Holzbulletin 83/2007

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Holzbulletin 83/2007 Raum gewinnen Erweiterung eines Einfamilienhauses, Selma Anbau Wohnhaus Paradisli, Grüsch Erweiterung des Bauernhauses Hostatt, Stalden Gartenpavillon, Conches Bewohnte Scheuneneinfahrt, Pampigny An- und Umbau Wohnhaus Klaus-Wyss, Bad Ragaz Anbau Höhenweg, Binningen Umbau dreier Altstadthäuser, Bern Umnutzung, Iragna

Die Erweiterung in Pampigny ergänzt eine Gruppe landwirtschaftlicher Gebäude um ein Volumen für eine zusätzliche Wohnung. Bauherrschaft: Nicole Esseiva und Frank Bolay Architekten: LVPH architectes, Laurent Vuillemier und Paul Humbert, Pampigny


Holz schafft Wohnraum

Soll sich Hinzugefügtes bereits in der äusseren Erscheinung vom Ursprünglichen abheben, oder sollen die Grenzen dazwischen im Gegenteil kaum sichtbar sein? In der Entscheidung für das eine oder das andere liegt eine der wichtigsten Weichenstellungen bei der Fassadenmaterialisierung von Erweiterungen. Die äussere Erscheinung ist zwar oft einfach gegeben von den Bauvorschriften, aber doch auch Ausdruck einer Gesamtidee. In diesem Sinne zeigen bereits die ersten Ansichten von aussen verschiedene Konzepte der Erweiterung: von der Auslagerung der Erschliessung aus dem Hauptbau zur Gewinnung von Wohnraum über die Ergänzung des Baubestandes mit neuen Räumen bis zur räumlichen Verschmelzung von Alt und Neu. Mit der Erweiterung eines Einfamilienhauses in Selma beginnt die Objektdokumentation zum Thema. Ein einfaches, den Traditionen der Gegend folgendes Volumen in Holz ergänzt den verputzten, steinernen Baubestand und ermöglicht durch die neu ausgelagerte Erschliessung zusätzlichen Wohnraum im Hauptgebäude. Ähnliche Überlegungen führten zum Anbau des Wohnhaus Paradisli in Grüsch, wobei die Erweiterung des Eingangsbereiches zusätzlich zur rollstuhlgängigen Erschliessung aller Geschosse mit einem Lift umgesetzt wurde. Der neue Teil erinnert typologisch an die Windfänge vor Eingangstüren und nimmt die äussere Materialisierung des Bestandes auf. Die Erweiterungsbauten des Bauernhauses Hostatt in Stalden setzen zwei Aufgaben um. Der neue Treppenhausturm dient ebenfalls der ausgelagerten Erschliessung der Geschosswohnungen. Das grössere Ergänzungsvolumen erweitert die Erdgeschosswohnung. Es ordnet sich dem Hauptbau unter und lehnt sich an die äussere Erscheinung des Baubestandes an. Dagegen nimmt das Ergänzungsvolumen zum Mehrfamilienhaus in Conches Abstand vom Bestand, schafft aber über die Materialisierung und die neue Raumgliederung im Aussenbereich Bezüge. Zusammen mit einer gedeckten Garage und einer Veranda entstand im Garten des Anwesens ein Pavillon, der einen Hof fasst und dadurch eine Neudefinition des Hauseingangsbereiches ermöglicht. Gleichzeitig erlaubt die Auslagerung dieses vielseitig dienlichen Raumes

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eine bessere Ausnutzung der bisher bestehenden Wohnfläche. Ebenfalls eine Wohnraumergänzung erfuhr ein Bauernhaus in Pampigny, indem die ehemalige Scheuneneinfahrt mit einem Holzbau im zeitgenössischen Stil ersetzt wurde. Darin befinden sich Eingangsbereich, Küche und Aufenthaltsräume; durch einen Zugang im Obergeschoss gelangt man in die weiteren Räume der Wohnung im umgebauten Baubestand. Schliesslich der Anbau eines Wohnhauses in Bad Ragaz: Er zeichnet die Silhouette des Altbaus nach. Die reduzierte Formensprache des Anbaus und dessen Materialisierung schaffen einen starken Kontrast zum Altbau, was die unterschiedlichen Erstellungszeitpunkte von Alt und Neu unterstreicht. Wesentlich stärkere Eingriffe kennzeichnen die nächsten drei Projekte, wobei die Grenzen zwischen klassischer Erweiterung und Umbau verschwimmen. Der Anbau eines Einfamilienhauses in Binningen ersetzt den alten Eingangsbereich, schafft mehr und grosszügigeren Wohnraum und ermöglicht es, die schöne Aussichtslage maximal auszunutzen. Das angefügte Volumen verzahnt sich auf dem Dach mit dem bestehenden Baukörper; der Übergang von Neu und Alt ist innen wie aussen fliessend. Dennoch ist die Grenze klar ersichtlich, zum Beispiel über die Materialisierung der Fassadenbekleidung. Ebenso beim Umbauprojekt dreier aneinander grenzender Häuser in der Altstadt von Bern, wo der kleine Anbau in Holz mit einer horizontalen Lärchenbekleidung wie die Spitze eines Eisberges auf die umfassenden, komplexen Umbauarbeiten verweist. Markant ist die Umnutzung einer Parzelle mitten in Iragna mit mehreren kleinen und einem grösseren Gebäude aus Stein: Keines der Volumen liess sich mit den Bedürfnissen des Neubauprojektes vereinen, weshalb mittels einer Holzkonstruktion eine Verbindung zwischen den verschiedenen Einheiten und gleichzeitig eine Erweiterung des Volumens geschaffen wurde. In den Wohnräumen verschwimmt der Übergang von Alt und Neu. Dies soll auch an der Fassade aus unbehandeltem Holz geschehen: Mit dem Vergrauen verwischen sich die Grenzen zwischen Holz und Stein im Laufe der Zeit. Betrachtet man die Lignum-‹Holzbulletins› der letzten Jahre, ergibt sich folgendes Bild: In drei Heften wurden in den Jahren 1990 bis 1992 insgesamt zwölf Projekte zu den Themen Verdichten, Umnutzen und Umbauen dokumentiert. Von 2003 bis 2006 zeigten wir in drei Ausgaben sechs Bauprojekte im Umkreis von Umbauen und Aufstocken, sieben Projekte zum Erweitern bei verschiedenen Nutzungen und sieben Projekte rund um das Aufstocken. Eine neu recherchierte Fülle an Projekten zum Erweitern von Wohnraum bei Ein- und Mehrfamilienhäusern bewog uns dazu, diese Bauaufgabe ein weiteres Mal unter dem Blickwinkel des Wohnens aufzugreifen. Rückblickend behaupten wir guten Gewissens, dass die Vielfalt der gezeigten Projekte zum Umbauen, Aufstocken und Erweitern ein Indiz dafür ist, dass sich der Werkstoff Holz aus Sicht der Konstruktion wie der Gestaltung hervorragend für diese Bauaufgaben eignet.

Roland Brunner Technische Kommunikation Lignum


Erweiterung eines Einfamilienhauses, Selma Selma, ein kleines Bergdorf an den steilen Hängen des Calancatals, liegt inmitten von Wald und Wiesen. Kompakt gemauerte Gebäude mit einfachstem Innenausbau sind typisch für den Ort. Der Anbau für ein Einfamilienhaus folgt den Traditionen der Gegend. Die Projektentwicklung basierte auf Recherchen zur örtlichen Bauweise, insbesondere auf der Publikation ‹La casa rurale della Valle Calanca› von M.A. Reinhard. Darin wird festgestellt, dass in Selma – wie auch in anderen Dörfern dieser Gegend – die mit der Zeit gewachsenen Anbauten und Erweiterungen Hinzufügungen einfacher Volumen mit einer regelmässigen orthogonalen Struktur sind: Sie zeigen durchwegs einen quadratischen oder rechteckigen Grundriss. Eine weitere örtliche Tradition ist die Kombination von verputztem Mauerwerk, Trockenmauern und Holz. Beim vorliegenden Objekt fanden sich alle diese charakteristischen Kombinationen. Ausgehend vom Wunsch des Bauherrn nach mehr Wohnraum, war das Projekt aufgrund der vorhergehenden Betrachtungen relativ rasch definiert: als Addition eines einfachen Kubus aus Holz, welcher sich in den Bestand einfügt und die Prägung des Weilers unterstreicht. Da aufgrund des architektonischen Ausdrucks die Grösse der Erweiterung im Verhältnis

zum bestehenden Hauptgebäude abgestimmt werden musste, fiel die Wahl auf eine bewusste Minimierung der Erweiterung mittels vertikaler Elemente aus Lärche als Fassadenhaut mit dahinter liegenden Öffnungen. Das Volumen ergibt eine technisch und praktisch stimmige und wohnliche Form, welche Lichtnutzung und den Einbezug des Panoramas der Umgebung gut kombiniert.

Situation

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Längsschnitt

Dachaufbau von aussen: Titan-Zink-Blech schwarz Schalung 24 mm Lattung 45 mm/Lüftung Unterdachfolie Rippenelemente: Sparren 80 x 180 mm /Mineralwolldämmung 140 mm Dreischichtplatte 27 mm, geölt Aufbau Aussenwand von innen: Dreischichtplatte 27 mm, geölt Dampfbremse Ständer 80 x 140 mm /Mineralwolldämmung OSB 15 mm Windpapier schwarz Distanzhalter in Aluminium schwarz 50 mm Lärchenlatten vertikal 80 x 100 mm, sägeroh Deckenaufbau von oben: Kastenelemente: Dreischichtplatte 27 mm, geölt Rippen 80 x 120 mm /Mineralwolldämmung 60 mm Dreischichtplatte 27 mm, geölt Bodenaufbau von oben: Dreischichtplatte 27 mm, geölt Dampfsperre Balken 60 x 160 mm/Zellulosefaserdämmung Feuchtigkeitssperre Beton

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Ort 6545 Selma Bauherrschaft Orio Guscetti Architekt Teamwork, arch. dipl. FH Luigi Tottoli, Camorino Holzbauingenieur Laube SA, Biasca; Projektleiter: Martin Hügli Holzbau Laube SA, Biasca Materialien Konstruktionsholz verleimt 4,7 m3; Platten: Dreischichtplatten 19 mm und 27 mm 155 m2, OSB 15 mm 28 m2; Fassade: Lärchenlattung sägeroh 80 x 100 mm 3,3 m3 Baukosten (BKP 2) CHF 80 000.– Gebäudevolumen SIA 416 160 m3 Kubikmeterpreis SIA 416 (BKP 2) CHF 800.– Bauzeit Juli–Dezember 2004 Fotograf Studio Pagi, Savosa

Erdgeschoss

Obergeschoss

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Anbau Wohnhaus Paradisli, Grüsch An ein symmetrisches Holzhaus einseitig anzubauen, ist nicht ganz einfach. Das Programm forderte eine rollstuhlgängige Erschliessung von Obergeschoss und Hochparterre. Dafür sollte ein Lift an die Fassade des 1932 erbauten Wohnhauses gestellt werden. Um den harmonischen Altbau nicht zu beeinträchtigen und gleichzeitig die Eingangssituation zu erweitern, wurde das Programm um ein Entree im Erdgeschoss und um ein schmales Studierzimmer im Obergeschoss ergänzt. Zusammen mit dem Liftschacht bilden diese Räume nun ein kleines, abgestuftes Bauvolumen, das respektvoll nicht die ganze Seite des Hauses einnimmt, sondern hinter den Fluchten der Giebelfassaden zurückbleibt und im Obergeschoss nicht über die Dachtraufe hinausragt. Typologisch erinnert der Anbau an die Windfänge, die in dieser Gegend oft zum Schutz der Eingangstür vorgelagert wurden. Der Neubauteil nimmt nicht nur die Farbigkeit, sondern auch die konstruktiven Elemente des Strickbaus auf, verwendet sie aber leicht variiert. Aus dem Strick mit gekreuzten Balken wird eine auf Gehrung geschnittene, stumpf gestossene Schalung. Aus den gerahmten Fensterstöcken des Altbaus werden über Eck gezogene und mit

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Erdgeschoss

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den Stützen des Ständerbaus gerahmte Bandfenster. So wird auf zurückhaltende Weise ersichtlich, dass der Anbau zeitgenössisch ist. Im Innern ergeben sich durch den überhohen Eingangsbereich und die geöffnete Wand zwischen Alt- und Anbau neue Raumbezüge, deren Niveauunterschiede und Sichtachsen sich an den vom Architekten Adolf Loos entwickelten Raumplan anlehnen. Durch das additive Fügen und Ergänzen der neuen Kammern wird das ganze Haus in diesem Sinne lesbar.

Situation

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Obergeschoss


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Deckenaufbau unter dem Dach von aussen: Windpapier OSB 20 mm Balkenlage 80 x 160 mm /Mineralwolldämmung 140 mm Dampfsperre Lattung 24 mm Dreischichtplatte Tanne 19 mm Aufbau Aussenwand von innen: Dreischichtplatte Tanne 19 mm Lattung 24 mm Dampfsperre OSB 20 mm Ständer 80 x 140 mm /Mineralwolldämmung Windpapier Lattung 40 mm Holzschalung, oberflächenbehandelt wie bestehende Schalung Deckenaufbau von oben: Riemenboden Lärche 27 mm OSB 20 mm Balkenlage 120 x 180 mm /Mineralwolldämmung 60 mm Dampfsperre Lattung 24 mm Dreischichtplatte Tanne 19 mm Aufbau Aussenwand Sockelbereich, Zusatz: Zementstein 120 mm Sperrsockelputz min. 20 mm, gestrichen

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Ort Arälia 480, 7214 Grüsch Bauherrschaft Christine und Georg Fromm-Ott, Grüsch Architekt Pablo Horváth, Chur; Mitarbeit: Heinz Noti Bauingenieur Plácido Pérez, Bonaduz Holzbau Lötscher & Co. AG, Schiers Materialien Leimholz und Vollholz 9,5 m3; Platten: Dreischichtplatten 19 mm 120 m2, OSB-3 18 mm 87 m2; Fassade: Fichtenschalung, gebürstet und lasiert, 55 m2 Baukosten (BKP 2) CHF 220 000.– Geschossfläche total SIA 416 33 m2 (nur Erweiterung) Gebäudevolumen SIA 416 117 m3 (nur Erweiterung) Kubikmeterpreis SIA 416 (BKP 2) CHF 1880.– (nur Erweiterung) Bauzeit September–Dezember 2005 Fotograf Ralph Feiner, Malans

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Erweiterung des Bauernhauses Hostatt, Stalden Das Bauernhaus aus dem 18. Jahrhundert war längere Zeit von nur einer Familie bewohnt worden. Die Aufgabe bestand darin, das Volumen geschossweise in drei Wohnungen zu unterteilen. Die Fläche der Wohnung im Erdgeschoss sollte gleichzeitig durch einen Anbau erweitert werden. Die Idee war, das stolze Bauernhaus möglichst unangetastet zu lassen. Die Anbauten sollten an das bestehende Haus nur andocken, so dass seine ursprüngliche Form rundum erhalten bleiben würde. Ein neues, ausgelagertes Treppenhaus an der Nordostfassade erschliesst nun die oberen beiden Wohnungen. Die eigentliche Wohnraumerweiterung erstreckt sich Richtung Südosten. Dieses neue Volumen ordnet sich dem Hauptbau unter, indem es sich an die Höhe des bestehenden Erdgeschosses hält und durch eine geschickte Kombination von zwei ineinander verschachtelten Baukörpern das abfallende Terrain aufnimmt. Die Erscheinung der Aussenbekleidung lehnt sich an den Baubestand an: Der massive Altbausockel wird mit Sichtbeton weitergeführt, und die dunkelbraune Holzschindelbekleidung findet sich in der dunkel lasierten, sägerohen Fichtenbekleidung des Holzrahmenbaus wieder.

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Die neuen Räume sind nach Westen ausgerichtet. Der kleinere, konische Baukörper ist auf der Südwestseite voll verglast. Er ist ein eigentlicher Aussichtsraum, der die Sicht auf ein unvergleichliches Panorama freigibt. Dazu ist über dem Untergeschoss eine Veranda entstanden, die mit dem Innenraum des oberen Anbaus verschmilzt. Über die Veranda gelangt man via Aussentreppe direkt in den Garten. Der Anbau und die bestehende Wohnung im Hochparterre sind jetzt über das neu gebaute Untergeschoss erschlossen. Dazu wurde lediglich das äusserste Fenster der Südostfassade zum Durchgang umfunktioniert. Der Anbau könnte also jederzeit wieder entfernt und das bestehende Haus in seine ursprüngliche Form zurückgeführt werden.

Situation


Untergeschoss

Grundriss Wohngeschoss

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Dachaufbau von aussen: Substrat Abdichtung Kastenelemente: Dreischichtplatte 27 mm Rippen 240 mm/Mineralwolldämmung Dreischichtplatte 27 mm Dampfbremse Lattung 25 mm Gipsfaserplatte 12,5 mm

Aufbau Aussenwand von innen: Gipsfaserplatte 15 mm Dampfbremse Ständer 200 mm/Mineralwolldämmung Diffusionsoffene Holzfaserplatte 16 mm Lattung 120 mm/Storenkasten in Ebene integriert Rhomboidschalung Fichte

Deckenaufbau von oben: Parkett Zementunterlagsboden 70 mm/Bodenheizung Dämmung 20 mm Dampfbremse Kastenelemente: Dreischichtplatte 27 mm Rippen 240 mm/Mineralwolldämmung Dreischichtplatte 27 mm Schnitt Südostfassade

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Dreischichtplatte 19 mm, unbehandelt


Ort Hostatt, 6063 Stalden Bauherrschaft Julia und Erich Lötscher Architekt Roger Duvoisin, Luzern Bauleitung Werkstatt 3000, Stefan Bättig, Luzern Holzbauingenieur Josef Rohrer AG, Flüeli-Ranft Holzbau Josef Rohrer AG, Flüeli-Ranft Materialien Konstruktionsholz verleimt 17 m3; Platten: Dreischichtplatten 27 mm 200 m2, OSB 50 m2, mitteldichte Holzfaserplatten 150 m2, Gipsfaserplatten 650 m2; Fassade: Rhomboidschalung Fichte lasiert 130 m2, Lamellen 40 x 70 mm Fichte lasiert 1100 m Baukosten (BKP 2) CHF 434 000.– (Anbau) Gebäudekubatur SIA 116 755 m3 Kubikmeterpreis SIA 116 (BKP 2) CHF 575.– Bauzeit August 2005–Januar 2006 Fotografinnen Franca Pedrazzetti, Luzern, und Gerti Kaspar, Udligenswil

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Gartenpavillon, Conches In einem Villenquartier der Stadt Genf, in einem Garten voller Bäume, erhebt sich ein Mehrfamilienhaus mit drei Wohnungen. Als der Bau einer gedeckten Garage und einer Veranda diskutiert wurden, entschloss sich der Bauherr zum Bau eines Pavillons, um die zur Verfügung stehende Wohnfläche besser auszunützen. Alt und Neu – beide Elemente besitzen ihre eigene Dynamik. Trotzdem entsteht keine Rivalität zwischen dem modernen Pavillon und dem Wohnhaus aus dem Jahr 1923, sondern vielmehr ein spannender Dialog unter den verschiedenen Baukörpern, ihren Funktionen und Materialien. Der Standort des Zusatzbaus ist so gewählt, dass er einen Hof schafft und dadurch eine Neudefinition des Eingangsbereiches des Hauses ermöglicht. Räumlich getrennt vom bestehenden Gebäude, erzeugt der Neubau keinen Gegensatz, sondern erscheint selbstverständlich. Als kompakter, vielseitig nutzbarer Baukörper hat er den Charakter eines Möbels und ist bald Wohnungserweiterung, bald Künstleratelier, bald separates Studio. Im Erdgeschoss beherbergt der Neubau ein Badezimmer, eine Küche und einen Aufenthaltsraum. Im Obergeschoss befindet sich ein Schlafzimmer. Ein grosses Fenster schafft die Verbindung zum Garten. Ein zweites, oben angebrachtes, vorspringendes Fenster lässt nur den Himmel sehen und erfüllt den Raum mit diffusem Licht. Im Obergeschoss befindet sich ein einziges, kleines Fenster. Dieses ist mit einem versenkten Roll-

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laden versehen, welcher Intimität und unaufdringliches Licht gewährleistet. Holz als Baustoff drängte sich auf. Denn das Holzbausystem ermöglichte einerseits eine trockene und saubere Baustelle in unmittelbarer Nachbarschaft eines bewohnten Hauses, andererseits ergab sich eine kurze Montagezeit. Die Wände und das Dach bestehen aus vorfabrizierten Holzrahmenelementen. Die Treppe im Innern ist einer Treppenleiter nachempfunden und verweist auf den Ateliercharakter des Baus. Das Mobiliar und die

raumteilenden Wände bestehen aus gestrichenen Holzwerkstoffplatten. Die geringe Grösse des Bauwerkes ermöglichte originelle Lösungen und das Spiel mit Doppeldeutigkeiten. So besteht die Fassade aus rohen Tannenholzlamellen, welche mit dem Schweissbrenner behandelt wurden. Damit liess sich die Anmutung von Holz erzeugen, welches während Jahrzehnten von der Sonne beschienen worden ist, was den Pavillon gleichsam in eine andere Zeit versetzt.

Situation


Erdgeschoss

Obergeschoss

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Dachaufbau von aussen: Blechdach Titan-Zink Trennlage Dreischichtplatte 27 mm Lattung 50 mm Unterdachbahn Sparren 160 mm/Dämmung Gipsfaserplatte 15 mm Aufbau Aussenwand von innen: Gipsfaserplatte 15 mm Ständer 120 mm/Dämmung OSB 25 mm Lattung gekreuzt 50 mm Schalung vertikal 24 mm, Oberfläche verkohlt Bodenaufbau von oben: Linoleum Unterlagsboden Anhydrit 60 mm, Bodenheizung integriert Mineralwolldämmung 60 mm Betonplatte

Fassadenschnitt

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Ort 1231 Conches Architekten ar.id, vincent rapin maria saiz, Vevey; Mitarbeit: Chloé Marrou, Hanael Sfez, Jean Wagner Holzbau Simon & Fils, Montcherand Materialien Vollholz 8 m3; OSB 150 m2; Fassadenschalung 115 m2 Gebäudekubatur SIA 116 250 m3 Kubikmeterpreis SIA 116 (BKP 2) CHF 1000.– Bauzeit August–November 2005 Fotograf Ralph Blättler, Luzern


Bewohnte Scheuneneinfahrt, Pampigny Zwei junge Architekten entdecken das enorme Potential, welches in einer Gruppe aufgegebener landwirtschaftlicher Liegenschaften im Herzen von Pampigny steckt. In der Folge entstehen dort Büros und Wohnungen. Eine der neuen Wohnungen befindet sich in einem Holzanbau an der Stelle der ehemaligen Scheuneneinfahrt. Die ‹landwirtschaftliche Insel› in Pampigny umfasste drei aneinander grenzende Einheiten: Im Süden ein Bauernhaus aus dem späten 18. Jahrhundert, im Zentrum eine gemauerte Scheune aus dem Jahr 1905 sowie – nördlich daran anschliessend – eine hölzerne Scheunenbrücke. Im ehemaligen Bauernhaus entstanden Büroräumlichkeiten für die beiden Architekten. Eine alte Scheune wurde zu Wohnungen umgenutzt, und anstelle der baufälligen Scheunenbrücke steht heute ein Holzanbau in zeitgenössischem Stil. Die Architekten entschieden sich dafür, den gemauerten Teil des Komplexes beizubehalten und so umzuwandeln, dass die Integration von neuen Wohnungen möglich wurde. Die dreiteilige Struktur des Gerippes blieb unverändert und wurde lediglich mit drei in identischem Stil gestalteten Wohnungen ergänzt. Die Schlafräume sind in jedem Abschnitt einheitlich angeordnet. Die Tagesräume dagegen sind unterschiedlicher gestaltet, was jeder Einheit einen anderen Charakter verleiht. Eine der neuen Wohnungen befindet sich in einem neuen Holzanbau an der Stelle der ehemaligen Scheuneneinfahrt. Der einfache Baukörper ruht auf einem Betonsockel, welcher den Eingangsbereich beherbergt. Über einen Treppenlauf gelangt man zum Obergeschoss mit der Küche und den Aufenthaltsräumen. Die ehemalige Öffnung in der Scheunen-

mauer wurde beibehalten und ermöglicht den Zugang zu den Wohnräumen. Das Tragwerk des Anbaus basiert auf zwei in die Längswände integrierten, vereinfachten Fachwerkträgern aus Brettschichtholz, welche, wie die ehemalige Einfahrt, beim massiven Unterbau und am Scheunenkörper aufgelagert sind. Diese Fachwerkträger wurden nach der Montage gedämmt und beidseitig bekleidet. Die vorfabrizierten Decken- und Dachelemente lagern auf diesen beiden Aussenwänden, wobei Zugbänder in Stahl die Horizontalkräfte aus den Dachflächen aufnehmen. Verwendet wurden ausschliesslich rohe Mate-

Situation

rialien: Die Mauern und Decken sind mit weiss gestrichenem Tannentäfer verkleidet. Der Boden besteht aus massiven Tannenbohlen und einem transparenten Gussüberzug. Die Originalität dieses Bauwerks liegt einerseits darin, dass ausschliesslich Holz aus den umliegenden Wäldern verwendet wurde. Andererseits bieten die neuen Wohnräume trotz der Einfachheit der eingesetzten Mittel eine aussergewöhnliche Wohnqualität.


Querschnitt

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Grundriss Durchgangsbereich

Grundriss Wohnbereich

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Ort Rte du Stand 5, 1142 Pampigny Bauherrschaft Nicole Esseiva und Frank Bolay Architekten LVPH Architectes sarl, Laurent Vuillemier und Paul Humbert, Pampigny Ingenieur Peter Braun, Normal-Office, Fribourg Holzbau Burgy Charpentes, Denges Materialien Voll- und Brettschichtholz 10 m3; OSB 162 m2; Fassade: Schalung in Lärche 438 m2 Gebäudekubatur SIA 116 3477 m3 Kubikmeterpreis SIA 116 (BKP 2) CHF 535.– Bauzeit Januar-Dezember 2005 Fotografen LVPH architectes


Dachaufbau von aussen: Eindeckung Zink-Titan Trennlage Schalung Lattung 27 mm Lattung 50 x 50 mm Unterdachbahn Sparren 80 x 160 mm/D채mmung OSB 20 mm Lattung 27 mm Schalung Fichte 18 mm Deckenaufbau von oben: Unterlagsboden Anhydrit 50 mm, Bodenheizung integriert Dampfsperre Trittschalld채mmung 20 mm OSB 20 mm Balken 160 mm Lattung 27 mm Schalung Aufbau Aussenwand von innen: Schalung Fichte 18 mm Lattung 27 mm Dampfbremse Fachwerktr채ger/D채mmung Lattung 27 mm Schalung

Fassadenschnitt


An- und Umbau Wohnhaus Klaus-Wyss, Bad Ragaz Der Ortsrand von Bad Ragaz ist geprägt von Kurpark und Fluss. In dieser Umgebung findet sich, inmitten einer idyllischen Gartensiedlung, ein von den Architekten Dehm und Nigg um 1906 erbautes Wohnhaus. Der Anbau auf der Rückseite zeichnet die Silhouette des Altbaus nach. Die reduzierte Formensprache des Anbaus, die knappen Dachränder und die flachen Fassaden mit den aussen bündig angeschlagenen Fenstern schaffen einen starken Kontrast zum plastisch modellierten Altbau. Diese Unterschiedlichkeit und die viel grösseren Fensterformate zeigen, dass zwischen Alt- und Neubau ein Jahrhundert verstrichen ist. Im übrigen gleichen sich die beiden Hausteile und bilden so ein neues Ganzes. Beide sind Holzständerbauten, der Altbau verputzt, der Neubau mit gestrichenen Holzwerkstoffplatten bekleidet. Die zweigeschossige Hausform mit Dachgauben bleibt gleich, der Anbau ist wenig niedriger. Im Erdgeschoss findet eine Einliegerwohnung Platz. Im Obergeschoss nimmt eine Bibliothek den ganzen Dachraum ein. Sie ist über eine Treppe und einen Durchgang vom Hochparterre des alten Hauses her zugänglich. Die Bibliothek ist der wichtigste Punkt der Erwei-

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terung; sie ergänzt den Altbau um einen grosszügigen Einzelraum. Die Dimensionen und die fünf raumhohen Fenster spiegeln heutige Wohnvorstellungen. Möglich wird der stützenfreie Raum, weil die Dachflächen als Falttragwerk durchgebildet sind: Die als Rippenelemente aufgebauten und in der Fläche als Scheiben wirkenden Dachelemente sind an der Firstlinie jeweils mit dem gegenüberliegenden Element gelenkig verbunden. Die Lagerung erfolgt auf den beiden Giebelwandseiten und an der Schwelle. So stören keine weiteren Elemente die fast sakrale Raumwirkung, die durch die Zeltform, die Lichtführung und den Ausbau mit Eichenholzfurnier entstanden ist.

Situation


Erdgeschoss

10 m

Obergeschoss

Querschnitt

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Dachaufbau von aussen: Glattziegel Ziegellattung 30 mm Konterlattung 60 mm Unterdachbahn Rippenelemente: Furnierschichtholz 27 mm Rippen 240 mm /Mineralwolldämmung Dampfbremse Lattung 30 mm /Mineralwolldämmung Spanplatte 20 mm, Eiche furniert Innenbekleidung Wände im Obergeschoss: Spanplatte 20 mm, Eiche furniert Deckenaufbau von oben: Riemenboden Eiche 30 mm Lattung 60 mm/Trockenschüttung/Bodenheizung OSB 10 mm Holzfaserdämmplatte 22 mm OSB 18 mm Balkenlage 220 mm /Mineralwolldämmung 80 mm Abhängeelement 50 mm Gipskartonplatte 2 x 9 mm Aufbau Aussenwand von innen: Gipskartonplatte 2 x 9 mm Lattung 30 mm /Mineralwolldämmung Filzstreifen OSB 18 mm, luftdicht abgeklebt Ständer 160 mm /Mineralwolldämmung Windpapier Lattung 2 x 24 mm, gekreuzt Fassadenschnitt

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Mitteldichte Holzfaserplatte für Aussenanwendung 22 mm, gestrichen


Ort Zephyrweg 1, 7310 Bad Ragaz Bauherrschaft Verena und Anton Klaus-Wyss Architekt Pablo Horváth, Chur; Mitarbeit: Gabriela Walder, Michaela Holzwarth Holzbauingenieur Conzett, Bronzini, Gartmann AG, Chur; Mitarbeit: Rolf Bachofner Holzbau Untersander Holzbau, Bad Ragaz Materialien Voll- und Brettschichtholz 23 m3; Platten: OSB 10 mm und 18 mm 480 m2, Dreischichtplatten 27 mm und 42 mm 155 m2, Furnierschichtholz 27 mm 75 m2; Innenbekleidung: Spanplatten furniert 220 m2; Böden: Eichenriemen 115 m2; Fassadenbekleidung: mitteldichte Holzfaserplatten 210 m2 Baukosten (BKP 2) CHF 650 000.– Geschossfläche total SIA 416 236 m2 (nur Erweiterung) Gebäudevolumen SIA 416 729 m3 (nur Erweiterung) Kubikmeterpreis SIA 416 (BKP 2) CHF 892.– (nur Erweiterung) Bauzeit November 2001–Juni 2002 Fotograf Ralph Feiner, Malans

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Anbau Höhenweg, Binningen Privilegierte Lage, jedoch beengte Verhältnisse im Inneren: das war die Ausgangslage bei einem Einfamilienhaus in der Basler Vorortsgemeinde Binningen. Der Anbau schafft eine Erweiterung der Grundrissfläche auf dem nördlichen Teil der Parzelle. Zur Umsetzung dieses Vorhabens wurde nicht, wie anfänglich geplant, ein eingeschossiger Baukörper angefügt, sondern es wurde eine zusätzliche mehrgeschossige Gebäudeschicht erstellt. So liess sich die schöne Aussichtslage maximal ausnutzen. Das bestehende Gebäude erhielt einen gleichwertigen Anbau nach Nordosten. Dieses angefügte Volumen verzahnt sich auf dem Dach mit dem bestehenden Baukörper, wo die vorhandenen Dachausbauten in das neue Gebäudevolumen integriert wurden. Die Erweiterung des Volumens erfolgte auch im Untergeschoss, wobei die Hervorhebung des Neubauvolumens durch die Weiterführung der Fassadenbekleidung fast bis zum Terrain und um die Terrasse herum noch verstärkt wird. Insgesamt entsteht eine völlig neue Gesamterscheinung, die je nach Standort ganz unterschiedlich wahrgenommen wird. Bei der Erweiterung des bestehenden Einfamilienhauses wurde Wert auf einen stilvoll modernen und gleichzeitig dem Kontext angepassten Ausdruck gelegt. Durch die leicht geknickte Fassade und das bis unters Dach ausgebaute Obergeschoss erhält der neu gewonnene Raum eine grosszügige Dimension, welche durch die klar ausgerichteten Fensterfronten verstärkt wird. Das spannende Ineinandergreifen zweier Baustile zeigt sich auch bei der Fassadengestaltung: Der mit einer vor-

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verwitterten Holzlattung bekleidete und aus vorfabrizierten Holzrahmenbauelementen gefertigte Anbau nimmt in seiner Materialität keinen direkten Bezug auf das bestehende Gebäude. Dennoch herrscht aufgrund des zurückhaltenden, metallisch schimmernden Hellgraus ein harmonisches Gleichgewicht zwischen altem und neuem Baukörper.

Situation


Längsschnitt

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Untergeschoss

Ort Höhenweg 32, 4102 Binningen Bauherrschaft P. Petretta & C. Fünfschilling Petretta Architekten ON3 Architekten, Basel Bauingenieur Dill & Partner AG, Oberwil Holzbau Hürzeler Holzbau AG, Magden Materialien Vollholz 20,5 m3; Platten: Dreischichtplatten 144 m2, diffusionsoffene mitteldichte Holzfaserplatten 65,5 m2, Gipsfaserplatten 131,5 m2; Fassade: Lattung sägeroh 136 m2 Gebäudekubatur SIA 116 905 m3 (Umbau und Anbau) Kubikmeterpreis SIA 116 (BKP 2) CHF 630.– Bauzeit März–Oktober 2006 Fotografen ON3 Architekten, Basel

Erdgeschoss

Obergeschoss

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Dachaufbau von aussen: Blechdach Titan-Zink Bitumendachbahn Dreischichtplatte 27 mm Lattung 50 mm Diffusionsoffene mitteldichte Holzfaserplatte 15 mm Sparren 200 mm/Zellulosefaserdämmung Gipsfaserplatte 24 mm

Deckenaufbau von oben: Klebeparkett mit Trittschalldämmvlies Dreischichtplatte 27 mm Balkenlage 250 mm/Steinwolldämmung Lattung 38 mm Gipsfaserplatte 15 mm

Aufbau Aussenwand von innen: Gipskarton 2 x 12,5 mm Lattung 102 mm Gipsfaserplatte 15 mm Ständer 200 mm/Zellulosefaserdämmung Diffusionsoffene mitteldichte Holzfaserplatte 15 mm Lattung 50 mm, vertikal Lattung horizontal 24 mm, sägeroh, hydrophobe Oberflächenbehandlung

Fassadenschnitt

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Umbau dreier Altstadthäuser, Bern Drei Lauben mit horizontaler Lärchenlattung, eine grösser, zwei kleiner, verweisen als äussere Zeichen auf den umfassenden, komplexen Umbau dreier aneinander grenzender Häuser in der Berner Altstadt. In der Phase des Projektwettbewerbes wurden die Häuser bewohnt, was keine genaue strukturelle Analyse des Baubestandes ermöglichte. Jedoch erlaubte es die serielle, hausweise Baurealisierung, neue Erkenntnisse über den Baubestand zu berücksichtigen. Vor dem Umbau wurden im Haus 54 das Vorderhaus und das Hinterhaus jeweils mit Zweizimmer-Wohnungen genutzt und über ein zentrales Treppenhaus erschlossen. Durch den Einbau einer Passerelle im bestehenden Lichthof liessen sich die beiden Gebäudeteile zu einer durchgehenden 4 1/2-Zimmer-Wohnung vereinen. Die Stahl-/Glas-Konstruktion der Passerelle ermöglicht neben der funktionalen wohnungsinternen Verbindung ein neues Erlebnis des Raums. Dank der grossen Verglasungen, welche einen bewussten Sprung der Massstäblichkeit mit hoher Transparenz verbinden, bleibt der Lichthof jedoch in seinen ursprünglichen Abmessungen ablesbar. Die beim Haus 54 gewonnenen Erkenntnisse zur Bausubstanz bewogen die Planer, die zunächst geplante Lösung für das Haus 56 in Frage zu stellen. Bei näherer Betrachtung erwies sich dessen zweiteilige hölzerne Wendeltreppe als Möbel im Treppenhaus. So entschloss man sich zum Verschieben und

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gleichzeitigen Ergänzen der bestehenden Holztreppe. Daraus entstanden eine neue Möglichkeit zur Erschliessung der Wohnungen und eine einfache wohnungsinterne Verbindung von Vorder- und Hinterhaus. Der wiederhergestellte kleine Lichthof dient nun mit dem neuen Oberlicht den angrenzenden neuen Küchen und Bädern zur natürlichen Beleuchtung und Belüftung. Die jetzt freigelegte, wertvolle Bausubstanz der Brandmauern und früheren Hoffassaden ist heute wieder erlebbar und mit kompromisslos modernen Ergänzungen in Holzbauweise zu einem neuen architektonischen Ganzen gefügt. Im Wohnungsinneren wurden die Hoffassaden wie im Treppenhaus freigelegt und die neuen Bäder zur Schonung der bestehenden Bausubstanz als Schrank frei in den Raum gestellt. Lediglich mittels einer Verglasung ist das ‹Bad im Schrank› vom restlichen Raum getrennt, so dass dieser weiterhin als virtuelles Ganzes erlebt werden kann. Die Materialisierung der Eingriffe ist auf Brettsperrholz in Lärche reduziert. Die kontinuierliche Anwendung als Wand- oder Bodenbelag vom Keller bis zur neuen Dachwohnung verleiht dem gesamten Haus eine neue Identität. Scheinbar Gleiches erweist sich auf den zweiten Blick oft als bestenfalls ähnlich – diese Aussage trifft für das Haus 58 zu. Das Suchen von Sonderlösungen war die Norm. Im ersten, zweiten und dritten Obergeschoss befanden sich drei gleichartige Wohnungen. Aufgrund

des An- und Ausbaus der Häuser im Laufe der Zeit glich jedoch kein einziger Raum dem anderen. Zudem hatten im Verlauf der Jahre die Mieter ihre Wohnungen individuell umgestaltet. Für das Weiterbauen wurden die bestehenden Grundrissstrukturen im wesentlichen erhalten. Spätere Verbauungen durch Zwischenwände konnten zurückgeführt werden. Weiterbauen bedeutete in diesem Haus also vor allem viel Detailarbeit und das Hervorholen verborgener Qualitäten, welche die früheren Bewohner mittels verschiedenster Verbauungen verdeckt hatten. Absicht der Bauherrschaft war primär, die originale Substanz der Ausstattungen zu erhalten und ihre historische Qualität wieder sichtbar zu machen. Im Bestreben, möglichst viel zu erhalten, verblieben auch die alten Fenster aus Eichenholz: Minimale Isolierverglasungen ersetzten in den originalen Fensterflügeln die Einfachverglasungen.


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Erdgeschoss

1. Obergeschoss

Ort Brunngasse 54, 56 und 58, 3011 Bern Bauherrschaft Fonds für Boden- und Wohnbaupolitik der Stadt Bern Architekten Campanile & Michetti Architekten, Bern Bauingenieur WAM Partner, Bern Bauphysik Grolimund + Partner AG, Bern Holzbau Wirz AG, Bern Materialien Voll- und Brettschichtholz 6 m3; Platten: Holzweichfaserplatten 24 mm 87 m2, OSB 18 mm 88 m2, Dreischichtplatten 24–50 mm 138 m2, Dreischichtplatten 60–90 mm 169 m2, Dreischichtplatten 130 mm 17 m2, einschichtige Platten Lärche 8 mm 24 m2; Schalung Lärche 26 mm 50 m2 Baukosten (BKP 2) CHF 2,86 Mio. (Haus 54), CHF 2,87 Mio. (Haus 56), CHF 2,70 Mio. (Haus 58) Geschossfläche SIA 416 840 m2 (Haus 54), 571 m2 (Haus 56), 1039,5 m2 (Haus 58) Gebäudekubatur SIA 116 2685 m3 (Haus 54), 1978 m3 (Haus 56), 3627 m3 (Haus 58) Bauzeit 2002–2005 Fotografen Dominique Plüss, Bern, und Croci & Du Fresne Photographie, Worblaufen

Dachgeschoss

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20 m


Querschnitt Haus 58

Querschnitt Haus 56

Querschnitt Haus 54

10 m

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Deckenaufbau Terrasse von oben: Offene Schalung in Lärche 30 x 90 mm Lattung 20–80 mm Vlies als Schutzlage Bitumendichtungsbahn zweilagig Holzschalung 27 mm Gefällslattung 40–100 mm/Hinterlüftung Holzweichfaserplatte 24 mm Balkenlage 180 mm/Dämmung OSB 18 mm Lattung 24 mm Gipskartonplatte 2 x 12,5 mm Wandaufbau von innen: Gipskartonplatte 2 x 12,5 mm Lattung 25 mm OSB 20 mm Ständer 160 mm/Dämmung Holzweichfaserplatte 25 mm Lattung 20 x 60 mm Horizontale, rhomboide Lamellen in Lärche 40 x 55 mm Deckenaufbau von oben: Holzriemen 20 mm Trennlage Kastenelemente: Dreischichtplatte 27 mm Balkenlage 180 mm/Zellulosefaserdämmung Dreischichtplatte 27 mm Längsschnitt Laube

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Umnutzung, Iragna Die Gemeinde Iragna, bekannt für ihre Granit-Steinbrüche, liegt in der Riviera. Auf einer Parzelle mitten im Dorf, auf welcher mehrere kleine Rustici sowie ein grösseres Gebäude standen, ergab sich aus dem Wunsch nach einer Umnutzung zu Wohnzwecken eine spannende Konstellation. Die bestehenden Bauten auf der Parzelle verdienten es, erhalten zu bleiben. Allerdings liess sich keines der Gebäude mit den Bedürfnissen der geforderten Nutzung vereinen. Das gewählte Projekt verbindet mittels einer Holzkonstruktion ähnlich einer Brücke die verschiedenen Einheiten und schafft so ein Ganzes. Um den ursprünglichen Charakter des Dorfzentrums zu bewahren, tritt die neue Holzkonstruktion im Westen vor den bestehenden Gebäuden zurück. Verstärkt wird dieser Eindruck durch das gleichförmige Antlitz der Fassade mit einem einzigen, langgezogenen Fenster mit Sonnenschutz. Auf der Ostseite dagegen öffnet sich die von Schiebeläden belebte Fassade weit gegen den Garten hin. Im Erdgeschoss fügt sich eine Wohnküche in den bestehenden Teil ein und findet ihre Verlängerung nach aussen in einer gedeckten Terrasse. Gegen Norden wird die Terrasse von einem renovierten Steingebäude begrenzt, welches die Waschküche beherbergt und als Sockel für die Holzkonstruktion dient. Im gemauerten Teil des Obergeschosses befindet sich das Wohnzimmer, während die auf das Grün hinausgehenden Schlafzimmer im Neubauteil liegen. Die Holzkonstruktion besteht aus vorfabrizierten Elementen, deren Montage nur wenige Tage dauerte. Um das Erdgeschoss auf der Seite der gedeckten Terrasse stützenfrei zu

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gestalten, ist die entsprechende Wand im Obergeschoss als Scheibe ausgebildet und innen mit Dreischichtplatten von 50 mm Stärke beplankt. Diese Wandscheibe trägt die Lasten vom Treppenhausraum bis zum Steinsockel im Norden ab. Die Fassaden aus unbehandeltem Holz erlauben es, dass das Gesamt nach und nach zu einer farblichen Einheit verschmelzen kann, so dass die Grenzen zwischen Holz und Stein fliessend werden. Die formale Schlichtheit des hinzugefügten Baukörpers unterstreicht den Steincharakter des Bestehenden und die Komplementarität der Materialien.

Situation


L채ngsschnitt Bestand

Querschnitt Bestand

L채ngsschnitt Erweiterung

Querschnitt Erweiterung

Erdgeschoss

Obergeschoss

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Ort 6707 Iragna Bauherrschaft Beatrice und Martin Hügli, Iragna Architekten Moro & Moro, Locarno Holzbauingenieur Laube SA, Biasca; Projektleiter: Martin Hügli Holzbau Laube SA, Biasca Materialien Vollholz und verleimtes Holz 25 m3; Platten: Dreischichtplatten 19–50 mm 660 m2; Bodenriemen: Kastanie 45 m2, Fichte 110 m2; Fassade: Lärchenschalung 125 m2 Gebäudekubatur SIA 116 990 m3 Kubikmeterpreis SIA 116 (BKP 2) CHF 606.– (ohne Eigenleistungen) Bauzeit Februar–September 2005 Fotograf Martin Hügli, Iragna

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Dachaufbau von aussen: Kies 50 mm Dichtungsbahn OSB 25 mm Lattung 50 x 80–135 mm Unterdachbahn Kastenelemente: Diffusionsoffene mitteldichte Holzfaserplatte 16 mm Balken 240 mm /Holzfaserdämmplatte Dreischichtplatte 30 mm, sichtbar

Aufbau Aussenwand Ost von innen: Dreischichtplatte 30 mm, sichtbar Ständer 160 mm/Holzfaserdämmplatte Querlattung 40 mm/Holzfaserdämmplatte Diffusionsoffene mitteldichte Holzfaserplatte 16 mm Lattung 40 mm, vertikal Schalung in Lärche 27 mm, sägeroh

Innenbekleidung Aussenwand West: Dreischichtplatte 50 mm, sichtbar

Deckenaufbau von oben: Fichtenschalung 24 mm, sichtbar Lattung 50 x 80 mm/Holzfaserdämmplatte Luftdichtungsbahn Kastenelemente: Dreischichtplatte 27 mm Balken 160 mm/Holzfaserdämmplatte Dreischichtplatte 30 mm, sichtbar Fassadenschnitt

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Lignum Holzwirtschaft Schweiz Economie suisse du bois Economia svizzera del legno

Falkenstrasse 26 CH-8008 Zürich Tel. 044 267 47 77 Fax 044 267 47 87 E-Mail info@lignum.ch Internet www.lignum.ch

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Verantwortlich Roland Brunner Redaktion Roland Brunner, Lignum, Mélanie Baschung und Denis Pflug, Lignum-Cedotec Gestaltung BN Graphics, Zürich Druck Kalt-Zehnder-Druck AG, Zug

Holzbulletin, Juni 2007

Administration, Abonnemente, Versand Andreas Hartmann, Lignum

Herausgeber Lignum, Holzwirtschaft Schweiz, Zürich Christoph Starck, Direktor

ISSN 1420-0260 Das Holzbulletin erscheint viermal jährlich in deutscher und französischer Sprache.

Jahresabonnement CHF 48.– Einzelexemplar CHF 20.– Sammelordner (10 Ausgaben) CHF 100.– Sammelordner leer CHF 10.– Preisänderungen vorbehalten. Lignum-Mitglieder erhalten das Holzbulletin und die technischen Informationen der Lignum, Lignatec, gratis. Die Rechte der Veröffentlichung für die einzelnen Bauten bleiben bei den jeweiligen Architekten. Alle Angaben stammen von den Bauplanern.

Lignum-Hotline: 044 267 47 83 Benutzen Sie unsere Fachberatung am Telefon von 8–12 Uhr, die täglich von Montag bis Freitag gratis zur Verfügung steht.


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