Linkswende Nr. 164

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Linkswende Monatszeitung für Sozialismus von unten

Nr. 164 Februar 2013 Spende 1,50 EUR Solidaritätsspende 2,00 EUR

www.linkswende.org

„Akademikerball“ in der Hofburg

NEUER NAME...

...GLEICHER NAZI-BALL Der WKR-Ball, das größte europäische Vernetzungstreffen von Holocaustleugnern, Geschichtsfälschern, ­Gewalttätern und der FPÖ, zieht am 1. Februar unter dem Namen „Akademikerball“ wieder in die Hofburg ein, schreibt David ALBRICH.

Rausschmiss Die Hofburg-Betreibergesellschaft warf den WKR-Ball vergangenes Jahr aufgrund des massiven öffentlichen Drucks aus der Hofburg. Zum ersten Mal in der Nachkriegsgeschichte war die Polizei gezwungen, die antifaschistischen Proteste auf den Heldenplatz ziehen zu lassen. Eine wichtige Schlacht war gewonnen. Friedliche Menschenblockaden verzögerten die Anreise der Ballgäste erheblich. Nun findet der Ball Wiedereinzug. „WKR-Ball wird zum Akademikerball“ ...titelt die rechtsextreme Homepage des Dritten Nationalratspräsidenten Martin Graf (FPÖ). Im neuen Ballausschuss finden sich die gleichen Namen rechter Recken wie

SYRER IN WIEN Wie Unterstützer Hilfslieferungen organisieren und die Revolution in Wien verteidigen, hat David Albrich herausgefunden.

>> SEITE 7 Foto: Vienna Islamic Centre

zuvor. Ihr Obmann ist Udo Guggenbichler, Bezirksvorsitzender der FPÖ in Währing und Burschenschafter der „Albia“. Von der alten Homepage „wkr-ball.at“ wird man direkt auf die neue „wiener-akademikerball.at“ weitergeleitet. In der Einladung des Balls schreiben die Veranstalter, der Akademikerball gebe „uns Korporierten die Möglichkeit, auch 2013 wieder in den prunkvollen Sälen der Wiener Hofburg zu feiern und zu tanzen.“ Salonfähig „Die Burschenschaften, die aus ganz Österreich zu diesem Ball anreisen“, schreibt Rechtsextremismus-Experte Hans-Henning Scharsach, „haben nach dem Zweiten Weltkrieg das Motto der SS beherzigt: ‚Unsre Ehre heißt Treue’.“ Die FPÖ will die Geschichte zurückdrehen und Faschismus und Nationalsozialismus wieder salonfähig machen. Ein Ball in der Hofburg, immerhin Sitz des Bundespräsidenten und repräsentatives Gebäude für „hohe“ Staatsbesuche, legitimiert die Faschisten im Parlament: Wenn rechtsextremen Burschenschaftern der Tanz in der Hofburg erlaubt ist, so hilft das

beim Aufbau einer respektablen „demokratischen“ Partei und Wahlbewegung. Veranstalter FPÖ Der Ball hat enorme politische Bedeutung für die FPÖ. „Einer im Parlament vertretenen Partei“, argumentiert Herwig Götschober, Mitglied im Ballausschuss und im Vorstand des Rings Freiheitlicher Studenten (RFS), können die Hofburg-Betreiber „die Räumlichkeiten der Republik nicht verwehren.“ Die Betreibergesellschaft steigt darauf ein: „Wir stehen allen im österreichischen Parlament vertretenen Parteien offen.“ Dünnes Eis Die FPÖ bewegt sich auf einem schmalen Grat. Einerseits müssen sie jede Sympathie für Faschismus abstreiten und sich als Partei präsentieren, die man nicht ausgrenzen darf. Andererseits muss sie ihrer „Basis“ – und das sind im Wesentlichen rechtsextreme Burschenschafter – regelmäßig signalisieren, welcher Geisteshaltung sie tatsächlich anhängen. Schon die Nazis mussten sich verschlei-

SEPARATISMUS: BASKENLAND Seite 11

SANS PAPIERS Seite 13

Über die Geschichte der separatistischen Bewegung berichtet Dietmar Meister.

An die andauernden Kämpfe der „Illegalen“ in Frankreich erinnert­ ­Hannah Krumschnabel. Foto: TeleSURtv

ern. Hitler folgerte nach dem gescheiterten bewaffneten Putschversuch 1923: „Statt die Macht durch Waffengewalt zu erringen, werden wir […] unsere Nasen in den Reichstag stecken. Wenn es auch länger dauert sie zu überstimmen als sie zu erschießen, so wird uns schließlich ihre eigene Verfassung den Erfolg garantieren.“ In die Offensive Den Protesten 2012 ist es gelungen, der FPÖ die demokratische Maske von der hässlichen Fratze zu kratzen. Strache tobte: „Wir sind die neuen Juden!“ und „Für die linkslinken Utopisten gilt man da sofort als Faschist!“ Wenn die FPÖ als das, was sie ist – eine faschistische Partei – bloßgestellt wird, dann stürzt sie in der Wählergunst ab. Man muss ihr die Legitimität entziehen, sich Strache entschlossen in den Weg stellen und die Nazis in weitem Bogen aus der Hofburg werfen.

>> Seite 8/9 TOLKIENS MITTELERDE Seite 14

Foto: APA

Foto: viewbug.com aconklin

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or einem Jahr fand der Ball ausgerechnet am 27. Jänner, dem Holocaust-Gedenktag, statt. Heuer fällt der Ball auf den 1. Februar – jenen Tag im Jahre 1933, an dem Reichspräsident Hindenburg den deutschen Reichstag auflöst und Hitler die Macht übernimmt.

John Molyneux ­unterzieht die Welt der ­Hobbits einer marxistischen Analyse.


Februar 2013 Linkswende BANGLADESCH

SPANIEN

Schlüsseldienste boykottieren Banken

Giusi Nicolini, Bürgermeisterin von Lampedusa

„Statt Neonazi-Schläger zu bekämpfen, verfolgt die Dresdner Justiz seit Jahren die Strategie, den friedlichen Protest zu kriminalisieren.“ Caren Lay von der LINKEN zum Dresdner Skandalurteil über Tim H.

„Ich mache das sicher nicht zum Spaß. Die Leute dort sind Antidemokraten und wenn die in der Hofburg tanzen, dann ist das ein politisches Statement, gegen das man etwas unternehmen muss.“ Nele B., Aktivistin der „Offensive gegen Rechts“ im Interview mit den „Salzburger Nachrichten“.

dafür gestimmt, Räumungen zu boykottieren, die mit Hypotheken zu tun haben. Während die Immobilienpreise in die Höhe kletterten, wurden Familien von der Regierung ermutigt Hypotheken aufzunehmen, um sich eine Wohnung leisten zu können. Jetzt, bei einer Arbeitslosigkeit von 25%, können viele die Raten nicht mehr aufbringen. Die Banken nehmen die Häuser um die Hälfte des Preises zurück und setzen deren Bewohner auf die Straße, deren überschüssige Schulden bleiben bestehen. Die Schlüsselmacher haben andere Sparten aufgefordert, sich ihrem Boykott anzuschließen. Seit 2009 konnte ziviler Ungehorsam Bewohner wehren sich gegen eine Räumung 500 Räumungen verhindern. Foto: Indymedia

„Wenn Europa aber so tut, als seien dies nur unsere Toten, dann möchte ich für jeden Ertrunkenen, der mir übergeben wird, ein offizielles Beileidstelegramm erhalten. So als hätte er eine weiße Haut, als sei es unser Sohn, der in den Ferien ertrunken ist.“

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ach zwei Selbstmorden steigt der Druck auf jene Banken, die Zwangsräumungen durchführen. Auf Demonstrationen wird ihnen Mord vorgeworfen, Kommunen ziehen ihre Gelder ab und ein Gesetz wurde erlassen, das Delogierungen einschränkt. Jetzt hat die APCP-Vereinigung, die praktisch alle Schlüsseldienste repräsentiert, Ende Dezember einstimmig

Erfolg im Kampf gegen eine Abschiebung

ährend des Bürgerkriegs flüchtete Familie Malikov von Grosny nach Waidhofen an der Ybbs. Der Vater Musa unterstützte in Tschetschenien die Opposition und war gefoltert worden, sein dreijähriger Sohn ist durch die Flucht traumatisiert. Vor einem Jahr kam ihre Tochter Rayana zur Welt, das Ehepaar absolvierte Deutschkurse, Musa engagierte sich ehrenamtlich als Sporttrainer und hatte für den Fall einer Arbeitserlaubnis eine fixe Jobzusage. Als wider Erwarten der Asylantrag negativ be-

schieden wurde, versammelte sich die Bevölkerung jeden Samstag zu einer „Teaparty“ vor dem Haus der Familie, bei der Spenden gesammelt und Unterschriftenlisten durchgegeben wurden. Gemeinderäte aller Fraktionen beteiligten sich, mit Ausnahme der FPÖ. An einem Fackelzug Mitte Dezember beteiligten sich 150 Menschen. Bürgermeister Mair (ÖVP) beugte sich schließlich dem Druck der Straße und nutzte seine Befugnisse dazu der Familie humanitäres Bleiberecht zu gewähren.

Gottfried Küssel ist in erster Instanz zu neun Jahren Haft verurteilt worden.

IMPRESSUM Linkswende

Monatszeitung für Sozialismus von unten Herausgeber (für den Inhalt verantwortlich): Manfred Ecker. Redaktion: Tom D. Allahyari, Manfred Ecker, Daniel Harrasser, Peter Herbst, Hannah Krumschnabel, Oliver Martin, Ludwig Sommer. Post: Linkswende, Postfach 102, Kettenbrückeng. 5, 1050 Wien Telefon: 0650 452 24 73 Web: www.linkswende.org Email: redaktion@linkswende.org ZVR: 593032642

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Niederlage für Nazis in Magdeburg

ls am 68. Jahrestag der Bombardierung Magdeburgs Nazis durch die Stadt marschieren wollten, drängten über 12.000 Gegendemonstranten und 160 Organisationen des Bündnisses Magdeburg Nazifrei die Faschisten an den Stadtrand. Ursprünglich war mit weit über 1.000 Neonazis gerechnet worden, die durch die Innenstadt ziehen wollten. Geworden sind es dann 800, die durch ein Industriegebiet marschierten mussten, was auch nur möglich war, weil

die Route so lang wie möglich geheim gehalten und schließlich kurzfristig geändert wurde. Einer der größten Polizeieinsätze in der Geschichte des Landes schützte den 14. Naziaufmarsch und gewährte den Faschisten weitgehend Narrenfreiheit. Obwohl die Deutschnationalen in Sachsen-Anhalt weiterhin stark sind, war es im Vergleich zum Vorjahr ein empfindlicher Rückschlag. Ein weiterer Aufmarsch sieben Tage später wurde abgesagt.

Foto: Bündnis 90/Die Grünen

„Würden Sie sich als bekanntesten Nationalsozialisten Österreichs bezeichnen?“ „Ich selbst bezeichne mich nicht so. Wenn andere mich so bezeichnen, dann lasse ich das unkommentiert stehen.“

ie Textilarbeitergewerkschaft Bangladeschs hielt Anfang Jänner einen symbolischen Hungerstreik ab, bei dem Verhaftung und Prozess für den Eigentümer von Tazreen Fashion ge- Streikende Arbeiter in Bangladesch fordert wurde, sowie für jene Arbeits- und Sozialrechten die am Feuer in der Textilfa- sowie eine ungehinderte Arbrik Mitschuld tragen. Bei beit für Gewerkschaften. Ein dem Brand starben voriges weiteres Anliegen ist eine Jahr 112 Menschen. Außer- Entschädigung für die 15.000 dem wird eine ordentliche, Beschäftigten der Hallmark medizinische Versorgung für Group, die im Oktober voridie Überlebenden verlangt, gen Jahres zusperrte, nachdem sichere Arbeitsplätze, Ent- der Eigentümer wegen eines schädigung für den Verdienst- milliardenschweren Korruptiausgang, eine Ergänzung von onsskandals verhaftet wurde.

Foto: NÖN

„Es gibt keine rechtsextreme Burschenschaft.“ Herwig Göttschober, rechtsextremer Burschenschafter im Interview mit den „Salzburger Nachrichten“.

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DEUTSCHLAND

ÖSTERREICH

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Proteste in Bangladesch gehen weiter

Foto: Pro Picture

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Vorbilder für ganz Österreich: Sie ließen sich ihre Mitmenschen nicht einfach deportieren

Magdeburg: eine weitere deutsche Stadt lässt die Nazis nicht mehr marschieren.

IM VISIER: Erich Zwettler

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or dem „Tierschutzprozess“ war Erich Zwettler ein Unbekannter, ein anonymes Rädchen im System Polizei. Googlet man seinen Namen mit Einschränkung auf Ergebnisse bis Ende 2008, findet sich wenig: einzig ein paar Interviews mit englischen Zeitungen zum Fall Kampusch, und ein Plädoyer für mehr Videoüberwachung im öffentlichen Raum. Doch 2008 war er längst in das involviert, wofür er später bekannt werden sollte: Er leitete die „Soko Bekleidung“, unter Zynikern auch nach dem Auftraggeber als „Soko Kleider Bauer“ bekannt. Diese Sonderkommission ermittelte jahrelang auch mithilfe einer verdeckten Ermittlerin gegen Tierschützerinnen und Tierschützer, die dann nach dem „Mafia-Paragrafen“ §278a angeklagt wurden. Von diesem Vorwurf sind übrigens mittlerweile alle rechtskräftig freigesprochen. Das Jahr 2008 ist aber noch in weiterer Hinsicht relevant. Denn ausgerechnet ab 1. Jänner dieses Jahres wäre für den Einsatz von verdeck-

Foto :

ten Ermittlern eine Anordnung der Staatsanwaltschaft notwendig gewesen. Die es aber nie gab. Trotzdem ermittelte „Danielle Durand“, so ihr Codename, noch zehn Monate weiter. Zwettler wurde wegen Amtsmissbrauchs angezeigt – und freigesprochen. Begründung: Es sei nicht erwiesen, dass er vom Einsatz der verdeckten Ermittlerin gewusst hat. Alles klar. Für seine Rechtschaffenheit und diese Meisterleitung an Kompetenz – immerhin wusste er angeblich nicht, was die ihm unterstellten Beamten taten – war natürlich eine Beförderung fällig. Seit Jänner 2010 ist er Leiter des Wiener Landesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung. Als solcher ist er selbstverständlich eifrig damit beschäftigt, gefährliche Terroristen zu suchen – und zu finden: beispielsweise in der #unibrennt-Bewegung. Diese ließ er von Anfang an überwachen, und als sie dann langsam abflaute, fand er noch rechtzeitig ein paar Kandidatinnen und Kandidaten für einen Urlaub in „Klein Guantanamo“.

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Vier Personen wurden monatelang observiert – nach §278b, also wegen Verdachts auf Bildung einer terroristischen Vereinigung. In der Anklage wurde ihnen das bezeichnenderweise aber nicht einmal mehr vorgeworfen, der Paragraph hatte also nur zur Rechtfertigung der Überwachung und der Haft gedient. Letztendlich war es Brandstiftung, die ihnen zur Last gelegt wurde. Auch davon wurden sie freigesprochen. Zuletzt machte Zwettler auf sich aufmerksam, indem er den Einsatz zur Räumung des Flüchtlingscamps im Votivpark leitete. Es wird wohl leider auch nicht das letzte Mal gewesen sein, dass sein Name in allerlei unappetitlichen Zusammenhängen auftaucht.


Linkswende Februar 2013

EDITORIAL

Linkswende online

von Manfred ECKER

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n dieser Ausgabe findest du eine beinahe unangenehme Fülle an Artikeln über Faschismus. Es ist ein unappetitliches Thema und für uns nicht die angenehmste Aufgabe, aber der Anlass gebietet es. Denn vergangenes Jahr ist es endlich gelungen den berüchtigten „Ball der Holocaustleugner“, den WKRBall, aus der Hofburg zu vertreiben, dieses Jahr ist er zurück. Und wie immer scheint sich die „hohe Politik“ einen Dreck darum zu kümmern. Inoffiziell äußert sich jeder Politiker von Rot und Grün (vielleicht sogar ein paar ÖVPler) zutiefst empört über diesen Skandal. Offiziell können sie leider nichts machen, so wie sie nichts dagegen machen, dass ein Mensch wie Martin Graf das Amt des dritten Nationalratspräsidenten bekleidet. „Die FPÖ bekämpfen, das können nur wir“, wie Hans-Henning Scharsach so deutlich gesagt hat. Auf den Seiten 4, 7, 8, und 9 findest du deshalb die entsprechenden Artikel über die FPÖ und über ihre Netzwerke. Weitaus angenehmer wird es über die Aktivitäten der syrischen Aktivisten in Wien zu lesen. Sie geben dir einen Eindruck von dem Geist, der die syrische Revolution beflügelt, in der täglich Menschen sterben und gefoltert werden und bei vollem Bewusstseins des Risikos seit beinahe zwei Jahren weiterkämpfen – und wie es aussieht gewinnen werden. Ebenfalls auf Seite 7.

Ebenfalls sehr inspirierend, obwohl vor einem sehr tragischen Hintergrund, ist der Kampf der Flüchtlinge aus dem Lager Traiskirchen um ihre Rechte – einen wichtigen Bericht dazu findest du auf Seite 7. Auf Seite 13 erinnern wir an die Bewegung der Sans Papiers, die seit Jahrzehnten ein wichtiger Faktor in der französischen Linken sind. Auf Seite 6 schildert ein Betroffener wie unglaublich trist und hart es ist in Österreich als Asylwerber zu überleben. Aus Waidhofen an der Ybbs gibt es dafür eine Erfolgsgeschichte zu erzählen – Seite 2. Absolut lesenswert ist auch eine Zusammenfassung von Phil Marfleets eindrucksvoller Studie über den Fortgang der ägyptischen Revolution, die trotz aller Unkenrufe westlicher Medien, weit davon entfernt ist abzuflauen. Wir waren (fast) alle begeistert von der filmischen Umsetzung von „Der Herr der Ringe“ und werden uns auch „Der Hobbit“ nicht entgehen lassen. Dennoch ist Tolkiens eigenes Weltbild, das auch in sein großartiges Werk eingeflossen ist, ziemlich bedenklich. Gönne dir den Kulturartikel auf Seite 14. In Katalonien, im Baskenland und in Schottland dominieren aktuell progressive Separationsbewegungen die politische Landschaft. Der Umgang mit diesem Nationalismus ist nicht einfach. Wirklich interessant ist deshalb der Artikel über Politik im Baskenland auf Seite 11.

Besuche uns auch auf unserer Homepage: www.linkswende.org Dort findest du weiterführende Artikel, Analysen, Termine, Demoberichte und Links zu unseren internationalen Schwesterorganisationen und zu marxistischer Theorie, außerdem Fotos und Videos sowie ein umfangreiches, thematisch geordnetes Artikelarchiv. Viel Spaß beim Stöbern. Wir freuen uns auch über Feedback und Kritik: redaktion@linkswende.org Linkswende auf Facebook: www.facebook.com/ Linkswende.IST.Austria Linkswende auf youtube: www.youtube.com/ anticapitalista1917 Linkswende auf flickr: www.flickr.com/linkswende

FOTOBERICHT

Manche behaupten gerne, die syrische Revolution wäre von der CIA gesteuert. In der Realität zeichnet sich ein ganz anderes Bild: Große Teile der Freien Syrischen Armee (FSA) sind auf ihren Erfindungsgeist angewiesen, solange sie keine modernen Waffen vom Militär erobern oder Truppenteile samt Ausrüstung zu ihnen überlaufen.

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KOMMENTAR

Sozis zum Abgewöhnen von Hannah KRUMSCHNABEL

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ls Kanzler Faymann von der Tageszeitung Der Standard nach seiner Haltung zu FPÖChef Strache gefragt wird, antwortet er: „Diese Auseinandersetzung muss man zentral und frontal führen. Man darf nicht einen Meter zurückweichen. Kaum geht man einen Meter zurück, hat man gegen einen Hetzer schon verloren.“ Das klingt fast nach einer Kampfansage, nach der sich Linke innerhalb und außerhalb der SPÖ seit einer gefühlten Ewigkeit sehnen. Wenn man den Umgang der Sozialdemokraten mit der FPÖ in den letzten Jahrzehnten und bis heute betrachtet, klingt es aber auch verdächtig nach Heuchelei. Nur Tage vor Faymanns Statement hat der Wiener Bürgermeister Häupl klargestellt, dass er von der Räumung des Flüchtlingscamps im Votivparks im Vorfeld „selbstverständlich gewusst“ und dem nicht widersprochen habe. Anstatt Strache gegenüber standhaft zu bleiben und die Anliegen der Flüchtlinge zu unterstützen, beschwerte er sich, dass diese ausgerechnet in Wien protestieren müssten und unterstellte ihnen, politisch missbraucht zu werden (einen eigenen Willen und politisches Bewusstsein traut er ihnen anscheinend nicht zu). Und auch die positive Entwicklung, die die Proteste in der Bundes-SP ausgelöst haben – immerhin diskutiert jetzt eine Arbeitsgruppe breit über einen Zugang von Asylwerbern und -werberinnen zum Arbeitsmarkt – wird davon getrübt, dass Sozialminister Hundstorfer als letzte Instanz dagegen hält. Er hält damit an einer nationalistischen Gewerkschaftspolitik fest, die der Arbeiterbewegung schon seit mindestens einem Jahrhundert schadet. Die frontale Auseinandersetzung mit den Hetzern sucht man hier vergeblich. Und tatsächlich bezieht sich auch die Äußerung des Kanzlers nicht wirklich auf den Bereich, in dem Straches Hetze tagtäglich das Leben von zehntausenden Menschen in Österreich in Frage stellt. Denn statt um Migrantinnen und Migranten (und deren Kinder und Kindeskinder) sorgt sich Faymann darum, wie der Ruf der Europäischen Union unter der FPÖ-Propaganda leidet. Zwar wirft er Strache zu Recht vor, nur Sündenbockpolitik gegen die südeuropäischen Staaten zu betreiben und keine wirtschaftlichen Lösungskonzepte zu haben, selbst vertritt er jedoch auch nur die immer gleiche und ganz und gar unsolidarische Sparpolitik der starken EU-Staaten. Verbal radikal und in ihren Taten beschwichtigend – ja sogar den Rechten zuarbeitend – zu agieren, gehört seit jeher zur SPÖ. Es ist eine Strategie, die ihr im letzten Moment viele Wahlen gewonnen hat, die aber auch dazu führt, dass Jahr für Jahr weitere Mitglieder das sinkende Schiff verlassen und immer weniger Linke auch nur einen Gedanken an sie verschwenden. Strache frontal zu konfrontieren, können wir – um ein von der SPÖ längst ausgemistetes Lied zu zitieren – nur selber tun!


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Februar 2013 Linkswende

Linke sollten EU nicht verteidigen

DEBATTE

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ls bekannt wurde, dass die Europäische Union 2012 den Friedensnobelpreis erhalten würde, reagierten viele mit Ungläubigkeit. Konnte man die Vergabe an Obama 2009 noch als naive Hoffnung des Nobelpreiskomitees auf rasche Beendigung der Kriege im Irak und in Afghanistan verstehen, mutet die Anerkennung der EU, an der so viel Blut klebt, nur noch zynisch an. „Frieden ist jetzt offenkundig. Krieg ist unvorstellbar geworden. Aber unvorstellbar ist nicht unmöglich. Europa muss sein Versprechen des Friedens halten.“ Die Nobelpreisrede von EURatspräsident Herman Van Rompuy wird der Lüge gestraft durch die Worte Giusi Nicolinis, der Bürgermeisterin von Lampedusa – jener italienischen Insel, die täglich Bootsflüchtlinge aus Nordafrika empfängt, sowie die Leichen derer, die am Weg ertrunken sind: „Die Anzahl derjenigen, die umgekommen sind, ist immer sehr viel höher als die Anzahl der Körper, die von der See zurückgegeben werden. Ich bin zutiefst empört angesichts der Normalität, die scheinbar jeden wie eine ansteckende Seuche erfasst hat. Das Schweigen Europas empfinde ich als Skandal angesichts des Massakers, dessen Ausmaße einem Krieg gleich kommen.“ Die EU hat mit ihrer gemeinsamen Grenzsicherungspolitik bereits Tausende Menschen ermordet – anders kann man es nicht nennen, wenn Flüchtlinge in Schlauchbooten im Mittelmeer ertrinken, weil ihnen alle legalen Einreisewege nach Europa verwehrt bleiben. So erzählt Giusi Nicolini in einem offenen Brief von aus EU-Geldern finanzierten Schnellbooten, die dazu eingesetzt werden, italienische Fischerboote einzukreisen und davon abzuhalten ertrinkenden Flüchtlingen das Leben zu retten. Mindestens 16.000 Menschen starben beim versuchten Eintritt

in die EU in den vergangenen 20 Jahren, 2.000 allein 2011, schätzt das Netzwerk Migreurop. Die EU sichert aber nicht nur ihre Grenzen mit Militärgewalt, sondern auch ihre Interessen in außereuropäischen Einflusssphären. Die Intervention Frankreichs in Mali und die sofortige Unterstützung aller EU-Staaten ist dafür nur das jüngste Beispiel. Der Einmarsch war lange geplant und bestens vorbereitet. Präsident François Hollande stilisiert sich damit zum Kämpfer gegen den internationalen Terrorismus und sichert gleichzeitig wirtschaftliche Interessen Frankreichs in Westafrika – etwa an den dort reichlich vorhandenen Bodenschätzen. Leidtragende der Auseinandersetzungen zwischen den internationalen Truppen und den islamistischen Milizen wird die Zivilbevölkerung sein – die ersten Toten gibt es bereits, mit bis zu 700.000 Flüchtlingen wird gerechnet. Aber auch gegenüber der eigenen Bevölkerung verhält sich die EU alles andere als friedlich. Massive Einsparungen führen zu gekürzten Sozialhaushalten in ganz Europa, und besonders in Griechenland wird das dem Staat von der Troika auferlegte Spardiktat für viele zur existenziellen Bedrohung. Hohe Arbeitslosigkeit, ein zusammengebrochenes Gesundheitssystem und ein Anstieg von Obdachlosigkeit sind die Folge und lassen die Menschen verzweifeln. Dass die Regierungen der EU-Staaten in den letzten 60 Jahren keine Kriege untereinander angezettelt haben, weil ein gemeinsames Vorgehen profitabler war, ist keine Leistung. Errichtet haben sie einen Frieden der Herrschenden auf dem Rücken ihrer Bürgerinnen und Bürger und auf den Leichen Tausender „Nichteuropäer“.

Die EU gibt Millionen aus, um die Rettung von Flüchtlingen zu verhindern.

Foto: Paul Trevor

von Tine BAZALKA

Faschismus kann aufgehalten werden

Der „Battle of Lewisham“ 1977 hat den Aufstieg der „National Front“ beendet.

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on Hitler kursiert ein vielsagendes Zitat aus dem Jahr 1934: „Nur eines hätte unsere Bewegung stoppen können – wenn unsere Gegner ihr Prinzip verstanden hätten und vom ersten Tag an den Kern unserer neuen Bewegung mit aller Brutalität zerschlagen hätten.“ Nur ist die Kernaussage des Zitats falsch (außerdem ist es schlecht rückübersetzt), weil Hitler darüber hinwegtäuscht, dass seine „Bewegung“ auch noch lange nach dem „ersten Tag“, nämlich zumindest bis zur Machtübergabe am 30. Jänner 1933, hätte gestoppt werden können – hätten sich seine Gegner auf entschlossene und gemeinsame Aktion einigen können. Auch hätte sein Regime nach dem Machtantritt noch gestürzt werden können. Der deutsche Gewerkschaftsbund ADGB wurde erst am 2. Mai 1933 zerschlagen und hat es bis dahin verabsäumt einen Generalstreik auszurufen, den das Nazi-Regime vielleicht nicht überstanden hätte. Andererseits klingt Hitlers Zitat gut, weil man einen Aufruf zu entschlossener antifaschistischer Aktion daraus ableiten kann. Den „Kern der (faschistischen) Bewegung mit aller Brutalität zerschlagen“– das spricht die besten Antifaschistinnen und Antifaschisten im tiefstem Herzen an. Die Schwierigkeit damals und heute ist aber nicht die Entschlossenheit der Besten, sondern sie ist politischer Natur. Die wirksamste antifaschistische Aktion bräuchte die Einigkeit möglichst aller antifaschistischen Kräfte. Faschismus begnügt sich nicht mit der Unterdrückung der radikalen politischen Strömungen oder der Arbeiterbewegung, Faschismus will sämtliche demokratischen Errungenschaften auslöschen. In Griechenland agiert die faschistische Partei „Goldene Morgenröte“ ohne demokrati-

schen Tarnmantel – ihre Überfallkommandos ermorden Ausländer auf offener Straße, überfallen ihre Geschäfte und bekommen dabei Rückendeckung von der Polizei. Die antifaschistische Demonstration am 19. Jänner in Athen war beispielhaft dafür, wie man den Aufstieg der Faschisten aufhalten kann. Faktisch alle demokratischen Kräfte haben sich daran beteiligt und es ist gut möglich, dass diese Machtdemonstration, dieses Zeichen der Einheit und Stärke, dem Aufstieg der Faschisten das Genick brechen wird. So ist es Ed Mosleys faschistischen „Blackshirts“ in Großbritannien ergangen, die 1936 in dem berühmten „Battle of Cable Street“ eine vernichtende Niederlage erlitten haben. Jüdische, irische, kommunistische und sozialistische Aktivisten und Aktivistinnen haben damals gemeinsam den Marsch der Blackshirts durch ein Einwandererviertel im „East End of London“ verhindert und Polizei und Faschisten zum Rückzug gezwungen. Bald darauf zerbrach die faschistische Bewegung. In der Wirtschaftskrise der 1970er Jahre wuchs erneut eine starke faschistische Partei, die „National Front“, heran. Wieder begingen die britischen Faschisten den Fehler, einen Marsch durch ein Einwandererviertel zu wagen, diesmal in Lewisham. Wieder kamen die Bewohner der Viertels und Linke zusammen, verhinderten den Marsch und widerstanden der Polizei im sogenannten „Battle of Lewisham“. Daraufhin gründete sich die „Anti Nazi League“, die ein landesweites Netzwerk aufbaute. Die National Front brach bald darauf auseinander. Einheit, Entschlossenheit und politische Klarheit über die Rolle der Polizei und über staatlichen Rassismus sind die Lehren, die wir aus diesen Erfolgen ziehen müssen.

Die linke Sicht der Dinge auf: DAS VERBOTSGESETZ von Manfred ECKER

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us linker Sicht gibt es mehrere Zugänge zum Verbotsgesetz: Das bestehende Gesetz geht nicht weit genug. Es wird nicht ausreichend angewendet. Es verleitet zu der irrigen Annahme, man könnte dem Aufstieg des Faschismus mit juristischen Maßnahmen beikommen. Das stimmt alles. Dennoch ist das Verbotsgesetz unbedingt zu verteidigen. Das bestehende NS-Verbotsgesetz, bzw. das Verfassungsgesetz vom 8. Mai 1945 über das Verbot der NSDAP, stand schon oft zur Diskussion.

Roland Miklau, ehemaliger Sektionschef im Justizministerium und Präsident der Österreichischen Juristenkommission etwa stellt sich laut profil eine Senkung des Strafrahmens und später (wenn alle unmittelbaren Holocaust-Opfer verstorben sind) die Aufhebung des Gesetzes vor. Diese Diskussion lebt soeben, da Gottfried Küssel in erster Instanz zu neun Jahren Haft verurteilt wurde, in rechtsextremen Kreisen wieder auf. Pro Jahr werden derzeit ungefähr 35 Urteile in Verfahren nach dem NSVerbotsgesetz gefällt. Die militanten Nazis in Österreich sind deshalb in

die Illegalität gezwungen und können ihre Meinung nur bedingt frei äußern, und das ist gut so. Denn es erschwert den Aufbau harter neonazistischer Organisationen. Mehr als deutlich ist allerdings zu sehen, dass das Verbotsgesetz den Aufbau neonazistischer Organisationen kaum jemals verhindern wird. Ein Blick auf die schlagenden Burschenschaften, aus welchen die FPÖ ihre Parteikader rekrutiert, genügt um zu sehen, dass das Gesetz niemals ausreichend angewendet wurde. §3a besagt: „Strafbar macht sich, wer versucht, eine gesetzlich aufgelöste nationalsozialistische Organisation

aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen oder mit einer solchen Organisation oder einer in ihrem Namen handelnden Person in Verbindung zu treten.“ Burschenschaften wie die Olympia kommen ohne jede Tarnung davon, weil sie selbst ungewöhnlich stark in der Justiz vertreten sind, bzw. diese systematisch unterwandert haben und weil Faschismus unter vielen Akademikern lange Zeit als salonfähig gegolten hat. Anderen Neonazis, die sich nicht in so abgeschirmten Zirkeln bewegen wie die Burschenschaften es tun, macht es das Verbotsgesetz sehr leicht sich zu tarnen. Ein Grund da-

für ist, dass es seit Kriegsende genügt hat, sich als österreichischer Patriot darzustellen, denn um Nazi (NSDAPler) zu sein, und nur um die geht es im Verbotsgesetz, musste man „großdeutsch“ gesinnt sein. Schon 1945 wurde scharenweise SSlern volle Rehabilitation zugesichert, wenn sie nur unterschreiben würden, dass sie sich zur österreichischen Nation bekennen. Das bringen sie leicht übers großdeutsche Herz, wie wir bei Strache und Konsorten sehen können. Dabei können sie offen dem Faschismus huldigen, nur eben nicht direkt der NSDAP.


Linkswende Februar 2013

Rektor Heinz Engl: Der Teufel im Rektorat Heinz Engl, Rektor der Universität Wien, lässt Überwachungskameras installieren, hetzt Polizei-Sonderkommandos auf Studis und schafft Studiengänge ab. LINKSWENDE berichtet über die Verbrechen von Rektor Engl.

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ektor Engl schafft für ihn politisch unbequeme Studiengänge ab, wie zum Beispiel das Studium Internationale Entwicklung (IE), das er im Sommersemester 2012 abdrehte. „Universität soll eine langfristig nutzbare Grundausbildung sein,“ so Engl. „In einigen Fächern steht sehr wohl eine konkrete Berufsausbildung oder -vorbildung im Vordergrund. [...] wir können uns nicht mehr jede Studienrichtung leisten.” Im April 2012 hetzte er das Polizei-Sonderkommando WEGA auf Studierende, die unter anderem gegen die Abschaffung der IE demonstrierten, und bezeichnete Polizeieinsätze in der Uni als „selbstverständlich“. Er kriminalisiert legitime Proteste und lässt Matrikelnummern von aufmüpfigen Studis aufschreiben. Am 20. und 21. April 2012 sperrte er Studierende von der Uni aus und beschuldigt die Demonstrierenden, sie seien schuld am Ausfall der Lehrveranstaltungen. Doch später gesteht er: „Rückwirkend gesagt: Wir hätten aufsperren sollen.“ Nicht zuletzt ließ Engl Überwachungskameras an der Universität Wien installieren. Es genügt ihm offenbar nicht, für ihn politisch unbequeme Lehrinhalte aus der Uni zu drängen und Studierende zu kriminalisieren. Nein, er

muss seine Studis unter Generalverdacht stellen und sie rund um die Uhr überwachen. Er führte im April 2012 autonome Studiengebühren ein. Im

August 2011 meinte er noch: „Ich äußere mich nicht zu Studiengebühren… das ist eine politische Frage, die die Regierung zu entscheiden hat.“

Als der Verfassungsgerichtshof schwere Zweifel an der autonomen Einhebung von Gebühren erhob, sah Rektor Engl keinen Grund für eine Rückzahlung der Studiengebühren, obwohl er bei der Einführung noch versicherte: „Wenn der Verfassungsgerichtshof auch nur einen Fall als verfassungswidrig aufhebt, werden alle die bezahlten Studiengebühren zurückbekommen.“ Rektor Engl betreibt neoliberale Politik und seine Maßnahmen sind ideologisch geprägt. Aus welchem ideologischen Holz er geschnitzt ist weiß man, wenn man seinen Werdegang kennt. Als Gründer der Firma MathConsult GmbH, die u.a. Software-Programme für hochriskante Finanzprodukte vertreibt, verspürt Engl wohl eher eine gewisse Affinität zu Banken und Hedgefonds. Mit diesen Eigenschaften ausgestattet ist Rektor Heinz Engl ein treuer und untergebener Verbündeter von Wissenschaftsminister Töchterle: „Ich wünsche ihm alles Gute, die Forderungen, die er selbst mit uns [Rektoren] gemeinsam gestellt hat, auch durchzusetzen.“ Sie erhoffen sich wohl an der UniWien, der größten Uni in Österreich, ein Exempel in neoliberaler Hochschulpolitik zu statuieren. Doch was sie an der Uni Wien erwarten wird, ist Gegenwind.

Studierendenproteste in Québec: So wird’s gemacht! von Hannah KRUMSCHNABEL

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tudierende in der kanadischen Provinz Québec haben 2012 gegen eine Erhöhung der Studiengebühren um 82% rebelliert und einen beeindruckenden Sieg davongetragen. Vollversammlungen hatten einen Streik beschlossen, an dem sich 300.000 der 400.000 Studierenden beteiligten und der die Universitäten monatelang lahm legte. Dazu kamen regelmäßige Massendemonstrationen mit zehntausenden Teilnehmerinnen und Teilnehmern, die von weiten Teilen der Gesellschaft unterstützt wurden. Die Studierenden bemühten sich etwa um gemeinsame Aktionen mit Arbeiterinnen und

Arbeitern von Rio Tinto, deren Stellen abgebaut wurden, oder mit öffentlich

Bediensteten, die von Kürzungen bedroht sind. Gewerkschaften schlossen sich an die Proteste an. Trotz massiver

Versuche der Regierung, die Aktivistinnen und Aktivisten zu kriminalisieren und die Bewegung zu schwächen, hielt

der Widerstand an und erzwang schließlich Neuwahlen. Die neue Regierungspartei Parti Québécoise nahm

Studierende in Quebec wurden von der Polizei gefragt, welche Demonstrationsroute sie gehen werden. Dieses Bild schickten sie zurück.

die Studiengebührenerhöhung vorerst zurück, bietet aber ansonsten keine wirkliche Alternative zur vorherrschenden neoliberalen Politik. Die Bewegung steht nun vor der Herausforderung, sich von ihr nicht den Wind aus den Flügeln nehmen zu lassen. Sie will weiterkämpfen, nun für die Abschaffung jeglicher Studiengebühren. Eric Martin, Aktivist und politischer Autor in Québec, betont, dass die Nachwirkungen von 2012 andauern werden: „Aus der Perspektive des politischen Bewusstseins der Jugend hat die Bewegung ein Erdbeben ausgelöst, dessen langfristige Wirkung sich noch gar nicht ermessen lässt.“

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„Sonderklassen“

Ghettobildung bei den Jüngsten von Karin WILFLINGSEDER

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ereits ab dem kommenden Jahr werden Kinder mit Sprachdefiziten in Vorschulklassen separiert anstatt in die Regelschule aufgenommen zu werden. Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) hatte bisher stets gegen die Ghettobildung ­argumentiert. Nun will sie bundesweit die Wiener Maßnahmen adaptieren und als Teil eines Bildungskonzeptes schmackhaft machen. Sprachwissenschaftler Rudolf de Cillia kritisiert den Populismus statt Pädagogik solcher Maßnahmen: „Wenn jetzt Schulreife so definiert wird, dass man die Bildungssprache gut genug beherrschen muss, dann ist das pädagogisch nicht sinnvoll. Das ist eine Diskriminierung nach sprachlichen Kriterien.“ Zwei Bildungsexperten der Universität Wien, Krumm und de Cillia, fordern einen Fokus auf Sprachförderung im Kindergarten. Nötig wären zwei kostenlose und verpflichtende Kindergartenjahre sowie ein besserer Betreuungsschlüssel. Individuelle (Sprach-)Förderung ist für eine Elementarpädagogin mit 25 Kindern und einer Assistentin für 20 Stunden pro Woche, die nebenbei Küchen- und Reinigungsarbeiten erledigen muss, nicht umsetzbar. Zurzeit bezahlt der Bund fünf Millionen Euro im Jahr für circa 200.000 Kindergartenkinder, also 25 Euro pro Kind. Die Qualität eines Bildungssystems und der Sprachförderung hängen letztlich davon ab, ob finanzielle Mittel für effektive bildungspolitische Maßnahmen eingesetzt werden. Frustrierten Schülerinnen und Schülern kann Lust am Lernen nur sehr schwer wieder zurückgegeben werden. Statt ihre Potenziale wahrzunehmen, werden Kinder als Problemkinder abgestempelt. Viele kommen aus dieser zugewiesenen Rolle nicht mehr raus. Die geplanten Maßnahmen verschärfen ein bestehendes Problem. Soziale Selektion erschwert Kindern aus Arbeiter- bzw. Migrantenfamilien den Zugang zu höherer Bildung und Berufen. Germanist Hans-Jürgen Krumm warnt vor den Folgen: „Es wirkt diskriminierend auf Kinder, wenn ihnen gesagt wird, sie dürfen aufgrund der Sprachkenntnisse noch nicht in die Schule gehen. Probleme könnte es auch bei der späteren Jobsuche geben.“ Die Chancenungleichheit wird jedes Jahr durch internationale Studien bewiesen. Die Ergebnisse des österreichischen Bildungsberichts bestätigen erneut die verschärfte soziale Selektion. Drei Viertel der 17-jährigen, deren Eltern die Matura ablegten, besuchen eine AHSOberstufe bzw. eine BHS. Haben die Eltern eine Hochschule abgeschlossen, liegt der Anteil bei über 90%. Drei Viertel der 17-jährigen, deren Eltern mit Matura und über 90% derer, deren Eltern eine Hochschule abgeschlossen haben, besuchen eine AHS-Oberstufe bzw. eine BHS. Unter gleichaltrigen Mitschülerinnen und Mitschülern, deren Eltern maximal einen Pflichtschul- oder Lehrabschluss haben, sind es nur knapp 20 bzw. 40%. An den Hochschulen haben nur sieben Prozent der Studienanfänger einen Vater mit Pflichtschulabschluss. Empfohlen wird von Expertinnen und Experten der Ausbau der Ganztagsschule. Diese verschränkte Form mit einem ganztägigen Wechsel von Freizeit, Betreuung und Unterricht hat die SPÖ-Bildungsministerin nicht gegen die ÖVP durchsetzen können. Nun geben sie und ihr Parteikollege, der Wiener Bürgermeister Häupl, der elitären und diskriminierenden ÖVP-Politik nach.


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Februar 2013 Linkswende

Postfach

Die hier veröffentlichten Briefe und Berichte repräsentieren nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion von Linkswende.

Brief eines afghanischen Flüchtlings

Briefe einer alleinerziehenden Studentin an die ÖH Liebe ÖH Wien! (11. Dezember 2012)

Hallo ÖH Wien! (2. August 2012)

Wie ich schon des Öfteren geschrieben habe – BITTE antwortet mir! Schon seit MÄRZ versuche ich mit euch in Kontakt zu treten und nie bekomme ich eine Antwort. Wahrscheinlich fühlt ihr euch noch weniger um meine Sorgen bemüht, aber ich versuche es erneut. Ich bin eine Mutter deren Sohn in den Campus Kiga geht. Leider ist der Konflikt zwischen euch und dem Verein auf eine sehr unbefriedigende Art zu Ende gegangen. Zu dem Konflikt will ich mich nicht mehr äußern, DOCH schreibe ich euch an, weil ich euch noch immer als Ansprechpartner sehe – ich bin Studentin und alleinerziehende Mutter – und ihr sollt mich vertreten! Wie ihr wisst bekommt der Kiga keine finanzielle Unterstützung mehr von euch. Jetzt ist es so, dass die Beiträge für alle Eltern ab 1.12.2012 erhöht werden – ein Fakt der für mich schwer zu tragen ist. Könnt ihr mir helfen? Habt ihr einen Fonds mit dem Geld angelegt um StudentInnen, die auch Eltern sind, finanziell zu unterstützen?

Wie? Soll, das heißen, dass die Kindergartenplätze ab diesem Herbst gefährdet sind?

Ich habe meinen Sohn im ÖH Kiga angemeldet; unter den Bedingungen wie sie waren, über euer Büro, und ich sehe nicht ein, warum dieser Vertrag gebrochen wird. Mit besten Grüßen, Kristin

Warum meldet ihr euch erst jetzt? Seit März versuche ich mit euch in Kontakt zu treten – habe versucht euch anzurufen (auf einen versprochenen Rückruf warte ich noch immer – und dieser Anruf wurde nicht nur einmal versprochen), hab euch einige Mails geschrieben – eine Antwort hab ich nie bekommen und ich bin auch beim ÖH Büro (auch zur Öffnungszeiten des Kinderbüros) vorbeigekommen – immer wurde mir gesagt, dass niemand da ist der sich zuständig fühlt – ganz ehrlich, ich verstehe das nicht! Vielleicht habt ihr ja eine Antwort darauf! Aber mal abwarten und Tee trinken, eine Antwort werde ich wahrscheinlich nicht bekommen … und dann warte ich und warte ich und ab Herbst kann es sein, dass ich ohne Kindergartenplatz da stehe – als Studentin und Alleinerzieherin! Aber vielleicht hab ich, das ja alles falsch verstanden. Wann war überhaupt dieses Treffen? Soviel ich weiß, gehen alle davon aus, dass ihre Plätze zumindest für ein Jahr gesichert sind … also echt, ich kenn mich überhaupt nicht mehr aus – aber es will hier eh niemand für Klarheit sorgen. Mal abwarten … Kristin Ganahl

Das Warten treibt mich in den Wahnsinn!

Wie Rustam geht es vielen Flüchtlingen in Österreich. Bild: Flüchtlinge im Hungerstreik in der Votivkirche.

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ch habe in meinem Job in Afghanistan 1000 Dollar pro Monat verdient und war voll krankenversichert, lebte mit Mutter und Vater, Bruder und Schwester unter einem Dach, wir freuten uns des Lebens und waren glücklich. Ich hätte mir nie träumen lassen, tausende Kilometer entfernt von meiner Familie zu sein, für Tage Wochen, Monate, Jahre. Aber mit einem Mal brach eine lebensgefährliche Situation über mich herein, alles hat sich geändert, das Lachen verwandelt sich in Weinen und Tränen begannen zu fließen. Hattest du jemals gedacht, dass dein Vater vor deinen Augen zu weinen anfangen könnte? Hast du es jemals für möglich gehalten, dass ein Fremder kommen könnte und beginnt, deinen Bruder vor den Augen deiner Familie zu schlagen? Dachtest du jemals, dass ein Maskierter deine Mutter anschreien und schlagen könnte, oder dass jemand deinen 16 Jahre alten Bruder vor deiner Familie die Hand bricht und sie anschreit, wo der Sohn sei, nach dem er sucht? Ja, du vermutest richtig, es waren die Taliban, die nach mir suchten. Alles nur, weil ich mit der UNO am Bildungssystem meines wunderschönen Landes Afghanistan arbeitete.

Schließlich, unter tausenden von Problemen, Hunger, nächtelanger Schlaflosigkeit und dem Geschrei von Schleppern, hoffte ich auf ein Leben als Flüchtling in einem europäischen Land. Als ich in Österreich ankam, hoffte ich darauf mein Studium fortsetzen zu können, mich vielleicht mit meinen Erfahrungen einbringen zu können, und hegte tausend Hoffnungen. Kann sich irgendjemand von euch vorstellen, was mit euch geschieht, wenn all eure Träume, Hoffnungen und Wünsche sterben? Vielleicht ein paar von euch, aber nur jene, deren Herz tage-, wochen-, monate- und jahrelang gelitten hat. Dies ist das zweite Jahr, das ich auf eine Asylgenehmigung warte. Alle Wünsche und Träume sind erloschen ¬– bis auf den Wunsch keine Wünsche mehr zu haben. Ich erhalte von öffentlicher Seite pro Monat 290,00 Euro, um damit Miete, Strom, Gas und Nahrung zu bestreiten – 290! Ich bin sicher, dass die meisten, wenn sie das lesen, meine Gefühle nachvollziehen werden können. Weil ich an manchen Tagen nichts zum Frühstück und nichts zum Abendessen habe, ist das, was ich einmal in 24 Stunden esse, sehr köstlich für mich. Das was ich in 24 Stunden esse, nenne ich Toast mit Butter. Warten

SCHREIB UNS Linkswende lebt von Kommentaren, Reaktionen und Berichten. Deshalb die Bitte an dich: Schreib uns! Wir freuen uns über Post und drucken gerne die eingesendeten Beiträge ab. E-Mail: redaktion@linkswende.org Post: Linkswende, Postfach 202, Kettenbrückengasse 5, 1050 Wien

Dies ist das zweite Jahr, welches ich auf das Ergebnis der Behörden warte, das eine weitere Ablehnung sein könnte, oder vielleicht die Zuerkennung eines Status als Flüchtling,

und ich hoffe dass dieses Warten, das mich in den Wahnsinn treibt, mich nicht auch ins Grab treibt, bevor ich das Ergebnis erfahre. Ich weiß, dass ein paar meiner Freunde bereits vier bis sechs Jahre auf die Bescheide warten. Ich bitte dich, deine Augen zu schließen und dir vorzustellen, dass du sechs Jahre auf eine Entscheidung wartest. Nach jeder Nacht laufe ich als erstes am Morgen zum Postkasten um nachzusehen, ob nicht ein gelber Zettel vom Postamt eingetroffen wäre, der einen Brief vom Asylamt ankündigt. Ich finde jedoch nur Flugblätter von Supermärkten, deren Preise meine Möglichkeiten mit 290 Euro pro Monat übersteigen. Ich zahle 110 Euro für mein Zimmer! Wenn die Polizei unsere Ausweise kontrolliert und wir auf Deutsch angesprochen werden, werden wir manchmal gefragt, warum unser Deutsch so schlecht ist, wo wir doch ein, zwei, drei Jahre lang hier leben. Damit haben sie grundsätzlich recht, aber sie machen sich keine Gedanken darüber, wie man, ohne die Erlaubnis zu arbeiten, ohne den Gesprächen mit Arbeitskollegen und ohne eine Chance Geld zu verdienen, besser Deutsch lernen soll. Die Kurse kosten pro Semester 250 bis 300 Euro. Es gibt mehr als 500 afghanische Flüchtlinge mit mehr als 500 schmerzhaften Erfahrungen, und ich bin einer von ihnen. Beste Grüße, Rustam Aziz (Name von der Redaktion geändert)

STATEMENT DER NPA

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ie französische Neue Antikapitalistische Partei (Nouveau Parti Anticapitaliste, NPA) verurteilt den Kriegseinsatz in Mali und wirft Präsident Hollande Heuchelei vor. Wer hat noch einmal behauptet, Afrika sei nicht mehr französisch? Während des Wahlkampfs konnte Präsident Hollande nicht oft genug betonen, dass die Zeit der französischen Unterdrückungspolitik in Afrika vorbei sei. Während eines Besuchs in Dakar im Oktober bemerkte er sogar: »Es gibt Frankreich und es gibt Afrika« [kein »Franz-

afrika«, ein Begriff, der die Kontrolle Afrikas durch Frankreich ausdrücken soll, d. Red.]. Wer‘s glaubt wird selig! Nur drei Monate später verantwortet er den Beginn der französischen Militärintervention in Mali. In drei Monaten ist er von »Wir intervenieren nicht« über »Wir schützen unsere Staatsangehörigen« bis zum Krieg gekommen. Die einstige Kolonialmacht hat nicht umsonst noch Truppen auf dem Kontinent stationiert. Im Sinne aller bisherigen französischen Regierungen spielt sie

sich zum Gendarm auf dem afrikanischen Kontinent auf, der, je nach seinen Interessen, diejenigen Regierungen unterstützt, die nach seiner Pfeife tanzen. Die islamistische Bedrohung ist da nur vorgeschoben. Die NPA verurteilt die von Hollande beschlossene Militärintervention, die einmal mehr der Bevölkerung schaden wird. So werden sich die Malier sicher nicht von jeder Art des Fundamentalismus befreien können. Original Statement auf: npa2009.org Übersetzung: Paula Rauch

Foto: Nouveau Parti Anticapitaliste

Französische Linke gegen Krieg in Mali


Linkswende Februar 2013

Robert Hauer verhaftet

so bleiben wir doch treu.“ Es handelt sich dabei um einen as Jahr 2013 begann Verweis auf das „Treuelied“ mit der Verhaftung von der SS. In einem Witikobrief Robert Hauer, langjähriger aus 1974 steht: „Zu den geLinzer FPÖ-Gemeinderat waltigsten Geschichtslügen und Träger des Großen Ehder jüngsten Vergangenheit renzeichens der Stadt Linz. gehören die 6 Millionen JuDem ehemaligen Aktivisten den“. In den 1970er Jahren des rechtsextremen Bundes wurde gemeinsam mit der freier Jugend wird vorgeworWikingjugend (einer mittlerfen unter dem Deckmantel weile verbotene Nachfolgeorseines gemeinnützigen Verganisation der Hitlerjugend) eins „Wirtschaft und „ReichsgründungsfeiKultur in Generatioern“ abgehalten. nen“ (WIKUL) mit Hauer, seit 2007 Vor„Sudetendeutsch“ kam in der ZwiKriegsmaterial aus dem sitzender des Witikoschenkriegszeit als Bezeichnung für ehemaligen Jugoslawien bundes Österreich, die etwa 3 Millionen Deutschen in gehandelt zu haben. wird sich künftig böhmischen Ländern auf. Gauleiter WIKUL ist jedoch wohl auf seine StellKonrad Henlein rühmte sich damit das nicht der einzige Ververtreter verlassen Sudetenland als ersten Reichsgau „juein, in dem Hauer eine müssen. Diese sind denfrei“ gemacht zu haben, mit starker führende Funktion zum einen Horst RuUnterstützung der Bevölkerung. Heute ausübt. 2003 wurde er dolf Übelacker, von wird der Begriff hauptsächlich von Stellvertreter des da1996 bis 2006 Vorrevanchistischen Verbänden benutzt. maligen Vorsitzenden sitzender des Bundes Nicht einschlägig Belastete bezeichdes Witikobundes Ösin Deutschland, Vornen sich lieber als „Deutschböhmen“ terreich und Vorstandsstandsmitglied der oder „Schlesier“. mitglieds des WitikoSu d e t e n d e u t s c h e n bundes Deutschland, Landsmannschaft und FPÖ-Nationalratspräsi1990/91 Mitglied der dent Martin Graf. Alle sieben geleugnet. Im Februar 1995 rechtsextremen Partei RepuGründungsmitglieder des las man im Mitteilungblatt blikaner. Nach seiner PensioWitikobundes in Deutsch- des Bundes, dem Witikobrief, nierung zog er nach Linz, wo land waren Mitglieder von über ein Seminar des Landes- er 2009 für die FPÖ in den NSDAP oder SS, wie etwa verbands Bayern: „Alt und Gemeinderat einzog. Hauder Leiter der Hitlerjugend Jung […] verabschiedeten ers zweiter Stellvertreter ist im Sudetenland oder der sich am Ende bis zum nächs- Manfred Haimbuchner, LanGestapo-Chef Belgrads. ten Mal in der Gewissheit: desparteiobmann der FPÖ in Das Ziel des Bundes deckt Wenn alle untreu werden, Oberösterreich.

von Peter HERBST

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sich mit jenem der Sudetendeutschen Landsmannschaft, das 1961 von Lodgman von Auen erklärt wurde: „Der Ausgangspunkt einer jeden deutschen Politik im Osten sind die tatsächlichen Grenzen Deutschlands, als es 1939 in den Krieg eingetreten war.“ Dazu wird Wiedergutmachung für die 1945 erlittene Niederlage gefordert, die NS-Verbrechen werden

Flüchtlingsprotest Hungerstreikende halten weiter durch

von Oliver MARTIN

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eit einem Monat sind die Flüchtlinge in der Votivkirche mittlerweile im Hungerstreik. Mit jedem weiteren Tag wird die Lage kritischer, der Notarzt ist täglich im Einsatz und kontrolliert ihren Gesundheitszustand. Trotzdem wollen die Flüchtlinge weiter für ihre Rechte kämpfen. Sieben Verhaftungen Am 12. Jänner 2013 fand ein Treffen zwischen Flüchtlingen und Unterstützerinnen und Unterstützern in der nahegelegenen Fakultätsvertretung der Humanund Sozialwissenschaften statt. Dorthin gesellten sich aber auch ungebetene Gäste: Nachbarn hatten, vermutlich aus rassistischen Motiven, die Polizei gerufen und behauptet, es gäbe eine Schlägerei. Der Vorwurf stellte sich zwar als falsch heraus, trotzdem wurden die Papiere aller Anwesenden kontrolliert und sieben Flüchtlinge mit prekärem Status festgenommen. Vier von ihnen sind nach wie vor in Schubhaft. Sie alle sind akut von Abschiebung bedroht: drei nach Pakistan,

Foto: Foto: Daniel Daniel Weber Weber

Witikobund:

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Jean Ziegler bei den Flüchtlingen in der Votivkirche

und ein algerischer Staatsbürger soll im Rahmen des Dublin II-Abkommens nach Ungarn abgeschoben werden. Letzteres ist eines der konkreten Probleme, gegen die die Flüchtlinge kämpfen, denn in Ungarn gibt es schwere Menschenrechtsverletzungen in der Behandlung von Flüchtlingen. Auch das UN-Flüchtlingshochkommisariat UNHCR hat diese Abschiebungen nach Ungarn wiederholt kritisiert. Drei der inhaftierten Flüchtlinge setzen in der Schubhaft ihren Hungerstreik fort,

auch zwei weitere Häftlinge haben sich ihnen angeschlossen. Tags darauf besuchte Jean Ziegler, ehemaliger UNSonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung und ehemaliges Mitglied des Menschenrechtsrats, die Flüchtlinge. Er solidarisierte sich mit ihren Anliegen, las aus der Allgemeinen Deklaration der Menschenrechte vor und kündigte an, UNFlüchtlinkshochkommissar António Guterres vom Protest in der Votivkirche zu berichten.

Syrien: Mit Rettungswägen und Hilfsgütern gegen Assad Khaled J., Sprecher des „Koordinierungskomitees zur Unterstützung der syrischen Revolution“, organisiert von Wien aus Hilfslieferungen für Flüchtlinge in Syrien. David ALBRICH sprach mit ihm über seine Motivation, Projekte des Komitees und den Kampf gegen Baschar al-Assad.

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ringliche Anfrage: Wir bräuchten noch tatkräftige Unterstützung, um die die Waren schnell beladen zu können.“ Khaled organisiert via Facebook die Beladung eines von insgesamt zwei LKWs, die Hilfsgüter nach Syrien bringen sollen. Innerhalb von nur zwei Wochen sammelte die Gruppe um das Unterstützungskomitee bergeweise Kleider, Decken, Schuhe und allerlei andere Dinge des täglichen Bedarfs. Mittlerweile haben beide Ladungen ihr Ziel erreicht. „Uns war es wichtig, dass die Hilfsgüter zu den Flüchtlingen in Syrien selbst gelangen, nicht in Lager in anderen Ländern“, erzählt Khaled. Über die Grenze zu kommen sei kein Problem, weil einige Übergänge bereits von der Freien Syrischen Armee (FSA) kontrolliert werden. Es war nicht die erste Hilfsaktion. „Wir haben aus Deutschland alte Rettungswägen organisiert, sie hergerichtet und mit Medikamenten und

Verbandszeug ausgestattet“, erzählt Khaled. „Die werden dann zum Beispiel in den provisorischen Feldlazaretten eingesetzt.“ Das ist das „Mindeste“, sagt Khaled, wie er die Revolution von hier aus unterstützen kann. „Da ist eine völlig neue Generation auf den Straßen.

Sie sind unter dem brutalen Regime Assad aufgewachsen.“ Khaled berichtet von den Foltermethoden des Regimes: Gefangenen werden die Fingernägel rausgerissen, Augen ausgestochen und mit Messern so lange aufgeschlitzt, bis der Tod eintritt. „Das sind die mutigsten Menschen der Welt“,

Aktivisten beim Verladen der Hilfsgüter in Wien.

ist Khaled stolz. „Die wissen über das Risiko Bescheid, und führen die Revolution dennoch an.“ Das Komitee, in dem Khaled erst kürzlich zu einem der zwei Mediensprecher gewählt wurde, sammelt Spenden, organisiert Konzerte und arbeitet auch mit dem Österreichisch-Arabischen Kulturzentrum (OKAZ) zusammen. Seit Beginn der Revolution stehen sie jeden Sonntag am Wiener Stephansplatz um auf die Gräueltaten des Regimes

aufmerksam zu machen. Sie bereiteten die Hilfslieferung gemeinsam mit dem Hauptorganisator „Humanic Relief“ vor, einer humanitären Organisation, die in der Antikriegsbewegung nach den Angriffen auf den Irak gegründet wurde. Khaled kommt aus Homs, der viertgrößten Stadt Syriens. Ein einschneidendes Erlebnis war für ihn der mächtige kurdische Aufstand im Norden des Landes im März 2004, den Assad brutal niederschlagen ließ. 33 Kurden wurden erschossen, 400 verletzt und 2.000 verhaftet. Als Khaled zu Beginn der Revolution auf einer Versammlung von Syrern in Wien AssadUnterstützern gegenüber sitzt, entschließt er sich jene tatkräftig zu unterstützen, die ihn stürzen wollen. Ein paar Jungs statteten dem Chef der Fluglinie „Syrian Airlines“ in Wien 2011 zwei Besuche in seinem Büro in Wien ab, weil dort ein AssadPortrait an der Wand hing. Das erste Mal rissen sie das Bild von der Wand. Als er es wieder aufhängte, kamen sie ein zweites Mal und bewarfen es mit rohen Eiern. Die darauffolgende Flucht vor der Polizei wird stolz per

Video auf Youtube gezeigt (Suchwort: „Syrian Airlines Vienna“). Khaled dazu: „Ich versteh' die Jungs. Ein Bild von Assad, dem Volltrottel, hat an keiner Wand etwas verloren. Ich würde es auch tun.“ Im März stürmten sie eine Pro-Assad-Demonstration in Wien und übertönten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit Sprechchören. Khaled verteidigt die syrische Revolution. Über westliche Kommentatoren, die den syrischen Aufstand aufgrund der schnellen Militarisierung kritisieren, kann Khaled nur lachen: „Was machst du, wenn du angegriffen wirst? Du wehrst und bewaffnest dich.“ Woher die Waffen kommen, ist dabei egal. Man nimmt, was man bekommt. Khaled spricht sich allerdings klar gegen eine militärische Intervention wie in Libyen aus: „Die Amerikaner wollen ein Stück vom Kuchen, klar, aber wir wollen das alleine in die Hand nehmen.“ Auf die Frage, warum er sich so für andere Menschen einsetzt, antwortet er bescheiden, als wäre es eine völlige Selbstverständlichkeit: „Ob Muslim, Christ oder Atheist – solange es Ungerechtigkeit in der Welt gibt, bin ich mit ihm.“


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Februar 2013 Linkswende

Aktionstag J19: Ob Ost – ob West, nieder mit der Nazipest!

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eltweit demonstrieren zig Tausende am 19.Jänner in Solidarität mit der griechischen Bewegung gegen Neofaschismus. Proteste gab es in unter anderem in Moskau, Chicago, Sydney, Barcelona, London, Warschau, New York, Berlin. Vor die griechische Botschaft in Wien kamen circa 40 Menschen. Die Griechin Katerina Anastasiou erklärte: „Xrisi Avgi muss gestoppt werden!“ Dominique aus Griechenland stimmt zu: „Der Faschismus in Griechenland ist absolut furchterregend!“ Helga von der SLP betonte, dass der Sozialabbau und der Staatsrassismus den Nährboden für Neofaschismus aufbereitet und forderte Solidarität mit den widerständischen Flüchtlingen in der Votivkirche. Karin erzürnte, dass Verehrer des 1000jährigen Reiches auch im österreichischen Parlament sitzen. Sie rief zum Widerstand: „Wir, alle Antifaschistinnen und Antifaschisten, sollten die FPÖ ein für allemal enttarnen, sie im Wahljahr 2013 nicht mehr aus der Defensive lassen.“ Die Zuhörenden skandierten: „Ob Wien, Dresden oder Athen – Antinaziblockaden werden weitergehen!“ Wegen dem Skandalurteil gegen Tim in Dresden (siehe unten) zogen die Demonstrierenden von der griechischen zur deutschen Botschaft. Walter zog die Verbindung: „Die deutsche Regierung ist mit dem unsozialen Spardiktat mitverantwortlich für den Aufstieg der griechischen Faschisten!“ Die Teilnehmenden riefen: „Hoch die internationale Solidarität!“

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Enrique Ravello

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in Berliner Antifaschist ist wegen Landfriedensbruch, Körperverletzung und Beleidigung zu einer 22-monatigen Gefängnisstrafe ohne Bewährung verurteilt worden. Der 36-jährige Tim H. soll im Februar 2011 im Rahmen der Blockadeaktionen gegen den alljährlichen Naziaufmarsch in Dresden per Megafon andere Demonstrierende zum Durchbrechen einer Polizeikette aufgerufen haben. Als Begründung für das Dresdner Skandalurteil reichte dem Richter eine verpixelte Polizeifilmaufnahme, auf welchem ein Megaphon zu sehen und der Ausspruch „alle nach vorn“ zu hören ist. Solidarität mit Tim! Betroffen sind einige, gemeint sind wir alle!

Lega Nord

Schon unter Jörg Haider hielt die FPÖ gute Beziehungen zu Ex-Lega NordChef Umberto Bossi. Zuletzt zeigte man sich bestrebt die Zusammenarbeit verstärken zu wollen. Innerhalb der Lega Nord gilt es zum guten Ton zu bedauern, es sei „leichter, Ratten zu vernichten als Zigeuner auszurotten.“ (Umberto Bossi)

Foto: Linkswende

Solidarität mit Tim

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Beauftragter für internationale Beziehungen der „Plataforma por la Libertad“ außerdem bei der rechtsextremen Vereinigung „Tierra y Pueblo“ aktiv, ehemals Mitglied der neonazistischen CEDADE.

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Dresden Nazifrei:

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Ein brandgefährliches Netzwerk:

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Toch im Par nal zu feindli

Schlagende Burschens von Manfred ECKER

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ie schlagenden Burschenschaften in Österreich stellen seit jeher die Kader der FPÖ. Seit Strache (Burschenschaft Vandalia) beherrschen sie die Partei offen und direkt. Wenn irgendjemand noch einen Beweis braucht, dass die FPÖ eine waschechte faschistische Partei ist, der sollte einen genaueren Blick auf diese Kaderschmieden und ihre Verbindungen werfen. Nach dem Krieg gingen aus Österreichs Burschenschaften die wichtigsten Neonazigrößen hervor. So der NDP-Gründer und verurteilte Terro-

rist Norbert Burger, der mit seinen Kumpanen eine Blutspur von 30 Toten in Italien hinterließ. Er war Mitglied und „Alter Herr“ bei der Burschenschaft Olympia, und aufgrund seiner Präsidentschaftskandidatur im Jahr 1980 wohl der prominenteste Alt- und Neonazi der Nachkriegszeit. Gerd Honsik kommt aus der Wiener Burschenschaft Rugia-Markomannia, war ebenfalls führendes Mitglied der 1988 verbotenen NDP und wurde wegen Holocaustleugnung strafrechtlich verurteilt. Er sagte selbst er stamme aus einer „Familie von anständigen Nationalsozialisten“. Der aus „Schindlers Liste“ berüchtigte KZ-Komman-

dant Amon Göth war sein Onkel. Gottfried Küssel, der soeben in erster Instanz zu neun Jahren Haft verurteilt wurde, stammt wie Honsik aus der Rugia-Markomannia. Er war Anführer der VAPO (Volkstreue Außerparlamentarische Opposition), einer militanten Neonazi-Organisation, die bei ihren Wehrsportübungen das Verprügeln und Besiegen (Töten) von „Vertretern des verhassten Systems“ (Linken, Kommunisten und Ausländern) trainiert hatte. Franz Radl, stammt aus der Burschenschaft Teutonia und war wie Küssel Mitglied der VAPO. Er ist wegen nationalsozialistischer Wieder-

betätigung verurteilt und kandidierte auf der Liste „Nein zur Ausländerflut“ von Horst Jakob Rosenkranz. Pikanterweise war gerade er Sprecher des WKR (Wiener Korporationsring), der Veranstalter des WKR-Balles war. Heinz Christian Strache gilt als „guter Bekannter“ Radls. Martin Graf ist „Alter Herr“ bei der Burschenschaft Olympia, deren Programm laut Urteil des Verfassungsgerichtshofs „in wesentlichen Kernpunkten mit den Zielen der NSDAP übereinstimmt“. Der Bundesparteivorstand nominierte Graf für das Amt des Dritten Nationalratspräsidenten. In dieser Funktion lud Graf den


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1. Februar 1933 Kent Ekeroth

Alexander Dugin

Abgeordneter für die Schwedendemokraten, beschimpfte gemeinsam mit zwei Freunden einen Betrunkenen rassistisch und bedrohte ihn mit einer Eisenstange, paranoider Moslemhasser.

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identitärer Ideologe, träumt von einem Großrussland, ist Antisemit und betrachtet Homosexualität als eine durch die gesellschaftlichen Umstände hervorgerufene Perversion.

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Marine Le Pen

Patrik Brinkmann

schwedischer Pleitier, strebt eine Vereinigung der europäischen Rechten an, pflegt Kontakte zur NPD, Pro-NRW und Politically Incorrect, spricht sich gegen Antisemitismus und für Islamfeindlichkeit aus.

Markus Beisicht

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Matthias Faust

Beisitzer im NPD-Bundesvorstand, hat auch Kontakt zu Nazis außerhalb der NPD wie etwa dem mehrfach verurteilten Holocaustleugner Christian Worch.

Vorsitzender der rechtsextremen Bürgerbewegungen Pro-Köln und Pro-NRW, außerdem Autor der antisemitischen, islamfeindlichen, homophoben und mittlerweile abgeschalteten Seite kreuz.net.

NeonaziNetzwerk der FPÖ

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Jörg Hähnel

Bundesvorstandmitglied der NPD, befürwortet die Ermordung politischer Gegner, spielt als Liedermacher auf Gedenkkonzerten für SS-Angehörige.

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Frank Vanhecke

ehemals Vorsitzender des Vlaams Belang, Fan von Pinochet, Mussolini und David Duke, seine parlamentarische Immunität wurde aufgehoben nachdem eine von ihm verantwortete Parteizeitung muslimische Jugendliche verleumdete.

Philip Dewinter

Vorsitzender des Vlaams Belang, offener Nazi-Sympathisant, tritt für ein „weißes Europa“ ein, bezeichnet den Islam als „Raubtier“, setzt Multikulturalismus mit AIDS gleich und ein Kopfgeld auf Burkaträgerinnen aus.

Philip Claeys

Europaparlamentsabgeordneter für den Vlaams Belang , hat ein Herz für die Nöte der Buren in Südafrika.

Bruno Gollnisch

Stellvertreter von Marine Le Pen im Front National, zweifelt den Holocaust an und bezeichnet Antirassismus als geistiges AIDS.

hter von Jean-Marie und Nachfolgerin teivorsitz, versucht den Front Natio- 9 Jean-Marie Le Pen modernisieren und mittels IslamGründer und ehemals langjähriger Vorsitzender der Front National, folterte im Algerienkrieg Gefangene, bezeichnete Gaskamichkeit massentauglich zu machen. mern als „ein Detail“ des Zweiten Weltkriegs.

schaften und die FPÖ laut DÖW den „am rechten Rand des Rechtsextremismus stehenden“ Walter Marinovic ins Parlament ein – eine offensichtliche Geste des Triumphs und der Schmähung der parlamentarischen Demokratie. Marinovic drohte unverhohlen dem Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde Ariel Muzicant, nachdem dieser den demokratischen Charakter der FPÖ bezweifelte: „Wer bedenkt, dass sich die Zeiten ändern können, sollte vorsichtiger sein“. Wie standhaft sich die Burschenschaften GEGEN jede Distanzierung vom Nationalsozialismus wehren, zeigen sie bei ihren Totengedenken

am 8.Mai. Dort zelebrieren sie die „Ehrung der Verstorbenen“, wo sie ehrfurchtsvoll den „Ahnenschrein“ öffnen, die Namen ihrer verstorbenen Ahnen aufrufen und ihrer besonderen Verdienste gedenken. Darunter sind Ernst Kaltenbrunner, Chef des Reichssicherheitsamtes und damit Chef der Naziterrormaschinerie, Irmfried Eberl, Lagerkommandant des KZ Treblinka, und Hermann Richter, ein KZ-Arzt, der Lagerinsassen bei vollem Bewusstsein ganze Organe entnahm. Die Liste ließe sich noch lange fortführen, aber den Lesern ist das Muster schon längst klar geworden: Die aka-

demischen Burschenschaften waren seit Kriegsende DIE Traditionsbewahrer der NSDAP und dienen als wichtige unantastbare Kaderschmieden für die FPÖ. Gleichzeitig funktionieren sie nicht unähnlich Geheimbünden, deren Mitglieder sich gegenseitig die Karriereleiter hinaufhelfen. Martin Grafs Agieren im Seibersdorfer Austrian Research Center ist nur der bekannteste Fall dafür. Weitaus bedenklicher ist ihre hohe Präsenz in staatlichen Funktionen, in Justiz, Polizei, Militär, Beamtenschaft und Universitäten. Hans-Henning Scharsach hat treffend festgestellt: Nur einer von 2.100 Ös-

terreichern ist Burschenschafter, aber mit diesem niedrigen Bevölkerungsanteil stellen sie in der FPÖ in Wien den Parteivorsitzenden, drei Stellvertreter, den Landesgeschäftsführer, den Landesparteisekretär, den Klubobmann im Parlament, usw. Wie Linkswende wiederholt argumentierte, hat Entnazifizierung in Österreich niemals stattgefunden. Könnten wir sie heute nachholen, dann müssten unter anderem sämtliche genannte Berufsgruppen offenlegen, welche Personen aus den rechtsextremen bis offen neofaschistischen Burschenschaften stammen und sie zum Teufel jagen.

Hitlers Machtantritt

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m 1. Februar 1933 löst der deutsche Reichspräsident Paul von Hindenburg den Reichstag auf. Zwei Tage zuvor hatte der greise General Adolf Hitler eigenmächtig zum Reichskanzler ernannt. Der darauf folgende Reichstagswahlkampf stand unter dem Vorzeichen der aufkommenden Diktatur. Die NSDAP schüchterte ihre politischen Gegner massiv ein. SA und SS wurden von Hermann Göring in Preußen zur Hilfspolizei ernannt. Die Presse- und Versammlungsfreiheit wurde per Notverordnung eingeschränkt. Nach dem Reichstagsbrand am 27. Februar 1933, für den die NSDAP die Kommunisten verantwortlich macht (Völkischer Beobachter: „Das Maß ist voll! Jetzt wird rücksichtslos durchgegriffen“), brachen offen Terror und Verfolgung aus. Die Zeitung der SPD wurde ebenfalls verboten, und die Nazis nutzten den Rundfunk für permanente Propaganda aus. Kommunisten und viele andere Linke wurden verschleppt und in privaten Kellern gefoltert. Es entstanden „wilde“ Konzentrationslager. Diese Niederlage der Arbeiterbewegung hatte katastrophale Folgen. Der Widerstandsgeist erlosch beinahe. Bei den Reichstagswahlen am 5. März 1933 erreichte die NSDAP 43,9%. Entgegen der üblichen Geschichtsschreibung kam Hitler eben nicht durch legale Wahlen an die Macht. Vor der Machtübergabe durch Hindenburg war die NSDAP nur einmal stärker als die kombinierten Stimmen von SPD und KPD, das war im Juli 1932. Danach ging es mit der NSDAP bergab. Hindenburg rettete die NSDAP mit der Machtübergabe an Hitler am 30. Jänner 1933 um sich selbst bzw. die alte Ordnung zu retten.

Hofburg-Chefin Renate Danler: „Ein Ball ist doch nichts Politisches“

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etztes Jahr zwang der Druck antifaschistischer Kräfte auf Miteigentümer der Hofburg Betriebs GmbH ihre Chefin Renate Danler, den Ball des Wiener Korporationsrings zukünftig aus der Hofburg auszuladen. Der folgende Schachzug der Burschenschafter rund um die FPÖ: Sie benannten den Ball in „Wiener Akademikerball“ um und überließen die Rolle als Veranstalter formal der FPÖ Wien. Gäste und Ideologie bleiben dieselben. Während Martin Grafs Website unzensuriert.at unverblümt zugibt „WKRBall wird zu Akademikerball“, stellt sich Danler nun bewusst naiv und lässt verlautbaren, dass es sich aus Sicht der Hofburg um einen ganz neuen Ball handle. So überlässt sie mit der Rechtfertigung, die FPÖ wäre doch eine demokratisch gewählte Partei, wieder Holocaustleugnern und Rassisten aus ganz Europa das Parkett.


10 Februar 2013 Linkswende

Marxismus und Individuum Schon 1848, im „Manifest der Kommunistischen Partei“ schreiben Karl Marx und Friedrich Engels: „An Stelle des bürgerlichen Staats, mit seinen Klassen und Klassenwidersprüchen sollen wir eine Assoziation haben, in der die freie Entwicklung jedes Einzelnen die Voraussetzung ist für die freie Entwicklung aller.“ Das klingt nicht nach Verachtung des oder der Einzelnen. Vielmehr steht der Marxismus dafür, das Individuum durch kollektive Aktion zu befreien. Später in den „Grundrissen“ (1857) beschreibt Marx den Menschen als Tier, das nur innerhalb der Gesellschaft zum Individuum werden kann. „Produktion“ im marxistischen Sinne, also die (gemeinschaftliche) Herstellung der Lebensgrundlagen der Menschen ist die Basis unseres Überlebens. Diese Produktion (wie immer sie organisiert ist, feudal, kapitalistisch oder sozialistisch) ist laut Marx völlig undenkbar als das Handeln eines einzelnen Individuums. Genau so absurd ist auch die Vorstellung, die menschliche Sprache hätte sich anders als in der Interaktion zwischen verschiedenen Individuen entwickeln können, die zusammen gelebt haben und begannen zu kommunzieren, also in der Gesellschaft. Dazu muss gesagt werden, dass für Marx die Gesellschaft nicht einfach die Summe der Individuen ist, vielmehr drückt sie die Gesamtheit der Beziehungen der Menschen untereinander, die Beziehungen, in der die Individuen zueinander stehen, aus. Insgesamt betrachtet der Marxismus das Individuum als etwas, das nur in der Auseinandersetzung mit der Gesellschaft, mit anderen Menschen, lernt, sich entwickelt, verändert, ja

THEORIE

Individualismus Tom D. ALLAYHIARI beschreibt die verschiedenen Facetten von Individualismus und Kollektivität aus marxistischer Perspektive.

Foto: The Online Museum of Syrian History

E

in Bild von der Gesellschaft, in dem Solidarität keinerlei Rolle spielt, in dem jeder und jede die Ellbogen einsetzen muss, ist heute fast „Common Sense“. Den herrschenden Eliten dieser Welt kommt ein Selbstverständnis der Menschen als atomisierte, nur für sich selbst kämpfende „Individuen“ höchst gelegen. Menschen, die – bewusst oder unbewusst – von derartigen Ideen geprägt sind, lassen sich einfacher manipulieren und beherrschen. Daher wird viel investiert um dieses Menschenbild zu verbreiten und zu festigen. Die Hauptrolle dabei spielen die bürgerlichen, ganz besonders die „liberalen“ Medien, während Reaktionäre oft von klassenübergreifender Volksgemeinschaft, Rasse oder ähnlichen Konstrukten träumen. Solidarität, die sich am gemeinsamen Eintreten für eine gerechtere Gesellschaft, am kollektiven Kampf für bessere Lebensbedingungen, unabhängig von sogenannter „Rasse“, Nation usw. orientiert, ist die ideologische Antwort des Marxismus auf Vereinzelung, Egoismus und Phänomene wie Sexismus und Rassismus. Im bürgerlichen Mainstream, auch in seiner „postmodernen“ Ausformung, ist es üblich, dem Marxismus (der dann oft mit dem Grauen des Stalinismus gleichgesetzt wird) vorzuwerfen, er achte das Individuum nicht und ziele auf eine gleichförmige Masse. Es sollen daher zuerst einige Schlaglichter auf das Verhältnis der marxistischen Theorie zum einzelnen Menschen, zum Individuum, geworfen werden.

Kollektive Aktion: Streikposten beim "Miners' Strike" in England1984

existiert. Individualismus

hängig von einem größeren Ganzen wirkten.In der Vorgeschichte sowie in der Geschichte der vorkapitalistischen Gesellschaften war der Sinn der Menschen von ihrem „Selbst“ über Familien- und Klan-Einheiten vermittelt. Unzählige ethnologische und historische Quellen belegen, wie sehr sogenannte Naturgesellschaften als Kollektiv lebten. Europäische Kolonisatoren und Forscher waren oft verwundert bis geschockt über das Unverständnis der „Wilden“ für Konkurrenzdenken. Ein Beispiel: Der kanadische Anthropolge Richard Lee, der das „!Kung“Volk, das die Kalahari-Wüste bewohnt, „erforschte“, schreibt: „Das gemeinschaftliches Teilen von Nahrungsmitteln, das bei den !Kung und Dutzenden von anderen Wildbeuter-Gruppen beobachtet wurde, ist eine Entdeckung, die nicht so einfach übergangen werden sollte.“ Erst mit dem Aufstieg des Kapitalismus begannen die sozialen Beziehungen zwischen den Menschen das Individuum als bloßen Zweck zur

Individuen über gegenseitige Beziehungen und Verpflichtungen. Im modernen Kapitalismus erscheint das Individuum unabhängig von irgendwelchen sozialen Bindungen. Die kapitalistische Produktionsweise reißt aber auch einen enormen Widerspruch auf. Die Produktion geschieht gemeinschaftlich (welches moderne Produkt kann schon ein Einzelner herstellen?), oder „sozialisiert“. Die Aneignung der Produkte passiert allerdings weiterhin individuell. Das bedeutet, dass die Menschen für ihre überlebenswichtigen Güter auf ein komplexes Netzwerk anderer Menschen angewiesen sind, während die private Aneignung dazu führt, dass die einzelnen Individuen einander hauptsächlich als Konkurrenten begegnen.

Wie oben erwähnt ist der moderne Fetisch um den „Individualismus“ stark beeinflusst von einer Theorie, die wir „Bürgerlichen Individualismus“ nennen und die ein Kind der kapitalistischen Gesellschaftsordnung ist. Im Zentrum dieser Weltsicht steht das egoistische und von Konkurrenz getriebene Individuum. Es ist leicht nachzuvollziehen, dass seit der globalen Durchsetzung des Neoliberalismus auch diese Vorstellung vom Menschen noch mehr betont wird. Obwohl sich Aktivisten und Aktivistinnen heutiger Bewegungen empört dagegen verwehren würden, ihre Ansicht von der Welt ist mitbeeinflusst von diesen zutiefst bürgerlichen Ideen. Ursprünglich Arbeiter- und Arbeiterinnenklasse war der Individualismus allerdings eine eindeutig fortschrittliche IdeoFür Sozialisten und Sozialistinnen logie, entstanden mit dem Beginn hat, im Gegensatz zum Individuader kapitalistischen Produktionsweilismus, der Kollektivismus, also die se, mit dem Kampf des Bürgertums Tendenz zum gemeinsamen Entgegen Adel und Kirche, der in der scheiden und Handeln, eine ganz französischen Revolution besondere Bedeutung. gipfelte. Die ersten, die Der Marxismus betrachtet das Individu- Denn das kollektive Vordas Individuum in den gehen ist die einzige StärMittelpunkt ihrer philo- um als etwas, das nur in der Auseinander- ke der Lohnabhängigen. sophischen Überlegun- setzung mit der Gesellschaft lernt, sich Kein Politiker oder Theogen stellten, waren nicht retiker muss ihnen sagen, entwickelt, verändert, ja existiert. umsonst Martin Luther, dass sie sich nur kollektiv der die katholische Kirgegen die Zumutungen che bekämpfte und Machiavelli, Erreichung seiner „privaten“ Ziele der „Arbeitgeber“ wehren köndessen Name bis heute für skrupel- zu definieren. Diese Jagd des Einzel- nen. Ihr ganzes Leben lernen sie in lose Machtdurchsetzung steht. Ein nen nach Ressourcen ist also nicht, der Fabrik, im Büro oder anderen Jahrhundert später (1651) schuf wie Hobbes meinte, eine absolute, Arbeitsstätten, dass ohne ZusamThomas Hobbes in seinem „Levi- überhistorische Wahrheit, sondern menarbeit gar nichts geht. Wähathan“ erstmals ein strukturiertes hat sich geschichtlich entwickelt. rend die Bosse und ihr Staat über Konzept des Individualismus. Laut Was bedeutet, dass ein „Krieg Aller Geld, (Medien-)Macht und Waffen Hobbes ist die treibende Kraft hin- gegen Alle“ nicht einer angeblichen verfügen, können die Arbeiter ihter den Handlungen der Menschen „menschlichen Natur“ entspricht. nen nur ihren Zusammenhalt, ihre der Selbsterhaltungstrieb. Mora- Diese Argumentation soll keines- Solidarität, etwa bei einem Streik lisch gut wird dann das, was meiner wegs eine Rückkehr zu Stammes- entgegensetzen. Sich zu organisieSelbsterhaltung dient. Gut und Böse gesellschaften fordern oder irgend- ren ist nicht eine von vielen Ideen, werden also vom einzelnen Indivi- welche vorindustriellen Kulturen nein, sie war schon lange vor Marx duum aus definiert. Bei Knappheit romantisieren, sondern nur bewei- die grundlegende, automatische der Ressourcen ist dann mit einem sen, dass es einfach nicht stimmt, „Strategie“ der Arbeiter und ArbeiKrieg „Aller gegen Alle“ zu rechnen. dass der Mensch naturgemäß dazu terinnen. In diesem Zusammenhang Marx wies auf ein grundlegendes geboren ist, egoistisch nur für die hat sich der bürgerliche IndividuaProblem dieses Zugangs hin, näm- eigenen persönlichen Interessen zu lismus von einer progressiven Idee lich, dass die Menschen in der Ver- leben. In diesen vorkapitalistischen gegen den Feudalismus zu einer gangenheit, als Individuen, sehr ab- Gesellschaften begriffen sich die scharfen ideologischen Waffe gegen

die Arbeiterbewegung und ihre Institutionen entwickelt. Es besteht überhaupt ein grundsätzlicher Unterschied zwischen der Demokratie der Herrschenden und der Demokratie kämpfender Arbeiter. Diese fassen, zum Beispiel im Zuge großer Streikbewegungen, Beschlüsse in Massenversammlungen, bei denen eine kollektive Entscheidungsfindung möglich ist. Geheime, anonyme Wahlen dagegen werfen den Arbeiter in die Vereinzelung zurück und setzen ihn dem Einfluss von Propaganda und Massenmedien aus. Von den Streikenden wurden die geheimen Abstimmungen in den Gewerkschaften daher auch mitnichten als Möglichkeit zu demokratischer Debatte und Entscheidungsfindung gesehen, sondern als Waffe, die in einer Klassenauseinandersetzung gegen sie eingesetzt wird. Sie hatten sich einer ganz anderen Methode bedient: Beim Bergarbeiterstreik in Großbritannien 1984 zogen Kumpel einer Grube zur nächstgelegenen Grube und diskutierten von Angesicht zu Angesicht mit ihren Kollegen. Organisation Schon früh in der Geschichte haben sich Arbeiter und Arbeiterinnen in den verschiedensten Gewerkschaften organisiert, um kollektiv für bessere Lebensbedingungen kämpfen zu können. Um jedoch einen gesamtgesellschaftlichen Wandel herbeiführen zu können, der sie endgültig von Ausbeutung und Unterdrückung befreit, brauchen die Lohnabhängigen aber auch ihre eigenen Parteien. Organisationen wie Linkswende verstehen sich als Nukleus einer solchen revolutionären Partei. Wie wirkt sich nun das bisher Erwähnte auf die Struktur so einer Gruppierung aus? Kollektives, zielgerichtetes und effektives Agieren, auch in unruhigen Zeiten, erfordert einerseits innere Demokratie um alle gemachten Erfahrungen zusammenzubringen und grundlegende strategische Entscheidungen treffen zu können und andererseits irgendeine Art von Zentralismus, damit die demokratisch getroffenen Entscheidungen auch umgesetzt werden. Bedeutet das eine gewisse Einschränkung der Mitglieder? Ja, natürlich, so wie jede Form von Demokratie. Unterordnung unter eine Mehrheitsmeinung bedeutet immer auch ein Weniger an „individueller Freiheit“. Was hätten denn gemeinsame Entscheidungen für einen Sinn, wenn niemand sich nachher daran gebunden fühlen muss? In einer sozialistischen, revolutionären Organisation wird von jedem und jeder erwartet, sich an Beschlüsse zu halten, auch wenn er oder sie ursprünglich dagegen aufgetreten ist, jedoch in der Minderheit geblieben ist. Nur so bleibt eine Organisation dieser Art handlungsfähig und kann in politische Auseinandersetzungen mit höchst möglicher Effektivität intervenieren. In dieser Form organisierte Gruppierungen, das zeigt die Geschichte, haben das Potential, soziale Bewegungen zu stärken und ihnen zum Sieg zu verhelfen. Die zukünftige sozialistische Gesellschaft wird aber ganz anders als eine politische Kampforganisation organisiert sein, nämlich viel demokratischer, damit eines Tages die Vorstellung von Karl Marx Wirklichkeit werden kann: „Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen!“


Linkswende Februar 2013

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Die Basken, die ETA und der Staat Nicht nur in Katalonien sondern auch im Baskenland bilden die Unabhängigkeitsbefürworter aktuell eine deutliche Mehrheit. Dies zeigt das Ergebnis der Regionalwahlen vom vergangenen Oktober, welches den Separatisten zwei Drittel aller Sitze im baskischen Parlament verschaffte. Wie in Katalonien gibt es auch im Baskenland eine starke separatistische Linke, eine lange antifaschistische Tradition und eine weit verbreitete Abneigung gegenüber den Herrschern in Madrid. Wie sich der Konflikt zwischen den Basken und dem spanischen Staat entwickelte und warum die Lage weiter spannend bleibt, beschreibt Dietmar MEISTER.

Die ETA Die Auseinandersetzung zwischen dem spanischen Staat und der Organisation „Euskadi Ta Askatasuna“ (Baskenland und Freiheit), wie die ETA mit vollem Namen heißt, zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte des Baskenlandes. 1959 wurde die ETA als Widerstandsorganisation gegen den faschistischen Diktator Franco gegründet, der

INDIEN

Spanien von 1939 bis 1975 ­regierte. Langfristig setzte sie sich das Ziel eines von Spanien unabhängigen, sozialistischen Baskenstaates, dem sowohl Spaniens autonome Regionen Baskenland und Navarra als auch das französische Baskenland angehören sollten. Gegen Franco Nach dem Sieg der Faschisten im Spanischen Bürgerkrieg (1936 bis 1939) wurden wie die Katalanen auch die Basken systematisch unterdrückt. Das Franco-Regime stampfte jegliche autonomen Rechte der Basken ein und verbot es, öffentlich baskisch zu sprechen. Auch die bereits 1895 gegründete „Nationalistische Baskische Partei“ (PNV), die stärkste politische Kraft des baskischen Nationalismus, wurde verboten. Während die Unterdrückung durch die Faschisten die nationalistische Bewegung gestärkt hatte, wurde diese gleichzeitig durch die Illegalität in den Untergrund gedrängt. Unzufrieden mit der zurückhaltenden Linie der konservativen Führung des PNV gründeten Mitglieder der parteilichen Jugendorganisation zwei Jahrzehnte nach dem Ende des Bürgerkrieges die ETA. Wie die IRA Die ETA orientierte sich in ihren Vorgehensweisen an nationalistischen Befreiungsbewegungen in anderen Ländern – darunter die IRA, die Vietkong und die FLN in Algerien. Damit übernahm sie auch

die Taktik terroristischer Anschläge. In den Jahren bis 1975 richteten sich die Bomben und gezielten Tötungen der ETA vor allem Marian Beitialarrangoitia erreichte mit ihrem neuen Wahlbündnis auf Anhieb 25% gegen das faschistische Regime und verschafften nahm die spanische Regierung in beigetragen, dass das aktuelle Linksder Untergrundorganisation weit- ihrem Kampf gegen den baskischen bündnis „Euskal Herria Bildu“ nicht reichenden Rückhalt innerhalb der Nationalismus mehrere erfolglose gleich verboten wurde, sondern zu baskischen Bevölkerung. Immerhin Versuche, die Partei zu verbieten, den Wahlen im vergangenen Oktostarben durch ETA-Anschläge meh- konnte jedoch keinen Beweis für ber antreten konnte. Dass die Partei rere verhasste faschistische Polizisten eine intakte Verbindung der Bata- auf Anhieb 25 Prozent der Stimmen wie der als brutaler Folterer bekann- suna zur ETA liefern. Neben diesen auf sich vereinen und damit hinter te Melitón Manzanas. Im Jahr 1973 Versuchen der Illegalisierung setz- dem PNV zur zweitstärksten Kraft schaffte es die ETA sogar, mit einer te die spanische Regierung in den im Baskenland aufsteigen konnte, Autobombe den Admiral Luis Car- 1980er Jahren auch so genannte legt ihre breite Unterstützung in rero Blanco zu töten, der als rechte Todesschwadronen ein. Diese von der Bevölkerung offen. Insgesamt Hand Francos galt und von diesem der Regierung zur Beseitigung mut- stellen nun die Parteien, die sich für sogar zum Regierungschef ernannt maßlicher „ETA-Terroristen“ en- ein unabhängiges Baskenland auswurde. gagierten Killer töteten in wenigen sprechen, mehr als zwei Drittel aller Jahren 28 Menschen, von denen je- Abgeordneten im baskischen ParlaStaatliche Killer der Dritte nachweislich unschuldig ment – so viele wie nie zuvor. Mit Francos Ende ging ein Rich- starb. Die politische Entwicklung im Bastungsstreit innerhalb der ETA einkenland bleibt weiter spannend. Parteiverbote her, der schließlich zur Spaltung Nicht nur weil die separatistische in einen legalen, politischen Arm Im Jahr 2003 schaffte es die spani- Bewegung bereits sehr stark ist und und einen radikalen militärischen sche Regierungskoalition über eine sich die Lage aufgrund der WirtArm führte. Letzterer organisierte Gesetzesänderung, die „Batasuna“ schaftskrise noch weiter zuspitzen zwischen 1975 und 2010 zahlrei- zu verbieten. Zwar gründete die se- wird. Sondern auch, weil innerhalb che Attentate, bei denen über 800 paratistische Linke in den Folgejah- dieser Bewegung Uneinigkeit daMenschen getötet wurden, darunter ren immer wieder neue Parteien, die rüber herrscht, wie man die Krise viele Zivilisten. Der politische Arm Regierung ließ aber jede neue Platt- bewältigen soll (der PNV tritt für formierte sich 1978 mehrheitlich in form verbieten – und das stets mit einen harten Sparkurs ein, „EH Bilder linken Unabhängigkeitspartei dem Argument, sie würde die ETA du“ hingegen für einen Ausbau des „Herri Batasuna“ (Volksunion), die unterstützen. Die ETA wiederum Sozialsystems). Nicht zuletzt bleibt sich für ein unabhängiges, sozialis- hat 2011 die „definitive Beendigung es spannend, weil die ETA sich ja tisches Baskenland einsetzte. In den ihrer bewaffneten Aktivitäten“ ver- bisher weder aufgelöst noch ihre 1980er und 1990er Jahren unter- kündet. Dies hat entscheidend dazu Waffen abgegeben hat. Foto: publico.es

W

as zur Zeit in einigen Teilen Europas passiert, sei „ein Indikator dafür, dass die Menschen Selbstbestimmung fordern, sie wollen über ihre Zukunft und die Art ihres Zusammenlebens selbst entscheiden“, sagte Marian Beitialarrangoitia kurz nach ihrem herausragenden Wahlerfolg im vergangenen Oktober. Sie war als Spitzenkandidatin für das neu gegründete linke Wahlbündnis „Euskal Herria Bildu“ (Versammeltes Baskenland) zu den dortigen Regionalwahlen angetreten und konnte auf Anhieb 25 Prozent der Stimmen auf sich und ihre Partei vereinen. Doch dass dieses Wahlbündnis, für welches jeder vierte Wähler im Baskenland gestimmt hat, überhaupt zu den Wahlen antreten konnte, war nicht selbstverständlich. Noch bei den letzten Wahlen, im Jahr 2009, waren nämlich alle Parteien der baskischen Linken verboten gewesen. Und zwar von der spanischen Regierung und mit dem Argument, die Parteien würden allesamt die Untergrundorganisation ETA unterstützen.

Proteste gegen Vergewaltigung greifen auch Politik und Repression an

Demonstrationen zeigen die tiefe Unzufriedenheit mit der Politik in Indien, schreibt Jaskiran CHOHAN.

D

ie brutale Vergewaltigung einer 23jährigen Medizinstudentin in einem Bus in Neu Delhi am 16. Dezember erfasste Indien wie im Sturm. Die Frau wurde von sieben Männern

„March for Women‘s Safety“ in New Dehli

vergewaltigt und mit Eisenstangen misshandelt. Sie erlag später ihren Verletzungen. Der Vorfall entflammte eine Welle von Protesten, die sich durch ganz Indien fortgesetzt hat. Der Fall erhielt eine bei-

spiellose Aufdeckung, während viele Vergewaltigungen in ländlichen Dörfern oder ärmeren Gebieten nicht beachtet oder vertuscht werden. Wie im Fall einer 17 jährigen aus Patiala in der Region Punjab. Es dauerte 14 Tage bis ihre Klage bei der Polizei registriert wurde, von der sie dann wieder belästigt wurde. Später nahm sie sich das Leben. Sexuelle Belästigung, Gewalt gegen Frauen und Vergewaltigungen sind in Indien an der Tagesordnung und sind fest in Staat und Institutionen verankert. Armee und Polizei benutzen Vergewaltigungen, um Bewegungen zum Aufgeben zu bringen, die eine Gefahr für den indischen Staat darstellen, wie der Aufstand der „Naxaliten“ oder der Nationalisten in Kashmir. Die Polizei setzt Wasserwerfer, Schlagstöcke und

Tränengas gegen Demonstrantinnen und Demonstranten ein und versucht die neue Protestbewegung zu unterdrücken. Aber die Proteste setzen sich fort, auch über zwei Wochen und politisierten sich zunehmend. So trauen viele Demonstrierende den Politikern keine wahren Veränderungen für Frauen zu. Unterdrückung Misshandlungen sind nicht der einzige Aspekt von Frauenunterdrückung in Indien. Der „Vorrang von Söhnen“ hat zu vielen Kindsmorden geführt. Es gibt eine steigende Sexualisierung von Frauen in Bollywood und anderen Kulturkreisen, was kein Zeichen des Fortschritts ist, sondern ein weiterer Faktor, der dazu animiert, Frauen als Objekt zu betrachten. Manche fordern die Todesstrafe für Vergewaltigung, was das Problem nicht lösen würde. Noch dazu ist es sehr unwahrscheinlich, dass es von Polizei, Politik oder Eliten ausgeführt werden würde.

Die schreckliche Situation, der Frauen in Indien ausgesetzt sind, hat einige westliche Kritiker dazu gebracht, Indien als den für Frauen schlimmsten Ort der Welt zu beschreiben. Aber die Probleme machen nicht an Indiens Grenzen Halt. Viele Länder, auch Österreich, haben eine schockierend schlechte Aufklärungsrate bei Vergewaltigungen. Auch die Annahme, Frauen seien für sexuelle Gewalt selbst verantwortlich, beschränkt sich nicht auf Indien. Als ein Polizist 2011 in Toronto erklärte, dass Frauen ihre Kleidung wechseln sollten, um Vergewaltigungen zu vermeiden, brachen in der ganzen Welt die „Slutwalk“-Proteste aus. Der letzte Vorfall in Indien beweist die dringende Notwendigkeit eines anderen Umgangs mit Frauen und anderen Antworten auf Vergewaltigungen. Die Massenproteste, die dadurch ausgelöst wurden, zeigen, dass viele Menschen bereit sind, für diese Veränderungen zu kämpfen.


12 Februar 2013 Linkswende

Linker

Wehrpflicht bleibt:

Lesetipp

Berufsheer als Nazi-Brutstätte

von Peter HERBST

Germinal erschienen 1885, 576 S.

Germinal zählt zu den wichtigsten Werken des Naturalismus und ist das erfolgreichste Buch Zolas. Auch bald 130 Jahre nach Erscheinen, ist die Erzählung über einen Bergarbeiterstreik aktuell geblieben. Dafür sorgt die ausführliche Recherche, zu der Zola in die Arbeitersiedlungen reiste und in die Bergwerksschächte hinabstieg. Dort fand er ruinöse Lebens- und Arbeitsbedingungen vor, die er mit treffenden Metaphern schonungslos schilderte. Die einzelnen Figuren stehen für verschiedene Teile der Arbeiterund der Kapitalistenklasse, wie Sozialdemokratie, Anarchismus, Unternehmer oder Rentier. Die Charaktere werden dadurch jedoch nicht überlebensgroß, sondern bleiben stets glaubwürdig. Häufig wird die schwache Charakterzeichnung kritisiert. Doch auch wenn Zola auf Distanz bleibt und manches offen lässt, sind die Figuren vollständig. Anstatt durch ausführliche Beschreibung ihres Innenlebens, treten ihre Persönlichkeiten in Zusammenwirken mit ihrem Umfeld zu Tage. Das ist auch die große Stärke des Werkes: die Schilderung der sozialen Beziehungen innerhalb und zwischen den verschiedenen Klassen ist umfassend und lebensnah, und ruft beim Lesen oft ein „Genauso ist es!“ hervor. Die Darstellung des kapitalistischen Konkurrenzdrucks ersetzt ein Geschichtsbuch. Dazwischen folgt ein Schrecken auf den nächsten die von Zola packend dargestellt werden. All diesen Rückschlägen und Tragödien stellt Zola seinen unvergänglichen Optimismus entgegen, der selbst das blutige Ende der Pariser Kommune überdauerte und sich im Titel wiederfindet: Germinal, der „Keimmonat“ und siebte Monat des Republikanischen Kalenders der französischen Revolution. „Es entstanden Menschen, eine schwarze Rächerarmee, die langsam in den Furchen keimte, für die Ernten des künftigen Jahrhunderts emporwachsend, deren Keimen alsbald die Erde durchbrechen sollte.“ Bei seiner Beerdigung, der größten seit jener Victor Hugos, wurde unter anderem „Germinal“ gerufen und das Buch hält bis heute einen besonderen Platz in der französischen Arbeiterbewegung und im Besonderen unter Bergbauleuten. Das Buch ist in zahlreichen Taschenbuchausgaben und im Antiquariat erhältlich. Außerdem kann es, auf Internetseiten wie Projekt Gutenberg und E-BookPlattformen wie Kindle, kostenlos heruntergeladen werden.

Die Volksbefragung zu Wehrpflicht oder Berufsheer ist mehrheitlich für die Beibehaltung der Wehrpflicht ausgegangen. Tom. D. ALLAHYARI erklärt, warum wir dieses Ergebnis als das geringere Übel ansehen.

D

as wichtigste Argument der Befürworter eines Berufsheers, dass tausenden jungen Männern ein Jahr ihres Lebens gestohlen wird, ist nicht von der Hand zu weisen. Doch um welchen Preis hätten sich diese die Langweile, die Kasernierung und den Drill des Wehrdienstes erspart?

Bundesheersoldaten auf Arbeiter schossen war und blieb tief in das Gedächtnis der Partei eingegraben, und das nicht zu Unrecht. Auch wenn aufstandsähnliche Situationen in Österreich auf den ersten Blick äußerst unwahrscheinlich wirken, haben wir doch Deutsche Bundeswehr übt Aufstandsbekämpfung. Gefahr für die Bevölkerung die Erfahrung, dass bei Der Preis wäre eine neue, zusätzlich größeren, internationalen Protesten setzen. Zuletzt in Ägypten wurde licher, wenn wir uns erinnern, wie zur Polizei geschaffene, Formation sehr wohl Militär bis hin zu Droh- klar, wie sehr die Generäle immer im Zuge der Nachforschungen über bezahlter Bewaffneter gewesen. Und nen und gar U-Boten eingesetzt wieder fürchten mussten, dass die die Neonazi-Homepage „Alpenwas soll daran so schlimm sein? Aus werden. Egal, wie die Situation im jungen Soldaten sich den Protesten Donau“ herauskam, dass, Zitat Der der Perspektive von Leuten, die an Detail sich entwickelt, wann und ihrer Brüder, Schwestern, Kollegen Standard sich nach „Erkenntnissen Protesten teilnehmen, die dem Staat wo immer die Bevölkerung dem und Nachbarn anschließen. Inner- von Insidern ein Zentrum der WebsiWiderstand entgegensetzen oder Militär gegenübersteht, ist es besser, halb der US-Armee wurde zu Zei- te-Betreiber im Dunstkreis von Milidie mit militärischen Abenteuern in es handelt sich dabei um Leute aus ten des Vietnamkriegs der Wider- tärgymnasium und Militärakademie stand derartig mächtig, Wiener Neustadt bewegen dürfte.“ aller Welt nicht dass man fast panisch die Von 17 Personen, die die Grünen e i n ve r s t a n d e n Wehrpflicht aussetzte. als „dem Umfeld von ­alpen-donau. sind, stellen von info zugerechnet“ auflisteten, befander „NormalTummelplatz für Nazis den sich neben prominenten Neobevölkerung“ abgetrennte, Das konkreteste Argu- nazis wie Küssel, Radl und Schimafür Bezahlung ment gegen ein Berufs- nek alleine sechs (!) Leute, die das kämpfende heer ergibt sich allerdings Militärgymnasium besucht hatten. Männer eine aus der Erfahrung, welch Im Fall des rechtsradikalen Sohn eieine potentielle seltsame und gefährliche nes Ex-BTV-Mitarbeiters und eines Gefahr dar. EiniKaste Berufssoldaten im weiteren Verdächtigen dürfte ebenge in den höheaktuellen Misch-System falls die Militärakademie eine Rolle ren Machtetagen jetzt schon darstellen. spielen. Bei den polizeilichen Erder Republik, ob Gerade die Militärakade- mittlungen und Hausdurchsuchunrot oder schwarz, mie (MilAK) zeigt deut- gen im Fall der Nazi-Homepage gedenken sicher lich, welche Gefahren riet dann auch wenig überraschend auch an militävon militärischen „Profis“ ein Mitarbeiter von Martin Graf in rische Abenteuer ausgehen, nicht in einer den, laut Polizei „jüngeren Kreis „Folterskandal“ 2004: Präsenzdiener erlebten unglaubliche Demütigungen in der Freistädter Tilly-Kaserne. im Ausland. Für ungewissen Zukunft, von Verdächtigen“. All das beweist, welche Typen sich schon jetzt im die Sozialdemosondern jetzt und hier. kratie war es jahrzehntelang ein eben dieser Bevölkerung, allen sozi- So treten bekannte Rechtsradika- Heer als „Profis“ tummeln, in einem unumstößliches Dogma, sich gegen alen Schichten. Es ist viel problema- le in Bundesheer-Ausgehuniform Berufsheer werden sie noch bessere bezahlte Waffenträger zu stellen. tischer für die Herrschenden solche beim berüchtigten Ullrichsbergtref- Bedingungen und wenig WiderDie Erfahrung des Jahres 1934, als Leute gegen die Bevölkerung einzu- fen auf. Die Gefahr wird noch deut- stand vorfinden.

Foto: Indymedia

Émile Zola

Ernst Strasser der Bestechlichkeit schuldig gesprochen Ex-Innenminister Ernst Strasser wurde wegen Korruption zu vier Jahren unbedingter Haft verurteilt. Wenn das Urteil rechtskräftig wird, wäre er der erste ehemalige Minister seit Franz Olah, der ins Gefängnis muss, berichtet Peter HERBST.

I

n Strassers Amtszeit als Innenminister von 2000 bis 2004 fiel die Unterstützung jener Beamten, die für den Tod Seibane Wagues verantwortlichen waren, Verschärfungen in der Asylgesetzgebung, rechtswidrige Massenabschiebungen und die strafrechtliche Verfolgung von Menschenrechtsaktivisten. Neben und nach seiner politischen Karri-

ere, war Strasser immer wieder für Unternehmen tätig, so etwa als Beirat der Österreichischen Staatsdruckereien, die nach der Privatisierung Aufträge vom Innenministerium ohne Ausschreibung erhielten. Dabei verzichtete er darauf, Funktion und Honorare zu deklarieren („Ich rechne das über meine Firma ab“). Zwischen 2006 und 2008 erhielt Strasser vom Lobbyisten Peter Hochegger einen Betrag von 100.000 Euro („Herr Hochegger hatte einen ausländischen Kunden, der ein Problem hatte. Ich habe dabei geholfen, dieses Problem zu beseitigen.“) Bis März 2011 war er außerdem Aufsichtsrat bei WESTbahn und G4S Security. 2009 wurde er ins Europäische Parlament in Straßburg gewählt, wo auch zwei Journalisten mit ihm Kontakt aufnahmen, die sich bei dem Treffen wie Strasser als Richter Georg Olschak verurteilte Strasser

Lobbyisten ausgaben, in Strassers Wahrnehmung jedoch für einen Geheimdienst gearbeitet haben dürften. Er sei zum nur zum Schein auf deren Angebote eingangen um, so seine Lebensgefährtin „die Schweine dranzukriegen“, kam aus terminlichen Gründen jedoch nicht mehr dazu. Sollte die Strafe für Strasser rechtskräftig werden, dann wäre er der erste Ex-Minister seit Franz Olah, der Da schaut er blöd aus der Wäsche: Ernst Straseine Haftstrafe verbüßt. ser muss für vier Jahre hinter Gitter Richter Georg Olschak hat damit päpstlichen Gregoriusordens: „Wer einen Schritt in die richtige Rich- dazu geeignet ist, soll den schweren, tung getan, dem hoffentlich noch aber zugleich ehrenvollen Beruf des weitere folgen werden. Politikers ausüben...Sittlich integer Strasser ist Träger des Großen Gol- und klug zugleich, soll er angehen denen Ehrenzeichens am Bande für gegen alles Unrecht...Redlich und geVerdienste um die Republik Ös- recht, voll Liebe und politischen Muts, terreich sowie des Großkreuzes des soll er sich dem Wohle aller widmen“


Linkswende Februar 2013

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VERGESSENE GESCHICHTE Die Bewegung der Sans Papiers Nicht zum ersten Mal ist die Besetzung einer Kirche ein Kristallationspunkt für eine selbstbewusste Bewegung von Immigranten und Immigrantinnen. Hannah ­K RUMSCHNABEL erinnert an die seit Jahrzehnten andauernden Kämpfe der Sans Papiers in Frankreich.

1972:

Von Abschiebung bedrohte Tunesier treten in Hungerstreik und besetzen eine Kirche in der französischen Industriestadt Valence, „illegale“ Immigranten in ganz Frankreich tun es ihnen nach, bald folgen auch Streiks an ihren Arbeitsplätzen. Für einige kann mithilfe der Gewerkschaft eine Legalisierung ausgehandelt werden, was Hungerstreiks in 20 weiteren französischen Städten auslöst. Seit 1968 haben Einwanderinnen und Einwanderer für ein Aufenthaltsrecht und faire Löhne gekämpft, nun verbinden sie sich mit Betriebsrats-Organisationen. Es ist die Geburtsstunde der Bewegung der „Sans Papiers“ (Ohne Papiere). Hier bleibe ich! Ihr Widerstand richtete sich zunächst vor allem gegen die „Marcellin-Fontanet-Erlasse“, die ein Aufenthaltsrecht von einem lang-

fristigen Arbeitsplatz abhängig machten und der Polizei die Kontrolle über alle Aufenthaltsfragen überließen. Die anfangs eher unorganisiert über das Land verstreuten Sans Papiers bildeten schnell gemeinsame Strukturen aus und beschlossen auf einer ersten Vollversammlung 1973, sich nicht weiter auf Hungerstreiks zu beschränken und kämpferische Aktionen zu wagen. Als strategischen Pluspunkt im Vergleich zu den heute in der Votivkirche protestierenden Flüchtlingen hatten sie vielfach Jobs in großen Industriebetrieben und konnten Streiks als Kampfmittel einsetzen. Der größte Streik der Sans Papiers fand in der Papierrecycling-Fabrik von Nanterre statt, dauerte sieben Monate an und erreichte Lohnerhöhungen und Aufenthaltstitel. Doch nach den großen Erfolgen schlug die Regierung umso härter zurück: In der zweiten Hälfte der 1970er

Sans Papers demonstrieren in Paris

und in den 1980er Jahren folgte ein restriktives Gesetz auf das andere und Rassismus gegen Einwanderer

Profitrate

von Manfred ECKER

K

apitalisten messen den Erfolg ihrer Unternehmungen daran, wie viel Ertrag ihre Investitionen abwerfen. Je mehr Ertrag sie erwarten dürfen, desto lieber werden sie investieren. Wenn sie befürchten, dass ihre Investitionen keine Erträge abwerfen, dann werden sie sehr zögerlich, oder ganz aufhören zu investieren. Das Verhältnis zwischen Ertrag und Investitionen (inklusive der laufenden Kosten) nennt sich die Profitrate. Bezeichnenderweise findet man kaum Zahlen zu den jeweils aktuellen Profitraten einzelner Unternehmen, oder den Profitraten in einem Land. Ein ehrlicher Blick auf die aktuellen Profitraten könnte sehr deutlich erklären, weshalb die Unternehmer in den USA, der EU und in vielen anderen Ländern derzeit so vor Investitionen zurückscheuen. Das hat Auswir-

wurde salonfähig. Die Bewegung der Sans Papier konnte sich davon lange nicht wirklich erholen. Doch auch während dieser leisen Phase gab es durchaus Erfolge, etwa als Ende der 80er Massen unter dem Slogan „Hier bin ich, hier bleibe ich, hier wähle ich!“ demonstrierten. Kirchenbesetzungen Erst 1996 meldeten Protest vor der Arbeitsbehörde von Vincennes sich die Sans Papiers mit einem Pau- stützer verhinderten monatelang kenschlag zurück: Eine spontane die Räumung der Kirche. Die Sans Besetzung der Kirche Saint Amb- Papiers organisierten sich in Plena roise in Paris zwang die französische und legten Wert darauf, unabhängig Linke und die Gewerkschaften, sich zu bleiben, obwohl immer wieder endlich klar zu dem Thema zu po- NGOs oder Pernsonenkommitees sitionieren. Die Sans Papiers selbst aus Prominenten als „Mediateure“ hatten keine gemeinsamen Struk- für sie zu sprechen versuchten. Am turen mehr und doch konnten sie Ende bekamen 150 der Sans Papiers innerhalb kürzester Zeit massenhaft eine Aufenthaltsgenehmigung, 50 Unterstützung in ihrem Umfeld wurden abgeschoben und zahllose mobilisieren. Die Besetzerinnen Weitere warten zum Teil bis heute und Besetzer der Kirche waren zu- auf einen Bescheid. Ihre Anliegen dem gut organisiert und stellten kla- blieben noch weit nach diesem Aufre Forderungen nach Legalisierung. schwung der Bewegung in der GeEine Räumung nach vier Tagen und sellschaft präsent. ein Großschlag der Polizei brachten Gewerkschaftliche Kämpfe gewaltiges mediales Interesse und die Gewerkschaften äußerten eine Das zeigt sich insbesondere seit – wenn auch problematisch formu- 2008. Gegen ein Gesetz, das Arbeitlierte – Solidaritätserklärung. geber zur Meldung „illegaler“ ArAls Reaktion auf die Repression der beitskräfte zwingen sollte, streikten Regierung folgte im Juni mit der 2008 mit Unterstützung der GeBesetzung der Kirche Saint Bernard werkschaft CGT neun Köchinnen eine Ausweitung der Kampfmittel: und Köche. Sie erreichten damit Wieder waren zehn Sans Papiers eine Legalisierung und inspirierten in Hungerstreik, doch zusätzlich ähnliche Kämpfe. Im April streikwurde unter Schirmherrschaft von ten 1500 Sans Papiers in 25 Firmen Gewerkschaftsfunktionären de- koordiniert, weitere 2000 nahmen monstriert, Geistliche und Unter- an den Protesten teil, etwa 80%

von ihnen erhielten im Anschluss tatsächlich eine Aufenthaltsgenehmigung. 2009 versuchte CGT diesen Erfolg zum Anlass zu nehmen, mit organisierten Besetzungen (etwa von Arbeitsämtern) und Streiks die zuständigen Präfekturen zu Legalisierungswellen zu bewegen. Tausende „Illegale“ und elf Gewerkschaften und Organisationen nahmen daran teil. Das machte die Bewegung breiter und führte im März 2010 sogar zu einem Generalstreik der MigrantInnen und Migranten nach dem Vorbild von Kalifornien 2006. Obwohl Sans Papiers und Gewerkschaften weiterhin in einem schwierigen Verhältnis zueinander stehen, haben diese Kämpfe eine wichtige neue Phase der Bewegung eingeleitet. Bis heute sind Aufenthaltsrecht, Arbeitserlaubnis und faire Bezahlung dank der Hartnäckigkeit der Immigrantinnen und Immigranten ein ständig umkämpftes Terrain. Zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses kämpfen 38 Sans Papiers in Lille nach 73-tägigem Hungerstreik um Legalisierung.

In dieser Serie erklären wir Begriffe des Marxismus von A bis Z.

kungen auf die gesamte Weltwirtschaft. Wenn als Beispiel Autoproduzenten weniger neue Maschinen kaufen, dann betrifft das ihre Zulieferer, deren Händler und Frächter, die Rohstoffproduzenten, bis hin zu den Produzenten und Händlern für die Waren, die von den Arbeiterinnen und Arbeitern konsumiert werden sollen. Das Wirtschaftswachstum sinkt bis die ganze Wirtschaft stagniert oder schrumpft. Die andere Seite der Investitionsscheue ist natürlich, dass Gewinne, die nicht mehr investiert werden, entweder brach liegen, in Spekulationsgeschäfte gesteckt werden oder für Luxusgüter ausgegeben werden. Für uns wenig überraschend kann man seit Jahren alle drei Phänomene beobachten – und zwar handelt es sich um Billionen, die von den Kapitalisten verspekuliert anstatt investiert werden. Sich die Profitraten genau anzusehen wäre also durchaus angebracht. Man findet den Begriff

Profitrate aber sehr selten in den herkömmlichen Wirtschaftsanalysen. Er wird, wenn schon, dann mit Kapitalrendite, Investitionsrentabilität oder auch dem englischen „return of investment“ umschrieben. Marx hat sich mit seiner Beobachtung, dass die Profitraten langfristig eine Tendenz zu sinken haben, sehr unbeliebt bei den Kapitalisten gemacht, behaupten sie doch, dass ihr System gesund und selbstregulierend funktioniere. Da kommt die Behauptung, dass das System schon auf der Ebene der Produktion krankt, sehr ungelegen. Marx selbst nannte seine Theorie das „Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate“. Mit ihr konnte er erklären, weshalb in der kapitalistischen Gesellschaft, obwohl wir über riesige Kapazitäten verfügen, Krisen so hartnäckig sind und Milliarden Menschen zu Armut verurteilen. Die Theorie ist also sehr umstritten und auch nicht sehr einfach zu erklären.

Im Prinzip besagt sie folgendes: Da Kapitalisten von der Konkurrenz untereinander angetrieben werden, fahren sie ihre Produktionskapazitäten stetig in die Höhe. Dabei sind sie bedacht, die Produktivität, oder die Effizienz ihrer Arbeitskräfte ebenfalls ständig zu verbessern, so dass sie relativ zur Produktion Arbeitskräfte einsparen. Nun bringt das mit sich, dass die ständig wachsenden Produktionskapazitäten immer höhere Investitionen verlangen, immer teurere Maschinenparks, etc. Gleichzeitig unterbieten sich die Kapitalisten bei den Preisen ihrer Produkte am Markt und vor allem bauen sie einzige Quelle ihrer Profite ab – das ist die Ausbeutung von Arbeitskraft. Wie gesagt handelt es sich um eine Tendenz der Profitraten zu fallen, nicht um einen permanenten ununterbrochenen Fall. In der Entstehung der aktuellen Krise war und ist dieses Gesetz aber ganz deutlich wirksam geworden.


14 Februar 2013 Linkswende

Film „THE FIRST RASTA“ Geniale Kino-Doku über die revolutionären, antikolonialen Wurzeln der Rastafari-Religion, die wiederum die ideologische Basis der Reggae-Musik ist. Die Lebensgeschichte des „Ersten Rasta“ Leonard Percival Howell beinhaltet die jamaikanischen Aufstände, zuerst gegen die britischen Sklavenhalter, später gegen die Bananenkonzerne.

Bis 30.Jänner Schikanederkino Margaretenstraße 24, 1040 Wien Infos: www.schikaneder.at Tel: 01 / 58 52 867

Ausstellung – Vortrag „FPÖ-WATCH“ Der Wahlkampf hat begonnen. Die ersten blauen Plakate künden sich an. Die Linie ist eindeutig. EU-feindlich, rassistisch, fremdenfeindlich, antidemokratisch, bauernschlau, populistisch. Monatlich werden die rassistischen Phrasen und Parolen der FPÖ analysiert. Ein Netzwerk soll entstehen. Zur Eröffnung spricht Hans-Henning Scharsach, Autor von „STRACHE im braunen Sumpf“

Ab 29.1. im Empfangsraum des Volkstheaters Neustiftgasse 1, 1070 Wien Infos: www.volkstheater.at/ home/spielplan/1333/FP%C3%96WATCH

SOLI-KONZERT Refugee Action Protest Solikonzert für die Flüchtlinge in der Votivkirche. Mit den Einnahmen werden die mutigen Flüchtlinge, die für ihre Rechte kämpfen unterstützt. U.a. mit Conseptagons, The Bandaloop, Bulbul, DJs

30.Jänner, 19.30 Uhr WUK — Werkstätten- und Kulturhaus Währinger Straße 59, 1090 Wien http://www.wuk.at/event/ id/16310

Tolkiens Welt: Eine marxistische Analyse

KULTUR

Mit „Der Hobbit“ und „Der Herr der Ringe“ hat J.R.R. Tolkien eine eigene Welt erschaffen. John MOLYNEUX untersucht Tolkiens Darstellung von Mittelerde in einer marxistischen Kritik und erklärt die außergewöhnliche Popularität seiner Werke. (übersetzt aus dem Englischen und gekürzt von Ludwig Sommer)

M

it rund 150 Millionen verkauften Büchern liegt die Herr der Ringe Saga in den Top 10 der meist gelesenen Bücher der Menschheit, direkt nach der Bibel, dem roten Buch von Mao, dem Koran und dem chinesischen Wörterbuch. Eine Popularität in dieser Größenordnung bedeutet, dass der ideologische Inhalt dieses Werks eine gewisse Rolle im Bewusstsein so vieler Millionen Menschen spielt. Daher ist eine genauere Analyse lohnenswert. Außerdem birgt diese Popularität ein Rätsel. Es ist klar, dass die Weltanschauung von Tolkien in vielerlei Hinsicht politisch rechts und reaktionär ist. Aber wie kann es angesichts dessen sein, dass sein Werk so populär ist? Wenn ich mich auf die Weltanschauung von Tolkien beziehe, meine ich nicht seine persönliche politische Einstellung, sondern die Sichtweise, die sich in seinen Romanen darstellt. Diese Weltanschauung wird in erster Linie nicht in den Details der Handlung von „Der Hobbit“ oder „Der Herr der Ringe“ ausgedrückt, sondern in der gesamten Darstellung von Mittelerde als einer imaginären Gesellschaft. Die Welt von Mittelerde Der Grund, warum die sozialen Verhältnisse so einfach wiederentdeckt werden, ist, weil sie im Kern feudal sind. Wir leben nicht in einer feuda-

len Gesellschaft. Aber der Feudalismus ist die gesellschaftliche Ordnung, welche unmittelbar dem Kapitalismus in Europa voranging und in vielen Teilen der Welt bis weit ins 20. Jahrhundert an der Seite des Kapitalismus koexistierte. Zudem existieren auch noch Sméagol alias Gollum, der Underdog der Herr der Ringe Trilogie, war eindeutig die im 21. Jahrhundert Lieblingsfigur des Redaktionsteams. gewisse Überbleibsel des Feudalismus. Laut Marx ent- len der Götter“ in der Saga. Diese idealisierte Darstellung einer vorsprechen soziale Verhältnisse einem Vorstellung von einer Vorsehung ist kapitalistischen Vergangenheit, eine bestimmten Entwicklungsgrad der zutiefst konservativ, weil sie nahe Kritik an dem modernen industriProduktivkräfte (Technologie, Ar- legen will, dass Menschen weder alisierten Kapitalismus. In Tolkiens beitstechnik, Wissenschaft). Die die Gesellschaft noch ihr Leben in idealisiertem Feudalismus finden Produktivkräfte in Mittelerde ent- die eigenen Hände nehmen können wir keine negativen Aspekte wie die sprechen eindeutig dem mittelal- und sie auch niemals in die Positi- geringe Lebenserwartung, die fürchterlichen Entwicklungsgrad. Mit- on dazu kommen werden. Tolkiens terliche Armut und die verehrenden telerde ist eine Welt von Königen Welt enthält außerdem Elemente Seuchen dieser Zeit. Mit dieser Abund Königinnen, Prinzen und Prin- von schwerwiegendem Rassismus straktion kann das Mittelalter als zessinnen, Gebietern und Damen. und Sexismus. (ausführliche Analy- eine reinere und edlere Zeit wahrDie soziale Stellung jedes einzelnen se im Original, siehe unten). genommen werden als die dreckige Charakters in der Geschichte ist in moderne Welt von Fabriken, VerTolkiens Anziehungskraft erster Linie durch die Geburt vorschmutzung, Profit, Geldgeilheit, bestimmt. An keiner Stelle in „Der Wir können uns nun wieder der vulgären kommerziellen Interessen, Herr der Ringe“ wird die hierarchi- Frage zuwenden, wie ein Werk, in schäbigen Konsumgütern, Werbung sche soziale Struktur auch nur in der dem eine so konservative, reaktionä- und extremer Entfremdung. geringsten Weise in Frage gestellt re und feudale Welt mit einer Mi- Wie Trotzki, der in „Klasse und oder herausgefordert. Im Gegenteil schung aus Rassismus und Sexismus Kunst“ die Angelegenheit sehr klar wird Akzeptanz der althergebrach- eine so große Popularität hervorru- ausdrückt, denke ich nicht, dass ten Autoritäten als Zeichen eines fen konnte. Die Frage ist deshalb man über den künstlerischen Wert „guten“ Charakters wertgeschätzt. so interessant, weil die Popularität anhand der Ideologie des Künstlers Dementsprechend ist Tolkiens des Werks gerade nicht in politisch entscheiden kann, auch wenn diese Weltanschauung von Anfang bis rechten Kreisen zu finden ist, wie es Ideologie sich im Werk wiederfindet. Ende getränkt mit einem tiefsitzen- beispielsweise bei den James Bond- Die Schwächen von Tolkiens Werk den Respekt gegenüber alteingeses- Romanen und -Filmen der Fall ist. machen es in keiner Weise weniger sener Autoritäten. Außerdem zieht Eine naheliegende aber auch ver- vergnüglich oder lesenswert. Zweisich ein weiteres Gütesiegel des führerische Antwort ist, dass der fellos: Die Bücher sind lesenswert, Konservatismus durch die gesamte „Durchschnittsleser“ nicht an sozi- auch die Filme sind sehenswert. Saga, nämlich die Vorstellung, dass alen und politischen Themen inter- Doch eine kritische Betrachtung nichts mehr so ist wie es einmal war, essiert ist und ganz einfach von der von Tolkiens Welt ist unabdingbar. dass die Welt im Verfallen ist und guten Erzählweise und der packendass früher alles besser, edler, wür- den Handlung mitgerissen wird. devoller und heroischer war als in Aber das ist keine ausreichende Original von John Molyneux: der Gegenwart. Schließlich findet Erklärung. Der wirkliche Schlüs- johnmolyneux.blogspot.co.at sich auch die Ideen von Schicksal, sel zur Massenanziehungskraft der /2011/09/tolkiens-world-marxistVorbestimmung und dem „Wil- Erzählungen von Tolkien ist die analysis.html

Leo K`s

Foto: overexposedcultmovies.blogspot.com

Kultur in Kürze

Musiktipps Che Sudaka: Straßenmusik in der digitalen Welt

D

C

er 2011 verstorbene Gil Scott Heron gilt nicht nur als Wegbereiter für HipHop und Rap, sondern hat bereits auf seinem Debüt-Album im Jahr 1970 mit „The Revolution Will Not Be Televised“ den Prototyp des medien- und kaptialismuskritischen Liedes geschaffen. Die nun veröffentlichte 3CDBox „The Revolution Begins (The Flying Dutchman Masters)“ enthält alle Tracks, die Gil Scott Heron in den Jahren 1970-71 aufgenommen hat. Die 51 Songs stammen von den Original Master Tapes und sind somit dem bisher erhältlichen Material soundtechnisch weit überlegen. In seiner Musik vereinen sich Elemente aus Funk, Jazz, Soul und lateinamerikanischer Musik (Anspiel-Tipps: „Free Will“, „Save the children“). Gil Scott Heron war von den Beat-Poeten beeinflusst und arbeitete in seinen Stü-

Foto: stephox.blogspot.co.at

cken häufig mit Sprechgesang, wobei sich die Texte vor allem mit der sozialen Realität der Afroamerikaner und deren gesellschaftlicher Situation in den USA beschäftigen. Er sympathisierte mit der Bürgerrechtsbewegung der 1960er Jahre und wandte sich in den 1980er Jahren scharf gegen die Politik Ronald Reagans. Von Anfang an sprach sich Gil Scott Heron gegen Drogenmissbrauch aus bzw. kritisierte, dass Flucht aus der Realität keine Probleme löst. Die ganz frühen Aufnahmen dieser Box bestehen aus Texten, die Gil Scott Heron aus einem von ihm verfassten Gedichtband rezitiert und mit perkussiven Elementen unterlegt, wodurch die Texte eine später nie mehr erreichte Intensität gewinnen. „The Revolution begins“ ist somit nicht nur ein Sammlerstück für Fans, sondern auch ein guter Einstieg für Neulinge, wobei jedoch auch Gil Scott Herons hervorragende letzte Veröffentlichung „I’m new here“ (2010) nicht unerwähnt bleiben soll. gilscottheron.net

he Sudaka war ursprünglich eine Straßenband aus dem Immigrantenviertel Raval in Barcelona und vereint Musiker aus Spanien mit illegal zugewanderten Musikern aus Argentinien und Kolumbien. „Sin Papeles“ heißt denn auch einer ihrer ersten Songs, der auf CD gepresst wurde und ist allen illegalen Einwanderern gewidmet, die sich ohne amtliche Dokumente durchs Leben schlagen müssen. Seit 2003 veröffentlicht die Band in schöner Regelmäßigkeit A l b e n , die nicht nur in der Mestizo-Szene hochgelobt werden. Che Sudka begeisterten weltweit bei bereits über 1.000 Live-Konzerten ihr Publikum mit ihrer schweißtreibenden Mischung aus Reggae, Ska, Punk und HipHop (mit unterschiedlichen Sprachen – von katalanisch, französisch, englisch, arabisch, baskisch bis deutsch). Vergleiche mit Manu Chao oder den eingängigen Rocksongs des Kolumbianers Juanes werden gerne gezogen, doch haben Che Sudaka längst ihre eigene Nische für sich erobert. Geprägt durch eine globale Gegenkultur und ihre Wurzeln als Straßenmusiker

Foto: Punktional

Gil Scott Heron: The Revolution Begins

behandeln sie die Probleme der Immigration und der sozialen Ungerechtigkeit. Ihr Talent zur Humoreske gepaart mit spontaner Improvisationskraft haben Sänger Kachafaz und seine Kollegen in ihr Dasein als „recording band“ herübergerettet. Das aktuelle Album „10“ (veröffentlicht 2012 zum zehnjährigen Bestehen) zeigt die Band von einer neuen Seite. Die Songs sind geprägt von einer Gelassenheit, sind verspielt und filigran und zeigen die ganze Bandbreite der Stimmungen, die Che Sudaka ausmacht. Live-Tipp: Che Sudaka treten im Rahmen der aktuellen Europa-Tour vier mal in Österreich auf: 25.01.2013 Dornbirn (Spielboden), 26.01.2013 Salzburg (Rockhouse), 30.01.2013 Graz (Explosiv), 01.02.2013 Wien (Arena). www.chesudaka.com


Linkswende Februar 2013

ANKÜNDIGUNG

15

FPÖ Burschenschafterball

Foto: Martin Juen

verhindern, 1. Februar!

Mach mit bei Linkswende! KONTAKT

Gruppentreffen: Stadtgruppe: Jeden Do. um 19 Uhr, Amerlinghaus (7., Stiftg. 8) Unigruppe: Jeden Mi. um 19 Uhr, Powi-Institut im 2. Stock des NIG (1., Universitätsstr. 7) Für Interessierte, die mit uns politisch diskutieren wollen, keine Anmeldung erforderlich.

Internet: linkswende.org linkswende@linkswende.org

Infotische: Stadtgruppe: Jeden Sa. von 14-15 Uhr, Mariahilferstr., vor dem Generali Center. Unigruppe: Jeden Do. 13 bis 14 Uhr, Unieck: Universitätsstraße 1, Schottentor Während den Uni-Ferien finden Infotische u. Gruppentreffen gemeinsam mit der Stadtgruppe statt.

Telefon: 0650 452 24 73

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Was wir wollen

Eine andere Welt. Heute lebt die Hälfte der Menschheit von weniger als 2 Dollar pro Tag, 67% der Reichtümer sind in den Händen von nur 2% der Bevölkerung. Weltweit sind Regierungen für krisengeschüttelte Unternehmen und Banken mit rund 6.000 Milliarden Euro in die Bresche gesprungen. Dieser Betrag würde ausreichen, um die weltweite Armut für ein halbes Jahrhundert zu beenden. Was heute produziert wird, würde schon ausreichen,

ABONNEMENT

um alle Menschen der Welt mit dem Grundlegendsten zu versorgen. Die Bedingungen für eine gerechtere Welt waren nie besser als heute. Demokratische Kontrolle. Wir wollen eine Gesellschaft, in der gezielt für die Bedürfnisse der gesamten Menschheit und mit Rücksicht auf die Natur produziert wird. Dafür ist eine wirklich demokratische Ordnung nötig, in der die werktätigen Menschen das Sagen haben, sie produzieren allen Reichtum

dieser Welt. Eine neue Gesellschaft ist nur vorstellbar, wenn sie die Produktion ihrer Reichtümer und ihre Verteilung kontrollieren. Um eine solche gerechte – eine sozialistische – Gesellschaft errichten zu können, müssen Arbeiter und Arbeiterinnen kollektiv gegen das herrschende System vorgehen, seine staatlichen Strukturen zerschlagen und kollektiv die Kontrolle übernehmen. Wir stehen für einen Sozialismus von unten, denn – wie Karl Marx sagte – »Die Befreiung der Arbeiterklasse muss das Werk der Arbeiterklasse selbst sein.« Internationalismus. Die Revolutionen im arabischen Raum und der internationale Aufschwung der Arbeiterinnen- und Arbeiterbewegung im Jahr 2011 demonstrieren, dass der Kampf nicht entlang von Ländergrenzen, sondern von Klassengrenzen stattfindet. Das Scheitern der Russischen Revolution mit der Machtübernahme Stalins hat uns

gezeigt, dass eine sozialistische Revolution nicht isoliert in einem Land erfolgreich sein kann. Der Kapitalismus ist ein internationales System, das nur international besiegt werden kann. Wir unterstützen das Recht aller unterdrückten Gruppen, sich zu ihrer eigenen Verteidigung zu organisieren. Wir unterstützen Befreiungsbewegungen, die sich gegen Unterdrückung durch imperialistische Staaten wehren. Gegen Unterdrückung. Als Sozialistinnen und Sozialisten bekämpfen wir jede Form der Unterdrückung. Wir stellen uns gegen alle Versuche der herrschenden Klassen, uns entlang von Staatsgrenzen, Hautfarbe, Religion, Geschlecht oder sexueller Orientierung zu spalten und damit zu schwächen. Wir treten für echte soziale, politische und ökonomische Gleichberechtigung von Frauen und für ein Ende aller Diskriminierungen von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender ein.

Gegen Rassismus. Wir wenden uns aktiv gegen alle Versuche, Menschen verschiedener Herkunft gegeneinander zu hetzen. Wir sind gegen jede Diskriminierung, gegen Einwanderungskontrollen, gegen Arbeitsverbote und für grenzüberschreitende Solidarität. Wir stehen für Solidarität mit der muslimischen Bevölkerung und für das volle Recht auf freie Religionsausübung. Revolutionäre Partei. Unsere Herrscher kontrollieren die Medien, die Justiz, Polizei und Militär. Um diese Macht zu konfrontieren, müssen sich auch die Lohnabhängigen organisieren. Wir glauben, dass diejenigen, die eine gerechte und solidarische Gesellschaft wollen, sich zusammentun müssen und die Entwicklung der Protestbewegungen nicht dem Zufall überlassen dürfen. Je stärker die revolutionäre Strömung innerhalb der Bewegung ist, desto mächtiger wird die Bewegung als Ganzes.


Linkswende Monatszeitung für Sozialismus von unten

„NIEMALS ZURÜCK“:

Ägyptens Revolution geht weiter von Philip MARFLEET (aus dem Englischen von Judith LITSCHAUER )

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Jahre lang war Ägypten das Labor des Neoliberalismus – ein Staat, in dem hegemoniale Weltmächte und Finanzinstitutionen ihre Strategien in der globalen Wirtschaft umsetzten. Die USA und ihre Verbündeten testeten dort, wie sie wichtige Ressourcen des globalen Südens unter ihre Kontrolle bringen können. Seit Mitte der 1970er Jahre unterstützten sie Regime wie jenes von Anwar Sadat oder Hosni Mubarak, um ihre zunehmend aggressive, neoliberale Agenda durchzusetzen. Als vor 2 Jahren, im Jänner 2011, am Kairoer Tahrir-Platz der Aufstand begann, stand Vieles auf dem Spiel: Könnten die Ägypterinnen und Ägypter die herrschende Ordnung – eine Staatsmacht, welche die Mehrheit der Menschen unterdrückt, anfechten? Die Slogans der Bewegung und ihre Bestrebungen erhielten weltweit ein Echo. Indem die Ägypter Mubarak los wurden, machten sie Tahrir (Befreiung) zu einem Synonym für Widerstand. Zwei Jahre später ist die ägyptische Revolution nach wie vor das Zen-

trum der Auflehnung gegen den kapitalistischen „Liberalismus“ und gegen die Staatsmächte, welche dessen unerbitterliches Profitstreben unterstützen. Wo steht die Revolution heute und was sind ihre Potentiale? In den bürgerlichen Medien wird behauptet, dass die Geschehnisse am Tahrir-Platz nur eine kurze Revolte gewesen seien. Nun habe die harte Realität die ägyptische Bewegung wieder eingeholt – der Aufstieg des Islamismus. Rückständige religiöse Kräfte würden jegliche demokratischen Bestrebungen zerstören. Als die Wahl im Dezember 2011 der Muslimbruderschaft Erfolg bescherte, haben viele die Massenbewegung in Ägypten abgeschrieben. In konservativen Medien verspürte man sogar eine offenkundige Erleichterung, denn es war für sie die Bestätigung, dass muslimische Gesellschaften nicht fähig seien für einen radikalen Wandel. Israels Premierminister Benjamin Netanyahu bekräftigte, dass sich die arabischen Länder „nicht vorwärts bewegen Richtung Fortschritt, sondern rückwärts“. Als Mohamed Mursi, Kandidat der Muslimbrüder, bei den Präsident-

schaftswahlen im Juni 2012 gewann, ging die islamfeindliche Hetze weiter: Marine Le Pen, führend im neofaschistischen Front National in Frankreich, meinte, der „arabische Frühling“ hätte sich zu einem „islamistischen Winter“ gewandelt. Außerdem schürte sie Ängste, dass Europa eine Welle an Flüchtlingen aus arabischen Ländern bevor stehe. Der Tahrir-Platz war nicht mehr ein Beispiel für die Möglichkeit des globalen Widerstands, sondern ein weiteres Feld im geglaubten „Kampf der Kulturen“. Ägypten hat keinen „islamistischen Winter“ erlebt. Seit Jänner 2011 mussten religiöse Aktivisten gemischte Erfahrungen machen. Die Wahlerfolge waren verbunden mit ernst zu nehmenden Rückschlägen. Insbesondere die Muslimbruderschaft – weit entfernt davon ihre historische Mission, die ägyptische Gesellschaft zu einer islamischen Ordnung zu führen, zu erfüllen – litt unter Spaltungen und Austrittswellen. So verlor sie den Zusammenhalt, der während Mubaraks Ära aufgebaut wurde. Ägyptens Salafisten, die durch die Wahlen aus dem Abseits an Bedeutung gewannen, kämpfen ebenso

damit ihren Schwung zu erhalten. Unterdessen erlebten säkulare Kräfte, die erschöpft vom jahrzehntelangen ineffektiven Widerstand gegen die Diktatur schienen, neuen Aufschwung. Radikaler Nationalismus wurde erneuert und, zum ersten Mal seit den 1940er Jahren, hat Ägypten eine neue Linke, die organisches Element der revolutionären Bewegung ist. Auf Arbeitsplätzen, an den Universitäten und in den lokalen Gemeinschaften ist das Niveau des kollektiven Organisierens weiter fortgeschritten als es je war – seit den 1940ern. Es gibt eine riesige Zuhörerschaft für Ideen der Selbstemanzipation und des revolutionären Wandels. Aber – ein großes aber – die ägyptische Arbeiterklasse, das wichtigste Subjekt in revolutionären Bewegungen, ist noch nicht so weit, jene, die an der Macht sind, nachhaltig herauszufordern. Der ägyptische Staat, mit all der historischen Repression, ist nach wie vor in Takt: Der Diktator ist weg, aber die Strukturen der Unterdrückung sind nach wie vor vorhanden. Das Militär ist immer noch das Herz des Systems, kontrolliert von einer Elite, die seit Jahrzehnten Anspruch auf die Führung erhebt. Der ägypti-

Foto: Hossam el-Hamalawy

Furchtlos schreitet die Revolution voran:

Graffiti auf dem Präsidentenpalast

sche Kapitalismus – ein Hybrid aus privaten und staatlichen Interessen – wurde zwar destabilisiert, aber von der Bewegung von unten noch nicht in Frage gestellt. Jene, welche die Macht haben weiteren radikalen Wandel anzuzetteln, müssen sich noch koordinieren, um den Bestrebungen der Bewegung gerecht zu werden – die Forderung nach „Brot, Freiheit und sozialer Gerechtigkeit“ die bei jedem Streik und jeder Demonstration zu hören war. Was auf dem Spiel steht ist nicht eine neue Herrschaft der Ayatollahs, sondern dringliche Probleme wie das Erbe des Nationalismus und Kommunismus oder des damit in Zusammenhang stehenden religiösen „Reformismus“. Diese Schlüsselfragen halten die Arbeiterbewegung auf, hemmen die Aktivistinnen und Aktivisten und geben – in der schädlichsten Art und Weise – geben den Anhängern des alten Regimes die Möglichkeit ihren Einfluss zu erhöhen. Original Text auf: www.isj.org.uk


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