine Banalität. Das Gefährliche an
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ihm ist, dass er erst auffällt, wenn es fast zu spät ist. Wie steht es um das Herz der älteren Menschen? Was vermag die moderne Herzchirurgie, wenn das Herz nicht mehr so arbeitet wie es nötig wäre? Ein Herz braucht Bewegung, wenn es gesund und leistungsfähig sein will. Übergewicht schadet dem Herzen, doch die Medizin hat neue Methoden im Angebot, auch einer hartnäckigen Fettleibigkeit wirksam an den Kragen zu gehen. Die hochinteressanten Themen unseres 2. Stuttgarter Herztages haben wir für Sie hier zusammengefasst.
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Unser 2. Stuttgarter Herztag im Treffpunkt Rotebühlplatz Marion Zerbst, Werner Waldmann
Volkskrankheit Herzschwäche: Mit konsequenter Behandlung gut in den Griff zu bekommen Aufgrund der Fortschritte unserer heutigen Medizin können Herz-Kreislauf-Erkrankungen seit einigen Jahrzehnten immer besser behandelt werden. Trotzdem sind sie nach wie vor die Todesursache Nummer eins in Deutschland. Vor allem bei älteren Menschen kommt die Herzschwäche (Herzinsuffizienz) ziemlich häufig vor. Über die Erkrankung informierte Prof. Thomas Nordt vom Klinikum Stuttgart. ei der Herzinsuffizienz handelt es sich um eine Pumpschwäche des Herzens: Es kann nicht mehr genügend Blut durch den Körper pumpen. Dadurch staut sich Flüssigkeit im Körper an. Je nachdem, ob die linke oder rechte Herzkammer betroffen ist, kommt es zu unterschiedlichen Symptomen: Bei der Linksherzinsuffizienz staut sich Blut in den Lungenbläschen, was zu Atemnot führt: Man gerät bei Anstrengungen – beispielsweise beim Treppensteigen – schon nach kurzer Zeit außer Atem. Bei der Rechtsherzinsuffizienz stauen sich Blut und Wasser in den Füßen und Beinen an. Meist entsteht eine Herzinsuffizienz durch andere Herzkrankheiten: zum Beispiel durch einen überstandenen Herzinfarkt. Dass heutzutage dank verbesserter Behandlungsmöglichkeiten immer mehr Patienten den Infarkt überleben, ist eine gute Nachricht – doch manchmal bleiben danach Herzschäden zurück, die die Leistungsfähigkeit unseres Lebensmotors einschränken. Auch ein langjähriger unbehandelter Bluthochdruck kann das Herz überlasten und zu Herzschwäche führen. Diese Erkrankung darf man nicht als „unvermeidliche Alterserscheinung“ auf die leichte Schulter nehmen. Erstens ist sie nicht unvermeidbar, sondern man kann ihr in vielen Fällen vorbeugen, indem man auf ein gesundes Herz achtet. Zweitens verschlechtert eine Herzinsuffizienz die Lebensqualität: Man fühlt sich müde, abgeschlagen, kann nicht mehr so am Leben teilhaben, wie man es vorher gewohnt war. Und nicht zuletzt verkürzt sie die Lebenserwartung stärker als die meisten Krebserkrankungen!
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Therapie: Sie haben es selbst in der Hand Deshalb muss eine Herzschwäche sorgfältig behandelt werden, wozu auch der Patient selbst, durch eine Änderung seiner Lebensweise, eine ganze Menge beitragen kann: • Falls er übergewichtig ist, muss er abnehmen. Denn zu viele Pfunde belasten das Herz. • Er sollte seine Flüssigkeitszufuhr auf zwei Liter (in schwereren Fällen auch weniger) und seinen Kochsalzkonsum auf höchstens drei Gramm pro Tag begrenzen. Denn zu viel Flüssigkeit belastet das in seiner Pumpfähigkeit eingeschränkte Herz ebenfalls. Auch Salz trägt zur Ansammlung von Flüssigkeit im Körper bei, weil das darin enthaltene Natrium Wasser bindet. • Er muss sich jeden Morgen in nüchternem Zustand wiegen und bei einer Gewichtszunahme (dem ersten warnenden Anzeichen für eine Verschlechterung der Herzinsuffizienz mit vermehrter Flüssigkeitseinlagerung) sofort seinen Arzt kontaktieren. Denn durch rechtzeitiges Gegensteuern lassen sich Krankenhausaufenthalte oft noch vermeiden. • Früher glaubte man, Herzinsuffizienzpatienten müssten sich körperlich schonen. Heute weiß man, dass genau das Gegenteil der Fall ist: Ein moderates körperliches Ausdauertraining hilft, Herzleistung und Lebensqualität zu erhalten, und verbessert die Lebenserwartung. Nur bei einer akuten Verschlechterung der Herzschwäche ist Sport nicht erlaubt. Also überwinden Sie Ihren „inneren Schweinehund“ und bleiben
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Sie körperlich aktiv – dann werden Sie sich schon nach drei Monaten deutlich besser fühlen! Ihr Arzt wird Ihnen sagen, welche Sportarten für Sie geeignet sind und wie stark Sie sich dabei belasten dürfen. Hinzu kommt eine medikamentöse Therapie, die ebenfalls konsequent eingehalten werden muss. Hier hat die Kardiologie große Fortschritte gemacht: Früher gab es zur Behandlung der Herzinsuffizienz nur Digitalispräparate und Diuretika (harntreibende, entwässernde Medikamente), von denen man inzwischen weiß, dass sie die Lebenserwartung eher negativ beeinflussen. Moderne Medikamente wie ACE-Hemmer, Betablocker und Sartane wirken dagegen lebensverlängernd und führen dazu, dass die Patienten seltener ins Krankenhaus eingewiesen werden müssen. Allerdings
müssen sie ihre Medikamente unbedingt regelmäßig einnehmen und dürfen sie nicht weglassen, sobald es ihnen wieder ein bisschen besser geht!
Ein Schrittmacher macht Ihrem Herzen Beine Ein weiterer Fortschritt in der Therapie der Herzinsuffizienz ist die kardiale Resynchronisationstherapie: Oft pumpen die beiden Herzkammern mit fortschreitender Herzschwäche nicht mehr synchron. Dadurch verschlimmert sich die Herzinsuffizienz. Ein spezieller Schrittmacher, der dem Patienten implantiert wird, sorgt dafür, dass rechte und linke Herzkammer wieder gleichzeitig pumpen. Dadurch verbessert sich die Pumpleistung des Herzens, der Patient leidet weniger unter Atemnot und muss seltener ins Krankenhaus.
Bypass oder Herzkatheter: Was ist die bessere Behandlungsmethode bei verengten Herzkranzgefäßen? Verengte Herzkranzgefäße können zu quälenden Angina-pectoris-Beschwerden und nicht selten auch zu einem Herzinfarkt führen. Grundsätzlich gibt es zwei Behandlungsmöglichkeiten: Man kann die Engstelle mit einem körpereigenen Blutgefäß (sogenannten Bypass) künstlich umgehen und dadurch den ungehinderten Blutfluss wiederherstellen. Hierzu ist eine Operation erforderlich. Oder man kann das verengte Gefäß aufweiten, indem man über eine Oberschenkelarterie einen Ballon bis zur verengten Stelle vorschiebt und diesen Ballon dann für kurze Zeit aufbläht. Der Ballon drückt die arteriosklerotische Plaque in die Wand der Herzkranzarterie und weitet sie dadurch auf. Damit das Gefäß sich nicht wieder verschließt, wird im Anschluss an die Ballondilatation noch ein stabiles, dünnes Drahtgeflecht (sogenannter Stent) eingesetzt, das die Arterie dauerhaft offen hält. ber die Frage, welche Behandlungsmethode wann am besten geeignet ist, diskutierte Dr. Suso Lederle mit dem Herzchirurgen Prof. Nicolas Doll von der Sana Herzchirurgie in Stuttgart und Prof. Matthias Leschke vom Klinikum Esslingen. Beim akuten Herzinfarkt ist der Fall klar: Bei solchen Patienten muss das verschlossene Gefäß so schnell wie möglich per Ballon und Stent im Herzkatheterlabor eröffnet werden. Doch was tut man bei einer Herzkranzgefäßverengung, die bisher noch nicht zum Herzinfarkt geführt hat, aber behandlungsbedürftig ist? Hier bieten sich mehrere Möglichkeiten an: • In manchen Fällen reicht eine gute medikamentöse Therapie aus. „Blutverdünnende“ Arz-
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neimittel wie Acetylsalicylsäure oder Clopidogrel, Statine zur Cholesterinsenkung, blutdrucksenkende Mittel, bei Bedarf Nitrate zur Behandlung der quälenden Brustenge bei Angina pectoris … Die Palette der heute zur Verfügung stehenden Medikamente ist breit und die Wirksamkeit sehr hoch. • Falls eine Behandlung mit Medikamenten nicht ausreichen sollte, kann das verengte Gefäß entweder im Rahmen einer OP per Bypass umgangen … • oder durch einen Eingriff im Katheterlabor wieder durchgängig gemacht werden. Spontan nach seinen Präferenzen gefragt, würde wahrscheinlich jeder Patient sich lieber für die Ka-
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theterintervention entscheiden, statt sich einen Bypass einsetzen zu lassen. Denn dazu ist nur ein kleiner Schnitt in der Leiste erforderlich. Aber ist das für den Patienten auch wirklich immer die beste Lösung? Das kommt auf die Art der Erkrankung an. Inzwischen ist man sich darüber einig, dass in bestimmten Fällen ein Bypass der bessere Weg ist: zum Beispiel bei Diabetikern, bei Patienten mit eingeschränkter Pumpfunktion (Herzinsuffizienz) oder wenn der Ursprung der linken Herzkranzarterie verengt ist. Aber natürlich sind auch andere Faktoren zu beachten, zum Beispiel: Leidet der Patient unter Begleiterkrankungen, die sein Operationsrisiko erhöhen könnten? Grundsätzlich ist dies eine Entscheidung, die von einem Team aus Herzchirurg und interventionellem Kardiologen (also demjenigen, der die Kathetereingriffe durchführt) gemeinsam getroffen werden muss und auch getroffen wird. Vorbei sind die Zeiten, in denen der eine eifersüchtig auf den anderen schielte und in ihm eine gefährliche Konkurrenz sah. Heutzutage setzen sich beide Ärzte an einen Tisch, überlegen, was im jeweiligen Fall das Beste ist, und besprechen dies dann mit dem Patienten. Außerdem wurden die herzchirurgischen Methoden inzwischen so weit verbessert, dass man auch ältere Patienten mit Begleiterkrankungen äußerst schonend operieren kann. Denn gerade
bei Senioren ist es wichtig, dass sie möglichst schnell wieder auf die Beine kommen, aus dem Krankenhaus entlassen und in der Reha fit fürs Alltagsleben gemacht werden können: • Früher musste man für eine Bypass-Operation das Herz stilllegen und den Patienten an eine Herz-Lungen-Maschine anschließen, die während der OP das Blut durch den Körper pumpt. Inzwischen ist das Legen eines Bypasses oft auch schon am schlagenden Herzen möglich. • Sind mehrere Gefäße verengt, so kann man einen Teil davon per Katheter und den Rest mit Bypässen versorgen und auf diese Weise mit weniger bzw. kleineren Schnitten auskommen.
Lieber gar nicht erst krank werden Am allerwichtigsten aber ist die Primärprävention – und das ist der medizinische Fachausdruck für: „Gar nicht erst krank werden.“ „Eigentlich sollten Sie ein so herzgesundes Leben führen, dass wir Sie gar nicht erst zu sehen bekommen“, betont Prof. Nicolas Doll. „Denn ein Stent oder Bypass beseitigt nicht das Grundübel! Die Grunderkrankung – die Verengung der Herzkranzgefäße – ist trotzdem immer noch da und schreitet weiter fort.“ Langfristig ist Primärprävention daher der beste Weg, auf sein Herz zu achten und die Lebensstilempfehlungen seines Arztes zu befolgen.
Kurzschluss im Gehirn: Was tun bei einem Schlaganfall? Beim Verdacht auf einen Schlaganfall muss man schnell handeln, denn „Zeit ist Hirn“. Gehirnzellen, die von der Sauerstoffversorgung abgeschnitten werden, sterben innerhalb kürzester Zeit ab. Schwere Behinderungen können die Folge sein: Jeder dritte Patient bleibt nach einem Schlaganfall behindert. Daher sollte man im Zweifelsfall nicht lange zuwarten, sondern lieber gleich die Notrufnummer wählen. Über den Schlaganfall sprach Prof. Hansjörg Bäzner vom Klinikum Stuttgart und über die Behandlung des akuten Schlaganfalls, die Trombektomie, Prof. Hans Henkes , ebenfalls vom Klinikum Stuttgart. s gibt zwei verschiedenen Arten von Schlaganfall (Apoplex, Hirnschlag, Hirninfarkt, Insult): 20 % aller Schlaganfälle entstehen durch eine Gehirnblutung infolge des Einrisses einer Hirnarterienwand. Bei den übrigen 80 % wird ein gehirnversorgendes Gefäß durch ein Blutgerinnsel verschlossen, sodass das dahinterliegende Gewebe nicht mehr mit sauerstoffreichem Blut versorgt wird und abstirbt. Solche Blutgerinnsel können aus dem
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Herzen ins Gehirn geschwemmt werden, aber auch im Gehirn selber entstehen.
Typische Zeichen eines Schlaganfalls Unabhängig von der Ursache sind die Symptome in beiden Fällen sehr ähnlich: • halbseitige Lähmungserscheinungen und/oder Taubheitsgefühl auf einer Körperseite (vollständig oder teilweise)
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• herabhängender Mundwinkel • Sprach- und Sprechstörungen • Unfähigkeit, Gesprochenes zu verstehen • Sehstörungen (einäugige Blindheit, Gesichtsfeldausfälle, Doppelbilder) In diesem Fall sollte man sofort die Notrufnummer (112) wählen und folgende Informationen für den Notarzt bereithalten: • Wann haben die Beschwerden begonnen? • Wie haben sich die Beschwerden entwickelt? • Welche Medikamente nimmt der Patient? Innerhalb von weniger als einer halben Stunde
Fachgerechte Behandlung auf der Schlaganfallstation Bei Verdacht auf einen Schlaganfall muss das Sanitäter-Team den Patienten in eine Klinik bringen, die über eine sogenannte „Stroke Unit“ (Schlaganfallstation) verfügt. Sie bietet optimale Voraussetzungen für die Diagnostik und Therapie von Schlaganfällen.
(im Idealfall dauert es nur 10 bis 15 Minuten) ist der Notarzt da. Er ruft schon vorab in der Klinik an und kündigt den Patienten an, damit dieser bei seinem Eintreffen in der Notaufnahme sofort untersucht und behandelt werden kann.
Wie kann man einem Schlaganfall vorbeugen? Einige Risikofaktoren eines Schlaganfalls kann man selbst beeinflussen, einige leider nicht. Dazu zählen die erbliche Veranlagung, das Alter (denn mit zunehmendem Alter werden Schlaganfälle immer häufiger) und das Vorhofflimmern (eine Herzrhythmusstörung, die dazu führen kann, dass sich Blutgerinnsel in den Herzvorhöfen bilden, die ins Gehirn geschwemmt werden können). Weitere wichtige Risikofaktoren sind: • Bluthochdruck • Diabetes • Fettstoffwechselstörungen • Alkoholmissbrauch • Rauchen • Bewegungsmangel und • Fehlernährung bei Übergewicht. Zumindest gegen diese sieben Einflussfaktoren
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können Sie eine ganze Menge tun und damit Ihr Schlaganfallrisiko deutlich senken. Seien Sie dabei konsequent – Ihrer Gesundheit zuliebe: Denn wenn mehrere Risikofaktoren für einen Schlaganfall zusammenkommen, addieren diese sich nicht einfach nur, sondern potenzieren sich! „Wenn man beispielsweise unter Bluthochdruck und Diabetes leidet und zusätzlich auch noch raucht, ist das eine Katastrophe“, warnt Schlaganfallexperte Professor Hansjörg Bäzner vom Klinikum Stuttgart. Auf Alkohol brauchen Sie (im Gegensatz zum Rauchen) nicht völlig zu verzichten, sollten ihn aber nur gelegentlich in kleinen Mengen trinken. Da Bluthochdruck der wichtigste Schlaganfallrisikofaktor ist, sollten Sie regelmäßig Ihren Blutdruck kontrollieren, bei Bedarf senken und die Ihnen dazu vom Arzt verordneten Medikamente regelmäßig einnehmen.
Wie wird ein Schlaganfall behandelt? Hierzu gibt es zwei Möglichkeiten: Man kann versuchen, das Blutgerinnsel durch Infusion eines Medikaments aufzulösen (sogenannte Lysetherapie). Dies ist jedoch nur innerhalb eines Zeitfensters von viereinhalb Stunden nach Auftreten der ersten Symptome sinnvoll; danach ist eine Lysetherapie in der Regel nicht mehr wirksam. Auch bei Verschlüssen großer Gefäße ist sie nicht sehr erfolgversprechend. Neuerdings gibt es auch die Möglichkeit, das Blutgerinnsel per Katheter aus der verstopften Arterie „herauszufischen“: Bei dieser sogenannten Thrombektomie schiebt der Arzt (ähnlich wie bei der Behandlung des akuten Herzinfarkts) über eine Leistenarterie einen dünnen Katheter bis zu dem verstopften Gefäß im Gehirn vor und entfernt das Gerinnsel mit einem feinen Instrument, dem sogenannten „Stent Retriever“. Bei diesem Verfahren muss man im Gegensatz zur Lysetherapie kein Zeitfenster beachten; doch auch hier ist das Ergebnis umso besser, je schneller nach Beginn der Schlaganfallsymptomatik das verschlossene Gefäß wieder eröffnet wird. Leider eignet sich die Thrombektomie nicht für alle Schlaganfallpatienten; besonders wirksam ist sie bei der Beseitigung von Verschlüssen großer Gefäße. Da dieser Eingriff technisch anspruchsvoller ist als eine Lysetherapie, wird er auch nicht an allen Kliniken angeboten.
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Und wie geht es anschließend weiter? Nach der Entlassung aus dem Akutkrankenhaus folgt der Aufenthalt in einer Rehaklinik, wo der Patient je nach Art seiner neurologischen Defizite Krankengymnastik, Ergo- und Sprachtherapie erhält, um – im Idealfall – seine Selbständigkeit wiederzugewinnen. Auch nach der Heimkehr aus der Reha ist eine regelmäßige ärztliche Betreuung und Kontrolle der Risikofaktoren angesagt; außerdem muss der Patient in der Regel verschiedene
Medikamente schlucken, um einem erneuten Schlaganfall vorzubeugen: z. B. blutverdünnende Arzneimittel wie Acetylsalicylsäure (ASS), Gerinnungshemmer, blutfett- und blutdrucksenkende Medikamente. Und natürlich – man kann es nicht oft genug wiederholen – muss er auch seine Lebensweise ändern. Die diesbezüglichen Ratschläge seines Arztes zu befolgen, ist mindestens ebenso wichtig wie die konsequente Einnahme der Medikamente!
Wie viel Bewegung braucht und verträgt das Herz? Über fünf Millionen Menschen in Deutschland leiden an arteriosklerotischen Verengungen der Herzkranzgefäße. Viele spüren gar nichts davon. Und gerade das ist das Gefährliche daran: 60 % aller Patienten haben in den Wochen vor dem Herzinfarkt nämlich keinerlei Beschwerden. Und trotz unserer heutigen schnellen, hervorragenden Behandlung versterben 50 % an dem Infarkt – 30 % sogar noch bevor ärztliche Hilfe kommt. Sich in Sicherheit zu wiegen, nur weil man keine Herzbeschwerden hat, ist also der falsche Weg. Besser ist es, frühzeitig vorzubeugen – und dabei spielt körperliche Aktivität eine wichtige Rolle, erklärte PD Dr. Klaus Schröder (ZAR Stuttgart) in seinem Vortrag. er mehr als sechs Stunden pro Tag sitzt, hat ein um 40 % erhöhtes Risiko, vorzeitig zu versterben. Und Hand aufs Herz: Wer verbringt heutzutage nicht sechs Stunden – meistens sogar noch länger – auf seinen vier Buchstaben? Meist zwingt uns der Beruf dazu; denn es gibt immer weniger berufliche Tätigkeiten, bei denen noch körperlich gearbeitet wird. Doch nach der Arbeit ergeben die meisten Menschen sich zusätzlich leider auch noch freiwillig der Untätigkeit: Sie fahren mit Auto, Bus oder Bahn nach Hause, setzen sich vor den Fernseher und gehen danach gleich ins Bett. Statistiken zufolge verbringt der durchschnittliche Bundesbürger 80 bis 85 % seiner Zeit im Sitzen. Körperliche Aktivität erfordert zwar einen gewissen Kampf mit dem inneren Schweinehund, bringt aber viele Vorteile: Die Lebenserwartung steigt; die Zahl der Krankenhausaufenthalte nimmt ab; die körperliche Leistungsfähigkeit verbessert sich; und man bleibt im Alter länger selbständig. Vielen Krebserkrankungen (z. B. Brust-, Dickdarm- und Prostatakrebs) kann durch Bewegung vorgebeugt werden. Das Risiko für Typ-2-Diabetes und Knochenschwund (Osteoporose) sinkt. Auch Herz und Gefäße bleiben länger gesund; das Fortschreiten arteriosklerotischer Ablagerungen in den Herz-
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kranzgefäßen wird abgebremst. Der Schweregrad von Gefäßverengungen kann sich durch regelmäßige körperliche Aktivität sogar zurückbilden! Trotzdem bewegen sich 60 % aller über 60-Jährigen heutzutage kaum noch.
Wie viel und welchen Sport sollte man treiben? Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie empfiehlt für herzgesunde Menschen vier- bis fünfmal pro Woche 30 bis 45 Minuten anhaltende körperliche Aktivität. Da dieses Pensum für Berufstätige schwer durchzuhalten ist, wurde untersucht, ob man sich seinen Sport nicht auch anders einteilen kann – mit positivem Ergebnis: Körperliche Aktivität in mehreren kleinen Einheiten (zwei- bis dreimal pro Tag jeweils zehn Minuten) oder wenigen großen Einheiten (ein- bis zweimal 75 Minuten pro Woche) ist fast genauso wirksam. Man kann seinen Sport also problemlos auch aufs Wochenende legen und dann eben einfach ein bisschen länger trainieren. Günstig ist eine Mischung aus 70 % Ausdauerund 30 % Kraft- und Koordinationstraining. „Muckibuden“ zu verteufeln, ist also völlig falsch – auch diese Art von Training braucht der Körper! Als Ausdauertraining empfehlen sich beispielsweise:
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• Radfahren • Ergometertraining • intensives Gehen, Laufen, Walken, Nordic Walking • Schwimmen • Tanzen
Zehn Regeln für gesunden Sport • Es ist nie zu spät, um damit anzufangen! Auch wenn man erst in späterem Lebensalter mit mäßig anstrengender körperlicher Aktivität beginnt, führt das immer noch zu einem Zugewinn an Lebensjahren und Lebensqualität. • Hören Sie auf Ihren Körper! Bei Grippe oder Fieber ist Schonung angesagt. • Trainingsintensität langsam beginnen und allmählich steigern. • Passen Sie Ihre Aktivität an das Wetter bzw. die Jahreszeit an! So ist es beispielsweise im Sommer besser, nicht bei Mittagshitze, sondern lieber frühmorgens oder abends zu trainieren. • Normales Sprechen sollte stets noch möglich sein; d. h. körperliche Aktivität sollte nicht so anstrengend sein, dass einem dabei „die Luft wegbleibt“. • Regelmäßigkeit ist oberstes Gebot. • Wechseln Sie zwischen verschiedenen Sportarten ab, damit der ganze Körper profitiert und einseitige Belastungen vermieden werden. • Man sollte immer mit einer Aufwärmphase beginnen und mit einer Abkühlphase enden. • Gönnen Sie sich genügend Erholung und trinken Sie regelmäßig!
Ist Sport wirklich „Mord“? Die einen nutzen diesen Spruch als willkommene Ausrede; die anderen haben tatsächlich Angst davor, vom plötzlichen Herztod oder anderen gefährlichen Herz-Kreislauf-Ereignissen bedroht zu sein, wenn sie – womöglich nach jahrelanger Untätigkeit – plötzlich wieder anfangen, Sport zu treiben. Doch keine Sorge: Diese Angst ist weitgehend unbegründet. Ein erhöhtes Herz-Kreislauf-Risiko besteht nur bei starker körperlicher Aktivität (über 100 Watt) bei ansonsten inaktiven Personen: In solchen Situationen kann es tatsächlich zu einer Plaqueruptur – dem Einreißen arteriosklerotischer Ablagerungen mit nachfolgendem Herzinfarkt – kommen. Doch selbst dieses Risiko ist verschwin-
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Körperliche Aktivität – leicht gemacht Suchen Sie sich eine Sportart aus, die Ihnen Spaß macht und zu Ihrer Familie und Freizeitgestaltung passt! Und widmen Sie sich Ihrem körperlichen Training ruhig zusammen mit anderen Menschen. Das macht nicht nur mehr Spaß, sondern man steht dann auch unter einem gewissen „Gruppenzwang“. So fällt es leichter, den inneren Schweinehund zu überwinden. Wettkampfsportarten sind allerdings nicht optimal; sie erzeugen nur Stress und erhöhen den Blutdruck.
dend gering: Nur 6 % aller Infarkte finden zum Zeitpunkt einer körperlichen Anstrengung statt! Außerdem sollte man vor Beginn eines Trainings ohnehin zum Arzt gehen. Dieser legt dann aufgrund der Untersuchungsbefunde und Begleiterkrankungen und des Trainingszustands das Ausmaß der körperlichen Belastung fest. Denn die Intensität der Bewegung muss genauso individuell festgelegt werden wie die Dosis eines Medikaments. Wenn Sie Ihren Trainingsplan vorher genau mit Ihrem Arzt besprechen, haben Sie also nichts zu befürchten!
Bewegung im Alltag Körperliche Aktivität ist nicht unbedingt gleichbedeutend mit Sport. Auch im täglichen Leben kann man sich bewegen! Nutzen Sie jede Chance: angefangen vom Treppensteigen bis hin zu der klugen Strategie, den Weg zur Arbeit – zumindest teilweise – zu Fuß oder mit dem Rad zurückzulegen. Auch hierbei sollten Sie die Bewegungsdosis langsam steigern, indem Sie am Anfang beispielsweise nur eine Haltestelle früher aussteigen oder das Auto weiter vom Arbeitsplatz entfernt parken. Starten Sie mit Augenmaß und bauen Sie keinen Leistungsdruck auf! Und vergessen Sie nicht: Gehen ist die natürlichste und ursprünglichste Form der Fortbewegung, die man ohne große Probleme jederzeit in den Alltag einbauen kann. Schon wer täglich nur 300 Schritte geht, stärkt bereits Herz, Kreislauf, Atmung und Stoffwechsel.
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Leben nach dem Herzinfarkt Ein Herzinfarkt ist ein einschneidendes Ereignis, das man nicht einfach so „abhaken“ kann: Er muss auch psychisch bewältigt werden. Und natürlich bewegt viele Menschen anschließend die Frage: Wie geht es jetzt weiter? Wie schaffe ich es, wieder in den Alltag zurückzukehren? Werde ich – beruflich und privat – genauso leistungsfähig sein wie früher, oder bin ich jetzt ein „kranker Mensch“? Das war das Vortragsthema von Prof. Christian Herdeg von den medius KLINIKEN. igentlich beginnt das Leben nach dem Herzinfarkt schon in den ersten Sekunden und Minuten nach Beginn der Symptome. Denn schon jetzt kann man die Weichen für ein möglichst gesundes, leistungsfähiges, von hoher Lebensqualität erfülltes Danach stellen.
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Jede Minute zählt Bei einem Infarkt wird in den Herzkranzgefäßen, die unseren Lebensmotor mit Sauerstoff versorgen, an irgendeiner Stelle die Blutzufuhr unterbrochen, weil das Gefäß sich durch eine Verengung oder ein Blutgerinnsel verschließt. Das heißt, das Herzmuskelgewebe, das von diesem Gefäß versorgt wird, stirbt ab. Je länger der Sauerstoffmangel besteht, umso größer wird das Ausbreitungsgebiet des Infarkts; je schneller die verstopfte Arterie wieder eröffnet wird, umso besser überlebt man ihn. Bei Verdacht auf einen Herzinfarkt sollte man also – ebenso wie bei Schlaganfallsymptomen – sofort den Notarzt (112) anrufen. Eigentlich liegt das auf der Hand; und doch gibt es viele Patienten, die – vor allem bei nächtlichen Symptomen – zögern und womöglich erst einmal bis zum nächsten Morgen warten. Das kann tödlich sein!
Und was kommt danach? Nach der Akutbehandlung erfolgt zumeist eine Anschlussheilbehandlung (ambulante oder stationäre Rehabilitation), während der der Patient auch im Umgang mit seiner Erkrankung geschult wird. Meist überwiegen in dieser Phase kurz nach dem überstandenen Herzinfarkt noch die guten Vorsätze: „Nie wieder rauchen!“ oder „Jeden Tag eine halbe Stunde laufen!“ Doch wenn man dann wieder zu Hause ist, gilt es, diese Vorsätze auch langfristig zu befolgen und in den Alltag einzubauen. Das ist gar nicht immer so einfach – vor allem, wenn man noch mitten im Berufsleben steht. Ein richtiges Verständnis der Krankheit „Herzinfarkt“ hilft dabei. Genauer ge-
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sagt, müsste es eigentlich „koronare Herzkrankheit“ heißen: Denn das ist der medizinische Fachbegriff für die allmähliche Verengung der Herzkranzgefäße durch arteriosklerotische Ablagerungen, die – was die wenigsten Menschen wissen – durch einen langjährigen Prozess entsteht. „Viele Leute glauben: Vorher war ich doch eigentlich ganz gesund; und dann habe ich aus heiterem Himmel einen Herzinfarkt bekommen. Aber so ist es nicht“, betont Prof. Herdeg. „Einem Infarkt geht immer ein längerer – teilweise sogar jahrzehntelanger – Krankheitsverlauf voraus, bei dem sich an den Innenwänden der Herzkranzgefäße Ablagerungen bilden. Eine Ader ist kein glattes Rohr, das verstopft und dann vom Arzt wieder durchgängig gemacht wird. Die Gefäßwände verdicken sich ganz allmählich im Lauf des Lebens.“ Um das 50. Lebensjahr herum hat fast jeder schon solche Ablagerungen in den Blutgefäßen. Mit der Zeit werden die Gefäße dann immer enger – bis eine solche arteriosklerotische Plaque plötzlich einreißt und sich an dieser Stelle Blutplättchen anlagern, weil der Körper „denkt“, es handle sich um eine Blutung, die gestillt werden muss. Ein solches Blutgerinnsel kann das Gefäß innerhalb von Minuten verschließen; aber der Prozess, der dazu geführt hat, war schon lange vorher im Gange. Ob eine Arteriosklerose sich schneller oder langsamer entwickelt, das kann man in hohem Maße selbst beeinflussen, indem man die Risikofaktoren – Rauchen, Bluthochdruck, zu hohes Cholesterin – meidet bzw. durch eine Änderung des Lebensstils und (falls erforderlich) auch durch Einnahme von Medikamenten in den Griff bekommt. Auch der vierte wichtige Risikofaktor für einen Herzinfarkt – Diabetes – muss möglichst gut eingestellt werden, um das Risiko zu verringern. Und natürlich sollte man sich auch bemühen, sein Normalgewicht zu halten bzw. Übergewicht zu reduzieren, und sich regelmäßig bewegen. Eine gesunde Ernährung nach dem Muster der Mittelmeerkost (bestehend
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aus einem hohen Anteil an Früchten, Gemüse, Ballaststoffen und Olivenöl, wobei tierische Eiweiße nach Möglichkeit in Form von Fisch verzehrt werden sollten) ist ebenfalls wichtig, um Herz und Gefäße gesund zu erhalten. Und genau diese Präventivmaßnahmen sind auch nach dem Herzinfarkt angezeigt, um einem zweiten Infarkt vorzubeugen. Garantien gibt es im Leben nicht, doch wenn Sie auf eine gesunde Lebensweise achten und die vom Arzt verschriebenen Medikamente konsequent einnehmen, können Sie optimistisch in die Zukunft schauen. Keiner nimmt gern Medikamente ein; denn das gibt einem das Gefühl, krank zu sein. Aber nach dem Infarkt muss man schon einige Tabletten schlucken, um das Herz zu entlasten und der Bildung neuer Ablagerungen und Gerinnsel vorzubeugen: Blutverdünner, Cholesterinsenker, ACE-Hemmer, Betablocker, meist auch blutdrucksenkende Medikamente. Daran führt kein Weg vorbei. Und natürlich sollten Sie auch einen der schlimmsten Herz-Kreislauf-Risikofaktoren – das Rauchen – aufgeben. Das ist für viele Herzinfarktpatienten eine der schwierigsten Herausforderungen: Nur einer von zehn Rauchern schafft es tatsächlich, sich dieses Laster abzugewöhnen, obwohl alle es sich nach dem Infarkt fest vornehmen. Durch Raucherentwöhnungskurse und kompetente ärztliche Begleitung kann man sich beim Rauchstopp unterstützen lassen.
Eine Krankheit, die man nicht auf die leichte Schulter nehmen sollte Akuter Herzinfarkt, koronare Herzkrankheit und Herzschwäche gehören zu den zehn häufigsten Todesursachen in Deutschland. Alljährlich erleiden rund 300 000 Menschen in Deutschland einen Herzinfarkt. Nur knapp zwei Drittel davon überleben die ersten vier Wochen danach.
Was tun bei einer Post-Infarkt-Depression? Ein weiteres Problem besteht darin, dass trotz guter ärztlicher Therapie und Betreuung jeder fünfte Mensch nach einem akuten Herzinfarkt eine klinische Depression entwickelt. Denn ein solches Ereignis ist für viele Patienten eine tiefgreifende Erschütterung und Verunsicherung. Da Depressionen und Angststörungen das Risiko für ein Versterben innerhalb der nächsten sechs Monate nach dem Herzinfarkt erhöhen, sollten Sie sich in so einem Fall nicht scheuen, psychotherapeutische Hilfe zu suchen! Fragen Sie Ihren behandelnden Hausarzt oder Kardiologen; er sollte – weil er Sie und Ihre Probleme am besten kennt – stets der erste Ansprechpartner für Sie sein und kann Ihnen sicherlich einen geeigneten Psychotherapeuten in Ihrer Wohnortnähe empfehlen.
Was haben Herz und Schlaf miteinander zu tun? … oder: Warum Schnarchen gefährlich sein kann Unsere oberen Atemwege werden durch den Spannungszustand der Muskulatur offengehalten. Nachts nimmt dieser Muskeltonus jedoch ab – mit dem Ergebnis, dass die Atemwege sich bei manchen Menschen völlig verschließen und keine Luft mehr hindurchgeht. Das ist die Ursache für das krankhafte Schnarchen mit Atemaussetzern, das in der medizinischen Fachsprache als „obstruktive Schlafapnoe“ bezeichnet wird. Dr. Stefan Reinecke vom Marienhospital Stuttgart erklärte den Zusammenhang zwischen Herz und Schlaf. iese nächtliche Atemstörung muss dringend behandelt werden, weil sie das Herz belastet. Denn wenn die Atemwege sich nachts immer wieder verschließen, nimmt der Sauerstoffgehalt im Blut ab. Als Reaktion darauf verengen sich die Gefäße. Gleichzeitig versucht der Schläfer, obwohl seine Atemwege „zu“ sind, verzweifelt weiterzuatmen, d. h. er macht die typischen Atembewegun-
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gen. Dadurch entsteht ein großer Unterdruck im Brustkorb: Es fließt mehr Blut in Richtung Herz – und das bei gleichzeitigem Sauerstoffmangel. Das stellt eine erhebliche Mehrbelastung für das Herz dar. Außerdem sind die immer wiederkehrenden nächtlichen Sauerstoffmangelzustände, die jedes Mal mit einer kurzen Aufwachreaktion einhergehen,
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Stress für den Körper. Es werden vermehrt Stresshormone ausgeschüttet, was mit der Zeit zu einem Blutdruckanstieg führt – nicht nur nachts, sondern oft auch bei Tage. Aufgrund all dieser ungünstigen Einflüsse begünstigt eine obstruktive Schlafapnoe die Entstehung verschiedener Herz-Kreislauf- und Stoffwechselerkrankungen wie Arteriosklerose der Herzkranzgefäße, Vorhofflimmern, Herzschwäche, Herzinfarkt, Schlaganfall und Typ-2-Diabetes. Sogar das Risiko für eine Fettlebererkrankung steigt durch eine unbehandelte Schlafapnoe. Jeder dritte Patient mit einer Arteriosklerose der Herzkranzgefäße leidet unter krankhaftem Schnarchen mit Atemaussetzern! Bei den Herzinsuffizienz-Patienten sind es 50 %, bei den Patienten mit Vorhofflimmern sogar 60 %, die sich mit nächtlichen Atemstillständen herumquälen, oft ohne es zu wissen – denn das laute, unregelmäßige Schnarchen und das Aussetzen der Atmung bemerkt normalerweise nur der Bettpartner.
Schlafapnoe treibt Blutdruck in die Höhe Fast die Hälfte aller unbehandelten Schlafapnoiker hat einen zu hohen Blutdruck. Ein besonders verdächtiges Schlafapnoe-Warnzeichen ist schwer einstellbarer Bluthochdruck, für den man mindestens drei verschiedene blutdrucksenkende Medikamente benötigt. Ein weiteres Alarmsignal ist es, wenn eine Langzeitblutdruckmessung zeigt, dass der Blutdruck nachts nicht absinkt (was er normalerweise tun müsste), oder wenn der Blutdruck bereits morgens zu hoch ist. Zum Glück gibt es eine gute Behandlungsmethode für dieses krankhafte Schnarchen: die sogenannte CPAP-Therapie, bei der eine Turbine einen Luftstrom erzeugt, der dem Patienten über eine Maske mit erhöhtem Druck in die oberen Atemwege (meist in die Nase) geblasen wird. Durch diesen Überdruck bleiben die Atemwege offen, und es entstehen keine Atemstillstände mehr. Auch das lästige Schnarchen verschwindet. Und das Beste daran: Auch die Herz-KreislaufProbleme bessern sich durch eine adäquate Schlafapnoe-Therapie. So wirkt sie sich beispielsweise positiv auf den Verlauf einer Arteriosklerose der Herzkranzgefäße (sogenannte koronare Herzkrankheit, kurz: KHK) aus: Bei unbehandelter schwerer Schlafapnoe hat man nämlich ein höhe-
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res Risiko für unerwünschte Ereignisse wie Herzinfarkt oder Schlaganfall. Wird die Schlafapnoe gut therapiert, sinkt dieses Risiko. Auch nächtliche Atemnot- und Angina-pectoris-Anfälle, die bei Schlafapnoe-Patienten mit KHK häufig vorkommen, bessern sich, wenn die nächtliche Atemstörung durch eine CPAP-Therapie verschwindet. Bei Herzinsuffizienz-Patienten verbessert eine gute Schlafapnoe-Einstellung die Leistungsfähigkeit des Herzens, senkt den Stresshormonspiegel und verlängert die Gehstrecke; und bei Bluthochdruck-Patienten lässt der Blutdruck sich besser einstellen, wenn sie ihre Schlafapnoe in den Griff bekommen. Das bedeutet allerdings nicht unbedingt, dass Sie Ihre blutdrucksenkenden Medikamente jetzt absetzen können; aber vielleicht lässt sich die Dosis verringern. Sprechen Sie mit Ihrem behandelnden Hausarzt oder Kardiologen darüber!
Warnende Anzeichen einer obstruktiven Schlafapnoe: • Tagesschläfrigkeit; unfreiwilliges Einschlafen in monotonen Situationen (rote Ampel; „Sekundenschlaf“ bei längeren Autofahrten unter monotonen Bedingungen, z. B. auf der Autobahn) • Schnarchen mit Atemstillständen • unruhiger Schlaf mit häufigem Lagewechsel, Schwitzen • Erwachen mit trockenem Rachen • nächtliches Erwachen mit Luftnot, Herzrasen • morgendliche Kopfschmerzen • Potenzstörungen
Risikofaktoren, die die Entstehung einer Schlafapnoe begünstigen: • Übergewicht • Alter (Beginn meist ab Mitte 40) • männliches Geschlecht Wer den Verdacht hat, unter einer obstruktiven Schlafapnoe zu leiden, sollte sich zuallererst an seinen Hausarzt wenden. Dieser wird den Patienten dann zwecks Schlafapnoe-Diagnostik an einen hierauf spezialisierten Lungenfacharzt überweisen. In manchen Fällen ist zur Sicherung der Diagnose auch noch eine Untersuchung im Schlaflabor erforderlich.
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Bluthochdruck, Herz und Nieren: Wie hängt das zusammen? Rund 20 % aller Deutschen haben einen zu hohen Blutdruck. Ungefähr fünf Millionen dieser Bluthochdruckpatienten sind nicht ausreichend therapiert; oft wissen die Patienten auch gar nichts von ihrem Problem, weil der Bluthochdruck noch nicht diagnostiziert wurde. In den meisten Fällen (80 bis 90 %) spielen genetische Ursachen beim Bluthochdruck eine entscheidende Rolle. Doch auch den Nieren kommt bei der Entstehung von Bluthochdruck und anderen Herz-Kreislauf-Krankheiten eine wichtige Bedeutung zu.
chätzungen zufolge haben 15 % aller Bundesbürger eine Nierenerkrankung; doch viele wissen nichts davon. Das ist ein großes Problem, denn es besteht eine enge Wechselbeziehung zwischen Nieren- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Bei Herz-Kreislauf-Problemen (wie beispielsweise Bluthochdruck) wird die Niere geschädigt; umgekehrt führt eine Nierenerkrankung dazu, dass auch das Herz-Kreislauf-Leiden deutlich schlechter verläuft. In diesen verhängnisvollen Teufelskreis gilt es einzugreifen. Grundsätzlich gilt: Je schlechter der Zustand der Niere, umso häufiger kommen Herz-Kreislauf-Erkrankungen vor. Fast alle Patienten mit dialysepflichtiger Niereninsuffizienz haben gleichzeitig auch Verengungen der Herzkranzgefäße und ein erhöhtes Risiko für einen Herzinfarkt oder Schlaganfall. Fast alle Dialyse-Patienten leiden außerdem unter Bluthochdruck; und dieser zu hohe Blutdruck schädigt wiederum die empfindlichen Filterstrukturen der Niere. So schaukeln Herz-Kreislauf- und Nierenerkrankungen sich gegenseitig hoch. Gerade wegen dieser engen Verflechtung ist es sehr wichtig, nicht nur Herz-Kreislauf-, sondern auch Nierenerkrankungen so früh wie möglich zu erkennen. Denn bei rechtzeitiger Behandlung können Folgekomplikationen der Nierenschädigung häufig vermieden werden.
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Blutdrucksenker schützen die Nieren Heute gibt es gute Medikamente zur Behandlung von Bluthochdruck, die sich gleichzeitig auch positiv auf die Nieren auswirken: ACE-Hemmer und Sartane verzögern oder vermeiden das Fortschreiten von Nierenschäden. Wichtig ist dies vor allem für Diabetiker: Wenn man ihren Blut-
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druck und ihren Blutzucker gut einstellt, verbessert sich automatisch ihre Nierenfunktion. Gibt man ihnen zur Blutdrucksenkung einen ACE-Hemmer oder ein Sartan, so schützen diese Medikamente zusätzlich die Nieren. „So kann man gravierende Folgeschäden eines Diabetes an den Nieren verhindern“, erklärte Nierenspezialist Prof. Dr. Mark Dominik Alscher vom Robert-Bosch-Krankenhaus und empfiehlt, den Nieren bei der Prävention mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Alle denken beim Thema „Vorsorgeuntersuchungen“ in erster Linie an Krebs oder Herz und Kreislauf; welch wichtige Rolle die Nieren für unsere Gesundheit spielen, wird dabei oft übersehen.
Woran erkennt man, ob die Nieren noch in Ordnung sind? Eine chronische Nierenkrankheit liegt vor, wenn im Urin über einen längeren Zeitraum Eiweiß oder Albumin nachweisbar ist. Dies kann man z. B. mithilfe von Urinteststreifen feststellen. Dies ist der allererste Hinweis auf eine Nierenerkrankung. Wichtig für die Diagnostik ist außerdem der Kreatininwert im Urin: Wenn er ansteigt, ist die Niere bereits geschädigt.
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Ein Volksleiden – doch selten erkannt
Rätselhaftes Rheuma
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Wenn es in den Gliedmaßen zwickt, wenn jede Bewegung schmerzt, hat man meist sofort einen Verdacht: Rheuma! Die TV-Werbung bietet ein Wundermittel an. Voltaren heißt es, mit dem Wirkstoff Diclofenac. Das ist ein Präparat, das gegen Entzündungen wirkt, aber leider auch häufig Magenprobleme verursacht – und langfristig Nieren und Gefäße schädigen kann. Daher ist eine Eigentherapie mit solchen Medikamenten auf die Dauer keine gute Lösung. Rheumatologische Erkrankungen sind ungeheuer vielfältig und komplex; sie zu diagnostizieren und adäquat zu behandeln erfordert ein breites Wissen. Doch Fachärzte für Rheumatologie sind ziemlich rar. Wir unterhielten uns mit dem Rheumaexperten Dr. Stefan Heitmann, der die rheumatologische Abteilung am Stuttgarter Marienhospital betreut.
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Warum gibt es eigentlich so wenige Rheumatologen? Dr. Heitmann: Rheumatologie ist ein kompliziertes Fachgebiet, auf dem ständig neue medizinische Erkenntnisse und Errungenschaften hinzukommen. Man braucht für diesen Beruf aber nicht nur viel Wissen, sondern auch Erfahrung – und die sammelt man nicht in ein oder zwei Jahren. Das ist sicherlich der Grund, warum es nicht so viele Rheumatologen gibt; es handelt sich dabei um ein komplexes Fachgebiet mit relativ geringer Anzahl an Fachärzten, und es gibt auch nicht so viele Weiterbildungsstellen in Baden-Württemberg. Der Rheumatologe ist ein Internist, der sich auf rheumatologische Erkrankungen spezialisiert hat. Er hat nicht nur ein einzelnes Organ im Auge, sondern den gesamten Menschen. Um Rheuma zu diagnostizieren, braucht man eine Menge Intuition. Das bedeutet, dass man sich im Lauf vieler Jahre eine große Erfahrung aneignen muss. Der jüngere Rheumatologe ist mit den aktuellen Studien vertraut. Der ältere Kollege zehrt zusätzlich von seiner klinischen Erfahrung; er hat schon viele komplizierte Fälle gesehen. Daher ist es in der Rheumatologie geradezu ideal, wenn ein jüngerer und ein älterer Arzt sich gegenseitig ergänzen, so wie das bei uns hier der Fall ist. Es gibt also nur sehr wenige rheumatologisch orientierte Fachärzte, dafür aber sehr viele Patienten, die unter Rheuma leiden? Dr. Heitmann: Das ist richtig. Aber nicht jeder Patient, der unter rheumatischen Beschwerden leidet, muss zum Rheumatologen. Mit Gelenkschmerzen sollte man zuerst einmal zum Hausarzt und dann ggf. zum Orthopäden gehen. Für die Behandlung von Rückenproblemen und Arthrosen (Gelenkverschleiß) sind hauptsächlich die Orthopäden zuständig, die Arthrosen vor allem an den Knien oder Hüftgelenken behandeln und dann letztlich in den Kliniken auch operieren. Der orthopädische und der internistische Rheumatologe gehören zwei unterschiedlichen Berufsgruppen an: Der orthopädische Rheumatologe hat seine Ausbildung und Erfahrungen auf dem Gebiet der Chirurgie gemacht. Der internistische Rheumatologe dagegen kennt sich gut mit Autoimmunstörungen aus, die rheumatologische Erkrankungen verursachen. Diese Erkrankungen werden medikamentös behandelt.
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Dr. Stefan Heitmanns Weg zum Rheumatologen „Nach meinem Medizinstudium in Tübingen arbeitete ich zunächst an einem Krankenhaus in Fulda in der Urologie und anschließend in Münsingen auf der Schwäbischen Alb in der Chirurgie. Von dort ging es ins Stuttgarter Bürgerhospital, wo ich erstmals mit der Rheumatologie in Berührung kam. Dann kam der Augenblick, in dem ich entscheiden musste, auf welches Gebiet ich mich als Internist spezialisieren sollte. Mir schwebte ein Ressort vor, das selten ist, für das aber trotzdem ein hoher Bedarf besteht. So landete ich bei der Rheumatologie. Das war genau das Richtige für mich: die detektivische Arbeitsweise, nachzudenken, zu diskutieren. In Stuttgart gab es damals keine Rheumatologie. Auch das war für mich reizvoll; und so kam ich gemeinsam mit Dr. Reinecke auf die Idee, im Marienhospital eine Abteilung für Rheumatologie aufzubauen.“
Wir operieren nicht. Manchmal spritzen wir mit der Nadel in ein Gelenk oder saugen aus dem Gelenk Flüssigkeit ab, um sie zu untersuchen. Die Gicht, die auch zum Formenkreis der rheumatologischen Erkrankungen gehört, wird zum Beispiel über die Gelenkpunktion diagnostiziert. Da untersuchen wir, ob sich in der Punktionsflüssigkeit Gichtkristalle nachweisen lassen. Man hat inzwischen auch noch andere Hilfsmittel, beispielsweise den Ultraschall, der für uns sehr wichtig geworden ist; aber an allererster Stelle steht immer die Erfahrung des Arztes: Er kann auf den ersten Blick schon ziemlich gut erkennen, ob eine Gicht vorliegt oder nicht. Geht Gicht ebenfalls auf einen Autoimmunprozess zurück? Dr. Heitmann: Die Gicht ist eine Stoffwechselkrankheit. Entzündlich-rheumatologische Erkrankungen sind meistens auf Autoimmunprozesse zurückzuführen. Dazu rechnet man unter anderem die rheumatoide Arthritis, die Bechterewsche Erkrankung, die Kollagenosen (das sind weichteilentzündliche Erkrankungen) und die Gefäßentzündungen (Vaskulitiden). All das sind, grob eingeordnet,
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Autoimmunerkrankungen. Daneben gibt es noch rheumatologische Erkrankungen mit Stoffwechselstörungen; dazu gehört, wie erwähnt, an erster Stelle die Gicht, aber auch die Osteoporose. Und wir kennen auch Gelenkverschleißerscheinungen, sogenannte Arthrosen, die am häufigsten durch Belastungssituationen entstehen. Wo kommen die immunologischen Erkrankungen her? Dr. Heitmann: Ursache ist oft eine genetische Veranlagung. Wenn man weiß, dass in einer Familie jemand Psoriasis-Arthritis hatte, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Nachkommen ebenfalls darunter leiden werden, um ein Vielfaches höher. Bei Morbus Bechterew und anderen Krankheitsbildern schätzt man die Wahrscheinlichkeit etwas geringer ein. Dann gibt es noch andere Ursachen, die die Erkrankungen auslösen können, z. B. psychischer, aber auch infektiöser Stress, der durch bestimmte Infektionen entsteht. Rheumatologie ist ein interdisziplinäres Fach. Mit welchen anderen Disziplinen kooperieren Sie? Dr. Heitmann: Wir arbeiten mit allen Abteilungen unserer Klinik zusammen. Der Vorteil ist, dass wir nicht über große Entfernungen verstreut sind – wir kennen uns, ich rufe den betreffenden Kollegen an und frage, wie wir dies oder jenes machen können. Wir halten auch interdisziplinäre Konferenzen ab. Zum Beispiel haben wir hier ein Muskelzentrum eingerichtet, in dem es nur um Erkrankungen der Muskulatur geht. Da wirkt die Rheumatologie mit der Neurologie zusammen. Muskelkrankheiten sind sehr schwere Leiden, die dazu führen können, dass man nicht mehr genug Kraft zum Gehen oder zum Atmen aufbringt. Bei Systemerkrankungen kann es zur Nierenbeteiligung und auch zum Nierenversagen kommen. Dazu und zur Dialyse braucht man das Fachwissen des Nephrologen; man braucht die Radiologen, um ein MRT vom Muskel anzufertigen; und man braucht die Pathologen, um eine Probe aus dem Muskel zu beurteilen. Wir brauchen auch die Lungenfachärzte, weil oft auch die Lungen von diesen Krankheiten mitbefallen sind. Aber auch Kardiologen und Gastroenterologen und natürlich die Laborärzte sind für uns wichtig. Unser Laborchef Dr. Orth hier im Haus ist ein sehr kooperativer Part-
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ner. Mit ihm zusammen haben wir schon viele neue immunologische und rheumatologische Laboruntersuchungen eingeführt, die wir im Haus brauchen. Wir decken hier praktisch die ganze Immunologie ab, das gibt es nur an wenigen Kliniken – wir verschicken nur noch ganz wenige Proben an fremde Labore. Mir den Laborärzten diskutieren wir, auf welche Krankheit ein Laborwert in diesem oder jenem Fall hindeuten könnte. Und so stehen wir ständig mit allen Spezialisten des Hauses in Kontakt. Mit welchen Medikamenten werden rheumatologische Autoimmunkrankheiten behandelt? Dr. Heitmann: Die Substanzen, die entwickelt werden, greifen immer spezifischer in das Krankheitsgeschehen ein. Während wir z. B. früher Methotrexat gegeben haben (das ist ein Folsäureantagonist, der in verschiedenen Disziplinen der Medizin angewendet wird – in der Neurologie, der Onkologie und der Rheumatologie), verfügen wir heute über immer spezifischere Substanzen, die meistens Antikörper bestimmter Botenstoffe sind und mit denen wir immer näher an den eigentlichen Defekt herankommen. Unser Ziel ist es, immer gezielter zu behandeln – und das mit weniger Nebenwirkungen. Ein Problem bringen neue Medikamente allerdings zwangsläufig mit sich: Es ist nie klar, welche Nebenwirkungen sich bei einer Langzeitbehandlung zeigen werden. Lässt sich Rheuma durch Prävention, durch bestimmte Lebensstiländerungen vermeiden? Dr. Heitmann: Schön wäre es, wenn man dies generell behaupten könnte. Ich habe beispielsweise erlebt, dass ein Patient mit einer schweren Gefäßentzündung mir fast gestorben wäre, inzwischen aber wieder gesund ist. Während seiner Erkrankung lebte er in einer schlimmen Partnerschaft, doch nach der Trennung ging es mit ihm auch körperlich wieder bergauf. Als der Stress weg war, war auch die Krankheit verschwunden. Die Frage, ob ich durch innere Kraft verhindern kann, an Rheuma zu erkranken, ist schwer zu beantworten. Menschen, die ein Gespür dafür haben, was ihnen guttut, können durchaus eine rheumatologische Erkrankung lindern und in manchen Fällen vielleicht auch heilen oder zumindest die Symptome zum Verschwinden bringen.
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Hier kommt wohl auch die psychosomatische Abteilung der Klinik ins Spiel? Dr. Heitmann: Mit dieser Abteilung habe ich vor kurzem einen Gesprächskreis für Rheumapatienten aufgebaut. Diese Gruppe trifft sich einmal pro Woche, um zusammen mit einem Psychosomatiker oder Psychologen über ihre Krankheit zu sprechen. Wir in der Klinik sind nicht für die einfacheren Fälle da; dafür gibt es die niedergelassenen Kollegen. Wir sind für die komplexen Situationen da, wo es häufig ums Überleben geht. Menschen, die aus der Lunge bluten oder kurz vor einem Nierenversagen stehen – das sind unsere Patienten. Zum Teil haben sie schon eine wahre Odyssee hinter sich, waren in verschiedenen Krankenhäusern, und kein Kollege hat herausgefunden, welche Krankheit ihren Beschwerden zugrunde liegt – das sind die Patienten, die wir aufnehmen. Wir haben es mit Krankheitsbildern zu tun, die anderen Ärzten nicht so geläufig sind. Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit den niedergelassenen Kollegen? Dr. Heitmann: Hier in Stuttgart haben wir mit den Niedergelassenen ein Netzwerk aufgebaut, das bis nach Pforzheim, Heilbronn und Tübingen reicht. Jeder Patient, der hier bei uns behandelt wird, kann sich darauf verlassen, dass er anschließend gut versorgt ist. Er bekommt von uns bereits einen Termin bei seinem niedergelassenen Rheumatologen. Und umgekehrt: Wenn der niedergelassene Rheumatologe für einen Notfall ein Bett braucht, können wir ihm jederzeit helfen. Wir haben uns gegenseitig dazu verpflichtet, Patienten ohne bürokratische Hürden sofort aufzunehmen.
Dr. med. Stefan Heitmann Leitender Arzt des Schwerpunkts Rheumatologie und klinische Immunologie, Facharzt für Innere Medizin und Rheumatologie Marienhospital Stuttgart, Innere Medizin II
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Kreativ mit Stress umgehen – Resilienz durch Mentalisieren Wenn private und berufliche Belastungen überhand nehmen, ist die Fähigkeit kreative Lösungen zu finden, häufig getrübt. Mentalisieren ermöglicht auch im sozialen Stress ein gutes Verständnis für eigenes oder fremdes Verhalten sowie kluges und vorausschauendes Handeln. Im folgenden Interview veranschaulicht Dr. Thomas Bolm, Chefarzt von MentaCare in Stuttgart und international anerkannter Experte für das Mentalisieren, wie wir durch Verbesserung der Mentalisierungsfähigeit unsere Resilienz (unsere psychische Widerstandskraft) stärken können.
Dr. Thomas Bolm Chefarzt Menta-Care – Zentrum für psychische Gesundheit in Stuttgart Azenbergstr. 68 70192 Stuttgart Tel.: 0711 76100-0 E-Mail: info@mentacare.de
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Herr Dr. Bolm, wie können wir besser mit Stress umgehen? Dr. Bolm: Unter viel Stress neigt jeder Mensch zu Vereinfachungen. Ich berate und behandle Menschen, die nur noch die konkreten Fakten sehen, ohne den Hintergrund, die Bedürfnisse, Wünsche und Absichten des Anderen zu berücksichtigen. Oder sie sind ganz einseitig von ihren eigenen Ängsten oder Wünschen eingenommen. Indem wir unterschiedliche Perspektiven spielerisch einnehmen, können wir uns besser in andere hineinversetzen, aber auch uns selbst sowie eigene Emotionen aus der Distanz betrachten. Dieses Reflektieren hilft uns, belastende Momente besser zu ertragen, umsichtig und vorausschauend zu entscheiden, uns in Konflikten zu behaupten oder rechtzeitig und angemessen Hilfe zu holen. Profis nennen dies „Mentalisieren“. Wenn das Mentalisieren nicht mehr funktioniert, kommen Menschen mit ihrem Alltagsstress nicht mehr klar, werden schneller gereizt, bekommen Kopf- oder Rückenschmerzen, Schlafstörungen,
werden ängstlich oder niedergeschlagen. Sie können ihre Mentalisierungsfähigkeit im Gespräch oder mit kreativen Methoden verbessern. Dies kann in Form von Beratung und Training oder als Therapie geschehen. Wen betrifft es? Dr. Bolm: Mentalisieren betrifft jeden Menschen. Für viele Männer ist ihr Selbstbild als Führungskraft, als Ernährer, Beschützer und Leistungserbringer unvereinbar mit dem Eingeständnis, Schwäche zu zeigen. Das trifft genauso Frauen, die sich oft in einem noch größeren Rollenkonflikt zwischen beruflichem Erfolg und privatem Engagement befinden. Erleichternd für eine wirksame Therapie ist es, wenn es frühzeitig gelingt, sich selbst die Notwendigkeit einer Unterstützung einzugestehen. Lassen Sie mich drei Berufsgruppen herausgreifen. So muss im Geschäftsalltag von Unternehmern vieles strategisch bedacht werden. Wie verhandle ich mit meinen Geschäftspartnern, wie hal-
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te ich das Gefüge von Angestellten in einer produkinnezuhalten und die Situation von außen zu betiven Balance und wie kann ich gleichzeitig meine trachten. So ist zu bedenken, ob die vorlaute Antprivaten Bedürfnisse erfüllen? wort wirklich ihm galt oder es Hintergründe gab, Lehrer wiederum mussten in den letzten Jahren die allein mit der Verkäuferin zu tun haben. Vielleicht zunehmend komplexere Aufgaben übernehmen. merkt der Kunde aber auch, dass er selbst so unter Nicht nur die zahlreichen fachlichen und strukturelAnspannung steht, dass jeder Anlass zu einem Ärlen Änderungen tragen dazu bei, sondern auch gernis wird und er bereits in einem unpassenden Herausforderungen, die durch Inklusion oder ErzieTon die Bestellung aufgegeben hat. Mentalisieren hungsaufgaben entstehen, die früher durch das Elhilft also dabei, Hintergründe aufzudecken und beternhaus geleistet wurden. Hier zeigt sich selbst rufliche oder familiäre Ärgernisse dort anzugehen, bei über lange Zeit erfolgreichen Lehrkräften die wo sie entstanden sind. Notwendigkeit, die Mentalisierungsfähigkeit zu stärSchützt Mentalisieren auf Psychische Erkrankungen ken, um Burnout zu vermeiDauer? können jeden treffen, den und aktives EngageDr. Bolm: Wenn Menschen daher gilt es, aktiv ment zu erhalten. unter starker Anspannung vorzubeugen. BeispielsBetroffen sind auch die stehen, ist für jeden der weise mit professionellen sogenannten „Familienmaspielerische Zugang zu GeTrainingsmaßnahmen nager“, also Hausfrauen danken, Gefühlen und und -männer. Diese befinunterschiedlichen Perspekfür das betriebliche den sich oft in einer Endlostiven ganz oder teilweise Gesundheitsmanagement schleife von putzen, koeingeschränkt, zum Beispiel oder mit individuellem chen, waschen, bügeln. bei existenzieller Angst, Wut Coaching. Sie übernehmen Hol- und oder auch beim Verliebtsein. Bringdienste, sind AushilfsDann sehen Menschen sich Mathematikexperten und Beziehungskrisenfeuerund andere nicht mehr differenziert und ausgewowehr zugleich. Gerade diese Tätigkeiten werden gen, sondern eher im Lichte eigener Erwartungen häufig nur wenig anerkannt. Dies kann zu einem und Befürchtungen. Solche Mentalisierungsstöandauernd hohen Stresspegel sowie zu nachlasrungen können auf Dauer zu weitreichenden privasendem Selbstwertgefühl führen, was in schwere ten und beruflichen Fehlentscheidungen, unangeKonflikte, Ängste und Depressionen oder psychomessenem Verhalten oder zu schweren psychisomatische Erkrankungen münden kann. schen, psychosomatischen oder sogar körperlichen Krankheiten führen. Die Anfälligkeit dafür ist Wie kann Mentalisieren helfen? von Mensch zu Mensch verschieden. Die VerbesseDr. Bolm: Mentalisieren erleichtert es, sich nicht rung der Mentalisierungsfähigkeit hat in wissenvon intensiven Fantasien überwältigen oder von schaftlichen Wirksamkeitsstudien zu einer nachNüchternheit lähmen zu lassen. Mentalisieren hilft haltigen Abnahme von Krankheitssymptomen, Verauch, sich im Umgang mit anderen Menschen und besserung der sozialen Beziehungen und gesellmit widerstreitenden eigenen Bedürfnissen klug, schaftlichen Integration geführt. angemessen und vorausschauend zu verhalten. Sowohl im Berufs- wie im Familienleben ist MentaKönnen betroffene Personen die Therapien lisieren deshalb ein wichtiges Fundament für Erin ihren Alltag integrieren? folg, Kreativität und gesundheitliche Stabilität. Dr. Bolm: Damit das gewohnte Umfeld erhalten, Eine banale Alltagsbegebenheit mag dies verund der Übergang in den Alltag erleichtert wird, findeutlichen. Sagen wir, jemand bekommt von der det das intensive Programm unserer Tagesklinik an Bäckereiverkäuferin auf seine Bestellung hin eine zwei bis fünf Tagen pro Woche statt. Wir behandeln patzige, übelgelaunte Antwort. Wütend ballt er daauch ambulant. So kann eine langwierige berufraufhin die Faust und ärgert sich. Mentalisieren hilft liche oder familiäre Auszeit häufig vermieden ihm, jetzt nicht verbal zurückzuschießen, sondern werden.
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Thementag Schlaf 2017
Illustration: © fotolia/Sentavio
07. 10. 2017 Stuttgart
Eine Veranstaltung der Zeitschrift
das schlafmagazin
in Zusammenarbeit mit Landesverband Baden-Württemberg Schnarchen–Schlafapnoe e.V. www.lvbwss.de
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Thementag Schlaf 2017 07. 10. 2017 • 9.00–16.00 Uhr Treffpunkt Rotebühlplatz • Rotebühlplatz 28 • 70173 Stuttgart Kompass Gesundheit 3/2017 Mehr Infos unter: www.dasschlafmagazin.de
VORLÄUFIGES PROGRAMM
ANMELDUNG
Einlass: 9.00 Uhr Moderation: Dr. Suso Lederle (Stuttgart) 10.00 Uhr Begrüßung 10.15 Uhr Dr. Stefan Reinecke (Stuttgart): Schlafapnoe und COPD 10.45 Uhr Prof. Dr. Matthias Leschke (Esslingen): Schlafapnoe und Herzinsuffizienz 11.15 Uhr Dr. Hans-Günter Weeß (Klingenmünster): Schichtarbeit 11.45 Uhr Dr. Tobias Meile (Stuttgart): Neue Strategien gegen Übergewicht
앮 Ich komme alleine 앮 Wir nehmen mit insg. _________ Personen an der Veranstaltung teil.
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_______________________________________ 12 . 15 – 13 . 15 M i t t a g s p a u s e _______________________________________ 13.15 Uhr Jürgen Körner (Sindelfingen): Kraftquelle Schlaf 13.45 Uhr Dr. Viola Götz (Stuttgart): HNO-ärztliche Therapiemöglichkeiten bei Schlafapnoe 14.15 Uhr Prof. Dr. Wolfgang Galetke (Köln): Die Zukunft der Selbsthilfe _______________________________________
Die Anzahl der Plätze im Vortragssaal ist begrenzt. Bei zu vielen Anmeldungen entscheidet das Anmeldedatum. Schicken Sie eine E-Mail an:
dr.antonic@meditext-online.de Oder schicken Sie ein Fax an:
14 . 4 5 – 15 . 15 K a f f e e p a u s e ___________________________________________
0711 7656590
15.15 Uhr Dr. Dr. Dr. Winfried Kretschmer (Ostfildern): Die Heilung der Schlafapnoe – Therapie des MKG-Chirurgen
Oder per Post an
Meditext Dr. Antonic • Panoramastr. 6 73760 Ostfildern
15.45 Uhr Joe Meixner (Österreich/Kroatien): Erlebnisvortrag „piano medicine“ ___________________________________________ Workshops • Unabhängige Begleitung für Schlafapnoe-Patienten • Muskeltraining gegen Schlafapnoe • Maskensprechstunde • Strategien gegen Schnarchen
Der Eintritt ist frei!
Der Traum jedes Patienten: privat versichert? er privat versichert ist, kann sich besser fühlen als die nur gesetzlich Versicherten. Als Privater bekommt man ziemlich rasch einen Termin beim Facharzt, sitzt womöglich in einem schönen Wartezimmer und bekommt alles verordnet, was gut und teuer ist. Außerdem stehen einem die aktuellsten Diagnoseverfahren und Therapien zur Verfügung, auf die der „Kassenpatient“ noch lange warten muss, bis der Gemeinsame Bundesausschuss sein Okay dazu gibt. Falls überhaupt. Doch ist die private Krankenversicherung wirklich der Joker für Patienten? Wir fragten den Geschäftsführer der AOK Neckar-Fils, Johannes Bauernfeind.
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Die PKV steht finanziell alles andere als glänzend da. An Zinsen ist nichts mehr zu verdienen. Die Mitgliederzahlen sind rückläufig und ob der Staat die steigenden Beihilfeausgaben für Beamte (auf Steuerzahlers Kosten) noch weitertragen will, ist unklar. Zudem steigen die Beiträge der PKV, insbesondere im Alter, wo mancher Rentner passen und in einen Normaltarif umsteigen muss. Johannes Bauernfeind: Durch Absicherung von Gesundheitsrisiken über einen Kapitalstock ist die private Krankenversicherung auch vom jeweiligen Zinsniveau abhängig. Dass dies nicht unbedingt zur Sicherheit des Systems beiträgt ist klar. Allerdings liegt es nicht an uns, zu beurteilen, wie gut oder schlecht die PKV als Ganzes da steht. Wir können allerdings eines beobachten: Immer mehr Menschen entscheiden sich ganz bewusst für die gesetzliche Krankenversicherung. Viele, die die Wahlmöglichkeit zwischen der gesetzlichen und der privaten Krankenversicherung haben ge-
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hen in die GKV oder bleiben in ihr. Die GKV ist also durchaus attraktiv. Sie wäre es bestimmt auch für viele Beamte, denen jedoch durch beihilferechtliche und steuerliche Gegebenheiten de facto die Wahlmöglichkeit gar nicht geboten wird. Die PKV alimentiere mit der besseren Honorierung der Ärzte das System, so heißt es. Die Privatversicherten ermöglichen es also erst dem Arzt, finanziell über die Runden zu kommen. Ist die GKV so knausrig und funktioniert das System nicht ohne Privatpatienten? Johannes Bauernfeind: Im Gegenteil: Die Kassenzulassung ist in den meisten Fällen die wirtschaftliche Grundlage für den Betrieb einer Praxis. Das System funktioniert also nicht ohne die gesetzliche Krankenversicherung. Zudem ist es fraglich, ob sich die Vergütungsunterschiede auch in der Zukunft in den Praxiserlösen niederschlagen werden. Immer mehr Menschen sind im PKV-Basistarif versichert, der kaum höhere Erlöse bringt. Außerdem führen die hohen Prämiensteigerungen dazu, dass PKV-Versicherte mit ihren Versicherungen Leistungsausschlüsse vereinbaren müssen, um die Prämien noch zahlen zu können. Der Erlösanteil der Leistungserbringer aus der PKV wird also ziemlich sicher sinken. Außerdem gibt es in der GKV z. B. mit den Hausarzt- und Facharztverträgen durchaus Möglichkeiten, einen wichtigen Beitrag zu einer gesunden Praxisfinanzierung zu leisten. Zudem bringen solche Verträge, wie sie die AOK Baden-Württemberg mit ihren Partnern auf Ärzteseite vereinbart hat, auch den Patienten eine bessere Versorgung.
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Die PKV sieht sich als Innovationsmotor für die Gesundheitsversorgung und garantiere den medizinisch-technischen Fortschritt. Privatpatienten erhalten an Diagnostik und Therapie alles, was gerade auf dem Markt angekommen ist. Spielen dabei Qualität und Wirksamkeit keine Rolle? Johannes Bauernfeind: Im Krankenhausbereich gibt es die gleiche Vergütung für Leistungen in der GVK wie in der PKV. Auch in den Krankenhäusern sorgt die GKV maßgeblich für die Mittelausstattung. Und in den Krankenhäusern findet in der Regel der medizinische Fortschritt zuerst statt. Wenn Diagnostik und Therapie im ambulanten Bereich ankommen, dann wünschen wir uns klare Regularien für die Markteinführung, insbesondere was die nachgewiesene Wirksamkeit betrifft. Der Kardiologe Prof. Sechtem kritisierte vor Kurzem in einem Interview, dass Patienten alle Innovationen, die in den Medien publik gemacht werden, für sich einfordern, obwohl deren Wirksamkeit und Sicherheit noch längst nicht erwiesen ist. Tragen PKV-Versicherte deshalb oft ein höheres Risiko, durch aktuelle Verfahren, die nicht evaluiert sind, Schaden zu nehmen? Johannes Bauernfeind: Ich gehe davon aus, dass wir verantwortungsbewusste Ärzte haben, die eine gewissenhafte Risikoabwägung vornehmen. Verfahren, für die keine Evidenz vorliegt, sind nur in Ausnahmefällen für die Versorgung geeignet, wenn zum Beispiel die medizinische Expertise – auch über Zweit- und Drittmeinung – einen Heilversuch als gegeben ansieht. In der Regelversorgung hat dies allerdings keinen Platz. Meiner Meinung auch nicht in der PKV. Wo liegt der Nutzen bei diagnostischen Verfahren (z. B. PSA-Bestimmung oder PET), die oft ein falsch positives Ergebnis bringen und unnütze und riskante Eingriffe herausfordern? Johannes Bauernfeind: Bei sinnhafter diagnostischer Abstufung können falsch positive oder falsch negative Diagnosen meist deutlich reduziert werden. Eine gute Vordiagnostik ist also unerlässlich. Das erhöht auch die Chancen für eine frühzeitige und erfolgreiche Behandlung und verringert zugleich die Risiken unnötiger Eingriffe.
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Manchmal kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Privatversicherte alles angedient bekommen, was gut und teuer, jedoch unter dem Aspekt des Nutzens und der Nebenwirkungen fragwürdig ist. Johannes Bauernfeind: Hier darf man ganz bestimmt nicht generalisieren. Ein verantwortungsvoller Arzt wird immer das Patientenwohl in den Vordergrund stellen. Allerdings gibt es überall schwarze Schafe. Wie kann die GKV gegen die Werbung der PKV punkten unter dem Gesichtspunkt, alles Sinnvolle für die Gesundheit ihrer Versicherten zu tun? Johannes Bauernfeind: Wir müssen Gesundheit umfassend betrachten. Neben einer guten Versorgung im Krankheitsfall spielt auch die Prävention eine wichtige Rolle. Die Prävention hat in der GKV sicherlich und zurecht einen sehr hohen Stellenwert. Daneben sind es auch grundsätzliche Dinge, in denen die GKV punktet. Das Solidarsystem, in dem wir uns befinden stellt sicher, dass keiner überfordert wird bei den Beiträgen. Es hängt auch nicht von der wirtschaftlichen Lage des Einzelnen ab, welchen Versicherungsumfang er genießt und die GKV bietet jedem Versicherungsschutz, egal welches Alter und welche (Vor-)Erkrankungen er hat. Des Weiteren sorgt der Wettbewerb innerhalb der GKV – den es so in der PKV gar nicht wirklich gibt – dafür, dass sich jede gesetzliche Krankenkasse durch gute Versorgungsangebote und guten Service immer wieder aufs Neue um ihre Kunden bemüht. Auch das ein Punkt, der klar für die GKV spricht. Die GKV setzt vielfach auf präventive Maßnahmen: Ist sie damit der PKV ein Stück weit voraus? Johannes Bauernfeind: Bei der Prävention ist die GKV der PKV weit voraus. Die AOK selbst hat das Thema seit mehr als 25 Jahren auf der Agenda. Nicht nur individuell bezogen, sondern auch an den Lebenswelten der Menschen orientiert. Uns geht es dabei darum, frühzeitig ein Gesundheitsbewusstsein zu schaffen für ein Leben mit gesunder Ernährung und viel Bewegung.
Johannes Bauernfeind, Geschäftsführer der AOK Neckar-Fils
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Nicht jammern – neue Wege suchen Als wir 1996 begannen, Schlafapnoepatienten mit Atemtherapiegeräten zu versorgen, schien diese Krankheit noch ziemlich selten zu sein. Die Industrie hatte gerade auch erst begonnen, Therapiegeräte und Masken zu entwickeln. Die Geräte waren damals ziemlich groß und laut und natürlich wartungsintensiv. Unseren Mitarbeitern war aber auch klar, dass unsere Patienten über die Versorgung mit Geräten und Interfaces hinaus noch etwas ganz anderes, Immaterielles brauchen: Beratung, Begleitung, Problemlösungen.
Wir werden immer mehr Patienten haben mit immer knapperen Ressourcen. Da sollten wir gemeinsam Wege finden, um bei vernünftiger Abbildung der Kostenseite und bei gutem Datenschutz für den Patienten das Beste herauszuholen.
Die CPAP-Therapie ist nicht ohne. Nach der Diagnose im Schlaflabor wurde den Patienten mitgeteilt, dass sie fortan Nacht für Nacht eine Maske tragen müssten. Die Krankheit ist nicht zu kurieren, nur ihre Symptome sind zu behandeln, um die gefährlichen nächtlichen Atemaussetzer mit der dadurch bedingten Sauerstoffminderversorgung des gesamten Organismus zu verhindern. Von Anfang an nahmen unsere Mitarbeiter diesen Part ihrer Patientenversorgung sehr ernst. Sie berieten die Patienten hier im Unternehmen oder zu Hause, wenn diese älter und weniger mobil waren. Schnell bildeten sich auch Selbsthilfegruppen in Baden-Württemberg. Bei deren Gruppenabenden waren ausnahmslos ein oder zwei unserer Mitarbeiter, die sich auf Schlafapnoe spezialisiert hatten, anwesend und hielten im Anschluss an Vorträge eine Maskensprechstunde ab. Konkret bedeutet dies, dass die Betroffenen mit ihrem Problem kamen und um Rat suchten. Wie kann ich die Druckstellen vermeiden, welche die Maske verursacht? Weshalb bläst die Luft aus der Maske und führt zu Augenentzündungen? Oder: Das Gerät ist zu laut und stört meine Bettpartnerin. Unsere Mitarbeiter informierten und gaben Tipps, wie Leckagen zu vermeiden sind. Probierten andere Masken aus. Und vor allem: Sie machten den Patienten, die dieser Therapie gegenüber skeptisch waren, Mut, bei der Stange zu bleiben. Nebenbei wurde Geräte gewartet, Filter ausgetauscht. Langsam wurden auch die Krankenkassen darauf aufmerksam, dass Schlafapnoe wohl doch keine eher exotische
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Im Lauf der Jahre nahm die Patientenzahl zu. Es wurde deutlich, dass Schlafapnoe keine Modeerscheinung war, kein Krankheitskonstrukt, sondern eine typische Volkskrankheit. Die Wissenschaft bewies durch eine Vielzahl von Studien, dass eine nicht behandelte Schlafapnoe sehr wahrscheinlich Bluthochdruck verursacht, Diabetes mellitus, Depressionen und im schlimmsten Fach Herzinfarkt oder Schlaganfall. Wir wissen heute, dass fast jeder Patient, der mit einem Schlaganfall in die Klinik eingewiesen wird, an einer bislang noch nicht diagnostizierten und behandelten Schlafapnoe leidet.
Krankheit war, sondern, denkt man an die Millionen noch unentdeckter und damit unbehandelter Schlafapnoiker, eine wahre Volkskrankheit. Die Kassen suchten nun nach Strategien, möglicherweise ausufernde Therapiekosten einzugrenzen. Das ist nachvollziehbar. Dass Versicherten mit einen begründeten Verdacht auf eine Schlafapnoe ärztliche Hilfe nicht einfach aus Kostengründen vorenthalten werden darf, war ebenfalls klar. Doch man ließ sich einiges einfallen. Zum Beispiel definierte man die Untersuchung im Schlaflabor, das sich in der Regel in einer Klinik befand, von stationär in ambulant um. Eine ambulante Operation z.B. kostet die Kasse weniger als eine im Krankenhaus, wo der Patient nach dem Eingriff nicht nach Hause geht, sondern zumindest eine Nacht im Zimmer des Krankenhauses schläft. Ambulant vor
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stationär, so die Lösung der gesetzlichen Krankenkassen. Im Fall der Schlafapnoe-Diagnostik ist das freilich reine Willkür, denn die Patienten nächtigen mit einer Unzahl von Elektroden am Körper in einem Zimmer des Krankenhauses. Nur werden die stationären Kosten nicht bezahlt! Die „genialste“ Idee hatte als erste Kasse die Techniker Krankenkasse. Die Versorgung durch die Homecare Versorger wurde bundesweit ausgeschrieben. Ja, es wurde genauso vorgegangen wie es bei Bauvorhaben üblich ist. Firmen, die sich für einen solchen Auftrag interessieren, geben ein Angebot ab. Wer am günstigen bietet, hat das Los gewonnen und damit auf einen Schlag unter Umständen tausende neuer Patienten gewonnen. Pro Patient gibt es zwar deutlich weniger Geld, was sich aber, so die unternehmerische Kalkulation der Losgewinner, durch die größere Zahl der zu betreuenden Patienten rechnet. Damals schrie die Branche auf. Auch die Patienten fürchteten um die Güte ihrer Versorgung. Doch man gewöhnte sich daran. Andere Kassen gefiel die Methode der Ausschreibung verständlicherweise und sie zogen nach. Ausschreibungen kamen in Mode, wobei im Augenblick nichts mehr auszuschreiben ist, denn die Preise sind im Keller. Tiefer geht’s kaum noch: Mit einer Jahrespauschale unter 100 Euro hat der Sparstrumpf seine letzten Maschen eingebüßt. Für dieses Geld lassen sich die Patienten nicht mehr seriös versorgen. Zur Not bekommt der Patient ein gebrauchtes und wieder aufbereitetes Gerät und muss sich mit drei Maskentypen im Portfolio des Versorgers begnügen. Wenn diese drei Masken Probleme bereiten, muss sich der Patient halt eine andere Maske, die auf dem Markt angeboten wird, auf eigene Kosten anschaffen. Mir bereitet die Betreuung der Patienten Sorgen. Die Schlaflabore haben dazu immer weniger Zeit und personelle Kapazitäten. Aber diese Betreuung ist für den Therapieerfolg unumgänglich. Eine Therapie wie die CPAP-Behandlung funktioniert umso besser, je praktikabler das Gerät ist, je weniger störend die Technik vom Patienten empfunden wird. Das ist bei älteren Geräten und bei einigen Masken sicherlich ein Problem. Doch gerade die älteren Patienten bedürfen eines teilweise höheren Betreuungsaufwands, weil Lernprozesse langsamer sind und größere Hemmungen gegenüber technischen Geräten bestehen. Um diese Probleme zu meistern, ist Geduld und Zeit nötig und qualifiziertes Personal. Nur so lassen sich viele Patienten für die CPAP-Therapie gewinnen. Unsere Mitarbeiter müssen den Patienten die Kompetenz vermitteln, ihr Gerät zu bedienen, kleinere Probleme selbst zu lösen und größere zu artikulieren und dem Homecare Versorger zur Kenntnis zu bringen.
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Ich akzeptiere, dass wir als Homecare Versorger in der Pflicht sind, unseren Patienten die beste Betreuung zu bieten. Und wir wollen und müssen diese Aufgabe auch ernst nehmen. Doch dies kostet Geld. Jeder Kilometer, den einer unserer Mitarbeiter zu einem Patienten fährt, der nicht so einfach mehr zu uns in die Niederlassung kommen kann, muss bezahlt werden. Was für Service und Betreuung von den augenblicklich erstatteten Pauschalen übrig bleibt, deckt diese Kosten in keiner Weise. Darüber spricht niemand gerne. Diskutiert wird nur der hohe Qualitätsanspruch. Qualität ist aber nicht zum Nulltarif zu haben. Jammern hilft allerdings nicht weiter. Es gibt vielversprechende Ansätze, in Zeiten knapper Ressourcen dennoch Patienten optimal zu betreuen. Die Telemedizin bietet exzellente Möglichkeiten, Patienten zu begleiten und bei Informationsdefiziten einzuspringen und weiterzuhelfen. Für COPD-Patienten beweisen die TK und das Robert Bosch-Krankenhaus seit geraumer Zeit, dass sich mit Telemonitoring beispielsweise Exazerbationen verhindern lassen und Klinikaufenthalte vermieden werden können. Bei der Betreuung unserer Schlafapnoe-Patienten sind wir noch eine ganze Wegstrecke hinterher. Die Technik steht zur Verfügung. Wir könnten exakt einzelne Nächte mit Leckagen detektieren und gegensteuern. Die Patienten sogar mit Videoclips auf ihren Smartphones oder Tablets zeigen, beispielsweise wie eine Maske korrekt angelegt wird, wie man sie reinigt. Doch wird diese Technik immer noch sehr skeptisch beurteilt. Jemand, der eine gute Compliance zeigt und eine exzellent eingestellte Therapie hat, der muss nicht mehr kontrolliert werden. Aber die Betroffenen, die alleine leben und die Maskenleckagen nachts nicht merken, die müssen wir herausfinden und ihre Therapie optimieren. Telemonitoring ermöglicht uns dies. Ich verstehe die Sorge, dass ein Provider medizinische sensible Daten eines Patienten, überspitzt formuliert, für sich lagert und verwenden kann, ohne dass die Ärzte den Zugriff in vollem Umfang darauf haben. Das ist sicher kritisch zu sehen. Doch kann man den Datenschutzaspekten durchaus gerecht werden. Wichtig ist die Transparenz zwischen Provider und den versorgenden Ärzten. Und machen wir uns klar: Wir werden immer mehr Patienten haben mit immer knapperen Ressourcen. Da sollten wir gemeinsam Wege finden, um bei vernünftiger Abbildung der Kostenseite und bei gutem Datenschutz für den Patienten das Beste herauszuholen.
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Fernreisen & Impfungen: Vorbereitet reisen, gesund heimkommen Internationale Reisetätigkeit und Migration nehmen kontinuierlich zu. Ein wesentlicher Teil betrifft Reisen, Aufenthalte und Migration in bzw. aus Entwicklungsländern und tropischen Regionen. Dort besteht häufig ein erhöhtes Risiko Erkrankungen zu erwerben, die in Deutschland und Europa nicht oder nur selten vorkommen. Zahlreiche Gesundheitsrisiken lassen sich durch entsprechende Präventionsmaßnahmen vermeiden oder zumindest erheblich reduzieren. Dies ist Aufgabe und Inhalt der reisemedizinischen Beratung, die rechtzeitig vor jeder Reise bzw. jedem Aufenthalt mit erhöhten Risiken erfolgen sollte. Bei beruflich veranlassten Reisen ist diese Beratung ein wichtiger Teil der arbeitsmedizinischen Vorsorge. Bei bestimmten Personengruppen wie Rucksack- und Abenteuerreisenden (lowbudget-travelers) oder Mitbürgern mit Migrationshintergrund, die ihre Herkunftsländer besuchen (VFR, „visiting friends and relatives“) ist der Anteil derjenigen, die ohne adäquate Beratung und Prävention reisen, besonders hoch, obwohl sie am meisten gefährdet sind. Prof. Thomas Löscher eben der Beratung zu verschiedenen nicht-infektiösen Gesundheitsrisiken (z. B. Klima, UVSchutz, Unfälle, Gewalt, Gifttiere, Reiseapotheke) spielt die Prävention übertragbarer Erkrankungen eine besonders wichtige Rolle. Hierzu gehören neben der Expositionsprophylaxe und dem Schutz vor Malaria vor allem die Impfungen. Neben den für die Einreise vorgeschriebenen Impfungen sind je nach Reiseziel und Reiseart verschiedene Indikationsimpfungen zu beachten. Zudem sollte jede Beratung zum Anlass genommen werden, generell empfohlene Standardimpfungen zu überprüfen. In den letzten Jahren wurde eine Reihe neuer oder verbesserter Impfstoffe zugelassen, die auch in der Reisemedizin von Bedeutung sind. Impfstoffe gegen Dengue-Fieber und Malaria sind derzeit in klinischer Erprobung.
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Prof. Dr. Thomas Löscher Ärztlicher Leiter im M1 Zentrum für Reise- und Tropenmedizin Konsiliararzt für die M1 Privatklinik München Am Frauenplatz 7, 80331 München Tel.: 089-24215640 E-Mail: drloescher@ arzt-m1.de www.M1-ZRT.de
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letzt novelliert und betrifft vor allem die Gelbfieberimpfung. Bei Einreise nach Saudi-Arabien wird zudem ein aktueller Impfschutz gegen Meningokokken-Erkrankungen und Poliomyelitis verlangt. Eine Reihe weiterer Länder verlangt derzeit bei Einreise aus Gebieten mit Vorkommen von Poliofällen oder Polioviren ebenfalls den Nachweis einer aktuellen Polioimpfung. Je nach Ziel, Art und Dauer einer Reise, sowie nach Expositionsrisiken und Vorerkrankungen des Reisenden sind zudem bestimmte Indikationsimpfungen angezeigt. Aktuelle Hinweise dazu finden sich in „Hinweise und Empfehlungen zu Reiseimpfungen“ der Deutschen Gesellschaft für Tropenmedizin und Internationale Gesundheit (DTG e. V.), die jährlich aktualisiert werden (www.dtg.org).
Standardimpfungen Impfungen Jede reisemedizinische Beratung sollte zum Anlass genommen werden, auch die in Deutschland von der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut allgemein empfohlenen Standardimpfungen zu überprüfen und ggf. nachzuholen bzw. aufzufrischen. Staaten können Impfungen generell bei Einreise oder bei Einreise bzw. Transit über bestimmte Länder vorschreiben. Rechtlich beruht dies auf den internationalen Gesundheitsvorschriften, 2005 zu-
Generell wird ein aktueller Schutz gegen Tetanus (Wundstarrkrampf) und Diphtherie empfohlen, falls die letzte Impfung bei vollständiger Grundimmunisierung länger als 10 Jahre zurückliegt. Eine fehlende oder unvollständige Grundimmunisierung ist nachzuholen bzw. zu komplettieren. Im Erwachsenenalter sollte einmalig eine Impfung gegen Pertussis (Keuchhusten, aP) bei der nächsten fälligen Td-Auffrischung erfolgen. Dazu stehen Kombinationspräparate mit Pertussis-Komponente (Td-aP oder Td-aP-Polio) zur Verfügung. Ein monovalenter
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Pertussis-Impfstoff ist zurzeit in Deutschland nicht verfügbar. Die Immunität bei Pertussis hält weder nach durchgemachter Erkrankung noch nach Impfung lebenslang an. Auch wenn Erwachsene i.d.R. nicht mit einem Keuchhusten erkranken, sondern mit einer akuten oder protrahiert verlaufenden Bronchitis, so stellen sie eine wichtige Infektionsquelle für junge Säuglinge dar, die erst ab der 2.–3. Impfung, das heißt ab dem 4.–5. Lebensmonat, geschützt sind. Für alle nach 1970 geborenen Personen wird eine einmalige Impfung gegen Masern, möglichst als Kombinationsimpfung Masern-Mumps-Röteln, empfohlen, falls bislang noch keine bzw. in der Kindheit keine zweimalige Impfung gegen diese Erkrankung erfolgt ist. Insbesondere in Ländern mit einer niedrigen Durchimpfungsrate (viele Entwicklungsländer) besteht ein erhöhtes Risiko. Alle Reisende ab dem 60. Lebensjahr sollten eine jährliche Influenza-Impfung erhalten sowie eine Pneumokokken-Impfung, welche alle 6 Jahre wiederholt werden kann. Dabei zählt die Influenza zu den am häufigsten bei Fernreisen erworbenen Infektionen. Eine Impfung sollte bei allen Fernreisenden insbesondere bei Besuch von Massenveranstaltungen (z. B. Mekkapilger) oder regelmäßiger Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln (z. B. Bus oder Bahn) erwogen werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Influenzasaison auf der
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Nord- und Südhalbkugel im jeweiligen Winter liegt, während die Influenza in den Tropen ganzjährig auftreten kann. In manchen Jahren ist die WHO-Empfehlung zur Zusammensetzung des aktuellen saisonalen Impfstoffes unterschiedlich für Nord- und Südhalbkugel. Bei Beschaffungsproblemen (z. B. Südhalbkugel-Impfstoff) sollte dann ggf. eine Impfung möglichst bald nach Ankunft vor Ort empfohlen werden. Bei Reisenden sollten eher die neuen 4-valenten Grippeimpfstoffe verwendet werden. Im Gegensatz zu den üblichen 3-valenten enthalten diese beide Hauptlinien der Influenza B-Viren (Yamagata und Victoria), zwischen denen keine Kreuzimmunität besteht. Gerade bei Reisen ist es nicht vorhersehbar, welche der beiden Linien regional zirkulieren wird. Ebenso sollten weitere, nach Empfehlungen der STIKO bei bestimmten Personen und Risikogruppen auch in Deutschland indizierte Impfungen (z. B. Influenza, Pneumokokken, Varizellen, Hepatitis B, HPV) besprochen und ggf. durchgeführt werden. Eine Impfung gegen die durch Zecken übertragene Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME, Zeckenhirnentzündung) kann außerhalb der Risikogebiete in Deutschland und Europa auch für Reisende nach Asien (z. B. russische Föderation, Mongolei, Norden von China und Japan) sinnvoll sein, da die Impfung auch gegen die fernöstliche und sibirische Variante des FSME-Virus schützt.
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Poliomyelitis Trotz der globalen Anstrengungen die Polio zu eradizieren, kommt es in Afrika (Nigeria) und in Südasien (Pakistan, Afghanistan) immer noch zu neuen Fällen. Dabei werden auch Polioviren und Krankheitsfälle in Nachbarländer wie z. B. Somalia, Kenia, Äthiopien, Südsudan oder Kamerun importiert und führen dort zu Ausbrüchen. Weiterhin kam es 2013/2014 zu einem Polio-Ausbruch in Syrien sowie zum Nachweis von Wildvirusisolaten im Abwasser in Ägypten und Israel. Daher wird für Reisen nach Afrika, Asien, einschließlich des Nahen Ostens, ein aktueller Polioschutz empfohlen. Nach abgeschlossener Grundimmunisierung sollte eine Auffrischimpfung mit inaktiviertem trivalenten Polioimpfstoff (IPV) nicht länger als 10 Jahre zurückliegen. Kombinationspräparate können angewendet werden. Eine fehlende Grundimmunisierung ist nachzuholen (auch unabhängig von einer Reise), dabei sollten vor Reiseantritt möglichst 2 Dosen IPV im Abstand von > 4 Wochen verabreicht werden. Der orale Lebendimpfstoff (OPV) steht in Deutschland nicht mehr zur Verfügung. Bei Einreise aus Gebieten mit Poliofällen oder Wildvirusnachweis wird derzeit in Saudi-Arabien und Indien der Nachweis einer Impfung verlangt, die nicht älter als 1 Jahr ist und vor mindestens 6 Wochen gegeben wurde. Auch für Asylbewerber und Flüchtlinge aus Risikogebieten sowie für betreuendes Personal ist ein aktueller Impfschutz wichtig. Hepatitis A Von der Hepatitis A-Impfung profitieren viele Reisende schon bei Reisen in Länder des Mittelmeerraumes oder nach Osteuropa. Eine Impfung sollte daher bei allen nicht-immunen Personen bei Reisen in Hepatitis A-Endemiegebiete erfolgen. Eine einmalige Impfung mit dem gut verträglichen und hoch wirksamen Totimpfstoff gewährt einen Schutz über mindestens ein Jahr. Eine Wiederholung nach frühestens 6 Monaten führt zu einem Langzeitschutz von mindestens 25 Jahren (möglicherweise lebenslang). Die Impfung kann als Kombinationsimpfung mit Hepatitis B oder mit Typhus verabreicht werden.
lichen empfohlenen Standardimpfungen. Als Indikationsimpfung sollte sie bei allen Personen mit bestimmten Grunderkrankungen (z. B. HIV/HCVInfektion, chronische Nieren- und Lebererkrankungen), erhöhtem privaten oder beruflichen Risiko, Personen in bestimmten Gemeinschaftseinrichtungen und bei Reisen in Endemiegebiete für Hepatitis B, insbesondere bei Langzeitaufenthalten, erfolgen. Dabei ist eine Beratung zur Hepatitis B-Impfung bei jeder reisemedizinischen Konsultation zu empfehlen, da bei Fernreisen zusätzliche, nicht immer vorhersehbare Risiken wie ungeschützte Sexualkontakte oder medizinische Eingriffe bei ungenügenden hygienischen Bedingungen vorkommen können. Es stehen gut verträgliche rekombinante Totimpfstoffe zur Verfügung. Im Jugend- und Erwachsenenalter werden als Grundimmunisierung drei Impfungen (0, > 1 und > 6 Monate) durchgeführt. Die Impfung kann auch in Kombination mit einer Hepatitis A-Impfung erfolgen. Bei nicht ausreichender Zeit vor der Ausreise besteht die Möglichkeit eines Schnellimmunisierungsschemas mit Hepatitis B- oder Hepatitis A/B-Impfstoff an den Tagen 0, 7, 21 sowie einer zusätzlichen Impfung nach 12 Monaten. Bei Indikationsimpfungen sollte eine serologische Impferfolgskontrolle 4–8 Wochen nach Abschluss der Grundimmunisierung erfolgen. Bei Anti-HBs-Werten ≥ 100 IE/l sind nach den aktuellen STIKO-Empfehlungen keine weiteren Auffrischungsimpfungen mehr erforderlich (Ausnahme bei Patienten mit humoraler Immundefizienz, ggf. bei hohem individuellen Expositionsrisiko). Die Testung des Impferfolgs bei Reisenden sollte nach Abwägung des jeweiligen Expositionsrisikos bzw. des Risikos eines Impfversagens (z. B. ältere Reisende, Grunderkrankungen) erfolgen. Bei unzureichendem Ansprechen sollten weitere Impfungen und Kontrollen entsprechend den Empfehlungen der STIKO erfolgen. Für Non-Responder und Personen mit bekannt schlechtem Ansprechen (z. B. Dialysepatienten) stehen auch Hepatitis B-Impfstoffe mit besonders wirksamen Adjuvantien oder erhöhtem Antigengehalt zur Verfügung.
Vorgeschriebene Impfungen Hepatitis B Die Grundimmunisierung gegen Hepatitis B gehört zu den von der STIKO für alle Kinder und Jugend-
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Gelbfieber ist eine durch Aedes-Moskitos übertragene Virusinfektion, die in einigen tropischen Regionen Südamerikas und des subsaharischen Afri-
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kas zoonotisch bei Affen verbreitet ist und beim Menschen Einzelerkrankungen wie epidemische Ausbrüche verursachen kann. Bei einem Teil der Patienten verläuft die Erkrankung schwer als hämorrhagisches Fieber mit Multiorganversagen (Letalität stationär behandelter Fälle 5–20 %). Aufgrund des zoonotischen Reservoirs ist eine vollständige Eradikation in den Endemiegebieten unwahrscheinlich und es kann auch Jahrzehnte nach dem letzten menschlichen Gelbfieberfall erneut zu Ausbrüchen kommen. In Asien traten trotz Vorhandenseins geeigneter Überträgermücken bislang keine autochthonen Gelbfieberfälle auf. In Deutschland steht ein Lebendimpfstoff, basierend auf dem attenuierten Gelbfieberimpfvirusstamm YF-17D, zur Verfügung, der nur von zugelassenen Gelbfieber-Impfstellen gegeben werden darf. Die Impfung verleiht einen zuverlässigen lebenslangen Schutz. Die früher erforderliche Auffrischimpfung nach jeweils 10 Jahren ist nicht mehr erforderlich. Ein gültiger Impfnachweis im internationalen Impfpass (International Certificate of Vaccination) ist in einigen Ländern Südamerikas und in vielen Ländern des subsaharischen Afrikas bei Einreise in das jeweilige Land oder bei kurz zurückliegender Reise in ein Endemiegebiet vorzuweisen. Diese muss mindestens 10 Tage vor Einreise erfolgt sein. Einige Länder Asiens verlangen das Vorliegen einer gültigen Impfung, wenn 10 Tage zuvor ein Gelbfieberendemiegebiet bereist wurde. Das Gelbfieberimpfvirus hat eine relativ hohe Restvirulenz und die Erstimpfung kann insbesondere bei Immunkompromittierten und Säuglingen seltene, aber schwerwiegende Nebenwirkungen verursachen, die als Impfvirus-Enzephalitis oder Impfgelbfieber (Letalität bis zu 50 %) verlaufen können. Insbesondere Impflinge im Alter unter 7 Monaten können an einer Enzephalitis erkranken. Daher ist die Impfung bei Kindern unter 6 Monaten kontraindiziert und erfordert in der Altersgruppe 69 Monate eine besondere Nutzen-Risiko-Abwägung. In den USA betrug das Risiko für schwerere Nebenwirkungen 1,7/100 000 und stieg in der Altersgruppe der über 60-Jährigen auf 5,3/100 000. Dies führte zu einer restriktiveren Indikationsstellung bei der erstmaligen Impfung bei über 60-Jährigen. Auf das erhöhte Risiko ist explizit hinzuweisen bzw. es sollte ggf. die Wahl des Reiseziels überdacht werden.
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Die Impfung ist bei Personen mit Thymuserkrankungen, Zustand nach Thymektomie, Bestrahlung des Thymus oder Thymom sowie bei Personen mit eingeschränkter Immunität z. B. bei Autoimmunerkrankungen, Behandlung mit immunsuppressiven Medikamenten oder symptomatischer HIV-Infektion kontraindiziert. Obwohl bislang keine Hinweise auf negative Auswirkung der Gelbfieberimpfung während der Schwangerschaft bekannt sind, sollte diese nur bei einer unvermeidbaren Reise in ein Risikogebiet und nach gründlicher Nutzen-RisikoAnalyse erfolgen. Es wurden Fälle von Übertragung des Impfvirus auf ein gestilltes Kind mit anschließender Impfgelbfieber-Enzephalitis berichtet. Eine Impfung von Stillenden sollte daher nach dem Abstillen oder nur bei deutlicher Gelbfiebergefährdung und nach gründlicher Aufklärung erfolgen. Bei Kontraindikation bzw. bei Risikogruppen für Impfnebenwirkungen und gleichzeitigem geringen medizinischen Risiko für eine Gelbfiebererkrankung besteht die Möglichkeit zu bescheinigen, dass eine Gelbfieberimpfung aus medizinischen Gründen nicht vertretbar ist (exemption certificate). Es besteht für die jeweiligen Länder jedoch keine rechtsverbindliche Verpflichtung diese Bescheinigung für die Einreise anzuerkennen. Dies sollte am besten vorab mit dem Reiseveranstalter oder den zuständigen Botschaften geklärt werden.
Indikationsimpfungen Invasive Meningokokken-Erkrankungen Insbesondere im sogenannten Meningitisgürtel der subsaharischen Staaten Afrikas kommt es in meist mehrjährigen Abständen und vor allem während der Trockenzeit zwischen Januar und Mai zu Epidemien mit invasiven Erkrankungen durch Neisseria meningitidis mit Tausenden von Todesfällen. Im subsaharischen Afrika sind Meningokokken der Serogruppe A verbreitet, es kommt aber auch zu Epidemien durch Erreger der Serogruppen C, X und W-135. In anderen Regionen wie Europa und Nordamerika treten vorwiegend sporadische Erkrankungen der Serogruppen B und C auf. In China, Indien und Brasilien sind auch Epidemien durch Serogruppe A und C von Bedeutung. Obwohl das Ansteckungsrisiko für Reisende insgesamt niedrig ist, können insbesondere der enge oder häufige Kontakt mit der einheimischen Bevölkerung sowie Tätigkeiten in Krankenhäusern, Schulen oder Wai-
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senheimen das Risiko erhöhen. In Deutschland wird eine einmalige Impfung im Kindesalter mit einem Meningokokken-Konjugat-Impfstoff gegen die Serogruppe C für alle Kinder ab einem Alter von 12 Monaten empfohlen. Für die Serogruppen A, C, W und Y besteht ebenso die Möglichkeit einer Impfprävention. Reisende sollten bevorzugt mit einem 4-valenten (ACWY) Konjugatimpfstoff geimpft werden. In Deutschland stehen zwei solche Impfstoffe mit guter Wirksamkeit und Verträglichkeit zur Verfügung, die ab dem vollendeten 1. bzw. 2. Lebensjahr verabreicht werden können (in den USA bereits ab dem vollendeten 2. Lebensmonat zugelassen). Bezüglich der Schutzdauer und der Notwendigkeit von Auffrischimpfungen gibt es bislang noch keine Empfehlungen. Reisende in Länder mit epidemischen Vorkommen (afrikanischer Meningitisgürtel) oder in Gebiete mit aktuellen Ausbrüchen sollten geimpft werden. Vor allem medizinisches Personal und Personen mit intensivem Kontakt zur Bevölkerung (z. B. soziale Berufe, Entwicklungshelfer) sind gefährdet. In einigen Ländern (z. B. USA, Großbritannien) kann von Schülern und Studenten der Nachweis einer Meningokokken-Impfung (C oder ACWY) verlangt werden, insbesondere bei Unterbringung in Gemeinschaftseinrichtungen (z. B. Studentenwohnheime). Reisende nach Saudi-Arabien, v. a. Pilger zur Hadsch und Umrah, müssen ab einem Alter von 2 Jahren eine Impfung mit einem 4-valenten (ACWY) Impfstoff nachweisen, die mindestens 10 Tage vor Einreise erfolgt sein muss und nicht älter als 3 Jahre sein darf. Seit 2013 ist auch ein neuer Impfstoff gegen die in Deutschland und Europa vorherrschende Serogruppe B zugelassen, der ab einem Alter von 2 Monaten verabreicht werden kann. Eine generelle STIKO-Empfehlung steht wegen begrenzter Daten zur Wirksamkeit bislang noch aus. In einer Stellungnahme weist die STIKO darauf hin, dass eine Impfung sinnvoll sein kann bei erhöhter Gefährdung (z. B. Kontakte zu Erkrankten). Für Reisende kann eine Serogruppe B-Impfung zusätzlich zur ACWY-Impfung sinnvoll sein bei erhöhter Gefährdung sowie insbesondere für Kinder auch bei Reisen bzw. Aufenthalten in Europa, Nord- und Lateinamerika oder Neuseeland und bei entsprechender Impfempfehlung des Ziellandes.
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Typhus abdominalis Die Typhus-Erkrankung hervorgerufen durch Salmonella enterica Serovar Typhi (S. typhi) wird fäkaloral oder durch kontaminierte Lebensmittel übertragen. Im Gegensatz zu Enteritis-Salmonellosen sind bereits Keimzahlen von 105 Bakterien für eine Infektion ausreichend. Die Erkrankung ist v. a. in Ländern mit schlechten hygienischen und sanitären Verhältnissen endemisch. Insbesondere in Südasien v. a. in Indien und Nepal besteht ein erhöhtes Risiko. Zwei Impfstoffe sind in Deutschland erhältlich. Ein oral verabreichter attenuierter Lebendimpfstoff (S. typhi Stamm Ty21a) ist ab dem 2. Lebensjahr zugelassen, der parenteral verabreichte Polysaccharidimpfstoff auf Basis des S. typhi Vi-Antigens ab dem vollendeten 2. Lebensjahr. Der orale Impfstoff wird als Kapsel in drei Dosen jeden zweiten Tag eingenommen. Er ist kontraindiziert bei angeborener, erworbener oder therapiebedingter Immundefizienz. Es besteht ein Schutz von mindestens einem Jahr nach Impfung. Der parenterale Impfstoff wird einmalig i. m. verabreicht mit einer Schutzdauer von ca. 3 Jahren. Allerdings sind die Schutzraten beider Impfstoffe laut einer Metaanalyse mit durchschnittlich 51 % bzw. 55 % vergleichsweise gering. Eine Impfung gegen S. paratyphi A/B steht bislang nicht zur Verfügung. In Studien zeigte sich eine gewisse Wirksamkeit der oralen Impfung gegen Paratyphus A und B. In Anbetracht der begrenzten Wirksamkeit der Impfungen, können diese die hygienischen Vorsichtsmaßnahmen nicht ersetzen. Die Impfung ist v. a. bei Risikoreisen unter schlechten hygienischen Verhältnissen, wie z. B. Rucksackreisen oder Hilfseinsätzen in Endemiegebieten zu empfehlen. Ein neuer, besser wirksamer Vi-Konjugatimpfstoff ist in Entwicklung. Tollwut Die Tollwut ist eine oft vernachlässigte Gefahr für Reisende. In vielen Ländern besteht über Bisse, Kratzer oder Speichelkontakt mit Wunden/ Schleimhäuten ein Risiko, diese immer letal verlaufende Erkrankung zu erwerben. Dabei kommen weltweit als Überträger hauptsächlich Hunde in Frage, seltener auch Katzen, Affen, Fledermäuse und andere Säugetiere. In Deutschland gibt es seit 2008 keine terrestri-
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sche Wildtollwut mehr, eine Ansteckungsmöglichkeit besteht aber weiterhin über Fledermäuse und importierte infizierte Tiere. Auf das Tollwutrisiko bei Tierkontakten und die Möglichkeiten zur Prävention sollte in jeder reisemedizinischen Beratung bei Aufenthalten in Risikogebieten hingewiesen werden. Tierkontakte sollten vermieden werden, es sollte über die Notwendigkeit einer postexpositionellen Behandlung (PEP) nach Risikoexposition aufgeklärt werden und je nach Reiseart, Reisedauer, Reisestil sowie nach Verfügbarkeit von modernen Tollwut-Impfstoffen und Tollwut-Immunglobulin im Reiseland die Indikation für eine präventive Impfung gestellt werden. Zur prä- und postexpositionellen Impfung stehen in Deutschland zwei moderne Zellkulturimpfstoffe zur Verfügung (Rabipur®, Tollwut HDC®), die auch untereinander austauschbar verwendbar sind. Nervengewebsimpfstoffe, wie sie noch in manchen Entwicklungsländern verwendet werden, sollten aufgrund der unsicheren Wirksamkeit und dem Risiko gefährlicher Nebenwirkungen nicht verwendet werden. Bei Rabipur® sollte eine Hühnereiweißallergie als Kontraindikation beachtet werden. Es kann dann Tollwut HDC® (auf humanen diploiden Zellkulturen gezüchtet) verwendet werden. Eine Altersbeschränkung liegt bei beiden Impfstoffen bezüglich der präexpositionellen oder postexpositionellen Impfung nicht vor. Es besteht die Möglichkeit zur präexpositionellen Prophylaxe in Form einer dreimaligen Impfung als Grundimmunisierung (Tag 0, 7, 21 bzw. 28; je nach Impfstoff Auffrischungsimpfungen nach 1–2 Jahren und dann alle 5 Jahre), die bei Risikokontakt (Grad II und III) nochmalig durch zwei Impfungen ergänzt wird (Tag 0 und 3 nach Exposition). Auf eine ausreichende Wundversorgung mit Wundsäuberung und Desinfektion ist zu achten. Falls keine präexpositionelle Impfung vorhanden ist, besteht nach Risikoexposition die Notwendigkeit möglichst rasch eine postexpositionelle Immunprophylaxe zu beginnen. Neben einer unverzüglichen Wundreinigung und Desinfektion erfolgt eine aktive Impfung nach dem Schema Tag 0, 3, 7, 14, 28. Bei Exposition Grad III wird zudem einmalig Tollwut-Immunglobulin (TIG) zusammen mit der ersten Impfung verabreicht. TIG ist allerdings in vielen Entwicklungsländern nicht verfügbar.
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Japanische Enzephalitis Die Japanische Enzephalitis (JE) ist eine durch Stechmücken (v.a. Culex tritaeniorhynchus und C. vishnui) übertragene Flavivirus-Erkrankung, die in weiten Teilen Asiens endemisch ist. Als Virusreservoir dienen vor allem Wasservögel und Schweine, ein erhöhtes Risiko herrscht daher bei Reisen in ländlichen Regionen während und nach der Monsunzeit. Reisende sind seltener betroffen, da nur 1/50 bis 1/200 Erkrankten eine neurologische Erkrankung entwickelt und die meisten Infizierten asymptomatisch bleiben oder unspezifische grippale Symptome zeigen. Die schwer verlaufende neurologische Erkrankung hat allerdings eine Letalität von 5–30 % und bei 30–50 % der Überlebenden treten neurologische Folgeschäden auf. Eine kausale Therapie steht nicht zur Verfügung. In den Verbreitungsgebieten sind hauptsächlich Kinder betroffen, das Risiko für einen Reisenden wird mit weniger als einem Fall pro 1 Million Reisende geschätzt. Bei Langzeitreisen in ländliche Gebiete gleicht sich das Risiko jedoch dem der dort lebenden Bevölkerung an (5–50 Fälle/105 pro Jahr). Es werden jedoch auch Fälle von schweren Erkrankungen nach Kurzeitreisen berichtet. Seit 2009 ist ein gut verträglicher Zellkultur-Tot-
Reisen und Migration 2016 Weltweit: Internationale Ankünfte 2016
1,235 Milliarde (+ 3,9 % zu 2015)
Deutschland: Auslandsreisen 2016 - davon in die Tropen Mitbürger mit Migrationshintergrund 2016 (Anteil an der Gesamtbevölkerung) - davon mit ausl. Staatsangehörigkeit - aus Tropen/Subtropen stammend Flüchtlinge 2016 lt. EASY-System* Asylanträge 2016
ca. 80 Millionen ca. 4 Millionen 17,1 Millionen (ca. 20,8 %) 8,7 Millionen ca. 2 Millionen 321 371 (2015: ca. 1,1 Mio.) 745 545 (2015: 476 649)
*EASY: IT-Anwendung zur Erstverteilung der Asylbegehrenden; Datenquellen: Statistisches Bundesamt (www.destatis.de), Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (www.bamf.de), FUR Reiseanalyse (www.fur.de), World Tourism Organization (www.UNWTO.org).
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impfstoff verfügbar. Dieser ist ab dem vollendeten 2. Lebensmonat zugelassen. Es erfolgt eine zweimalige Impfung im Abstand von mindestens 4 Wochen. Kinder bis zum vollendeten 3. Lebensjahr erhalten dabei die halbe Dosis. Die Dauer des Impfschutzes ist noch unklar. Vom Hersteller wird derzeit bei anhaltender bzw. erneuter Exposition eine einmalige Auffrischungsimpfung nach 12–24 Monaten empfohlen. Danach ist nach Antikörper-Verlaufsuntersuchungen von einem Schutz über ca. 10 Jahre auszugehen. Eine Impfung sollte allen Personen mit längeren oder wiederholten, auch kurzen Aufenthalten in Risikogebieten empfohlen werden. Die Impfung sollte auch bei Personen während eines kurzen Aufenthalts, insbesondere bei Vorliegen eines zusätzlichen Risikos wie Aufenthalten in einem Verbreitungsgebiet während der Hauptübertragungszeit, Alter > 50 Jahre, Z. n. Transplantation eines soliden Organs, Störungen der Blut-Hirn-Schranke (z. B.
ventrikulo-peritonealer Shunt, Cochlea-Implantat), Immunsuppression, arterielle Hypertonie, Diabetes mellitus, chronische Nierenerkrankungen, Homozygotie für CCR5 32 (Deletion im Gen für C-C chemokine receptor type 5) und vermehrten Aufenthalten im Freien, erwogen werden.
Entwicklung neuer Impfstoffe
In den letzten Jahren wurden vor allem Fortschritte bei der Entwicklung von Impfstoffen gegen Dengue-Fieber und Malaria erzielt. Der Malaria-Impfstoff RTS,S zeigte Schutzraten von bis zu 50 %. Dies könnte v. a. in den Hochendemiegebieten die Sterblichkeit bei Kleinkindern reduzieren und zu einer deutlichen Verringerung der Morbidität bezüglich Malaria in der Bevölkerung führen. Die bisher durchgeführten Maßnahmen zum Malariaschutz bei Reisenden wird der Impfstoff nach jetzigem Stand allerdings nicht ersetzen können. Bezüglich eines Impfstoffes gegen das DengueFieber, das sich über weite Bereiche von Asien und LateinExpositionsprophylaxe infektiöser Gefährdungen amerika ausgebreitet hat, gelang es mehreren ArbeitsgrupEXPOSITIONSPROPHYLAXE INFEKTIONEN (Beispiele) pen, tetravalente Impfstoffe zu Nahrungsmittel Enteritiserreger, Typhus/Paratyphus, Giardiasis, entwickeln, die sich in klinischer & Wasserhygiene Amöbiasis, Helminthiasen, Hepatitis A/E, Polio Erprobung befinden. Diese Impfstoffe sind auch für die ReiMalaria, Denguefieber, Chikungunya-Fieber, Zikavirussemedizin von Interesse, da das Schutz vor Insekten und Infektion, Jap. Enzephalitis u. a. andere Arbovirosen, Denguefieber mittlerweile zu blutsaugenden Arthropoden Rickettsiosen, Borreliosen, Leishmaniosen, Filariosen, den häufigsten auf Fernreisen Ektoparasitosen erworbenen Erkrankungen Hakenwurminfektion, Strongyloidiasis, kutane Larva Vermeidung Barfußlaufen zählt. migrans, Tungiasis Vermeidung Süßwasserkontakt
Schistosomiasis, Leptospirose
Keine bzw. keine ungeschützten Sexualkontakte
HIV, Lues, Gonorrhoe u. a. STD, Herpesvirusinfektionen, Hepatitis B/C, Ektoparasitosen (Zika, Ebola)
Vermeidung von Tierkontakten und Tierbissen
Tollwut, MERS, Brucellose, Leptospirose, Ornithose, Q-Fieber, Tularämie, Pest, Echinokokkose, Lassafieber, Ebolafieber, Marburgfieber, Hantavirus-Infektionen
Vermeidung von Injektionen, med. Eingriffen, Piercing, Tätowierungen unter unsterilen Bedingungen
HIV, Hepatitis B/C
Modifiziert nach Tropenmedizin in Klinik und Praxis, Hrsg. Löscher T, Burchard GD, Thieme Verlag Stuttgart 2010.
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Eine oft versäumte Chance gegen Krebs
HPV-Impfung
Gegen Bakterien gibt es Antibiotika, gegen Viren antivirale Medikamente, die leider jedoch nicht immer ausreichend wirksam sind und auch Nebenwirkungen verursachen können. Daher hat die Impfprävention gegen virusbedingte Krankheiten, wie z. B. Masern, Mumps, Röteln oder Hepatitis B schon immer eine ganz besondere Bedeutung. Giulia Roggenkamp ines der erfreulichsten Ergebnisse dieser Bemühungen war die Entwicklung und Zulassung einer Impfung gegen humane Papillomviren, die Gebärmutterhalskrebs und Genitalwarzen verursachen können. Studien bestätigen die schützende Wirkung der HPV-Impfung. Unerwünschte Reaktionen sind ausgesprochen selten. Dennoch liegen die Durchimpfungsraten trotz der seit zehn Jahren durch die STIKO ausgesprochenen Empfehlung noch unter 50 %, so die Stiftung Kindergesundheit in einer aktuellen Übersicht.
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Die Realität ist ernüchternd Eine Untersuchung der Ständigen Impfkommission STIKO beim Robert-Koch-Institut Berlin kam zu er-
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nüchternden Ergebnissen: Seit Einführung der Impfung in Deutschland sind die Impfquoten zwar leicht angestiegen, liegen jedoch immer noch auf niedrigem Niveau. Ende 2016 wiesen nur 30,5 % der 15-jährigen Mädchen eine vollständige Impfung auf. Auch unter den 17-jährigen waren Ende 2016 lediglich 42,5 % vollständig geimpft. Dabei lagen die Impfquoten in den neuen Bundesländern stets weit über den noch niedrigeren Werten der alten Bundesländer. Beim Gebärmutterhalskrebs – in der Fachsprache Zervixkarzinom genannt – konnte durch den deutschen Forscher Harald zur Hausen belegt werden, dass an seiner Entstehung bestimmte Viren beteiligt sind. Es sind die humanen Papillomviren,
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abgekürzt HPV. Die bis heute bekannten rund 210 Untertypen des humanen Papillomvirus sind weltweit verbreitet. Einige von ihnen können bei Menschen Gebärmutterhalskrebs, aber auch Scheiden-, Penis- und Analkarzinome und Genitalwarzen hervorrufen.
tet die übereinstimmende Empfehlung von Infektiologen und Impfexperten. Sie lässt sich mit Zahlen untermauern: Die Mehrheit der Mädchen erlebt heute ihre erste Regel mit zwölf oder 13 Jahren. 36 % der Mädchen und 20 % der Jungen geben an, bereits mit 14 bis 15 Jahren den ersten Geschlechtsverkehr erlebt zu haben (Statista 2016).
Drei zugelassene Impfstoffe
Giulia Roggenkamp (M.A.) Stiftungsmanagerin (EBS), Kulturmanagerin (ebam) Stiftung Kindergesundheit, c/o Dr. von Haunersches Kinderspital, Klinikum der Universität München Lindwurmstr. 4 80337 München E-Mail: info@kindergesundheit.de
Alle drei Impfstoffe schützen vor der Infektion mit den beiden häufigsten an der Krebsentstehung beteiligten HPV-Typen, HPV 16 und 18. Diese zwei Typen führen zu Schleimhautveränderungen, die in der Scheide und auch an den äußeren Genitalien beider Geschlechter, also bei Frau und Mann, Krebs auslösen können. HPV 16 und 18 verursachen in Europa rund 75 % der Gebärmutterhalskrebse. Ein weiterer Impfstoff bietet ebenfalls Schutz vor HPV 16 und 18, richtet sich darüber hinaus auch gegen die beiden HPV-Typen HPV 6 und 11, die zwar nicht zu Krebs, aber zu Genitalwarzen, sogenannten Kondylomen oder Feigwarzen führen können. Ein weiterer, im letzten Jahr zugelassener Impfstoff vermittelt Schutz vor den HPV-Typen 6, 11, 16, 18, 31, 33, 45, 52 und 58 und kann damit die Infektion mit weiteren, Zervixkarzinom auslösenden HPV Typen verhindern. Dieser so genannte „9-valente“ Impfstoff wird vermutlich nach einer Übergangszeit den früheren („4-valenten“) Impfstoff ersetzen. Zusammen sind die HPV-Impfstoffe weltweit bereits über 260 Millionen Mal verwendet worden.
Lovestories mit Risiken HPV-Infektionen sind häufig. Fast jeder sexuell aktive Erwachsene kommt irgendwann in seinem Leben in Kontakt mit Papillomviren. Die meisten von ihnen müssen keine negativen Folgen befürchten: Das Immunsystem schafft es in aller Regel, den unerwünschten Eindringling wieder loszuwerden. Eine chronische Infektion mit den so genannten Hochrisikotypen von HP-Viren kann aber auch gefährlich werden: Als vermutliche Folge davon erkranken in Deutschland jedes Jahr etwa 4 700 Frauen neu am Gebärmutterhalskrebs, 1 500 bis 1 600 sterben daran. Die Impfung ist nur dann wirksam, wenn es noch nicht zur Ansteckung gekommen ist. Da humane Papillomviren durch Geschlechtsverkehr übertragen werden, sollte früh genug geimpft werden, lau-
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Wirksam und gut verträglich Der Schutz der HPV-Impfstoffe wird durch die Erzeugung von hohen Antikörperspiegeln im Blut der Geimpften vermittelt. Die Dauer des Schutzes ist jedoch noch nicht vollständig geklärt, es wird aber von mindestens 10 Jahren ausgegangen. Empfehlungen für Auffrischungen gibt es deshalb noch nicht. In Australien wurden 2007 durch ein staatliches Impfprogramm an Schulen fast neun von zehn Mädchen geimpft, so die Stiftung Kindergesundheit. Bereits einige Jahre später wurde eine 60-prozentige Abnahme der auffälligen GebärmutterhalsAbstriche beim Frauenarzt dokumentiert. Bei Jugendlichen unter 21 Jahren konnte ein Rückgang der Genitalwarzen um 80 % festgestellt werden. Da in Australien sehr viele Mädchen geimpft sind, ist die Infektionsrate auch bei den Jungen zurückgegangen, obwohl nur die Mädchen geimpft wurden. Man spricht dabei vom Herdenschutz. In den USA wurden bisher mehr als 56 Millionen Impfdosen verabreicht. Lebensbedrohliche Nebenwirkungen sind dabei nicht aufgetreten. Als unerwünschte Wirkungen der Impfung wurde häufiger über Fieber, Schmerzen, Rötung und Schwellung an der Injektionsstelle berichtet. Auch Juckreiz und Blutungen an der Injektionsstelle sind möglich. Im Schnitt wurden bei 100 000 Impfungen lediglich 54 Nebenwirkungen gemeldet. In Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass die HPV-Impfung auch Genitalwarzen und Krebsvorstufen an der Scheide und den Schamlippen vorbeugen kann, die mit Papillomviren in Zusammenhang stehen. Studien mit insgesamt über 18 000 jungen Frauen ergaben: Geimpfte Frauen hatten zu 49 % weniger Hautveränderungen an Scham und Scheide als nicht geimpfte Patientinnen. In Australien, wo Impfprogramme zu einer Durchimpfungsrate von 73 % geführt haben, ging die Häufigkeit von Genitalwarzen bei Frauen unter 21 Jahren von 11,5 % im Jahre 2007 auf 0,85 % im
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Jahre 2011 zurück. Bei Frauen im Alter zwischen 21 und 30 Jahren wurde ein Rückgang von 11,3 auf 3,1 % registriert. Möglicherweise kann die HPV-Impfung auch das Risiko für Krebserkrankungen im Mund-RachenRaum, wie z. B. von Kehlkopf-Krebs verringern. Offenbar spielen nämlich neben Alkohol und Rauchen auch HP-Viren vom Typ 16 bei der Entstehung derartiger Tumore eine ursächliche Rolle.
Impfalter auf neun Jahre gesenkt Die STIKO empfahl die Impfung ursprünglich für Mädchen zwischen zwölf und 17 Jahren. Im August 2014 senkte das Expertengremium am Robert-
arzt ihrer Töchter früh auf die HPV-Impfung ansprechen.
Impfung bald auch für die Jungen? Experten sind der Meinung, dass nicht nur junge Mädchen, sondern auch Jungen gegen die Papillomviren geimpft werden sollten. Schließlich können auch Männer an den Folgen einer HPV-Infektion erkranken, am häufigsten an den schwer zu behandelnden und sehr infektiösen Genitalwarzen. Darüber hinaus sind jugendliche Männer auch Überträger der Viren. Dadurch bestünde die Möglichkeit, die Anzahl der Gebärmutterhalskrebserkrankungen und anderer HP-Virus assoziierter Er-
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Das Magazin für Baden-Württemberg
gibt es nun auch zum Sehen: auf YouTube
Kompass Gesundheit TV Koch-Institut das empfohlene Impfalter auf neun bis 14 Jahre und empfahl nur noch zwei anstatt drei Impfstoffdosen für eine vollständige Immunisierung. Versäumte Impfungen sollten spätestens bis zum 18. Lebensjahr nachgeholt werden. Alle Krankenkassen übernehmen die kompletten Kosten für die Impfung für den Altersbereich der 9- bis 17jähriger Mädchen, ohne dass eine Zuzahlung nötig ist. Zur besseren Information der Zielgruppe bieten sich die von Kinder- und Jugendärzten angebotene und von vielen Krankenkassen freiwillig übernommene Vorsorgeuntersuchung U11 im Alter von 9 bis 10 Jahren und die Jugendgesundheitsuntersuchung J1 im Alter von 12 bis 14 Jahren an. Leider wird gerade die J1 immer noch von viel zu wenigen Berechtigten wahrgenommen. Es bedarf deshalb einer Intensivierung der Impf-Aufklärung auch in den gynäkologischen Praxen. Auch Eltern sollten den Kinder- und Jugendarzt, Haus- oder Frauen-
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krankungen noch weiter zu senken. Die sächsische Impfkommission SIKO empfiehlt die HPV-Impfung bereits seit 2013 auch für Jungen und Männer. Seit Anfang 2017 empfiehlt sie die HPV-Impfung für alle Mädchen und Frauen ab 10. bis zum vollendeten 26. Lebensjahr und für alle Jungen und Männer ab dem 10. bis zum vollendeten 26. Lebensjahr, bevorzugt mit dem 9-valenten Impfstoff. Mädchen und Frauen, die sich gegen die humanen Papillomviren impfen lassen, sollten wissen: Die Impfung schützt nur vor den darin deklarierten HPV-Viren, nicht jedoch vor Infektionen mit anderen Typen des Virus, betont die Stiftung Kindergesundheit. Die Früherkennungsmaßnahmen zum Gebärmutterhalskrebs beim Frauenarzt sollten deshalb auch von geimpften Frauen unverändert in Anspruch genommen werden. In Deutschland haben alle Frauen ab dem 20. Lebensjahr einmal jährlich Anspruch auf die kostenlose Früherkennung.
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Weshalb sind die Deutschen impfmüde?
Werner Waldmann
er britische Arzt Andrew Wakefield hat einen Dokumentarfilm produziert namens „Vaxxed“, mit dem er durch deutsche Kinos tourt. Wakefield kritisiert den Dreifachimpfstoff gegen Masern, Mumps und Röteln. Er behauptet, dass Kinder dadurch geschädigt worden seien und an Autismus erkrankt wären. Es verwundert, welche Zustimmung Wakefield mit seiner paradoxen These, Impfen schade, bei vielen Eltern in Deutschland findet. Obwohl General Medical Council (GMC) ihm unethische Forschungsmethoden nachgewiesen und seinen Namen aus dem Ärzteregister Großbritanniens gelöscht hat. Nun ist es leider kein Geheimnis, dass es in Deutschland viele Eltern gibt, die eine Impfung grundsätzlich ablehnen. Eltern sehen vor allem das Impfrisiko und ignorieren die Gefahr, an einer Infektion ernsthaft zu erkranken. Die Gründe für dieses absurde Verhalten ist sicher in einer mangelnden Aufklärung über die Vorteile einer Impfung zu finden. Offensichtlich machen sich viele Zeitgenossen nicht bewusst, welches Gefahrenpotential von Infektionserkrankungen auch und gerade heute noch ausgeht. Das Ganze hat auch mit gesellschaftlichem Verantwortungsbewusstsein zu tun: Impflücken in der Bevölkerung fördern die Ausbreitung von Infektionen, die längst ausgerottet schienen. Leider unterstützt die Massenpresse oft die Impfgegner mit Falschinformationen über Impfreaktionen und Impfschäden. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) will bis 2020 die Masern ausgerottet haben. Ein hehres Ziel, wenn man die Impfsituation in Deutschland bedenkt: Bundesweit liegt die Impfquote für die 2. Masernimpfung 36 Monate alter Kinder bei 86,1 %. Auch da ein Unterschied zwischen alten und neuen Bundesländern: In den alten beträgt die Impfrate 89 %, in den neuen 85,9 %. Betrachtet man die Extreme, mag man sich schon wundern: Spitzenreiter bei der Masern-Immunisierung ist Hessen mit 90,3 %, absolutes Schlusslicht ist Sachsen mit bescheidenen 40,3 %. Um Masern wirklich auszurotten ist eine lückenlose Impfquote von 95 % nötig.
D
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Davon allerdings sind alle Bundesländer noch ein Stück weit entfernt. Impfvorbehalte gelten auch für die HPV-Impfung. Zur HPV-Impfung liegen weltweit Studien mit insgesamt 75 000 Patienten vor, die das hohe Wirksamkeits- und Sicherheitsprofil der Impfung bestätigen. Außer Fieber gebe es faktisch keine ernsthaften Nebenwirkungen. Nicht zu bestreiten ist, dass die Impfung Erkrankungen wie das Zervixkarzinom, Vulva- und Vaginalkarzinom, Analkarzinom, Condylome und Peniskarzinom verhindern kann. Die Impfung hat 76 % Sicherheit vor einer Infektion bei einer einmaligen Impfdosis und 86 % Sicherheit bei einer dreimaligen Impfung erwiesen. Dennoch ist in Deutschland noch nicht einmal jede zweite Frau geimpft! Das Robert-Koch-Institut hat als aktuelle Impfrate gegen HPV bei 17-jährigen Frauen in Deutschland 42,5 % genannt. Eigentlich ein Skandal, wenn man bedenkt, dass mit dieser Impfung der heimtückische Gebärmutterhalskrebs verhindert werden könnte. Merkwürdigerweise gibt es zwischen den alten und neuen Bundesländern einen Unterschied. Die Impfquote in den neuen Bundesländern liegt mit 57,7 % deutlich höher als in den alten Bundesländern. Dort sind es nur 40,1 %, wobei Bremen absolutes Schlusslicht mit 31,1 % ist. Der bisherige Impfstoff wirkt gegen die HPVTypen 6, 11, 16 und 18. Der neue Impfstoff (Gardasil®9), seit 2015 zugelassen, dient zur Immunisierung gegen die Niedrig-Risiko-HPV-Typen 6 und 11, sowie gegen die Hoch-Risiko-HPV-Typen 16, 18, 31, 33, 45, 52 und 58. Gardasil®9 kann Personen im Alter von 9 bis 14 Jahren in einem 2-Dosenals auch in einem 3-Dosen-Impfschema verabreicht werden. Empfohlen wird, Personen im Alter von 15 Jahren den Impfstoff nach dem 3-DosenSchema zu spritzen. Damit steht ein Impfstoff zur Verfügung, der gegen neun Hoch- und Niedrigrisiko-HPV-Typen wirksam ist. Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt die HPV-Impfung bislang nur für Mädchen ab neun Jahren. Das ist unverständlich, denn Jungen und
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auch Erwachsene können von dieser Immunisierung profitieren. Humane Papillomviren rechnet man zu den häufigsten Infektionen, die sexuell übertragen werden. Sie infizieren über Mikroverletzungen Haut- und Schleimhaut. Zwar erfolgt die Infektion über direkten körperlichen Kontakt, da HPV-Viren jedoch gegen Austrocknung gefeit sind, kann es zu Schmierinfektionen über kontaminierte Gegenstände wie Rasierer oder Handtuch kommen. Leider ist die Grundimmunisierung bei Mädchen in Deutschland trotz Nachweis der Wirksamkeit im Durchschnitt sehr niedrig. In Deutschland sind 20–55 % der 14jährigen Mädchen geimpft, in Dänemark immerhin 83 % der 13- bis 15jährigen Mädchen. Auch England ist uns voraus mit 76 % der 12 bis13jährigen Mädchen. Eine Erklärung für die geringe Impfrate bei uns ist wohl, dass die Hausärzte die Impfung oft ablehnen und auf den Gynäkologen verweisen. In ländlichen Gebieten
gibt es aber nicht so viele Fachärzte, also entstehen Versorgungslücken. Jungen und Männer sollten ebenfalls geimpft werden. In den USA und Kanada wird die Impfung bei Personen beiderlei Geschlechts zwischen 9 und 26 Jahren empfohlen. In Australien werden Jungs bereits seit dem Jahr 2012 kostenlos geimpft. Weshalb Deutschland wieder das Schlusslicht abgibt? Werner Waldmann ist Medizinjournalist und leitet die Redaktion von „Kompass Gesundheit“.
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Reisen in ferne Länder – Ärztlicher Rat ist gefragt Die Kolumne von Dr. Suso Lederle Es kommt wieder die Zeit des Reisens: Urwald, Safari oder doch wieder auf die Balearen? Jeder nach Lust und Laune. Doch dass der Urlaub in der Ferne nicht nur reine Erholung bietet, sondern auch gesundheitliche Risiken birgt, machen sich viele Touristen nicht klar. In der Regel sind die im Urlaubsgebiet erworbenen Krankheiten harmloser Natur und heilen meist von selbst wieder. Der Reisedurchfall gehört schon fast zum festen Bestandteil der Urlaubserinnerungen. Damit „Montezumas Rache“ die Urlaubsfreuden nicht unnötig trübt, denken Sie daran: • Cook it, boil it or forget it. Vermeiden Sie den Genuss von ungekochten Speisen, von rohem Gemüse oder von ungeschältem Obst. • Achten Sie auf eine ausreichende Trinkmenge, aber Wasser nur abgekocht oder in Flaschen abgefüllt. Alkohol in warmen Ländern nur in geringen Mengen. • Übermäßige Sonnenbestrahlung ist zu vermeiden. • Schützen Sie sich vor Mückenstichen, besonders abends und nachts. An hohe Temperaturen, an subtropische Feuchtigkeit oder an große Höhenunterschiede kann man sich bei guter Konstitution selbst im höheren Alter gewöhnen. Doch Viren und Bakterien kann das Immunsystem nicht immer wirksam abwehren. Deshalb muss rechtzeitig an einen wirksamen Impfschutz gedacht werden. Impfen ist die wirksamste Vorbeugung, die sticht, aber vor vielen Infektionen bewahrt: Vor Tetanus, Diphtherie, Hepatitis, und je nach Reiseziel auch vor Meningitis, Gelbfieber oder Tollwut. Und in bestimmten Regionen dieser Erde ist eine Prophylaxe gegen Malaria zu empfehlen. Fragen Sie Ihre Ärzte, was sinnvoll und was notwendig ist, wenn Sie beruhigt reisen und gesund wiederkommen wollen.
Dr. med. Suso Lederle Charlottenstraße 4 70182 Stuttgart Tel.: 0711 241774 E-Mail: suso-lederle@t-online.de
VERANSTALTUNGEN 11.09.2017 19.00 Uhr Wie schütze ich meine Haut? Der Vortrag stellt dar, welche Schutzmaßnahmen sinnvoll, welche überflüssig und welche sogar schädlich sind. Der Schwerpunkt liegt hierbei auf dem Schutz vor der UV-Strahlung. Hiermit verknüpft ist die Frage: wie viel Vitamin D braucht der Mensch und wieviel Sonne ist hierfür nötig? Dr. Christian Blasum; Esslingen Altes Rathaus, Rathausplatz 1, 73728 Esslingen 25.09.2017 18.00 Uhr Arthrose und Rückenschmerz Arthrose hat sich zur Volkskrankheit entwickelt. Besonders die gewichtsbelasteten Gelenke sind davon betroffen. Auch die Wirbelsäule kann von Verschleißerscheinungen aufweisen. Moderne Behandlungsmöglichkeiten und Operationsverfahren ermöglichen eine individuelle Therapie. Prof. Christian Knop, Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie, Katharinenhospital Stuttgart; Dr. Patrik Reize, Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Krankenhaus Bad Cannstatt. Rathaus Stadt Stuttgart; Marktplatz 1; 70173 Stuttgart 09.11.2017 18.00 Uhr Esslinger Gesundheitsgespräch: der Schlaganfall Altes Rathaus, Rathausplatz 1, 73728 Esslingen 20.11.2017 18 Uhr Schlafen statt schnarchen Schnarchen kann die Lebensqualität erheblich einschränken- auch die des Partners. Schlafbezogene Atemstörungen sind aber auch ein häufiger Risikofaktor für Bluthochdruck, Herzinfarkt, Schlaganfall, Diabetes und Depressionen. Aber ab wann ist Schnarchen krankhaft und ein Grund für eine Untersuchung im Schlaflabor? Prof. Christian Sittel, Klinik für Hals- Nasen- und Ohrenkrankheiten, Plastische Operationen; Prof. Dieter Weingart, Klinik für für Mund- Kiefer- und Gesichtschirurgie, Plastisch-ästhetische Operationen, Zentrum für Implantologie; Dr. Axel Kempa, Klinik für Allgemeine Innere Medizin, Gastroenterologie, Hepatologie, Infektiologie und Pneumologie, Katharinenhospital Stuttgart. Rathaus Stadt Stuttgart; Marktplatz 1; 70173 Stuttgart
Als eines der führenden Gesundheitsunternehmen entwickeln wir innovative Therapien wie Medikamente, Impfstof fe und Biologika. Mit unseren weltweiten Programmen engagieren wir uns für die Verbesserung der Gesundheit sver sorgung. MSD is t ein in ternationales Un ternehmen mit z wei Namen: In den USA und Kanada sind wir Merck & Co., Inc., mit Sit z in Kenilwor th, N J, USA . Er fahren Sie mehr über uns au f : w w w.msd.de © 2 016 MSD SH A RP & DOHME GMBH, L indenplat z 1, 8 5 5 4 0 Haar
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Das Einzige, das ansteckend sein sollte: Lebensfreude.