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Zum Erfordernis eines Kollisionskurators bei gemeinsamer Gesell- schafterstellung von Obsorgeberechtigtem und Schutzbedürftigem
vorangehende Beschlussfassung über die Aktienübertragung. Somit hätte der Beschluss eine Zustimmung von drei Vierteln des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals der B. AG benötigt.
Es würde einen Wertungswiderspruch darstellen, wenn in einem ersten Schritt die Aktionäre die Übertragung an eine bestimmte Gesellschaft ablehnen, das Gericht darauffolgend keinen wichtigen Grund für die Verweigerung der Übertragung erkennt und im Anschluss dem Vorstand völlige Freiheit bei der Entscheidung über die Übertragung der Aktien zukommen würde (Reich-Rohrwig/ Zimmermann, Zur Benennung eines Ersatzerwerbers für vinkulierte Aktien, ecolex 2021, 438 [439]; OGH 27.6.2019, 6 Ob 18/19v; Haberer, GesRZ 2019, 353).
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ME zu Recht sieht der OGH auch in der (relativ langen) Einberufungsfrist für eine HV kein tragfähiges Argument gegen die Zuständigkeit dieses Organs. Vom Vorstand darf die rechtzeitige Einberufung einer HV erwartet werden. Schließlich muss er spätestens ab Einbringung eines Antrags gem §62 Abs3 Satz 1 AktG damit rechnen, dass die Zustimmung gerichtlich ersetzt werden könnte und die Gesellschaft einen Ersatzerwerber namhaft zu machen hat, um eine Übertragung an den unerwünschten Käufer doch noch zu verhindern (Hochfellner/F.-X. Moser, GesRZ2019, 320).
Im konkreten Fall scheiterte es aber ohnehin nicht an der Einberufungsfrist. Vielmehr wurde der entsprechende Antrag in der HV schlichtweg nicht zur Abstimmung gebracht. Bemerkenswert ist, dass der Aufsichtsratsvorsitzende als Leiter der HV die Abstimmung über die Ersatzerwerbernominierung nicht zugelassen hat. Nach Diskussionen über einen allfälligen Stimmrechtsausschluss der veräußerungswilligen Aktionäre stellte der Versammlungsleiter während der außerordentlichen HV fest, dass diese nicht befugt sei, über die Ersatzerwerbernominierung Beschluss zu fassen.
Tatsächlich wären die veräußerungswilligen Aktionäre stimmberechtigt gewesen. §125 AktG war nicht einschlägig und das AktG sieht kein grundsätzliches Stimmverbot aufgrund von Interessenkollisionen vor (Haberer/Zehetner in Artmann/Karollus, AktG6 [2018] §62 Rz46; Hochfellner/F.-X. Moser, GesRZ2019, 320; OGH 27.6.2019, 6 Ob 18/19v; Haberer, GesRZ 2019, 353) Eine nach der Satzung erforderliche Dreiviertelmehrheit wäre aller Voraussicht nach bei Zulassung der Abstimmung nicht zustande gekommen und der Ersatzerwerbernominierung daher auch bei rechtskonformem Vorgehen der Erfolg versagt geblieben. 3. Ausblick Ist in der Satzung ein Zustimmungsrecht der HV bei Aktienübertragungen vorgesehen, gilt dieses Mitspracherecht der Aktionäre im Zweifel auch für eine nachfolgende Ersatzerwerbernominierung. In der Praxis empfiehlt es sich, für den Fall der gerichtlichen Ersetzung der Zustimmung in der Satzung Vorsorge zu treffen. Neben klaren Zuständigkeiten sollte auch festgelegt werden, ob den verbleibenden Aktionären die Aktien anzubieten sind (vgl dazu Zimmermann, ecolex 2022, 723).
Alexander Leonhartsberger
Dr. Alexander Leonhartsberger ist Notariatskandidat bei Dr. Christoph Mondel, MBL in Klosterneuburg und Lehrbeauftragter an der Wirtschaftsuniversität Wien.
Zum Erfordernis eines Kollisionskurators bei gemeinsamer Gesellschafterstellung von Obsorgeberechtigtem und Schutzbedürftigem §277 Abs2 und §284 Abs2 ABGB 1. Eine denkbare, aber noch in keiner Weise konkret indizierte Möglichkeit, dass es später zu einem Interessenkonflikt kommen könnte, reicht nicht hin, um allein aufgrund der gemeinsamen Gesellschafterstellung von Obsorgeberechtigtem und Kind die Bestellung eines Kurators rechtfertigen zu können. 2. Es muss grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass die Obsorge entsprechend den Interessen des Kindes ausgeübt wird. 3. Auch bei einer Beteiligung von Obsorgeberechtigtem und Kind an einer Gesellschaft ist grundsätzlich ein Interesseneinklang zu erwarten, ist doch das Wohlergehen der Gesellschaft im Interesse beider. OGH 23.2.2022, 3 Ob 204/21b (LG Wels 21 R 176/21p; BG Grieskirchen 1 Pg 179/17g)
[1] Die beiden Minderjährigen sind nach dem Ableben ihres Vaters sehr vermögend. Sie sind jeweils – wie auch ihre Mutter und zwei bereits erwachsene Halbbrüder – zu 20% Gesellschafter einer GmbH; ihr Geschäftsanteil hat jeweils einen Wert von vielen Millionen Euro. Die Obsorge kommt ihrer Mutter zu. Für die Verwaltung und Veranlagung bestimmter Vermögensteile – darunter die Geschäftsanteile an der GmbH – wurde mit Beschluss des Erstgerichts vom 7.5.2019 rechtskräftig für jeden der beiden Minderjährigen bis zu seiner Volljährigkeit ein Rechtsanwalt zum Kollisionskurator bestellt. Die Interessenkollision zwischen der Mutter und den Minderjährigen wurde damit begründet, dass auch sie Gesellschafterin der GmbH ist. Mit ebenso unangefochten gebliebenem Beschluss vom 5.6.2019 wurde der Beschluss vom 7.5.2019 dahin gehend konkretisiert, dass die Kuratoren auch zur Verwaltung und Veranlagung der auf die Minderjährigen entfallenden ausgeschütteten Gewinne der GmbH bestellt werden. Mit gleichfalls in Rechtskraft erwachsenem Beschluss vom 6.2.2020 wurde der Wirkungskreis der Kuratoren dahin gehend erweitert, dass diese auch für die Verwaltung und Veranlagung des jeweiligen Pflichtteils der Minderjährigen, den diese nach der väterlichen Großmutter erhalten haben, bestellt werden. [2] Mit Schriftsatz vom 23.4.2021 stellte die Mutter „im eigenen Namen sowie als gesetzliche Vertreterin ihrer minderjährigen Kinder“ einen ua auf gänzliche Beendigung beider Kuratelen abzielenden Antrag. Zwischen ihr und den Minderjährigen bestehe keine materielle Interessenkollision, eine Gefährdung der Interessen der Minderjährigen sei nicht zu besorgen. Deren Interessen könnten vom Gericht ausreichend wahrgenommen werden; all dies stehe den Kollisionskuratelen entgegen. Auch aufgrund des konfliktfreien Verlaufs seit der im Mai 2019 erfolgten Kuratorbestellung habe eine Beendigung der Kuratelen nach §284 ABGB zu erfolgen. [3] ... [4] Das Erstgericht gab dem Antrag so weit statt, als er „die Enthebung ... [der Kuratoren] vom Wirkungskreis der Verwaltung und
Veranlagung des jeweiligen Pflichtteils der beiden Minderjährigen, den diese nach ihrer Großmutter erhalten haben, betrifft“; im Übrigen wurde der Antrag abgewiesen. [5] Das Rekursgericht gab dem auf gänzliche Beendigung der beiden Kuratoren abzielenden, von der Mutter wiederum „im eigenen
Namen sowie als gesetzliche Vertreterin ihrer minderjährigen Kinder“ erhobenen Rekurs dahin Folge, dass es die beiden Kuratoren „mit Ausnahme des Wirkungskreises ‚Verwaltung der Geschäftsanteile der Pflegebefohlenen an der ... GmbH sowie Ausübung des
Stimmrechts‘“ ihres Amtes enthob.
... [8] In dem von der Mutter im eigenen Namen und im Namen der beiden Minderjährigen aus dem Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobenen außerordentlichen Revisionsrekurs wird ein auf gänzliche Beendigung der beiden Kuratelen gerichteter Abänderungsantrag, hilfsweise ein Aufhebungs- und
Zurückverweisungsantrag gestellt. ... Der OGH gab dem Revisionsrekurs Folge und änderte den angefochtenen Beschluss dahin ab, dass die beiden Kuratelen zur Gänze beendet und die Kuratoren ihres Amtes enthoben werden.
Aus der Begründung des OGH: I. bis II.2. ...
II.3. ... [22] Voraussetzung für diese Kuratorbestellung ist nach allgemeiner Ansicht eine Kollision im formellen und im ma-
teriellen Sinn. Kollision im formellen Sinn liegt vor, wenn ein zufolge Gesetz oder behördlicher Verfügung Vertretungsbefugter in bestimmten Angelegenheiten nicht nur zu vertreten, sondern auch im eigenen oder im Namen Dritter zu handeln hätte. Kollision im materiellen Sinn liegt vor, wenn bei Kollision im formellen Sinn zusätzlich noch ein Interessenwiderspruch besteht. Dieser kann sich auch aus den Interessen anderer Personen als des Vertretungsbefugten ergeben, wenn Letzter geneigt sein könnte, diese Interessen denen des von ihm Vertretenen vorzuziehen (RIS-Justiz RS0058177). [23] Üblicherweise wird formuliert, der Kollisionskurator sei schon dann zu bestellen, wenn aufgrund eines objektiv gegebenen Interessenwiderspruchs eine Gefährdung der Interessen des Pflegebefohlenen möglich ist (RIS-Justiz RS0107600 [T1]). Es wird auf eine mögliche Interessenkollision abgestellt oder – mit anderen Worten – die Gefahr einer Interessenkollision als ausreichend betrachtet (zB 4 Ob 72/18v, Pkt2.; 7 Ob 42/20g, Pkt2. und 3.). Zum Teil wird sogar gesagt, es sei ex ante zu beurteilen, ob Interessenwidersprüche denkbar sind (so 4 Ob 72/18v, Pkt9.). [24] Häufig wird auch dahin argumentiert, es sei zu beurteilen, ob genügend Anhaltspunkte für die Notwendigkeit der Bestellung eines Kollisionskurators vorliegen (RIS-Justiz RS0127193; zB 4 Ob 72/18v, Pkt7.), und es wird die materielle Interessenkollision als konkrete Gefährdung der Interessen des Pflegebefohlenen definiert (zB 10 Ob 23/08t, Pkt4.2.). Es wird auch ausgesprochen, es sei kein Kollisionskurator zu bestellen, wenn kein Interessengegensatz zu befürchten ist (RIS-Justiz RS0049033) oder wenn die Interessen des Vertretenen ausreichend vom Gericht wahrgenommen werden können (zB 6 Ob 14/21h, Rn 20).
II.4. ...
[44] II.5.1. Der gesellschaftsrechtliche Meinungsstand zur Vertretung Minderjähriger, deren Obsorgeberechtigter so wie sie selbst einer Gesellschaft angehört, lässt sich wie folgt zusammenfassen: Überwiegend wird es nur für besondere Situationen – so für den Abschluss des Gesellschaftsvertrages mit dem Kind, für eine Satzungsänderung und für den Abschluss einer Auseinandersetzungsvereinbarung – als unabdingbar angesehen, für das Kind einen Kollisionskurator zu bestellen. Dies impliziert, dass grundsätzlich für den laufenden Geschäftsbetrieb einer Gesellschaft ein Kollisionskurator nicht als erforderlich betrachtet wird. In Deutschland wird ebensolches explizit ausgesprochen. II.5.2. ...
[46] II.5.3. Nach Ansicht des Senats reicht eine denkbare, aber noch in keiner Weise konkret indizierte Möglichkeit, dass es später zu einem Interessenkonflikt kommen könnte, nicht hin, um allein aufgrund der gemeinsamen Gesellschafterstellung von Obsorgeberechtigtem und Kind und damit gleichsam prophylaktisch die Bestellung eines Kurators rechtfertigen zu können. [47] Die gegenteilige Auffassung stünde zum einen in Konflikt mit der herrschenden gesellschaftsrechtlichen Auffassung, die etwa erst bei einer anstehenden Satzungsänderung oder Auflösungsvereinbarung die Bestellung eines Kollisionskurators für nötig hält.
[48] Zum anderen muss grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass die Obsorge entsprechend den Interessen des Kindes ausgeübt wird. Auch bei einer Beteiligung von Obsorgeberechtigtem und Kind an einer Gesellschaft ist grundsätzlich ein Interesseneinklang zu erwarten, ist doch das Wohlergehen der Gesellschaft im Interesse beider. Dass etwa hinsichtlich Gewinnausschüttung unterschiedliche Interessen von Obsorgeberechtigtem und Kind denkbar sind –etwa wenn nur Ersterer einen gewissen Geldbedarf hat –, rechtfertigt noch nicht die Kollisionskuratel, wird doch in solchen Fällen mit dem Instrumentarium der §181 Abs1 ABGB und §133 Abs2 und 4 AußStrG, insb mit Auftragserteilungen, und erforderlichenfalls mit einer Kuratorbestellung ad hoc in aller Regel das Auslangen gefunden werden können. Es gilt dabei der Grundsatz der Anwendung des gelindesten zur Erreichung des vom Gesetzgeber verfolgten Zwecks geeigneten Mittels auf dem Bereich der Vermögensverwaltung (6Ob 12/04i; Beck in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG I2 [2019] §133 Rz43; Täubel-Weinreich in Schneider/Verweijen, AußStrG [2019] §133 Rz12f). [49] II.5.4. Dass ein Obsorgeberechtigter ein großes Kindesvermögen verwaltet, ist auch durchaus vom Gesetz gedeckt, schränkt dieses doch die Vermögensverwaltung der Eltern dem Wert nach in keiner Weise ein (vgl §§158, 164 und 165 ABGB), sondern knüpft an das Vorliegen eines „nennenswerten Vermögens“ nur eine besondere pflegschaftsgerichtliche Überwachung (§133 AußStrG; vgl Hopf/Höllwerth in Koziol/ Bydlinksi/Bollenberger, ABGB6 [2020] §§164 – 165 Rz3). [50] II.5.5. Sollten einem Obsorgeberechtigten die Fähigkeiten fehlen, das große Vermögen seines Kindes zu verwalten, und sollte daraus eine Gefährdung von dessen materiellem Wohl resultieren, und kann das Manko nicht durch besondere pflegschaftsgerichtliche Maßnahmen (vgl §181 ABGB; §133 AußStrG) ausgeglichen werden, so wäre nicht mit Bestellung eines Kollisionskurators, sondern – als ultima ratio – mit teilweiser Entziehung der Obsorge vorzugehen (vgl Hopf/ Höllwerth in Koziol/Bydlinksi/Bollenberger, ABGB6, §§181 –182 Rz4). [51] II.5.6. Dass im vorliegenden Fall die Mutter grundsätzlich nicht in der Lage wäre, im Interesse ihrer minderjährigen Kinder deren Geschäftsanteile zu verwalten, ist nicht ersichtlich. Ebenso liegt nach der zwischenzeitlichen Entwicklung kein Hinweis vor, dass sie in Hinsicht auf Gewinnausschüttung oder Geschäftspolitik derzeit Interessen hat, die jenen der Minderjährigen zuwiderlaufen. Das Vorliegen einer konkreten, nicht bloß abstrakt denkbaren Interessenkollision in der Vergangenheit oder in der absehbaren Zukunft zwischen der Mutter und den beiden Kindern wurde von den Kollisionskuratoren auch weder in ihren Äußerungen zum Enthebungsantrag noch im Revisionsrekursverfahren behauptet. Ebenso ist – jedenfalls derzeit – nicht ersichtlich, dass die Interessen der beiden minderjährigen Kinder untereinander iSd §277 Abs2 ABGB konfligierten oder in absehbarer Zeit konfligieren werden. Es ist aber vor allem auch nicht ersichtlich, warum nicht mit Maßnahmen wie etwa einer der Mutter vom Erstgericht erteilten Berichtspflicht vor Beschlussfassungen der Gesellschafter und erforderlichenfalls einer Kuratorbestellung ad hoc das Auslangen gefunden werden kann.
[52] In einem Fall wie dem vorliegenden ist daher nach Beurteilung des Senats die Beendigung der Kollisionskuratel sachgerecht. Es war aus diesem Grunde dem Revisionsrekurs Folge zu geben und in Beendigung der Kuratelen die Enthebung der Kuratoren zu beschließen.
Anmerkung: Zentrale Frage der gegenständlichen Entscheidung war, ob sich alleine aus dem Umstand, dass sowohl das Kind als auch der obsorgeberechtigte Elternteil Gesellschafter einer GmbH sind, bereits eine Interessenkollision ergibt, die eine Bestellung eines Kollisionskurators iSd §277 Abs2 ABGB erforderlich macht.
Der OGH fasst zunächst zusammen, dass es für die Bestellung eines Kollisionskurators stets einer Kollision im formellen und materiellen Sinn bedarf. Eine formelle Kollision liegt vor, wenn „ein ... Vertretungsbefugter in bestimmten Angelegenheiten nicht nur zu vertreten, sondern auch im eigenen oder im Namen Dritter zu handeln hätte.“ Die Kollision im materiellen Sinn stellt auf eine mögliche Interessenkollision ab. Ausreichend ist daher grundsätzlich die Gefahr einer Interessenkollision. Bislang war sogar bloß ex ante zu beurteilen, ob Interessenwidersprüche denkbar sind. Sprich: Das Gericht durfte nicht abwarten, bis eine konkrete materielle Interessenkollision auftritt, sondern es reichte eine abstrakte Gefährdung der Interessen des Schutzberechtigten aus (vgl etwa OGH 23.10.2018, 4 Ob 72/18v). In der gegenständlichen Entscheidung geht der OGH aber einen anderen Weg: Eine denkbare, aber noch in keiner Weise konkret indizierte Möglichkeit, dass es später zu einem Interessenkonflikt kommen könnte, lässt er nicht als Rechtfertigung für die Bestellung eines Kollisionskurators gelten. Eine solche konkrete Gefährdung ergebe sich alleine aus der parallelen Gesellschafterstellung des Obsorgeberechtigten (Vater oder Mutter) und des Schutzberechtigten (minderjähriges Kind) an derselben Gesellschaft aber gerade nicht.
Grundsätzlich sind an die Gesellschafterstellung Rechte und Pflichten geknüpft, die über die bloße Gewinnverwaltung hinausgehen. Mit der Ausübung des Stimmrechts sind wichtige Entscheidungen verbunden, weshalb sich die Mitgliedschaft an einer Gesellschaft grundlegend von anderen Rechtspositionen (etwa jener der Miterben) unterscheidet. Wie der OGH richtigerweise betont, ist zunächst davon auszugehen, dass alle Gesellschafter im Interesse der Gesellschaft handeln. Dem Obsorgeberechtigen ist daher zuzumuten, dass er im Interesse der Gesellschaft und somit mittelbar im Interesse des Kindes handelt. Es kommt ihm daher ein Vertrauensvorschuss zu, der sich zum einen aus seinen gesellschaftsrechtlichen (Treue-)Pflichten und zum anderen aus seiner Stellung als gesetzlicher Vertreter ableiten lässt. Insofern ist dem OGH darin zuzustimmen, dass sich aus der gemeinsamen Gesellschafterstellung alleine noch keine konkrete Gefährdungslage ableiten lässt.
Offen bleibt, wann eine konkrete Interessenkollision gegeben ist. Vergleichbare Sachverhaltskonstellationen finden sich in erbrechtlichen Verfahren, aus deren rechtlichen Beurteilung aber nichts gewonnen werden kann. So bejaht der OGH aufgrund der notwendigen Erbteilung im Falle von Miterben zwar eine Interessenkollision (RIS-Justiz RS0099395). Gleichzeitig begründet die Tatsache, dass sowohl Eltern als auch Kinder als mögliche Erben in Betracht kommen, aber bloß eine formelle Kollision, die noch keinen Vertretungsbedarf auslöst. Erst wenn tatsächlich widerstreitende Erbantrittserklärungen abgegeben werden, liegt eine Kollision im materiellen Sinn vor und eine Kollisionskuratel wird erforderlich (RIS-Justiz RS0127587).
Hinsichtlich gesellschaftsrechtlicher Maßnahmen differenziert der OGH: Es sei stets darauf abzustellen, ob durch das konkrete Rechtsgeschäft eine materielle Kollision zwischen dem Obsorgeberechtigten und der schutzberechtigten Person geschaffen wird. Eine solche könne etwa vorliegen, wenn der Obsorgeberechtigte an einer Gewinnausschüttung interessiert ist, der Schutzberechtigte aber nicht. Anders als die Literatur, die für „besondere Situationen“ (etwa den Abschluss des Gesellschaftsvertrages, Satzungsänderungen oder den Abschluss einer Auseinandersetzungsvereinbarung) das Erfordernis eines Kollisionskurators bejaht (vgl die in Rn 30 bis 43 der vorliegenden Entscheidung [oben aus Platzgründen nicht abgedruckt] genannten Literaturstellen), stellt der OGH nicht auf bestimmte gesellschaftsrechtliche Maßnahmen, sondern auf den konkreten Einzelfall ab. Es kann daher auch nicht pauschal beantwortet werden, wann eine konkrete Interessenkollision gegeben ist und ein Kollisionskurator bestellt werden muss.
Dieses Ergebnis mag große Rechtsunsicherheit nach sich ziehen, ist aber aufgrund der vielfältigen Konstellationen, die sich aus einem Gesellschaftsverhältnis ergeben, notwendig. Ein Herunterbrechen auf bestimmte gesellschaftsrechtliche Maßnahmen (wie etwa alle Satzungsänderungen) ist schlichtweg nicht möglich (anders bei Vorliegen einer Erbengemeinschaft; vgl etwa Mondel, Das Recht der Kuratoren3 [2021] Rz10.1455ff). So ist eine Kollision im materiellen Sinn aufgrund der naturgemäß gegensätzlichen Interessen des ausscheidenden und verbleibenden Gesellschafters im Falle einer Auseinandersetzungsvereinbarung sicherlich evident. Gleiches gilt auch bei der Kapitalerhöhung ohne Bezugsrecht des minderjährigen Gesellschafters. Eine Firmenänderung oder Firmensitzänderung birgt aber wenig bis gar kein Konfliktpotenzial in sich, weshalb hier eine Kollisionskuratel mE nicht zwingend erforderlich ist.
Der Wechsel von einer prophylaktischen zur bloßen Ad-hocBestellung eines Kollisionskurators wirft in der Praxis aber zwei gewichtige Probleme auf: Zunächst fehlt es an Rechtssicherheit, dass eine Maßnahme ohne Beiziehung eines Kollisionskurators auch tatsächlich zulässig ist. Gerade im Falle der Stimmrechtsausübung stellt sich vor jeder Abstimmung die Frage, ob nun ein Kollisionskurator für den jeweiligen Beschlussgegenstand bestellt werden muss oder nicht. Der gefasste Beschluss ist ohne die erforderliche Mitwirkung eines Kollisionskurators ungültig, und zwar trotz Erteilung der notwendigen pflegschaftsbehördlichen Genehmigung (RIS-Justiz RS0049030; OGH 4.4.1991, 7 Ob 1533/91; Mondel, Kuratoren3, Rz3.121). Eine nachfolgende Eintragung in das Firmenbuch führt auch nicht zur Heilung (OGH 12.8.2004, 1 Ob 166/04z, GES2004, 475 [N. Arnold]). Das Risiko eines unwirksamen Gesellschafterbeschlusses kann daher nur mit entsprechendem Antrag auf Bestellung eines Kollisionskurators beim Pflegschaftsgericht bereits vor der Generalversammlung vollständig eliminiert werden. Es ist somit sinnvoll, vor jeder gesellschaftsrechtlichen Maßnahme, die das Interesse des minderjährigen Gesellschafters berührt (berühren kann), mittels Antrags die Entscheidung an das Pflegschaftsgericht zu übertragen. Dafür muss die in Aussicht genommene Rechtshandlung bereits ausreichend präzisiert sein (Mondel, Kuratoren3, Rz3.18), etwa der Beschlussgegenstand feststehen. Es kann zwar grundsätzlich auch nachträglich ein Kollisionskurator beigezogen werden, im Falle von Gesellschaftsbeschlüssen ist aber schon die Teilnahme an der Generalversammlung durch den Kollisionskurator zweckmäßig.
Schließlich stellt sich auch die Frage, wie aus Sicht des Schutzberechtigten sichergestellt werden kann, dass Maßnahmen nicht ohne erforderlichen Kollisionskurator gesetzt werden. Im vorliegenden Fall unterliegt die Mutter vor jeder Beschlussfassung einer vom Erstgericht auferlegten Berichtspflicht, was dazu führt, dass das Pflegschaftsgericht schon im Vorfeld kontrollierend eingreifen kann (Stabentheiner in Rummel/Lukas, ABGB4, §§271, 272 Rz8; OGH 27.7.1967, 7 Ob 116/67, JBl 1969, 93; 14.11.1984, 3 Ob 588/84; 24.7.2012, 10 Ob 26/12i). Ansonsten ist jede im Bestellungsverfahren parteifähige Person antragsberechtigt, somit der Schutzberechtigte (OGH 18.1.1967, 6 Ob 390/66), der Obsorgeberechtigte (OGH 18.1.1967, 6 Ob 390/66; Weitzenböck in Schwimann/Kodek, ABGB5 , §277 Rz24), nicht aber Dritte (OGH 8.10.1991, 5 Ob 541/91). Allenfalls kann aus dem Rekursrecht naher Angehöriger für Fälle, in denen die Interessen des Schutzberechtigten nicht anders gewahrt werden können (OGH 8.10.1991, 5 Ob 541/91), eine entsprechende Antragslegitimierung abgeleitet werden. Mitgesellschaftern kommt aber kein solches Antragsrecht zu. Das alleinige Antragsrecht des Obsorgeberechtigten und Schutzberechtigten stellt jedenfalls keinen ausreichenden Schutz zur Vermeidung von Kollisionsfällen dar. Gerade wenn der Obsorgeberechtigte seine eigenen Interessen vor Augen hat und der minderjährige Gesellschafter noch sehr jung ist und nicht erfassen kann, ob und wie seine Interessen
beeinträchtigt werden können, entsteht eine Rechtsschutzlücke. Allenfalls kann man sich dadurch behelfen, dass bei Antrag eines nicht berechtigten Mitgesellschafters das Gericht Kenntnis vom Kollisionsfall erhält und in der Folge von Amts wegen tätig werden muss (Mondel, Kuratoren3, Rz3.14). Dies setzt selbstverständlich voraus, dass es neben dem Obsorgeberechtigten und Schutzbedürftigen noch weitere Gesellschafter gibt.
Im Ergebnis mag die Entscheidung vor allem für Familienunternehmen begrüßenswert erscheinen, da sie die Verwaltung von Gesellschaftsanteilen durch den Obsorgeberechtigten zur Regel und die Bestellung eines Kollisionskurators nur in besonderen (Gefahren-)Situationen erforderlich macht. In der Praxis ist aber eine rechtssichere Beantwortung der Frage, ob für die konkrete gesellschaftsrechtliche Maßnahme nun ein Kollisionskurator zu bestellen ist, aufgrund der fehlenden Konkretisierung des OGH nicht möglich. Im Zweifel sollte die Entscheidung daher immer dem Pflegschaftsgericht auferlegt und ein Antrag auf Bestellung eines Kollisionskurators gestellt werden. Gleichzeitig kann die vorliegende Entscheidung aber im Einzelfall dazu führen, dass trotz Vorliegens einer Kollision im materiellen Sinn kein Kollisionskurator bestellt wird, da es schlichtweg niemanden gibt, der einen entsprechenden Antrag stellt.
Sandra Maier
Sandra Maier, LL.M. (WU) ist Universitätsassistentin am Institut für Unternehmensrecht der Wirtschaftsuniversität Wien.
Rechnungslegung verstehen und richtig anwenden
Steuern. Wirtschaft. Recht. Am Punkt. Mit allen Änderungen im Rechnungslegungsrecht
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