Linkswende Nr. 173

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Linkswende

Monatszeitung für Sozialismus von unten

www.linkswende.org | Nr. 173 Spende 1,50 €

WIR KÖNNEN UNS

DIE REICHEN NICHT MEHR

LEISTEN!

NELSON MANDELA Über den großen Kämpfer gegen Rassismus (1918-2013) >> Seite 4

ÄGYPTEN Die Revolution nimmt nach einem schwierigen Jahr wieder an Fahrt auf >> Seite 15


Foto: Linkswende

von Manfred ECKER

EIN SPARPAKET IST KEINE BILDUNGSREFORM

Hannah Krumschnabel berichtet vom Lehrerkampf

Foto: Youtube

>> Seite 6 und 7

BURSCHENSCHAFTEN

David Albrich portraitiert die Schmissgesichter und macht klar, warum wir sie bekämpfen müssen

>> Seite 10 und 11

DER DEAL IRAN-USA

Alex Callinicos entwirrt das Machtgefüge im Nahen Osten

>> Seite 13

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ienststellenversammlungen, Demonstrationen und Streikdrohungen – was die Lehrer_ innen auf die Beine gestellt haben, ist sehr motivierend und bewundernswert. In einer für Österreich so typischen Art und Weise sollen schon wieder die Arbeitsbedingungen des Lehrpersonals verschlechtert werden. Zuerst wurde das Bildungssystem so lange ausgehungert, bis es für alle – nicht nur die Betroffenen – unerträglich geworden ist. Dann stellt sich die Regierung hin und präsentiert ein dummes und hartes Sparpaket als die längst überfällige Bildungsreform. Auf den Seiten 6, 7, und 26 zerlegen wir die haarsträubende Propaganda mit der Lehrer_innen verunglimpft werden, bringen Interviews, Fakten und andere wichtige Argumente. Damit sollt ihr, liebe Leserinnen und Leser, euch hinter die Proteste der Lehrer_innen stellen und die nötige Solidarität aufbauen. Der aktuellen Farce, genannt Koalitionsverhandlungen, widmen wir uns nur am Rande. Aber was jetzt schon zu erkennen ist, nämlich die Fortsetzung einer gescheiterten Sparpolitik, geht uns alle an. „Wir können uns die Reichen nicht mehr leisten“ ist deshalb als Titelslogan gewählt worden, weil erstens viel Wahrheit darin steckt – das zeigen die nackten Zahlen über Einkommens- und

Vermögensverteilung – und weil beinahe sämtliche Medien und sogenannte Budgetexperten uns umgekehrt mit der absurden Lüge überhäufen, wir könnten uns die Pensionen, Pflegegelder, Arbeitslosenunterstützungen, etc. nicht mehr leisten. Auf den Seiten 3, 5 und 8 findet ihr die entsprechenden Artikel. In dieser Ausgabe beschäftigen wir uns wieder mit den Umtrieben von Rechtsextremen und Neofaschisten. Wir würden gerne darauf verzichten, aber wegsehen ist eine Sache, die uns in Österreich schon zu tief in die Scheiße geritten hat. Dass Uniformierte aus den schlagenden Burschenschaften öffentliche Veranstaltungen wie den Akademikerball in der Hofburg abhalten dürfen, ist völlig unverständlich und absurd, wenn man um die Rolle der Burschenschafter im Terrorapparat der Nazis kennt. Aber man weiß es nicht, bzw. man sieht einfach weg, auch wenn man neben ihnen im Parlament oder anderen demokratischen Institutionen sitzt. Am 30. November haben Proteste in Innsbruck eine Wende im Umgang mit den Burschenschaften fortgesetzt, die phantastisch und wirklich begrüßenswert ist (siehe Rückseite). Die Seiten 10 und 11 zeigen schonungslos, mit wem wir es zu tun haben, und wieso Antifaschismus eine wichtige und brandaktuelle Angelegenheit ist. Kein Genuss, aber unerlässlicher Lesestoff.

FOTOBERICHT

VERGESSENE GESCHICHTE

Wie 1942 ein Partisanenverband eine SS-Einheit in Kärnten aufrieb, erzählt Manfred Ecker

>> Seite 22

WOYZECK

Von der umjubelten Georg-Büchner/Tom-WaitsInszenierung im Volkstheater berichtet Peter Herbst

>> Seite 24

In Istanbul attackierten wütende Demonstrant_innen die Polizei mit Feuerwerkskörpern. Proteste breiten sich erneut aus, nachdem die Staatsmacht zwei Kurden in der Provinz Hakkari ermordet hat.


„Budgetloch“: Regierung macht Druck für Sparpakete

Das Wort „Budgetloch“ hätte sich den Titel „Unwort des Jahres“ durchaus verdient, wird es von der Regierung doch nur verwendet, um Stimmung für die Zerschlagung des Sozialstaats zu machen, meint Judith LITSCHAUER.

Gegen Sozialstaat

Einkommens- und Unternehmenssteuern

Die Neuauflage der rot-schwarzen

Vermögenssteuern

Sparkonsens

Koalition bleibt beim alten Falschen. Sie nehmen die ökonomischen und sozialen Kosten der Kürzungspolitik in Kauf um dem „neoliberalen Wunschkonzert“ klein bei zu geben. Die Panikmache um das „Budgetloch“ wird als Grund vorgeschoben. Die Zahlenreiterei, wie groß das Budgetloch nun tatsächlich ist, entpolitisiert das Thema Staatshaushalt und Wohlfahrtsstaat. Die Regierung versucht damit einen „Sparkonsens“ herzustellen. Jeder und je-

Verbrauchssteuern

tig krisenbedingt die Einnahmen zurückgingen. Auch für das Jahr 2013 rechnet das Finanzministerium mit 15 Milliarden Euro weniger Einnahmen als geplant. Die Erosion der Staatseinnahmen ist auch auf die extrem niedrige Vermögenssteuerquote von 1,2 Prozent der Gesamtabgaben und auf niedrige Lohnabschlüsse zurückzuführen.

Sozialversicherung

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orweg in aller Klarheit: Die Staatsfinanzen sind eine hoch politische Angelegenheit und dürfen keineswegs auf einen rein wirtschaftlichen Automatismus reduziert werden. Aber genau das passiert in der öffentlichen Debatte (und in der Europäischen Union). WIFO und IHS drängen mit Nachdruck auf Sparmaßnahmen, und auch die SPÖ verfällt der ÖVP-Meinung, wonach höheres Wirtschaftswachstum quasi automatisch Erbschaftsund Vermögenssteuern ausschließe und Kürzungen in Milliarden-Höhe bedürfe. Wahlversprechen, wie eine Erhöhung der Familienbeihilfe zum Ausgleich der Inflation, wurden abgesagt, der Aufnahmestopp im öffentlichen Dienst prolongiert und neuerliche Angriffe auf Pensionist_innen sind geplant. Solche Politik stützt sich auf die völlig falsche Behauptung, dass der Sozialstaat an der Krise schuld sei. Dieser Trugschluss ist aber eine Umkehrung von Ursache und Wirkung: Denn tatsächlich ist der Anstieg der Staatsausgabenquote auf die Wirtschafts- und Finanzkrise zurückzuführen. Die Staatschulden haben nicht die Krise verursacht, sondern umgekehrt, der Staat machte Milliarden für Bankenrettungen und Konjunkturpakte locker, während gleichzei-

dem müsse demnach klar sein, dass am Sparen kein Weg vorbei führe. Ausgeblendet wird die Diskussion wer zur Kasse gebeten wird. Denn da ist sich die Regierung schon einig: Familien, junge Menschen, Pensionist_innen (siehe Seite 8) und Lehrer_innen (siehe Seite 6/7).

Die Reichen leben auf unsere Kosten: Vermögenssteuern betragen nur 0,5 Prozent des BIP (Steuer- und Abgabenaufkommen, Quelle: OECD, 2012)

Politik wird im Namen des „Standorts“ für Großkonzerne und Vermögende gemacht. Das hat trotz steigender Gewinne bzw. Vermögen zu stagnierendem Steueraufkommen aus eben diesen Quellen geführt. Diese einseitige Konzentration auf das altbekannte Credo „Geht’s der Wirtschaft gut, geht’s uns allen gut“ führt zu Kürzungen und der Abschaffung des Sozialstaats. Dass uns das eben nicht „gut tut“ ist offenkundig – außer für die Regierung, die Schritt für Schritt alle Errungenschaften der Arbeiter_innen- und Gewerkschaftsbewegung anzugreifen droht. Reduzierung der Neuverschuldung und Verzicht auf Mehreinnahmen durch Erbschafts- und Vermögenssteuern bedeuten im Klartext: Nichts, was Geld kostet und nichts, was Geld bringt, wird umgesetzt. Die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Hand wird auf die Aufgaben eines Nachtwächterstaates zurückgestutzt – das ist das wahre Ziel hinter dem Schlagwort „Budgetloch“. Der Regierung geht es nicht darum das Budgetloch zu stopfen – dann würden wir über Einnahmenerhöhung und nicht über Ausgabenkürzung reden – sondern um die Zerschlagung des Sozialstaats.

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Nelson Mandela (1918-2013) verschaffte das Apartheidsystem seinen Unterstützern im In- und Ausland riesige Profite. Mandela galt im Westen als Terrorist. In den 70ern wurden militante byinggruppe, die bei den Kolo- Gewerkschaften gegründet und nialherren um Zugeständnisse 1973 folgten die ersten, mitunbettelte. Mandela ter erfolgreigehörte zu einer kleichen Streiks. nen Schicht SchwarDer Schülerzer, die Gelegenheit aufstand von zu Bildung erhielten Soweto 1976 und auf der Universiund die Nietät zu einer gewissen derlage der Radikalisierung des südafrikaniANC beitrugen. schen Armee in Angola Sharpville-Massaker befeuerten Nach dem Sharpvilledie AntiMassaker von 1960 Apartheidsbeverstärkte das Regime wegung. Der die Repression und ANC führte machte gewaltlosen keinen dieser Widerstand unmögKämpfe und lich. Mandela orga- Nelson Mandela profitierte von nisierte Angriffe auf seiner MassenStaatseinrichtungen und Indus- tauglichkeit und internationalen triebetriebe, wurde bald darauf Kontakten. verhaftet und entging knapp der Das Blatt wendet sich Todesstrafe. Der ANC wurde zerschlagen und viele Mitglieder Das Regime erholte sich nie flüchteten in die Nachbarstaaten. mehr von diesen Schlägen, und In den 1960er-Jahren, während verlor international zunehmend Mandela in der betäubenden an Boden. 1982 beteiligten sich Hitze der Kalkgrube arbeitete, 100.000 Arbeiter_innen am

Nelson Mandela war einer der größten Gestalten im Kampf gegen Rassismus und der berühmteste Häftling der Welt, schreibt Peter HERBST. Am 5. Dezember ist er verstorben.

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andela wurde 1964 zu lebenslänglicher Haft verurteilt. Die ersten 18 Jahre leistete er Schwerstarbeit in einer Kalkgrube. Er durfte nur alle sechs Monate einen Brief schreiben und erhalten, und einmal im Jahr 30 Minuten lang Besuch empfangen. Die Bewegungsfreiheit seiner Frau Winnie wurde erheblich eingeschränkt, sie durfte nicht mehr als eine Person gleichzeitig treffen und wurde schließlich unter Hausarrest gestellt und war ständig dem Polizeiterror ausgesetzt. Mandelas Schicksal machte die Ungerechtigkeit des Apartheidsregimes unmittelbar begreiflich, und als er am 11. Februar 1990 das Gefängnis verließ, verfolgten Millionen diesen Triumph an den Fernsehgeräten. Anfänge Mandela wurde 1918 geboren, als sich die Herrschaft der Weißen festigte, und die Bevölkerungsmehrheit zunehmend diskriminiert wurde. Der ANC war eine schwache und konservative Lob-

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Es erscheint immer unmöglich, bis man es getan hat.

ersten offen politischen Streik. 1990 lenkte die Regierung ein, ließ Mandela frei, und legalisierte den ANC. Mandela pochte auf politische Gleichberechtigung, versprach jedoch den weißen Kapitalisten Entgegenkommen in Wirtschaftsfragen. Als Präsident akzeptierte er einen Plan des IWF, der die üblichen, neoliberalen Bedingungen enthielt. Eine winzige Minderheit der schwarzen Bevölkerung kam zu Wohlstand, die reichen Weißen behielten ihre Wirtschaftsmacht, die große Mehrheit blieb arm. Mandela war niemals ein Sozialist, aber er war ehrlich. 1993 erklärte er Gewerkschafter_innen: „Wie oft hat eine Befreiungsbewegung mit der Arbeiterschaft zusammengearbeitet und sie dann im Moment des Sieges verraten? Es gibt dafür viele Beispiele. Nur wenn die Arbeiter ihre Organisation vor und nach der Befreiung kräftigen, könnt ihr gewinnen. Falls ihr in eurer Wachsamkeit nachlässt, werden eure Opfer umsonst gewesen sein. Ihr unterstützt den ANC nur so weit, als er eure Erwartungen erfüllt. Falls die ANC-Regierung das nicht tut, dann müsst ihr mit ihr machen, was ihr mit dem Apartheid-Regime getan habt.“


Jobabbau: Frohes Fest, Lenzing D

er Faserhersteller Lenzing AG will 900 Arbeitsplätze streichen, trotz voll ausgelasteter Maschinen, Überstunden und einem zu erwartenden Gewinn von 80 Millionen Euro im heurigen Jahr. Doch damit sich die Investoren über Kursgewinne und Dividenden freuen können, ist Profitsteigerung nötig. Deshalb empfahlen die frisch angeheuerten Berater der Boston Consulting Group vor allem anderen Kündigungen, um 120 Millionen Euro pro Jahr einzusparen. Das hat eine gewisse Tradition, so fielen 1996 dank des Beratungsunternehmens Arthur D. Little 400 Stellen weg, 1992 mit McKinsey 1.000 Stellen. Und während der Betrieb in den vergangenen Jahren die besten Ergebnisse der Unternehmensgeschichte erzielte, hätte er laut Management „Fett angesetzt“, das nun in Muskelmasse umgesetzt werden müsse. Konkret sind das 390 Fixangestellte, 200 bis 300 Leiharbeiter_innen und 200 international Beschäftigte. Neu eingestellt wird ein vierter Vorstand, der die Führung in einem neuen Marktumfeld unterstützen soll. Eine weitere Maßnahme ist der Ausbau des Werkes in Lenzing, um die Produktion zu steigern.

Noch am 8. Oktober erklärte Vorstandsvorsitzender Peter Untersperger vor 1.000 Beschäftigten, dass 97% der Arbeitsplätze sicher wären, und schon da war klar, dass sich der Gewinn aufgrund einer starken Baumwollernte halbieren würde. Die eigene Haut gerettet Als 2008 eine feindliche Übernahme durch ein indisches Konkurrenzunternehmen drohte, haftete das Land Oberösterreich mit 350 Millionen Euro für einen Kredit

an die B&C-Gruppe, dem Hauptaktionär der Lenzing AG. Die Übernahme konnte abgewehrt werden, und der Vorstand dankte Landeshauptmann Pühringer für seine „hohe Entschlusskraft und Weitsicht“. Das Wesentliche war für Untersperger, dass die Leitung, also sein Posten, in Oberösterreich geblieben war. Fünf Jahre später werden bei voller Auslastung Leute gekündigt und der Unternehmensschwerpunkt nach Asien verschoben, wo man auf Arbeiter_innen noch weniger Rücksicht

Sozialistische Jugend protestiert: Faserhersteller Lenzing verwöhnt seine Manager fürs Stellen Streichen

IM VISIER: Wendelin Mölzer enn die eigenen, erwachsenen Kinder, die das, wofür man sein Leben lang einsteht an Idealen und Wertvorstellungen, auch für gut halten, dann freut man sich.“ Und der freiheitliche EU-Mandatar Andreas Mölzer hat Grund sich zu freuen. Andererseits hat man, wenn man Wendelin Mölzer heißt, auch wenig andere Möglichkeiten, außer unterzutauchen und den Namen zu ändern. Dabei hat er es von der Namensgebung her betrachtet noch immer besser erwischt, als sein kleiner Bruder WolfRüdiger (prominentester Namensträger Wolf Rüdiger Heß, Patenkind von Adolf Hitler, und bis zu seinem Tod ideologisch

gefestigt). Jetzt ist Wendelin in den Nationalrat eingezogen und kümmert sich dort um Kultur und Außen- und Europapolitik. Darüber hinaus findet er sogar Gelegenheit sich um Familienpolitik zu kümmern. In einem Interview mit dem Standard rätselt er: „Wir haben ein Problem mit alleinerziehenden Müttern und müssen uns fragen: Was läuft da falsch in unserer Gesellschaft?“ Viele alleinerziehende Mütter dürften auch ein Problem mit der FPÖ haben. Aber das ist nicht das einzige Thema zu dem Wendelin eine Meinung hat. So soll ein Pflegekind, bevor zu einem homosexuellen Paar kommt, lieber in ein (gut ausgestattetes)

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nehmen braucht. Die Forschung bleibt vorerst noch in Österreich, aber auch das ist nicht in Stein gemeißelt. Und ein für 2014/15 geplantes Werk in Indien, wurde auf 2016 verschoben. Profitmaximierung ist der Leitgedanke, und solange Massenkündigungen mit anschließender Produktionssteigerung möglich sind, wird es so weiter gehen. Nur massiver Widerstand und Internationalität können die Bosse und Investoren dort treffen wo es ihnen weh tut: bei ihren Profiten.

Foto: SPÖ OÖ

von Peter HERBST

Heim gesteckt werden, denn: „Gleichgeschlechtliche Elternschaft ist anatürlich.“ Und mit dem Thema Homosexualität beschäftigt sich Wendelin nicht erst seit gestern. So hat er für die vergangenen Wahlen zum Europaparlament Argumentationshilfen für Wahlhelfer zusammengestellt, die sich auch mit den Spitzenkandidaten der anderen Parteien beschäftigten. Der Absatz zu Ulrike Lunacek, Spitzenkandidatin der Grünen für die EU-Wahl, ist mit „Die Kampflesbe“ übertitelt und man erfährt so „relevante“ Dinge wie, dass die „peruanische Lebensgefährtin in Brüssel lebt“. Es muss zumindest irgendwie relevant

sein, schließlich ist der Satzteil im Leitfaden fett hervorgehoben. Seltsamerweise war Wendelin die Veröffentlichung des Leitfadens gar nicht recht. Also klagte er den Standard auf Verletzung des Urheberrechts. Das Handelsgericht prüfte die Angelegenheit und kam zu dem Schluss, die Unterlagen entstammen „keinem schützenswerten, geistigen Denkprozess“.

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t h c e r t s n e i D : a m e h T Lehrer verdienen volle Solidarität Das Verhalten der Gewerkschaft schreckt viele vom Kampf gegen das neue Lehrerdienstrecht ab. Warum unabhängige Initiativen deshalb umso mehr Solidarität verdient haben, schreibt Hannah KRUMSCHNABEL.

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ass sich in den letzten Wochen schon so viel Widerstand gegen die Sparmaßnahme Lehrerdienstrecht gezeigt hat, war eine positive Überraschung: Es ist kein Geheimnis, dass die Lehrer_innen dafür nach jahrelanger, unfairer Dresche der Medien und Politiker keine leichten Ausgangsbedingungen hatten. Dazu kommt, dass die Bewegung auch unter inneren Spaltungen zu leiden hat. Spaltungen Einerseits ist ein großer Teil der Lehrer_innen nicht oder nur wenig von dem neuen Dienstrecht betroffen: Alle, die bereits fix angestellt sind, bleiben davon unbehelligt. Und die Kolleg_innen der Pflichtschulen sind schon länger so schlecht gestellt, dass die jetzigen Einschnitte vor allem das Lehrpersonal an höheren Schulen treffen. Andererseits nehmen viele Menschen, die eigentlich solidarisch wären, (und auch viele Lehrer_innen selbst!) die Lehrergewerkschaft als so konservativ wahr, dass sie sich von der Sache lieber distanzieren. Abschreckende GÖD Tatsächlich sind die politischen Positionen der ÖVP-dominierten

GÖD (Gewerkschaft Öffentlicher Dienst) so ziemlich das Gegenteil von allem, was man sich für die Zukunft des Bildungssystems wünscht. Das differenzierte Schulsystem will sie unbedingt beibehalten und sogar wieder stärken, die Ganztagsschule lehnt sie ab, und andere progressive pädagogische Reformen meistens genauso. Oft schadet die Lehrergewerkschaft den eigenen Leuten damit mehr als sie nützt. Wie nun damit umgehen, dass sie gleichzeitig die Vertretung ist, die mit vollem Recht für die Arbeitsbedingungen der Lehrer_innen kämpft? Selbst organisieren! Dieses Dilemma zeigt auf, wie richtungsweisend es ist, dass sich innerhalb und außerhalb der offiziellen Gewerkschaft unabhängige Initiativen aufstellen. In den letzten Monaten hat die Initiative für ein faires Dienstrecht für LehrerInnen (IFLD) beeindruckend gezeigt, wie vermeintlich machtlose Junglehrer_innen, Unterrichtspraktikant_innen und Lehramtsstudierende sich organisieren und damit Druck aufbauen können. Innerhalb kürzester Zeit hat sie erfolgreiche Demonstrationen auf die Beine gestellt und dabei Menschen um sich gesammelt, die engagiert für ihre Rechte kämpfen. Die Gewerkschaft ist ein Koloss

und sie ist eine unverzichtbare, wichtige Kraft – aber das heißt nicht, dass sie nicht dem Druck ihrer Mitglieder und neuer Initiativen ausgesetzt ist. Auf die Sozialpartnerschaft können wir uns jedenfalls nicht (mehr) verlassen. Solidarität Die IFLD hat es geschafft, mit guten Argumenten und offenem Auftreten die fortschrittlichsten Kräfte anzuziehen. Eine Informationsveranstaltung an der Uni Graz fand in zwei überfüllten Hörsalen statt, das Potenzial für mehr Bewegung ist da. Deshalb ist große Öffentlichkeit und Breite ausschlaggebend – im aktuellen Kampf, wie in zukünftigen Kämpfen.

Eine klare Sache – eigentlich

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ie Blockade der Gesamtschule durch die ÖVP hat letztes Jahr ihren 90. Geburtstag gefeiert: Spätestens seit 1922 beschimpft sie die sozialdemokratischen Reformer_innen als „Gleichmacher“ und „Schulbolschewisten“. Kurios: Fast überall auf der Welt ist es unbestrittene Tatsache, dass alle Kinder gemeinsam unterrichtet werden – auch und gerade in den Ländern, die den größten Bildungserfolg vorzuweisen haben. Von außen dürfte das verbissene Festhalten am differenzierten

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Schulsystem in Österreich ähnlich absurd wirken wie auf uns die US-Waffengesetzgebung. Nur hier (und in Deutschland) scheint es ein Ding der Unmöglichkeit zu sein, das einzuführen, was Studien – egal ob von Reformpädagog_innen oder OECD – unermüdlich empfehlen. Gerade hat die PISA-Studie wieder bestätigt, wie sehr die soziale Herkunft hierzulande über den Schulerfolg entscheidet, da gehen die Konservativen so weit, als Koalitionsbedingung mit großem Trara das Gymnasium zu „verteidigen“

Lehramtstudierende demonstrierten am 5. Dezember – am gleichen Tag streikten die Lehrer_innen.

und sogar Aufnahmeprüfungen zu fordern. Das neue Lehrerdienstrecht, könnte – als einzig positiver Aspekt darin – zumindest die administrative Grundlage für eine Gesamtschule schaffen. Aber da geht’s ja auch nur ums Sparen… Die Geiselhaft, in die ÖVP und verschwägerte Organisationen die Chancen der Mehrheit der Schüler_innen nehmen, ist alt, aber deshalb verliert sie nicht an Schäbigkeit. Sie sollte damit nicht länger durchkommen.

„Ich bleibe liebend gerne von 8 bis 17 Uhr in der Schule – vorausgesetzt, es gibt genügend Arbeitsplätze, die ihrem Namen auch gerecht werden. Momentan ist das ein halber Konferenztisch, Größe schätzungsweise 0,5 m² inklusive einem halben Kasten, den ich mit einer Kollegin teile. Mit einem PC, abseits großer weißer Kästen mit installiertem Windows 98.“ Anna Schmied, Hauptschule, Wien 15

„Insbesondere den Sozialdemokraten sollte ... erklärt werden, dass hier ein Präzendenzfall entsteht: ein neuer Kollektivvertrag ohne Zustimmung der Gewerkschaft. Heute die Lehrer_innen und morgen? Die Metaller, die Privatangestellten?“ Mag. Markus Grass, Mitglied des GBA der AHS Theodor Kramer, Wien 22

„Dem Großteil der LehrerInnen geht es wirklich nicht um Stundenzählerei. Es geht uns darum, welches sagenhafte und international einzigartig beispiellose


Raus aus der Defensive! Für faire Arbeitsbedingungen L

Fotos: Linkswende / Oliver Martin

„Mehrere Klassen zusätzlich übernehmen zu müssen heißt, deutlich weniger Zeit für den einzelnen Schüler zu haben. Dieser Regierungsbeschluss hat rein gar nichts mit Qualität zu tun, sondern ist ein reines Sparpaket zum Schaden unserer Zukunft und der unserer Kinder.“ Mag. Gudrun Pennitz, BRG Keplerstraße, Graz

Foto: privat

„ Foto: Tommy Seiter

Image wir aufgeprackt bekommen. Dass wir uns großteils dafür schämen müssen, LehrerIn zu sein, DAS belastet uns.“ Mag. Verena Hofer, BRG Telfs, Tirol

ehrer_innen, die sich gegen das neue Dienstrecht wehren, betonen oft, dass vor allem die Schüler_innen und schlussendlich die Bildung als solche leiden werden. Damit haben sie ohne Zweifel recht und stellen klar: „Ein Dienstrecht ist keine Bildungsreform. Eine Bildungsreform ist kein Sparpaket.“ Doch die Lehrer_innen haben so oder so, genauso wie alle anderen Lohnabhängigen, das Recht offensiv für ihre eigenen Arbeitsbedingungen zu kämpfen. Das nötige Selbstbewusstsein dafür soll die Medienhetze der letzten Jahre gezielt zerstören. Doch die allermeisten Lehrer_innen sind keine unfähigen Tachinierer, sie arbeiten im Gegenteil Tag für Tag unter widrigen Umständen in einem äußerst anspruchsvollen Beruf. Die Rahmenbedingungen machen schon jetzt die an sich positiv erlebte Arbeit mit Kindern und Jugendlichen zum Dauerstress. Eine Studie der Versicherungsanstalt BVA stellte 2006 fest, dass Lehrer_innen fast dreimal so häufig wie die Gesamtbevölkerung unter Symptomen psychischer Belastung leiden. Linkswende hat Stimmen gesammelt, die zeigen: Die Defensive, in die Lehrer_innen gedrängt werden, ist nicht gerechtfertigt. Sie kämpfen zu Recht in erster Linie für ihre eigenen Arbeitsbedingungen.

„Die Trennung zwischen Gymnasium und Hauptschule gehört abgeschafft, denn sie dient nur dazu, etablierte Gesellschaftsstrukturen fest zu zementieren und bildungsferne Schichten von einer höheren Ausbildung fernzuhalten.“ Christoph Spiess, BS, Wien

„Hätten wir nicht die Folgen des neoliberalen Wahnsinns, konkret: des Zockens auf dem Finanzplatz Zypern durch eine Bank, deren Aufgabe die Finanzierung von Gemeindevorhaben sein sollte, gehabt, könnte man in Österreich heute eine grundlegende und vernünftige Reform des gesamten Bildungswesen finanzieren.“ Mag. Ulrike Nabavi-Winter, AHS

„Man sollte die ‚Reform‘ als das benennen, was sie wirklich ist: ein Sparpaket am Rücken der Pädagogen und in weiterer Folge für die Kinder und Jugendlichen. Für das programmierte Desaster wird dann niemand verantwortlich sein wollen. Eine Bildungskatastrophe für die nächste Generation droht!“ Mag. Franz Kreinecker, Europagymnasium Auhof, Linz

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Mythos Pensionen: Gegen Mehr-Arbeit! von Judith LITSCHAUER

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m Zuge des Sparpakets will die Regierung das durchschnittliche Pensionsantrittsalter erhöht wissen – auf 60 Jahre bis 2018. Insbesondere für Frauen steht die Erhöhung des Pensionsalters auf dem Programm. Seit der Pensionsreform 2003 gilt ohnehin schon die „Lebensdurchrechnung“, d.h. die Pension wird auf Basis des gesamten Einkommensverlaufes berechnet. Durch die Verlängerung des Durchrechnungszeitraums wird man für niedrige Einstiegsgehälter, unbezahlte Überstunden, Zeiten der Arbeitslosigkeit, Kinder- und Pflegebetreuung und schlechtbezahlte Praktika doppelt bestraft – einmal zum Zeitpunkt selbst und dann noch einmal in Form einer niedrigen Pension bzw. weil man bis zum Pensionsanspruch länger arbeiten muss. Lange Arbeitszeiten (durch-

schnittlich 42 Stunden pro Woche), Überstunden (300 Millionen Überstunden pro Jahr in Österreich), Arbeiten trotz Krankheit (40% gehen krank arbeiten) – Wie passt das bitte zur Forderung, noch länger zu arbeiten? Da darf sich niemand wundern, wenn nicht bis zum Pensionsalter durchgehalten wird! Nicht Frühpensionen sind die Ursache für die (Nicht-)Finanzierbarkeit des Pensionssystems sondern prekäre Beschäftigung,

(unbezahlte) Überstunden und zu niedrige Löhne: Das Problem ist, dass die soziale Absicherung fast ausschließlich an Löhne und Gehälter gebunden ist. Aktuell stagnieren die Bruttoeinkommen und Arbeitsvolumen, weil zu viele Menschen in prekären Jobs arbeiten und deshalb geringe Sozialabgaben zahlen. „Wenn wir die Sozialsysteme aufrecht erhalten wollen, müssen wir die Wertschöpfung als Grundlage für die Sozialabgaben nehmen und

auch die Vermögen heranziehen.“, schlägt Jörg Flecker, Soziologe an der Universität Wien, vor. Statt einer neuen Pensionsreform brauchen wir andere Maßnahmen: Durch Abbau von Überstunden und Reduzierung prekärer Beschäftigung und ungewollter Teilzeit sollten mehr Jobs geschaffen werden. Sogar Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden pro Woche und Senkung des Pensionsantrittsalters wären sinnvoll: Das reduziert Arbeitslosigkeit – vor allem für junge Menschen. Ständig verlangt man „Mitwirkungspflicht“ der Arbeiter_innen, beispielsweise in Form von Lohnverzicht in „wirtschaftlich schlechten Zeiten“. Es ist an der Zeit, dass dies auch für Unternehmen und Reiche gilt! Vermögenssteuern, Wertschöpfungsabgabe und Lohnsteigerungen wären ein erster Schritt dahin.

Plattform „Generation Praktikum“:

„ Interview

Kollektivvertrag für Praktikanten gefordert von David ALBRICH

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ehr und mehr Unternehmen greifen auf Praktikant_innen als billige Arbeitskräfte zurück. Praktika sind oft Voraussetzung für eine Festanstellung. Schätzungen zufolge absolvieren derzeit 30.000 Schüler_innen pro Jahr Pflichtpraktika, dazu kommen bis zu 40.000 Studierende. Eine einheitliche Beschäftigungsform gibt es nicht, was die Erfassung und den Kampf für faire Arbeitsverhältnisse erschwert. In den meisten Fällen arbeiten die Praktikant_innen gratis. „Insgesamt wird geschätzt dass nur ein Drittel aller Praktika bezahlt absolviert werden“, meint Veronika Kronberger, Vorsitzende der Plattform „Generation Praktikum“. Die Plattform gibt es seit 2006 und organisiert mit der Arbeiterkammer, den Gewerkschaften und der Österreichischen HochschülerInnenschaft (ÖH) Widerstand gegen die schlechten Praktikumsbedingungen.

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David Albrich: Wie können sich Betroffene von unbezahlten Praktika wehren?

Veronika Kronberger: Anlaufstellen für Praktikant_ innen sind die AK, ÖH oder Gewerkschaft. Praktika sollten nur dann unbezahlt absolviert werden, wenn es sich tatsächlich um ein Ausbildungsverhältnis handelt. Wer tatsächlich gearbeitet und nichts gelernt hat, hat sich in einem befristeten Dienstverhältnis und keinem Praktikum befunden. Hierfür lässt sich auch noch im Nachhinein das vorenthaltene Gehalt einklagen. Im Zweifelsfall wird immer von einem Arbeits- und keinem

Ausbildungsverhältnis ausgegangen. Was sind eure politischen Forderungen? Wir fordern, dass Praktika wie Arbeitsverhältnisse behandelt werden. Das heißt Praktikant_innen

sollen laut Kollektivvertrag angestellt und entlohnt werden, um Ausbeutung und Umgehung des Arbeitsrechts von Seiten der Unternehmen von vorneherein vorzubeugen. Außerdem fordern wir, dass bei Pflichtpraktika auch klare Ausbildungsziele und Qualitätsstandards in den Lehrplänen verankert werden. Wir sprechen uns gegen ein eigenes Gesetz für Praktika aus, weil dies auf mindere Standards für Praktikant_innen hinauslaufen würde und diese so erst recht ausgebeutet werden könnten. plattformgenerationpraktikum. wordpress.com


Schlusslicht Österreich: Luxusgut Verhütungsmittel? Österreich ist eines der letzten Industrieländer, in dem die Krankenkassen keinerlei Anteil an den Kosten für Verhütungsmittel übernehmen – ein Missstand, der mit Jänner 2014 sogar in den USA abgeschafft wird, meint Hannah KRUMSCHNABEL.

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n Europa steht Österreich damit (fast) alleine da: Jede Frau bzw. jedes Paar muss für ihre Verhütungsmittel komplett selbst aufkommen. In anderen Ländern ist es Mindeststandard, dass sie für Menschen in gewissen Lebenssituationen (z.B. Jugendliche oder sozial Bedürftige) kostenlos oder Kondome in Institutionen wie Schulen frei erhältlich sind. In den meisten westeuropäischen Ländern sind Verhütungsmittel sogar für alle gratis oder vergünstigt. Hierzulande sind allerdings ausgerechnet die sichersten Methoden so teuer wie sonst nirgends in der EU. Hätten Frauen wirkliche Entscheidungsfreiheit, würden sie sich zu 50% für andere, besonders wirksame Langzeitmethoden (wie Sterilisation oder Spirale) entscheiden, das hat der Österreichische Verhütungsreport 2012 bewiesen. Doch diese sind bei der

„Anschaffung“ so teuer, dass sie sich bei weitem nicht alle Frauen leisten können. Wichtige Zusatzuntersuchungen – wie etwa ein Test auf Thrombose-Risiko vor Einnahme der Pille – müssen ebenfalls privat bezahlt werden. Wirksame und sichere Verhütung ist in Österreich damit eine Frage des Einkommens. Es überrascht deshalb nicht, dass Österreich auch bei der Zahl der Schwangerschaftsabbrüche europaweit führend ist. Doch der Zugang zu Abtreibung bleibt ebenfalls all denen verwehrt, die sich die hohen Kosten dafür nicht leisten können. Davon übernimmt der österreichische Staat keinen Cent, während die Kosten etwa in Frankreich seit letztem Jahr vollständig übernommen werden. Tatsächlich wird in allen anderen westeuropäischen Ländern, in denen der Schwangerschaftsabbruch

legal ist, zumindest ein Kostenanteil von den Kassen bezahlt. Wohin der Missstand in Österreich führt, hat heuer der Fall einer Wiener Abtreibungsärztin vor Augen geführt, die Diskontpreise angeboten und damit jahrzehntelang an Patientinnen gepfuscht hat.

Die Bundesjugendvertretung und andere Organisationen fordern deshalb Verhütungsmittel auf Krankenschein. Was mit Obamacare jetzt sogar in der „Gesundheitswüste“ USA möglich ist, sollten wir auch in Österreich durchsetzen können!

Wie Schwulenfeinde mobilisieren

Unerschrocken protestieren Aktivist_innen vor der Duma in Moskau

Thilo Sarrazin hetzt wieder gegen Homosexuelle und Muslime

Foto: BBC

Foto: Youtube

Putin unterdrückt Homosexuelle

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eit 2006 wurden mehrere regionale Gesetze gegen „Propaganda für Homosexualität“ erlassen. Das bekannteste davon, ist das Verbot von Gay-Pride-Paraden in Moskau für die nächsten 100 Jahre. Dieses Jahr folgte ein russlandweites Gesetz, das in seiner vagen Formulierung selbst öffentliche Bekundung von Zuneigung zwischen Menschen desselben Geschlechts umfassen könnte. Dies gab Nazis Auftrieb, die sowohl öffentliche Kundgebungen angreifen, als auch Einzelpersonen demütigen, foltern und ermorden. Während die Winterspiele in Sotschi nahen, stellt sich das Olympische Komitee taub, und Sponsoren wie McDonald’s, Coca Cola, Samsung oder Visa entziehen sich jeder Verantwortung. Weltweit gibt es allerdings schon Proteste. In

Wien fand eine Kundgebung vor der russischen Botschaft statt, und in Russland selbst kämpfen Aktivist_innen weiterhin unter Einsatz ihres Lebens um ihr Recht auf Selbstbestimmung. In wenigen Jahren, jährt sich die russische Revolution zum hundertsten Mal. Sie brachte eine Entkriminalisierung der Homosexualität mit sich. Im Zuge von Stalins Konterrevolution wurde sie 1933 wieder unter Strafe gestellt. 1993, nach der Wende, wurden die Bestimmungen schrittweise liberalisiert. Während sich die Situation in Metropolen wie St. Petersburg und Moskau langsam verbesserte, änderte sich anderswo kaum etwas. Auch heute noch steht die Ermordung und Unterdrückung von Homosexuellen auf der Tagesordnung.

von Peter HERBST

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m 23. November tagten in Schkeuditz bei Leipzig Rassisten, Schwulenhasser, Paranoiker und sonstige Reaktionäre – ohne jegliche Berührungsängste. Sie folgten einer Einladung von Jürgen Elsässers Verschwörungsmagazin Compact zu einer Konferenz. Titel: „Für die Zukunft der Familie! Werden Europas Völker abgeschafft?“ Thilo Sarrazin war der prominenteste Teilnehmer. Der „Deutschland schafft sich ab“Autor zeigte seine Art der Toleranz bereits vor der Konferenz in einem Compact-Interview, wo er zwischen Homo- und HeteroEhen unterschied: „Das ist ungefähr so, als würde man ein ‚Faultier' als ‚Löwe' bezeichnen.“ Dieser

biologistische Zugang setzte sich während der Konferenz fort: „‚Homo-Ehe’ unterstellt eine Ähnlichkeit dort, wo es keine gibt. Zwei Homosexuelle ... können zusammen eben keine Kinder bekommen. ... Und das ist ein Unterschied, der auch durch Worte nicht überdeckt werden kann.“ Russland war stark vertreten, unter anderem durch Elena Mizulina und Olga Batalina, die bei der Einführung des Gesetzes gegen Homosexuelle maßgeblich mitwirkten. Vor der Konferenzhalle waren unterdessen 400 Gegendemonstrant_innen versammelt, die durch Sitzblockaden den Beginn verzögerten und sich während der Veranstaltung bemerkbar machten, indem sie gegen die Wände trommelten.

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Burschenschaften: Kaderschmieden Deutschnationale Burschenschafter wollen am 24. Jänner wieder in der Wiener Hofburg feiern. Über ihre brandgefährliche Gesinnung schreibt David ALBRICH.

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eutschnationale Burschenschafter leiteten zentrale Stellen der Tötungs- und Terrormaschine der Nazis. Ihr Elitarismus erlaubte den Verbindungsstudenten im Nationalsozialismus den Völkermord zu organisieren und im Partisanenkrieg ganze Dörfer zu massakrieren. Zeit ihres Lebens bereiten sich Korporierte auf jene Momente vor, in denen die Geschichte „Pflichterfüllung“ von ihnen fordert. Verlangte die Reinheit des deutschen Blutes die industrielle Massenvernichtung von Jüdinnen und Juden, dann waren es oft Burschenschafter, die die nötige Härte aufwiesen. Prüfungen, Mensuren und faschistische Indoktrination bereiten Korporierte in ihrem „Verbindungsleben“ auf jede noch so menschenverachtende Schandtat vor. Ehre, Freiheit, Vaterland Burschenschafter erwarten keinen Dank, im Gegenteil, sie wissen, dass sie für ihre Taten gehasst werden. Sie sind stolz auf den Mut ihrer „Bundesbrüder“, den Holocaust durchzuführen. Darum werden Massenmörder wie Ernst Kaltenbrunner oder Irmfried Eberl noch als Mitglieder geehrt. Deutschnationale Burschenschafter huldigen Kriegsverbrechern wie Walter Reder, der als SS-Kommandant in Marzabotto 1944 eine ganze Region auslöschte, weil Partisan_innen Widerstand gegen die Nazis leisteten. Der Korporierte Jörg Haider ehrte die Mitglieder der Waffen-SS, „die einen Charakter haben und die auch bei größtem Gegenwind zu ihrer Überzeugung stehen und ihrer Überzeugung bis heute treu geblieben sind.“ Burschenschaften, die damals wie heute die Kader des Faschismus rekrutieren, kontrollieren die FPÖ. Sie sollten, wie 2006 von der steirischen SPÖ vorgeschlagen, verboten werden. Denn: Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen.

ANKÜNDIGUNG

Fr, 24.1. 17 Uhr

Schottentor Universität Wien

Demonstration gegen den FPÖ-Burschenschafterball www.offensivegegenrechts.net

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Irmfried Eberl Germania Innsbruck illegales NSDAP-Mitglied, medizinischer Leiter der Tötungsanstalten Brandenburg und Bernburg, SS-Arzt, unter seiner Kommandatur wurden im Vernichtungslager Treblinka in fünf Wochen 280.000 Menschen ermordet „Unkraut müsse vernichtet werden ... Gleiches geschehe bei ihnen, Lebensunwerte sollten verschwinden.“ (Mitarbeiter über Eberls „Einschulungen“)

Ernst Kaltenbrunner Arminia Graz Steirische Heimwehr, , illegales NSDAP-Mitglied, Chef des Reichssicherheitshauptamtes in Berlin, zentrale Figur der NS-Terror- und Tötungsmaschine und der systematischen Vernichtung von Jüdinnen und Juden „Ich fühle mich nicht schuldig an irgendwelchen Kriegsverbrechen, ich habe nur meine Pflicht als Sicherheitsorgan getan.“

Karl Eberhard Schöngarth Germania Leipzig Befehlshaber der Sicherheitspolizei in Krakau, Waffen-SS und SS-Polizei-Panzergrenadier-Division, verantwortlich für die Deportation und Erschießung von Jüdinnen und Juden, Massaker an Gefangenen zur „Partisanenbekämpfung“ „Wann immer … Widerstandszentren ausgemacht werden können, so sind diese Versammlungen rücksichtslos zu sprengen und die Teilnehmer niederzumachen.“

Otto Skorzeny Markomannia Wien illegales NSDAP-Mitglied, Offizier der Waffen-SS, Leibstandarte Adolf Hitlers und Division „Das Reich“, Spitzname war „Scarface“ („Narbengesicht“) „Meine Kenntnis des Schmerzes, erfahren durch den Säbel, lehrte mich keine Angst zu haben. Wie du dich im Duell auf die Wangen deines Gegners konzentrierst, so ist es im Krieg.“ Ferdinand von Sammern-Frankenegg

Scalden Innsbruck

illegales NSDAP-Mitglied, SS- und Polizeiführer im Distrikt Warschau, verantwortlich für die Deportation von 55.000 Jüdinnen und Juden und Ermordung von über 1.000 Menschen „Ich [ordne] an, dass ... alle noch in den einzelnen Städten bzw. auf dem Land befindlichen Juden … der Gendarmerie zur Liquidierung zuzuführen sind.“


des Faschismus Gottfried Küssel Danubo Markomannia Wien verlangte die Wiederzulassung der NSDAP als Wahlpartei, Gründer der nationalsozialistischen (Selbstbezeichnung) „Volkstreuen außerparlamentarischen Opposition“ (VAPO) „Adolf Hitler war einer der größten Männer in der Geschichte Deutschlands ... Er gab der deutschen Nation einen neuen Aufstieg.“

Jörg Haider Silvania Wien ließ sich 1986 im Parteitagsputsch von Innsbruck von Burschenschaftern auf Schultern tragen, Haiders Vater, Robert Haider, war überzeugter Nationalsozialist und Mitglied der „Österreichischen Legion“ „Die Waffen-SS war Teil der Wehrmacht und es kommt ihr daher alle Ehre und Anerkennung zu.“

Martin Graf Olympia Wien Saalschutz für Neonazi Reinhold Oberlercher am Juridicum Wien (Der Jude als „bakterieller Krankheitserreger“), ehemaliger Vorsitzender des rechtsextremen ­Witikobundes in Österreich „Ich bekenne mich zur deutschen Volks- und Kulturgemeinschaft und das ist auch gut so.“

Norbert Burger Olympia Wien Ende des Zweiten Weltkriegs an Hinrichtungen beteiligt, Südtirol-Terrorist, RFS-Vorsitzender, Gründer der rechtsextremen NDP (Nationaldemokratische Partei), gilt als Straches „Ziehvater“, der mit Burgers Tochter liiert war „Diese große Lüge, dass wir Österreicher keine Deutschen sind, ... wurde uns 1945 bei der Gründung der Zweiten Republik in die Wiege gelegt.“

Heinz-Christian Strache Vandalia Wien FPÖ-Parteichef, hat in Wehrsportübungen Mord an Linken trainiert, demonstrierte in vorderster Reihe mit der rechtsradikalen Wiking-Jugend und ließ sich in seiner Jugend „Gauleiter“ nennen „Für die linkslinken Utopisten gilt man dann sofort als Faschist.“

Zerstörte Mythen der Burschenschaften Immer wenn Burschenschafter in die öffentliche Kritik geraten, schalten diese in einen leicht durchschaubaren Selbstverteidigungsmodus. David ALBRICH zerlegt die wichtigsten Mythen.

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urschenschafter bezeichnen sich fälschlicherweise gerne als „Vorkämpfer der Demokratie und Meinungsfreiheit“. Diktatur statt Demokratie Die Jenaer Urburschenschaft wurde 1815 gerade gegen die drohende soziale Revolution gegründet. 1848 sah die „Akademische Legion“ dem Gemetzel der Nationalgarde an Arbeiter_innen tatenlos zu. Nach dem Verrat an der 1848er-Revolution wurden die meisten Burschenschaften streng antisemitisch. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren Burschenschafter an jeder blutigen, antidemokratischen Erhebung beteiligt: Kapp-Putsch 1920, Hitlers Marsch auf die Feldherrnhalle 1923 oder Juli-Putsch 1934. Die Aldania und Olympia führten 1933 das „Führerprinzip“ ein, nach dem die Untergebenen autoritäre Entscheidungen eines Führers bedingungslos umzusetzen haben. Jubel statt Verbot Hand in Hand mit dem Argument für „Demokratie“ behaupten Burschenschafter, sie wären im Dritten Reich unterdrückt gewesen. Tatsächlich bildeten Burschenschafter oft die Kader des Faschismus. Zahlreiche Korporierte traten früh der NSDAP bei und nahmen zentrale Stellen in der Tötungs- und Vernichtungsmaschine ein. Mit wehenden Fahnen liefen die Burschenschafter ins Lager der Nazis. Der korporierte Historiker Reich von Rohrwig (Bruna Sudetia Wien) dokumentiert: „In unermüdlicher und zäher Arbeit standen [Burschenschafter] der Ostmark in der ersten Linie der großdeutschen Kämpfer. Begeistert strömten sie in die Reihen Adolf Hitlers.“ Hitler statt Sozialismus Zu guter Letzt meinen Burschenschafter, auch Linke müssen die Studentenverbindungen verteidigen, schließlich wären auch Marx, Liebknecht und Lassalle korporiert gewesen. Diese Argumentation ist offensichtlich nichts mehr als eine lächerliche Provokation. Deutschnationale Burschenschaften in Österreich waren spätestens seit den 1920er-Jahren, wie die ­NSDAP, antimarxistisch und antisemitisch.

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Die hier veröffentlichten Briefe und Berichte repräsentieren nicht

zwangsläufig die Meinung der Redaktion von Linkswende.

Aufbegehren der Burgtheater-Billeteure Auszug aus der Rede an das Burgtheater-Publikum am 12. Oktober 2013

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ch bin einer von ca. 400 ArbeitnehmerInnen, die in den Wiener Bundestheatern als Publikumsdienst arbeiten. Unser Arbeitgeber heißt G4S. Das steht für Group 4 Securior. G4S ist ein dänisch britisches Securityunternehmen mit Hauptsitz in Großbritannien. Es ist mit mehr als 600.000 Mitarbeitern, der größte Arbeitgeber an der Englischen Börse. Es agiert in mehr als 120 Ländern auf der Welt. G4S Österreich hat ca. 3.000 MitarbeiterInnen und ist inn Österreich einer

der Marktführer in Outsourcing und Security-Solutions. Es organisiert Flüchtlingsheime, Abschiebegefängnisse und Sozialhilfe-Zentren in Nordengland. Außerdem kümmert es sich um den Schutz von Minen seltener Erden in Südamerika und Afrika, es fährt Sicherheitstransporte, es sichert westliche Unternehmen in Afghanistan, sichert Banken und Botschaften, Ölpipelines, Atomkraftwerke und Flughäfen weltweit. Mitte September diesen Jahres hat G4S Österreich einen 68 Millionen Euro Vertrag mit dem österreichischen Staat unterschrieben. Das Unternehmen wird in den nächsten 15 Jahren

Foto: Youtube

Diaz am Burgtheater-Kongress „Von welchem Theater träumen wir?“

ein Abschiebegefängnis in Vordernberg in der Steiermark unterhalten und leiten. G4S ist international in unzählige Kontroversen, Skandalen und Anklagen wegen Menschenrechtsverletzungen und Verletzungen des Internationalen Rechts verwickelt. G4S wird von einer Vielzahl von NGOs weltweit dafür angeprangert schlecht ausgebildetes Personal stark unterbezahlt arbeiten zu lassen. In den letzten sieben Jahren zählt die Research-Kooperative „Corporate Watch“ aus London, Proteste und Streiks gegen die Unterbezahlungsstrategie des Unternehmens in Nepal, Süd Korea, Namibia, Mozambique, Süd Afrika, dem Kongo, Israel, den USA, Kamerun, Indonesien, Marokko, Panama und Griechenland. 2011 veröffentliche G4S die Kampagne „Arbeitende Gefängnisse, arbeitende Menschen“, um englische Unternehmer für Gefängnisse als Produktionsstätte zu begeistern. In den G4S Gefängnissen in England arbeiten mehrere hundert Häftlinge 40 Stunden die Woche. 2010 gingen Security Angestellte – meine Kollegen – bei der Abschiebung des Angolaners Jimmy Mubenga in London gegen dessen

Reaktion auf: Wer kämpft aufseiten der Junglehrer? (Linkswende Nr. 172)

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ir sollten uns nicht in jung und alt, Pflichtschul- oder höhere Schullehrer auseinanderdividieren lassen. Auch die KindergärtnerInnen, deren Arbeit mindes-

Foto: Linkswende

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tens genauso viel wertzuschätzen ist, sollten gleich mit ins Boot hüpfen und die Unis im Allgemeinen sowieso. Die Sache ist zu wichtig und zu ernst. Jede weitere noch so kleine Nivellierung nach unten wäre fatal für den Bildungsstandort Österreich. was es braucht wäre eine echte Reform, die von echten internationalen und nationalen (Parteibuch-)unabhängigen Experten ausgearbeitet wird. Wir brauchen keine politischen Grabenkämpfe sondern ein super Schulsystem mit dem sich jeder identifizieren kann und wovon letztlich jeder nicht nur in materieller sondern auch in geistiger und sozialer Hinsicht profitiert!! Klaus Werlach

Widerstand so aggressiv vor, dass dieser an Luftmangel erstickte. Dieser Fall wird in England momentan vor Gericht verhandelt. Was bedeutet es für die Utopie oder Heterotopie Theater, dass eine der renommiertesten kulturellen Institutionen dieses Landes schon seit vielen Jahren unhinterfragt mit multinationalen Unternehmen wie G4S, Novomatic, Agrana oder Casino Austria in einem Boot sitzen? Was sagen uns diese Fakten über eine Politik, die diese Outsourcing-Praktiken fördert und forciert? Was bedeutet das alles für die Glaubwürdigkeit dieses Theaters? Von welchem Theater träumen wir? Es ist dringend an der Zeit, dass sich das Burgtheater der ungerechten, hierarchischen und unsolidarischen Arbeitsbedingungen am eigenen Hause stellt. Es reicht nicht aus, sich mit pompösen Charityveranstaltungen wie dem „Lifeball“ in der Öffentlichkeit ein gutes Image zu verschaffen. Es ist dringend an der Zeit, dass sich das Burgtheater wieder um alle Menschen kümmert, die zur Realisierung des Gesamtkunstwerks Theaters beitragen! Christian Diaz (nach seiner Rede gekündigt)

SCHREIB UNS Linkswende lebt von Kommentaren, Reaktionen und Berichten. Deshalb die Bitte an dich: Schreib uns! Wir freuen uns über Post und drucken gerne die eingesendeten Beiträge ab.

E-Mail: redaktion@linkswende.org Post: Linkswende Kettenbrückeng. 5/102 1050 Wien


ANALYSE

US-Imperialismus im Mittleren Osten:

Iran-Deal erlaubt USA Fokus auf China

Die Frage ist offen, ob der Deal, der in Genf zwischen dem Iran einerseits und den USA und fünf „Weltmächten“ andererseits ausgehandelt wurde, halten wird, schreibt Alex CALLINICOS.

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er israelische Premierminister Benjamin Netanjahu und seine Verbündeten im US-Kongress sind entschlossen, diese ÜbergangsVereinbarung, die ein Schritt hin zu einem Ende des Streits um das iranische Atomprogramm sein sollte, zu blockieren. Aber der Deal ist ein interessantes Anzeichen für die Verschiebung von Machtblöcken. Das Regime der Islamischen Republik Iran war der größte Nutznießer der US-Invasion im Irak. Iran gegen Saudi Arabien Die Invasion stürzte den gefährlichsten Feind des Iran, Saddam Hussein. Nuri al-Maliki, der schlussendlich siegreich aus dem Chaos und dem Blut der Besatzung hervorgegangen ist, steht einer Regierung vor, die von der schiitischen Mehrheit dominiert ist, die starke Bindungen an ihre Glaubensgenoss_innen im Iran hat. Das hat die regionale Achse gestärkt, die Israel feindselig gegenübersteht und die vom Iran, Syrien, dem Irak und der dominanten Kraft im Libanon, der schiitischen Hisbollah-Bewegung, angeführt wird. Der geopolitische und ideologische Rivale des Iran, die Herrscherfamilie von Saudi Arabien, die die Führung der sunnitischen Muslime für sich beansprucht, war von dieser Entwicklung alarmiert. Die Tragödie der syrischen Revolution besteht darin, dass der

Foto: www.simsimhe.com

Die drei Flugzeugträger Chinas sind Symbol des Erstarkens einer neuen Supermacht

Kampf zwischen Bashar al-Assad und der revoltierenden Bevölkerung immer mehr zu einem Stellvertreterkrieg zwischen dem Iran und Saudi Arabien umgewandelt wird. Die iranischen Revolutionswächter und Hisbollah-Kämpfer unterstützen Assad, während die Saudis und andere Golfstaaten die AntiAssad-Kräfte finanzieren, unter denen Al-Kaida und andere sunnitische jihadistische Kräfte immer mehr Einfluss gewinnen. Bad News für Obama Das alles sind natürlich sehr schlechte Nachrichten für Barack Obama. Er meint es möglicherweise ernst, wenn er sagt, er würde wenn nötig gegen den Iran in den Krieg ziehen, um ihn an der Entwicklung nuklearer Waffen zu hindern – und sei es nur, um einen regionalen Rüstungswettlauf, in dem Saudi Arabien als nächstes kommen würde, zu verhindern. Aber ein neuer Krieg im Nahen Osten, mit dem Iran oder Syrien, ist das letzte, das Obama will. George Friedman von der einflussreichen Geopolitik-Webseite Stratfor drückt es so aus: „Während den 2000ern versuchten die USA in Afghanistan und im Irak mit sunnitischen Radikalen mit

Gewalt fertig zu werden. Manöver Die USA konnten nicht damit fortfahren, ihre Hauptmacht in der islamischen Welt zu binden, wenn eben diese Bindung es anderen Staaten wie Russland ermöglicht, zu manövrieren, ohne auf die US-Militärmacht Rücksicht zu nehmen. Die USA hatten ein Problem mit der Al-Kaida, aber sie brauchten eine neue Strategie, mit ihr umzugehen. Syrien bot ein Modell. Die USA intervenierten unilateral gegen das Assad-Regime, weil sie keiner radikalen Sunni-Regierung an die Macht helfen wollten. Die USA bevorzugten es, den syrischen Fraktionen zu erlauben, sich gegenseitig so in Schach zu halten, dass keine Seite die Kontrolle übernehmen konnte.“ Ein Beispiel dafür, wie Russland die US-Verwicklung im Nahen Osten ausnutzt, ist der Rückzug der Ukraine aus dem Assoziierungsabkommen mit der EU – auf Druck von Russland. Das bedeutete eine Niederlage sowohl für Washington als auch Brüssel. Strategische Neuausrichtung? Währenddessen werden sunnitische Jihadisten immer aktiver, zum Beispiel mit Bombenanschlägen auf Schiit_innen im

Libanon und im Irak. Diese Entwicklung stört sowohl die USA als auch den Iran. Die Beziehungen zwischen USA und Saudi Arabien haben sich abgekühlt. Die Öl-Schiefer- Revolution bedeutet, dass die USA jetzt viel weniger abhängig sind von importiertem Öl. Die Saudis wiederum sind wütend über das, was sie als Obamas Verrat am ägyptischen Diktator Mubarak betrachten. Vor kurzem haben sie sich geweigert, ihren Sitz im UNSicherheitsrat einzunehmen. Einige Kommentatoren schlagen vor, dass die USA und der Iran ein strategisches Verständnis erreichen könnten, ähnlich Richard Nixons berühmten Deal mit Mao, der die USA mit China gegen die Sowjetunion verbündete. Das erleichtert die Erklärung, warum sowohl Israel als auch Saudi Arabien den Deal von Genf brandmarken. So eine Neuausrichtung könnte irgendeine Art von Abkommen in Syrien erlauben. Und es könnte den USA ermöglichen, sich auf die wahre Herausforderung zu konzentrieren, die China heute darstellt. Das Spiel der imperialistischen Rivalität könnte in eine neue Phase eintreten.

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Prawer-Plan: Israel vertreibt Beduinen Aktivist_innen aus dem Gaza-Streifen, dem besetzten Ost-Jerusalem und dem Westjordanland haben ihren Widerstand gegen den sogenannten Prawer-Plan vereinigt, berichtet Tom D. ALLAHYARI.

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srael will zehntausende arabische Beduinen vertreiben, um neue israelische Siedlungen zu errichten. Wird der Plan voll implementiert, dann werden 35 „nicht anerkannte“ Dörfer in der Negev-Region zerstört und bis zu 70.000 Beduinen in sieben verarmte, überbevölkerte Städte umgesiedelt.

liches Ziel ist es, indigene Araber aus ihren Städten zu vertreiben.“ Der Sprecher der „Intifada Jugend Koalition“, Schuruk Mahmud, verkündete: „Wir senden eine Nachricht an unsere Leute in der Negev und versichern, dass sie ein Teil von uns sind, trotz der Pläne der Besatzer, sie aus Palästina zu vertreiben.“

Palästinensische Solidarität

Prominente Unterstützung

Am 30. November demonstrierten tausende Palästinenser_innen gegen den Prawer-Plan. In Hura und Haifa griff die israelische Polizei mit Schlagstöcken und Wasserwerfern an. Der palästinensische Knesset-Abgeordnete Ahmad Tibi sagt: „Der Protest sollte klar machen, dass der Prawer-Plan nicht realisiert werden kann, selbst wenn er durchs Parlament kommt, denn sein hauptsäch-

International fanden SolidaritätsDemonstrationen unter anderem in Großbritannien, den USA, in Kuwait, dem Libanon, in Kanada, Italien und Ägypten statt. In einem offenen Brief fordern über 50 Kunstschaffende und Prominente die britische Regierung auf, Israel wegen Menschenrechtsverletzungen und Verstoß gegen Internationales Recht zur Rede zu stellen: „Der

Prawer-Plan bedeutet die gewaltsame Vertreibung von Palästinensern aus ihren Heimen und ihrer Heimat, systematische Diskriminierung und Isolation.“ Ethnische Säuberung Vor der ethnischen Säuberung, die 1948 mit der Gründung Israels einherging, lebten ca. 110.000 Beduinen in der Negev-Region. Zehntausende sind zwischen 1948 und 1950 vertrieben worden. 1954 wurden jene, die es geschafft hatten, zu bleiben, als israelische Staatsbürger registriert und gezwungen, einen Treueeid auf Israel abzulegen. Sie wurden auf ein winziges Gebiet umgesiedelt, wo ihnen Strom, Wasser, Schulen, Straßen und Gesundheitsversorgung vorenthalten wird. Die Beduinen werden von Israel wie die Palästinenser_innen als „demographische Gefahr“ gesehen. Unterdessen wird der Gazastreifen ausgehungert und weitere, illegale Siedlungen errichtet.

Lesetipp

„Frauenpower auf Arabisch“ von Karim El-Gawhary

Verlag Kremayr & Scheriau, 204 Seiten, 22 Euro,

Foto: ActiveStills

ISBN: 978-3218008792

Hysterie als Strategie von Tom D. ALLAHYARI

Foto: Linkswende

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ach dem Deal um Irans Atomprogramm, malt Israel schwarz: „Heute ist die Welt zu einem sehr viel gefährlicheren Ort geworden, weil das gefährlichste Regime der Welt dem Besitz der gefährlichsten Waffe der Welt entscheidend nähergekommen ist.“ Als „historischen Fehler" bezeichnete Netanjahu die Übergangseinigung, die ein erster Versuch ist, den Streit beizulegen und die iranische Bevölkerung von den Sanktionen zu erlösen, mit denen sie für die Unbotmäßigkeit des Regimes bestraft wird. Schon Netanjahus bizarrer Auftritt vor der UNO letztes Jahr, als er das Bild einer

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Zeichentrick-Bombe hochhielt, war bezeichnend. Während ständig gegen den Iran gedroht wird, verfügt Israel über mindestens hundert nukleare Sprengköpfe, und verweigert die Unterzeichnung des Atomwaffensperrvertrages. Im Dezember 2012 stimmte die UNO-Vollversammlung mit 179 zu sechs Stimmen dafür, dass Israel Inspektoren der IAEO ins Land lässt und sein Atomprogramm transparent macht. Israel weigert sich. Die Wut, die hinter diesem irrationalen Verhalten steckt, speist sich auf einer Ebene daraus, dass militärische Aktionen gegen den Iran aufgrund der Verhandlungen kaum die Unterstützung der amerikanischen Öffentlichkeit finden würden, geschweige denn der Weltöffentlichkeit.

Beduinen demonstrieren in Be'er Scheva mit Aktivist_innen aus anderen Teilen des Landes gegen den PrawerPlan (15. Juli 2013)

„Ein Angriff würde als Handlung gegen die internationale Gemeinschaft verstanden werden", meint Giora Eiland, früherer Berater für nationale Sicherheit in Israel. Doch es geht um mehr. Jahrzehnte lang konnte Israel sich darauf verlassen, von den USA als Drohpotential gegenüber den arabischen Nachbarn gebraucht zu werden. Zu wichtig ist die strategische Bedeutung des Erdöls, als dass die USA nicht einen verlässlichen, wenn auch eigenwilligen, Verbündeten in der Region gebraucht hätten. Diese Narrenfreiheit ist nun in Gefahr. Manche Kommentator_innen vermuten, Israel ginge es beim Iran nur um Ablenkung von der Unterdrückung und Besatzung der Palästinenser_innen. Es steckt aber mehr dahinter, nämlich die Angst vor einer grundlegenden Veränderung der imperialistischen Weltordnung.


Ägypten: Neue revolutionäre Proteste widersetzen sich dem Staat Foto: Hossam el-Hamalawy

litär vor Mursis Fall einen Prozess der Vereinnahmung der Massenbewegung begonnen hatte, um die eigene Machtübernahme zu fördern. Die Revolutionären Sozialisten stellten fest: „Das vorrangige Ziel des Militärs war, dass die Millionen, die die Straßen gefüllt und kontrolliert hatten, so schnell wie möglich nach Hause gehen und, dass die Bewegung gestoppt wird, sobald der Kopf des Regimes besiegt ist.“ Liberale unterstützen Militär

Demonstranten sammeln sich in der Talaat-Harb-Straße bevor sie zur Mohammed-Mahmoud Straße ziehen

Nach langem ist es in Kairo wieder zu Demonstrationen gekommen, die sich gegen das Militär und gegen eine Rückkehr Mursis richten. Judith ORR hat mit beteiligten ägyptischen Sozialist_innen und Aktivist_innen gesprochen.

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atem Tallima, ein Mitglied der ägyptischen Schwesterorganisation von Linkswende, den „Revolutionären Sozialisten“ (RS), der beim Marsch zur Mohammad Mahmoud Straße dabei war, berichtet: „Ich hatte Tränen in den Augen. Der Protest war so enthusiastisch, die Leute haben ihr Selbstvertrauen wiedergefunden. Es war ein sehr wichtiger Tag.“ Obwohl es weit größere Demonstrationen seit Mubaraks Sturz gegeben hat, war die Demo anlässlich des Jahrestages des Massakers in der Mohammed-Mahmoud-Straße ein Durchbruch für alle, die entschlossen gegen die Konterrevolution stehen. Neue „Revolutionäre Front“ „Ich war sehr stolz auf meine Partei“, erzählt Hatem. „Wir waren nur eine kleine Stimme in den letzten Monaten, aber jetzt haben wir ein wenig mehr Raum zum Organisieren. Diese Proteste sind auch verbunden mit einem kleinen Anstieg

von Streiks der Lohnabhängigen. Die Stimmung hat sich geändert.“ Organisiert waren die Proteste von der neuen „Revolutionären Front“. Wie Hatem erklärt, wurde dieses Bündnis geschlossen, um der tiefen Polarisierung nach Mursis Sturz etwas entgegenzusetzen. „Auf der einen Seite gab es nur mehr die, die sich total auf die Seite des Militärs stellten und die Angriffe auf die Moslembrüder unterstützten. Auf der anderen Seite gab es nur mehr Mursi-Unterstützer. Die „Revolutionäre Front“ bringt alle zusammen, die gegen das Militär und gegen Mursi sind. In ihr sind neben den Revolutionären Sozialisten auch die „Bewegung 6. April“ und unabhängige Linke wie der Schriftsteller Adhaf Soueif gemeinsam aktiv.“ Angriff auf die Revolution Das brutale Vorgehen gegen Anhänger_innen der Moslembrüder – seit Juli sind 1.000 Anhänger_innen, oder sogar

mehr, getötet worden – sieht Hatem als Teil eines breiten Angriffs auf die Revolution: „In den letzten vier Monaten sind viele verschiedene revolutionäre Kräfte verschwunden. Eine Zeit lang war nur die Bruderschaft auf der Straße. Die Zahl der Streiks ging zurück. Die Pro-Militär-Medien, und das sind alle Medien, bezeichnen die Revolutionären Sozialisten regelmäßig als Verräter“. Neben einem neuen Gesetz zum Verbot von Demonstrationen soll der Polizei der Zutritt zu den Universitäten erlaubt werden. Strategien des Militärs Es ist wichtig, die Widersprüche zu verstehen, aus denen das aktuelle Regime entstanden ist. Am 30. Juni haben 17 Millionen Demonstrant_innen, nach einem Aufruf der Tamarod-Bewegung, Mursis Sturz gefordert. Mursi musste gehen und das Militär beeilte sich, eine neue Regierung zu ernennen. Heute ist es ganz klar, dass das Mi-

Die Bitterkeit über Mursis unsoziale Politik führte dazu, dass nur ganz wenige gegen die blutigen Angriffe auf die Moslembrüder protestierten. Liberale und sogar einige Linke unterstützen die Armee bei diesem Vorgehen. Sameh Naguib von den Revolutionären Sozialisten weist darauf hin, dass sich diese liberale Unterstützung für das Militär auch auf Diktatoren ausgeweitet hat, die das Regime finanzieren: „Aus dem saudischen König, einem Erzfeind der Revolution, wurde ein Held gemacht.“ Der Kampf geht weiter Hatem erzählt, dass Millionen von Arbeiter_innen und Armen unter den härtesten Bedingungen leben, weil die Löhne niedrig sind und die Lebenskosten steigen. „Die Erwartungen vieler an das Militär sind hoch und die Leute werden ungeduldig.“ Das Militär hat es vorläufig geschafft, sich als das Gesicht der Revolution darzustellen, das für die Interessen der ägyptischen Massen arbeitet. Aber der Kampf ist nicht vorbei. Hatem sagt: „Der revolutionäre Prozess ist sehr komplex. Es wird Siege geben aber auch viele Niederlagen. Aber in jedem Kampf lernen die Menschen ihre Lektionen für die Zukunft.“

Lesetipp

„Revolution in Ägypten“: Texte von Alex Callinicos, Sameh Naguib und Anne Alexander erhältlich über: Kontakt auf Seite 27

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Verhaltensforschung und Ideologie

Wie Verhaltensforschung ideologisch geprägt ist und Ideologie verbreitet, beschreibt Jakob STEIXNER.

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ft müssen sich Sozialistinnen und Sozialisten anhören, ihre Vorstellungen von einer gerechteren Welt seien mit der Natur des Menschen nicht vereinbar. Oft wird auch Rassismus und Fremdenfeindlichkeit auf diese Weise entschuldigt: Wenn solche Reaktionen auch irrational sein mögen, so seien sie doch „natürlich“, die Folge einer angeborenen Angst vor allem Fremden. Die einzige Möglichkeit, den sozialen Frieden zu erhalten, sei daher – leider – Immigration und „Multikulturalismus“ zu begrenzen. In Österreich trug die Vergleichende Verhaltensforschung mit ihren berühmten Vertretern Konrad Lorenz, Irenäus Eibl-Eibesfeldt und Otto Koenig stark zu diesem Bild einer „Natur des Menschen“ bei. Wissenschaft und Ideologie Weit in linke Kreise hinein ist der Mythos von der Überbevölkerung verbreitet und die Vorstellung, dass die Bevölkerung degenerieren müsse, wenn gebildete Menschen immer weniger Kinder bekommen, hat Bestand. All diese Behauptungen werden dabei als wissenschaftliche Fakten präsentiert. Die wissenschaftliche Grundlage dieses pessimistischen Menschenbilds ist jedoch löchrig. Wie kommt es dazu, dass es trotzdem so selbstverständlich akzeptiert wird, und welche Rolle spielen dabei Wissenschaftler, die ihre eigenen ideologischen Vorurteile in die Darstellung ihrer Forschungsergebnisse einfließen lassen? „Es war immer schon so“ Zu den verschiedenen Zeiten haben Menschen immer wieder ihre aktuelle gesellschaftliche Lage als naturgegeben verstanden und erklärt. Das ist jedoch nicht in erster Linie als Verschwörung der Mächtigen zu verstehen, die ihren Untertanen deren momentane Lage

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als unumgänglich weil natürlich erklären wollen. Auch die Unterdrückten tendieren dazu, ihre Lage als naturgegeben zu betrachten. Verständlicherweise: Für den Menschen als Kulturwesen ist die gesellschaftliche Umwelt genau so real wie die physische. Dennoch ist sie letztlich die Summe menschlichen Handelns. Richtig gefährlich wird die Berufung auf einen vermeintlichen Naturzustand aber dann, wenn sie sich nicht mehr auf die Erklärung des Ist-Zustands beschränkt und beginnt, Aussagen darüber zu machen, was sein soll – meist in einer klar rückwärtsgewandten Weise. Eine Stufenleiter des Seins Vor dem 19. Jahrhundert herrschte die Vorstellung von einer hierarchischen Stufenleiter des Seins (lat. scala naturae) vor. Demnach waren alle Lebensformen in einer statischen Rangfolge zueinander geordnet, mit dem Menschen als „Krone der Schöpfung“, als höchste Sprosse auf der Leiter irdischen Lebens. Jenseits der Biologie fand diese Leiter eine direkte Fortsetzung in der Theologie, mit Engeln, Erzengeln, und schließlich Gott selbst. Das widerspiegelt die feudale Gesellschaftsordnung, in der jeder Mensch seinen festen, unverrückbaren Platz hat, mit dem König an der Spitze. Die Vertreter solchen Weltbilds erwarteten einen lückenlosen Übergang zwischen Tier und Mensch – und versuchten deshalb, Affen als menschenähnlicher darzustellen als sie tatsächlich sind. Umgekehrt erklärten sie auch manche Menschengruppen „tierähnlich“, um die Lücke zu schließen und eine perfekte Leiter zu erhalten. Der grausige Rassismus, der dabei zutage trat, stützte sich dabei auf die abstrusesten Argumente. So argumentierte einer der Vertreter dieses Konzepts 1799, Schwarze seien dem Affen näher als Europäer und Europäerinnen, da sie unter anderem im Schnitt einen größeren Penis und größere Brüste hätten – ungeachtet der Tatsache, dass der menschliche Penis und Brüste unter den Menschenaffen mit Abstand die größten sind und demnach nach seiner eigenen Logik eigentlich die Europäer als tierähnlicher zu erklären wären. Darwinismus Mit dem Aufkommen der Evolutionstheorie im 19. Jahrhundert und schließlich mit Charles

Darwins Werk „On the Origin of Species“ (1859), in dem er systematisch Argumente für die Evolution des Lebens gesammelt hatte, erhielt die Biologie erstmalig eine wissenschaftliche Basis. Das bewahrte sie aber nicht davor, weiterhin ideologisch verzerrt dargestellt zu werden und als Argument für politische Zwecke herhalten zu müssen. Auch Darwin selbst, obwohl er politisch für seine Zeit ein Liberaler war und etwa offen für die Abschaffung der Sklaverei plädierte, prophezeite, dass die „minderen Rassen“ längerfristig unweigerlich den überlegenen Europäern weichen müssten. Sehr viel deutlicher wird das bei manchen von Darwins Zeitgenossen. Biologie unter dem Hakenkreuz Im Dritten Reich wurden die Universitäten auf Parteilinie gebracht. Das drückte sich nicht nur auf individueller Ebene – über die Vertreibung jüdischer und linker Wissenschaftler_innen – aus. Auch die Inhalte der Forschung wurden den Interessen der „Volksgemeinschaft“ untergeordnet. In der Biologie drückte sich das darin aus, dass Lehrstühle für Rassenkunde geschaffen wurden. Sie hatten keinen anderen Zweck, als der rassistischen Ideologie des Regimes eine pseudowissenschaftliche Untermauerung zu bieten. So wie auch im Geschichtsbild Völker und „Rassen“ zu Handlungsträgern erklärt wurden, so galten sie in der „politischen Biologie“ des Dritten Reichs als Subjekte der Evolution: Nach außen hin stünden sie als voneinander abgeschlossene Einheiten im direkten Wettstreit ums Überleben zueinander, und um diesen zu gewinnen, müssten sie nach innen hin ihre Gesundheit bewahren, indem sie „schädliche Elemente“ ausmerzten. Hinter

solchen Phrasen verbarg sich der Massenmord und Zwangssterilisation an unliebsamen Zeitgenossen. Ethologie als Wissenschaft Der junge Konrad Lorenz, später Ikone der sich gerade entfaltenden Verhaltensforschung (Ethologie), konnte sich für solche Ideen begeistern. Die Vorstellung von einer degenerierenden Gesellschaft, die sich nur erhalten könne, indem sie aktiv gegensteuerte, entsprach allzu gut seinem eigenen Pessimismus. In der Nachkriegszeit konnte sich die Vergleichende Verhaltensforschung als Wissenschaftsdisziplin etablieren. Anfangs wurde ihr noch wegen ihres nichtexperimentellen Zugangs Unwissenschaftlichkeit vorgeworfen. Damals war die vorherrschende Denkrichtung in der (Tier-)Psychologie vor allem in Nordamerika der Behaviorismus. Diese Strömung beschränkte sich strikt darauf, Verhalten als Verhältnis von Input zu Output zu beschreiben. In der Nachkriegszeit begann die Dominanz des Behaviorismus zu bröckeln: Die

Künstliche-Intelligenz-Forschung begann intelligentes Handeln zu modellieren. Im Behaviorismus war nur die Was-Frage interessant gewesen: Welcher Input erzeugt welchen Output? Nun rückte die Wie-Frage in den Mittelpunkt des Interesses: Wie funktionieren die dahinter verborgenen Prozesse? Auch die Anerkennung der Ethologie, die 1973 im Nobelpreis für drei ihrer Vertreter, Nikolaas Tinbergen, Karl von Frisch, und Konrad Lorenz gipfelte, spiegelt diesen Umbruch wieder. Unseriöse Populäre Ethologie Die Systematisierung der Ethologie und ihr Aufstieg zur anerkannten Wissenschaftsdisziplin machten ihre Vertreter aber nicht immun dagegen, vor allem in ihren populären Arbeiten ihre persönlichen Vorurteile einfließen zu lassen. Im Gegenteil führte die „offizielle“ Anerkennung, die Konrad Lorenz durch den Nobelpreis erhalten hatte, dazu, dass seine Argumente umso größeres Gewicht in der österreichischen Öffentlichkeit

Rendezvous mit Tier und Mensch: Otto Koenigs ORF-Serie Rendezvous mit Tier und Mensch war die am längsten laufende populärwissenschaftliche Sendung der Welt. Von 1956 bis 1992 wurde die Sendung des Konrad Lorenz-Schülers regelmäßig, beinahe 400 Mal, ausgestrahlt und entwickelte bedeutenden politischen Einfluss. Vergleiche zwischen tierischem und menschlichem Verhalten und sehr zweifelhafte Rückschlüsse daraus waren das immer w ­ iederkehrende zentrale Element der ­Sendung.

Buchtipp

„Man muss 5 Jahre lang unter der Regierung der schwarzen Schweinehunde gestanden haben, um ein ,Deutschland Erwache‘ in seinem Inneren mit der vollen Intensität zu erleben. Ich glaube, wir Österreicher sind die aufrichtigsten und überzeugtesten Nationalsozialisten überhaupt! Man muss im Grunde genommen den Herren Schuschnigg und Konsorten dankbar sein, denn ohne ihre unbeabsichtigte Hilfe wären die faulen und ihrem Nationalcharakter nach besonders meckerbereiten Österreicher lange nicht so schnell, gründlich und nachhaltig zu Hitler bekehrt worden. Und das sind sie jetzt wirklich und zweifellos!“ Konrad Lorenz 1938 Benedikt Föger und Klaus Taschwer präsentieren in ihrem Buch „Die andere Seite des Spiegels“ bisher unveröffentlichte Dokumente und zeichnen so ein völlig neues Bild des „Vaters der Graugänse“.

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... hatten. Auch wenn sich Konrad Lorenz von seiner Rolle in der Nazizeit distanzierte und sich selbst der Naivität geißelte: Die Ideen, die ihn damals so empfänglich für den Nationalsozialismus gemacht hatten, schwirrten immer noch in seinem Kopf herum und wurden auch von seinen Schülern wie Otto Koenig und Irenäus Eibl-Eibesfeldt weitergetragen. Die von letzterem immer wieder vorgetragene These von der angeborenen Fremdenfurcht des Menschen, mit der er argumentierte, warum eine multikulturelle Gesellschaft nicht gutgehen könnte, stützt sich letztlich auf einige wenige unseriöse Studien aus Nordamerika. Insbesondere Lorenz’ These von der „Verhausschweinung“ des Menschen – dass der Mensch durch die Zivilisation degeneriere und sich vom idealen Urzustand entferne – ist kaum von seiner früheren Befürwortung eugenischer Maßnahmen zu unterscheiden. Solche Vorstellungen, wie sie heute auch bei Thilo Sarrazin auftauchen, sind immer auch geprägt von Furcht und Verachtung der „dummen Masse“ – der einfachen Leute. Lorenz als Idol Trotz dieser bei näherem Hinsehen reaktionären und offen menschenverachtenden Ansichten, wurde Konrad Lorenz, geadelt durch seinen Nobelpreis, in Österreich zu einem jahrzehntelang fast unangreifbaren Volkshelden. Als solcher konnte er sich an die Spitze wichtiger Protestbewegungen wie dem Protest gegen die Errichtung des Atomkraftwerks Zwentendorf oder die Zerstörung der Hainburger Au (der heutige Nationalpark Donauauen) stellen, ja geradezu zum Sprecher der Bewegung avancieren. Nicht zuletzt durch seine Rolle in diesen Entstehungsmomenten der Grünen hat sein pessimistisches Menschenbild bis weit in die Grüne Bewegung hinein Anhänger gefunden. Ideologische Biologie Bis heute sind viele Studien im Bereich der Humanethologie durchtränkt von ideologischen Vorannahmen der Forscher. Das äußert sich zum Beispiel darin, dass das Sozialverhalten des Schimpansen eins zu eins auf den Frühmenschen, als der Urzustand unserer eigenen Art, dargestellt wird, mit all seinem Aggressionspotential und territorialem Verhalten. Ignoriert wird da-

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bei, dass der Bonobo, der ein völlig anderes, weitaus friedlicheres Verhalten zeigt, genauso nah mit dem Menschen verwandt ist wie der gemeine Schimpanse: Es gibt keinen Grund a priori anzunehmen, dass gerade der Schimpanse den gemeinsamen Vorfahren am besten repräsentiert und nicht sein Verhalten selbst eine spätere evolutionäre Neuerung ist. Und selbst wenn es so wäre: Es gibt gute Argumente, dass die geistige Entwicklung des Menschen erst durch eine Umstellung auf qualitativ stärker auf Kooperation ausgerichtetes Verhalten möglich wurde, dass dieses also am Anfang der Menschwerdung stand. Angeboren oder erlernt? Schlampig gearbeitet wird oft auch dort, wo Forscher universelle menschliche Verhaltensschemata auf Basis von experimentellen Befunden behaupten. Gerade bei der Untersuchung von Verhaltensweisen, die stark von Moralvorstellungen geprägt sind – etwa beim Lieblingsthema der Evolutionary Psychology, dem Paarungsverhalten – müsste große Sorgfalt darauf verwendet werden, tatsächlich Angeborenes von Erlerntem zu unterscheiden. Häufig genug ist das aber nicht der Fall, und selbst „kulturvergleichende“ Studien vergleichen oft nur mittelständische, gebildete, städtische Bevölkerungen in Nordamerika und Europa. Selbst wenn der Test dann – im besten Fall – auch noch an chinesischen Studenten durchgeführt wird, deckt das nur einen winzigen Bruchteil der Breite menschlicher Lebensformen ab, sowohl historisch als auch gegenwärtig. Dennoch sind es gerade solche Studien, die oft in den Zeitungen als wissenschaftliche Bestätigung von Vorurteilen herhalten müssen. Vorurteile aufbrechen! Selbstverständlich ist der Mensch ein biologisches Wesen und er und sein Verhalten sind damit legitimer Untersuchungsgegenstand der Biologie. Es gibt auch tatsächlich spannende Arbeiten, die Grundlagen der Kulturfähigkeit des Menschen oder die neurologischen Belohnungsmuster, die kooperatives Verhalten steuern, untersuchen. Wirklich breit wahrgenommen wird aber vor allem Forschung, die vermeintlich Vorurteile bestätigt – und dabei oft genug schlampig gemacht ist.

Verstärkt auf Kooperation ausgerichtetes Verhalten stand am Anfang der Menschwerdung. Lucy (Australopithecus afarensis), so der Name der wohl berühmtesten unserer Vorfahren, wird in jüngster Zeit als freundliches, neugieriges Wesen dargestellt. Dafür musste sich die Wissenschaft erst von dem Ballast rassistischer und elitärer Ideologie befreien.


Klima: Spektakulär gescheitert – NGOs verlassen aus Protest UN-Klimagipfel

NEW BRUNSWICK

Proteste vertreiben Öl-Giganten

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Tipp: Computerspiel Ein Doku-Computerspiel mit Schauplatz im Herzen der kanadischen Ölindustrie auf: www.fortmcmoney.com

Foto: Friends of the Earth Europe

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n die 800 Menschen verließen aus Protest den Klimagipfel der Vereinten Nationen (UN) in Warschau, Polen. Es war das erste Mal in ihrer 19-jährigen Geschichte, dass die Konferenz boykottiert wurde. Umweltorganisationen, NGOs und Gewerkschaften führten die Protestaktion an. Die Aktivist_innen sind wütend auf die Regierungen der reichsten Länder – vor allem Kanada und Australien – weil diese Maßnahmen gegen den Klimawandel blockieren. Außerdem kritisieren sie, dass die großen Konzerne die Agenda festlegen können: „Die stattfindende Dominanz der Konzerne ist inakzeptabel“, sagte Sharan Burrow, Generalsekretärin des Internationalen Gewerkschaftsbundes. Neben den NGOs verließen auch Verhandler_innen aus 132 Entwicklungsländern, angeführt von China, kurzzeitig die

NGOs und Gewerkschaften führten die Proteste an

Gespräche. Allerdings wollen die Gruppen, welche die Konferenz verlassen haben, nächstes Jahr in Lima, Peru, wieder zu den Gesprächen zurückkehren. Die diesjährige Konferenz jedenfalls endete mit nur schwachen Statements zu einem Abkommen, das die Regierenden hoffen, 2015 in Paris zu erreichen. Das Treffen hat einerseits gezeigt, dass die Herrschenden die Klimarettung aufgegeben haben; Andererseits aber auch, dass Aktivist_innen und Länder des Südens sich nicht mehr unkommentiert für scheinheilige Verhandlungen und Gipfel hergeben, bei denen

die Konzerne und Regierenden von vorn herein nichts bewegen wollen.

m November und Anfang Dezember gab es in ganz Kanada Demonstrationen. In Solidarität mit den seit Monaten andauernden Protesten gegen Fracking in New Brunswick (Linkswende hat berichtet) wurden auch Straßen blockiert. Anfang Dezember wurde am frühen Morgen die Hauptstraße in den Hafen von Vancouver von lokalen Aktivist_ innen für eine Stunde blockiert. Die Proteste zeigten Wirkung: Nun hat das Unternehmen SWN bekannt gegeben, dass es all seine Fracking-Operationen in New Brunswick bis 2015 einstellen wird – ein erster, wichtiger Erfolg der Bewegung in Kanada.

Unternehmen produzieren Klimawandel Eine neue Studie zeigt: Nur 90 Unternehmen produzieren zwei Drittel der Emissionen. Chevron, Exxon, Shell und BP sind jene Unternehmen, die am meisten für die Klimakrise heute verantwortlich sind. Es sind Erdöl, Erdgas und Kohle produzierende Unternehmen, welche die Liste der Umweltverschmutzer dominieren. Einige der Top-Klimasünder finanzieren auch Kampag-

nen, die den Klimawandel leugnen – anstatt das Geld in die Rettung der Umwelt zu stecken. Interessant ist auch: Die Hälfte der Emissionen wurde innerhalb der letzten 25 Jahre produziert – also in der Zeit, als Regierungen und Konzernen schon längst bewusst war, dass steigendeTreibhausgase den Klimawandel voran treiben.

Freihandelsabkommen TAFTA: Die neue Wirtschafts-Mafia von Peter HERBST

S

eit Juli dieses Jahres verhandeln EU und USA über ein Abkommen, das Konzernen und Großkapital noch mehr Vorteile gegenüber Arbeitnehmer_innen verschaffen soll. Bereits Mitte der 90er-Jahre scheiterte das „Multilaterale Abkommen über Investitionen“ (MAI), am massiven öffentlichen Widerstand. Seit 2009 verhandelt die EU mit Kanada im Geheimen über CETA. In einem Entwurf, der an die Öffentlichkeit gelangt ist, sind ganze Absätze mit ACTA identisch, jenem Programm das nach internationalen Protesten 2012 vom EUParlament abgelehnt wurde. Und CETA wiederum gilt als Blaupause für das Transatlantische Freihandelsabkommen (TAFTA), das der ganz große Wurf werden soll. Das sind eine Menge Abkürzungen für Projekte, die wirtschaftliche Inter-

essen durchsetzen sollen. Schiedsgericht Das Instrument dazu steckt hinter einer weiteren Abkürzung: ISDR – Rompuy, Obama und Barroso verhandeln für das Großkapital investor-state dispute resolution (bzw. settlement) entscheiden diese Schiedsgerichte, schendurch war sie Mitglied des – eine Streitschlichtung zwischen die über allen nationalen Gerich- Verwaltungsrats der Bank UBS, Investor und Staat. Wenn eine ten stehen, im Rahmen bestehen- dem größten Anteilseigner von Gesetzesänderung oder Verord- der Abkommen über Streitwerte Vivendi. Hochbezahlt, neoliberal nung den Wert einer Investition in Milliardenhöhe. 55 Prozent der und bestens vernetzt, half diese verringern könnte – indem z.B. bisherigen Fälle wurden dabei von mafiöse Elite dabei mit, dass im die erwarteten Profite geschmälert 15 Personen entschieden. Vorjahr 70 Prozent der öffentlich werden – dann hat der Investor die gemachten Fälle zugunsten der InDie „innere Mafia“ Möglichkeit, ein Schiedsgericht vestoren entschieden wurden. Die anzurufen. Ob Arbeiternehmer- Diese sollten nicht befangen sein, Zahl derartiger Verfahren nahm schutz oder Gesundheitswesen, aber wenn sie es sind, so macht das in den letzten Jahren dank ProLebensmittelkennzeichnung oder auch nichts. Rechtsanwältin Kauf- zessfinanzierern und spezialisierter Privatsphäre im Internet, ob CO2- mann-Kohler stammt zum Bei- Anwaltsbüros sprunghaft zu. SollGrenzwerte oder Einwanderung: spiel aus diesem erlauchten Kreis, te TAFTA durchgehen, wird die Auf jeder Ebene kann geklagt wer- und entscheidet in einem Verfah- Lawine richtig zu rollen beginnen den, vom Staat als Ganzem bis hi- ren um Wasserrechte zwischen und die Anpassung nach unten benunter zur Gemeinde. Schon jetzt Vivendi SA und Argentinien. Zwi- schleunigt.

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KOMMENTAR

Studiengebühren: FPÖ fordert Uni-Maut für Deutsche von David ALBRICH

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PÖ-Wissenschaftssprecher Andreas Karlsböck will Deutsche zahlen lassen, wenn sie in Österreich studieren wollen. In Anlehnung an die deutsche PKW-Maut fordert er eine „Uni-Maut“ und „Ausländer-Studiengebühren“. Chauvinistische Rhetorik soll Österreicher_innen angeblich einen Studienplatz garantieren. Schon jetzt zahlen Nicht-EUBürger_innen, vor allem geht es um Studierende aus der Türkei, ab dem ersten Semester doppelte Studiengebühren (720 Euro). Und gebessert hat sich dadurch an den Studienbedingungen nichts. Die Logik der FPÖ schließt an die

Studierende demonstrieren gegen Studiengebühren in Bayern 2013

Vorlage der Regierung an: Erst sollen Studierende von außerhalb der EU zahlen, dann alle Ausländer_innen (inklusive Deutsche)

und schließlich alle Studierenden. Die Universitäten werden weiterhin chronisch unterfinanziert, während Milliarden in Banken ge-

stopft werden. Studieren darf nichts kosten und darf nicht einer kleinen Elite, die es sich leisten kann, vorbehalten sein. Die Reichen sollen für die Krise zahlen – in Österreich, Deutschland und der Türkei. Wir brauchen keine Uni-Maut für Deutsche, sondern internationale Solidarität. Gemeinsam mit Studierenden in anderen Ländern kämpfen wir für den freien Hochschulzugang. Die Studierendenbewegung in Deutschland hat erfolgreich die Abschaffung aller Studiengebühren erkämpft – das sollte uns anspornen, mit unseren deutschen Studienkolleg_innen gleichzuziehen.

Griechenland: Nazi-Partei bringt Sozialisten vor Gericht von Judith LITSCHAUER rbeitersolidarität, die Wochenzeitung der griechischen Schwesterorganisation von Linkswende, hat ein Gerichtsverfahren am Hals, das die Nazi-Partei Goldene Morgenröte eingeleitet hat. Drei Personen aus der Redaktion – Katerina Thoidou, Tasos Anastasiades und Panos Garganas – wird „Verleumdung“ vorgeworfen. „Unser ‚Verbrechen‘ ist, dass wir das Recht auf griechische Staatsbürgerschaft für Kinder von Immigranten unterstützen. Und wir deckten die extrem rechte Kampagne gegen ein Gesetz auf, das die Staatsbürgerschaft einer limitierten Zahl von Kindern vergibt. Wir sind optimistisch, dass wir freigesprochen werden“, erzählt Panos Garganas, Herausgeber der Zeitung Arbeitersolidarität. Die Journalisten-Gewerkschaft, Techniker und andere Beschäftigte in der Medienbranche stehen klar auf Seiten der drei Angeklagten und verteidigen die Pressefreiheit. An vorderster Front ist die Gewerkschaft der Arbeiter_innen im staatlichen Rundfunkbetrieb ERT, die die letzten sechs Monate gegen die Schließung kämpften (Linkswende hat berichtet). „Die Solidaritätskampagne für unsere Zeitung ist Teil des breiten Widerstands gegen die Nazi-Gefahr“, so Panos. Im Zuge ihres Wahlerfolgs gin-

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Foto: Arbeitersolidarität

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Griechische Antifaschist_innen konfrontieren die Nazis der Goldene Morgenröte in Athen

gen Mitglieder von Goldene Morgenröte in die Offensive. Sie terrorisieren gewaltsam Migrant_innen und linke Aktivist_innen in den Straßen und schrecken auch vor Morden nicht zurück. Das zeigt die Ermordung des antifaschistischen Rappers Pavlos Fyssas durch Anhänger der Goldenen Morgenröte im September. Gleichzeitig entlarvte dies die Aktivitäten der faschistischen Schläger und ihre Verbindungen ins Parlament. Nun ist die Goldene Morgenröte

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Unterschreib die Solidaritätserklärung für die Drei der Arbeitersolidarität auf: bit.ly/1bIX4vG Oder sende Solidaritäts­ spenden auf: bit.ly/1iQDEdH

im Begriff sich zu reorganisieren, nachdem drei ihrer Anführer ins Gefängnis mussten, weil sie beschuldigt werden eine kriminelle Organisation zu führen. „Die Koalitionsregierung von Antonis Samaras beschützt nach wie vor die Nazis“, beklagt Panos. Die Polizei beschützt Kundgebungen der Goldenen Morgenröte – während die antifaschistischen Demonstrant_ innen die Nazis zahlenmäßig bei weitem übertrafen. Das Gerichtsverfahren gegen unsere drei Genoss_innen ist nur eines einer ganzen Reihe von Prozessen, welche die Nazis gegen Linke initiierten. Ein weiterer Angeklagter ist Thanasis Kourkoulas – auch Antifaschist und Antirassist. Zugrunde liegt eine generelle Strategie der Einschüchterung und

Ins-Ziel-Nehmen von Menschen und Organisationen, die sich kollektiv organisieren und offen gegen die Nazi-Partei auftreten. Dies ist der Versuch der Faschisten die Massenbewegung gegen die Nazis zu schwächen, Antifaschismus zu kriminalisieren und dabei von den wahren Kriminellen in und im Umfeld der Goldenen Morgenröte abzulenken. Umso wichtiger ist die solidarische Unterstützung. „Arbeiter_innen demonstrieren um unsere Zeitung zu verteidigen und sich mit den Nazis der Goldenen Morgenröte anzulegen“, betont Panos. Und eines ist klar: Die Leute, die wirklich ins Gefängnis gehören, sind die Neonazis von Goldene Morgenröte, nicht die Aktivist_innen der antifaschistischen Bewegung.


FPÖ nimmt Anlauf gegen Roma In Irland und Griechenland haben die Behörden RomaFamilien die Kinder weggenommen, in Ungarn ermorden rechtsextreme Todesbrigaden Roma. Doch auch in Österreich zündelt die FPÖ, meint Peter HERBST.

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nlass für die aktuelle Roma-Hetze der FPÖ ist die Arbeitsmarktöffnung für Personen aus Bulgarien und Rumänien ab 1. Jänner 2014. Bereits im März brachte das MölzerBlatt Zur Zeit dazu einen RomaSchwerpunkt. Roland Gläser von der deutschen Wochenzeitung Junge Freiheit schrieb darin von „Zigeuner-Kolonien“ in Deutschland und dass es „immer mehr Zigeuner“ würden. Gemeinsam mit Kritik an den Linken wirft er auch den Sozialstaat unter die Räder, denn wenn dieser abgebaut würde, käme auch niemand mehr vom Balkan, hofft er. Zuwander_innen aus Italien und Spanien finden in seinen Augen gerade noch Gnade, aber für die Armut der Roma hat er nur Verachtung übrig. Vorbild Ungarn Bei Mölzers hauseigenen Schreibern ist von „Armutseinwanderung“ und „Sozialtourismus“ die Rede. Diskriminierung sei „nicht der Hauptgrund der Misere“. Was der Hauptgrund ist, bleibt aber

ungeklärt. Ihren Rassismus machen sie dagegen klar: Die Roma sollten mit ihrem „Kinderreichtum und ihrem vom üblichen Verständnis abweichenden Eigentumsbegriff“ aus den abbruchreifen Häusern ausziehen und dorthin zurückkehren, wo sie hergekommen sind. Autor Tomaschitz schiebt Rumänien und Bulgarien Schuld zu und lobt stattdessen die „Ungarische Tradition“. Die Maßnahmen der sozialistischen Regierung vor 1989, die er Viktor Orban zuschreibt, würden Roma und Sinti besonders „fördern“. Die Verfolgung durch die faschistische Jobbik wird als „strikter Kurs“ verharmlost. Der Musiker Ferenc Snétberger, der als Beispiel genannt wird, äußert in eine taz-Interview eine andere Sichtweise: „Dieser Hass gegen Roma, Juden oder auch Homosexuelle ist noch schlimmer geworden. So schlimm, dass es Tote gegeben hat.“ Klebstoff des Hasses Am 21. November brachte dann auch das Youtube-Magazin FPÖTV einen Beitrag mit dem Titel

Athen: Eine Ladenbesitzerin tritt ein Roma-Kind auf offener Straße

„Roma kommen nach Österreich“, und berichtete vom „Migrationsdruck“. Offensichtlich will die FPÖ kurz vor Öffnung der Grenzen ihre Anhänger auf den Feind Roma einschwören. Auch dass in einem halben Jahr EU-

Wahlen sind, ist möglicherweise kein Zufall. Die FPÖ ist darum bemüht, im Europaparlament eine rechte Fraktion aufzubauen und die Roma, als europaweites Thema, könnten dafür ein Bindemittel sein.

Justiz deckt Auschwitz-Aufseher ereits seit 35 Jahren ist bekannt, dass er Wärter in Auschwitz war, seit 2012 läuft endlich ein Verfahren – trotzdem lebt Johann H. seit Kriegsende unbehelligt bei Eferding in Oberösterreich. Der SS-Mann musste 1978 im letzten Frankfurter AuschwitzProzess aussagen und wurde dabei eindeutig als Wächter und Mitglied einer Totenkopf-Sturmbannkompanie in Auschwitz-Birkenau identifiziert. Auf einer Kriegsverbrecherliste der Alliierten ist bei seinem Namen sogar die Notiz „Folter“ vermerkt. Obwohl Beamte des österreichischen Innenministeriums die Zeugenbefragung durchführten, hat die österreichische Justiz Johann H. daraufhin nicht verfolgt. Durch eine lapidare Äußerung seines Enkels wurden 2012 der Wiener Jus-Student Stefan Brugger und der Sozialwissenschaftler

Quelle: privates Fotoalbum Karl Höcker

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Auschwitzaufseher, SS-Offiziere und KZ-Ärzte sitzen beisammen

Johannes Kramer auf den Fall aufmerksam. Sie zeigten Johann H.

bei der Welser Staatsanwaltschaft an und überreichten ihr dazu eine

umfangreiche Recherche. Doch Brugger erzählt: „Ich hatte nicht den Eindruck, dass die Beamten Interesse an dem Fall hatten.“ Seitdem hat die Justiz nichts anderes unternommen als ein medizinisches Gutachten über seine Verhandlungsfähigkeit anzufordern. Sich bei einem 90-jährigen Mann dafür zwei Jahre Zeit zu lassen, kann nur als Verzögerungstaktik verstanden werden. Stattdessen wurden die Aufdecker vom Verfassungsschutz einvernommen und dabei mit Unterstellungen und Beschwichtigungsversuchen konfrontiert. Inzwischen ist Johann H. tatsächlich die Verhandlungsunfähigkeit bescheinigt worden. Dass ein am Massenmord Beteiligter jahrzehntelang von der Justiz vor der Gerechtigkeit versteckt wurde, ist leider ein allzu typisches Beispiel des österreichischen Umgangs mit NS-Verbrechern.

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Linker

Lesetipp von Manfred ECKER

Chanie Rosenberg:

Fighting Fit: A Memoir Redwords, ISBN 978-1-909026-31-5, 96 Seiten, 7,99€

Eine Geschichte wie diese hätte man nicht erfinden können. Chanie Rosenberg hat 2013 als 92-Jährige ihre Autobiographie veröffentlicht, und sie musste sich dafür extra freinehmen, so aktiv ist die alte Sozialistin noch Tag für Tag. Sie wuchs als jüdische Schülerin in der durch und durch von Rassismus geprägten Gesellschaft Südafrikas auf. Sie beschreibt diese Zeit mit den Augen des kleinen Mädchens, das erst nach und nach versteht, was Rassismus mit ihr anstellt – mit ihr als Jüdin, die von antisemitischen Lehrern angewidert ist, und mit ihr als Weiße, die selbst erst verstehen lernt, wie schrecklich die alltägliche Unterdrückung der schwarzen Mehrheit ist. Es ist beeindruckend, ja aufheiternd, ihren Bewusstwerdungsprozess mitzuempfinden. „Ich war darauf konditioniert zu denken, dass Schwarze speziell dazu da waren, den Weißen zu dienen.“ Sie kam nicht als Sozialistin auf die Welt, sondern hat sich diesen Weg erst durch schonungsloseste Ehrlichkeit erarbeitet. Diese Ehrlichkeit erlaubt der Schreiberin, ohne Reue und Schuldgefühle zu schildern, wie sich ihr Bewusstsein in einer extrem widersprüchlichen Umwelt entwickelt hat. Sie weigerte sich mit einer für viele Kinder typischen Sturheit, Opfer zu sein, und zeigte ihren Lehrer_innen, dass sie, das jüdische Mädchen, besonders begabt und klug war. „In späteren Jahren half mir meine Sensibilität gegenüber antijüdischem Rassismus die Gefühle der schwarzen Bevölkerung zu verstehen…“ Als sie absichtlich mit einem Dritte-Klasse-Ticket, das nur für Schwarze vorgesehen war, in einem Zug reiste, zwang sie der Schaffner ohne Aufpreis in die Erste Klasse zu wechseln. Chanie war in frühen Jah-

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ren eine radikale Zionistin, die jede Duckmäuserei vor dem allgegenwärtigen Antisemitismus verabscheute. 1944, mit 22 Jahren, verließ sie deshalb Südafrika und ging nach Palästina, wo sie ihre erste Zeit in einem Kibbutz der Hashomer Hatzair verbrachte. Diese Strömung war am äußersten linken Rand des Zionismus angesiedelt und ihre Kibbutz waren Versuche, kleine sozialistische Inseln zu errichten. Das Leben dort war paradiesisch. Aber bald verstand sie, dass auch diese Kibbutz an der Unterdrückung der arabischen Bevölkerung Anteil hatten und ging nach Tel Aviv. Sie wurde Mitglied bei einer antizionistischen sozialistischen Gruppierung mit jüdischen und arabischen Mitgliedern und heiratete Ygael Gluckstein alias Tony Cliff. Cliff und Chanie, wie sie fortan genannt wurden, verließen Palästina und landeten 1946 in London. Sie gründeten eine Familie, deren Alleinerhalterin über 50 Jahre lang Chanie war, und bauten eine sozialistische Organisation auf, die heute Socialist Workers Party heißt. Chanie wurde seither für ihre Unermüdlichkeit und ihre heitere Ehrlichkeit zu einer Legende in der sozialistischen Gemeinde. Sie hat Streiks angeführt, Demonstrationen aufgebaut, Bücher geschrieben, oder für ihren Mann getippt und editiert und vieles mehr. Leider ist ihre Autobiographie erst auf Englisch erschienen. Aber es ist wirklich wert sie zu lesen und diese außergewöhnliche Person kennen zu lernen.

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VERGESSENE GESCHICHTE

Slowenische Partisanen besiegen SS-Einheit Im August 1942 besiegten slowenische Partisan_innen bei Robesch/Robež im südlichen Kärnten eine SS-Einheit und jagten sie davon. An den Erfolg und den darauf folgenden Zulauf zur Bewegung erinnert Manfred ECKER.

G

egründet wurde die slowenische Widerstandsorganisation OF (Osvobodilna Fronta) in Ljubljana/ Laibach ungefähr drei Wochen nach dem Überfall der Wehrmacht auf Jugoslawien am 6. April 1941. Drei politische Strömungen waren beteiligt: die Kommunistische Partei (KP), die Christlich-Sozialen, und eine liberale Partei, genannt die ­Sokoli. Wegen ihrer Größe und der Erfahrung im Untergrund war die KP die maßgebliche Kraft in der OF. Die Partisan_innen waren der bewaffnete Arm der OF. Dazu kamen aber auch österreichische Freiwillige: Kärntner Slowen_innen, die unter den Nazis ausgesiedelt wurden oder die vor den Nazis flohen, sowie Hitlergegner und Deserteure. Vier österreichische Bataillone entstanden, von welchen eines auf österreichischem Gebiet eingesetzt wurde. Im August 1944 waren ca. 700 Kämpfer_innen der slowenischen Partisanen auf österreichischem Gebiet, vor allem in Südkärnten und der Südsteiermark, im

Einsatz. Ihr Stützpunkt, der über den gesamten Krieg unentdeckt blieb, war die so genannte Basis 20 im Hornwald (Kočevski Rog). Italienische Truppen vertrieben von dort kurz zuvor die deutschsprachigen Siedler, so genannte Gottscheer. Nadelstich und Sabotage Die Tätigkeiten der Partisan_innen konzentrierten sich darauf, den Feind möglichst empfindlich zu stören und ihn daran zu hindern, dass er ungehindert sein Besatzungsregime stabilisieren und ungestört den Krieg weiter tragen konnte. Sabotageakte, Nadelstichartige Überfälle und Märsche durch besetztes Gebiet waren Teil dieser sehr effektiven Taktik. Sie trug dazu bei, dass große Teile der deutschen Wehrmacht gebunden waren – beispielsweise waren mehrere hunderttausend deutsche Soldaten permanent im Einsatz, nur um die Transportrouten durch das eroberte Jugoslawien zu sichern. Als Abschreckung

Veranstaltungstipp Am 5. März um 19 Uhr berichtet Chanie Rosenberg im Depot (7., Breite Gasse 3) aus ihrem bewegten Leben.

Die antifaschistischen Partisaninnen und Partisanen mussten nicht nur die Besatzer bekämpfen, sondern auch deren Kollaborateure. In Slowenien stellten sich die sogenannten Domobranzen (Slowenische Heimwehr) auf die Seite der Besatzer.


Foto: DÖW

Slowenische Partisanen in den Kärntner Bergen mit amerikanischen Piloten

Lesetipp

Maja Haderlap: Engel des Vergessens

Verlag btb, ISBN 3-442-74476-8, 288 Seiten, 10,30€ Die Kindheit einer Kärntner Slowenin: Der Krieg ist vorbei, aber die Erinnerung an die Kämpfe der Partisan_innen und die Verbrechen der Nazis sind allgegenwärtig. Eine gewaltige Geschichte, die zurecht zum Bestseller geworden ist.

ermordeten die Besatzer die Zivilbevölkerung ganzer Siedlungen, was aber nur dazu beigetrug, dass sich noch mehr junge Slowen_innen dem Widerstand anschlossen. Sieg in Südkärnten Im August 1942 marschierten Partisanenverbände durch die Südsteiermark und Südkärnten und zogen dabei die Aufmerksamkeit der SS-Polizei und anderer SS-Einheiten auf sich. Das Kranjc-Bataillon stieß dabei ­ mehrfach auf SS-Einheiten und im Zuge ihrer Ausweichmanöver kam es zu dem siegreichen Gefecht bei Robesch/Robež im Gemeindegebiet von Gallizien. Das Kranjc-Bataillon hatte sich in das zweisprachige Kärntner Gebiet zurückgezogen und wurde dort schließlich von Mitgliedern der SS überrascht. Nach einem überhasteten Abzug formierten sich die Partisan_innen neu und griffen die SS an, die noch damit be-

schäftigt war, Gepäckstücke und Waffen aus dem Partisanenlager einzusammeln. Bei diesem Gegenangriff konnten sie das Maschinengewehr der SS-Einheit erobern und mindestens sieben SS-Männer erschießen. Diese waren ob der Gegenwehr so überrascht, dass sie völlig kopflos Verletzte und Waffen zurückließen, aber ihren toten Kommandanten mitschleppten. Es waren niederländische Freiwillige, die in Lendorf bei Klagenfurt stationiert waren und für die WaffenSS ausgebildet wurden. Für lange Zeit war dieser spektakuläre Sieg über eine SS-Einheit eines der bedeutsamsten militärischen Ereignisse im Kerngebiet Nazideutschlands. Die unbedankten Held_innen Den jugoslawischen Partisanenverbänden, denen sich die slowenischen angeschlossen hatten, gelang schließlich der Sieg über

die Besatzer, aber der Preis war enorm hoch. 305.000 Kämpfer_innen sind gefallen und weitere 400.000 wurden verwundet. Im gesamten Jugoslawien kamen durch die Besatzung 11 Prozent der Bevölkerung bzw. 1,7 Millionen Menschen ums Leben. Die Partisan_innen waren beileibe keine Heiligen, überhastete Todesurteile und schließlich Massaker an

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echten und vermeintlichen Unterstützern der Besatzer nach Kriegsende sind bekannte Beispiele ihrer vielen schweren Fehler. Dennoch hatten sie die volle Unterstützung des Großteils der Bevölkerung, die ihren Anweisungen meist ohne jeden Zwang Folge leistete. In einer gerechteren Nachkriegsordnung hätten sie in Österreich nach 1945 etwas zu sagen gehabt.

Museum Peršmanhof Erst ein zentraler Stützpunkt des Partisanenwiderstand, dann Schauplatz eines brutalen NS-Kriegsverbrechens auf die Zivilbevölkerung: Elf Angehörige einer kärntnerslowenischen Bauernfamilie wurden in den letzten Kriegswochen am abgelegenen Peršmanhof von SS und Polizei ermordet. Von der österreichischen Justiz wurden die Verantwortlichen als „Einzeltäter“ abgetan, obwohl ähnliche Fälle bekannt sind, der zuständige SS-Kommandant Reischl wurde freigesprochen. In der Gegend sind die Geschehnisse von damals noch immer eine offene Wunde. In den 1980ern wurde ein kleines Museum eingerichtet, das an den antifaschistischen Widerstand der Partisan_innen und das Massaker erinnert. Informationen: www.persman.at +43 (0) 664/489 17 76 Koprein-Petzen/Koprivna pod Peco 3, 9135 Bad Eisenkappel/Železna Kapla Öffnungszeiten: Mai – Oktober: Fr-So 10:00-17:00 oder nach Voranmeldung

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Woyzeck: Georg Büchner feat. Tom Waits Das Georg-Büchner-Jahr neigt sich dem Ende zu, da setzt das Volkstheater mit der Woyzeck-Bearbeitung von Tom Waits und Kathleen Brennan einen fulminanten Abschluss, findet Peter HERBST.

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ünf Minuten vor Vorstellungsbeginn schreitet er durch den Zuschauerraum, deklamiert, lamentiert und erklimmt schließlich die Bühne: Thomas Bauer als Aufrufer legt einen fliegenden Start hin. Das Thema des Abends: das Elend des menschlichen Daseins am Beispiel Woyzecks. Dann singt auch schon Haymon Maria Buttinger in der Titelrolle mit „Misery is the river of the world“ das erste Lied des Abends und orientiert sich dabei stark an Tom Waits. Will man den genauen Inhalt verstehen, hilft es, vorher die Texte gelesen zu haben. Wesentlich sind jedoch die vermittelten Stimmungen wie Wut, Hoffnung, Resignation. Dazwischen liegen die Dialoge, die zu Stichwörtern zusammengekürzt wurden. Büchners Fragment noch einmal fragmentiert – auf der Bühne lässt jedoch niemand einen Zweifel daran, was passiert. Staub, Sand, Dreck Allen voran Woyzeck: Mit einem spärlich von Haarbüscheln bedeckten Kopf und einer Jogginghose mit Urinfleck geht er höchstens als Soldat einer industriellen Reservearmee durch. Noch nie sah Woyzeck erbärmlicher aus. Während die erste Tom-Waits-Version vor 13 Jahren in Kopenhagen minimalistisch und durchgestylt war, ist nun das Elend greifbar. Auf den Gewändern der Darsteller, in der düsteren Kulisse und der mit Erde bedeckten Bühne – überall herrscht der Dreck. In den introspektiven Momenten leuchten die nackten, von der Decke hängenden Glühbirnen in einem warmen Licht. Wenn Woyzeck von seinen Peinigern gequält wird, strahlt das Rampenlicht kalt. Muss was Schönes sein Woyzecks Vorgesetzter, der Hauptmann (Thomas Kamper), versucht sich durch Spott selbst zu erhöhen. Er zielt mit seinem Hohn auf Woyzecks fehlende Moral, und trifft damit nur seine soziale Not. Der Doctor (Ronald Kuste), sieht in Woyzeck einen Trittstein für die eigene Karriere.

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Haymon Maria Buttinger brilliert als Woyzeck im Volkstheater

Der beruflich erfolgreiche Tambourmajor (Christoph F. Krutzler) macht sich an Woyzecks Geliebte heran, ist zynisch und der Welt überdrüssig. Nachbarin Margreth (Susa Meyer) versucht ihr eigenes Leben zu ertragen, in dem sie über ihre Mitmenschen lästert. Von seinen Ausbeutern wird Woyzeck in den Wahnsinn getrieben, seine hilflose Wut entlädt sich schließlich in einer blinden Tat. Der Weg dorthin ist jedoch komischer, als das Manuskript vermuten ließe. Stellenweise lassen Woyzecks Qualen in ihrem Irrwitz schmunzeln. Aber ich bin ein armer Kerl Seit Büchner sein letztes Werk niederschrieb, sind über 175 Jahre vergangen. In unserer aufgeklärten Gesellschaft würde niemand mehr Woyzeck ein uneheliches Kind zum Vorwurf machen. Sofern man sich heute nur stilsicher kleidet, sich gesund ernährt und Bücher gegenüber dem Flachbildfernseher vorzieht, wird einem sogar die Armut nachgesehen. Woyzecks historisches Vorbild wurde vor bald 190 Jahren hingerichtet. Von den Woyzecks von heute liest man in der morgigen U-Bahn-Zeitung.

Hugh Masekela: Tomorrow

Dieser „historische“ Musiktipp erinnert an jene Zeit, in der das Apartheid-Regime in Südafrika herrschte, und der soeben verstorbene Freiheitskämpfer und spätere Präsident Südafrikas, Nelson Mandela, noch inhaftiert war. Hugh Masekela gilt als einer der wichtigsten Jazz- und Weltmusik-Pioniere aus Südafrika. Im Jahr 1959 spielte er mit den „Jazz-Epistles“ das erste Modern-Jazz-Album Südafrikas ein, lebte jedoch ab 1961 im Exil in London, später in verschiede-

nen afrikanischen Ländern, und war ab 1973 mit Fela Kuti und der Band Hedzoleh Soundz aktiv. In den 1980er Jahren begann sich weltweit breiter Widerstand gegen das Apartheid-Regime zu regen, Südafrika war zunehmend politisch und kulturell isoliert. Nach der soeben absolvierten Teilnahme an Paul Simons „Graceland“-World-Tour entsteht 1986/87 das Album Tomorrow, das Masekela den entscheidenden Karriereschub verpasst. Der herausragendste Titel


! Autor und Werk A

m 17. Oktober 1813 geboren, begehrte Büchner Zeit seines (kurzen) Lebens gegen die herrschenden Missstände auf. Als Student schreibt er 1833 in Straßburg: „Wenn in unserer Zeit etwas helfen soll, so ist es Gewalt. Wir wissen, was wir von unseren Fürsten zu erwarten haben. Alles, was sie bewilligten, wurde ihnen durch Notwendigkeit abgezwungen.“ Wieder zurück bei seiner Familie in Hessen, verfasst er ein Jahr später das Pamphlet Der Hessische Landbote, mit der Losung „Frieden den Hütten, Krieg den Palästen“. Statt mit Fragen wie Parlamentarismus und Verfassung, agitiert er mittels Statistiken und konkreter Zahlen, die die Ausbeutung durch die Obrigkeit belegen. Zu diesem Zeitpunkt wird er bereits von den Behörden beobachtet und schließlich aufgrund Verrats verhaftet und verhört. Flucht nach Straßburg Anfang 1835 verfasst er Dantons Tod, in dem er den Niedergang der Französischen Revolution behandelt. Der Strafverfolgung

Leo K’s ist „Bring Him Back Home“, der zur inoffiziellen Südafrikanischen Freiheitshymne wird und in dem Masekela offen für die Freilassung von Nelson Mandela eintritt – ein Wunsch, der drei Jahre später tatsächlich in Erfüllung geht. In „Everybody's Standing Up“ singt Masekela das baldige Ende der Diktatoren dieser Welt herbei und verkündet unermüdlich die baldige Rückkehr in seine alte Heimat Südafrika. Inhaltlich wie musikalisch gilt „Tomorrow“ als das gelungenste Werk Hugh Masekelas, in dem er Afro-Beat und 80er-Dancefloor-Feeling kombiniert. Masekela lebt seit dem Ende der Apartheid wieder in Südafrika und veröffentlicht nach wie vor Platten, zuletzt „Phola“ (2009). www.hughmasekela.co.za

kann er sich im März durch Flucht nach Straßburg entziehen. Im Sommer übersetzt er zwei Dramen Victor Hugos, im Herbst beschäftigt er sich mit der Erzählung Lenz. Anfang des folgenden Jahres stellt er seine Dissertation fertig und verfasst Leonce und Lena. Mitte des Jahres beginnt er mit der Arbeit am Woyzeck, im September erhält er die Doktorwürden und stirbt am 19. Februar 1837 im Exil in Zürich. Woyzeck Am 8. November 1913 wurde Woyzeck am Residenztheater München uraufgeführt. Das unvollendete Werk handelt vom Soldaten Franz Woyzeck, der unter Druck der sozialen Verhältnisse in den Irrsinn abgleitet und schließlich seine Geliebte ersticht. Als Vorlage dienten Büchner mehrere Morde in ärmlichem Milieu, darunter jener des ehemaligen Soldaten Johann Christian Woyzeck. Auch das medizinische Experiment bei dem sich Woyzeck auf Geheiß des Doctors von nichts als Erbsen ernährt, hat eine historische

Georg Büchner

Entsprechung. Es sollte die Ernährung der niederen Stände verbilligen, führte jedoch zu Vergiftungserscheinungen. Der Doctor selbst dürfte sich aus mehreren Personen zusammensetzen, darunter der Mediziner Clarus, dessen Gefälligkeitsgutachten den historischen Woyzeck zum Tode verurteilte, Dozent Wilbrand, ein Lehrer Büchners und Büchners Vater Karl Ernst, der die Versuchssubjekte seinen Forschungszielen unterordnete. Woyzeck zählt zu den Vorläufern von Naturalismus und Expressionismus. Seiner Zeit weit voraus, gehört es zu den meistgespielten Theaterstücken der deutschen Literatur und hat nichts von seiner Aktualität eingebüßt.

Musiktipps Arcade Fire: Reflektor Arcade Fire veröffentlichen seit 2004 im Dreijahres-Abstand neue Platten und erfinden sich dabei jedesmal neu. Die kanadische Band um das Paar Win Butler und Regine Chassagne hat nach dem phänomenalen Erfolg von „The Suburbs“ (2010, u.a. Grammy in der Kategorie „Album des Jahres“) erneut den Mut bewiesen, ihren Stil radikal zu ändern. Unter der Regie von Produzent James Murphy, der schon mit den Gorillaz zusammenarbeitete, treten diesmal die Gitarren ein wenig in den Hintergrund, statt dessen dominieren auf „Reflektor“ die elektronischen Sounds. In einem Interview spricht die Band von einer „Mischung aus Studio 54 und haitianischem Voodoo“ und

deutet damit eine Verneigung vor dem NewWave-Sound der 1980erJahre an. Es wundert daher auch nicht, dass der bekennende Arcade-Fire-Fan David Bowie im Titelsong einen Gastauftritt hat. „Reflektor“ erscheint als DoppelVinyl und CD-Album, die Songs drehen sich alle mehr oder weniger gleichnishaft um den Mythos von Orpheus und Eurydice, transferiert in und mit einem kritischen Blick auf die Welt des 21. Jahrhunderts. Anspieltipps sind neben dem Titelsong das rockige „Normal Person“ von der eher flott gehaltenen LP/CD 1 und „Supersymmetry“, das

Grande Finale dieses Werkes, das alleine schon durch sein Konzept aus dem Rahmen fällt. Arcade Fire haben aber kein Problem damit, wenn sie aufgrund der neuen Musik-Konsumgewohnheiten weniger Alben verkaufen. O-Ton: „Es ist … völlig legitim, wenn sie ein Album nur streamen. Solange jemand Musik gefällt und er sie unterstützt, ist das Format doch relativ egal.“ http://arcadefire.com

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Solidarität von Manfred ECKER

In dieser Serie erarbeiten wir uns das Rüstzeug für revolutionären Aktivismus

S

olidarität ist wohl einer der zentralsten Begriffe im Marxismus. Verfolgt man jedoch die Debatten rund um den Widerstand der Lehrer_innen gegen die geplante Dienstrechtsreform, dann scheint es nichts Fremderes oder Abwegigeres zu geben als Solidarität mit ihnen – dabei gäbe es nichts Dringlicheres. Natürlich könnten die Lehrer_innen auch auf sich alleine gestellt gegen die Regierung gewinnen, aber in der Realität steigen ihre Erfolgschancen mit jedem Zeichen von Solidarisierung aus anderen Bereichen. Solidarität ist typischerweise grenzüberschreitend und deshalb viel mehr als der Zusammenhalt innerhalb einer Gruppe. Die schwierigsten und deshalb oft wertvollsten Solidaritätsbekundungen sind solche zwischen Gruppen, die auf den ersten Blick sehr wenige Gemeinsamkeiten haben: Piloten, die sich weigern, bei Deportationen von Flüchtlingen mitzuwirken. Hafenarbeiter, die die Verladung von Waffen für den Irakkrieg verhindern. Muslimische Demonstrant_innen in Ägypten, die sich schützend vor koptische Christen stellen – man versteht sofort, dass solche Solidaritätsbekundungen eine besondere Wirkung haben. Ihre Stärke liegt darin, dass sie die Grenzen überwinden, die uns sonst so beherrschbar machen. Kein Mensch ist eine Insel Ganz distanziert betrachtet ist es völlig logisch, dass die Ausgebeuteten und Unterdrückten der Welt zusammenhalten sollten. Vereint wären sie nur sehr schwer auszubeuten und unterdrückbar. Solidarität ist sozusagen das Gegenstück von „divide et impera“ (Teile und Herrsche). Näher betrachtet gibt es plötzlich Einwände gegen diese bestechende Logik. „Was geht meine Gewerkschaft das Schicksal von einem Flüchtling an?“ „Was gehen mich als Studierende die Lohnverhandlungen von Metallern an?“ „Warum sollte ich mich als Homosexuelle für Arbeitsbedingungen an Schulen interessieren?“ Aber Unterdrückung und Ausbeutung im Kapitalismus gehen Hand in Hand. Ausgebeutet wird indirekt jede_r, die oder der einer Lohnarbeit nachgeht, da uns nur ein Teil unserer Arbeitsleistung abgegolten wird, bzw. wir unsere Arbeitskraft unter ihrem Wert ver-

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kaufen müssen. Aber man könnte uns nicht so leicht ausbeuten, wenn nicht auch Unterdrückung und Gewalt im Spiel wären. Historisch musste die Landbevölkerung unterdrückt werden bzw. mit Gewalt daran gehindert werden, nach Gutdünken zu ernten, Holz zu sammeln oder zu jagen, um ihre Arbeit als Untergebene weiter ausbeuten zu können. Wenn wir in diesen Prozessen akzeptieren lernen, dass manche von uns stärker unterdrückt werden, oder manchen mehr Unrecht widerfährt als anderen, dann sind wir auch eher bereit vor Unrecht im eigenen Umfeld zu kapitulieren. Die Macht von Ideologie Wenn „Inländer_innen“ akzeptieren, dass „Ausländer_innen“ schlechter behandelt und bezahlt werden als sie selber, dann haben sie es schwerer gegen selbst erlittenes Unrecht anzukämpfen. Wenn Männer die niedrigeren Löhne für Frauen tolerieren, dann werden sie sich eher mit ihren eigenen schlechten Löhnen abfinden. Ideologie ist neben Gewalt das wichtigste Element, um

Die englische Lesben- und SchwulenBewegung solidarisierte sich in den 1980ern mit den streikenden Minenarbeitern, die sich gegen die Angriffe von Marget Thatcher wehrten. Spendensammlungen während der Gay Pride 1984 und gemeinsame Treffen von Lesben und Schwulen mit Minen-Gewerkschaftern führten zur Gründung des Netzwerks „Lesbians and Gays Support the Miners“.

diese Akzeptanz von Unterdrückung und Ausbeutung zu erreichen. Ideologien stellen Frauen und ihre Arbeit als minderwertig dar, Lehrpersonal als faul und privilegiert, Flüchtlinge als Schmarotzer und Kriminelle, Homosexuelle als flatterhaft, usw. Um der Gewalt und Ideologie der Herrschenden etwas entgegnen zu können, müssen wir unsere Ideologie des Klassenkampfs verbreitern können und die gelebte Solidarität zur Praxis werden lassen. Oder wie es Marx und Engels im letzten Satz des „Kommunistischen Manifests“ sagen: „Proletarier aller Länder vereinigt euch!“


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Linkswende Monatszeitung für Sozialismus von unten Herausgeber (für Inhalt verantwortlich): Manfred Ecker Redaktion: Tom D. Allahyari, Manfred Ecker, Peter Herbst, Hannah Krumschnabel, Judith Litschauer, Oliver Martin, Ludwig Sommer Post: Kettenbrückeng. 5/102, 1050 Wien Telefon: 06504522473 Web: www.linkswende.org Email: redaktion@linkswende.org ZVR: 593032642

KONTAKT Gruppentreffen: Stadtgruppe: Jeden Do. um 19 Uhr, Amerlinghaus (7., Stiftg. 8) Unigruppe: Jeden Di. um 17 Uhr, Powi-Institut im 2. Stock des NIG (1., Universitätsstr. 7) Für Interessierte, die mit uns politisch diskutieren wollen, keine Anmeldung erforderlich.

Infotische:

Was wollen wir? Eine andere Welt. Wir produzieren heute weltweit Überschüsse. Die Bedingungen für eine gerechtere Welt waren nie besser als heute. Demokratische Kontrolle. Wir wollen eine Gesellschaft, in der gezielt für die Bedürfnisse der gesamten Menschheit und mit Rücksicht auf die Natur produziert wird. Die Lohn­abhängigen müssen kollektiv das herrschende System zerschlagen und die Produktion unter direkte demokratische Kontrolle stellen. Gegen Rassismus. Wir sind gegen jede ­ Diskriminierung, Einwanderungskontrollen, Arbeitsverbote und für grenzüberschreitende S ­ olidarität. Wir stellen uns gegen imperialistische Kriege. Wir stehen für Solidarität mit der muslimischen Bevölkerung und für das Recht auf freie Religionsausübung.

Internationalismus. Kapitalismus ist ein ­internationales System, das nur international besiegt werden kann. Wir unterstützen das Recht aller unterdrückten Gruppen, sich zu ihrer Verteidigung zu organisieren. Gegen Unterdrückung. Als Sozialist_innen stellen wir uns gegen alle Versuche uns entlang von Staatsgrenzen, Hautfarbe, R ­eligion, Geschlecht oder sexueller O ­ rientierung zu spalten. Wir treten für echte soziale, ­politische und wirtschaftliche Gleichberechtigung von Frauen und für ein Ende aller Diskriminierungen von LGBT ein. Revolutionäre Partei. Diejenigen, die eine gerechte und solidarische Gesellschaft wollen, müssen sich zusammentun und dürfen die Entwicklung von Protestbewegungen nicht dem Zufall überlassen.

Revolutionäre Organisation • die auf Aktivität setzt, Proteste aufbaut und Widerstand organisiert. Über unsere Zeitung lernen wir Aktivist_innen kennen und schaffen uns ein festes Netzwerk. • die sich mit der politischen Situation auf ­regelmäßigen Treffen auseinandersetzt. • die in der Tradition revolutionärer Bewegungen steht und das „Gedächtnis“ der Arbeiter_innenklasse werden will. Wir machen Theorieund Öffentlichkeitsarbeit. • die gewährleistet, dass Demokratie auch handlungsfähig wird. Wir diskutieren ­ wichtige Fragen ausführlich und setzen Entscheidungen gemeinsam um. • die unabhängig agieren will. Wir finanzieren den Aufbau von Linkswende über Mitgliedsbeiträge und ­Spenden.

Stadtgruppe: Jeden Sa. von 12:30 bis 13:30 Uhr U-Bahnstation Kettenbrückengasse Jeden Sa. von 14 bis 15 Uhr, Mariahilferstr., vor dem Generali Center. Unigruppe: Jeden Mi. von 13 bis 14 Uhr, ­„Uni-Eck“, Schottentor Jeden Do. von 13 bis 14 Uhr, ­„Uni-Eck“, Schottentor Während der Uni-Ferien finden Infotische und Gruppentreffen gemeinsam mit der Stadtgruppe statt.

Internet: linkswende.org inkswende@ linkswende.org

Telefon: 06504522473


r e ft a h c s n e h c rs u B t n n a rb Innsbruck ve us? hism

sc Fa it m g an g m U im de en W e di t Komm Am 30. November gelang der Initiative „Innsbruck gegen Faschismus“ ein lang ersehnter Erfolg gegen die rechten Burschenschafter. Karin WILFLINGSEDER berichtet, was dieser Sieg bedeutet.

N

och vor wenigen Jahren hielt der Innsbrucker AltBürgermeister Herwig van Staa (ÖVP) selbst die Festrede auf dem Burschenschafterkommers. Der ehemalige Tiroler Landeshauptmann Wallnöfer, NS-Mitglied und Sympathisant der Südtirol-Terroristen („Unrechtsgrenze“), war 1987 selbst auf dem Treffen. Gegenproteste waren stets in der Defensive. Wende in Innsbruck Der Initiative von Innsbruck gegen Faschismus ist es nun zu verdanken, dass am 30. November ein Treffen des rechten Dachverbandes Deutscher Burschenschaften

nicht in der Messe in Innsbruck stattfinden konnte. Das neue, breite Bündnis hatte massiv Druck aufgebaut. Die Bürgermeisterin Christine Oppitz-Plörer schlug sich daraufhin auf Seiten der Antifaschist_innen: „Innsbruck kann der Beginn einer Wende sein.“ Tatsächlich kann der Erfolg von Innsbruck als ein Signal für das ganze Land verstanden werden. Integration der Nazis In keinem anderen Land der ehemaligen Hitler-Verbündeten ist die systematische Integration der ehemaligen Nazis so weit gediehen wie in Österreich. Aufrechte Nazis hatten schnell wieder Funktionen im Staat. Allein der Regierung Kreisky gehörten fünf prominente ehemalige Nationalsozialisten als Minister an. Das dritte Lager, die fast vollständig im Nationalsozialismus aufgegangenen Deutschnationalen, formierte sich schnell wieder mit der Parteigründung des VdU (später FPÖ). Der zurückgetretene Gründer des VdU, Herbert Kraus, sah im Gründungsparteitag der FPÖ die „lange vorbereitete

‚Machtübernahme’ durch einen kleinen Kreis von Rechtsextremisten und ehemaligen Naziführern.“ FPÖ und Burschenschaften

schaften und unterwandern den Rechtsstaat, indem sie systematisch wichtige Ämter in Justiz und Politik besetzen.

Die Kader der FPÖ kommen aus den deutschnationalen Burschenschaften. Nach seiner skandalösen Wahl zum 3. Nationalratspräsident zeichnete Martin Graf die „Wiener akad. B! Teutonia“ für ihre Verdienste um die Demokratie aus. Im Jahreslagebericht des Innenministeriums 1994 wurde dieselbe Vereinigung noch als „Kaderschmiede nationaler und rechtsextremer Gesinnung“ bezeichnet. Der Jahresbericht wurde 2001 in der Zeit der schwarz-blauen Bundesregierung eingestellt. In derselben Zeit kamen Burschenschafter in Regierungspositionen, wurden Universitätsräte oder erhielten plötzlich hohe Fördergelder. Der Österreichische Pennälerring (ÖPR) etwa erhielt seit 2001 rund 400.000 Euro – Bundeslieder und Wahlsprüche mancher ÖPR-Verbindungen sind einschlägig wie das „Treuelied“ der SS. Burschenschafter agieren wie Geheimgesell-

Am 8. Mai 2013, dem Tag der bedingungslosen Kapitulation des NS-Regimes, fand am Wiener Heldenplatz ein großes „Fest der Freude“ statt. Erstmals wurde der Aufmarsch der Burschenschafter durch eine ganztägige Mahnwache des Bundesheeres unterbunden. Der WKR-Ball der Burschenschafter fand 2012 wegen des wachsenden Widerstands zum letzten Mal in der Wiener Hofburg statt. Die FPÖ, veranstaltet nun stattdessen den sogenannten Wiener Akademikerball für die Burschenschafter in der Hofburg. Lernen die empörten Wiener Antifaschist_innen von Tirol, dann feiert die FPÖ nicht mehr lange: Wir müssen aktiv an der Verbreiterung des Widerstandes arbeiten. Noch nie seit dem 2. Weltkrieg hatten wir so große Chancen auf eine Wende im Umgang mit dem braunen Sumpf!

Lehren für Wien

Einen ausführlichen Demo-Bericht über die Proteste in Innsbruck findest du auf linkswende.org

Linkswende

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