Holzbulletin 109/2013

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Holzbulletin 109/2013 Bauen vor sozialem Hintergrund Haus Szilassy, Bex Sanierung Mehrfamilienhäuser Rue de la Borde 46–56, Lausanne Erweiterung Oberstufenschulhaus, Delsberg Sporthalle, Attalens

Kontrastreiche Fassadengestaltung bei der Erweiterung des Oberstufenschulhauses in Delsberg: vertikale Bänder aus Glas und pastellgrüne Holzlamellen sowie vertikale, braun getönte Fassadenstützen. Architektur: GXM Architekten GmbH, Alexandra Gübeli & Yves Milani, Zürich


Holz – ein sozialer Baustoff ?

Werden bei Bauten menschliche und soziale Aspekte stärker gewichtet als üblich, kommt der Baustoff Holz rasch ins Spiel. Denn als ‹sozial› wird etwas bezeichnet, das allen zum Wohle gereicht. Das passt emotional zum Material Holz. Dank seiner Wärme schafft das Holz günstige Bedingungen für Orte des Empfangs, des Lernens und der Erholung. Das Holz stammt ja aus unseren Wäldern. Und diese bieten schliesslich unzähligen Pflanzen und Tieren einen Lebensraum, schützen uns vor Lawinen, Erdrutschen und Steinschlag und schaffen einen Raum, um Abstand von der Hektik des Alltags zu erhalten und heitere Momente zu geniessen. Und doch: Das allein reicht nicht aus, um Holz als Baumaterial als ‹sozial› zu bezeichnen. Mit konkretem Inhalt füllt sich das Prädikat erst im Licht der konkreten Vorteile, welche das Material Holz zu bieten hat. Das wird an den in diesem Heft vorgestellten Beispielen deutlich. Zu erwähnen ist zunächst die Leichtigkeit des Holzes – ein enormer Pluspunkt, wenn es etwa darum geht, wie im Haus Szilassy in Bex vorfabrizierte Elemente per Helikopter zu montieren oder wenn wie bei der Wohnsiedlung ‹La Borde› in Lausanne bei der Schaffung von mehr Wohnraum auf die Verstärkung der bestehenden Fundamente verzichtet werden kann. Dann muss aber auch von der Einfachheit der Verarbeitung des Holzes gesprochen werden. Ihretwegen lassen sich Bauteile millimetergenau vorfabrizieren und genau im richtigen Moment zu tragenden Strukturen oder zu Fassadenelementen zusammensetzen, die, wie das Beispiel des Oberstufenschulhauses in Delsberg zeigt, eine hervorragende Gebäudehülle bilden. Die Möglichkeit der Vorfabrikation ist gerade in städtischen Gebieten ein Haupttrumpf des Holzes. Denn einerseits ist hier der öffentliche Raum nur beschränkt beanspruchbar, andererseits sind schwere Transporte auf ein Minimum zu reduzieren. So unbestreitbar diese Vorteile sind, so hartnäckig hält sich die Meinung, ihr Gewinn sei mit enormem Mehraufwand verbunden, und bei Projekten wie den hier vorgestellten spielten die Kosten keine Rolle. Das Gegenteil ist der Fall! Bei der Wohnsiedlung ‹La Borde› setzte die Bauherrschaft, eine Wohnbaugenossenschaft, genau deshalb auf den Baustoff Holz, um die Investitionskosten möglichst tief zu halten und um weiterhin günstige Wohnungen für weniger begüterte Mieterinnen und Mieter anbieten zu können. Dies würde nun schon fast reichen, um Holz als ‹sozialen Baustoff› zu bezeichnen. Aber Holz bietet in der Tat noch mehr. Denn mit Holz bauen ist immer auch ein wichtiger Beitrag an die regionale Wertschöpfung. Die Schweizer Holzkette beschäftigt rund 80 000 Personen. Die Nutzung und Verarbeitung von einheimischem Holz ist wegen dieser Arbeitsplätze und der damit verbundenen Steuereinnahmen und Abgaben an die Sozialwerke von grossem volkswirtschaftlichem Nutzen. Genau aus diesem Grund hat die Gemeinde Attalens ihre neue Sporthalle aus Holz gebaut und mit dem Herkunftszeichen Schweizer Holz zertifizieren lassen. Zwar befindet sich die Halle in Attalens zufälligerweise wie alle vorgestellten Objekte in der Westschweiz. Doch auch in den übrigen Teilen unseres Landes lassen sich zahlreiche ähnliche Bauten finden. Denn der Baustoff Holz bietet wie kein anderes Material überall vor Ort die Möglichkeit, die drei Grundpfeiler der Nachhaltigkeit – Umweltschutz, Wirtschaftlichkeit und Sozialverträglichkeit – in regionalen Wirtschaftskreisläufen miteinander zu vereinen. Und genau darum ist Holz zweifellos ein ‹sozialer Baustoff› – nicht nur in der Romandie.

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Denis Pflug Cedotec – Office romand de Lignum


Haus Szilassy, Bex Das Haus Szilassy, heute ein Erziehungsheim für Jugendliche, liegt in einem grossen, baumbestandenen Park. Zur Umnutzung des historischen Gebäudes erfolgte eine Aufstockung. Das behutsame Vorgehen erhielt die ursprüngliche Bausubstanz aus dem 19. Jahrhundert. Oberhalb der Gemeinde Bex gelegen, erstreckt sich der Park Szilassy über eine Fläche von fast acht Hektaren hinweg und bietet einen wunderbaren Ausblick auf die Gipfel der Dents du Midi und der östlich davon gelegenen Dent de Morcles. Hier errichtete die englische Generalswitwe Lady Louisa Hope in den 1830er Jahren, zu einer Zeit, als die Region Chablais auf begüterte Engländer eine grosse Anziehungskraft ausübte, ihr Anwesen. Die damaligen Eigentümer legten riesige Gärten an, welche mit der umgebenden Landschaft verschmolzen. 1949 bot Charles de Szilassy, einer der letzten Sprosse der Familie, das Herrenhaus dem Kanton Waadt zum Verkauf an mit dem Wunsch, es möge benachteiligten Jugendlichen zugute kommen. Zunächst wurde eine Schule mit zwei Klassenzimmern erstellt. 2008 schliesslich übergab das kantonale Jugendamt das Anwesen dem Verein ‹Maison des jeunes› mit der Auflage, eine pädagogische Institution für Jugendliche in schwierigen Lebenslagen zu errichten. Um die neue Nutzung mit der bestehenden und zu erhaltenden Bausubstanz in Einklang zu bringen, wurde im Rahmen eines Einladungsverfahrens ein Architekturwettbewerb durchgeführt. Zunächst war vorgesehen, die benötigten Lokalitäten auf mehrere Gebäude zu verteilen. Das aus dem Wettbewerb hervorgegangene Siegerprojekt sah jedoch eine ganz andere, ebenso sensible wie radikale Lösung

vor: Der Bestand aus dem 19. Jahrhundert sollte durch eine geräumige Aufstockung aus Holz ergänzt werden, welche in einer ersten Ebene Raum für die eher privaten Bereiche wie die fünf neuen Zimmer sowie in einer zweiten Ebene Platz für ein Büro und einen Versammlungsraum schuf. Im alten Teil des Gebäudes wurden die Küche, der Speisesaal und ein weiterer Versammlungsraum eingerichtet. Die bestehenden Fassaden werden durch das neue Ziegeldach in den Vordergrund gerückt. Auf der Nordseite öffnet sich das Dach grosszügig zu einer Fensterfront, welche das Sonnenlicht in die Gänge im Innern der Aufstockung fliessen lässt. Die Räume und Einrichtungen des historischen Teils der Liegenschaft erfuhren durch die Parkettböden und den Innenausbau eine Aufwertung. Dabei entstand ein spannungsreicher Dialog zwischen dem Weiss der Wände und modernen Materialien wie den Einrichtungen aus Stahl oder den getönten Scheiben. Der neue Dachaufbau ist von den massiven, roh belassenen Holzplatten geprägt, welche sowohl eine tragende als auch eine bekleidende Funktion haben. Die lebhaften Farbtöne der Wände kontrastieren angenehm mit dem hellen Holz und verleihen den Räumen ein wohltuendes Gefühl von Wärme. Da der Fussboden des bestehenden Dachstocks den neuen Aufbau nicht zu tragen vermochte, wurde dieser auf einer neuen Plattform aufgebaut. Unter Verwendung von Brettsperrholzplatten liess sich ein Faltwerk realisieren, bei dem die Dachschrägen selber als tragende und stabilisierende Scheiben wirken. Die geometrische Komplexität der Tragstruktur und insbesondere der Anschlüsse stellte für die mit der Erarbeitung der Modellierung beauftragten Fachleute eine grosse Herausforderung dar.

Die Vorfabrikation der Elemente sowie eine bemerkenswerte Präzision bei der Realisierung erlaubten eine Montage mit dem Helikopter, so dass der wunderbare Park nicht beeinträchtigt wurde. Mit dem Bau gelang es in beispielhafter Art und Weise, die moderne Dachaufstockung mit dem historischen Teil des Gebäudes in Einklang zu bringen. So entstand ein Bau voller Harmonie.

Situation

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Ort Rue du Signal 18, 1880 Bex Bauherrschaft Kanton Waadt/Verein ‹Maison des jeunes›, Bex Architektur bonnard woeffray architectes, Monthey; Mitarbeit: Ewout Gysels Bauingenieur/Holzbauingenieur Kälin & Rombolotto SA ingénieurs civils, Lausanne; Mitarbeit: Megan Yates, Kristian Strainovic HLS-Ingenieur Chammartin Spicher SA, Vevey Elektroingenieur Lami SA, ingénieur éléctricité, Martigny Holzbau Hubert Construction Bois SA, 1880 Bex Materialien Brettsperrholz 120 mm 36 m3, Brettschichtholz 4,5 m3 Baukosten (BKP 2) CHF 2,17 Mio. (Renovation und Aufstockung) Gebäudevolumen SIA 416 2385 m3 Kubikmeterpreis SIA 416 (BKP 2) CHF 909.– Bauzeit Juli 2010 – Juli 2011 Fotograf Hannes Henz, Zürich

Erdgeschoss

Obergeschoss

1. Ebene der Aufstockung

2. Ebene der Aufstockung

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Schnitte

10 m

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Aufbau Dach von aussen: Ziegel Konterlattung und Lattung Unterdachbahn Dämmung 180 mm Brettsperrholz 120 mm Aufbau Fussboden Aufstockung von oben: Linoleum Zementestrich 80 mm Trittschalldämmung 20 mm Dämmung 20 mm Brettsperrholz 120 mm

Fassadenschnitt


Sanierung Mehrfamilienhäuser Rue de la Borde 46–56, Lausanne Drei zwischen 1929 und 1931 errichtete genossenschaftliche Mehrfamilienhäuser im Lausanner Quartier La Borde haben ab März 2011 eine umfassende Sanierung erfahren. Damit liessen sich die Objekte sowohl bezüglich Wohnkomfort als auch hinsichtlich Energieeffizienz auf den neu­ sten Stand bringen. Die Wohnbaugenossenschaft ‹La Maison ouvrière› (‹Arbeiterhaus›) wurde 1903 mit dem Zweck gegründet, einfache und günstige Wohnungen für Arbeiterfamilien zu schaffen. Die Genossenschaft erstellte ab 1907 verschiedene Wohnsiedlungen in Lausanne und Umgebung. Eine davon sind die drei Mehrfamilienhäuser im Quartier La Borde, welche auf einem von der Stadt Lausanne zur Verfügung gestellten Grundstück errichtet wurden. Die dreigeschossigen Häuser umfassen insgesamt 42 Zwei-, Dreiund Vier-Zimmer-Wohnungen. Abgesehen von der Installation neuer Fenster mit Doppelverglasung in den achtziger Jahren waren seit der Erstellung der drei Häuser keine Erneuerungen erfolgt. Deshalb erstaunt es nicht, dass die Heizkosten im Laufe der Zeit ständig anstiegen und schliesslich rund 40 % der Mietkosten ausmachten. Eine Erneuerung wurde unumgänglich. Für die Bauherrschaft stellte sich einzig die Frage, ob die bestehenden Liegenschaften saniert oder gänzlich abgerissen und durch Neubauten ersetzt werden sollten. Schliesslich entschied man sich für die erste Variante, weil so keine Parkplätze und Zivilschutzplätze gebaut werden mussten und weil die bestehenden Grundrisse zum grössten Teil übernommen werden konnten. Man fällte den Entscheid aber auch, um grosse soziale Erschütterungen in diesem zentrumsnahen Gebiet zu vermeiden, die ein Totalabbruch mit Neubau zur Folge gehabt hätte. In einer ersten Bauphase wurden anstelle der

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früheren Dachstöcke in jedem Haus vier zusätzliche Dachwohnungen erstellt, ohne dass die Bewohnbarkeit der Bauten beeinträchtigt wurde. Die Schaffung dieser insgesamt zwölf neuen Wohnungen ermöglichte eine namhafte Verbesserung der Wirtschaftlichkeit des ganzen Sanierungspakets. Jedes Gebäude wurde mit einer Balkenlage aus Holz ergänzt, welche als Grundlage für die vorfabrizierten Elemente in Holzrahmenbauweise des neuen obersten Geschosses diente. Dank dem geringen Eigengewicht des Holzes war keine Verstärkung des Mauerwerks und der Fundamente erforderlich, was die Kosten der Aufstockung entsprechend reduzierte. Die Flachdächer der neuen Wohnungen wurden begrünt, so dass ein kostspieliger Pufferspeicher für Starkniederschläge entfallen konnte. Die Erneuerung der Fassaden erfolgte in einer zweiten Phase, nacheinander für jedes Haus. Dadurch liessen sich die Montagearbeiten der Fassadenelemente sowie Asbestsanierungen und die Installation neuer Fenster für jedes Haus in einem einzigen Durchgang erledigen. Zur thermischen Aufwertung der bestehenden Aussenwände wurden die Bauten mit vorfabrizierten Holzrahmenelementen umhüllt. Als Fassadenbekleidung kommt eine vertikale, vorvergraute Lattung von 24 x 50 mm Querschnitt zum Einsatz. Ihre Anordnung ist abwechselnd flach- und hochkant, was der Fassade einen ganz besonderen Ausdruck verleiht. Horizontal sind die Fassaden durch Blechumrandungen auf Geschossdeckenhöhe strukturiert. Hinter der Hinterlüftungsebene der Fassadenbekleidung sorgt eine durchgehende Schicht aus zementgebundenen Holzwolleplatten für die Einhaltung der Brandschutzvorschriften. Gleichzeitig bildet diese Schicht zusammen mit den dreifach verglasten Fenstern und der kontrollierten Lüftung auch einen wirksamen Schutz gegen Lärm von aussen.

Im Grundriss blieben die Wohnungseinrichtungen gegenüber dem früheren Zustand praktisch unverändert. Lediglich Küchen und Badezimmer wurden von Grund auf neu eingerichtet. Damit die Wohnungen auch für Menschen mit eingeschränkter Beweglichkeit gut zugänglich sind, wurden die drei Liegenschaften mit Aufzügen ausgerüstet. Mit dem Anschluss an das Fernwärmenetz der Stadt Lausanne als Ersatz für die alten Gasheizungen erfolgte bezüglich Heizung eine ökologische Aufwertung der Wohnsiedlung. Die Wärme im Netz stammt aus der Kehrichtverbrennungsanlage. Trotz des grossen Umfangs der Sanierung verzichtete man bewusst auf jeglichen Luxus und wählte statt dessen ein Konzept, das mit möglichst einfachen Mitteln einen möglichst hohen Wohnkomfort erreicht und damit der Philosophie treu bleibt, welche auch schon bei der Erstellung der Häuser vor mehr als 80 Jahren ihre Gültigkeit hatte.


Situation

Ort Rue de la Borde 46–56, 1018 Lausanne Bauherrschaft Wohnbaugenossenschaft ‹La Maison ouvrière›, Lausanne Architektur Groupe AARC, Ulysses Moriggi + Marc Ruetschi Architectes, Echallens Gesamtbauleitung Pika Construction Sàrl, Lausanne; verantwortlicher Mitarbeiter: Mushinda Kashala Bauingenieur Christian Meldem, St-Légier - La Chiésaz Holzbau Atelier de charpente Volet SA, St-Légier Materialien Bauholz: Vollholz 46 m3, Brettschichtholz 125 m3 (Aufstockung) und 53 m3 (Fassade); Platten: OSB 15 mm 640 m2 und 25 mm 998 m2 (Aufstockung), zementgebundene Holzwolle 2480 m2; Fassadenbekleidung: Latten in Weisstanne 24 x 50 mm 2480 m2 Baukosten (BKP 2) CHF 10,6 Mio. davon BKP 214 CHF 1,8 Mio. Gebäudevolumen SIA 416 19 384 m3 Kubikmeterpreis (BKP 2) CHF 547.– Bauzeit März 2011 – März 2014 (alle drei Gebäude) Fotografin Corinne Cuendet, Clarens

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Querschnitte

Erdgeschoss

1. Obergeschoss

2. Obergeschoss

Dachgeschoss

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10 m


Aufbau Dach von oben: Substrat 50 mm Abdichtung Schalung 27 mm Lattung 60 mm Holzfaserdämmplatte 35 mm Balkenlage 180 mm und Gefällslattung 30–160 mm/Dämmung Dampfsperre Gipsfaserplatte 15 mm Aufbau Aussenwand Attika von aussen: Latten in Weisstanne 24 x 50 mm, Vorvergrauungslasur Lattung 27 mm Zementgebundene Holzwolle 35 mm Ständer 200 mm/Dämmung OSB 15 mm, luftdicht abgeklebt Lattung 40 mm Gipsfaserplatte 25 mm Aufbau Aussenwand EG/OG von aussen: Latten in Weisstanne 24 x 50 mm, Vorvergrauungslasur Lattung 27 mm Zementgebundene Holzwolle 35 mm Ständer 220 mm/Dämmung Ausgleichsdämmung 30 mm Backsteinmauer 160 mm, bestehend

Detailschnitt

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Erweiterung Oberstufenschulhaus, Delsberg Viele Jahre lang waren Klassenzimmer der Oberstufe Delsberg für spezielle Unterrichtsfächer in verschiedenen Gebäuden und provisorischen Containern über das ganze Städtchen verteilt, weil das 1950 erstellte Hauptgebäude unter chronischem Platzmangel litt. Die Schulhauserweiterung setzte dem ein Ende. Die immer stärkere Verzettelung der Schulräume bewog die Stadt Delsberg, 2002 eine Kommission zur Abklärung von Erweiterungsmöglichkeiten für das Oberstufenschulhaus einzusetzen. 2005 fand ein entsprechender Architekturwettbewerb statt. Das Siegerprojekt verzichtet auf Eingriffe im bestehenden, bereits mehrfach umgebauten Gebäude und setzt statt dessen auf den Bau eines völlig neuen Gebäudes auf der Südseite, wo sich früher der heute nicht mehr brauchbare Sportplatz befand. Der kompakte und nüchterne Neubau konnte zum 200-Jahr-Jubiläum der Oberstufe Delsberg eingeweiht werden; er passt perfekt zu den bestehenden Gebäuden. Die von der Sorne ausgehende Hochwassergefahr machte eine Anhebung des Erdgeschosses erforderlich, und der Zugang zum Gebäude erfolgt deshalb über eine leicht ansteigende Rampe, deren Dach gleichzeitig die Verbindung zum bestehenden Gebäudekörper darstellt. Vertikal erstreckt sich das neue Gebäude über sieben Halbgeschosse; horizontal sind die Räumlichkeiten, einem Baum gleich, um das Treppenhaus herum angeordnet. Das Treppenhaus in Beton sorgt für die notwendige Stabilität und umfasst auch den Aufzug. Es erschliesst alle Räume, teils direkt, teils über die angrenzenden Pausenräume. Diese Anordnung entwickelt sich von Geschoss zu Geschoss weiter und schafft dadurch ständig neue Öffnungen gegen aussen und Durchlässigkeiten gegen innen. Das Untergeschoss beherbergt die Technikräume sowie zwei Werkräume für die Holz- und die Metallbearbeitung mit einem Nebenraum. Im Erdgeschoss befinden sich die Eingangshalle, die Mensa mit den dazugehörigen Räumen sowie zwei Toiletten und ein Putzraum. Da die Mahlzeiten in einer externen Gemeinschaftsküche zubereitet werden, konnte der Bereich der Mensa klein gehalten werden; er umfasst nebst dem Essraum nur eine kleine Aufwärmküche. In den oberen Geschossen finden sich zwei Standardtypen von Klassenzimmern, mehrere Räume für handwerkliche Tätigkeiten, eine Mediathek, Zeichenzimmer sowie das Lehrerzimmer. Im Hinblick auf zukünftig ansteigende Schülerzahlen stehen im obersten Geschoss vier weitere Klassenzimmer zur Verfügung. Hauptbaustoff des Gebäudes ist Holz. Lediglich das Untergeschoss und die erste Decke sowie der zentrale Kern bestehen aus Beton.

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Die weiteren Geschossdecken bestehen dagegen aus Kastenelementen mit einer Spannweite bis zu 7,9 m. Die Fensterbrüstungen sind je nach Nutzungsart der Räume entweder verglast oder opak – für letztere Erscheinung sorgt eine Bekleidung mit pastellgrün gestrichenen, sägerohen Holzlamellen. Die unterschiedlichen Dicken dieser nebeneinanderliegenden Lamellen beleben die Fassade und durchbrechen auf subtile Art und Weise ihre Gleichförmigkeit. Gleichermassen belebend wirkt das durch die Unterteilung in Halbgeschosse erzeugte Spiel zwischen den teils gefüllten, teils leeren Flächen. Die braune Tönung der vertikalen Fassadenstützen schafft einen interessanten Kontrast zu den horizontalen Elementen und unterstreicht diese zusätzlich. Das Holz ist auch bei den Inneneinrichtungen allgegenwärtig, und selbstverständlich erfolgt die Energieerzeugung für das im Minergiestandard erstellte Gebäude mittels einer Holzpellets-Heizung.

Situation


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20 m

Untergeschoss

Erdgeschoss

1. Obergeschoss

2. Obergeschoss

Ort Avenue de la Gare 9, 2800 Delsberg Bauherrschaft Service UETP Commune de Delémont Architektur GXM Architekten GmbH, Alexandra Gübeli & Yves Milani, Zürich; Mitarbeit: Virginie Reussner Bauleitung Robin Voyame Architecte, Delsberg Bauingenieur Mantegani & Wysseier AG, Biel Holzbauingenieur Indermühle Bauingenieure, Thun HLS-Ingenieur TP, AG für technische Planungen, Biel Elektroingenieur Atelier 21 Sàrl, Le Landeron Holzbau Zimmerei Kühni AG, Ramsei (Holzbau) und Guenat-Monnerat SA, Pleigne (Fenster und Fassade) Materialien Brettschichtholz 175 m3; Platten: Dreischichtplatten 27 mm 3000 m2, OSB 18 mm 750 m2, Holzfaserdämmplatten 22 mm 450 m2; Fassadenbekleidung: Schalung in Weisstanne 18 mm und 30 mm 590 m2 Baukosten (BKP 1–9) CHF 8,4 Mio. davon BKP 2 CHF 6,9 Mio. Gebäudevolumen SIA 416 8160 m3 Bauzeit Mai 2011 – Juni 2012 Fotograf Pierre Montavon, Delsberg

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Fassadenschnitt

Aufbau Dach von oben: Extensivbegrünung Abdichtung Gefällsdämmung 80–160 mm Holzfaserdämmplatte 80 mm Dampfsperre Kastenelemente: Dreischichtplatten 27 mm Rippen 280 mm/Dämmung 30 mm/Vlies Dreischichtplatten 27 mm, perforiert

Aufbau Decken von oben: Eingefärbter Kork 6 mm Zementunterlagsboden 90 mm Trennlage Trittschalldämmung 30 mm Kastenelemente: Dreischichtplatten 27 mm Rippen 360 mm/Kies/Folie/Dämmung 30 mm/Vlies Dreischichtplatten 27 mm, perforiert Aufbau Fassade von aussen: Schalung in Weisstanne 18–30 mm Lattung 55 mm Holzfaserplatte 22 mm Ständer 220 mm/Dämmung OSB 18 mm Lattung 107 mm Dreischichtplatte

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Sporthalle, Attalens Die Gemeinde Attalens, an der Grenze zwischen den Kantonen Waadt und Freiburg gelegen, verzeichnet seit Jahren einen starken Bevölkerungszuwachs. Vor diesem Hintergrund wurde 2007 ein Architekturwettbewerb für den Ausbau der Schulund Sportanlagen lanciert. Das realisierte Projekt überzeugt. Die neue Sporthalle befindet sich am Eingang der Sportanlage. Über ein Aussendach mit der bestehenden Turnhalle verbunden, grenzt die Halle an den offenen Fussballplatz und schliesst den Sportbereich ab. Der Platz zwischen den beiden Gebäuden bietet einen wunderbaren Ausblick auf die Berge und eignet sich ausgezeichnet für Veranstaltungen aller Art sowie zur Erholung. Als Fortsetzung dieses Zwischenraums schliessen sich der Eingangsbereich und die Galerie an, welche die neue, zur Hälfte im Boden versenkte Halle auskragend umgibt. Ein Kiesboden sorgt für einen harmonischen Übergang vom Aussen- zum Innenraum. Sowohl die tragenden Strukturen als auch die Innenbekleidung der neuen Sporthalle bestehen vollständig aus einheimischem Fichtenholz. Das begrünte Dach mit seinen Lichtschächten baut auf Brettschichtholzträgern im Abstand von 4,5 m auf. Deren Querschnitte weisen in der Mitte 200 x 1960 mm sowie an beiden Enden 200 x 1800 mm auf, wodurch das Dachgefälle gebildet wird. In den Fassadenbereich sind die Träger an Gurten der Dimension 200 x 2210 mm eingehängt, die wiederum auf Fassadenstützen der Dimension 120 x 400 mm ruhen. Deren Ab-

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stände betragen nur 1,5 m, was zusammen mit der Feingliedrigkeit der Stützen an einen Tausendfüssler erinnert, der das Dach auf seinen Schultern trägt. Die Querverstrebungen der Fassaden sind abwechselnd und im Winkel von 45° angebracht. Sie bilden so um die ganze Galerie herum ein homogenes Netz. Die Glasfassade der Galerie wirkt wie eine äussere ‹Lichtbox› und sorgt für gleichmässiges Tageslicht im Innern des Gebäudes. Ein Siebdruck, welcher die Zellstrukturen des Holzes darstellt, absorbiert rund 30 % der Sonneneinstrahlung und verhindert eine Überhitzung im Innern. Dieser Siebdruck erinnert an das verwendete Baumaterial, da er gleich gross ist wie die Fassadenelemente, welche die Halle umgeben. In der Nacht verleihen die Elemente dem Gebäude einen einzigartigen Glanz und lassen das Innere durch den Filter der auf den Fenstern angebrachten Muster erscheinen. Auch im Innern der Halle ist der Baustoff Holz allgegenwärtig. Das Material führt die Besucher in eine von sandfarbenen Tönen dominierte Welt, belebt von den Schatten der Siebdrucke und vom Spiel des Lichts. Die Brüstungen der Galerien sind mit einer vertikalen Lattung aus Fichtenholz bekleidet. Die Latten weisen Querschnitte von 60 x 40 mm und Abstände von 8 mm auf, was zusammen mit der dahinter angebrachten Dämmung für eine optimale Schallabsorption sorgt. Die teilweise fixen, teilweise abnehmbaren Sitzreihen sind ebenfalls aus Holz und bieten Platz für 100 bis 300 Zuschauer. Die technischen Einrichtungen wurden derart raffiniert integriert, dass sie kaum wahrnehmbar sind und die Ästhetik der Gebäudestruktur nicht beeinträchtigen.

Die teilweise unterirdische Anordnung der Halle sorgt für ein thermisches Gleichgewicht und ermöglicht es, den Minergiestandard zu erreichen. Beheizt wird der Bau von der bestehenden Holzschnitzelheizung im Schulgebäude. Damit gelangt rundum Holz aus der Region zum Einsatz, so dass das Gebäude mit dem ‹Herkunftszeichen Schweizer Holz› zertifiziert werden konnte. Für die Realisierung der neuen Sporthalle zeichneten ausschliesslich Unternehmen aus der Gegend verantwortlich. Dadurch entstand eine starke lokale Verankerung, was sich nicht zuletzt in der grossen Zahl von Veranstaltungen zeigt, die im Laufe des Jahres in der Halle stattfinden.


Situation

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Längsschnitt

Querschnitt

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20 m


Grundriss

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Aufbau Dach von aussen: Substrat 80 mm Drainagematte Abdichtung Dämmung 200 mm Dampfsperre OSB 27 mm Pfetten 120 x 280 mm, zwischen Träger eingehängt Lattung 80 mm/Installationsraum Zementgebundene Holzwolle 40 mm

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Ort Rue de l’Eglise 4, 1616 Attalens Bauherrschaft Gemeinde Attalens Architektur Butikofer de Oliveira Vernay sàrl, Lausanne; verantwortliche Mitarbeiterin: Cécilia Perugini Bauleitung Atelier Quartal Sàrl, Vevey Landschaftsarchitekt Cécile Albana Presset, Lausanne Bauingenieur/Holzbauingenieur Bossons ingénieurs conseils SA, Romont HLKS-Ingenieur Energie Concept SA, Bulle und Christian Risse SA, Givisiez Energieplaner Sorane SA, Ecublens Fassadenbau Sottas SA, Bulle Holzbau Consortium Robatel Construction Bois Sàrl, Châtel-St-Denis, und Rouge et Wuillemin SA, Palézieux (Holzbau), Consortium Millasson Bertrand, Attalens, und Emonet SA, Tatroz (Innenbekleidungen), Delta Türsysteme AG, Lonay (Brandschutztüren), Menuiserie Oberson Patrice, Riaz (Möblierung) Materialien Bauholz: Vollholz 35 m3, Brettschichtholz 128 m3; Platten: zementgebundene Holzwolle 740 m2; Innenbekleidungen mit Latten 60 x 40 mm 380 m2; Sitzreihen und Stufen aus naturbelassenem Fichtenholz 100 m2 Baukosten BKP 1–9 CHF 6,35 Mio. davon BKP 2 CHF 4,69 Mio. Gebäudevolumen SIA 416 8320 m3 Bauzeit Juli 2009 – Juli 2011 Fotograf Thomas Jantscher, Colombier

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Lignum Holzwirtschaft Schweiz Economie suisse du bois Economia svizzera del legno Mühlebachstrasse 8 CH-8008 Zürich Tel. 044 267 47 77 Fax 044 267 47 87 info@lignum.ch www.lignum.ch

Holzbulletin, Dezember 2013 Herausgeber Lignum, Holzwirtschaft Schweiz, Zürich Christoph Starck, Direktor

Redaktion Roland Brunner, Lignum, und Denis Pflug, Lignum-Cedotec Gestaltung BN Graphics, Zürich

Das Holzbulletin erscheint viermal jährlich in deutscher und französischer Sprache. Jahresabonnement CHF 48.– Einzelexemplar CHF 20.– Sammelordner (10 Ausgaben) CHF 140.– Sammelordner leer CHF 10.– Preisänderungen vorbehalten.

Administration, Abonnemente, Versand Andreas Hartmann, Lignum

Lignum-Mitglieder erhalten das Holz­bulletin und die technischen Informationen der Lignum, Lignatec, gratis. Die Rechte der Veröffentlichung für die einzelnen Bauten bleiben bei den jeweiligen Architekten. Alle Angaben stammen von den Bauplanern.

ISSN 1420-0260

Lignum-Hotline: 044 267 47 83 Benutzen Sie unsere Fachberatung am Tele­fon von 8–12 Uhr, die täglich von Montag bis Freitag gratis zur Verfügung steht.

Druck Kalt Medien AG, Zug


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