Holzbulletin 98/2011

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Holzbulletin 98/2011 Umbauen und Sanieren Nationales Zentrum Bewegung ATD ‹Vierte Welt›, Treyvaux Altes Hospiz, St. Gotthard Haus Bregger und Restaurant Salzhaus, Solothurn Pfarrhaus St. Josef, Zürich Zunfthaus zur Zimmerleuten, Zürich

Ein grosses Dach vereint die Gebäudeteile von Kapelle und Hospiz auf dem St. Gotthard, wodurch ein markanter Fixpunkt in der mythenbeladenen alpinen Landschaft entsteht. Architektur: Miller & Maranta, Basel


Alte Bausubstanz neu interpretiert Der Begriff der Gebäudesanierung wird heute häufig zunächst damit konnotiert, den Energieverbrauch bestehender Bauten zu drosseln und sie bezüglich Energieeffizienz auf einen aktuellen Bewertungsstandard zu bringen. Dass diese Gesichtspunkte im Vordergrund stehen, ist eine Folge des geschärften Bewusstseins der Allgemeinheit für die drängenden Fragen der Energie- und Klimapolitik, aber auch der Klimaschutz-Aktivi­ täten der öffentlichen Hand. Bund, Kantone und Gemeinden schaffen mit Unterstützungsbeiträgen für Massnahmen zur energetischen Ertüch­ tigung bestehender Bauten handfeste Anreize für Eigentümer und besetzen in der Folge auch einen ansehnlichen Teil des Diskurses zum Umgang mit alter Bausubstanz. Die energetische Sanierung des Gebäudeparks Schweiz ist unter besagtem Blickwinkel zweifellos essen­tiell, und der Baustoff Holz kann in diesem Bereich auch mit vielfältigen Vorteilen an der Spitze mit­halten – was wir ebenfalls zu einem Thema des ‹Holzbulletins› machen werden. Doch Bauen ist hierzulande so vielfältig wie die Eigentümerschaft des Bauwerks Schweiz, und längst nicht immer sind Spargedanken mit Blick auf den Energiehaushalt ausschlaggebend für den Entschluss zu einer baulichen Erneuerung. Ein wesentlicher Aspekt des nachhaltigen Umgangs mit Immobilien ist die Bewirtschaftung einer Investition und somit deren Nutzung. Wie will man diese erzielen, wenn die Nutzung nicht primär auf Mietwohnungen ausgerichtet ist und zudem der Standort der Immobilie noch weit ausserhalb der Wirt­schaftszentren liegt? Nachhaltiges Bewirtschaften kann auch bedeuten, die bestehende Substanz überhaupt zu bewirtschaften, um ihren Wert zu erhalten. Besondere Bedeutung erhält dies, wenn historische oder ästhetische Werte mitwirken respektive wenn der Wille vorhanden ist, diese Werte zu bewahren. Die Aufrüstung der Haustechnik, das Aufwerten einzelner Bauteile auch in der Gebäudehülle, die Neugliederung von Raumstrukturen, die Anwendung fein abgestimmter Materialien im Innenausbau oder auch der Einbau neuer Tragstrukturen dienen dann nicht nur der neuen Nutzung, sondern der vorhandenen Bausubstanz. Denn mit dem Eingriff werden bisher nicht vorhandene, aber mögliche Raumwirkungen zum Vorschein gebracht, Potentiale eben. Am Ende erlebt die Öffentlichkeit Altgewohntes ganz neu, und man spricht von diesen Werken wegen ihrer Schönheit, nicht wegen ihrer bauphysikalischen Höchstleistungen, beurteilt sie also in erster Linie nach dem gestalterischen Gelingen des Eingriffs. Solche Erneuerungen rückt das vorliegende ‹Holzbulletin› in den Mittelpunkt.

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Roland Brunner Technische Kommunikation Lignum


Nationales Zentrum Bewegung ATD ‹Vierte Welt›, Treyvaux Die humanitäre Bewegung ATD (All Together for Dignity) ‹Vierte Welt› setzt sich seit 1965 für die Menschenrechte, den Frieden und die Anerkennung der Würde aller Menschen ein. Das nationale schweizerische Zentrum der Bewegung befindet sich in Treyvaux, südlich von Freiburg, und dient unter anderem als Treffpunkt und Erholungsort für Kinder und Familien in Notsituationen. Nachdem das alte Gebäude seine vielfältigen Aufgaben während Jahrzehnten klaglos erfüllt hatte, liess sich eine Sanierung nicht mehr umgehen. Als die Organisation in den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts das Freiburger Bauernhaus erwarb, war dieses noch imprägniert von der Herbheit ländlicher Lebensbedin­ gungen, wie sie beim Bau der Liegenschaft herrschten: bescheidene Räume, welche mit den Wechselfällen der Familiengeschichte immer wieder umgebaut wurden, sowie Baumaterialien, die in ihrer Schlichtheit mehr von Sachwert als von Qualität zeugten. Mit der späteren Umnutzung zu einem Begegnungs- und Erholungszentrum erfuhr die Struktur des Gebäudes verschiedene Änderungen, ohne dass sich jedoch ein klares Konzept hätte erkennen lassen. Die an sich schon ungenügende Bausubstanz wurde durch diese Eingriffe noch weiter beeinträchtigt, so dass für den Weiterbestand des alten Bauernhauses eine grundlegende Renovation nötig wurde. Zwischen allen beteiligten Personen kam es zu einer offenen und konstruktiven Zusammenarbeit. Das begann beim Bauherrn, der einen breit angelegten internen

Mitwirkungsprozess einleitete, um gemeinsam mit allen betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Ziele der Sanierung zu definieren. Auch dem Architekten gelang es, ausgehend von diesen Zielvorgaben ein einfaches und zweckmässiges Konzept zu erarbeiten, welches die Handwerker schliesslich mit viel Sachverstand umsetzten. Die schlechte Qualität der vorhandenen Bausubstanz erschwerte die Sanierung und machte es beispielsweise nötig, das Innere des Gebäudes vollständig auszuhöhlen, während das Dach auf provisorischen Stützen verblieb. Nur so liess sich das Fundament ausgleichen, damit es die neue Tragstruktur aufnehmen konnte. Die Überraschungen waren zahlreich und oftmals negativ, und der Umbau verlangte dementsprechend viel Geduld und Phantasie. Die Westfassade befand sich in einem derart desolaten Zustand, dass sie nicht mehr zu erhalten war. Sie wurde mittels altüberlieferter Technik in ihrem ursprünglichen Zustand rekonstruiert. In Anlehnung an die traditionelle Bauernhausform der Region setzt sich das umgebaute Gebäude aus einem Wohnbereich und einer Scheune zusammen. Der Wohnbereich war ein Umbau der bestehenden Substanz. Die Scheune wurde unter Berücksichtigung ihrer ursprünglichen Funktion vollständig neu gebaut. Der Wohnbereich im Obergeschoss erlangte durch die Schaffung einer Dienst­ wohnung wieder seinen ursprünglichen Zweck. Die Küche fand Platz in der ehemaligen Räucherkammer, deren rauch­geschwärzte Wände schön mit der modernen, hellen Täfelung kontrastieren. Aus den ursprünglichen

Wohnzimmern im Erdgeschoss entstanden Aufenthaltsräume und eine Werkstatt. In der Scheune selbst führte die Freilegung der ursprünglichen Futterbahnen zu einer ganz speziellen Raumatmosphäre, und die neue Holzpasserelle erinnert an die ursprüngliche Heubühne. Im Erdgeschoss des Scheunenteils befinden sich die neue Küche und der neue Speisesaal. Im Obergeschoss sind die Schlafräume, die Toiletten und die Duschräume sowie ein Gemeinschaftsraum untergebracht. Erschlossen werden die Räume über ein Treppenhaus aus roten Backsteinen. Dieses führt ins Dachgeschoss zu einem Mehrzweckraum, welcher sich über die ganze Grundfläche des Gebäudes erstreckt. Um Platz zu gewinnen, wurden hier die zentralen Dachstützen entfernt und durch eine filigrane Metallkonstruktion ersetzt. Der Umbau zeichnet sich durch den Verzicht auf jeglichen Luxus aus. Statt dessen setzte man auf einfache Materialien aus der Region, dank deren intelligenter Kombination und sorgfältiger Verarbeitung ein zweckmässiger, heller und gastlicher Bau entstand.

Situation

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Erdgeschoss

Obergeschoss

Dachgeschoss

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L채ngsschnitt

Querschnitt

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Ort La Crausaz 3, 1733 Treyvaux Bauherrschaft Bewegung ATD ‹Vierte Welt›, Treyvaux Architektur Atelier d’architecture espaces & environnement sàrl, Jean Luc Rime Pascal Perroulaz, Fribourg Bauingenieur Géniplan, Hervé Bonvin EUR Ing, Marsens Holzbau Kolly André Sàrl, La Roche Materialien Bauholz: Vollholz 14 m3, Brettschichtholz 21 m3; Bekleidungen innen und aussen 9 m3; Holzfaserdämmplatten 105 m3 Baukosten CHF 2,0 Mio. Bruttogeschossfläche 830 m2 Kubatur SIA 416 2570 m3 Bauzeit September 2006–April 2008 Fotograf Frédéric Marro, Freiburg

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Aufbau Aussenwand von innen: Zementgebundene Spanplatte 14 mm Lattung 24 mm Dampfbremse Ständer 120 mm/Dämmung Lattung 60 mm/Dämmung Holzfaserdämmung 16 mm Lattung vertikal 40 mm Lattung horizontal 40 mm Schalung 23 mm Aufbau Aussenwand von innen: Ziegelsteine 120 mm Dampfbremse Lattung vertikal 60 mm/Dämmung Lattung horizontal 60 mm/Dämmung Holzfaserdämmung 16 mm Lattung vertikal 40 mm Lattung horizontal 40 mm Schalung 23 mm Deckenaufbau von oben: Bodenbelag Gipsfaserplatten 2 x 12,5 mm Trittschalldämmung 22 mm Ausgleichsschüttung 30 mm Trennlage Massivholzelemente 100 mm

Fassadenschnitte

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Altes Hospiz, St. Gotthard Der Gotthardpass ist einer der symbolträchtigsten Alpenübergänge der Schweiz. Die Erneuerung des Alten Hospizes – im August 2010 wurde es als Dreisternhotel mit vierzehn Zimmern neu eröffnet – trägt der Bedeutung des Ortes umfassend Rechnung. Die ästhetisch schlüssige optische Neufassung und Zentrierung des Ensembles schafft mit ihrer ausdrucksstarken Dachkonstruktion einen markanten Fixpunkt in der mythenbeladenen alpinen Landschaft. Der Gotthard ist seit Jahrhunderten die wichtigste Verkehrsader zwischen der italienisch- und der deutschsprachigen Schweiz und gleichzeitig auch eine bedeutende Verbindung im innereuropäischen Verkehrsnetz. Die umfangreichen Festungsbauwerke der Schweizer Armee zeugen eindrücklich von der Bedeutung des Gotthardübergangs nicht nur in kultureller und politischer, sondern auch in militärischer Hinsicht. Die Strasse über den Gotthard war über die Jahrhunderte einem fortlaufenden baulichen Wandel unterworfen, der den jeweils aktuellen Reisebedürfnissen und technischen Möglichkeiten Rechnung zu tragen hatte. Die Vielzahl der über den Pass führenden Wege und Strassen belegt diese wechselvolle Geschichte ebenso wie die zahlreichen Zeitschichten, die das Gebäudeensemble zwischen den zwei Seen aufweist. Die Ankunft auf der Passhöhe wird baulich von der Alten Sust und dem Hotel St. Gotthard geprägt. Das Alte Hospiz liegt etwas zurückversetzt hinter diesen Bauten und hat mit seiner hohen, nach Süden gerichteten

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Giebelfassade eine bedeutsame Fernwirkung. An der Nordseite umschliesst das Gebäude die kleine Kapelle aus dem 16. Jahrhundert. Ursprünglich als Haus des Priesters 1623 erbaut, wurde es im 18. Jahrhundert nach dem Niedergang der Lawine vom Monte Prosa als eigentliches Kapuzinerhospiz neu aufgebaut. Das Gebäude wurde nach und nach vergrössert und den Bedürfnissen angepasst. Nach dem grossen Brand von 1905 wurde die innere Struktur vollständig ersetzt und die Kapelle mit einer mehrgeschossigen Aufstockung überbaut. Das ortsbauliche und architektonische Potential des heutigen Alten Hospizes liegt einerseits im trutzigen Ausdruck des Bauvolumens auf der dem harten Bergklima ausgesetzten Passhöhe und andererseits in der aufrechten, Richtung Süden zeigenden Hauptfassade mit ihren gedrungenen Fensteröffnungen. Diese Elemente prägen sich dem Reisenden als Erinnerung an den bedeutungsvollen Ort ein und transportieren mit dem Gestus des Gebäudes die Symbolik des Ortes. Der Eingriff will diesem prägenden Charakter gerecht werden und mit dem notwendigen Respekt vor dem kulturellen Denkmal eine neue Zeitschicht mit angemessenen Mitteln hinzufügen. Diese baulichen Massnahmen umfassen einerseits das Entfernen verun­ klärender Teile und andererseits eine gezielte Stärkung der ortsbaulichen und architektonischen Wirkung, ohne jedoch die historische Bedeutung und architektonische Form kompromittieren zu wollen. Die Aufstockung der Kapelle aus dem frühen 20. Jahrhundert wurde volumetrisch reduziert,

was dem Sakralbau seine Bedeutung zurückgibt. Die bislang getrennt wahrgenommenen Gebäudeteile von Kapelle und Hospiz werden nun unter einem grossen, mit Blechbahnen aus Blei belegten Dach vereint, wobei sich die neu eingefügte Nutzung als Hotel in den aufgesetzten Dachgauben manifestiert. An der um ein Geschoss erhöhten Hauptfassade lassen sich die verschiedenen Zeitschichten der letzten Jahrhunderte ablesen, indem den heute schon unterschiedlichen Fenstertypen ein zeitgenössischer hinzugefügt wurde. Die Einrichtung eines zeitgemässen Hotelbetriebes in der zu Anfang des 20. Jahrhunderts eingebauten Struktur hätte so tiefgreifende Umbaumassnahmen zur Folge gehabt, dass ihr Erhalt nicht sinnvoll erschien. Daher wurde die innere Raumstruktur bis auf das erste Obergeschoss zurückgebaut, wobei die Fassaden bestehen blieben. Die ersten zwei Geschosse sind massiv ausgeführt; darüber ist innerhalb der umfassenden Fassaden eine Holzkonstruktion in Ständerbauweise mit Bohlenfüllung eingestellt, wie sie im Kanton Uri seit dem 15. Jahrhundert verwendet worden ist. Genauso wie die traditionelle Anwendung dieser Konstruktion nur für Innenwände galt, ist das neue Holztragwerk zwischen die umfassenden Fassaden eingefügt und mit liegenden Bohlen ausgefacht. Diese Trockenbauweise ermöglichte das Fabrizieren der Holzkonstruktion im Tal und eine verkürzte Bauzeit während der kurzen schneefreien Periode im Sommer. Zugleich erlaubt die gedämmte Holzkonstruktion eine energetische Optimierung des Gebäudes, so dass es heute mit Erdwärme beheizt werden kann.


Unter der mächtigen Fassade betritt der Gast durch die alte Holztüre das Gebäude und gelangt über die historische Treppe in das Obergeschoss, in welchem gemeinschaftliche Räume angeordnet sind. Eine grössere Stube mit dem alten, wieder instand gesetzten Ofen sowie zwei kleinere Seitenkammern mit Lesezimmer und Teeküche werden zu einem Ort der Begegnung in dem auch zur Sommerzeit eher unwirtlichen Klima auf der Passhöhe. In den darüber liegenden Geschossen sind auf beiden Seiten des langgezogenen, verputzten Korridors die Gästezimmer angeordnet. Der Gast betritt aus dem Flur – wie in einem Wohnhaus – direkt sein Zimmer, welches über ein kleines Fenster belichtet wird. Dem mit einem Sessel und einer Kommode für die Kleider des Reisenden möblierten Zimmer sind in einer alkovenartigen Erweiterung eine Bettnische und als abgeschlossene Einheit der Nassraum angefügt. Die massive Holzkon­ struktion fasst die intimen Gästezimmer ein und verleiht ihnen einen urtümlichen Charakter. Die Zimmer sind mit wenigen Möbeln zurückhaltend möbliert und erinnern so an die Geschichte des Hauses als einfaches Gasthaus. Die giebelständige Südfassade aus Bruchsteinmauerwerk wurde um ein Geschoss erhöht. Ein auf das Mauerwerk aufgesetztes, umlaufendes Betonband bildet den Abschluss der Fassaden rings um das Gebäude. Es sichert die Mauerkrone und dient der Aufnahme der Schubkräfte des neuen Dachstuhls. Die neuen Fassadenbereiche wurden mit einem neuen, rauhen Putz überzogen, welcher sich in seiner Struktur am bestehenden Charakter orientiert.

Die Baustruktur bis und mit erstes Obergeschoss ist als Massivbau erstellt. Die betonierte Decke über dem ersten Obergeschoss trennt die Gemeinschaftsräume der ersten beiden Geschosse von den darüber liegenden Hotelzimmern. Diese wurden in der schon beschriebenen Ständerbauweise mit Bohlenfüllung errichtet. Die Ständer bilden die Tragstruktur für die neuen Holzdecken der Hotelzimmer und werden im Dachgeschoss zum Auflager für die hölzerne Dachkonstruktion. Die Raumtrennung erfolgt durch die in die Ständer eingelegten Bohlen. Der Zwischenraum zwischen der neuen, innenliegenden Holzkonstruktion und dem bestehenden Mauerwerk ist gedämmt, was das Gebäude wärmetechnisch aufwertet. Die Korridorwände sind aufgrund der feuerpolizeilichen Vorschriften in Ortbeton erstellt und mit einem Naturputz belegt. Die Kapelle blieb nahezu unberührt. Einzig die Wandoberflächen wurden von Feuchte­ schäden befreit und mit einer etwas abgetönten Keimfarbe neu gestrichen, und die bestehenden Sockelleisten des Granitbodens wurden entfernt, um die massive Erscheinung des Bodens zu verstärken.

Situation


Ort St.-Gotthard-Pass, 6780 Airolo Bauherrschaft Fondazione Pro San Gottardo, Airolo Bauherrenvertretung/Projektkoordination Architekt Franco Poretti, Lugano Architektur Miller & Maranta, dipl. Architekten ETH BSA SIA, Basel; Mitarbeit: Quintus Miller, Paola Maranta, Jean-Luc von Aarburg Bauleitung CAS Architekten, Altdorf Bauingenieur Conzett Bronzini Gartmann AG, Chur Bauphysik BWS Bauphysik AG, Winterthur Ingenieur HLKS Visani Rusconi Talleri SA, Lugano Holzbauingenieur Conzett Bronzini Gartmann AG, Chur Holzbau ARGE URI: Gebr. Bissig Holzbau, Altdorf, Herger & Co. GmbH, Spiringen, und Paul Stadler Zimmerei, FlĂźelen Materialien Bauholz: Ständerholz 30 m3, Brettschichtholz und Bodendielen 90 m3; Bohlenbretter 40 mm 35 m3, Schalung 30 mm 25 m3; OSB 15 mm 600 m2 Baukosten BKP 1–9 CHF 5,4 Mio. Baukosten BKP 2 CHF 4,2 Mio. davon BKP 214 CHF 600 000.– (inkl. Mwst.) Bruttogeschossfläche 1020 m2 Gebäudevolumen SIA 416 3285 m3 Kubikmeterpreis SIA 416 (BKP 2) CHF 1278.– Bauzeit 1. Bauetappe: Mai–Oktober 2008; 2. Bauetappe: Mai–Oktober 2009; 3. Bauetappe: Mai–Juni 2010; Fertigstellung: 1. Juli 2010; ErĂśffnung: 1. August 2010 Fotograf Ruedi Walti, Basel

Erdgeschoss

1. Obergeschoss

2. Obergeschoss

3. Obergeschoss

4. Obergeschoss

5. Obergeschoss

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Dachaufbau von aussen: Bleiblechbedachung 2–2,5 mm Trennlage Holzschalung 30 mm Entspannungsebene 40 mm Bituminöse Abdichtung beschiefert Holzschalung 30 mm Sparren 260–320 mm/Dämmung Dichtungsfolie Installationsebene 40 mm Holzbohlen 30 mm Aufbau Aussenwand von innen: Holzbohlen 40 mm Lattung 80 mm /Dämmung OSB 15 mm Hohlraum 220 mm Dämmung 160 mm Betonwand 300 mm Aussenputz 20 mm Deckenaufbau von oben: Massivholzdielen Langriemen 25 mm Holzfaserdämmung 60 mm Gartenplatten 50 mm Kokosfasermatte 5 mm Massivholzdielen-Decke 100 mm Deckenaufbau von oben: Holzdielen Lärche 20 mm Unterlagsboden 60 mm Stahlbetondecke 160 mm Deckenaufbau von oben: Massivholzdielen Langriemen 25 mm Holzfaserdämmung 60 mm Stahlbetondecke 280 mm

Schnitt

10 m


Haus Bregger und Restaurant Salzhaus, Solothurn Mit dem Umbau des Hauses Bregger, dessen Bauvolumen sich zwischen Löwengasse und Landhausquai erstreckt, konnte ein lange herrschendes Nutzungsvakuum in der Altstadt von Solothurn mit neuem Leben gefüllt werden. Aus einem reinen Lagergebäude wurde ein städtisches Wohnhaus mit Restaurant, das mit seiner Aussengastronomie am Landhausquai den städtischen Umraum beleben und aktivieren soll. Die Liegenschaft umfasste einst eine Scheune mit Stallung an der Löwengasse und ein durch ein Höflein abgetrenntes Speichergebäude am Landhausquai. Die ältesten Bausubstanzen stammen von einem zweigeschossigen Bau mit zentralem Rundbogenportal und kleinen Fenstern mit Gewändeprofilen (ca. 1500). Zu einem unbekannten Zeitpunkt erfolgte eine Aufstockung um zwei Meter. Von 1826 bis 1864, im Besitz der Stadt Solothurn, wurden die Liegenschaften als Salzlager benutzt. Mit dem anschliessenden Umbau in ein Wohnhaus mit Lagerräumen wurde die Liegenschaft erneut aufgestockt. 1896 erfolgte eine weitere Aufstockung, bei welcher beide Baukörper unter einem gemeinsamen Dachstuhl vereinigt wurden. Über hundert Jahre diente das inzwischen zu stattlicher Grösse angewachsene Gebäude als Lagerhaus der stadtbekannten Firma Bregger. Seit längerer Zeit wurde das Haus in dieser Funktion nur noch zeitweise und sehr extensiv genutzt. Als Zwischennutzung vor dem Umbau diente das Gebäude schliesslich als Partyraum. Mit dem Ziel, das Gebäude einer neuen Nutzung zuzuführen, schrieb die Miteigentümergesellschaft Ende 2006 einen beschränkten Architektenwettbewerb aus, der vornehmlich

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an jüngere Architekturbüros gerichtet war. Nach einem vorgeschalteten Bewerbungsverfahren wurden acht Architekturbüros aus­ gewählt und zur Teilnahme aufgefordert. In der Jurierung 2007 wurde das Projekt ‹Paravent› von Edelmann Krell Architekten aus Zürich mit dem 1. Preis ausgezeichnet und zur Ausführung empfohlen. Das historisch gewachsene Bauvo­lumen vermittelt auf prägnante Weise zwischen den kleinteiligen Altstadt­struk­turen an der Löwengasse und der Weite des Aareraums. Die Sanierungsmassnahmen an der Aussenhülle erfolgten im wesentlichen nach denkmalpflegerischen Grundsätzen. Die neue Raumstruktur zeigt sich nach aussen lediglich mit den neuen Öffnungen an der Westfassade und in der auf dezente Weise neu modellierten Dach­ abwicklung. Aufgrund der neuen Zweckbestimmung waren die Eingriffe an der inneren Gebäudestruktur dagegen weitaus umfangreicher. Trotz der in weiten Teilen aus statischen Gründen erforderlich gewordenen Entkernung konnte ein Raumkonzept umgesetzt werden, das die räumlichen Eigenheiten des Bestands aufgreift und in die heutige Zeit übersetzt. Hierzu zählt vor allem die Neu­interpretation des historischen Holztragwerks der Wohn­ geschosse mit einer neuen Struktur, die auf dem historischen Stützenraster basiert und in nobilitierter Form die Raumatmosphäre der weiten ehemaligen Lagerflächen in den grossen Wohnungen weiterleben lässt. Das offene Raumgefüge ist partiell durch verglaste Schiebetüren unterteilbar und ermöglicht verschiedenste Formen zeitgemässen Wohnens und Arbeitens. Die erzielte elegante Grosszügigkeit wurde möglich durch eine straffe Bündelung aller die-

nenden Räume in einem neuen Erschliessungsund Funktionskern aus Stahlbeton, der alle Bereiche des Hauses bedient und miteinander verbindet. Zentrales Merkmal dieses neuen Rückgrats ist eine über die Geschosse räumlich verwobene Treppenanlage, die auf einfache Weise die komplexen Raumbeziehungen von Wohn- und Restaurantteil ermöglicht. Ein neues Element bildet der zentrale Lichthof, der subtil in die neue Struktur eingepasst wurde und die Wohnungen des immerhin fast 30 Meter tiefen Gebäudes ausreichend mit Tageslicht versorgt. An den Lichthof angelagert befinden sich grosse Loggienbereiche, die mit einer grosszügigen Öffnung zur Westseite mit Blick zu Altstadt und Aare versehen sind. Der Ausbau des Hauses ist geprägt durch eine durchgehend hochwertige Materialisierung der Oberflächen, welche die konstruktiven Eigenheiten der einzelnen Bereiche widerspiegeln und unterstützen. Die massive Wirkung des durchlaufenden Erschliessungskerns wird unterstützt durch die geschliffene Betonoberfläche der gewendelten Teppenläufe und die homogene, mehrlagige Polyurethanbeschichtung der Sanitärräume. Die durch die prägnanten Eichenstützen gegliederten Wohnbereiche zeichnen sich aus durch Bodenbeläge aus massiven Eichendielen und fein gegliederte Einbauten aus gestrichenem Holzwerk. Im Erdgeschosss dient der grossartige Raum am Landhausquai als Gastraum des Restaurants und bildet die Grundlage für eine stimmungsvolle Inszenierung im Spannungsfeld von Alt und Neu. Diese Ausgangslage schreibt ein harmonischer Akkord aus wenigen, ausgesuchten Materialien fort, die untereinander und mit dem Bestand eine symbiotische Einheit bilden sollen.


Allen eingesetzten Materialien sind folgende Attribute eigen: Sinnlichkeit, Wertbeständigkeit und Dauerhaftigkeit. Dies schafft die Voraussetzungen für eine gestalterische Beständigkeit und somit eine atmosphärische Nachhaltigkeit, die in bewusstem Gegensatz zu einer modischen Oberflächlichkeit steht. Im Gegenteil sollte eine Zeitlosigkeit erreicht werden, die es dem Raum und dem Betrieb ermöglicht zu reifen, sich zu entwickeln und zur konstanten Grösse in der schnellebigen Gastroszene zu werden. Folgerichtig bilden Mobiliar und Licht integrale Bestandteile des Konzepts. Sie generieren eine Aufenthaltsqualität, die geprägt ist durch Bequemlichkeit, Geborgenheit und charmante Eleganz. Gerade durch diese ursprünglichen, einfachen Wer­te befreit sich der Raum von der Fokussierung auf eng gefasste Zielgruppen. Das Restaurant wird über eine grosszügige, zweiflüglige Tür betreten. Im Entréebereich befindet man sich vor dem massiven, durch hinterleuchtete Ornamentbleche aus brüniertem Messing gegliederten Bartresen aus geöltem Eichenholz. Es öffnet sich der dreiteilig gegliederte, überhohe Gastraum, welcher in ein warmes und gedämpftes Licht getaucht ist. Massive Stützen an den Seitenwänden und in den Ecken bilden zusammen mit der durch Unterzüge und Randträger kassettierten Decke den eindrücklichen räumlichen Rahmen. Die Textilbespannungen in den Deckenfeldern und im oberen Teil der Längswände reflektiert das gedämpfte Licht der drei grossen, ringförmigen Leuchter, welche jeweils in der Mitte der Deckenfelder abgehängt sind. Zur rechten und linken Seite des Eingangs sind die Steh- und Sitzplätze des Barbereichs angeordnet. Im hinteren Teil der

Bar befindet sich das effektvoll hinterleuchtete, zweireihige Flaschengestell. Nach dem Passieren der Bar gelangt man in den eigentlichen Essbereich, wo man nun den Raum in seiner ganzen Spannung wahrnimmt. Während die beiden hoch hängenden Leuchter für ein angenehmes indirektes Licht sorgen, welches über die Wand- und Deckenbespannung effektvoll reflektiert wird, erzeugen kleinere, tief hängende Ringleuchter einen warmen Lichtraum im Aufenthaltsbereich. Dieser ist geprägt durch dunkel gebeizte Eichentische und mit changierendem, warm­ tonigem Veloursstoff bezogene Sitzmöbel, deren Basis ein Feld aus klassischem Fischgratparkett bildet. Der Raum endet an einer eindrücklichen, heterogenen Bruchsteinmauer, welche zusammen mit den Längswänden auf die Geschichte des Orts verweist und in ihrer Rauhheit in einem spannungsvollen Kontrast zur Weichheit der Decken- und Wandverkleidungen steht. Der breite Durchgang zum Gewölbekeller besitzt ein eindrucksvolles, trichterartig gestuftes Natursteingewände. Über vier Stufen erreicht man einen länglichen Raum, welcher von einem Tonnengewölbe überspannt wird. In der Lichtstimmung und in den Materialien unterscheidet sich dieser Raum radikal vom Gastraum. Das prägnante Zirkelornament, welches als durchgehendes Gestaltungselement die Einbauten des Gastraums prägt, überzieht hier vollflächig Fussboden, Decke und Sitzmöbel. Das in aufwendiger tradi­ tioneller Handarbeit hergestellte Deckensgraffito wird im Zusammenspiel mit den versiegelten Zementfliesen des Fussbodens zum bestimmenden atmosphärischen Element. Ein fein gearbeitetes Leistentäfer bildet den

Rahmen für die Möblierung, die in verschiedenen Anordnungen sowohl dem normalen Restaurantbetrieb als auch Bankettveranstaltungen gerecht wird.

Situation

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Ort Löwengasse 8, 4500 Solothurn Bauherrschaft Miteigentümergesellschaft Geschwister Bregger, Solothurn Restaurantbetreiber Genossenschaft Baseltor, Solothurn Architektur Edelmann Krell Architekten GmbH, dipl. Architekten ETH SIA, Zürich Baumanagement Anderegg Partner, Bellach Bauingenieur H. Katzenstein AG, Solothurn Bauphysik MBJ Bauphysik + Akustik AG, Kirchberg Gebäudetechnik Enerconom AG, Solothurn Holzbauingenieur Makiol + Wiederkehr, Beinwil am See Holzbau Späti Holzbau AG, Bellach Materialien Brettschichtholz in Fichte 50 m3 und in Eiche 5,5 m3, Brettstapelelemente in Fichte 62 m3 Baukosten BKP 2 CHF 4,491 Mio. davon BKP 214 CHF 610 000.– Geschossfläche SIA 416 1456 m2 Gebäudevolumen SIA 416 4700 m3 Kubikmeterpreis SIA 416 (BKP 2) CHF 955.– Bauzeit Mai 2008–Oktober 2009 Fotografie Roger Frei, Zürich (Innenaufnahmen), und Edelmann Krell, Zürich (Aussenaufnahme)

Axonometrie Tragwerk in Holz

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Erdgeschoss

1. Obergeschoss

2. Obergeschoss

3. Obergeschoss

4. Obergeschoss

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Längsschnitt

Querschnitt

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Pfarrhaus St. Josef, Zürich Die Anlage im Zürcher Industriequartier, bestehend aus Pfarrhaus mit angegliedertem Pfarreisaal sowie der mächtigen Kirche St. Josef, entstand zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Im Laufe der Jahrzehnte wurde das Pfarrhaus mehrmals umgebaut und besonders im von der Öffentlichkeit frequentierten Erdgeschoss stark verändert. Hauptelement der Neugestaltung zur jetzigen Erscheinung ist der Einbau eines Foyers in zeitgemässer Formensprache. Den dringenden Sanierungsbedarf der Wohnräume in den Obergeschossen nahm die Kirchgemeinde zum Anlass, die Situation im ganzen Haus gründlich überprüfen zu lassen. Sie beauftragte 2007 das Amt für Hochbauten der Stadt Zürich mit der Durchführung eines Planerwahlverfahrens unter Architekten. Gefordert waren neben der Neuordnung der drei oberen Stockwerke auch grundsätz-liche Überlegungen zum von jeglichem Tageslicht abgeschnittenen Foyer im Erdgeschoss. Frei + Saarinen Architekten hatten sich 2007 in einem zweistufigen Auswahlverfahren mit einem radikalen Umbauvorschlag durchgesetzt, der die Implementierung eines in bezug auf die Architektur des hundertjährigen Bestandes fremdartigen Foyerraums vorsah, dies im Sinne einer ‹Strategie zur Flucht nach vorne›, weil durch die unzähligen voran­ gehenden Umbaumassnahmen keine historische Substanz mehr freizulegen oder zu rekonstruieren war. Das Pfarrhaus ist ein klassischer Mischbau. Auf einem Untergeschoss aus Bruchsteinmauerwerk lasten drei Geschosse aus Bruchsteinmauerwerk bzw. Backstein für die inneren Trennwände wobei die Decken aus Tonelementen, sogenannten Hourdisdecken, beziehungsweise üblichen Holzbalkendecken

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bestehen. Als Besonderheit bedingte die Gestaltung des Erdgeschosses eine Abfangkon­ struktion aus Eisenträgern im Erdgeschoss beziehungsweise der darüber liegenden Decke. Frei + Saarinen hatten das Planerwahlver­ fahren nicht zuletzt deshalb gewonnen, weil ihre Mutmassungen betreffend der durch Einbauten nicht mehr erkennbaren Struktur der Abfangung plausibel erschienen. Der Grund der Zickzackform des Foyergrundrisses liegt in der Annahme über die Kraftableitungspunkte begründet. Nur in dieser Form liess sich der Raum maximal in drei Richtungen ausdehnen, ohne die bestehende Tragstruktur zu tangieren – eine Anpassung der Abfangung hätte zweifellos zu einer Kostenexplosion geführt. Die getroffenen Annahmen erwiesen sich glücklicherweise als richtig. Aufhänger des Projekts ist das neue Foyer, welches nun grösser, heller und einladender wirkt als zuvor. Ein vergleichender Blick auf den Erdgeschossgrundriss vor und nach dem Umbau verdeutlicht, dass es sich beim Umbau nicht bloss um ein Facelifting handelt, sondern um einen massiven Eingriff, bei dem nicht nur Treppenläufe abgebrochen und ersetzt wurden, sondern beispielsweise auch eine neue Lüftung zum Einbau kam. Um den neuen Foyerraum möblieren und mit brennbaren Elementen ausstatten zu können, wurde ein neues Fluchtwegkonzept umgesetzt, welches ‹Bypässe› vorsieht – neue Flucht­wege, so dass das Foyer nicht mehr als Fluchtweg dienen muss. Die zeitgemässe Formensprache des neuen Foyers wird durch eine den heutigen Mainstream einer grösstmöglichen Abstraktion vermeidende Materialisierung und Detaillierung relativiert. Die dieser Idee zugrundeliegende Hypothese war, dass nur so eine Atmosphäre mit der angebrachten Ernsthaftigkeit geschaf-

fen werden kann. Das neue Oblicht gibt dem Raum nicht nur Helligkeit, sondern auch so etwas wie eine Mitte. Jegliche Symbolik wurde vermieden, gleichwohl standen der Begriff der Dreifaltigkeit, die Dreiecksform, das dreieckige Gottesauge Pate für Oblicht, klerikale Nische und Türgriff. Fast beiläufig wurde das Haus durch eine Rampe im Foyer-Zugangs­ bereich sowie den Einbau des Lifts durch alle fünf Geschosse rollstuhlgängig. Erstes und zweites Obergeschoss (Büro- und Sitzungszimmer sowie Alters-WG-Wohnung) wurden bis auf den Einbau von Küchen und sanitären Anlagen möglichst behutsam saniert. Die verglasten Eingangsfronten wurden durch brandschutzkonforme Repliken ersetzt. Von der nun begehbaren Terrasse über dem Foyer, in welche das Glas des Foyeroblichts bündig eingelassen ist, sind neue Sonnenkollektoren sichtbar. Das Dachgeschoss wurde zur neuen Pfarrerswohnung ausgebaut und über einem Teil der ursprünglich grösseren Dachterrasse erweitert. Ein Teil der ehemaligen Dachfläche wurde so zur geneigten Innenwand, die dem Korridor sowie dem in die Heinrichstrasse blickenden Wohnraum seine eigentümliche Raumwirkung verleiht. Der Dachausbau ist in Anlehnung an den Bestand eine traditionelle, mit Zellulose ausgedämmte Zimmermannskonstruktion. Wo sinnvoll wurden im Dachgeschoss bestehende Oberflächen ebenfalls isoliert, um die Wärmedämmung zu optimieren. Das Untergeschoss ist über eine neue Treppe erreichbar. Dort finden sich neue Gästetoiletten und ein Fluchtwegausgang. Konstruktiv hervorzuheben sind mehrere gestalterische Details. Zum Beispiel birgt die Dachgaube hinter einer aufklappbaren Blende, die als Teil der Glasfläche unsichtbar ist, eine ausfahrbare Markise. Ebenso besteht


die Foyer-Eingangsfront aus einer Glasfläche, die in dieser Dimension mindestens in Zürich neu ist. Das 1,5 Tonnen schwere Glas wurde eigens statisch bemessen und ist eine Einzelanfertigung. Die üblichen Bautoleranzen wurden im Foyer um ein Mehrfaches unterschritten, um die geforderte Präzision in den Raumecken zu erreichen. Das Objekt steht unter Denkmalschutz, weil es trotz Umbauten im Inneren ein typisches und gut erhaltenes Gebäude seiner Zeit darstellt. Insbesondere die sorgfältig gestalteten, teilweise durch Steinmetzarbeiten (Tuffstein) verzierten Fassaden weisen auf die besondere Bedeutung des Hauses hin und begründen die Aufnahme ins Register der denkmalgeschützten Bauten. Die Denkmalpflege war denn auch bereits in die Jurierung des 2007 durchgeführten Planerwahlverfahrens eingebunden und stimmte dem Konzept nur unter der Bedingung zu, dass das damals vorgeschlagene grosse Foyerfenster Richtung Heinrichstrasse nicht realisiert, sondern ein Erhalt der entsprechenden Südfassade zugesichert wurde. Der weitere Planungsverlauf, insbesondere der Dachausbau in der neuen Pfarrerswohnung, geschah im Dialog mit der Denkmalpflege, die vom Ergebnis überzeugt ist.

Situation

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Erdgeschoss

Erdgeschoss vor dem Umbau

1. Obergeschoss

2. Obergeschoss

Dachgeschoss

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10 m


Ort Röntgenstrasse 80, 8005 Zürich Bauherrschaft Römisch-Katholische Kirchgemeinde St. Josef, Zürich Architektur Frei + Saarinen Architekten, Zürich; Team: Barbara Frei, Martin Saarinen und Nicolaj Bechtel, mit Stefan Wülser, Corina Trunz, David Winzeler, Bastien Turpin Bauleitung Jaeger Baumanagement GmbH, Zürich Bauingenieur WGG Schnetzer Puskas Ingenieure AG SIA/USIC, Zürich Bauphysik Raumanzug, Zürich Ingenieur HLS Consultair AG, Zürich Holz- und Innenausbau Baur Holzbau AG, Wettswil (Dacherweiterung, Wand- und Deckenbekleidungen), Spiller AG, Oberhasli (Parkett), Schindlersalmerón, Zürich (Möbel Foyer), Lehmann Arnegg AG, Arnegg (Fenster in Holz), und Aepli Metallbau AG, Gossau (Eingangsfront) Materialien Vollholz Anbau 7,0 m3 und statische Verstärkungen 3,0 m3; Platten: Gipsfaserplatten 15 mm 1000 m2, MDF-Platten 15 mm, als Täfer-Imitation, mit eingefrästen Täferstössen für Schrankfronten und demontierbare Elemente 30 m2, MDF-Platten 19 mm für Schränke 80 m2; Täfer aus MDF 15 mm, mit Nut und Feder, verschiedene Breiten (70 mm, 100 mm, 130 mm) 340 m2 Baukosten BKP 1–9 CHF 4,3 Mio. Baukosten BKP 2 CHF 3,93 Mio. Geschossfläche 1500 m2 Nutzfläche 1200 m2 Kubatur SIA 116 6570 m3 Bauzeit September 2009 –Juli 2010 Fotografen Hannes Henz, Zürich, sowie Nicolaj Bechtel und Stefan Wülser, Zürich

Querschnitt

Längsschnitt

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Zunfthaus zur Zimmerleuten, Zürich Das Haus zum Roten Adler am rechten Limmatufer blickt auf eine Geschichte von 850 Jahren zurück. Seit 550 Jahren gehört es der Zunft, in der die Zimmerleute, Maurer, Küfer und Rebleute Zürichs zusammengeschlossen waren. Mit der feingliedrigen Sandsteinfassade und dem prachtvollen Zunftsaal von 1708 ist es eines der bedeutendsten Baudenkmäler der Stadt Zürich. Ein Grossbrand zerstörte es im November 2007. Nach dem Wiederaufbau erstrahlt das Haus seit Oktober 2010 in neuem Glanz. Nach dem Brand von 2007 sah sich die Zunft zur Zimmerleuten vor die Frage gestellt, wie mit der Brandruine umgegangen werden sollte. Es war unklar, ob das Gebäude überhaupt wieder aufgebaut werden konnte. Auch innerhalb der Zunft gab es unterschiedliche Haltungen. So leitete die Zunft umfassende Abklärungen für eine breit abgestützte Entscheidungsfindung ein. Für den Wiederaufbau wurden zwei Vorschläge ausgearbeitet. Nach kontrovers geführten Sitzungen entschied sich die Zunft für den Vorschlag von Rüegg Architekten mit einem Konzept für die Denkmalschutz-Gestaltung, einem Konzept für die Nutzung sowie den Wiederaufbau in Übereinstimmung mit dem Inventar des Kulturgüterschutzes. Damit hat sich die Zunft auch für die Beibehaltung der Nutzung Gastronomie im historischen Rahmen entschieden. Entsprechend stellten Nutzungsänderungen im Gebäude die Ausnahme dar, und bei der Planung erwiesen

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sich die Erfahrungen aus dem nur wenige Jahre zuvor unternommenen Umbau als sehr wertvoll. Im Nutzungskonzept wurden vier wesentliche Bereiche vorgesehen: Der Gästebereich mit historisch wertvollen Räumen und handwerklich anspruchsvollem Innenausbau, wo eine Restaurierung der wertvollen Originalsubstanz und eine Rekonstruktion der fehlenden Elemente gewünscht war. Der Betriebsbereich mit Räumen für die Produktion, das Lager und den Service, wo ein moderner Ausbau nach Massgabe des Betriebes erforderlich war. Der Haustechnikbereich, wo durch Behördenauflagen und erhöhte Komfortansprüche, insbesondere des Betriebes, gegenüber dem Altbau ein erheblicher zusätzlicher Raumbedarf bestand. Und schliesslich der Zunftadministrationsbereich, wo ein Ausbau nach Massgabe des Bedarfs der Zunft im Rahmen der noch verfügbaren Restfläche erfolgen sollte. Für den zusätzlichen Raumbedarf, der sich daraus ergab, wurden Restflächen im Dachgeschoss und im neuen Untergeschoss verwendet. Das Zunfthaus war gut, teilweise sogar aus­ gezeichnet dokumentiert. So lagen im Staatsarchiv Pläne, die es erlaubten, die Baugeschichte praktisch lückenlos nachzuzeichnen. 1976 wurde das Zunfthaus durch den Kulturgüterschutz ausführlich dokumentiert. Es handelte sich damals um einen der wenigen Profanbauten, die der höchsten Schutzstufe zugeordnet wurden. Diverse Um­bauten unter der Leitung von Zünfter und Architekt Caspar Rüegg waren ebenfalls gut dokumentiert.

Im Vorfeld des Umbaus von 2000/2001 wurden die Fassaden fotogrammetrisch erfasst und aufgezeichnet. Im Innern wurden im gleichen Zug alle Wände gegen Limmatquai und Römergasse elektronisch ausgemessen. Vom Umbau her existierte verlässliches Planmaterial. So gab es neben dem Bestand auch unzählige Anhaltspunkte und Plangrundlagen, die in sehr kurzer Zeit zu aktuellen Bauplänen aufgearbeitet werden konnten. Diese provisorischen Pläne dienten den Spezialisten als Grundlage für die jeweiligen Haustechnikprojekte. Aber bereits hier zeigten sich Schwierigkeiten: Mauern standen selten im rechten Winkel zueinander, Decken verfügten über verschiedene Höhenangaben, lagen also in Schräglage und oft nicht als Ebenen im Gebäude. Etliche Wände waren nicht gerade, sondern gewölbt und gekrümmt und in dieser Form auch in den Plänen erfasst. Zudem gab es die Bausubstanz. Fassaden mit Fenstern hatten den Brand überstanden. Diese stellten Referenzpunkte dar, die nicht verschoben werden konnten. Ebenso verhielt es sich mit noch bestehenden Balkenlagen, Treppen, Säulen in den Sälen sowie ausgebauten Täferelementen, die ihren alten Platz wiederfinden sollten. Radiatorabdeckungen sollten wieder eingebaut werden können, obwohl inzwischen Heizrohre, Sprinklerleitungen und Brandschutz auch in Decken Platz finden mussten. Das war für die Haustechnikplaner und die Bauleitung gewöhnungsbedürftig. Aufgrund der Laufzeit für die Abschätzung durch die Gebäudeversicherung, der erforder-


Schnitt

Erdgeschoss

lichen Austrocknungszeit des Brandobjektes, der noch ausstehenden Baubewilligung und des bevorstehenden Winters mit einem neu­ erlichen Notdach wurden die Arbeiten an Fas­sade und Dach vorgezogen. Für die frühe Erstellung des definitiven Daches sprach auch die Tatsache, dass bis auf wenige Fassadenpartien die Umfassungsmauern den Brand weitgehend und ohne grössere Schäden überstanden hatten. So konnte das Dach mit den notwendigen Mauerschwellen mit zusätzlichen Spriessungen im Gebäudeinnern aufgerichtet werden. Das Dach über dem grossen Zunftsaal ist als liegender Binder ausgeführt, also eine Konstruktion nach alter Zimmer­ mann­s­tradition, und wurde zusammen mit der Balkenlage der Zunftsaaldecke konven­tionell aufgerichtet. Die Aufzüge und Transporte dazu erfolgten im Sechsminutentakt, um die Tramlinien nicht zu stören. Das Türmchen und die Dachlukarnen kamen fertig montiert auf die Baustelle. Über dem hinteren Teil des Zunfthauses wurde der Wiederaufbau mit einem zweistöckigen Holzelementbau realisiert, wobei auch der hintere Dachteil in Elementbauweise auf die Baustelle angeliefert wurde. Rund ein Jahr nach dem Brand erhielt die Bauherrschaft im Oktober 2008 die Baubewilligung. Bereits im November 2008 konnte das Aufrichtfest gefeiert werden. Nach archäologischen Grabungen und Rohbauarbeiten begann im November 2009 der Einbau der Haustechnik und im Frühjahr 2010 der Innenausbau. Im Oktober 2010 wurde das Zunfthaus feierlich wiedereröffnet.

1. Obergeschoss

2. Obergeschoss

3. Obergeschoss

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Innenansichten grosser Zunftsaal im 2. Obergeschoss

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Innenansichten kleiner Zunftsaal im 2. Obergeschoss

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Ort Limmatquai 40, 8001 Zürich Bauherrschaft Zunft zur Zimmerleuten, Zürich Gesamtleitung Rüegg Architekten, Zürich Bauleitung Dallco GmbH, Zürich Denkmalpflege Kantonale Denkmalpflege Zürich, Dübendorf Bauingenieur Suter + Walser AG, Zürich Bauphysik BWS Bauphysik AG, Winterthur Ingenieur HLSE Ernst Basler + Partner AG, Zürich Brandschutz-Prüfingenieur Makiol + Wiederkehr, Beinwil am See Holzbauingenieur Paul Grunder AG, Teufen Holz- und Innenausbau ARGE Moser + Oberholzer, Gossau (Holzbau), Peter Epting AG, Zürich, Pendt Innenausbau AG, Gossau, und Ernst Wieland AG, Zürich (Schreinerarbeiten), Xaver Fuchs, Uerzlikon, und Treppenbau AG, Bazenheid (Treppenbau), Jos. Berchtold AG, Zürich (Brandschutztüren), R. Brunner AG, Zürich (Schreinerarbeiten Türen), Müller Parkett GmbH, Kägiswil (Parkettarbeiten), Hans Rentsch, Zürich (Rekonstruktion Barockdecke), sowie Jörg Magener, Zürich (Holzrestaurierung) Materialien Bauholz: Brettschichtholz 47 m3, Vollholz 43 m3; Platten: Furnierschichtholz 33 mm 324 m2, OSB 18 mm 204 m2, Dreischichtplatten 27 mm 729 m2; Dachschalung 21 mm 318 m2 Baukosten CHF 17,5 Mio. Bauzeit Oktober 2008 –September 2010 Fotografie nave fotografie, Nadja Athanasiou und Peter Lüem, Zürich

Isometrie-Ansichten Dachstuhl

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Lignum Holzwirtschaft Schweiz Economie suisse du bois Economia svizzera del legno Falkenstrasse 26 CH-8008 Zürich Tel. 044 267 47 77 Fax 044 267 47 87 info@lignum.ch www.lignum.ch

Holzbulletin, März 2011 Herausgeber Lignum, Holzwirtschaft Schweiz, Zürich Christoph Starck, Direktor

Verantwortlich Roland Brunner Redaktion Roland Brunner, Lignum, Mélanie Pittet-Baschung und Denis Pflug, Lignum-Cedotec Gestaltung BN Graphics, Zürich Druck Kalt-Zehnder-Druck AG, Zug Administration, Abonnemente, Versand Andreas Hartmann, Lignum

ISSN 1420-0260

Das Holzbulletin erscheint viermal jährlich in deutscher und französischer Sprache. Jahresabonnement CHF 48.– Einzelexemplar CHF 20.– Sammelordner (10 Ausgaben) CHF 100.– Sammelordner leer CHF 10.– Preisänderungen vorbehalten. Lignum-Mitglieder erhalten das Holz­bulletin und die technischen Informationen der Lignum, Lignatec, gratis. Die Rechte der Veröffentlichung für die einzelnen Bauten bleiben bei den jeweiligen Architekten. Alle Angaben stammen von den Bauplanern. Lignum-Hotline: 044 267 47 83 Benutzen Sie unsere Fachberatung am Tele­fon von 8 –12 Uhr, die täglich von Montag bis Freitag gratis zur Verfügung steht.


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