Die technischen Holzinförmationen der Lignum
Flächentragwerke in Holzbauweise
2/1996
Hans-Heini Gasser Ingenieurbüro Gasser & Partner AG, Lungern
Lignum
Berechnen Bemessen
Lignatec 2/96
Inhalt
Seite
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Einführung
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2 2.1 2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.3 2.4 2.5 2.5.1 2.5.2 2.5.3 2.5.4 2.5.5
Faltwerke Definition Formen von Faltwerken Das Satteldach Das Pyramidendach Das Sheddach Anforderungen an die konstruktive Durchbildung Modellbildung für die statische Berechnung Ausgeführte Beispiele Kirche Kloster St. Andreas, Sarnen Katholische Pfarrkirche Uitikon Speisesaal Landwirtschaftliche Schule Giswil Bootsausstellungshalle, Lesa, Lago Maggiore/Italien Kirchgemeindesaal Alpnach
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3 3.1 3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.2.1 3.2.2.2 3.3 3.3.1 3.3.2 3.4 3.4.1 3.4.2 3.5 3.5.1 3.5.2
Schalentragwerke Definition Formen von Schalen Abwickelbare Flächen Nicht abwickelbare Flächen Das elliptische Paraboloid Das hyperbolische Paraboloid Anforderungen an die konstruktive Durchbildung Schalenfläche Schalenrand und Auflager Modellbildung für die statische Berechnung Zylinderschale Elliptische Paraboloidschale Ausgeführte Beispiele Kirche Bethanienheim St. Niklausen (OW) Mehrzweckhalle Kinderdorf Leuk
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4 4.1 4.1.1 4.1.2 4.2 4.2.1 4.2.2
Hinweis auf weitere ausgeführte Flächentragwerke Beispiele in der Schweiz Faltwerke Schalen Beispiele im Ausland Faltwerke Schalen
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Literatur
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1 Einführung
Flächentragwerke
Faltwerke
Schalentragwerke
einfach gekrümmte, abwickelbare Schalen
Figur 1 Flächentragwerke
doppelt gekrümmte, nicht abwickelbare Schalen
Flächentragwerke sind als leistungsfähige und architektonisch sehr ansprechende Tragsysteme bestens geeignet, grosse Räume stützenfrei zu überdachen. Zusammengefügte, ebene Flächen werden als Faltwerke bezeichnet. Beispiele sind Pyramiden-, Shedund Walmdächer. Der Formgebung sind praktisch keine Grenzen gesetzt. Einfach oder doppelt gekrümmte Flächen werden als Schalentragwerke bezeichnet (Figur 1). Flächentragwerke unterscheiden sich in statischer Hinsicht wesentlich von den im Holzbau üblichen Stabtragwerken, wie beispielsweise Biegeträger, Rahmen, Bogen, ebene oder räumliche Fachwerke. Für diese Tragwerksysteme gibt es heute sehr leistungsfähige Stabstatik-Computerprogramme. Ganz anders sind die Verhältnisse bei Flächentragwerken. Hier haben wir es mit Kontinua zu tun, deren Grad der statischen Unbestimmtheit an sich unendlich ist. Ein wesentlicher Teil der vorliegenden Arbeit wird der Be-
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handlung dieser Schwierigkeit gewidmet sein, indem Modellansätze aufgezeigt werden, die einer Berechnung durch Stabstatikprogramme zugänglich sind. Flächentragwerke werden häufig in Stahlbeton ausgeführt, da dieser Baustoff jene statischen Eigenschaften aufweist, die Flächentragwerke für sich beanspruchen. Dazu gehören namentlich gute Steifigkeits- und Festigkeitseigenschaften sowie die Möglichkeit der monolithischen Verbindung der einzelnen Flächen. Diesen Vorteilen stehen jedoch auch verteuernde Nachteile gegenüber. Dazu gehört — vor allem bei Schalentragwerken — die sehr aufwendige Schalung. Wenn schon eine Schalung erforderlich ist, liegt es nahe, diese auch gleich als Tragstruktur auszubilden. Ein weiterer Nachteil ist das wesentlich höhere Gewicht der fertigen Tragkonstruktion. Weniger bekannt ist, dass sich auch der Baustoff Holz für die Ausführung von Flächentragwerken bestens eignet. Flächenelemente aus Holz können durch Verbindung von zwei oder mehreren verschieden gerichteten Bretterlagen die verlangten Festigkeits- und Steifigkeitseigenschaften erhalten. Als geläufigstes Beispiel sei die Sperrholzplatte genannt. Sie weist alle für die Herstellung eines Faltwerkes erforderlichen Eigenschaften auf. Die Faltwerksflächen einer Dachkonstruktion können allerdings nicht aus Sperrholz ausgeführt werden, da es nicht in den erforderlichen Dimensionen und mit den erforderlichen Festigkeitseigenschaften erhältlich ist und auch nicht wirtschaftlich wäre. Die Flächenelemente einer Dachkonstruktion können aber analog zum Sperrholz auch aus zwei oder mehreren Schichten zusammengesetzt werden, welche im festen Verbund untereinander die verlangten Eigenschaften erreichen. Die einzelnen Komponenten wie Bretter, Latten oder Balken lassen durchaus auch Krümmungen und Verdrehungen zu, wie sie Schalentragwerke aufweisen.
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Die technische Mechanik unterscheidet zwischen Platten, Scheiben und Schalen. Platten sind ebene, biegesteife Elementederen Rand gelenkig oder eingespannt gestützt oder frei ist und die in der Lage sind, Lasten senkrecht zur Plattenebene aufzunehmen. Sie erzeugen in der Platte Biege- und Schubspannungen. Die Verformung besteht aus einer Durchbiegung der einzelnen Platteneiernente senkrecht zur Plattenebene.
Scheiben sind ebene Flächenelemente, in denen lediglich Kräfte parallel zur Fläche wirken. Dadurch werden Normal- und Schubspannungen erzeugt, die über die Scheibendicke konstant sind. Man spricht von einem ebenen Spannungszustand. Auch die auftretenden Verschiebungen sind eben, d. h. es gibt keine Verschiebungen aus der Scheibenebene heraus.
Schalen sind einfach und doppelt gekrümmte Flächenelemente, die sowohl Platten- wie Scheibeneigenschaften haben. Letztere sind jedoch stark dominierend, sodass die Beanspruchung jener einer Scheibe ähnlich ist, d. h. die Spannungen sind über die Schalenstärke gleichmässig verteilt und parallel zur Tangentialebene des betrachteten Elementpunktes gerichtet. Man spricht dann von einem Membranspannungszustand. P
Faltwerke 2.1
Definition
Faltwerke sind räumliche Tragwerke, die aus mehreren ebenen Flächenelementen zusammengesetzt sind. Von den Flächenelementen wird zunächst verlangt, dass sie unter Kräften in Richtung ihrer Ebene druck- und schiebungssteif seien, also Scheibeneigenschaften haben. Treffen zwei Scheiben unter
einem bestimmten Winkel zusammen, bilden sie eine Kante, in der die Übertragung von Normal- und Schubkräften gewährleistet sein muss. Wenn wir bei den Flächen eines Faltwerkes nur Scheibeneigenschaften voraussetzen würden, könnten von diesen Flächen nur Kräfte mit in der entsprechenden Ebene lie-
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genden Wirkungslinien aufgenommen werden. Einzel- oder Streckenlasten beliebiger Richtung können aber an den Kanten aufgenommen werden. Die Flächen derart belasteter Faltwerke würden keine Biegemomente erfahren und damit über die Kantenlinie auch keine Momente von Fläche zu Fläche übertragen. Die Flächen könnten somit an ihren Kanten auch scharnierähnlich zusammengeschlossen sein. Diese Eigenschaft begründet die Wirtschaftlichkeit der Faltwerke. Das einfachste Modell, das diese Eigenschaft augenfällig zeigt, ist eine Kartonschachtel. Während der Karton selbst praktisch biegeschlaff ist, stellt das zur Schachtel zurechtgebogene Kartongebilde eine erstaunlich starke räumliche Struktur dar. Nun müssen die Flächen eines Tragwerkes aber auch Kraftkomponenten senkrecht zur Flächenebene aufnehmen können, denn sowohl Schnee und Wind, wie im Normalfall auch Eigengewicht und Nutzlasten bewirken Kräfte mit Komponenten senkrecht zur Flächenebene. Die Flächen eines Faltwerkes müssen somit nebst Scheibeneigenschaften auch Platteneigenschaften aufweisen. Wenn wir aber bei den Kanten die oben beschriebene Scharniereigenschaft aufrechterhalten wollen, was bei Tragwerken in Holz aus konstruktiven Gründen die Regel ist, so bedeutet dies für die einzelnen Flächen in Bezug auf ihre Plattenwirkung eine gelenkige Lagerung der Plattenränder. Der konstruktive Aufbau der einzelnen Flächen ist von Bauform zu Bauform verschieden. Es ist daher zweckmässig, den jeweils geeignetsten Aufbau zusammen mit der Typisierung der Formen vorzustellen. Parallel dazu wird an diesen Formen die Wirkungsweise der Faltwerke näher erläutert. 2.2
lässt sich dies durch Sparren, Pfetten oder mit einem aus beiden zusammen gebildeten Trägerrost lösen. Jetzt fehlt den Dachflächen aber noch die Scheibenwirkung, denn auch im Falle des beim Trägerrost wirksamen Verbundes von Pfetten und Sparren würden sich die Dachflächen unter Eigengewicht und Schneelast verformen. Der First würde sich senken; gleichzeitig würde die Traufkante nach aussen gebogen. Die Dachflächen würden sich also in der Scheibenebene verformen. Das wird am wirksamsten durch den Einbau einer Diagonalschalung verhindert. Der Dachaufbau kann dann etwa so aussehen: Die erste (unterste) Lage wird von Sparren gebildet, die am unteren Scheibenrand mit den Wandpfetten und beim First mit den Sparren der Gegenseite gelenkig verbunden sind. Als zweite Lage wird über die Sparren eine Diagonalschalung gelegt und diese mit den Sparren vernagelt. Die dritte Lage wird durch Pfetten gebildet, die mit der Diagonalschalung, mindestens jedoch in den Kreuzungspunkten mit den Sparren, schubsteif verbunden und auf den Giebelwänden gelenkig gelagert sind. Je weiter sich die Form einer Dachfläche vom Quadrat entfernt, umso mehr verliert die Kombination von Pfetten und Sparren als Trägerrost ihre Wirkung, d. h. die Biegesteifigkeit wird im Extremfall nur noch in einer Richtung durch Sparren oder Pfetten gewährleistet, währenddem die andere Richtung zu Dachlatten bzw. Konterlatten degenerieren kann. Unabdingbar bleibt jedoch die Gewährleistung der schubsteifen Verbindung mit den anderen beiden Schichten einerseits sowie den benachbarten Scheiben andererseits.
Formen von Faltwerken
2.2.1 Das Satteldach Figur 2a stellt schematisch eine Halle mit Satteldach dar. In diesem Beispiel wird davon ausgegangen, dass keine inneren, aussteifenden Wände vorhanden seien. Die vertikalen Wandflächen haben als Scheibenlasten im Sinne der obigen Definition ihr Eigengewicht sowie die Auflasten aus den Dachflächen aufzunehmen. Um Windkräfte aufnehmen zu können, müssen die Wandflächen aber auch Biegesteifigkeiten aufweisen. Die beiden Dachflächen sind gelenkig gelagerte Platten, die in der Lage sind, die Flächenlasten aus Eigengewicht, Schnee- und Windlast auf ihre Ränder abzuleiten. Konstruktiv
Figur 2
a) Satteldach
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Beim Betrachten der bisher beschriebenen Ausführung lässt sich fragen, was denn hier eingespart wurde. Es ist die Firstpfette, die bei einer konventionellen Ausführung die Vertikallast der Sparren trägt Bei längeren Gebäuden kann sie, beträchtliche Ausmasse annehmen und damit auch entsprechende Kosten verursachen. Der Mehraufwand für. die r Faltwerkausführung liegt nicht im Holzaufwand, denn Pfetten, Dachlatten und Schalung braucht es allemal. Er liegt lediglich in der schubsteifen Verbindung der drei Elemente, was in der Regel allein mit einer Nagelung bewerkstelligt werden kann, wie in Kap, 2.3 gezeigt wird. Ein typisches Beispiel dieser Faltwerkform ist die Kirche des Klosters St. Andreas in Sarnen, das in Kap. 2.5.1 beschrieben wird. 2.2.2 Das Pyramidendach Figur 2b stellt ein pyramidenförmiges Dach dar. Die dreieckförmigen Dachflächen können entweder direkt auf Fundamente oder aber auf senkrechte Wände gelagert werden. Für den Aufbau und den Zusammenschluss der Elemente gelten die bereits unter Kap. 2.2.1 ausgeführten Erläuterungen. Die Biegesteifigkeit der Dachscheiben ist wiederum durch Sparren und Pfetten zu erreichen, wobei der dreieckförmigen Flächen wegen im besonderen Masse vom Trägerrosteffekt profitiert werden kann. Als Gewinn aus dem Faltwerkeffekt resultiert hier das Wegfallen von Gratsparren und von jeglichen, quer durch den Raum führenden Zugbändern. Ausführungsbeispiel ist der in Kap. 2.5.5 beschriebene Kirchgemeindesaal in Alpnach (0W). Die Pyramide kann auch einen unregelmässigen Grundriss haben und/oder abgestumpft sein (Figur 2c). Die Dachflächen sind dann ungleichseitige Dreiecke oder unregelmässige Vierecke. Ein Beispiel stellt die katholische Kirche in Uitikon (ZH) (Kap. 2.5.2) dar.
b) Pyramidendach
c) Polyederdach
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Bei einer bestimmten, vorgegebenen Konstruktion kann sich in Grenzfällen die Frage stellen, ob sich die Ausnützung des Faltwerkeffektes tatsächlich lohnt. Die kostengünstigste Lösung wäre selbstverständlich allemal die direkte Ableitung von Vertikallasten durch Stützen und die Aufnahme von Horizontalkräften durch Zugbänder. Faltwerke bleiben somit zum vornherein Raumüberdachungen vorbehalten, bei denen entweder von der Ästhetik und/oder von den Gebrauchsanforderungen her auf Stützen und Zugbänder verzichtet werden muss, Die Wirksamkeit des Faltwerkeffekts - man kann sie als Faltwerkwirkungsgrad bezeichnen - ist bei den gezeigten Dachformen allgemein gut. Er nimmt ab, wenn die Schnittwinkel der Flächen nahe bei 180° liegen. Bei einer Pyramide, deren Spitze die Basisfläche nur wenig überragt, wird im Grenzfall sogar ein Durchschlagen des Daches möglich, wenn nicht sehr hohe Anforderungen an die Steifigkeit der Scheiben und an die Verbindung untereinander gestellt werden. Weiter nimmt mit zunehmenden Spannweiten die Wirtschaftlichkeit ab. Dann treten anstelle von Sparren oder Pfetten Brettschichtträger, deren Zusammenschluss zu biegesteifen Rahmen wirtschaftlicher werden kann als ihre gelenkige Verbindung. Durchgerechnete Beispiele zeigen, dass die Wirtschaftlichkeit von Faltwerkkonstruktionen bei Stützweiten bis etwa 25 m gegeben ist. Sie dürfte sogar bis 30 m gegeben sein, wenn der Grundriss der zu überdachenden Fläche nahe bei einem Quadrat oder einem regelmässigen Vieleck liegt. 2.2.3 Das Sheddach Die in Figur 2d dargestellte Dachform kann als Aneinanderreihen von schiefgestellten Trägern verstanden werden. Wenn die sich
d) Sheddach
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gegenseitig abstützenden Dachebenen die gleiche Neigung haben und First wie Traufe je auf gleicher Höhe liegen, treten im Zusammenschluss der Scheiben keine Schubkräfte auf, so dass ein wesentliches Merkmal von Flächentragwerken wegfällt. Sind die Neigungen unterschiedlich und die Ebenen tatsächlich als Scheiben ausgebildet, treten Schubkräfte auf. Die weniger geneigten Dachflächen haben grössere statische Höhen als die steileren Fensterebenen. In Bezug auf die Belastung, die in den Scheibenebenen wirkt, sind die Verhältnisse gerade umgekehrt: Der Hauptanteil der Last wird von der steileren Scheibe übernommen. Dies hat zur Folge, dass die Längenänderungen der sich berührenden Flächenränder ungleich sind und es, sofern der Zusammenschluss konstruktiv entsprechend ausgebildet ist, zu einer Schubkraftübertragung kommt. Anders ausgedrückt: Die schwächer geneigten Dachflächen erhalten die Funktion von Flanschen, welche die steileren Scheiben zum Z-Querschnitt ergänzen (Figur 3). Im vorliegenden Falle dürfte aber der Faltwerkwirkungsgrad in der Regel klein sein. Der konstruktive Aufwand, geneigte Dachflächen über das Erfordernis eines normalen Windverbandes hinaus im Sinne der Scheibentheorie schiebungssteif zu machen und sie gegenseitig steif zu verbinden, macht die Einsparung in der Regel nicht wett. Figur 3 Schnitt durch Sheddach
Daraus kann gefolgert werden, dass Sheddächer von der Form her zwar der Definition von Faltwerken genügen, dass sich aber — mindestens im Holzhau - eine konstruktive Ausbildung als Faltwerk in der Regel nicht lohnt. 2.3
Anforderungen an die konstruktive Durchbildung
In diesem Kapitel werden allgemein geltende Hinweise auf Lösungen gegeben. Zu deren Verdeutlichung werden im Kap. 2.5 konkrete Beispiele besprochen. Aus der bisherigen Beschreibung gehen drei erforderliche Eigenschaften hervor:
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Die Dachflächen sind als biegesteife Platten derart auszubilden, dass sie Flächenlasten (Eigengewicht, Wind, Schnee usw.) auf die Randabstützung (Kanten) unter Gewährleistung der Tragsicherheit und der Gebrauchstauglichkeit übertragen können. 2. Die Dachflächen müssen in ihrer Ebene derart schiebungssteif ausgebildet werden, dass sie die von den äusseren Belastungen sowie von den Randauflasten aus benachbarten Scheiben herrührenden, in der Scheibenebene wirkenden Kraftkomponenten unter Gewährleistung von Tragsicherheit und Gebrauchstauglichkeit aufnehmen können. 2 Die in den Kanten aufeinander treffenden Dachflächenränder haben unter Belastung in der Regel ein unterschiedliches Dehnungsverhalten. Um gegenseitige Verschiebungen der Ränder zu verhindern, sind entsprechende konstruktive Massnahmen vorzukehren und die Verbindungen der Scheiben so zu bemessen, dass die auftretenden Schuhkräfte unter Gewährleistung der erforderlichen Sicherheiten übertragen werden können. Diese Forderungen im Kontext der Kontinuumsmechanik verstanden, würden zu einem System komplizierter, partieller Differentialgleichungen vierter Ordnung führen, die man dank heutiger Computerkapazitäten lösen könnte. Dies ist jedoch kaum sinnvoll, weil als Voraussetzung für die Gültigkeit der Rechnung die Gesetze der Kontinuumsmechanik strengstens eingehalten werden müssten. Das ist eine Forderung, die insbesondere im Holzbau nicht erfüllt werden kann. Zum einen verunmöglicht die allgegenwärtige Nachgiebigkeit (Schlupf) der verwendeten mechanischen Verbindungsmittel eine exakte Formulierung der Scheibeneigenschaften und zum andern streuen die einzuführenden E-Moduli zufolge unterschiedlicher Materialeigenschaften zu stark. Das Problem ist pragmatisch anzugehen, indem für den Baustoff Holz und die zu ihn-1 gehörenden Verbindungsmittel eine Konstruktion für die Dachfläche und ihre Verbindungen zu wählen ist, die dem theoretischen Idealverhalten möglichst nahe kommt. Keine Probleme wird man mit Eigenschaft 1 haben. Man erreicht die Biegesteifigkeit mit Balken, Pfetten und/oder Sparren, wie unter Kap. 2.2.1 beschrieben. Um schiebesteife
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Figur 4 Platten-ScheibenAufbau
a) richtig
b) ungeeignet
1 TT{\fil T1T1 Scheiben (Eigenschaft 2) zu erhalten, sind Holzbretter, Latten oder Balken in drei Richtungen anzuordnen. Dabei ist der Schichtaufbau gemäss Figur 4a zu wählen, da die Anordnung gemäss Figur 4b gegen Schiebung wegen der Verdrehungsmöglichkeit des eingeschlossenen Balkens zu weich wäre. Für die Verbindung der Schichten genügen Nägel, wobei bei Dachflächen die Nagelung der Diagonalschalung auf die unten liegenden Balken kein Problem ist. Soll auch eine Vernagelung der Diagonalschalung mit den darüberliegenden Balken erfolgen, ist ein Arbeitsgerüst erforderlich. In der Regel genügen durchgehende Nägel oder Schrauben in den Kreuzungspunkten der Balken. Für den entsprechenden Nachweis wird auf Kap. 2.4 verwiesen. Besonders wirksam ist ein Verleimen der Schichten. Es ist ein fugenfüllender Leim zu verwenden, bei dem der erforderliche Pressdruck bereits durch Nagelung oder Schraubung erreicht werden kann. Durch Verleimen wird eine praktisch schlupffreie Verbindung erreicht, so dass die Eigenschaft 2 nahezu vollständig ausgebildet wird. Die Verleimung hat jedoch zwei Nachteile: Den vergleichsweise hohen Preis und die mögliche Verschmutzung der Schalungsuntersicht mit durchtropfendem Leim. Wenn eine zusätzliche Dachschalung oder eine Deckenverkleidung als Untersicht vorgesehen ist, fällt der zweite Nachteil weg. Ist gegebenenfalls eine Verleimung möglich, kann man sich in der Regel darauf beschränken, die Randpartien der einzelnen Flächen zu verleimen. Selbstverständlich kann dabei nur die Leimung in Rechnung gestellt werden, da die nachgiebi-
gere Nagelung nicht gleichzeitig zum Tragen kommt. Die Art der Kante — möglich sind First-, Grat-, Trauf- oder Giebelwandanschlüsse — entscheidet über die konstruktive Ausbildung des Zusammenschlusses der beteiligten Flächen. Beim First eines Satteldaches entfällt sowohl die Firstpfette wie auch die Notwendigkeit der schubsteifen Verbindung beider Dachseiten. Bei der Ausbildung der Gratsparren ist zu unterscheiden, ob die untere Lage von Pfetten oder von Sparren gebildet wird. In beiden Fällen ist der Pfettenstoss sauber und möglichst schlupffrei auszubilden. Die aus den beiden Pfetten resultierende Kraft ist von einem zwischen benachbarte Pfettenstösse geschnittenen Zwischenholz aufzunehmen (Figur 5) und durch die Schalung hindurch an den darüber- oder darunterliegenden durch"er Figur 5 Pfettenstoss auf Gratsparren Druckkraft in Pfette
Druckkraft Zwischenholz Zwischenholz
Pfettenstoss Schnitt A—A in Figur 6a und 6b
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Figur 6a)
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Figur 6b)
Pfette Schalung
Obenliegender durchgehender Gratsparren
Schalung
Pfette
Zwischenholz Untenliegender durchgehender Gratsparren
Zwischenholz
gehenden Gratsparren zu übertragen (Figur 6). Wie in Kap. 2.4 gezeigt wird, treten in den Gratsparren keine Biegemomente auf, und es sind somit auch keine biegesteifen Gratsparren erforderlich. In den Gratsparren werden aus den Pfettenstössen via die Zwischenhölzer einzig und allein Kräfte eingeführt, welche in Gratrichtung wirken und die Normalkraft im Gratsparren von oben nach unten zunehmen lassen. Man hat sich vorzustellen, dass die äussere Dachlast über Pfetten und Sparren auf einen in Figur 5 dargestellten Knoten als räumlich beliebig gerichtete resultierende Kraft einwirkt. Diese resultierende Kraft wird in drei Komponenten, parallel zu den zwei Pfetten und zum Gratsparren, zerlegt. Dies ist möglich, wenn die drei Richtungen nicht — auch nicht annähernd — in einer Ebene liegen, was der Fall ist, wenn die Dachneigungen nicht zu klein und der Schnittwinkel zweier Dachflächen deutlich unter 180° liegt. Das untere Ende des Gratsparrens ist schlupffrei in einen Stahlschuh einzuführen. Dieser Stahleckschuh muss in der Lage sein, die eingeleitete Kraft aufzunehmen. Die Vertikalkomponente wird normalerweise direkt durch den Wandeckpfosten aufgenommen, währenddem die Horizontalkomponente durch entsprechend dimensionierte Schubverbindungen in die darunterliegenden Wände abgeleitet werden muss. Bei symmetrischen Dachformen und überwiegend vertikal wirkenden Dachlasten ist es oft kostengünstiger, diese Kraft in die durchgehenden WandpfetFigur 7 Walmdach mit fehlender Eckstütze
ten einzuleiten, da die an den Enden angreifenden Zugkräfte im Gleichgewicht sind. Die Sparren der oberen Schicht liegen kraftlos am durchgehenden Gratsparren an. Besteht die unterste Schicht aus Sparren, ist auch der kraftableitende Gratsparren unter der Diagonalschalung anzuordnen (Figur 6b). Die Sparren schliessen kraftlos an diesem Gratsparren an. Für die Pfetten gilt das gleiche wie im ersten Fall. Die zwischen die Pfetten geschnittenen Gratsparrenstücke leiten die aus dem Pfettenstoss resultierenden Kräfte durch die Diagonalschalung hindurch in den darunterliegenden Gratsparren ab. An der Traufe wird in beiden Fällen die Vertikallast aus den Sparren direkt auf die Wandpfette abgetragen. Diese hat eine in die Dachschräge geschnittene Oberseite, auf welche die Diagonalschalung genagelt wird. Letztere bewirkt Zugkräfte in der Wandpfette, die sich zu den allenfalls von den Eckschuhen ausgehenden Zugkräften addieren. Die Diagonalschalung ist auch mit der Firstpfette zu vernageln. Es empfiehlt sich daher im zuerst beschriebenen Fall, mit unten liegenden Sparren ein durchgehendes unten liegendes Firstholz einzubauen. Probleme treten dann auf, wenn in der Ecke, d. h. im Schnittpunkt von Gratsparren und Wandpfetten, die direkte vertikale Abstützung fehlt (Figur 7). Eine solche, vom Architekten gelegentlich verlangte Disposition ist, weil gerade in der Ecke die grösste Kraftkonzentration auftritt, statisch gesehen immer schlecht und wirkt sich dementsprechend verteuernd aus. Während hei konventioneller Bauweise mit biegesteifen, tragenden Gratsparren eine Lösung nur mittels eines Überbrückungsträgers möglich ist, der die Last auf die beiden ecknächsten Pfosten ableitet, kann die Faltwerkbauweise eine elegante, in die Dachfläche eingebaute Überbrückung anbieten. Allerdings wird eine Stahlkonstruktion notwendig sein, um die grossen Schubkräfte in den Dachflächenspitzen und die in diesem Fall auftretenden Biegemomente in den Traufpfetten aufzunehmen (Kap. 2.5.3).
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Für einen Dachflächenanschluss an die Giebelwand bei Satteldachform erfolgt die Einleitung der Schubkräfte durch Aufnageln der Diagonalschalung auf die Giebelwandpfette. Handelt es sich um ein Pfettendach oder eine Kombination Pfetten/Sparren (Trägerrost), ist es kein Problem, die Dachlast auf die Giebelwand zu übertragen. Bei einem Sparrendach, bei dem die oberste Schicht zu Dachlatten degeneriert ist, verursacht die Durchbiegung der Sparren neben der unverschieblichen Giebelwand grosse Biegemomente in den Dachlatten. Die Lastverteilung ist mit einer auf die Umgebung der Giebelwand beschränkten Trägerrostberechnung zu kontrollieren; allenfalls sind die Dachlatten im Randbereich zu verstärken. Eine weitere Problemkategorie entsteht, wenn die Dachflächen durch Quergiebel aufgeschnitten werden sollen oder wenn grössere Dachlichter den Schubfluss in der Dachscheibe stören. Hier muss im Einzelfall eine konstruktive Lösung gefunden werden, wobei die Erzielung einer möglichst guten Annäherung an das Tragverhalten eines Kontinuums als Leitschnur dienen soll (Kap. 2.5.4). 2.4
Modellbildung für die statische Berechnung
Das System aus Pfetten, Sparren, First und Grat stellt ein räumliches Stabtragwerk dar. Die Stäbe sind biegesteif und schliessen je nach konstruktiver Gegebenheit an den Knoten eingespannt oder gelenkig an. Normalerweise erfolgt die Lasteinleitung in dieses System durch Streckenlasten auf einzelne Stäbe (Sparren oder Pfetten). Die Diagonalschalung stellt im Verständnis von Stabtragwerken eine flächige Aneinanderreihung von Stäben (Brettern) dar. Würde jedem Brett ein Stab zugewiesen, würde das System, ohne entsprechenden Gewinn an Rechengenauigkeit, sehr umfangreich. Es genügt, eine Gruppe von Brettern durch einen Stab zu idealisieren. Voraussetzung dafür ist, dass die Richtung der Schalung über dem PfettenSparrensystem der Richtung der Maschendiagonalen entspricht (Figur 8). Figur 8 Ausrichtung der Lamellen nach den Knoten
Pfeilen und Sparren sind über mehrere Kreuzungsstellen führende, biegesteife Stäbe, die in den Knoten, von den Verbindungsmitteln Nagel, einzelne Schrauben) betrachtet, annähernd gelenkig verbunden sind. Die gängigen Stabstatikprogramme beherrschen diesen Fall in der Repel nicht, es sei denn, man löse jeden Knoten in zwei einzelne Knoten auf und führe einen zusätzlichen, verbindenden Stab ein. Wegen der durch die Diagonalschalung erreichten Schiebesteifigkeit des Rostes dürfen jedoch ohne signifikanten Genauigkeitsverlust alle Stäbe, also Pfetten, Sparren und idealisierte Diagonalstäbe, als im Knoten eingespannt eingeführt werden. Pfetten- und Sparrenenden werden mindestens um die in der Dachfläche liegende Querschnittsachse frei drehbar gelagert. First- und Gratsparren werden als Gelenkstabzüge eingeführt, obwohl durchgehende Pfetten bzw. Sparren vorhanden sind. Die versteifende Wirkung, auf die damit verzichtet wird, ist vernachlässigbar, da die sehr geringe Verformung des Stabzuges in den querschnittsmässig schwachen, durchgehenden Hölzern vernachlässigbar kleine Momente erzeugt. Die idealisierten Diagonalschalungsstäbe schliessen alle eingespannt an. Bei der Systemgenerierung ist selbstverständlich auf die richtige Orientierung des lokalen Stabkoordinatensystems zu achten. Dies ist insbesondere bei der Schalung entscheidend. Als Steifigkeit ist für die Berechnung des Trägheitsmomentes um die in der Dachebene liegende Querschnittsachse ein Querschnitt von b x t einzuführen, wobei b die Breite des als Einzelstab idealisierten Schalungsstreifens und t die Schalungsstärke ist (Figur 8). Zur Berechnung des Trägheitsmomentes um die senkrecht zur Dachfläche stehende Querschnittsachse ist ein Querschnitt von n x t x 13, einzusetzen, wobei b0 die Breite des einzelnen Schalungsstreifens und n = b/130 ist. Die bis hierher formulierten Anweisungen für die Stabanschlüsse setzen voraus, dass sie auch tatsächlich kraftschlüssig sind. Das trifft bei Pfetten- und Sparrenanschlüssen zu, wenn Druckkräfte zu übertragen sind. Für die Aufnahme von allfälligen Zugkräften werden in der Regel keine konstruktiven Massnahmen getroffen, da sie zu aufwendig würden. Zeigt sich nun im ersten Rechnungsgang, dass einige Pfetten- und/oder Sparrenenden Zugkräfte aufweisen, sind in einem ersten
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Schritt die Verschiebungen dieser Enden in Richtung der Stabachse freizugeben. In einem zweiten Rechengang können neue Stabanschlüsse Zugkräfte erhalten. So ist iterativ fortzufahren, bis alle Enden der aktiven Stäbe Druckkräfte aufweisen. Davon sind selbstverständlich die Diagonalschalungsstäbe nicht betroffen, da ihre Anschlüsse durch die Nagelung zug- und drucksteif sind. Dieser Iterationsprozess ist die Konzession an das nichtlineare Verhalten der Stabanschlüsse. Das Resultat der Berechnung ist als erstes hinsichtlich der erfolgten Knotenverschiebungen zu überprüfen (Durchbiegung von Sparren usw.). Als zweites sind die Randspannungen der Stabquerschnitte zu prüfen und als drittes sind die Anschlusskräfte der Stäbe an die Knoten zu betrachten, bzw. die Möglichkeit der Übertragung nachzuweisen. Die Knotenanschlusskräfte von durchgehenden Stäben sind als Differenz der Normalkraft vor und nach dem Knoten auszuweisen. Jede Verbindung ist dieser Kraftdifferenz entsprechend zu dimensionieren. So erhält man z. B. den Nagelbedarf der Diagonalschalung im Kreuzungspunkt, wobei die Nägel dann selbstverständlich auf den Abstand von Knoten zu Knoten verteilt werden können (Figur 9). Probleme treten in erster Linie in den unteren Dachflächenecken auf. Wenn die Querschnitte nicht den Erfordernissen angepasst werden können oder wenn die Anschlussflächen für die Nagelung nicht ausreichen, ist eine geschweisste Stahlkonstruktion als Eckverstärkung anzuordnen (Eine nähere Beschreibung folgt in 2.5.3). In Zonen mit Druckkräften in der Diagonalschalung können stumpfe Schalungsstösse angeordnet werden.
Figur 9 Nagelbedarf der Diagonalschalung im Kreuzungspunkt
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Eine erhebliche Verkürzung des Rechenaufwandes wird durch die Ausnützung von Symmetrien ermöglicht. Dies bedingt allerdings einen Stoss der Diagonalschalung mit Richtungsänderung auf den Mittelsparren, so dass diese unter Umständen breiter ausgeführt werden müssen. 2.5
Ausgeführte Beispiele
Wie in Kap. 2.3 erwähnt, sollen bei der Beschreibung einiger ausgeführter Beispiele die konstruktiven Erfordernisse und getroffenen Lösungen veranschaulicht werden. 2.5.1 Kirche Kloster St. Andreas, Sarnen Baujahr 1966 Architekt: Max Mennel, Arch. FSAI, Sarnen Das Hauptschiff der Kirche weist eine Spannweite von 19,40 m und eine Länge von 21,0 m auf. Es wird mit einem Satteldach überspannt (Figur 10). Die niedrige, 2,4 m hohe Längswand besteht aus einer Glasfront, wobei sehr schlanke RHSKantrohre als tragende Stützen dienen. Die Sparren wurden als Nagelträger ausgebildet und im Abstand von einem Meter versetzt. Darüber wurde eine Diagonalschalung aufgenagelt. Ihre Kräfte werden giebelseitig auf Längshölzer übertragen, welche schubsteif auf den bis in die Dachschräge betonierten Giebelwänden montiert wurden. Über die Diagonalschalung genagelte, schlupffrei gestossene Dachlatten übertragen die resultierenden Druckkräfte von Giebelwand zu Giebelwand und dienen gleichzeitig als Lattung für das schwere Biberschwanzziegeldach. Die unter den auftretenden Lasten resultierende horizontale Verschiebung der Stützenköpfe beträgt nur wenige mm. Der Faltwerkwirkungsgrad ist bei diesem Beispiel gross (Abb. 1).
VeAltiv perie 4
Verteillänge der Nägel, die zusammen die Knotenreaktion K1 = — N, aufnehmen
Figur 10 Schnitt durch Kirche St. Andreas, Sarnen
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2.5.2 Katholische Pfarrkirche, Uitikon Baujahr 1970 Architekt: Dezsö Ercsi, Arch. ETH, Uitikon Der in Grundriss und Schnitt recht eigenwillige Bau zeigt die von der Faltwerkbauweise gestattete grosse Flexibilität anschaulich (Figur 11 und Abb. 2). Die Wände aus Backstein könnten praktisch keine Horizontalkräfte aus der Dachkonstruktion übernehmen. Deshalb wurde ein ringsumführender, zusammenhängender Riegel aufbetoniert, der die Druckkräfte der Gratsparren aufnimmt. Senkrecht zu den Dachebenen wirkende Lastkomponenten werden durch Trägerroste mit unten liegenden Pfetten auf die Dachflächenränder abgeleitet, wobei die Pfetten bei den Gratsparren stumpf aufeinander stossen. Die bei diesen Stössen resultierenden Kräfte werden jeweils von Kanthölzern, welche zwischen die Pfetten geschnitten wurden, aufgenommen und durch die Diagonalschalung hindurch auf die darüberliegenden, durchgehenden Gratsparren abgeleitet (Kap. 2.3). Es wurde ausschliesslich gehobeltes Massivholz verwendet. Alle Verbindungen wurden mit Resorcinharz verleimt. Der Pressdruck wurde mit Nägeln erzeugt, wobei die Nagelung im Hinblick auf einen allfälligen partiellen Ausfall der Leimung für die alleinige Aufnahme der Kräfte
Abb. 1 Kirche Kloster St. Andreas, Sannen: Satteldach mit Sparren als Nagelträger
Abb. 2 Katholische Pfarrkirche, Uitikon: Faltwerk mit obenliegenden Sparren
rewir
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dimensioniert wurde. Die Verleimung bewirkt hier eine ausserordentlich grosse Steifigkeit. Beim Entfernen der für die Montage eingesetzten Abstützungen senkte sich das Oblichtdreieck nur wenige Millimeter. Auch dieses Beispiel verrät einen hohen Faltwerkwirkungsgrad. Die ausgeführte Holzkonstruktion im Vergleich zu einer in Konkurrenz gestandenen, verbindlich offerierten Stahlkonstruktion mit in den Kirchenraum hineinragenden Stahlträgern war erst noch preisgünstig. 2.5.3 Speisesaal Landwirtschaftliche Schule, Giswil, Baujahr 1972 Architekt: Willi E. Christen, Arch. BSA/SIA, Zürich
Figur 11 Grundriss und Schnitt durch Kirche Uitikon
Abb. 3 Landwirtschaftliche Schule, Giswil: Faltwerk mit auskragender Ecke
Figur 12 > Grundriss Landwirtschaftliche Schule, Giswil
Dieses Beispiel ist lediglich zur Illustration der in Kap. 2.3 erwähnten Verstärkung der nicht direkt abgestützten Dachecke erwähnt. Figur 12 zeigt im Grundriss die Lage der ecknächsten Stützen. Abbildung 3 gibt einen Überblick über die Dachkonstruktion mit den zwei Eckverstärkungen in Stahl, während Abbildung 4 diese Verstärkungen im Detail zeigt. Die unten liegenden Sparren tragen hier die ganze Dachlast, da das Seitenverhältnis der Dachflächen keine Trägerrostwirkung erlaubt. Über der Diagonalschalung führt eine horizontal verlegte und mit der Schalung vernagelte Lattung die Druckkräfte auf die Gratsparren. Die Untersicht der Dachkonstruktion ist verkleidet. Weil sich die Eckverstärkung höhenmässig vollständig innerhalb der Sparrenlage befindet, konnte die Verkleidung ohne Absatz in die Ecke geführt werden.
0;
13
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gelt. Die obenliegenden Massivholzpfetten haben Querschnitte von 200 x 160 mm. Mit den vorliegenden Spannweiten und der nicht geringen Dachlast (Schnee 1.75 kN/m2, Eigengewicht der Holzkonstruktion mit Klosterziegeleindeckung 1.10 kN pro Quadratmeter geneigte Dachfläche) kommen recht grosse Kräfte ins Spiel. Dazu kommt der beachtliche Stützenabstand von 12 m auf einer der Längsseiten. Es bedurfte deshalb einiger besonderer Kniffe, die nachfolgend beschrieben sind.
Abb. 4 Landwirtschaftliche Schule, Giswil: Stahlverstärkung der auskragenden Ecke
2.5.4 Bootsausstellungshalle, Lesa, Lago Maggiore/Italien, Baujahr 1990 Architekt: Dott. arch. Giuseppe Criscuoli, Arona, Italien Die Bootsausstellungshalle mit einem Ausmass von 22,6 x 28,6 m ist stützenfrei mit einem Walmdach überdacht. Die gewählte Faltwerkkonstruktion hat zu einer verblüffend eleganten Lösung geführt, verblüffend deshalb, weil das normale Empfinden nicht nachvollziehen kann, wie das Dach sowohl ohne Firstpfette als auch ohne massive Gratsparren auskommt. Konstruktiv verkomplizierend wirkte sich der Einbau des Quergiebels über dem Eingang aus (Abbildung 5). Das Dach weist untenliegende Sparren in Brettschichtholz 160 x 500 mm im Abstand von 1,25 m (Abb. 6) auf. Darüber ist eine 27 mm starke Diagonalschalung in Lärchenholz aufgena-
Mit einer Sparrenhöhe von 500 mm sind die im Verhältnis zu den vorhandenen Spannweiten relativ grossen Exzentrizitäten der Stabachsen nicht mehr zum vornherein vernachlässigbar. Detailberechnungen haben aber gezeigt, dass deren Auswirkungen in den Grenzen anderer Unsicherheiten liegen. Relevant wäre allenfalls die Exzentrizität bei den Randträgern, da zur Überbrückung der bereits genannten grossen Spannweite relativ grosse, torsionsweiche Walzprofile IPE 500 gewählt werden mussten. Hier bewirkt aber die hohe Schiebesteifigkeit der Dachflächen, dass die horizontale Auslenkung sehr gering bleibt. Sie beträgt unter voller Schneelast inkl. Eigengewicht in Fassadenmitte lediglich 17 mm. Somit konnte auch an der Traufe auf die Einführung von Exzentrizitäten verzichtet werden. Diese IPE-Träger wurden zugsteif zusammengeschweisst und übernehmen in den Gebäudeecken die Druckkraft der Gratsparren von immerhin je 540 kN. Obwohl die Vertikalkomponente unter der Ecke jeweils direkt von einer Stütze aufgenommen wird, ist man bei den Dachflächenspitzen gegen die Traufecke hin mit dem Baustoff Holz und seinen Verbindungsmitteln an die Grenze des Machbaren gestossen. Die
Abb. 5 Bootsausstellungshalle, Lesa, Lago Maggiore/ Italien: Faltwerkkonstruktion mit Walmdach
72;‘' •`'d,
2
e:,
14
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der Vertikalebene. Die Sparren drücken dabei die Traufpfetten horizontal nach aussen. Werden die Verschiebungen auf die Dachebene projiziert, z. B. auf die Ebene der trapezförmigen Dachscheibe A-C-C-A, so ist erkennbar, dass die Scheibenbeanspruchung als Belastung eines Trägers mit variablem Querschnitt, durchlaufend über drei Felder, gedeutet werden kann. In A ist die Trägerhöhe aufgrund der Stabachsengeometrie Null. Die Scheibe ist damit nicht in der Lage, die in A nicht verschwindende Querkraft aufzunehmen. Offensichtlich gibt es aber eine Lage für den Sparren S, bei dem die Scheibenhöhe die Aufnahme der dort noch vorhandenen Querkraft gerade erlaubt. Werden die Traufpfetten bei A' mit einem Zugglied Z verbunden, bedeutet dies inbezug auf die Scheibe die Einführung zusätzlicher fester Auflager in A, womit die Tragfähigkeit der Scheibe gewährleistet ist. A
A T
T
F
A'
A' T A
Abb. 6 Bootsausstellungshalle, Lesa, Lago Maggiore/ Italien: Faltwerk mit untenliegenden Sparren und Zugglied in Ecke
Wirkungsweise der Dachscheibe in der Ecke lässt sich anhand von Figur 13 beschreiben. In der für diese Darstellung zulässigen Näherung sollen Traufpfetten T, Gratsparren G und Firstpfette F druckstarr und, mit dieser Annahme verträglich, die vier Ecken A räumlich fixiert gelagert angenommen werden. Dann sind auch die Firstenden C räumlich fixiert. Als weitere zulässige Näherung seien die Traufpfetten in der Vertikalebene biegestarr (biegesteifer Träger über mehrere Stützen), in der Horizontalebene jedoch biegeschlaff (IPE 500 hat ein Verhältnis ly/lz von 22,5) angenommen, womit auch die Punkte B über die Sparren BC räumlich fixiert sind. Gratsparren und First seien biegeschlaffe Gelenkstabzüge. Unter einer gleichmässig verteilten vertikalen Dachlast verschieben sie sich in
A'
B
B
A' A
Belastung
Scheibe als Träger
Z II:3
Querkraft
Figur 13 Zur statischen Wirkungsweise der Scheiben
15
die den Pfettenschub durch die Diagonalschalung hindurch auf den durchgehenden Gratsparren ableiten, können hier nicht mehr unterbrochen werden. An ihre Stelle treten liegend angeordnete, durchgehende BSHBalken von 320/120 mm beidseits der Gratkante. Die Pfetten stossen stumpf in seitliche Einschnitte (Figur 14). Hingegen sind die unter der Schalung liegenden Gratsparren zwischen die stumpf zusammengestossenen Sparren geschnitten.
Figur 14 Anschluss Pfetten an Gratsparren
Diese lediglich zum besseren Verständnis der Wirkungsweise herangezogenen Überlegungen kann man sich aber schenken, da die statische Berechnung des Stabmodelles die entsprechenden Hinweise in Form grosser Verschiebungen, gepaart mit grossen Kräften, automatisch liefert. Durch sukzessives Ausschalten der ecknächsten Sparren erhält man die Lage des Grenzsparrens S. Tatsächlich sind Traufe und Gratsparren nicht masselose Begrenzungen der Scheibe, sondern Hölzer, die durchaus in der Lage sind, Querkräfte zu übertragen. Dies erklärt, warum in den übrigen hier besprochenen Beispielen dieses Zugglied Z nicht erforderlich war. Hier war es nötig, und zwar im Abstand von 3.00 m von der Ecke. Die Kraft, die der Rundstahl, Durchmesser 50 mm, bei Vollast übernimmt, beträgt 327 kN. Die grossen Kräfte erheischen hier auch bei den Gratsparren eine Lösung, welche vom bisher Beschriebenen abweicht. Die zwischen die Pfetten geschnittenen Grathölzer, Abb. 7 Kirchgemeindesaal, Alpnach: Pyramidendach mit untenliegenden Sparren
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Trotz einer relativ geringen Dachneigung von 20° und den grossen Spannweiten kann auch diesem Bau ein sehr guter Faltwerkwirkungsgrad attestiert werden. Eine konventionelle Lösung hätte entweder quer durch die Halle führende Zugbänder auf Traufhöhe oder mindestens zwei massive Dreigelenkbinder erfordert. Derartige Einbauten hätten jedoch die kühne Architektur des Ausstellungsgebäudes wesentlich beeinträchtigt. 2.5.5 Kirchgemeindesaal, Alpnach Baujahr 1993 Architekt: Eugen und Monika Imhof, dipl. Arch., Samen Der im Grundriss quadratische Saal mit 13 m Seitenlänge wird von einem pyramidenförmigen Dach überspannt. Die Neigung der Dachflächen beträgt 20 Grad. Die Tragkonstruktion ist als Faltwerk mit untenliegenden Sparren ausgebildet. Der Trägerrosteffekt kommt voll zur Wirkung, so dass sich recht schlanke Querschnitte ergeben. Die gehobelten Massivholzsparren von 60 x 100 bis 60 x
16
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Abb. 8 Kirchgemeindesaal, Alpnach: Eckausbildung mit Stahlstützen zur Ableitung der Vertikalkraftkomponente
270 mm (in Flächenmitte), in einem Abstand von 630 mm verlegt, sind fischbauchförmig bombiert (Abb. 7). Die gehobelte Diagonalschalung, gleichzeitig Deckenuntersicht, ist 26 mm stark und in jeder Dachfläche parallel zu einem der Gratsparren gerichtet. Der damit bedingte Verzicht auf die Symmetrie hat bei der statischen Berechnung einen erheblichen Mehraufwand verursacht. Die liegend angeordneten Massivholzpfetten weisen einen Querschnitt von 60/100 mm und einen Achsabstand von 670 mm auf. Sie führen die Druckkräfte über Zwischenhölzer in die untenliegenden, beidseits der Gratkante angeordneten, durchgehenden Gratsparren von je 100 x 60 mm.
3
Die Gratsparren leiten die Druckkraft, welche am unteren Ende unter Eigengewicht und Schneelast 140 kN erreicht, in die Ecklager. Diese in Stahl konstruierten Lager leiten die Vertikalkomponente direkt in die Mauerecke und die Horizontalkomponenten von 85 kN über eine Passbolzenverbindung als Zugkraft in die Traufpfetten (Abb. 8). Die Traufpfette ist im Abstand von 3,10 m auf Massivholzpfosten gelagert, die das 80 cm hohe Lichtband unterteilen. Die Pfosten nehmen nur Vertikallasten auf. Die horizontale Auslenkung der Traufpfette beträgt in ihrer Mitte im Maximum 9 mm. Die Windkräfte werden ausschliesslich durch die vier Eckstützen in Stahl in die Wände abgeleitet.
Schalentragwerke 3.1
Definition
Schalentragwerke sind äusserst materialsparende Konstruktionen und daher geeignet, Räume mit grossen Spannweiten wirtschaftlich zu überdachen. Die Natur orientiert sich in ihren Strukturen stark am Minimumprinzip und bietet deshalb vielfältigste Anregungen. Als Beispiel das ebene Problem, eine Ansammlung von einzelnen, unter sich gleichgrossen Zellen so zu schaffen, dass der Materialaufwand für die Zellwände minimal
wird. Aus den drei geometrischen Möglichkeiten Dreieck, Quadrat oder Sechseck (Figur 15) wählt die Natur das Sechseck als Baumuster für die Bienenwabe. Oder ein Blütenblatt: Dank der doppelten Krümmung ist es trotz fehlender Biegesteifigkeit des Blattmaterials formstabil. Ein weiteres eindrückliches Beispiel ist die Schale eines Eies. Solange die Eiform intakt ist, vermag sie erstaunlich grosse Druckkräfte aufzunehmen, ohne sich dabei zu verformen. Ganz anders, wenn die
17
3 Figur 15 Verhältniszahlen zwischen den erforderlichen Wandlängen bei gleich grossen Zellenflächen
Schale entzweigeschnitten und der Schalenrand frei ist. Schon unter geringen Kräften treten grosse Verformungen auf. Für die technische Nachbildung der natürlichen Formbeispiele werden in der Regel geometrisch einfach definierte Formen benutzt.
Figur 16 Schnitt durch Schale
Bei Schalen handelt es sich im wesentlichen um Membranen (Kap. 1). Flächenlasten erzeugen daher in erster Näherung Membranspannungszustände. Figur 16 stellt einen Schalenschnitt dar. Die Flächenlast p erzeugt lokal die Schalenkraft N = p• r, welche variabel und in ihrer ersten Ableitung sogar unstetig sein kann. Linien- und Einzellasten können von Schalen nicht biegungsfrei aufgenommen werden. Da Dächer mindestens begehbar sein müssen, ist somit die Forderung nach einer gewissen Biegesteifigkeit immer vorhanden, auch wenn diese nicht gross zu sein braucht. Wie bei Faltwerken stellt auch bei Schalen jeder Rand eine singuläre Linie dar. Wenn eine Schale an ihrem Rand frei ist, müssen die Membranspannungen dort Null sein, was in der Regel, ganz spezielle Lastfälle ausgenommen, zu grossen Verformungen führt. Hier sei an das Beispiel der Eierschale erinnert. Wenn der Rand einer Schale frei sein Figur 17 Schalenelement
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soll, muss die Voraussetzung erfüllt sein, dass die Druckspannungen senkrecht zum Schalenrand verschwinden. Die Schubspannungen sind an eine Randverstärkung zu übertragen, in der sie Normalspannungen aufbauen kann, z. B. HP — Schale in Kap. 3.2. Ist der Rand einer Schale gleichzeitig der Rand einer benachbarten Schale (Schnittlinie zweier Schalen), so müssen die Membranspannungskräfte zwischen den betreffenden Schalen im Gleichgewicht sein. Die Schnittlinie, in der Regel eine Raumkurve, erfährt analog zur Faltwerkkante unter Einzellasten keine, bzw. in erster Näherung vernachlässigbare Verformungen. Verstärkungen solcher «Nähte» sind in der Regel nicht erforderlich. Die Membraneigenschaften, die eine Schale haben muss, kann unter bestimmten Bedingungen bereits durch zwei miteinander verbundene Brettlamellenlagen erreicht werden. Ein allgemeiner ebener Spannungszustand in einem Punkt der Schale kann dadurch charakterisiert werden, dass die Randspannungen an den vier Seiten eines an diesem Punkt aus der Schale herausgeschnittenen quadratischen Elementes angegeben werden (Figur 17). Zu jedem Spannungszustand gibt es eine Orientierung des Elementes derart, dass die Schubspannungen verschwinden (Mohr'scher Spannungskreis). Die verbleibenden Normalspannungen und (T, sind die sogenannten Hauptspannungen. Legt man die beiden Lamellenrichtungen parallel zu den Hauptspannungsrichtungen, ist die gewünschte Membraneigenschaft perfekt erreicht. Wenn es gelingt, diese Richtungsübereinstimmung mindestens annähernd für jeden Punkt der Schale zu erreichen, ist die Bedingung für die Beschränkung auf zwei Lamellenlagen erfüllt. Will man gerade und parallel geschnittene Lamellen verwenden, was sich natürlich vom Material her aufdrängt, nimmt man eine weitere Einschränkung in Kauf. Diese führt zu weiteren Bedingungen, welche dann erfüllt sind, wenn die Hauptspannungstrajektorien, welche die Schale mit einem orthogonalen Netz überziehen, in jedem Punkt annähernd die Richtung der Hauptkrümmungen annehmen. Auf die Berechnung der Hauptkrümmungen und deren Richtungen wird in Kap. 3.2 näher eingegangen. Während das Netz der Hauptspannungstrajektorien von einem bestimmten Lastfall abhängt und sich somit von Lastfall zu Lastfall ändert, ist das Netz der Hauptkrümmungstrajektorien an die Geometrie der Schale gebunden.
Das bedeutet, dass mit nur zwei Lamellenlagen Schubspannungen in einer Schale nie ganz vermieden werden können. Die Folge davon ist, dass die Schale durch Verformungen darauf reagiert. Sie beeinträchtigen in der Regel weder die Gebrauchstauglichkeit noch ästhetische Ansprüche. Bei allfälligen starren Einbauten durch Wände sind konstruktive Massnahmen erforderlich. Im folgenden sollen aus der unendlichen Vielfalt von Schalenformen einige spezielle, geometrisch einfach definierte Flächen beschrieben werden. Wie in Kap. 3.4 gezeigt wird, sind für die Berechnung der dargestellten Schalenformen keine vertieften Kenntnisse über die Membrantheorie erforderlich. Hingegen ist die Berechnung gewisser geometrischer Daten unerlässlich. Es geht namentlich 1. um die Bestimmung des Krümmungsradius r eines Schalenschnittes 2. um die Verdrehung der Schalenfläche längs einer bestimmten Linie und 3. um das Problem der geschlossenen Flächendeckung durch gerade, parallel geschnittene Lamellen. Diese drei Themen sind für Schalenkonstruktionen in Holz insofern relevant, als ihre Ergebnisse allenfalls eine Beschränkung der zulässigen Querschnittsabmessungen der zu verwendenden Holzlamellen bewirken.
18
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3.2
Formen von Schalen
Unterschieden wird zunächst zwischen einfach gekrümmten und doppelt gekrümmten Schalen. Einfach gekrümmte Schalen lassen sich vollständig in eine Ebene abwickeln. Beispiele dafür sind Zylinder- und Kegelschalen (Figur 18). Es gibt an jeder Stelle der Schale eine, und nur eine Ebene durch die Flächennormale, deren Schnitt mit der Schale eine Gerade bildet. Diese Eigenschaft ermöglicht es, aussteifende Latten oder Balken in die Schale einzubauen, welche die dünne und entsprechend biegsame Schalung, gebildet aus quer zu ihnen verlegten Brettern, stützen. Alle abwickelbaren Flächen lassen sich mit parallel geschnittenen Lamellen geschlossen, d. h. ohne klaffende Fugen bedecken. Doppelt gekrümmte Schalen sind durchwegs nicht abwickelbare Flächen. Beispiele dafür sind Kugel, elliptisches Paraboloid, Rotationsflächen mit gekrümmten Meridianen (Figur 19) und sogenannte Regelflächen. Letztere werden durch Bewegen einer Geraden erzeugt, mit der Einschränkung, dass sich zwei mit infinitesimalem Abstand benachbarte Geraden nicht schneiden, da sonst die erzeugte Fläche abwickelbar wird. Beispiele sind das Rotationshyperboloid, das hyperbolische Paraboloid und das Konoid (Figur 20).
Figur 18
a) Zylinderschale
b) Kegelschale
Figur 19
a)
Kugelfläche
b) Elliptisches Paraboloid
c) Rotationsfläche
19
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Figur 20
a) Rotationshyperboloid
b) Hyperbolisches Paraboloid
Die Schnittkurven, die von einer sich drehenden Ebene, welche durch die Normale eines beliebigen Schalenpunktes geht, erzeugt werden, ändern ihren Krümmungsradius während der Drehung. Lediglich bei der Kugel oder bei sogenannten Nabelpunkten bleibt dieser konstant. Die Richtungen, bei denen die Krümmungsradien ein Extrernum annehmen, sind die Hauptachsen des Schalenpunktes. Sie stehen immer senkrecht zueinander. Bei elliptischen Flächen (Beispiele Figur 19) bleibt dabei das Krümmungszentrum der beiden Kurven auf der gleichen Seite der Schale, währenddem bei hyperbolischen Flächen (Beispiele Figur 20) die Krümmungszentren jeweils auf verschiedenen Seiten liegen. Bei Regelflächen mit zwei Scharen von erzeugenden Geraden entsprechen die Hauptachsen den Winkelhalbierenden der Erzeugenden. Konoidflächen haben nur eine Geradenschar. Nicht abwickelbare Flächen können mit geraden und parallel geschnittenen Brettlamellen nicht geschlossen abgedeckt werden, ohne diese in der Schalenebene zu biegen. Wollte
Figur 21 a) Abwicklung der Kugeloberfläche b) Bedeckung der Kugel mit parallel geschnittenen Lamellen
Figur 22 CG Lamellenkrümmung auf Zylinderschale
b)
c) Konoid
man auf diesen Ausgleich durch Biegung verzichten, müssten die Lamellen speziell konfektioniert werden. Das sei am Beispiel der Kugel gezeigt. Zerschneidet man die Kugeloberfläche längs der Meridiane im Abstand von beispielsweise je 10° in 36 Streifen, so haben diese die Form des Querschnittes einer konvexen Linse (Figur 21a). Wird nun versucht, die Bedeckung mit geraden, parallel geschnittenen Lamellen vorzunehmen (Figur 21b), klaffen diese im Äquatorbereich auseinander, es sei denn, die Lamellen werden durch Verschieben in der Kugeloberfläche bis zum Kontakt mit der ersten Lamelle gebogen. Dass ein solches Verfahren nur auf einem beschränkten Ausschnitt einer Kugeloberfläche möglich ist, wird deutlich, wenn man sich die Konsequenzen im Bereich der Pole vorstellt. 3.2.1 Abwickelbare Flächen Bei abwickelbaren Flächen ist nur die Frage 1 (Kap. 3.1) relevant. Die grösste Krümmung tritt senkrecht zur erzeugenden Geraden auf. Eine Torsion der Fläche gibt es nicht. Bei der Zylinderfläche ra . (Figur 22) ist der Krümmungsradius r= i s rnp
20
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sene Bedeckung erreicht werden soll, ist
Figur 23 Lamellenkrümmung auf Kegelschale
= K • dmax wobei K =
1
•
1 - 4. h2 a2. b2
r2
die Gauss'sche Krümmung im Scheitel und dmax der grösste Abstand der Lamelle vom Scheitel bedeutet. Figur 24 I> Elliptisches Paraboloid
Beim geraden Kreiskegel (Figur 23) ist r=
s • tgw sing,
3.2.2
(w = Winkel zwischen Kegelachse und Mantellinie). Nicht abwickelbare Flächen
Unter den nicht abwickelbaren, doppelt gekrümmten Flächen interessieren das Ellipsoid mit Kugel als Spezialfall, das elliptische und das hyperbolische Paraboloid sowie das Konoid (Figur 19 und 20). Das Rotationshyperboloid findet Anwendung bei Kühltürmen. Als Dachfläche ist es kaum geeignet. 3.2.2.1 Das elliptische Paraboloid Das hier in Frage stehende elliptische Paraboloid hat die Gleichung z x2 y2 1- - = — + h a2 b2
h-z
und bz = b
h-z
Die Extremalwerte der Krümmungen findet man im Scheitel. Sie betragen a2 b2 — und r,= • 2h
- 2h
Die Hauptkrümmungsrichtungen und damit die Richtung der beiden Lamellenlagen entsprechen annähernd den Koordinatenachsen. Die Flächennormale, die für die Bestimmung der auftretenden Schnittwinkel im Randbereich oft benötigt wird, hat die Richtung 2h - — x; L
a2
2h — b2
8
52.058
25
wie leicht zu verifizieren ist (z = 0 auf ok Längswand normiert). Die Anwendung der Formeln auf dieses Beispiel führt zu folgenden Ergebnissen: 252 52.0582 r 169 m, r, = — = 39 m 16
16
Alle unter sich parallelen Vertikalebenen schneiden identisch gleiche Parabeln aus der Schale. Horizontalschnitte auf der Höhe z erzeugen Ellipsen mit den Radien az = a
Figur 24 zeigt eine Anwendungsmöglichkeit der elliptischen Paraboloidschale. Die Halle sei durch zwei Vertikalschnitte (Giebelwände mit parabelförmigem Ort) im Abstand von 80 m und durch die Seitenwände mit konstanter Höhe von 12 m abgeschlossen. Die grösste Breite der Halle sei 50m, während jene der Giebelwände 32 m messen sollen. Mit der Wahl der Scheitelhöhe, hier 20 m, ist die Geometrie der Schale definiert. Es ist
y;
•
Die Torsion ist vernachlässigbar klein und die grösste Krümmung, die eine Lamelle in der Schalenebene erleidet, wenn eine geschlos-
1 und - r
4.64.40
1
52.0582.252
165m
Diese Radien liefern für die einzelnen Lamellenquerschnitte die oberen Grenzwerte, für t = 39 m/200 = 0.195 m und für die grösste zulässige Lamellenbreite b = 165 m/200 = 0.825 m und stellen damit baupraktisch keine relevante Begrenzung dar. 3.2.2.2 Das hyperbolische Paraboloid Die für Überdachungen besonders gut geeigneten hyperbolischen Paraboloidschalen (HP-Schalen) werden hier in allgemeiner Form beschrieben. Zur Verwendung gelangen meistens Ausschnitte mit geradliniger Begrenzung, d. h. aus den zwei sich kreuzenden Scharen erzeugender Geraden werden je zwei als Schalenrand definiert. Die Ecken dieses windschiefen Viereckes seien A, B, C und D (Figur 20b). Sie können in ihrer räumlichen Lage zueinander beliebig angenommen werden. Einzige Bedingung ist, dass sie nicht und auch nicht annähernd in einer Ebene liegen.
21
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Für die Berechnung der geometrischen Elemente sind als erstes mit den partiellen Ableitungen
Figur 25 HP-Schale Mehrzweckhalle Kinderdorf, Leuk
aP = =—(1—v) A+ (1—v) B+vC-vD, au
LP =
= -(1-u) A- uB+ uC+ (1-u) D und mit
av
Z =A-B+C -D die sogenannten Fundamentalgrössen ; F =P~ P~;G=P~•Pv und
E= M=Zn
zu berechnen (Skalarprodukte). x Pv n= x
HP-Flächen sind Flächen zweiter Ordnung. Jeder ebene Schnitt erzeugt eine Schnittkurve zweiter Ordnung (Kegelschnitt). Durch Koordinatentransformation kann jede HPSchale in ihre Grundform übergeführt werden. Schnitte von Vertikalebenen mit einer HP-Schale in der Grundform erzeugen Parabeln mit vertikalen Achsen als Schnittkurven. Insofern, als Parabeln annähernd Stützlinien für gleichmässige Belastungen darstellen, wäre die Grundform-Orientierung für die Vertikallasten Eigengewicht und Schnee ideal. Die hohe Formsteifigkeit, die Schalen ja generell auszeichnet, relativiert den theoretischen Vorteil dieser speziellen Orientierung aber so sehr, dass auf letztere verzichtet werden kann. Der Wegfall dieser Einschränkung erlaubt die oben genannte weitgehende Freiheit in der Wahl der Eckpunkte. Die Eckpunkte A, B, C und D seien durch Ortsvektoren A, B, C und D
(Vektorprodukt) ist der Einheitsvektor normal zur Fläche, der auch für die Bestimmung der Torsion und der Orientierung der Querschnitte in der Computerstatik wichtig ist. Die Hauptkrümmungen sind = r,
M F2 - EG
(F +VEG), 1 = r2
M
F2 - EG
(F- VEG),
und die Gauss'sche Krümmung ist K=
1 1 M2 r2
F2 - EG
Die Flächentorsion in einem Flächenpunkt hat ihr Maximum längs der beiden erzeugenden Geraden und ist nach beiden Richtungen bis auf das Vorzeichen gleich. Sie berechnet sich aus: 103'„ x (4) =
=
as
n ->
x
• n1
VEG — F2 VE
(Bogenmass/ Längeneinheit) Der Berechnungsgang soll am Beispiel der HP-Schalen für die Mehrzweckhalle im Kinderdorf Leuk erläutert werden. Vergl. Kap. 3.5.2. In Figur 25 ist die Schale dargestellt.
u
v
0 1 1
0 0 1 1
in einem mit vertikaler z-Achse, sonst aber beliebig orientierten Koordinatensystem bestimmt. Die HP-Schale wird durch
i"=[5(u-v).(2.887(u+v)+5.774uv);(2-2(u+v)+5uv)]
--3 P= (1-u)(1-v)A+u (1-v) B+uvC-F(1-u)vD beschrieben, wobei u und v zwei unabhängige Parameter in den Grenzen von 0 bis 1 sind. Die Eckpunkte A bis D sind der Reihe nach durch die Wertepaare (0;0), (1;0), (1;1), (0;1) gegeben.
0 2.887 11.547 2.887
2] 0] 3] 0]
A=[0 B=[5 C=[0 D = [-5
0
2.[0; 5.i74 ; 5] Ecke A B D
Pu [ 5 2.887 -2] [ 5 2.887 -2] [ 5 8.660 3] [ 5 8.660 3]
PV [-5 2.887 -2] [-5 8.660 3] [-5 8.660 3] [-5 2.887-2]
22
Ecke E
G
F
37.33 -12.67 [0
A
37.33
B
37.33 109.00
ri
Lig natec 2/96
M
0.5695 0.8220] 7.3980
r, II yr2 II xAchse[m]Achse[m]
K[m-2]
3.33
- 6.75
-4.4375.10 2
-6.00 [0.4091 -0.0787 0.9091] 4.0909
14.12
-17.06
-4.1493 • 10-3
C 109.00 109.00
59.00 [0
-0.3273 0.9449] 2.8347
59.26
-17.63
-9.5663 • 10-4
D 109.00
-6.00 [-0.4091 -0.0787 0.9091] 4.0909
14.12
-17.06
-4.1493 • 10 3
37.33
Der sehr kleine Krümmungsradius parallel zur y-Achse in Punkt A würde nur eine Lamellenstärke von 16 mm zulassen. Bei u = v = 0.15 mit den zugehörigen Punktkoordinaten [0 1.00 1.511 ist der Krümmungsradius bereits auf 4.76 m angewachsen. Die ausführungstechnischen Konsequenzen werden in Kapitel 3.5.2 behandelt. Mehr der Vollständigkeit halber als der praktischen Anwendung dienend, seien noch einige interessante Hinweise gemacht. Die Vertikalachse der zu Beginn dieses Kapitels beschriebenen Grundform der HP-Schale ist parallel zum Vektor Z = A- B + C - D. Anders gesagt: Der HP-Schalenausschnitt ABCD ist Bestandteil einer HP-Schale, deren Grundform nach 2 orientiert ist. Es mag interessieren, wie «schief» die vorliegend untersuchte Schale ist. Mit Z = [0 5.7735 5.0000] ist die Achse somit 5 arctg - 40.9° 5.7735
schief. Den Ursprung der Grundform findet man, indem man die zwei in u und v linearen Gleichungen 13,, • Z= 0 und PP • Z= 0 nach u und v auflöst. Für das vorliegende Beispiel ist die Lösung u = v -0.1143 und der zugehörige Punkt hat die Koordinaten [0 -0.584 2.522], d. h. er liegt knapp ausserhalb der betrachteten Fläche. Der Punkt A ist also nahe beim Ursprung der Grundform, woraus sich erklärt, warum der Krümmungsradius sich in der Umgebung des Punktes A stark ändert. Die Torsion Lp' des Schalenrandes nimmt von A nach B vom Wert 0.211 bis 0.064 und von B nach C von 0.064 bis 0.031 ab. Das Kriterium für geschlossene Flächendeckung ist aus der Gauss'schen Krümmung zu berechnen. Diese ändert aber von Ecke zu Ecke gleich um eine Zehnerpotenz! Für eine Schätzung kann man vom Wert in der Flächenmitte (u = v = 0.5) ausgehen. Dort ist K = -5.985 • 10-3. Legt man die erste Lamelle auf die Mittelachse AC und versucht man Lamelle um Lamelle geschlossen anzulegen, so muss die Lamelle im Abstand d von der Mittelachse mit einem
Radius r =
d•K
in der Schalenebene gebogen werden. Die Ecke B ist ca. 6 m von der Schalenmitte entfernt. Damit ist der erforderliche Krümmungsradius in B 28 m und die noch verwendbare Lamellenbreite 28 m/200 = 0.14 m. Bei der Richtung senkrecht dazu wird von einer Lamelle ausgegangen, die man etwa in die Mitte der Distanz AC legt. Bis zu den Ecken A und C ist d je ca. 6 m, d. h. diese Lamellenlage verlangt die gleiche Bedingung für die geschlossene Verlegbarkeit. Ein in der praktischen Anwendung wichtiger Sonderfall liegt vor, wenn die vier Eckpunkte der geraden Randträger im Grundriss ein Rechteck bilden. Die beiden Scharen der Erzeugenden sind dann in der Grundrissprojektion je parallel und stehen senkrecht zueinander. Die Höhen der Eckpunkte können unterschiedlich sein. In der hier zu beobachtenden Näherung sollen aber die Neigungen der Randträger klein sein. Nach den geome trischen Beziehungen in Kap. 3.2.2.2 ist Z vertikal, d. h. die Orientierung der Schale entspricht der Grundform. Offensichtlich ist unter den beiden Scharen je eine Erzeugende horizontal. Ihr Schnittpunkt - er kann unter Umständen auch ausserhalb des Schalenausschnittes liegen - stellt den Ursprung der Grundform dar und ihr Schnittwinkel ist 90°. Da die Erzeugenden identisch sind mit den partiellen Ableitungen 15,„ und 1?,, so ist im Ursprung F = P. P,, = 0. Aus den Formeln für die Hauptkrümmungen folgt, dass diese im Ursprung somit bis auf das Vorzeichen gleich sind. Aus Symmetriegründen folgt, dass die Vertikalebene, die aus der Schale Geraden (gleich Erzeugende) schneidet, unter 45° zu den Hauptkrümmungsrichtungen stehen oder umgekehrt: Die Hauptkrümmungsrichtungen stehen - auf den Grundriss projiziert - unter 45° zu den Schalenrändern. Die beiden Lamellenlagen, parallel zu den Hauptkrümmungsrichtungen verlegt, sollen die gleiche Zugsteifigkeit aufweisen. Da die beiden Hauptkrümmungsradien bis auf das Vorzeichen gleich sind, verteilt sich die Vertikallast zu gleichen Teilen auf die beiden La-
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mellenlagen, so dass auch die Normalspannungen bis auf das Vorzeichen gleich sind. Dem Mohr'schen Kreis ist zu entnehmen, dass in Schnitten unter 45° die Normalspannung verschwindet und lediglich eine Schubspannung vom gleichen Betrag verbleibt. Diese Schnitte verlaufen parallel zu den Rändern. Daraus folgt, dass die Ränder dieses HP-Schalentyps lediglich Schubspannungen aufweisen, die in der beobachteten Näherung offensichtlich auch die Richtung des Randgliedes haben. Dies führt zum erstaunlichen Ergebnis, dass am Rand nur Schubspannungen auftreten, die über alle Ränder den gleichen Betrag r
= = 2t
Figur 26 > Kombination von acht HP-Schalen mit Rechteck-Grundriss
aufweisen, wenn p die gleichmässig verteilte Vertikallast, t die Lamellenstärke und r der Hauptkrümmungsradius ist. Die Randglieder können somit frei sein, d. h., sie bedürfen keinerlei Stützung, was architektonisch interessante Konstruktionen erlaubt.
Diese hergeleiteten Beziehungen für die Randkräfte und die Lamellenspannungen ersetzen zwar die statische Berechnung (in Kap. 3.4 beschrieben) nicht, da baupraktisch auch ungleichmässig verteilte Lasten untersucht werden müssen. Sie liefern aber obere Grenzen für die Randträgerbeanspruchung, deren Kenntnis für die Vordimensionierung wichtig ist. Soweit es um Abschätzungen geht, ist auch die Voraussetzung kleiner Randträgerneigungen kein strenges Kriterium. Soweit uns aus der Literatur bekannt ist, haben HP-Schalen mit freien, geraden Randgliedern ausschliesslich quadratische Grundrisse. Wie hier gezeigt, kann der Grundriss auch rechteckig sein, was eine grössere Flexibilität bedeutet. So kann eine Parkplatzüberdachung, wie in Figur 26 skizziert, vorgegebenen Verhältnissen angepasst werden.
Aus den Beziehungen von Kap. 3.2.2.2 erhält man für die Hauptkrümmungen im Ursprung M 1Z1 1 = 1 — ri r2 VEG VEG Ferner ist VE= 1"o =a und .\Z =113j = b , wenn a und b die Rechteckseitenlängen sind. Mit Z = ZA — ZB + Zc — ZD = Z (z-Komponenten der Eckpunkte) ist 1 = z r
p•ab 0.1 =
und TI=
2t • z
ab
Die aufaddierten Randgliedkräfte sind Na = 12 •
2 z
und N
= p ab2
b 2
die dann Druckkräfte sind, wenn die Schale in den beiden Tiefpunkten gestützt wird. Die Resultierende liegt erwartungsgemäss in der Vertikalebene durch die Tiefpunkte. Ihre Vertikalkomponenten setzen sich aus den Anteilen der Randträger AB und BC zusammen, die (zA p a2b (z — ZB ) p ab2 bzw. a 2 z
b
2 z
sind und zusammen (zA + zc —
2z,)
D 2
•
ab
ergeben.
Analog berechnet sich die Vertikalkomponente in der diagonal gegenüberliegenden Ecke zu p ab
p ab = p • ab 2(zA + zc — zß — zD) • — • — 2 z
r
z
12.5
1
ab
22.5 • 22.5
40.5 m
Mit t = r = 0.2m 200
stellt die vorhandene Krümmung offensichtlich kein Kriterium für die Dimensionierung der Lamellen dar. Die Gauss'sche Krümmung 1 1 = ist K = r2
1640.25
Die Ecken sind 15,9 m von der Mitte entfernt. Für eine geschlossene Bedeckung mit parallel geschnittenen Lamellen muss ein Krümmungsradius der Lamellen in der Schalenebene von 1640.25
2z0)• — • 2 . z Beide Kräfte ergeben zusammen,
(zA + z0 —
Zur Illustration sei das Beispiel des Schalendaches über der Kirche Bethanienheim St. Niklausen/OW untersucht. Die HP-Schale ist im Grundriss quadratisch mit einer Seitenlänge von 22.5 m. Die Höhen der Ecken über Grund sind 7.6 m (Tiefpunkte) und 11.85 m bzw. 15.85 m (Hochpunkte). Es ist 2= Ä- iä>+ d= (0;0;12.5) wenn B und D die Tiefpunkte sind. Die Hauptkrümmung beträgt
- 103 m zulässig sein.
15.9
Die Obergrenze der Lamellenbreite ,
womit das Gleichgewicht mit der Gesamtlast nachgewiesen ist.
bo=
200
= 0.5 m
stellt damit ebenfalls kein praktisch relevantes Kriterium dar.
24
Die Zug- und Druckkräfte in den Lamellen sind mit p = 3kN/m2 P ab 3 22.52 1 60.75 kN/m2 o- = — — = 2 tz 2 12.5 t mit o- = 8.0 •103kN/m2 ergibt sich eine Lamellenstärke von t = 7 mm, d. h. unter gleichmässig über der ganzen Fläche verteilter Vertikallast würde eine Schalenstärke von 14 mm ausreichen. Die maximalen Randglieddruckkräfte an den Tiefpunkten betragen p a3 _ 3 22.53 = 1367 kN. N= 12.5 2 z - 2 Mit crziii = 8.0 .103kN/m2 erhält man einen erforderlichen Querschnitt von 0,17 m2. Die Randglieder wurden ausgeführt mit 2.0,4 m • 0,25 m = 0,2 m2. Die Randträger wurden der Verwindung des Schalenrandes angepasst und in entsprechenden Lehren verdreht verleimt. Es stellt sich die Frage nach der grösstmöglichen Lamellenstärke, die die erforderliche Verdrehung zulässt, ohne dass die einzelne Lamelle unter den Schubkräften spaltet. Da für dieses Kriterium keine Sicherheit erforderlich ist, kann T = 2,4N/mm2 = 2400kN/m2 erlaubt werden. Der grösste Verdrehungswinkel wird beim tieferen Hochpunkt erreicht und beträgt (p' = 0.0230/m. Mit dem Schubmodul G = 500 •103kN/m2 könnte die Lamellenstärke 2400
- 0.21 m stark sein. '• G 0.023. 500.103 Damit wird das Kriterium der Verdrehbarkeit für den Lamellenquerschnitt nicht massgebend. t=
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Hauptkrümmungen (t. r/200) richtet. Wenn die Tragfähigkeit stärkere Querschnitte in einer oder in beiden Richtungen erfordern sollte, müsste die Schicht oder die Schichten in zwei oder mehr Lamellenlagen aufgeteilt werden. Dieser Fall tritt aber praktisch nie ein. Wenn das Schalendach eine Isolation erhält, ist in der Regel eine Lattung erforderlich. Diese bringt eine zusätzlich aussteifende Wirkung, welche mitberücksichtigt werden kann. Ist der Rand einer Schale die Verbindungsnaht mit einer zweiten benachbarten Schale oder überhaupt frei, stellen sich in der Regel stark gekrümmte Hauptspannungstrajektoriennetze über der Schale ein, so dass drei Lamellenlagen erforderlich werden. Die beste Wirkung wird erzielt, wenn sich die drei Richtungen annähernd unter 60° schneiden. Wenn es sich um abwickelbare Schalen (Zylinder- und Kegelausschnitte) handelt, kann die dritte Schicht aus Latten oder Balken längs der erzeugenden Geraden gebildet werden (Figur 18). Die Verbindung der Lamellenlagen unter sich und allenfalls mit Latten oder Balken erfolgt am zweckmässigsten mittels Holzschrauben. Dabei ist pro Kreuzungspunkt zweier Lamellen mindestens eine Schraube zu verwenden. Eine zusätzliche Verleimung der Lagen ist generell nicht erforderlich. Lässt die statische Berechnung grössere Verformungen erwarten, was insbesondere bei freien Schalenrändern möglich ist, kann mit einer Verleimung eine erhebliche Versteifung erzielt werden. 3.3.2 Schalenrand und Auflager
3.3
Anforderungen an die konstruktive Durchbildung
3.3.1 Schalenfläche Das Kriterium, ob für den Aufbau der Schalenfläche zwei oder drei verschieden gerichtete Schichten erforderlich sind, wurde in Kap. 3.1 genannt. Die zweischichtige Ausbildung beschränkt sich im wesentlichen auf Schalen mit unverschieblich gestützten Rändern. Immerhin können HP-Schalen unter bestimmten geometrischen Bedingungen auch hei freiem Rand zweischichtig ausgeführt werden, wie in Kap. 3.2.2.2 gezeigt wurde. Die beiden Lamellenrichtungen sind parallel zu den Hauptkrümmungen zu legen. Wenn es sich um Ellipsoid- oder HP-Schalenausschnitte handelt, stimmen diese im Scheitelbereich mit den Hauptachsen der Flächen zusammen. Die erforderliche Lamellenstärke ergibt sich aus der statischen Berechnung (3.4), wobei ihr Maximum sich nach den
Die Ausbildung des Schalenrandes hängt davon ab, ob er frei ist, die Verbindung mit einer andern Schale darstellt oder als Auflager dient. Im ersten Fall ist in der Regel eine Verstärkung erforderlich, die grössere Verformungen verhindert und/oder Schubspannungen aus der Schale aufnehmen kann und auf die Auflager ableitet. Diese Verstärkung kann durch Aufleimen von Lamellen einoder beidseitig der Schale erzeugt werden. Die Querschnitte sind mit einer ersten Schätzung in das statische Modell einzuführen, wenn die Beanspruchung nicht im voraus berechenbar ist. Stellt der Rand eine Verbindung zu einer andern Schale dar, ist grundsätzlich gleich vorzugehen wie beim freien Rand. Es kann auch ein separat hergestellter Träger eingesetzt werden, wobei seine Achse im allgemeinen Fall eine Raumkurve darstellt, längs der sich der Querschnitt dreht. Die Herstel-
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lung erfolgt durch Aufeinanderleimen von Lamellen in einer entsprechenden Lehre. Der Querschnitt der Lamellen richtet sich sowohl nach der Raumkurvenkrümmung wie auch nach der Torsion des Randes. Siehe Beispiel Kap. 3.2.2.2. Am einfachsten ist die Ausbildung des Schalenrandes als festes Auflager. Ein Raumträger aus Brettschichtholz, der dem Schalenrand folgt, ist auf Stützen oder auf einer Wand kraftschlüssig zu montieren. Die Lamellen werden auf die der Schalenfläche angepassten Anschlussseite dieses Trägers aufgenagelt. Die Verwendung eines fugenfüllenden Leimes ist empfehlenswert. Die Montage, bzw. Herstellung der Schale selbst erfolgt auf einer Lehre, die bei nicht abwickelbaren Schalen aus gekrümmten Trägern besteht, es sei denn, es handle sich um eine HP-Schale oder ein Konoid. In diesem Fall können entlang der erzeugenden Geraden gerade Balken eingesetzt werden.
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Bei den nicht abwickelbaren Flächen der hier betrachteten Beispiele wird ein Raster gewählt, der im Grundriss parallel zum x—y Koordinatensystem liegt und damit in erster Näherung (genau nur über den Hauptachsen) dem Verlauf der Lamellen folgt. Die Maschenweite richtet sich bei den abwickelbaren Flächen nach dem Abstand der Lattung. Bei nicht abwickelbaren Flächen kann die Maschengrösse frei gewählt werden. Sie richtet sich grundsätzlich nach der Krümmung der Lamellen und des Schalenrandes. Je feiner der Raster, umso besser die Approximation. Die Trägheitsachsen der zu Stäben idealisierten Querschnitte sind gedreht, d. h. die yAchse des Stabquerschnittes ist im allgemeinen nicht horizontal. Diese Drehwinkel sind für jeden Stab einzuführen. Sowohl die Innenwie die Schalenrandstäbe sollen in den Knoten biegesteif angeschlossen werden. Damit wird die Wirklichkeit besser dargestellt als bei gelenkigen Anschlüssen. 3.4.1 Zylinderschale
3.4
Modellbildung für die statische Berechnung
Das Kontinuum Schale wird analog der Scheibe (Kap. 2.4) in ein Stabtragwerk aufgelöst. Zunächst ist der Raster der Knoten zu generieren. Letztere stellen die Kreuzungspunkte von zwei oder drei zu Stäben idealisierten Lamellen, Lamellengruppen oder Latten/Balken dar. Für die Behandlung von Lamellengruppen gilt das Gleiche wie bei den Scheiben (Kap. 2.4). Bei Zylinderschalen sind die Knoten in einem Rechteckraster parallel zur Zylinderachse so anzuordnen, dass die Punkte längs der Mantellinien auf den Latten-/Balkenachsen liegen und ihr gegenseitiger Abstand auf der Mantellinie etwa 60 % des Lattenabstandes beträgt. Damit wird gewährleistet, dass die Lamellen der zweiten und dritten Schicht die Latten ungefähr unter 60° kreuzen. Bei Kegelflächenausschnitten ist der Knotenraster nach den Polarkoordinaten auszurichten. Ein Schnittwinkel von 60° zwischen Lamellenrichtung und Mantellinie lässt sich nur längs einer einzigen Mantellinie erfüllen. Man wählt hiezu die Mittellinie der Schale.
Figur 27 Stabstruktur einer Zylinderschale
Die in Figur 18 dargestellte Kreiszylinderschale kann als Überdachung eines Verbindungsweges dienen. Der Querschnitt sei 4 m breit und habe eine Stichhöhe von 0,9 m. Daraus ergibt sich ein Radius von 2,67 m und eine Abwicklung von 4,52 m. Die Länge sei 10 m. Die Schale soll aus zwei Lamellenlagen über neun Pfetten gebildet werden. Sie soll an ihren Enden in dem Sinne «gelenkig» gelagert sein, als die Pfetten lediglich gestützt und seitlich gehalten werden, in ihrer Längsrichtung aber frei verschiebbar bleiben (Figur 27). Der Pfettenabstand beträgt 4,52/8 = 0,565 m, und die Kreuzungspunkte auf den Pfetten haben einen Abstand von 60 % x 0,565 = 0,333 m. Die Ersatzstäbe stehen somit für eine Lamellenbreite von sin60° x 0,333 = 0,288 m. Dieser Abstand führt zu Kreuzungen zwischen den Pfetten. Auf die Einführung eines Knotens kann hier verzichtet werden. Um die Querschnitte zu bestimmen, sind zunächst Annahmen zu treffen. Das Ergebnis ist auf Tragfähigkeit und Gebrauchstauglichkeit zu prüfen. Bei einem ersten Versuch fällt auf, dass sich der Schalenrand stark einsenkt und sich dabei auch gegen die Achse verschiebt. Durch Einführung einer Druckstrebe in der Schalenmitte wird eine sehr wirksame und ausreichende Versteifung erreicht. Wenn die Querschnitte nun nach den zulässigen Spannungen ausgelegt werden, resultiert eine insofern zu dünne Lamellenstärke, als die Zugund Druckkräfte mit Nägeln oder Schrauben nicht auf die Pfetten übertragen werden
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könnten. Die grösstmögliche Lamellenstärke richtet sich nach dem Krümmungsradius von r = 2,67/sin 60° = 3,0 m und ist somit 15 mm. Die weitere Optimierung ergibt für die untersten Pfetten 120 x 120 mm, für die übrigen Pfetten 80 x 80 mm. Die Durchbiegung unter einer Totallast von 2kN/m2 beträgt in Schalenmitte 20 mm oder 1/500 der Spannweite. Die Biegedruckspannungen der untersten Pfetten erreichen in der Mitte bei der Druckstrebe 8,5 N/mm2. Alle übrigen Spannungen sind gering. Dieses Beispiel zeigt eindrücklich die Leistungsfähigkeit von Schalentragwerken. 3.4.2 Elliptische Paraboloidschale Als zweites konstruiertes Beispiel sei die Halle Figur 24 mit dem elliptischen Paraboloiddach untersucht. Die geometrischen Daten sind im Kap. 3.2.2.1 beschrieben. Für das statische Ersatzmodell wird ein Knotenraster von 4 x 4 m eingeführt. Der Schalenrand wird als unverschieblich und eingespannt angenommen. Ein Versuch mit einer Schalenstärke von 2 x 50 mm liefert unter einer Vollast (Eigengewicht 0.6, Schnee 1.4 kN/m2) eine Einsenkung des Schalenmittelpunktes von nur 25 mm. Die Materialspannungen sind klein. Die Hauptspannungsrichtungen laufen parallel zu den Lamellen, welche alle Parabeln und damit für die gleichmässig verteilte Belastung Stützlinien darstellen. Wird die Schale nicht gleichmässig belastet, weichen die Hauptspannungstrajektorien von den Lamellenrichtungen ab, sodass die Maschen Schiebungen erfahren, was zu signifikanteren Verschiebungen führt. Für die Diskussion des Verhaltens sei die Schale durch die Mittellinien in vier Quadranten aufgeteilt. Unter halbseitiger, gleichmässig verteilter halber Schneelast (zwei aufeinander folgende Quadranten) gibt es immer noch eine Lamellenrichtung, für die eine Stützlinienbelastung vorliegt. In der andern Richtung ist die Parabel einseitig belastet und inbezug auf die Durchbiegung sehr weich. Die Last muss somit im wesentlichen von einer Lamellenschicht allein aufgenommen werden. Erwartungsgemäss sind die grössten Durchbiegungen verschieden. Sie betragen bei der Belastung der Quadrantenlund II (Krümmungsradius 39 m) 16 mm und hei der Belastung der Quadranten II und III (Krümmungsradius 169 m) 46 mm. Die Verformungen sind somit immer noch sehr klein. Auch die auftretenden Spannungen bleiben um 1 Nimm'. Belastet man nur einen oder, noch ungünstiger, zwei gegenüberliegende Quadranten, z. B. I und III, liegt in keiner Richtung
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eine Stützlinienbelastung vor. Die Hauptspannungstrajektorien weichen nun wesentlich von den Koordinatenrichtungen ab, am extremsten in der Schalenmitte. Die grössten Durchbiegungen betragen 600 mm und wären auch bei einer grosszügigen Auslegung nicht mehr tolerierbar. Im «Ernstfall» stellt sich hier die Frage nach der Wahrscheinlichkeit, dass eine solche Lastverteilung zutrifft und nach der in diesem Fall tolerierbaren Verformung. Selbstverständlich würde hier der Wechsel auf eine Dreischichtschale allen Anforderungen gerecht. Die Materialspannungen sind bei allen Lastfällen, sogar auch bei der schachbrettartigen Lastverteilung sehr gering. Mit den angenommenen 50 mm wären die Lamellen nach diesem Gesichtspunkt überdimensioniert. Bei einer genaueren Optimierung wären eine Reihe weiterer Kriterien zu berücksichtigen. Darunter ist das Verhalten unter konzentrierten Einzellasten zu nennen. Noch gewichtiger aber sind die ausführungstechnischen Kriterien. So muss die Maximallänge keilzinkengestossener Lamellen auf ein handhabbares Mass reduziert werden, sodass in der Fläche ein grösserer Prozentsatz der Querschnitte stumpf gestossen sind. Ferner muss die Schale ja auf einer Lehre hergestellt werden, die aus Parabelbogen in bestimmten Abständen besteht. Die Kosten sind umso geringer, je grösser der Abstand dieser Stützbögen ist. Umso grösser wird aber die erforderliche Lamellenstärke für die Auslegung, da die Lamellen ja bereits vor Erreichen der Schaleneigenschaften durch Verbund beider Lagen begehbar sein müssen. Auch bedarf die hier der Einfachheit halber eingeführte Unverschieblich- und Unverdrehbarkeit des Schalenrandes einer differenzierten Untersuchung. Die Einführung einer elastischen Lagerung des Randes zeigt aber, dass das Verhalten der Schale erstaunlich gutmütig auf die Zulassung von horizontalen Verschiebungen reagiert. 3.5
Ausgeführte Beispiele
3.5.1 Kirche Bethanienheim, St. Niklausen (OW), Baujahr 1971 Architekt: Otto Schärli, dipl. Arch. ETH/BSA, Luzern Die Kirche wird von einem HP-Schalendach von 22.5 x 22.5 m überdacht (Abbildung 9). Die beiden Fusspunkte tragen Eigengewicht und volle Schneelast von total 3 kN/m2 auf das mit der Kapelle zusammengebaute Gebäude einerseits und auf einen Betonpylon
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Abb. 9a) Kirche Bethanienheim, St. Niklausen (OW): Aussenansicht des hyperbolischen Paraboloid-Schalendaches
b) Das Absetzen der Schale mit zwei Kranen war eine Präzisionsarbeit
c) Grundriss, Schichtaufbau, Konstruktionsdetails
Randtrdger 2.40/25 Samosall-Platten P 20 grad PJO, 40rnm stark
7
Dornpfsperra
M
/6
Sarnotil
kt
426 •t— Schalung 2x 30 mrn
2 10 3s20
Stii". Schnitt 1-1 76
Schnitt E-Itt RUltd-040,1
50
45
salzen
M16
6 ,GneacIrePadioursidit-lehreweet
t
28
andererseits ab. Die asymmetrischen Lastfälle aus Schnee und Wind werden durch die kreisförmige Kapellenwand aufgenommen. Da diese Abstützung in der Schalenfläche erfolgt, treten lokale Momente auf. Diese wurden aufgrund einer Untersuchung von Einzellasten auf einer unendlich grossen Platte abgeschätzt und ergaben eine erforderliche Schalenstärke von 2 x 30 mm. Der Querschnitt der Randträger und sein Aufbau ist im Kap. 3.2.2.2 als Anwendungsbeispiel der geometrischen und statischen Beziehungen des Sonderfalles HP-Schalen mit Rechteck-Grundriss beschrieben. Der Dachaufbau besteht aus den zwei Lagen Holzlamellen von 2 x 30 mm, einer Polyäthylenfolie als Dampfsperre und einer kreuzweise übereinandergeschraubten Ausholzung von 40 x 110 mm im Abstand von 1 m, die die zwei Lagen 40 mm starken Styroporisolierplatten einfassen. Über einem Glasvlies als Zwischenlage ist eine armierte PVC-Folie auf die Ausholzung genagelt und verdeckt vollflächig verschweisst (Abb. 9c).
Abb. 10 Mehrzweckhalle Kinderdorf, Leuk: Schalendach über sechseckigem Grundriss mit Sechspunktlagerung
Der Zusammenbau der Schale erfolgte ausserhalb der Kapelle auf einer Lehre, die aus direkt abgestützten geraden Balken bestand. Die Randglieder sind in der Werkstatt spiralförmig verleimt worden. Die untere Hälfte wurde mit der Lehre zusammen in die richtige Lage versetzt, um die erste Lamellenlage aufnehmen zu können. Die kraftschlüssige Verbindung erfolgt über fugenfüllenden Leim. Der Pressdruck wurde mit einer Nagelung erzeugt, die für sich allein eine ausreichende Verbindung gewährleisten würde. Die zweite Lage der Schalung wurde vollflächig mit der ersten Lage verleimt und pro Lamellenkreuzung mit zwei Schrauben verbunden. Über den Randträgern erhielt sie eine Nagelverbindung. Die obere Hälfte der Randträger wurde mit der zweiten Lamellenlage verleimt. Für den Pressdruck sorgten
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durchgehende Bauschrauben M16 im Abstand von 50 cm. Ein Montagezugband verband die mit je einem Stahlschuh versehenen Fusspunkte, um ein Versetzen der Schale mit zwei Kranen zu ermöglichen. Die beiden Hochpunkte wurden je über ein Seil mit den Kranhaken verbunden, sodass die Schale während des Hebens und Verschiebens in ihrer labilen Lage ausbalanciert werden konnte (Abb. 9b).
3.5.2 Mehrzweckhalle Kinderdorf, Leuk Baujahr 1985 Architekt: Heidi und Peter Wenger, dipl. Arch. ETH/SIA/BSA, Brig Die im Grundriss sechseckige Mehrzweckhalle besteht aus sechs gleichen HP-Schalen, deren Hochpunkte sich im Mittelpunkt vereinen (Abbildung 10 und 11). Die Abstützung erfolgt über die sechs Tiefpunkte, die die Vertikallast sowie den Horizontalschub auf die Wandkonstruktion in Stahlbeton ableiten. Die Geometrie ist in Kap. 3.2.2.2 als Anwendungsbeispiel der dort entwickelten Beziehungen beschrieben. Die Schale besteht aus zwei Lagen 24 mm starken Fichtenlamellen, wobei die untere Lage mit Nut und Kamm ausgeführt ist. Für den Zusammenbau diente eine Lehre, die die lagegenaue Halterung der unteren Randträger gewährleistete (Abb. 12). Für die Formgebung der Schalenfläche wurden parabelförmig ausgeschnittene Bretter in die Lehre eingefügt, wobei wegen der geringen Distanz von Tiefpunkt zu Tiefpunkt drei genügten. Die langen Randglieder sind BSHTräger 120 x 400 mm, deren Oberseite der Verwindung der Schale angepasst ist. Sie leiten, paarweise zusammengeschraubt, die Dachlast auf die Widerlager ab. Die kurzen Randträger teilen sich in je eine untere und obere 120 x 81 mm starke, verwunden verleimte Hälfte. Für die Stärke der Lamellen ergibt sich
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Abb. 11 Innenansicht des Schalendaches
als oberer Wert bei einer Verdrehung von p' = 0,211/m (siehe Seite 22) nach der Beziehung Seite 24 t—
2400 0,023/m. 0.211. 500.103 =
Verwendet wurden effektiv 27 mm starke Lamellen, die sich noch problemlos verarbeiten liessen. Wie in Kap. 3.2.2.2 gezeigt, ist beim tieferen Hochpunkt in einer Umgebung von einem Meter der Krümmungsradius in y-Richtung unter 4.80 m, also unter dem 200-fachen der Abb. 12 Lehre für den Zusammenbau der HP-Schale
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verwendeten Lamellenstärke. Die untere , in x-Richtung verlegte Lage bot dank des grösseren Radius von 6.75 m keine Probleme. Bei der oberen Lage konnte die kleine Ungenauigkeit zufolge der zu grossen Steifigkeit in Kauf genommen werden. Die sechs Schalen wurden nacheinander in der gleichen Lehre zusammengebaut (Abb. 12) und auf Stapel gelegt, um dann in einem Arbeitsgang versetzt zu werden. Für die Montage diente eine im Zentrum aufgestellte provisorische Stütze.
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4
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Hinweis auf weitere ausgeführte Flächentragwerke Bei der Durchsicht der Fachliteratur ist festzustellen, dass ausführliche Berichte über Flächentragwerke in Holz mit Hinweisen auf die statische Berechnung und den konstruktiven Aufbau eher spärlich sind. Eine gute Zusammenfassung liefern die Holzbau Atlanten 1 und 2 von Götz, Hoor, Möhler und Natterer. Die nachfolgende Aufzählung beschränkt sich auf Zweckbestimmung und Ort der Dachkonstruktionen und erhebt keinesfalls Anspruch auf Vollständigkeit.
4.2
Beispiele im Ausland
4.2.1 Faltwerke Kirche St. Hildegard, München, 25 x 25 m Lagerhalle in Apeldoorn/Holland über eine Fläche von 50 x 83 m, aufgeteilt in Satteldachelemente von 4,6 x 8,2 m Einkaufszentrum Würzburg, Satteldachelemente in der Grösse von 7 x 16,5 m Schule in Tacoma/Washington, Shedhalle12 m Spannweite 4.2.2 Schalen
4.1
Beispiele in der Schweiz
4.1.1 Faltwerke Kirchen in Magden (AG), Au (ZH), Hallau (SH), Weinfelden (TG) Werkstattüberdachung als Sheddach Berufsschule Sarnen 4.1.2 Schalen Polydöme EPF Lausanne, Kugelausschnitt
Abb. 13 Timber Research and Development Association, Tylers Green, England: Versuchshalle mit KonoidSchalendach
Kirche St. Paul, Monrovia/Kalifornien, Zylinderschalenelemente 4,6 x 15,5 m Kirche Amstelveen/Holland, HP-Schale 24 x 24 m Ausstellungspavillon in Portland /Oregon, HP-Schale 15 x 15 m Kindergarten Stainz/Österreich, vier HP-Schalen 10 x 10 m Institutsgebäude Delft/Holland, Konoidschalen 6,2 x 6,2 m Markthalle Yeovel/England, Konoidschalen 6.8 x 12,8 m Bahnhof Manchester/England, Konoidschalen 10,2 x 29,3 m
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Literatur Schleicher, 1955 Taschenbuch für Bauingenieure: Formelsammlung aus der Differentialgeometrie der Flächen.
Holzbau Atlas Zwei, 1991 Natterer, Herzog, Volz: Handbuch mit einer Sammlung architektonisch und konstruktiv richtungsweisender Holzbauten.
Vormgeving in hout, 1966 J.H. Pestman, Amsterdam: Ausführliche Beschreibung der verschiedenen Systeme mit Berechnungshinweisen und vielen ausgeführten Beispielen (in holländischer Sprache).
Holz Bulletin, 1993 Lignum, Rund um Ausbildung: Polydöme, EPF Lausanne
Holzflächentragwerke, 1969 Gernot Minke: Bilder und Beschreibungen von Bauten aus den 50er und 60er Jahren. Holzbau Atlas, 1978 Götz, Hoor, Möhler, Natterer: Beispiele ausgeführter Flächentragwerke mit Konstruktionsdetails und Fotoaufnahmen.
STEP 2, 1995 Fachverlag Holz, Düsseldorf und Lignum Zürich: Ein Kapitel behandelt Schalentragwerke. Dabei wird ein geschichtlicher Überblick gegeben. Ausführlich sind allgemein theoretische Grundlagen dargelegt, wobei von den Differentialgleichungen der Membrantheorie ausgegangen wird.
Abb. 14 Ecole Polytechnique Federale de Lausanne: Polydöme, Kugelausschnitt als Überdachung einer Ausstellungshalle. Architekt: Dan Badic + Esther Stierli, Morges; Ingenieur: Bois Consult Natterer SA / IBOIS EPFL, Etoy.
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Impressum
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Lignatec Die technischen Holzinformationen der Lignum
Autor Hans-Heini Gasser, dipl. Ing. ETH/SIA/ASIC. Dr. sc.techn., in Ingenieurbüro Gasser& Partner AG, 6078 Lungern
Herausgeber LIGNUM Holzwirtschaft Schweiz Christoph Starck, Direktor
Lignatec erscheint ein- bis dreimal jährlich und informiert zu Fachfragen bezüglich der Verwendung von Holz als Bau- und Werkstoff. Lignatec richtet sich an Planer, Ingenieure, Architekten sowie an die Ver- und Bearbeiter von Holz.
Redaktion Themenwahl, Fachredaktion: Jürg Fischer, Lignum Technik Lektorat: Charles von Büren, Lignum Kommunikation Grafisches Konzept: Albert Gomm SGD, Graphic Design, Basel
Mitglieder der Lignum erhalten Lignatec gratis. Einzelexemplar Fr. 20.Sammelordner mit Register Fr.10.-
Administration /Versand Andreas Hartmann
LIGNUM Holzwirtschaft Schweiz Falkenstrasse 26, 8008 Zürich Telefon 01 267 47 77, Fax 01 267 47 87, E-Mail: info@lignum.ch
Druck Kalt-Zehnder-Druck AG, Zug Gedruckt auf chlorfrei gebleichtes Papier Nachauflage deutsch: 1000 Exemplare Das Copyright dieser Dokumentation liegt bei Lignum, Zürich. Eine Vervielfältigung ist nur mit ausdrücklicher, schriftlicher Genehmigung des Herausgebers zulässig.
Preisänderungen vorbehalten
Lignatec Flächentragwerke in Holzbauweise Nr. 2/1996 Erschienen im Oktober 1996 Unveränderter Nachdruck August 2004
Rechtsansprüche aus der Benützung der vermittelten Daten sind ausgeschlossen. Bildnachweis Titelbild, Abbildungen 10+11: Heidi und Peter Wenger, Brig Abbildungen 1-9, 12: Dr. Hans-Heini Gasser, Lungern Abbildung 13: TRADA, Engiand Abbildung 14: H. Germond, Lausanne
ISSN 1421-0320