Linkswende Nr. 172

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Linkswende

Monatszeitung für Sozialismus von unten

www.linkswende.org | Nr. 172 Spende 1,50 €

R E G Ä L H C S I Z A N UND IHRE VERBINDUNGEN ZUR FPÖ

STUWERVIERTEL

Anrainer_innen wehren sich gegen die Diskriminierung der Sexarbeiterinnen, schildert Karin Wilfingseder | Seite 7

SYRIEN Der Kampf um Revolution und Demokratie | Seiten 24/25


von Manfred ECKER

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SYRIEN UND DER KAMPF UM REVOLUTION UND DEMOKRATIE >> Seite 24/25

SPORT >> Seite 18 Wie der Kapitalismus dem Sport die Seele raubt, erklärt Yaak Pabst

FRACKING >> Seite 12 Der Kapitalismus greift zu den letzten Mitteln, doch er stößt auf Widerstand, berichtet Ludwig Sommer

STUWERVIERTEL >> Seite 7 Die Anrainer_innen wehren sich gegen die Diskriminierung der Sexarbeiterinnen, schildert Karin Wilfingseder

ir produzieren unsere Monatszeitung Linkswende ab dieser Ausgabe im neuen Format. Das größere Format haben wir wegen der gestalterischen Möglichkeiten und der Wucht der Titelseiten sehr geschätzt. Aber ein kleineres Format kommt unseren sich ändernden Gewohnheiten und Ansprüchen sehr entgegen. Und so hoffen wir, dass wir euch Leser_innen damit eine Zeitung in die Hand geben, die sich leichter mitnehmen und jederzeit auspacken lässt und mit der wir unseren Kontakt zu euch enger knüpfen können. Vor allen Dingen können wir das kleine Format günstiger drucken lassen und Finanzen sind nun einmal eine sehr wichtige Angelegenheit für eine politische Organisation. Ohne eigenes Geld kann man keine Kampagnenmaterialien produzieren und keine unabhängige Politik machen. Wir finanzieren unsere Arbeit nach wie vor zur Gänze aus euren Spenden und den Beiträgen unserer Mitglieder. Eine Organisation, die dieses System bekämpft und die eine Bewegung aufbauen will, um es stürzen zu können, darf finanziell natürlich von keinen großen Geldgebern abhängig sein. In dieser Ausgabe müssen wir uns mit den Konsequenzen des Wahlerfolgs der FPÖ auseinandersetzen. Neonazis überfielen das Lokal einer türkischen sozialistischen Organisation in Wien und beinahe zeitgleich zeigen sich die

FPÖ-Abgeordneten im Parlament mit dem Markenzeichen der originalen österreichischen Nazibewegung, der Kornblume. Der Zusammenhang zwischen beiden ist klar: Sie versuchen das Wahlergebnis zu nutzen und Schwung für die rechte Bewegung zu erzeugen. Auf den Seiten 1, 3, 5 und der Mittelseite setzen wir uns mit Neofaschismus und seinem Vorbild auseinander. Faschismus ernährt sich von Verzweiflung, wie sie durch die sogenannte „Austeritätspolitik“ so rasant über Europa verbreitet wird. Auf den Seiten 6 und 7 beleuchten wir einige der Auswirkungen der Krisenpolitik hierzulande. Weil Zynismus scheinbar keine Grenzen kennt, soll für das neue Schubhaftzentrum Vordernberg in der Steiermark eine private Securityfirma eingesetzt werden. Was die Medien kaum berichten: Diese Securityfirma G4S wurde auch schon in Südafrika und Großbritannien für Häftlingsbetreuung eingesetzt – mit verheerenden Konsequenzen. Über Syrien bieten wir zwei sehr interessante Artikel: In einem beschreibt der Yasser Munif wie sich die Revolution in der Stadt Manbidsch anfühlt, welche Kämpfe die Bewohner_innen auszufechten haben. Und ein zweiter Artikel beschreibt die Strukturen, die geschaffen wurden, um das tägliche Leben zu organisieren (Seiten 24/25). Viel Vergnügen mit der neuen Linkswende!


Leitartikel

Neonazi-Schläger haben Verbindung zur FPÖ

von Manfred ECKER

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m 27. Oktober überfiel eine Bande von 30 bis 40 Neonazis – sie nennen sich „Unsterblich Wien“ – die Räumlichkeiten von ATIGF im Ernst-Kirchweger-Haus in Wien. ATIGF ist eine sozialistische Organisation mit vorwiegend türkisch-stämmigen Mitgliedern. Im Versammlungsraum tagte die Kommunistische Gewerkschaftsinitiative-International (KOMintern) gemeinsam mit ATIGF. Der Überfall bedeutet eine neue Qualität der rechtsradikalen Gewalttaten in Österreich – insofern als der Angriff offen ausgeführt wurde. Wir hatten in den vergangenen Jahren von bewaffneten Neonazis Überfälle, Raub, Mord, Menschenhandel, Bombenanschläge, Briefbomben und Brandanschläge auf muslimische Zentren gesehen – aber dabei haben die ausführenden Neonazis meist aus der Anonymität heraus agiert und versucht, sich durch schnelle Flucht der Verhaftung zu

entziehen. Wenn sie ihre Gewalttaten völlig offen ausführen und sogar Gefängnis von vorneweg in Kauf nehmen, dann zeigt das eine politische Radikalisierung, die neu und bedenklich ist. So einen Überfall öffentlich zu begehen, heißt, dass die Neonazis damit Anhänger gewinnen und Gegner brandmarken wollen. Es war eine politische Aktion, deren Botschaft lautet: Wir sind brutal und wir sind entschlossen, wir sind rassistisch und wir sind Antilinke. Die Neonazis von „Unsterblich Wien“ nur als „Fußball-Hooligans“ zu bezeichnen, wie das in den vergangenen Tagen der Fall war, ist eine Verharmlosung. Hooligans prügeln sich mit anderen Fußballfans, liefern sich Schlachten mit der Polizei und es kommt sicher vor, dass auch völlig Unbeteiligte von ihnen angegriffen werden, aber sie gehen nicht gezielt und vorbereitet auf Linke los. Tatsächlich ist „Unsterblich Wien“ entweder eine Tarnorganisation der radikalen Neonaziorganisation

„Blood & Honour“ oder zumindest von ihr unterwandert. Blood & Honour ist ein internationales Neonazi-Netzwerk mit Organisationen in den USA und Europa. Unter dem Namen Combat 18 (18 steht für AH bzw. Adolf Hitler) bauen sie eine bewaffnete Organisation auf. Mitglieder von Blood & Honour stehen auch mit der FPÖ in Verbindung und waren für Gewalttaten am Rande von Parteiveranstaltungen der FPÖ verantwortlich. Der Wahlausgang und der Wahlkampf selbst, in dem die FPÖ nie wegen ihres Rechtsextremismus angegriffen wurde, hat für ein neues Selbstbewusstsein im Lager der extremen Rechten gesorgt. Das deutlichste Zeichen dafür war wohl die Kornblume im Knopfloch der FPÖMandatare zu ihrer Angelobung im Parlament am 29. Oktober 2013. Die Kornblume – das Symbol der illegalen Nazis in Österreich in der Zwischenkriegszeit – öffentlich zu tragen ist eine gezielte und berechnete Verhöhnung aller demo-

kratischen Kräfte. Gleichzeitig ist es als eine Geste der Versöhnung mit der deutschnationalen Basis zu verstehen, die Strache durch seine zahlreichen öffentlichen Distanzierungen vom braunen Gedankengut vergrämt haben könnte. Es ist ein bisschen Schenkelklopfen, Mittelfinger zeigen und Arm nach oben reißen gleichzeitig. So schweißt man seine Anhänger nach dem Schlingerkurs der jüngsten Zeit wieder zusammen. Wir dürfen über dieses neue Selbstvertrauen der Rechten nicht vergessen, wie wir sie zuletzt in die Defensive drängen konnten. Wenn wir ihre Gegner_innen mobilisieren, etwa im Gemeindebau oder bei Bezirksveranstaltungen, dann zeigt sich wie viele Menschen die FPÖ hassen. Die anderen Parlamentsparteien bringen diesen Hass breiter Bevölkerungsschichten auf die FPÖ leider überhaupt nicht zum Ausdruck. Das schaffen wir nur als außerparlamentarische Opposition. Die müssen wir weiter aufbauen.

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Mädchen „Maria“ sorgt für Aufruhr:

Roma unter Generalverdacht

Ein inoffiziell adoptiertes Kind bei einer Roma-Familie sorgt dafür, dass in ganz Europa jahrhundertealte Vorurteile gegen „Zigeuner“ fröhliche Urstände feiern, meint Oliver MARTIN.

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m Oktober fiel griechischen Polizisten bei einer „Routinerazzia“ in einer Roma-Siedlung die kleine Maria auf. Dass ein blondes, hellhäutiges Mädchen bei dunkelhäutigen Eltern lebte, erregte das Misstrauen der Beamten. Auf Verdacht wurde ein DNATest angeordnet. Tatsächlich stellte sich heraus, dass das Kind nicht die genetische Tochter des Paares ist. Für die Polizisten gab es dafür nur eine einzige mögliche Erklärung: Kindesentführung! Diese Erklärung hat sich als falsch erwiesen. Das Paar hatte das Kind mit Einverständnis der leiblichen Mutter adoptiert, allerdings ohne staatliche Papiere. Die Mär von den „Kinder stehlenden Zigeunern“ geistert seit Jahrhunderten durch Europa. Die eher gegenteilig aussehende Realität (Tom D. Allahyari berichtet auf Seite 26) ändert an diesem Vorurteil freilich nichts. Medien quer durch Europa sprangen auf den rassistischen Zug auf. Vom „blonden Engel“ war die Rede, der von den Roma entführt worden war. Ein 2007 verschwundenes Mädchen wurde als „Kandidatin“ für die wahre Identität von Maria gehandelt. Plötzlich klangen Mainstream-Medien gar nicht mehr so anders als die Propaganda der Neonazis, die in den letzten Jahren in mehreren Ländern verstärkt Roma gewaltsam angreifen. Foto: Björn Kitezmann

Die mediale Hetze trug bald rum gibt es überhaupt so etwas wie Früchte. In Irland witterte die „Routinerazzien“ in Roma-SiedPolizei in gleich zwei separaten lungen? Gibt es die in gediegenen Fällen einen billigen Erfolg, als sie Vorstadt-Reihenhaussiedlungen dort ebenfalls hellhäutige Kinder auch? Und was würde passieren, bei dunkelhäutigen Roma-Eltern fände die Polizei dort ein Kind, fand. Auch hier wurden die Fa- das seinen Eltern nicht ähnlich milien zu DNA-Tests gezwungen. sieht? Würde hier auch sofort ein Das für Polizei und Politik peinli- DNA-Test durchgeführt werden? che Ergebnis: Beide Male waren es Aber auch: Wie kann es sein, dass tatsächlich die leiblichen Eltern. Die „Österreich“, 21.10. Kinder sind zwar wieder zu Hause, aber an die Entführung durch die Behörden werden sie sich wohl noch lange erinnern. Der Fall wirft mehrere Fragen auf: Wa-

„Österr eich“,

„Heute“, 23.10.

Eltern aus ökonomischen Gründen gezwungen sind, ihre Kinder herzugeben? Und wie kann es im Interesse des Kindeswohls sein, dass Maria jetzt möglicherweise weder bei den griechischen Pflegeeltern noch bei den bulgarischen leiblichen Eltern aufwachsen soll, sondern zur Adoption freigegeben wird? Die Antwort auf all diese Fragen: Es geht um nichts anderes als Rassismus in seiner Reinform, verschärft durch die Wirtschaftskrise, der den Roma in der EU entgegenschlägt.

22.10

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Wissenswert... • 11.803 Roma wurden allein im Jahr 2012 aus Frankreich abgeschoben, die meisten davon nach Rumänien und Bulgarien. • 14 Gemeinden in der Slowakei, in Tschechien und Rumänien haben Mauern errichten lassen, um die Roma vom Rest der Bevölkerung zu trennen.

Roma demonstrieren gegen Angriff Am 28. Oktober versuchten etwa 300 Rassisten in der tschechischen Stadt Ostrava, ein Fest anzugreifen, das von Roma auf einem öffentlichen Platz veranstaltet wurde. Etwa 200 Roma ließen sich nicht einschüchtern, zogen in einer spontanen Demonstration gegen den Angriff durch die Straßen und skandierten dabei „Wir sind hier zu Hause“.

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• 80% der Roma in der EU sind armutsgefährdet. • Mehr als 120 Mal wurden Roma zwischen 2008 und 2012 in Tschechien, der Slowakei und Bulgarien gewaltsam angegriffen. • Auch in Österreich hetzen Neonazis gegen Roma: Von „Endlösung“ und „Mauthausen als Campingplatz“ ist auf Facebook die Rede.


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Vinzi-Werke: Sozialarbeit ohne Hochmut

m Februar feierte die Kapfenberger Vinzenzgemeinschaft ihr 15-jähriges Bestehen, Anfang Dezember wird das 20-jährige Jubiläum des Vinzidorf in Graz-Leonberg begangen. Seit 1991 sind die Vinzi-Werke österreichweit auf 30 Projekte angewachsen, im slowakischen Hostice produzieren Roma seit 2007 Nudeln die in Österreich verkauft werden. Möglich wird all das durch die Hilfe von Nahversorgern, Supermärkten, Restaurants und Bäckern, und die Mitarbeit von zahlreichen Ehrenamtlichen, wie etwa August Eisner, einem pensionierten Fleischhauer, der seit 20 Jahren für das Vinzi-

Nest arbeitet. Bei Veranstaltungen wie „Setz di her do neben mir“ treffen Gäste der Vinzi-Einrichtungen und Unterstützer_innen aufeinander, zwei Drittel der Mittel kommen von privaten Spender_innen. Vinzi-Pfarrer Pucher stammt selbst aus ärmlichen Verhältnissen, und widersetzt sich bei der Sozialarbeit bürgerlichen Moralvorstellungen. Auf die Aussage, man könne sich in Österreich nicht um die Probleme der ganzen Welt kümmern, entgegnet er: „Niemand verlangt, die Welt zu retten. Aber es gibt den Lazarus vor der Tür. Diesen jammern, frieren und hungern zu lassen, ist menschenunwürdig und unchristlich.“

„Das Leben ist ein Recht aller“

Beim Spiel gegen Inter Mailand am 6. 10. bekundeten die Spieler des AS Roma ihre Solidarität mit Flüchtlingen.

IM VISIER: Norbert Hofer

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ch tue mir leicht, mich sehr stark mit den Inhalten der FPÖ zu identifizieren, weil ich für die Programmarbeit hauptverantwortlich war – und auch für das „Handbuch freiheitlicher Politik“. Immer wieder musste Straches Stellvertreter Norbert Hofer medial erklären, dass er eh kein braver Liberaler ist. Der ideologische Mastermind der FPÖ zum moderaten Image: „Man muss wissen, dass der Cockerspaniel sehr bissig sein kann.“ Der frischgebackene 3. Nationalratspräsident Hofer bezeichnete sich als „Brückenbauer“. Wohin das Ehrenmitglied der Burschenschaft Marko Germania Pinkafeld die Brücken bauen will, ist offensichtlich. Ausgerechnet in der Endphase des NS-Wiederbetätigungsprozess gegen die Neonazis vom Objekt 21, setzte er eine gezielte Provokation, zwei-

felte am Verbotsgesetz, das er vor fünf Jahren schon einmal einer Volksabstimmung unterziehen wollte. Das Nachdenken über Meinungsfreiheit im Zusammenhang mit dem Verbotsgesetz ist eine altbekannte Strategie im braunen Sumpf. Ebenso funktioniert die blaue Kornblume, das Symbol der illegalen Nazis, in Hofers Knopfloch. Während des Prozesses gegen die „Objekt 21“-Nazis relativierte auch deren Anwalt, Werner Tomanek, im Gerichtssaal das NSVerbotsgesetz („Kriminalisierung Andersdenkender“) oder historische Fakten wie etwa die Beurteilung der Waffen-SS als verbrecherische Nazi-Organisation („war kein politischer Verband“). Wenig verwunderlich, ist Anwalt Tomanek doch selbst bekennendes Mitglied der berüchtigten Burschenschaft Olympia, ebenso

wie der Vorgänger von Norbert Hofer, Martin Graf. Hofer selbst signalisiert seine Zugehörigkeit zum rechtesten Rand gern und wenig subtil, etwa indem er der Nazi-Zeitschrift der NPD „hier & jetzt“ Interviews gibt. Auch in sozialen Netzwerken zeigt Strache-Stellvertreter Hofer, wes Geistes Kind er ist: Auf einer privaten Facebookseite, die nur für Freunde zugänglich ist, war Hofer mit einer offen bekennenden Nationalsozialistin befreundet. Vom Standard auf seine braune Freundin angesprochen, die monatelang NS-Symbole, –Plakate, –Devotionalien, SS-Uniformstücke, und Nazi-Parolen wie „Ein Volk, ein Reich, ein Führer“ auf ihrer Seite postete, erklärte er: „Die ist mir durchgerutscht, ich lösche sie sofort.“ „Besseres Europa“ heißt die,

laut Hans-Henning Scharsach, „gut getarnte Neonazi-Organisation von eindeutig positionierten Administratoren“, in der Hofer Facebook-Mitglied war. Der öffentlich ertappte FPÖler reagierte professionell ahnungslos: „Aus der Gruppe werde ich auch gleich rausgehen.“ Verrutscht Hofer und der FPÖ die demokratische Maske, zeigt sich ihre ewiggestrige Fratze. Nach dem Wahlerfolg gibt Hofer einen durchaus typischen Einblick in das Weltbild der Freiheitlichen.

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Zu traurig für die Arbeit

STUDIERENDE

Hungern oder Frieren

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chon 42 Prozent aller Frauen, die in die Frühpension gehen, tun dies wegen seelischer Erkrankungen. 2005 waren es erst 31 Prozent. Bei Männern liegt der Anteil bei 25 Prozent. Häufiger ist aber körperliche Arbeitsunfähigkeit. „Ich wollte nur noch schlafen“ Gudrun Biffl, Arbeitsmarktexpertin an der Donauuniversität Krems machte bereits in einer Studie vom vergangenen Jahr die Doppelbelastung von Frauen durch Beruf und Familie als Ursache aus. „Sie will eine gute Hausfrau sein – sie will alles sein“, so Biffl. In den späten Vierzigern angelangt, lassen bei vielen Frauen schließlich die eigenen Kräfte nach. Zudem geschehen viele Umbrüche in diesem Alter. „Ich wollte einfach nur noch schlafen und meine Ruhe haben“, schilderte die Frühpensionistin Gertraud Niedl 2010 in den Oberösterreichischen Nachrichten ihre Depression, in die sie nach dem Tod ihrer Mutter verfiel. Sie schaffte ihre Arbeit im Gastgewerbe nicht mehr und wurde nach einigen Monaten

Foto: SOLI

Wenn Frauen in Frühpension gehen, dann zum Großteil wegen seelischer Erkrankungen. Die Doppelbelastung von Beruf und Familie erschöpft sie bis zur Depression, sagen Expert_innen. Dazu kommt eine Arbeitswelt, in der ältere Frauen nicht gefragt sind, schreibt Katharina NAGELE. entlassen. Rauer Wind am Arbeitsmarkt Schwäche ist kein gefragtes Gut am Arbeitsmarkt. „Die vorzeitige Ausgliederung Älterer aus dem Erwerbsleben ist in Österreich besonders ausgeprägt“, heißt es in einer Arbeiterkammer-Studie über ältere Arbeitskräfte. Das trifft besonders schlecht Ausgebildete. In der Gruppe der Über-50-Jährigen sind darunter besonders viele Frauen, die eine Erwerbsarbeit nur als Zuverdienst neben der Betreuung der Familie ausübten, so die AKStudie. Eine bessere Ausbildung hilft Frauen ab 50 aber auch wenig, so Studienautor Ulrich Schönbauer. Denn gerade wenn in diesem Alter viele Männer noch große Karrieresprünge machen, werden Frauen oft zurückgestuft. In beiden Fällen ist Arbeitslosigkeit die häufige Folge. Mit niederschmetternd geringen Chancen am Arbeitsmarkt – was wiederum krank macht. Wer früher stirbt, ist länger tot Frühpension wird als eines der größten Probleme für die Finan-

Eine aktuelle Studie zur sozialen Lage der Studierenden in Österreich kommt – wieder einmal – zu erschreckenden Ergebnissen. 21% aller Studierenden überziehen regelmäßig ihr Konto, 18% können anfallende Rechnungen nicht bezahlen. 15% haben Probleme, sich ausreichend zu ernähren und 11% können ihre Wohnung im Winter nicht ausreichend beheizen. Betroffen sind vor allem Studentinnen, Studierende über 25 Jahre, diejenigen aus sozial schlechter gestellten Familien und aus dem Nicht-EU-Ausland. Letztere müssen nach wie vor doppelzierbarkeit der Altersversorgung genannt. Die Menschen, die zu traurig für eine Erwerbsarbeit sind, sterben laut Biffls Studie jedoch viel früher und nehmen ihren Ruhestand wesentlich kürzer in Anspruch. Zudem sind die Bezüge geringer, als die reguläre Pension. Laut Statistik Austria können heute 62-jährige Männer mit einer

te Studiengebühren bezahlen, haben keinen Zugang zu Studienbeihilfen oder Stipendien und sind am Arbeitsmarkt benachteiligt. Bei diesen Drittstaatsangehörigen, ist es sogar für 27% nicht möglich, ihre Wohnung im Winter warm zu halten. Nachdem die Regierung Fördermittel für Neubau und Instandhaltung von Wohnheimen eingestellt hat und allgemein Mietpreise endlos steigen, wachsen auch die Kosten für die Unterkünfte Studierender immer weiter an. Mittlerweile betragen sie durchschnittlich ein Drittel der Gesamtausgaben. Lebenserwartung von 82 Jahren rechnen, 60-jährige Frauen mit einem Alter von 85 Jahren. Frauen, die wegen seelischer Erkrankungen in Invaliditätspension gehen, werden nur 67 Jahre alt, haben somit 20 Jahre Ruhestandsbezüge. Seelisch kranke Männer in Frühpension sterben sogar bereits mit 63, nach nur 17 Jahren Pension.

Ärzteprotest im AKH: Einmal im Kreis gedreht von Peter HERBST

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m AKH sollen Ärzt_innen statt 36 künftig maximal 25 Stunden durchgehend arbeiten müssen. Es wären dann natürlich mehr Ärzte notwendig, um alle Dienste abzudecken. Weil dafür aber kein

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Geld da ist, droht eine chronische Unterbesetzung. Um dies zu rechtfertigen, hat Rektor Schütz einen Plan aus der Schublade geholt, die Anzahl der Nachtdienste überhaupt um 10 bis 15 % zu kürzen. Diese Festschreibung würde für Patienten noch längere Wartezei-

ten auf Operationen bedeuten. Unter anderem wegen diesem Plan wurde vor zwei Jahren bereits der Aufstand geprobt: Betriebsversammlungen während der Arbeitszeit, öffentliche Kundgebungen, Pressekonferenzen und eine Unterschriftenaktion machten auf die Lage der Ärzteschaft aufmerksam. Besonders schlecht geht es den Jungärzt_innen, deren Stundengehalt aufgrund unerlaubter und unbezahlter Überstunden teilweise bei 7 Euro liegt. Viele von ihnen flüchten nach dem Studium ins Ausland. Jene, die noch in Ausbildung sind, werden für Tätigkeiten herangezogen, für die in jedem anderen Krankenhaus das Pflegeoder Verwaltungspersonal zuständig ist. Es gibt also viel Frust in der Belegschaft und viel Verständnis dafür in der Bevölkerung. Damals

schien alles auf einen Streik zuzusteuern, bis man sich ein paar Tage vor Weihnachten 2011 darauf einigte, das Problem zu verschleppen: Die Medizinische Universität erhielt einen Vorschuss auf das damals noch nicht beschlossene Budget 2013. Der für die Bezahlung der Ärzteschaft zuständige Wissen-


Stuwerviertel für die Rechte von Sexarbeiterinnen von Karin WILFLINGSEDER ir als Anrainer_innen verwehren uns dagegen, als Vorwand und Rechtfertigung dafür zu dienen, dass im Dienste einer Aufwertung und Gentrifizierung unseres Viertels die Sexarbeiter_innen noch weiter schikaniert, diskriminiert und kriminalisiert werden“, das sagt eine neue Initiative im Wiener Stuwerviertel. Unter dem Slogan „Rotlicht statt Blaulicht!“ möchte das Stuwerkomitee eine konstruktive Diskussion zwischen Anwohner_innen, Sexarbeiter_innen, Vertreter_innen der involvierten NGOs und Politiker_innen entfachen. Sie meinen: Die unerträgliche Situation im Viertel muss geändert werden. Eine mit Polizeischikanen durchgesetzte Verbotspolitik gegen

Foto: Bogdan Floricica

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Sexarbeit ist keine Lösung, sondern Teil des Problems. Das Stuwerviertel ist seit dem Bau der neuen Wirtschaftsuniversität zu einem Spekulationsgebiet geworden. Sexarbeit ist zwar eine Realität, soll aber nicht sichtbar sein. Eine Podiumsdiskussion und den Tag der offenen Tür „Geh’ma ins Puff!“ veranstaltete die Initiative bereits. Im Stundenhotel informierten am 18.9. Puffchef Emmerich, Sexarbeiterin Dani und Christian Knappik, Sprecher des Vereines der SexarbeiterInnen und von sexworker.at, über Sexarbeit und Bedingungen im Stu-

werviertel und in Wien. Das seit November 2011 gültige Wiener Prostitutionsgesetz und dessen fatale Auswirkungen für die Betroffenen standen im Zentrum der Kritik. Das Stuwerkomitee erklärt dazu: „Der Titel unserer Kampagne signalisiert bereits, dass wir als Stuwerkomitee, eine Gruppe von Anwohner_innen, der Überzeugung sind, dass nicht die hier ihrer Arbeit nachgehenden Sexarbeiter_innen das eigentliche Problem darstellen, sondern die scheinheilige Politik in Wien, die diese Sexarbeiter_innen pauschal als Spielball missbraucht und damit immer weiter an den unsicheren prekarisierten Rand drängt. Wir wollen der Debatte die Doppelmoral aus den Segeln nehmen und

uns für die Menschenrechte der Betroffenen, meist Frauen, einsetzen.“ Was für ein fortschrittlicher Gegensatz zur Brunner Straße. Dort ist Sexarbeit ab 22 Uhr erlaubt, aber fanatische Sexarbeitsgegner_ innen in Zusammenarbeit mit der FPÖ schüren Panik. Nicht weniger gefährlich ist die feministische Initiative „Stopp Sexkauf“ von der Filmemacherin Susi Riegler. Ein gefordertes Prostitutionsverbot würde zur völligen Kriminalisierung und Rechtelosigkeit der Sexarbeiterinnen führen. Weitere Informationen und geplanten Aktionen des beherzten Stuwerkomitees: www.stuwer.info

STADTPARK WIEN

Sadistische Gesetze gegen Obdachlose

schaftsminister Töchterle konnte so behaupten, nicht nachgegeben zu haben. Betriebsratsvorsitzender Szekeres wurde Präsident der Ärztekammer Wien. Immerhin haben AKH und Stadt Wien inzwischen signalisiert, in Zukunft besser zusammenarbeiten zu wollen. Mit einer Absichtserklärung. Für 2015.

s gibt kaum einen Lebensbereich, der nicht mit Ge- und Verboten durchreguliert ist. Exekutiert werden weit nicht alle – außer, es ist für die Exekutive praktisch, darauf zurückzugreifen. Ein solcher Fall ist die Wiener Kampierverordnung, die das Schlafen mit Schlafsäcken in der Öffentlichkeit verbietet. Sie richtete sich ursprünglich gegen Rucksacktouristen, die aus den Parks in Jugendherbergen gezwungen werden sollten. Fast 30 Jahre später wird damit Armut mit 198 Euro bestraft (in Salzburg bis zu 10.000 Euro). Eine besonders gehässige Vorge-

Foto: Daniel Weber

Foto: Linkswende

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hensweise, mit der Obdachlose, die bei Kälte und Nässe im Freien schlafen müssen, dafür auch noch kriminalisiert werden.

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ÖSTERREICH

Privatisierte Schubhaft zeigt Albtraum Neoliberalismus von Rafaela KUPFNER

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Foto: alamy

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ie Privatisierung des Schubhaftzentrums Vordernberg und die Auslagerung von Häftlingsbetreuung an die umstrittene Securityfirma G4S ist der neueste Tiefpunkt an zynischer Flüchtlingspolitik in Österreich. Bereits 2010 ist in England der Flüchtling Jimmy Mubenga bei der Deportation durch G4S Mitarbeiter getötet worden. Die dubiose Sicherheitsfirma, die international vor allem für ihre Menschenrechtsverletzungen und die Nichteinhaltung von arbeitsund sozialrechtlichen Standards bekannt ist, kam in den letzten Wochen vor allem dank der mutigen Stellungnahme eines Burgtheater Mitarbeiters in den Fokus der Öffentlichkeit. Im Zuge der 125 Jahr Feier des Burgtheaters nutzte der Billeteur Christian Diaz eine Pause zwischen den Festreden um auf der Bühne die Arbeitsverhältnisse innerhalb des Burgtheaters zu thematisieren. Der selbst „angemietete“ Diaz kritisierte heftigst, dass das Burgtheater „unsolidarische und ungerechte Arbeitsverhältnisse am eigenen Haus“ unterstützt und zu dem einen rassistischen, multinationalen Konzern wie G4S duldet. Durch die Zusammenarbeit mit G4S umgeht das Burgtheater kollektivvertragliche Mindeststandards und innerbetriebliche Vereinbarungen, was für die betroffenen Mitarbeiter Gehaltseinbußen und Schlechterstellung im Vertrag mit sich bringt. Diaz forderte also das Theater auf sich endlich der „Diskrepanz zwischen Idee und Praxis“ zu stellen und die Zusammenarbeit mit G4S aufzukündigen. Die Kündigung des engagierten Mitarbeiters löste in den Tagen später eine Welle der Entrüstung aus. Unterschiedliche Akteure wie die IG Kunst, die Grünen oder die Akademie der Bildenden Künste solidarisierten sich mit den Anliegen von Diaz. Nur wenige Wochen später wurde bekannt, dass G4S den Zuschlag bekam ab kommendem Jahr das noch im Bau befindliche Schubhaftzentrum im abgeschiedenen, steirischen Vordernberg zu betreuen. 100 G4S Mitarbeiter sollen dort 200 Schubhäftlinge „betreuen“. Der Vertrag zwischen

G4S-Konzern gefährdet Leben!

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em G4S-Konzern (Group 4 Securicor) eilt kein guter Ruf voraus. 2013 wurde der Dienstleistungskonzern für den Negativpreis Public Eye Award nominiert. In England betreibt G4S bereits seit Jahren Abschiebegefängnisse („Immigration Removal Centres“). 2010 erstickte der Angolaner Jimmy Mubenga bei einem Abschiebeflug aus England, nachdem G4S-Leute ihn minutenlang zu Boden gedrückt hatten. Zeugen hörten den Gefesselten erst um Hilfe flehen und später schrie er, er würde „sterben“. Der Todeskampf des Familienvaters dau-

erte mehr als 30 Minuten. G4S hatte seit 2008 einen Vertrag mit dem Innenministerium zur Begleitung von Abschiebungen bis kurz nach Jimmy Mubengas Ermordung. Nach 14 Jahren in England bleibt von Jimmy Mubenga eine trauende Familie, die bis heute schockiert ist, dass niemand für seinen Tod verurteilt wurde. Bereits 2008 hatte ein Bericht von Medical Justice auf zahlreiche Verletzungen von Asylwerber_innen in der Haft und bei der Abschiebung hingewiesen. Die meisten waren vom Konzern G4S angerichtet worden.

G4S und die Privatisierung des Asylsystems zeigen die Unmenschlichkeit, welche Verfolgte oder Menschen bei der Suche nach einem besseren Leben in der „zivilisierten“ EU erfahren. Marcus Omofuma wurde am 1. Mai 1999 im Zuge seiner gewaltsamen Abschiebung aus Österreich ähnlich wie Mubenga getötet. Bei der Ermordung von Seibane Wague durch die Polizei im Jahr 2003 war sogar ein Notarzt anwesend! Mit dem Auftrag an G4S die österreichischen Schubhaftgefängnisse zu betreuen werden solche Zustände nach Österreich zurückkehren.

Innenministerium und G4S hat ein Volumen von 68 Millionen Euro. Mehr als suspekt daran ist, dass der frühere Innenminister Ernst Strasser, inzwischen wegen Korruption verurteilt, bei G4S im Aufsichtsrat saß, ebenso wie der Österreichchef von G4S Mitglied im Kabinett des damaligen Ministers Günther Platter war. Zwar sind in Österreich bereits andere Asylzentren privatisiert, doch sollen in diesem Fall die Betreuungsbereiche der SecurityFirma sogar noch umfangreicher ausgebaut werden als etwa in Traiskirchen oder Thalham. Für Verfassungsrechtler wie Heinz Mayer ist Auslagerung essentieller Betreuungsaufgaben von Psychologen oder Sozialarbeitern an der Grenze des in Österreich Legalen.

Auch namhafte Menschenrechtsexperten wie Manfred Nowak warnen vor der Privatisierung der Schubhaft. Nowak ist sich sicher, dass es dort zu Gewaltanwendungen durch die G4S Patrouillen kommen wird und meint, dass „ derlei Privatisierungen den ganzen Wahn des Neoliberalismus ausdrücken“. Mit 620.000 Mitarbeitern in 125 Ländern ist G4S der größte Anbieter privater Sicherheit weltweit. Von Atomkraftwerken über Gefängnisse wird von G4S alles betreut. Besonders stolz ist man dabei auf sein „effizientes“ und billiges Wirtschaften. Es verwundert also wenig, dass immer wieder Berichte über die miserable Bezahlung und die völlig unzureichende Ausbildung der Mitarbeiter auf-

kommen, genauso wenig sollten die kriminellen Machenschaften von G4S überraschen. Seit 1999 soll die britische G4S Rechnungen für die Überwachungen von Straftätern gestellt haben, ohne je eine Leistung erbracht zu haben. Am jetzigen Vorstoß in essentielle staatliche Aufgaben sieht man wohin der neoliberale Liberalisierungs-Albtraum führt und dass amerikanische Verhältnisse mit privatisierten Gefängnissen etc. Realität zu werden drohen. Einmal mehr zeigt sich die Notwendigkeit gegen Privatisierungen wichtiger staatlicher Aufgaben aufzustehen und diese um sich greifende Praxis immer und immer wieder zu delegitimieren – sei es im Burgtheater oder im Schubhaftzentrum Vordernberg!


FRANKREICH

Solidarität mit Roma-Mädchen Gegen Staatsrassismus in Frankreich

Die Proteste gegen die Abschiebung von Leonarda zeigen Wirkung, der Kampf ist aber noch nicht vorbei, schreibt Tom D. ALLAHYARI. ie Familie des 15-jährigen Roma-Mädchens Leonarda setzt sich weiter gegen ihre Abschiebung aus Frankreich zur Wehr. Sie sei in den Kosovo abgeschoben worden, bevor die Frist für einen Einspruch gegen ihre Ausweisung abgelaufen sei, sagt ihre Anwältin Brigitte Bertin. Sie werde gerichtlich gegen die Ausweisung der Familie vorgehen. Das Mädchen war zuerst direkt bei einem Klassenausflug verhaftet worden, um mit ihrer Familie in den Kosovo abgeschoben zu werden. „Wir sind zutiefst schockiert über die Abschiebemethoden, die Kinder der Minderheit der Roma treffen“, wird eine Lehrerin zitiert. Mitschüler_innen von Leonarda berichten, sie habe sich nicht mehr von ihnen verabschieden können. Der Bus der Schulklasse hatte auf einem Parkplatz angehalten, um Leonarda aussteigen zu lassen. Auf dem Parkplatz warteten Polizisten in Zivil auf das Mädchen. Nach heftigen Protesten und SolidaritätsDemonstrationen verkündete

Foto: corriere

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Hollande, das Mädchen dürfe nun doch nach Frankreich zurückkehren, jedoch ohne ihre Familie. Leonarda bezeichnete diese Entscheidung als herzlos und weigerte sich, ohne ihre Geschwister und Eltern zurückzukommen. Hoch waren die Erwartungen noch gewesen, als in Frankreich die Sozialdemokraten im Mai letzten Jahres die Präsidentschaftswahlen gewannen. Vom neuen, linken Präsidenten François Hollande erhofften sich viele ein Ende der sturen Sparpolitik, aber auch eine mensch-

lichere Migrationspolitik als unter dem Vorgänger Sarkozy. Inzwischen versucht Hollandes Innenminister, Manuel Valls, den rassistischen Front National rechts zu überholen. Zu den verarmten und unterdrückten Roma fällt ihm nur folgendes ein: „Diese Menschen haben eine ganz andere Lebensweise als wir.“ Völlig zu Recht hat die AntiRassismus-Vereinigung MRAP Anzeige wegen Volksverhetzung gegen Valls erstattet. Die Anbiederung an die Rechten, von vielen sozialdemokratischen Parteien in Europa praktiziert,

nutzt im Endeffekt den rassistischen Rattenfängern. Der Präsident der Nationalversammlung, Claude Bartolone sieht das ganz richtig: „Die Linke ist dabei, ihre Werte zu verraten und ihre Seele zu verkaufen“. Die vielen Menschen, die Schüler_innen, und Studierenden, die sich für Leonarda einsetzen, werden ein Stachel im Fleisch der Regierung bleiben. Mit weiterer Polarisierung in Frankreich ist zu rechnen, an der sozialen Front aber auch an der ideologischen Front zwischen Rassismus und Solidarität.

Französische Faschisten über 50 Prozent bei Nachwahlen in Brignoles von David ALBRICH

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er Front National (FN) gewann im Oktober eine Nachwahl im südfranzösischen Kanton Brignoles. Bereits im ersten Wahlgang erhielten die Faschisten über 40 Prozent und nun im zweiten 54 Prozent der Stimmen. Wie die FPÖ in Österreich profitiert der FN von der Unzufriedenheit mit der Regierung. Fabriken werden geschlossen, die Arbeitslosigkeit ist auf Rekordniveau. FN-Chefin Marine Le Pen gibt vor allem Muslimen die Schuld an der Krise und wettert mit Nationalismus gegen die EU. Die Kommunistische Partei, die das Bündnis „Linksfront“ (Front de Gauche) dominiert, paktierte bei den Wahlen mit der regierenden Sozialistischen Partei und kam auf nur 15 Prozent. Die Bewohner_innen von Brignoles stimmten

gegen die Linke, die die Regierungspartei unterstützte und den Rassismus gegen Muslime nicht aktiv bekämpft. Eine Regionalzeitung schrieb treffend: „Indem sie sich gegenseitig die Macht zuschieben, ohne das tägliche Leben der Menschen zu ändern, machen sie die Wähler überdrüssig.“ Der sozialistische Regierungschef François Hollande verteidigte nach dem katastrophalen Wahlergebnis die EU und ihre Anti-Flüchtlingspolitik und warnte allgemein vor „Extremismus“. Der FN führt momentan die Umfragewerte zur Europawahl im Frühjahr 2014 an (24 Prozent). Die Linke muss die Faschisten europaweit konfrontieren. Dazu braucht es eine laute Kritik an der EU von links, Proteste in Solidarität mit Flüchtlingen und Widerstand gegen Islamfeindlichkeit, den gemeinsamen Rassismus der Rechtsextremen in Europa.

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ÖSTERREICH

Verschuldungsdebatte:

Fiskalpakt fußt auf neoliberaler Lüge von Judith LITSCHAUER

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an sollte meinen, die verheerenden Auswirkungen der Sparmaßnahmen in Griechenland würden klar stellen, dass es so nicht funktioniert. Doch die bisherigen Koalitionsverhandlungen zeigen: Die SPÖ droht abermals, in Sachen Vermögenssteuern, Steuerreform, Pensionen und Sozialausgaben umzufallen. Sie verteidigt weiter den Fiskalpakt, der Regierungen zur Schuldenbremse und zum Sozialabbau zwingt. Werner Faymann rechtfertigte in der ZIB1 den Fiskalpakt mit: „Das sind Maßnahmen, die sind notwendig.“ Bernhard Fe l d e r e r, neu bestellter Präsident des Fiskalrats, meinte gegenüber der APA, die Regierung solle sich auf Schuldenabbau konzentrieren. Und selbst ÖGB-Präsident Erich Foglar gibt sich damit zufrieden, dass eine höhere Belastung der Vermögen und eine Entlastung der Arbeiter_innen, nach hinten verschoben werden – auf das Jahr 2015. Gegner_innen des Wohlfahrtsstaats wie er benützen die rasant anwachsende Staatsverschuldung, um Sozialabbau durchzusetzen. Doch eines dürfen wir nicht vergessen: Der Fiskalpakt ist nur auf der Tagesordnung, weil der Staat eingesprungen ist, um Banken zu retten. Faymann reiht sich in den Sozialabbau von Merkel & Co ein. Sie bedienten sich bei ihren Schlachtrufen gegen den Sozialstaat u.a. der Studie von Reinhart und Rogoff, welche die Ursache für geringes Wirtschaftswachstum in einer hohen öffentlichen Verschuldung sah. Mittlerweile wurde nachgewiesen, dass bei dieser Analyse schwerwiegende Datenfehler begangen wurden. Umso fataler, dass sich die Sparpakete der vergangenen Jahre auf ebendiese Studie stützten! Endlich werden Stimmen gegen

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den neoliberalen Umbau lauter: Andrew Watt dreht die von Rogoff genannte Kausalität, hohe Staatsschulden bewirken geringes Wirtschaftswachstum, um und konstatiert: Es sei genau umgekehrt! Dementsprechend bewirkt der Fiskalpakt niedrige Lohnabschlüsse. Weitere Sparmaßnahmen lösen genau das Gegenteil von dem aus, was Faymann der ÖVP nachplappert: Anstatt die Staatshaushalte zu sanieren, wird Wirtschaftswachstum abgetötet, was

PORTUGAL

zu weniger Steuereinnahmen und mehr Anspruchsberechtigten auf Arbeitslosengeld, Mindestsicherung & Co führt. Dem neoliberalen Trugschluss weiterer Sparmaßnahmen muss entgegen gehalten werden: Es geht anders! Mehr Staatsausgaben in

Krisenzeiten können über Steuererhöhungen bei den Reichen gedeckt werden, ohne öffentliche Schulden zu erhöhen. Das verbessert zugleich die Lage der Mehrheit der Menschen.

Reiche doppelt so reich wie angenommen!

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as vermögensreichste Prozent der österreichischen privaten Haushalte besitzt mit 232 Milliarden Euro beinahe doppelt so viel wie bisher bekannt. Mehr als ein Drittel des Reichtums ist also in der Hand von einem Prozent der Haushalte. Schaut man sich die reichsten zehn Prozent an, verfügen diese sogar über zwei Drittel des Gesamtvermögens. Sie haben damit mehr als doppelt so viel wie die 90% „Normalbevölkerung“. Bisher war die Spitze der Vermögenshierarchie nur lücken-

Sparprogramm ist illegal

haft erfasst. Ökonom_innen der Universität Linz haben das Privatvermögen nun auf Basis von Zahlen der Österreichischen Nationalbank (OeNB) neu berechnet. Die von der OeNB durchgeführte Vermögenserhebung 2010 untersuchte das private Haushaltsvermögen in Österreich. Das Ergebnis der aktuellen Studie der Universität Linz, die von den Arbeiterkammern Wien und Oberösterreich in Auftrag gegeben wurde, zeigt: Die Ungerechtigkeit ist schlimmer als in unseren ärgsten Vorstellungen.

ITALIEN

Rom: MassenProteste gegen Spardiktat

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underttausende Menschen gingen im Oktober in Italien auf die Straße, um sich gegen die Aushungerungspolitik der Regierung zu stellen. 70.000 davon demonstrierten allein in Rom. Daneben legten Verkehrs-

von Peter HERBST

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ereits drei Mal hat der Oberste Gerichtshof in Lissabon Gesetze gekippt, mit denen die Regierung den Budgetvorgaben der Troika nachkommen wollte. So beabsichtigte die Regierung, den Kündigungsschutz für öffentlich Bedienstete zu umgehen, um diese in die Arbeitslosigkeit zu zwingen. Sie wollte Pensionen und Gehälter im öffentlichen Dienst kürzen, sowie eine Steuer auf das Arbeitslosengeld einheben. All das,

um das Budgetdefizit dieses Jahr auf 5,5% und bis 2015 auf 3% zu senken. Währenddessen liegt die Arbeitslosigkeit bei 16% und die Jugendarbeitslosigkeit bei unglaublichen 36%. Die Wirtschaftsleistung schrumpfte in den vergangenen zwei Jahren und sinkt weiter. Deshalb stößt die Regierung auch in der Bevölkerung auf zunehmenden Widerstand. Nachdem am 26. Oktober in 14 Städten mehrere tausend Menschen auf die Straße gingen, streikten am 8. November die öffentlich Bediensteten.


LONDON RIOTS von Hannah KRUMSCHNABEL

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ls die Londoner Polizei im August 2011 den Familienvater Mark Duggan erschoss, löste das Ausschreitungen im ganzen Land aus. Hunderte Jugendliche zeigten ihre Wut gegen Armut und die rassistische Willkür der Polizei. „Die Polizei bringt Leute um und kommt damit durch. Das ist das erste Mal, dass sie nicht davon kommen werden. Sie müssen zur Verantwortung gezogen werden”, meinte ein Demonstrationsteilnehmer damals. Der Polizist, der Duggan erschoss, behauptete, er habe in Selbstverteidigung gehandelt. Mark hätte auf ihn mit einer Waffe gefeuert. Zeug_innen beschwören allerdings seit nunmehr zwei Jahren, verantwortlichen Beamten statt. dass er keine Ihre widersprüchlichen Pistole bei sich Aussagen deuten weiter hatte, und auch darauf hin, dass sie den alle Indizien jungen Schwarzen aus sprechen dagerassistischen Gründen angen. Nun findet gehalten, verdächtigt und in London enderschossen haben. lich eine GeDie einzige Waffe, die in richtsverhandder Nähe des Tatorts geMark Duggan lung gegen die funden wurde, war me-

“ m u e t u e L t g in r b i e z li o „Die P

streiks das Land lahm. Die Gründe für die Proteste sind vielfältig. Löhne im öffentlichen Bereich und Pensionen sind im Sinkflug, weil sie nicht mehr an die Inflation angepasst werden. Außerdem besteht ein großer Mangel an sozialem Wohnbau, Arme werden sogar immer häufiger zwangsgeräumt. Aber auch die unmenschliche Behandlung von Flüchtlingen klagten die Proteste an.

BRASILIEN

Foto: ufoblogger

terweit entfernt auf der anderen Seite einer Mauer. Sie trug keine Spuren von Mark und war nicht benutzt worden. Die Polizei gibt nun zu, dass er nicht geschossen hat, beharrt aber auf der Theorie, Mark habe sie von sich geworfen. Gesehen hat das allerdings von den zahlreichen Zuschauer_innen niemand, auch kein anderer Polizist. Der Verdacht, dass sie dort

von der Polizei deponiert wurde, liegt nahe. Kevin Hutchinson-Foster, der Mark die Waffe verkauft haben soll, wurde vom Anwalt der Polizei frech vorgeworfen, seine Handlungen hätten zu „unvergleichbarem Aufruhr“ geführt. Er antwortete unter Jubel von Marks Familie: „Das ist die Schuld der Polizei, nicht meine.“

Aufwind für soziale Proteste

von Peter HERBST

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n Brasilien haben nach den riesigen Demonstrationen im Juni die Proteste im Oktober wieder an Fahrt aufgenommen. Eine Demonstration in São Paulo für billigere öffentliche Verkehrsmittel, eine Lehrer_innendemonstration in Rio de Janeiro, sowie Demonstrationen in Brasília und Belo Horizonte wurden von der Polizei mit Gummigeschossen und Tränengas angegriffen. Auf Youtube sind Videos von Provokateuren zu sehen, die MolotowCocktails werfen und danach bei der Polizei Zuflucht suchen. Brasiliens Bildungswesen liegt auf einer Rangliste des Weltwirtschaftsforums mittlerweile hinter Ländern wie Mexiko, Argentinien und Kolumbien. Im Gesundheitswesen fehlen laut Regierung 168.000 Ärzt_innen. Gleichzeitig werden für die kommende Fußball-WM zehn Milliarden Euro ausgegeben. Weitere zehn Milliarden sollen zwei Jahre später für die Olympischen Spie-

le fließen. Die Gelder für Polizeimaßnahmen sind für dieses Jahr auf 1,5 Milliarden Euro erhöht worden. Eine Niederlage mussten die Entscheidungsträger dennoch

bereits hinnehmen: Die internationale Fußballvermarktungsmesse Soccerex, die Anfang Dezember in Rio hätte stattfinden finden sollen, wurde von der Stadtverwaltung abgesagt.

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Massenproteste gegen Atomkraft in Japan

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ehr als zweieinhalb Jahre nach der Katastrophe von Fukushima setzen sich die Anti-Atomkraft-Proteste in Japan fort. Zum Jahrestag im März dieses Jahres versammelten sich 13.000 Menschen in Tokio, um sich gegen die Politik des Premierministers zu stellen. Der will zahlreiche nach der Katastrophe abgeschaltete AKWs wieder nutzen und erwägt auch den Bau neuer. Im Juni waren deswegen 60.000 auf der Straße, im Juli 100.000 und im Oktober protestierten abermals 9.000 vor der Firmenzentrale von TEPCO. Die japanische Führung, die sich

jahrzehntelang auf das nukleare Drohpotential der Schutzmacht USA verließ, hat nun verlautbart, dass sie eine UNO-Erklärung unterstützen will, die die Abschaffung von Atomwaffen fordert. Diese Serie an Protesten gehört zu den größten in Japans Geschichte, und Demonstrationen wie im Juli 2012, als 170.000 gegen die Wiederinbetriebnahme von Fukushima Daiichi auf die Straße gingen, haben zweifellos Einfluss. Während die Aktivisten bereits über 8 Millionen Unterschriften gegen die Reaktivierung von AKWs gesammelt haben, flossen tausende Tonnen an verseuchtem Wasser ins Meer. Tausende Flüchtlinge werden nicht in ihre Häuser zurückkehren können.

Foto: twitter @RIO_AKIYAMA

von Peter HERBST

New Brunswick, Kanada:

Protestbewegung gegen Fracking Seit drei Jahren kämpft in Ostkanada eine Anti-Fracking-Bewegung, angeführt von der indigenen Bevölkerung. Sie thematisiert sowohl die Umweltproblematik als auch soziale Missstände, berichtet Ludwig SOMMER.

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eit 2010 führt das Gasunternehmen SWN Ressources seismische Test durch, um Schiefergasvorkommen zu finden. Die Protestbewegung hat seitdem friedliche Demonstrationen organisiert und stets das Gespräch mit der Regierung gesucht, um sie davon zu überzeugen, das Fracking zu stoppen. Nachdem die Regierung das Anliegen der Menschen ignoriert hatte, hat sich die Bewegung in den letzten Wochen radikalisiert.

Gebiet der indigenen Elsipogtog vermutet. Ebenfalls in Ostkanada kämpften die Mohawk im Jahr 1990 um ihre Landrechte. Die Regierung hetzte damals das Militär auf die protestierenden Mohawks. Nichts desto trotz erkämpften sie ihr Recht auf Fischfang in ihrem Gebiet, um ihren Lebensunterhalt zu sichern. Indigene Fischer werden trotzdem bis heute noch oftmals von Polizeibooten gerammt und am Fischen gehindert. Viele von ihnen sind heute in der Anti-Fracking Bewegung aktiv und fühlen sich an den damaligen Kampf erinnert, als Soldaten mit Waffen auf sie zielten. Heute ist es die Polizei, die ihre Waffen auf sie richtet. Zur sozialen Problematik gehört auch, dass im Gebiet der Elsipogtog eine Arbeitslo-

sigkeit von 80% herrscht und ein großer Mangel an Wohnraum besteht. Im Schnitt müssen sich 20 Menschen in ein Haus zwängen. In der Gemeinschaft werden über 500 neue Wohnmöglichkeiten benötigt. Solidarität gegen Hetze der Medien In den kanadischen Medien werden die protestierenden Indigenen als „gewalttätige Indianer“ dargestellt. Dem gegenüber gibt es viele Solidaritätsaktionen in anderen Regionen Kanadas und einige Menschen, die nach New Brunswick reisen, um die Demonstrationen zu unterstützen. Sogar Häuptlinge aus anderen Teilen Kanadas nehmen an den Protesten in New Brunswick teil. Einer von ihnen sagte über

Beim Fracking werden Erdgas oder Erdöl aus Schiefergestein-Schichten mit Chemikalien und hohem Druck gelöst. Dabei besteht die Gefahr, dass das Grundwasser durch die krebserregenden Chemikalien verseucht wird. Außerdem können durch die Bohrungen und den hohen Druck Erdbeben ausgelöst werden. Zudem kann bei der Förderung des Erdgases Methan, das ein sehr starkes Treibhausgas ist, freigesetzt werden. Sozialer Protest Der soziale Aspekt der Fracking-Problematik betrifft vor allem die indigene Bevölkerung. Große Schiefergasvorkommen werden auf dem

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Foto: Oscar Aguirre Demotix Corbis

Was ist Fracking?


Brasilien:

Streiks gegen Ausverkauf in der Ölindustrie

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n einem Nobelbadeort von Rio de Janeiro wurden Anfang November die Rechte an Libra, einem der letzten, ungenutzten, großen Ölfelder, verscherbelt. Ein Konsortium bestehend aus Shell, Total, der brasilianischen Petrobas und den chinesischen CNPC und CNOOC bekam den Zuschlag. Das Luxushotel, in dem die Übergabe stattfand, wurde währenddessen durch 1.100 Polizisten und Soldaten vor der Gegendemonstration beschützt, zwei Schiffe der Marine standen in Bereitschaft. Der Vertragsunterzeichnung war ein Streik der

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Ölarbeiter-Gewerkschaft FUP vorangegangen, die für höhere Löhne und gegen Leihverträge eintritt. Sie sieht die Vergabe der Rechte als Ausverkauf der Bodenschätze. Öl ist in Brasilien ein geladenes Thema. Zum einen ist es mit der brasilianischen Unabhängigkeit verknüpft. Zum anderen ist die Regierung bestrebt, die derzeitige Inflation von 6% nicht noch weiter steigen zu lassen. Das Libra-Ölfeld ist zudem mit zahlreichen Unwägbarkeiten verbunden, da es sich 230 Kilometer vor der Küste und in 7.000 Meter Tiefe befindet.

Acht der zehn größten Konzerne der Welt gehören zu der fossilen Industrie.

den Protest: „Es gibt in den letzten Tagen mehr und mehr Spannungen, und die Gefahr der Eskalation von Gewalt ist angestiegen. 30 Menschen, darunter junge Menschen, Frauen und Häuptlinge wurden festgenommen. Das zeigt einzig und allein, dass unsere Leute alles tun werden, um Mutter Erde zu beschützen.“ Radikalisierung der Bewegung Nachdem sie mehrere Jahre versucht haben, die Regierung mit Argumenten zu überzeugen, greifen sie jetzt zu radikaleren Methoden. Sie errichteten Straßensperren, um Fahrzeuge des Gasunternehmens zu blockieren und an Probebohrungen zu hindern. Das Gasunternehmen klagt über einen Verlust von täglich 60.000 Dollar. Daraufhin hetzte die Regierung die Polizei auf die Demonstrant_innen. Sie schoss mit Gummigeschossen und setzte Tränengas ein. Im Gegenzug haben Demonstrant_innen aktiv gegen die Polizeigewalt gewehrt. Die Anti-Fracking Bewegung ist global vernetzt. Am 19. Oktober gab es einen globalen Protest unter dem Motto „Global Frackdown“. In 26 Ländern gab es insgesamt rund 250 Protestaktionen. Phänomen Fracking Aus dem Phänomen Fracking können wir einige Lehren ziehen. Erstens ist es nicht möglich, die Regierungen und Konzerne allein mit Argumenten zu überzeugen. Zweitens werden die Energiekonzerne weiter versuchen, noch den letzten Tropfen Öl, bzw. das letzte Gas aus der Erde zu quetschen. Drittens müssen wir soziale und ökologische Bewegungen vereinen und eine antikapitalistische Ausrichtung geben, denn die Ursache der Probleme ist der ­Kapitalismus.

Debatte: Energieknappheit?

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ir haben keine Energieknappheit, Kapitalismus schon. Die Nettoeinstrahlung der Sonne auf die Erdoberfläche würden den Energiebedarf locker decken. Die Menschheit benötigt nur ein 10.000stel der eingestrahlten Sonnenenergie! Die fossilen Energieträger wären gut ersetzbar. Sonnenenergie kann auch mit einfacher Technologie effizient genutzt werden und zum Beispiel mit Solaranlagen für Warmwasser eingesetzt werden. Zudem haben wir hochentwickelte Technologien für Photovoltaikanlagen zur Stromerzeugung. Inzwischen können Solarzellen als dünne Folien hergestellt werden, die auf Oberflächen von Gebäuden leicht angebracht werden können. Doch die Möglichkeiten der nachhaltigen Technologien werden nicht ausgenutzt. Kapitalismus wird hier zum Hemmschuh für eine fortschrittliche und nachhaltige Entwicklung. Denn die großen Energiekonzerne haben viel zu verlieren. Acht der zehn größten Konzerne der Welt gehören zur Automobil, Erdöl- und Energieindustrie. Sie haben über viele Jahrzehnte in die fossile Industrie investiert. Ihre Fabriken und ihre Produkte sind auf Erdöl, Erdgas und Kohle angewiesen. Sie müssen mit der rückständigen Technologie Profite machen, damit die Investitionen nicht

umsonst waren. Wenn sie es nicht tun, werden sie vom Energiemarkt gedrängt. Umstellung auf nachhaltige Technologien würde für die Konzerne bedeuten, dass sie über Jahre hinweg auf Profite verzichten und ihre Produktionsanlagen umbauen oder vollständig abreißen und neu aufbauen müssten. Wir müssen mit der Logik des Marktes und der Konkurrenz brechen. Wenn wir die Wirtschaft von den Ketten des Profitstrebens befreien und stattdessen Kooperation fördern, dann bewegen wir uns auf eine Gesellschaft hin, in der wir demokratische Kontrolle ausüben und mit unseren Ressourcen nachhaltig wirtschaften können.

Foto: amandla.org.za

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Die hier veröffentlichten Briefe und Berichte repräsentieren nicht

zwangsläufig die Meinung der Redaktion von Linkswende.

Wieviel Neonazismus ist es bitte?

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Foto: Linkswende

er Titel „Gerechte unter den Völkern“ wird durch die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem an jene Menschen verliehen, die während der Nazizeit ihr Leben riskierten, um Juden zu retten. Nun wurde meiner Großmutter Tamara und meiner Urgroßmutter Ana posthum dieser Titel verliehen. Ich bin mächtig stolz auf meine mutigen Vorfahren und habe mich riesig darüber gefreut! Am 16. Oktober gab es schließlich eine würdevolle Ehrung durch Nationalratspräsidentin Prammer im Parlament, zu der sowohl alle Familienmitglieder aus Wien kamen, als auch die Familie der Geretteten. Unter anderem kam auch Anita Sher aus New York angereist, die als Baby von Oma, Uroma, Opa und Großtante aus dem Ghetto geholt und als ihr eigenes Kind ausgegeben wurde, um somit vor der sicheren Ermordung durch die Nazis gerettet zu werden. Die Zeremonie war unglaublich berührend, die Begegnung zwischen den Familien intensiv. Als ich davon las, was nur zwei

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Tage später in genau demselben Raum (dem ehrwürdigen „Abgeordneten-Sprechzimmer“) passierte, war ich baff: Marin Graf lud zu einer Veranstaltung ein, bei der der Deutschen Burschenschaft die Franz-Dinghofer-Madaille „für ihre Bemühungen um die Demokratie“ verliehen wurde. In ein und demselben Raum fanden innerhalb von drei Tagen folgende Feiern statt: einerseits eine Gedenkfeier zum Holocaust, andererseits eine Verherrlichungsfeier von und mit rechtsrechten Recken, eingeladen vom dritten Nationalratspräsidenten, der schon so oft seine Nähe zu NaziGruppierungen stolz vor sich her trug, ohne jemals dafür belangt zu werden. Nicht genug, dass diese traurige Gestalt ein so hohes Amt führen innehaben darf (alles unter der Prämisse „In einer Demokratie muss für alle Platz sein, auch für Nazis“), darf er das Parlament für seine Hetzpropaganda auch in ehrenvollstem Rahmen missbrauchen, ja für meine Begriffe entehren. Ich fühlte und fühle große Wut, Ratlosigkeit und Ohmacht

ob dieser absurden Situation Österreichs im Jahre 2013. Genau in diesem Herbst, wo wir uns 75 Jahre nach den November-Progromen an das grauenhafteste Kapitel in der Geschichte unseres Landes erinnern, dürfen Ultrarechte, mit Nazigruppen sympathisierende Menschen wieder und sogar noch vermehrt in den Nationalrat einziehen, dürfen mit der historisch (weil NSDAP-Symbol) schwerst belasteten blauen Kornblumen im Knopfloch zur Angelobung gehen, damit auch jeder sieht, wie eng sie sich mit nationalsozialistischem Gedankengut verbunden fühlen. Sie dürfen ihre Hetzschriften gegen Fremde, Minderheiten und anders Denkende in unserem wichtigsten, staatspolitischen Gebäude vorstellen, sie dürfen ihre Burschenschaftler-Bälle in unserem repräsentativsten Staatsgebäude, der Hofburg feiern. Und Grafs Nachfolger Norbert Hofer macht gleich mal klar, dass er das NSWiederbetätigungsgesetz nicht anerkennen will und es am liebsten gleich abschaffen würde. Warum lässt ein Bundespäsident

Heinz Fischer einen Naziball in der Hofburg zu? Warum kann der Nationalrat nicht einen NaziPräsidenten verhindern? Warum werden diese FPÖer (denen schon so oft Delikte in diese Richtung nachgewiesen wurden) nicht wegen Wiederbetätigung belangt? Warum hat es so lange gedauert, bis der Lueger-Ring umbenannt wurde? Warum steht das Lueger-Denkmal noch immer ohne jeglichen Kommentar auf dem Lueger-Platz? Warum werden Neonazi-Gruppen so lasch und wage verfolgt und zerschlagen? Warum lieben die Leute ihren „Führer“ Strache so inbrünstig und unreflektiert? Viele Fragen, wenige Antworten, viel Traurigkeit. Die vielen, vielen Gedenkveranstaltungen in diesem Monat geben mir dennoch ein wenig Trost und Hoffnung, dass die ÖsterreicherInnen irgendwann kapieren, wohin wir da schlittern. Hoffentlich passiert das, bevor es zu spät ist... Doris Kittler Filmemacherin


FPÖ-ler feinden Schulklasse an!

Foto: danielweber.at

Dienstag 8.10.2013, 18:30 Uhr

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m 29. September besuchte ich mit meiner Klasse mehrere Wahlveranstaltungen, unter andrem auch die der FPÖ, welche am Stephansplatz statt fand. Schon als wir dort ankamen, standen viele Polizisten und Securities herum und bewachten den Platz. Als wir also in die Menge gingen und an den Polizisten vorbei mussten, sahen wir, wie sie eine junge Dame, die ein T-Shirt von den Grünen anhatte, nicht vorbei lassen wollten, was uns schon sehr empörte. Als wir dann schließlich in der Menge einen Platz fanden, schauten uns die Leute schon sehr komisch an, vor allem als sie merkten, dass wir uns über den Schlagersänger John Otti, der schrecklich gesungene Volksmusik spielte, aufregten. Dann wurde das ganze noch tiefer, in dem der Sänger ein Lied für Strache anstimmte, und alle zum Mitsingen motivierte. Viele Menschen hatten FPÖSchals um den Hals, FPÖ-Westen und Jacken, und es gab auch Kinder, die Luftballons in der Hand hielten. Dann kam Strache auf die Bühne und die Menschenmenge hat für ihn die Welle gemacht, was ich seltsam fand, da die Stimmung so war, als würde gleich ein Sänger oder eine Berühmtheit auf der Bühne erscheinen. Als Strache mit seiner Rede anfing, begann er gleich andere Parteien schlecht zu machen und Witze über sie zu reißen, die sehr anstandslos waren und alle Menschen lachten mit. Und mit der Zeit wurde das Publikum sehr aggressiv und ein Typ begann eine meiner Freundinnen als SPÖ-Anhänger abzustempeln

weil sie einen roten Mantel trug und sagte ein paar unschöne Sachen zu ihr. Dann suchten wir einen anderen Platz, wo uns gleich die Nächsten beschimpften, weil wir so aussahen als wären wir von den Grünen. Als dann ein paar zu weinen begannen, als Strache auf Ausländer losging und mit seiner Rede verschiedene Personengruppen niedermachte und ungerechtfertigte Dinge über diese sagte, wurden wir noch schräger angesehen und die Stimmung wurde immer aggressiver. Ich kam mir vor als würde er versuchen, uns gegen

diese Menschengruppen aufzuhetzen und alle Leute grölten mit. Diese Menschen wurden mir von Mal zu Mal unsympathischer und als wir die Veranstaltung verließen, hat man sich durch ein: „Endlich schleichts ihr euch“ von uns verabschiedet. Wir gingen alle mit gemischten Gefühlen nach Hause, vor allem mit Wut und Enttäuschung darüber, wie ein einziger Mensch so viel Hass in sich tragen kann. von Lena Tinhof, Schülerin, 16 Jahre

SCHREIB UNS Linkswende lebt von Kommentaren, Reaktionen und Berichten. Deshalb die Bitte an dich: Schreib uns! Wir freuen uns über Post und drucken gerne die eingesendeten Beiträge ab. E-Mail: redaktion@linkswende.org Post: Linkswende Kettenbrückeng. 5/102 1050 Wien

Holocaustleugner in der Vorlesung

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ch sitze im Hörsaal 7 des Hauptgebäudes der Uni Wien und warte gespannt auf den Beginn der Vorlesung, die da den interessanten Namen „Politische Verarbeitung von Nationalsozialismus und Holocaust in Österreich seit 1945“ trägt. Der Vortragende Prof. Walter Manoschek ist noch nicht da. Ich nutze den Moment und lasse meinen Blick durch den Hörsaal wandern. Und da, plötzlich! Meine Augen bleiben bei ein paar äußerst dubiosen Charakteren hängen. Sie sitzen im rechten oberen Eck des Hörsaals. Die Haare stramm zur Seite gekämmt und ihr Gesicht ist von ein paar Narben gezeichnet. „Den kenne ich doch“, sage ich leise vor mich hin. Alexander Markovics, einer der führenden Köpfe der Wiener Identitären, einer neuen rechtsextremen Gruppierung, hat sich mit ein paar „Freunden“ in dieser Vorlesung eingefunden. Dieser Typ hat schon vor ein paar Monaten für Unruhe gesorgt, als er mit seinesgleichen die Votivkirche „besetzte“, um die Asylwerber durch den Dreck zu ziehen. Holocaustleugner, Ewiggestrige und Geschichtsfälscher besuchen nun eine Veranstaltung gegen den Holocaust. Ich spüre wie der Zorn in mir aufsteigt. Es kann nicht sein, dass diese Faschisten als legitime Vorlesungsteilnehmer angesehen werden und durch ihre Präsenz eine absolute Provokation für stolze Antifaschist_innen darstellen. Dagegen muss etwas unternommen werden! Stefan Kastel

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Das jüdische Wien Die intellektuelle, wissenschaftliche, künstlerische Explosion an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert und die Entdeckung des modernen Weltbildes in Wien war fast ausschließlich den Leistungen von Juden und Jüdinnen zu verdanken, erinnert Tom D. ALLAHYARI.

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ie größten Errungenschaften kamen von jungen, jüdischen Zuwanderern aus den äußeren Gebieten der Monarchie. Der Begründer der Psychoanalyse, Sigmund Freud, wurde im mährischen Freiberg geboren, Karl Kraus im böhmischen Gitschin, Victor Adler in Prag, der geniale Dirigent Gustaf Mahler im böhmischen Kalischt, Joseph Roth im galizischen Brody – eine Avantgarde, die durch den herrschenden Antisemitismus und die fortschrittsfeindliche Haltung des Wiener Bürgertums praktisch keine Anhänger fand. „Die Vergangenheit hatten die Neuerer hinter sich gelassen, nur die Zukunft stand ihnen offen“ schreibt Joachim Riedl in „Jüdisches Wien“. Gustaf Mahler klagte: „Ich bin dreifach heimatlos, als Böhme unter den Österreichern, als Österreicher unter den Deutschen und als Jude in der ganzen Welt. Überall bin ich Eindringling, nirgends erwünscht.“ Nach dem ersten Weltkrieg erheiterten jüdische Kabarettisten wie Karl Farkas oder Fritz Grünbaum die Wiener Bevölkerung. Farkas musste 1938 fliehen, Fritz Grünbaum wurde 1938 mit dem ersten Transport nach Dachau deportiert und 1941 dort ermordet. Das unsichtbare Ghetto Natürlich bestand die jüdische Bevölkerung in Wien nicht nur aus Künstler_innen und Wissenschafter_innen. Straßenhändler_ innen, Arbeiter_innen, aber auch erfolgreiche Unternehmer zählten dazu. Gerade in den Arbeitervierteln wie Ottakring erspielten sich jüdische Fußballvereine wie „Hakoah“ sportlichen Respekt. Viele verarmte jüdische Immigrant_innen mussten vor Beginn des Ersten Weltkriegs in elenden Massenquartieren hausen. Noch 1920 beschrieb der marxistische

Buchtipp

„Jüdisches Wien“ von Joachim Riedl, Verlag Brandstätter, ISBN 978-3-85033-627-7 35,00€

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Foto: DÖW

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Journalist Bruno Frei in seiner Reportage „Jüdisches Elend in Wien“ die furchtbaren Lebensumstände der jüdischen Zuwanderer, um sie den antisemitischen Klischees vom „reichen, profitgierigen Juden“ entgegenzustellen. Wirkliche Integration wurde durch den Antisemitismus verhindert, so dass sich bürgerliche jüdische Wiener oft als Ärzte, Anwälte, Journalisten oder an der Börse betätigten, weil ihnen andere Berufswege versperrt blieben. Abgesehen von Teilen der Arbeiter_innenbewegung, in der sie eine wichtige Rolle spielten, blieben die Juden in Wien isoliert. Jüdische Fortschrittlichkeit Arthur Schnitzler (1862-1931) schreibt in seinen Lebenserinnerungen: „Es war nicht möglich, insbesondere für einen Juden, der in der Öffentlichkeit stand, davon abzusehen, dass er Jude war, da die anderen es nicht taten.“ Sigmund Freud scheint eine Erklärung für die Fortschrittlichkeit so vieler Juden gefunden zu haben: „Weil ich Jude war, fand ich mich frei von vielen Vorurteilen, die andere im Gebrauch ihres Intellekts beschränken.“ und weiter „Als Jude war ich darauf

vorbereitet, in die Opposition zu gehen und auf das Einvernehmen mit der kompakten Majorität zu verzichten.“ Antisemitische Tradition In diesem Wien, in dem der Antisemit Karl Lueger beliebter Bürgermeister gewesen war, in der Stadt, wo ein junger Adolf Hitler den Antisemitismus aufgesogen hatte, wirkte sich der Anschluss 1938 so aus, dass antisemitische Mobs sofort und ohne Befehl von oben begannen, jüdische Menschen anzugreifen, zu demütigen und zu bestehlen. In den sogenannten „Reibepartien“ wurden Juden, oft alte Männer, gezwungen, die austrofaschistischen Parolen von den Gehsteigen zu waschen oder Plakate von den Wänden zu kratzen. Ein anonymer Briefschreiber wendet sich 1938 an die Gauleitung: „Ist ihnen bekannt, dass bei diesen Arbeiten dem zusehenden Publikum noch besondere Belustigungen geboten wurden, indem nämlich die Befehlshaber der Reibepartien durch Zusammengeben der Hände einen Ring bildeten, innerhalb dessen die Juden, mit den Kübeln

in den Händen springen, hüpfen und andere groteske Bewegungen machen mussten und dass den Juden als Schlusspunkt der geleisteten Arbeit der schmutzige Inhalt der Kübel auf die Kleider geschüttet wurde?“ So wurde die „Ostmark“ zum Vorbild und Versuchslabor der NS-Vernichtungspolitik. Die Künstler und Intellektuellen, mit denen sich Wien heute brüstet, wurden zu Flucht und Selbstmord getrieben, oder sie landeten in den Vernichtungslagern der Nazis.

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Prozess gegen Objekt 21: Eine Warnung vor der FPÖ und dem Verfassungsschutz Nur sieben von 200 Beteiligten des Neonazi-Netzwerks „Objekt 21“ kamen wegen Wiederbetätigung vor Gericht und fassten am 4. November 2013 Urteile zwischen 18 Monaten bedingt und sechs Jahren unbedingt aus, berichtet Manfred ECKER.

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ie Urteile und das Verfahren sind aus mehreren Gründen sehr bedenklich. Zuerst fällt auf, dass das Neonazi-Netzwerk Ende Jänner 2013 wegen krimineller Machenschaften, und nicht wegen seiner politischen Umtriebe ausgehoben wurde. Dabei waren die Neonazi-Aktivitäten seit Jänner 2010 bekannt und führten auch Mitte 2010 zur ersten Hausdurchsuchungen durch den Verfassungsschutz, allerdings ohne Konsequenzen. Erst wegen der hartnäckigen Recherche und der Öffentlichkeitsarbeit des Antifa-Netzwerks Oberösterreich und wegen der Anzeigen des ehemaligen Grün-Abgeordneten Karl Öllinger wurde der Verein im Jänner 2011 behördlich aufge-

löst. Im Mai 2011 kam der Verfassungsschutz nicht umhin, Anzeige bei der Welser Staatsanwaltschaft zu erstatten. Noch nach diesen Anzeigen unterhielten FPÖ-Funktionäre Facebook-Verbindungen zu führenden Mitgliedern von Objekt 21, allerdings ist noch nicht öffentlich, wie weit diese Verbindungen tatsächlich gehen. Die wildesten kriminellen Machenschaften – Raubüberfälle, Menschenhandel, Frauen wurden zur Prostitution gezwungen, ein konkurrierender Bordellbesitzer wurde entführt und mit einer Flex gefoltert – begingen die Angeklagten aber nach der Anzeige vom Mai 2011, die sie kaum beunruhigte. Laut Uwe Sailer, dem fleißigen

Antifaschisten und Datenforensiker, seien in Oberösterreich nur mehr drei Beamte mit Rechtsradikalismus befasst, und zwei davon hätten selbst enge Beziehungen zur rechten Szene. Die Verdächtigen aus dem Objekt 21 fühlten sich sicher und prahlten mit ihren guten Kontakten zur Polizei. Zum Großeinsatz gegen die braune Mafia kam es überhaupt nur wegen ihrer ungeniert verübten Gewalttaten. Sie führten zur Gründung einer

Sondereinheit der Kriminalpolizei. Es war kein Einsatz der Einheiten des Verfassungsschutzes gegen die Neonazi-Machenschaften, wie manche verwirrende Medienberichte suggerierten. Der Wiederbetätigungsprozess ist den Anstrengungen der Antifa-Szene zu verdanken und nur am Rande den Ermittlungen der Kriminalpolizei.

Muslime im Gefängnis vom Wärter gedemütigt!

Ein Auszug aus den Beschlüssen des jährlichen Treffens des OÖ. Netzwerks gegen Rassismus und Rechtsextremismus. Antrag gestellt von Robert Eiter.

von Karin WILFLINGSEDER

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ustizwachebeamte Christian F. prahlte anscheinend damit, Muslime gedemütigt zu haben. Er hatte Kontakte zur freiheitlichen Polizeigewerkschaft AUF und nutzte diese, um seinen wahren Berufswunsch zu verwirklichen, und besuchte die Polizeischule. Seine Polizeimitschüler, vor denen er sich mit den rassistischen Sauereien gebrüstet hat, finden es aber nicht lustig, Muslimen Schweinefleisch unters Essen zu mischen oder Frauen das Kopftuch runterzureißen. Laut Wochenzeitung Falter deckten sie einen weiteren hässlichen Skandal in Wiens größtem Gefängnis, der Justizanstalt Josefstadt, auf. Auf der Facebookseite „Justizwache Österreich“ wird abgewiegelt. Der Administrator schreibt zu den Vorwürfen: „wurde leider von der Polizei bestätigt, jedenfalls hat er damit geprahlt, auch wenns nicht stimmt... wollt sich halt wichtig machen...“ Die allermeisten Postings sind wenig entsetzt: „Wer meinen Berufsstand schlechtmacht ist entweder selbst gesessen oder einfach nur ein Realitätsverdreher.“ „C.F. komm zurück zu uns in die JOS in die

Für eine wirksame Bekämpfung des Rechtsextremismus! Für eine klare Abgrenzung von der FPÖ!

4er!!!!!!!“ „Die böse, böse AUF/FEG Personalvertretung ... der Falter ist und bleibt ein mit Steuergeld gestütztes Schmierblatt.“ Der Christian F., dem von den Kolleg_innen der Justizwache die Stange gehalten wird, ist laut Bericht des Ministeriums noch für weitere rassistische Übergriffe verantwortlich. In Gegenwart eines türkisch-stämmigen Polizeischülers soll er Türkenwitze erzählt haben. „Dass jeder Ausländer ein Verbrecher ist und beamtshandelt werden muss“ faselt er im Unterricht daher. Genauso wie, dass ein „typischer Drogendealer ein Neger“ sei, aber die „Menschenrechte wollen nur die Linken“. „Negerkollegen“ brauche er bei der Polizei keine und wenn,

werde er „mit denen nie zusammen Dienst machen, mit denen setz [ich] mich nie zusammen ins Auto“. In der Josefstadt habe er einer türkischen Frau das Kopftuch heruntergerissen und die muslimischen Inhaftierten, denen er heimlich Schweinefleisch ins Essen gemischt hat, hätte er danach darüber aufgeklärt; um sie zu verhöhnen. Aber F. ist kein Einzelfall: Sexualisierte Gewalt, Rassismus und Menschenrechtsverletzungen werden in überfüllten Gefängnissen mit zu wenig Personal und Kontrolle geduldet und von höchster Stelle systematisch in Kauf genommen. Eine logische, aber selten bedachte Konsequenz von Sparpolitik gepaart mit Staatsrassismus.

„Mittlerweile lässt sich weder die Behauptung aufrechterhalten, die braune Szene hierzulande sei vernachlässigbar und keine ernsthafte Gefahr, noch die Behauptung, die FPÖ sei eine im inhaltlichen Sinn demokratische Partei.“ Das OÖ. Netzwerk gegen Rassismus und Rechtsextremismus, dem 68 politische, kirchliche, kulturelle und humanitäre Organisationen angehören, fordert: • Eine klare Abgrenzung der demokratischen Parteien von der FPÖ. • Konsequente Fahndung des Verfassungsschutzes nach neonazistischen Tätern sowie konsequente Untersuchung der rechtsextremen Aktivitäten und neonazistischen Verbindungen von FPÖ-Funktionären. • Die zügige Abwicklung aller Strafverfahren wegen rechtsextremer, neonazistischer und fremdenfeindlicher Delikte.

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Spiel statt Sieg Foto: fansoccer.de

Wie der Kapitalismus dem Sport die Seele raubt, erklärt Yaak PABST.

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ußball ist für viele die „schönste Neben- der Anteil der aktiven Sportler an der erwachsesache der Welt“. Die Spiele werden nicht nen Bevölkerung Westdeutschlands von gut 40 nur in den Stadien, sondern rund um den auf über 54 Prozent gestiegen. Globus auch auf öffentlichen Plätzen und in Big Business Kneipen von Millionen gemeinsam angeschaut und gefeiert. Diese Begeisterung gilt nicht nur Weil Sport Millionen begeistert, ist er mehr für den Fußball. als nur ein Hobby – Sport ist „Big Business“. Auch andere Sportgroßereignisse wie die Die Sportausrüster in aller Welt setzen jährlich Olympischen Spiele erzielen etwa 90 Milliarden hohe Zuschauerzahlen und US-Dollar um, daTV-Einschaltquoten. Der akvon allein 29 MilliarSport ist mehr als nur ein tive Sport erfreut sich ebenden Dollar mit dem falls größter Beliebtheit. In Hobby – Er ist „Big Business“ Verkauf von SchuDeutschland treiben rund 33,8 hen. Die FußballMillionen Erwachsene Sport Weltmeisterschaft im Verein oder Betrieb, schwitwird von dem millizen im Fitnessstudio oder joggen und walken. onenschweren Weltfußballverband FIFA orIn den vergangenen anderthalb Jahrzehnten ist ganisiert. Trotz Finanzkrise konnte dieser laut

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eigenem Geschäftsbericht im Jahr 2009 einen Gewinn von 160 Millionen Euro verzeichnen. Allein durch die Vermarktung der weltweiten Fernsehrechte an den Männer-Weltmeisterschaften 2002 und 2006 nahm die FIFA 1,8 Milliarden Euro ein. Mega-Sponsoren Bei der WM 2006 in Deutschland haben multinationale Konzerne wie Adidas, Coca-Cola, Deutsche Telekom, MasterCard und McDonalds im Schnitt etwa 26 Millionen Euro gezahlt, um offizielle Sponsoren zu werden. Auf diese Weise kauften sich diese Unternehmen einen Teil der WM und konnten über deren Durchführung mitbestimmen. Die Großkonzerne erhielten zum Beispiel viele Tickets, die nicht mehr direkt an die Fans verkauft, sondern


an Geschäftskunden und das eigene Management verschenkt wurden. Oder sie wurden per Gewinnspiele an Kunden weitergegeben. Die Sponsoren nutzten auf diese Weise die Fußballbegeisterung für ihre Marketingzwecke aus. Aber nicht nur die Sponsoren profitieren. Im Umfeld der WM werden Milliardenbeträge in Infrastruktur und Stadionbau investiert. In Südafrika waren es nach Angaben des Botschafters des Landes fünf Milliarden Euro.

Sieg oder Niederlage, über einen Platz auf dem zielle Förderprogramme, um einen Kader für Medaillentreppchen oder den Abstieg in die den Spitzensport zu akkumulieren. Diejenigen, Bedeutungslosigkeit. Leistungssportler befin- die sich später durchsetzen, sind also selten die den sich unter totaler „Besten“, sondern vor allem Kontrolle, im Traidie Diszipliniertesten. Über ning und im WettDie Herren im blauen Blazer die schweren körperlichen und kampf. Permanent seelischen Entwicklungsschäentscheiden über unseren wird ihre Leistung den von Spitzensportlern und Kopf hinweg. ge- und vermessen: solchen, die es werden wollten, Wie viele Kilometer wird nur wenig berichtet. Bei hat Lukas Podolski Jugendlichen und Kindern ist Ware Körper während des EM-Finales zurückgelegt? Ist er vor allem das Rückgrat und der BewegungsapDiese Verbindung von Sport und Kapitalis- hauptsächlich gespurtet oder bloß getrabt? Wie parat gefährdet. Ein Beispiel aus dem Turnen: mus ist offensichtlich, eine andere weniger. viele Ballkontakte hatte Frank Ribery? Wie Mit neun Jahren war Ulrike Weyh aus Itzehoe Denn der Kapitalismus beeinflusst nicht nur viele Zweikämpfe hat Lionel Messi gewonnen? Jugendmeisterin geworden. Mit 16 Jahren und die Vermarktung Nur derjenige, der die Leis- nach 8.000 Trainingsstunden trieben Schmerdes Sports, sondern tung hält, bleibt im Kader. zen die Turnerin zum Sportarzt. Diagnose: Die er durchdringt auch Das gilt im Fußball wie bei Lendenwirbelsäule war beschädigt, die „TurnIm Leistungssport herrschen die Art und Weise, „Arbeitsbedingungen“ wie im anderen Sportarten. Die Zah- karriere“ damit beendet. wie dieser betrieben len, Daten und Fakten bieten Funktionäre entscheiden 19. Jahrhundert vor. wird. Am deutlichsVergleichswerte, mit denen ten ist dies beim die Konkurrenz innerhalb der So geht es vielen. Hinzu kommen Disziplin, Leistungssport. Dort Teams angeheizt wird. Der Drill und Unterordnung – wesentliche Beherrschen „Arbeitsbedingungen“ wie im 19. Druck auf die Spieler, noch bessere Leistungen dingungen, damit ein Kind überhaupt in die Jahrhundert vor: hartes tägliches Training mit zu erbringen, steigt. Förderprogramme der nationalen Sportverbändem Ziel, den jeweiligen Gegner in der Konde aufgenommen wird. So erklärte die BerliDisziplin siegt kurrenz zu übertreffen und zu besiegen. Die ner Turnerin Yvonne Haug 1983 nach ihrem kapitalistische Maxime, sich auf dem Markt in In diversen Sportarten, etwa dem Kunst- und Rücktritt aus dem deutschen Olympiakader: Konkurrenz zu anderen zu behaupten, spiegelt Geräteturnen, werden „Talente“, gerade weil „Ich habe etwas dagegen, wenn Funktionäre über sich hier wider. Leistungssport wird betrieben, die Anforderungen so hoch sind, bereits im unseren Kopf hinweg entscheiden. Wir sind es um Spitzenleistungen im internationalen Maß- Kindergartenalter mit schwerem Training be- doch schließlich, die sich quälen müssen, um die stab zu erzielen. Der Körper der Athleten wird lastet. Vier bis sechs Jahre tägliches Training Leistung am Gerät zu bringen, nicht die Herren zur Ware – zur exakt vermessenen Ware. sind erforderlich, wenn die Jugendlichen im im blauen Blazer. Aber als Turnerin kommt man Alter von 14 bis 17 Jahren Höchstleistungen sich manchmal wie eine Schachfigur vor, die hin Leistungsdruck vollbringen sollen. Vereine und Sportverbände >> weiter auf der nächsten Seite Es entscheiden Hundertstelsekunden über haben extra Internate, Sportschulen und spe-

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und her geschoben wird, ohne sich dagegen wehren zu können.“ Wettbewerb!

Mein Immunsystem war einfach fertig. Ich hatte meinem Körper zu viel zugemutet.“ Kein Einzelfall. Je mehr sich Erfolg in Profit umrechnen lässt, desto größer der Druck auf die Sportlerinnen und Sportler.

Die Ausrichtung des Sports auf den unbedingten Erfolg, den Sieg über den Gegner, wirkt auf Breitensport das Verhalten der Sportler selbst zurück. Der Sportwissenschaftler Gunter A. Pilz befragte Die Art und Weise wie der Kapitalismus den mehr als 6.000 Jugendfußballer und kommt Sport durchdringt steht im krassen Gegensatz zu dem Schluss: „Je länger die Jugendlichen im zu den Bedürfnissen der Menschen. Nach einer Verein aktiv sind, desto eher Ifas-Umfrage unter sind sie bereit, Regelverstöße im 3.372 SporttreibenInteresse des Erfolges nicht nur den betätigen sich nur Der Arbeiter fühlt sich erst zu akzeptieren, sondern auch 13 Prozent der Beaußer der Arbeit bei sich. nicht mehr als ‚unfair‘ zu befragten sportlich zur zeichnen. Im Laufe ihrer leisWettkampfvorbereitungssportlichen Entwicklung tung. Für die meisten lernen Jugendliche, immer geht es in erster Linie ausdrücklicher das Gebot des Erfolges über das um körperliche Bewegung und Spaß. MenFairnessprinzip zu stellen.“ Um sich in dieser schen treiben Sport, weil sie gesund bleiben Konkurrenz durchsetzen zu können, kann man oder werden wollen, sie dadurch in Kontakt nicht bloß auf die eigene Leistung vertrauen. mit anderen Menschen kommen und einen Doping ist die unausweichliche Begleiter- Ausgleich zur Arbeit suchen. scheinung des Leistungssports. Im Gespräch Der Arbeitsbelastung entkommen mit dem Fußballmagazin 11 Freunde berichtet Hans Dorfner, ehemaliger Nationalspieler Das ist kein Wunder. Denn Arbeit im Kaund Bundesligaprofi von Bayern München: pitalismus ist nicht selbstbestimmt, sondern „Ich habe mir vor jedem Spiel zwei, drei Aspirin entfremdet. Karl Marx schrieb über die Lohnreingehauen und dann lief es. Zum Schluss hat arbeit: „Der Arbeiter fühlt sich daher erst außer mein Körper gegen jedes Medikament rebelliert. der Arbeit bei sich und in der Arbeit außer sich“. Ich hatte richtige Allergieschocks, habe auf alle Le- Und weiter: „Während die Maschinenarbeit das bensmittel und Medikamente allergisch reagiert. Nervensystem aufs Äußerste angreift, unterdrückt

sie das vielseitige Spiel der Muskeln und konfisziert alle freie körperliche und geistige Tätigkeit.“ Seit Marx' Zeiten hat sich die Arbeitswelt natürlich stark verändert. Viele Menschen arbeiten nicht mehr in der Fabrik, sondern im Büro. Doch auch heute kontrollieren die Beschäftigten weder die Produkte ihrer Arbeit noch ihre Arbeit selbst. Auch die gegenwärtigen Arbeitsbedingungen stellen nicht die Bedürfnisse des Menschen ins Zentrum, sondern seine Verwertbarkeit für das Unternehmen. Hoher Termindruck, Berge von Arbeit, Überstunden und die Angst um den Job bestimmen den Alltag in Büros, Geschäften und Fabriken. Diese Arbeitsbedingungen sind sowohl bei Arbeitern als auch bei Akademikern häufig Auslöser von Erschöpfungskrankheiten bis hin zur Depression. Am häufigsten klagen die Berufstätigen über Verspannungen im Schulter/Nacken-Bereich, Rückenschmerzen, Kopfschmerzen und Nervosität, innere Unruhe. Bedürfnis nach Spiel Sport ist für viele eine willkommene Abwechslung. Doch der Kapitalismus verzerrt das menschliche Bedürfnis nach sportlicher Betätigung und die Freude am gemeinsamen Spiel. Denn das Spiel ist eine Tätigkeit, die ohne bewussten Zweck zum Vergnügen, zur Entspannung, allein aus Freude an ihrer Ausübung ausgeführt wird. Ein Großteil der kognitiven Entwicklung und der Entwicklung von motorischen Fähigkeiten findet durch Spielen statt, beim Menschen ebenso wie bei zahlreichen Tierarten. Natürlich braucht ein Spiel, damit es auf einer höheren Ebene gespielt werden kann, Regeln. Je komplexer das Spiel, desto wichtiger ist Training beziehungsweise das Erlernen der Fähigkeiten, die für das Spiel notwendig sind. Die verschiedenen Sportarten haben alle Elemente von Spiel. Gewinnen nebensächlich Doch bei Leistungssport unter kapitalistischen Bedingungen stehen die Konkurrenz, der Wettbewerb und der Erfolg im Zentrum. Das Spiel verkümmert zum Zweck des Siegens. Dass es auch anders geht, zeigen andere, nichtkapitalistische Kulturen. So beschreibt der Ethnologe Jacques Meunier ein Sportspiel eines Indianerstamms im Amazonas: „Der Spieler, der einen Punkt erzielte, wechselte automatisch das Team. So wurden die Gewinner geschwächt und die Verlierer gestärkt.“ Auf diesem Weg wird der Spielstand zur Nebensache. Das Spiel rückt wieder in den Vordergrund.

Zum Autor Yaak Pabst ist Politologe, Redakteur von marx21 und spielt Handball beim BTV 1850 Kreuzberg.

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Neues Dienstrecht: Wer kämpft aufseiten der Junglehrer? Die neue alte Regierung will das neue Lehrerdienstrecht schnell beschließen. Für die nächste Lehrer_innen-Generation wäre das eine Katastrophe. Warum sich bisher wenig Widerstand von unten regt, erklärt Hannah KRUMSCHNABEL.

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ie neue alte Regierung will das neue Lehrerdienstrecht schnell beschließen. Für die nächste Lehrer_innenGeneration wäre das eine Katastrophe. Die Lehrergewerkschaft wehrt sich gegen das neue Dienstrecht, doch an der Basis tut sich wenig: Die bereits im Beruf stehenden Lehrer_innen sind schlicht nicht mehr betroffen. Verschont bleiben also ausgerechnet die, die Kampfmaßnahmen setzen könnten. Die Junglehrer_innen, Unterrichtspraktikant_innen und Lehramtsstudierenden, die unter dem neuen Dienstrecht leiden werden, sind dagegen bisher kaum organisiert und verfügen über wenig Druckmittel gegen die Regierung. Sie würden die Solidarität der älteren Kolleg_innen dringend brauchen. Spaltung und Sparmaßnahmen Doch auch diese sind tief gespalten. Die Organisation des österreichischen Schulsystems sieht bislang vor, dass Pflichtschullehrer_innen (in Volks-, Haupt-/ Mittel-, Sonder- und Berufsschulen, sowie im Polytechnischen Lehrgang) vom Land, und AHS-/ BHS-Lehrer_innen vom Bund angestellt sind. Für die beiden Gruppen gibt es seit Urzeiten unterschiedliche Ausbildungen und

Besoldungsrechte. Schon immer gilt: Pflichtschullehrer werden für die gleiche, wenn nicht sogar anstrengendere Arbeit schlechter bezahlt. Dazu kommt, dass von den Sparmaßnahmen seit der schwarz-blauen Regierung fast ausschließlich Landeslehrer betroffen waren. Die Bundeslehrer konnten mit ihrer prestigeträchtigen Arbeit und unter dem Schutz der ÖVP ihre Errungenschaften stets erfolgreicher verteidigen. Pflichtschullehrer fühlten sich dagegen als Bauernopfer: Als unter Schüssel ein „Nulldefizit“ herbei gespart wurde, kam ein Löwenanteil dafür von ihnen. Über einen Rechentrick erhöhte die berüchtigte Ministerin Gehrer die Lehrverpflichtung bei gleicher Bezahlung deutlich. In der dama-

ligen Novelle des LandeslehrerDienstrechtes wurden damit viele der Verschlechterungen, die jetzt allgemein kommen sollen, schon 2001 durchgesetzt. Sparen statt Reform Ein Beispiel: Im neuen Dienstrecht wird die Lehrverpflichtung durchgehend auf 24 Stunden festgelegt. Weil die Pflichtschullehrer schon seit Jahren bluten müssen und eine ähnliche Pauschale abarbeiten, bedeutet dies für sie eine vergleichsweise geringe Erhöhung um 2 bis 3 Unterrichtsstunden. Für die AHS-/BHS-Lehrer ist der Einschnitt dafür umso größer. Bei ihnen reduzierte sich bisher noch die Stundenanzahl, wenn sie „Korrekturfächer“ unterrichten. Im neuen Dienstrecht müssen

z.B. Sprachlehrer dagegen bis zu sieben Stunden mehr unterrichten – eine Erhöhung um 40%. Wenn jetzt also beide in einem gemeinsamen Gehalts- und Arbeitszeitschema zusammengeführt werden sollen, haben viele Landeslehrer das Gefühl, dass es endlich die Anderen auch einmal trifft und mucken nicht auf. So nachvollziehbar diese Bauchreaktion ist, so sehr schadet aber die Haltung am Ende auch ihnen. Mehr Arbeit für weniger Lohn ist eine bloße Einsparungsmaßnahme – keine Bildungsreform. Die Junglehrer, die sich in der Initiative für ein faires Dienstrecht für Lehrer_innen zusammengeschlossen haben, haben deshalb Unterstützung aus beiden Lagern verdient.

Britische Lehrergewerkschaft würgt Streik ab Das enttäuschende Verhalten der Gewerkschaften in Großbritannien weist Parallelen zu Österreich auf. Von Sadie ROBINSON.

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igentlich hatte die Gewerkschaftsführung einen eintägigen landesweiten Streik noch vor Weihnachten angekün-

Foto: Isobel Robinson

digt – nun machte sie einen Rückzieher. Zur bitteren Enttäuschung aller Lehrer_innen, die sich einen ernsthaften Kampf erwartet hat-

ten, einen Kampf, der den konservativen Bildungsminister Michael Gove zu besiegen würde. Noch im Oktober hatte es höchst erfolgreiche regionale Streikaktionen gegeben, gemeinsam organisiert von den Gewerkschaften NUT und NASUWT. Daraufhin war der landesweite Streik vor Weihnachten angekündigt worden. Jetzt sagen die Gewerkschaftsführer plötzlich, zu einem Streik könne es erst in Februar kommen, sollte es keine „akzeptable Lösung“ in der Lohnauseinandersetzung geben. Ein linker Gewerkschaftsfunktionär, Nick Grant, klagt: „Es ist eine Schande dass Schlüsselgewerkschaften die Dynamik der großartigen regionalen Streiks ungenutzt lassen. Und das ausgerechnet zu einer Zeit, in der Ministerin Gove

von allen möglichen Seiten in der Kritik steht.“ Gove gewann durch den Rückzieher der Gewerkschaften natürlich wieder an Selbstvertrauen und stellte sofort klar, dass er voll hinter Gehalts- und Pensionskürzungen stehe. Es ist nicht nur in Großbritannien immer ein Fehler, Streiks für irgendwelche angekündigten Verhandlungen mit Bossen abzusagen, die wild entschlossen sind, Lohnabhängige zu attackieren. Der Schwung geht verloren, die sogenannten Arbeitgeber fühlen sich gestärkt, die Lohnabhängigen, in diesem Fall die britischen Lehrer_innen werden demoralisiert. Sie müssen nun versuchen, von unten Druck auf ihre Gewerkschaftsführungen zu machen, damit die den nötigen Kampf endlich aufnehmen.

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ÄGYPTEN

Gegen Mursi und gegen das Militär:

Für Brot und Freiheit Demonstrant_innen widersetzten sich dem Militärregime und gingen Ende Oktober auf die Straßen um sich gegen das geplante „Anti-Protest“-Gesetz zu wehren, erzählt Judith ORR.

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as „Anti-Protest“-Gesetz würde der Polizei das Recht geben, Proteste abzusagen, zu verschieben oder den Ort der Kundgebung zu ändern. Es würde außerdem Zonen um öffentliche Gebäude herum schaffen, in denen jeglicher Protest verboten werden kann. Die Demonstration war von der Revolutionären Front organisiert worden, die die Revolutionären Sozialisten (RS, ägyptische Schwesterorganisation von Linkswende) und andere Aktivist_innen zusammen gebracht hatte. „Die Kundgebung in der TalaatHarb-Straße verwandelte sich in eine Demonstration mit über 1.000 Teilnehmer_innen“, berichtet RSMitglied Gigi Ibrahim. Neue Revolutionäre Front „Wir zogen zwei Stunden lang durch die Straßen und endeten in der Muhammed-Mahmoud-Straße. Seit Monaten haben wir es nicht mehr geschafft dorthin zu gelangen.“ Die Muhammed-Mahmoud-Straße, nahe dem Tahrir-Platz, ist ein höchst symbolträchtiger Ort für ägyptische Aktivist_innen. Durch die zahlreichen Graffitis, Malereien und Erinnerungen an die Märtyrer, sind die Mauern dort eine, sich ständig verändernde Chronologie der revolutionären Kämpfe. Im November jähren sich zum zweiten Mal die gewalttätigen Zusammenstöße, die hier stattgefunden haben und während denen das Militär 50 Demonstrant_innen getötet hat. Die „Revolutionäre Front“ versucht, politische Kräfte, die sich gegen das Militär stellen und die zuvor gegen die Herrschaft des Ex-Präsidenten Mursi protestiert hatten, zusammenzubringen und zu aktivieren. Die Demonstration war ein Teil der Bemühungen, Einheit aufzubauen und weiter für die Forderungen der Revolution zu kämpfen. Soziale Gerechtigkeit „Die Leute riefen nach Brot, Freiheit und forderten die Säuberung des Innenministeriums – was sich

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auf arabisch reimt“ erzählt Gigi. Unter dem Motto „Die Straßen gehören uns“ verurteilten Arbeiter_innen, Studierende und andere Aktivist_innen das Militär und die Polizeibrutalität, riefen aber auch Slogans gegen eine Rückkehr von Mursi. Der entlassene Textilarbeiter Rageb el-Shimey beteiligte sich an der Demonstration. Er ist schikaniert worden, als er am Kampf für die Wiederverstaatlichung seiner Fabrik teilgenommen hat, nachdem diese unter Mubarak privatisiert worden war. Er sagt: „Diese Regierung hat keinen Willen, irgendetwas für die soziale Gerechtigkeit zu tun.“ Gigi beschreibt die Frustration der Menschen darüber, dass es zu keiner wirklichen Verbesserung ihrer Lebensumstände gekommen ist. Die Wirtschaft befindet sich weiterhin in der Krise und der monatliche Mindestlohn steht immer noch bei nur ungefähr 75 Euro. Die Angst der Generäle Organisierte Arbeiter_innen haben eine Schlüsselrolle in der Revolution gespielt. Als das Militär nach Mursis Sturz die Macht übernahm, nominierte es den früheren, unabhängigen Gewerkschaftsführer Kamal Abu Aita als Arbeitsminister. Seine Ernennung ist ein Zeichen dafür, dass das Militär die Bedrohung, die Arbeiter_innen für seinen Machterhalt

darstellen, sehr wohl erkannt hat. Das Regime hoffte offensichtlich, Gewerkschafter_innen zu beschwichtigen, indem es einen von ihnen in die Regierung holte. Aber die Generäle wollten ihn auch dazu benutzen, Kämpfe und Forderungen von Lohnabhängigen effektiver zurückzuhalten. Abu Aita hat inzwischen Statements gegen Streiks veröffentlicht, mit dem Argument, Ägypten brauche nun einen „nationalen Wiederaufbau“. Doch die Arbeiter_innen lassen sich nicht so leicht in die Irre führen. Während der Demonstration sagt Rageb: „Kamal Abu Aita ist derjenige, der uns gezeigt hat, wie wir einen Protest vor dem Arbeitsministerium organisieren. Jetzt verhält er sich genauso, wie die, die vor ihm im Amt waren. Er verrät damit alle von uns, die kämpfen wollen.“ Die „Revolutionäre Front“ hat sich vorgenommen, weitere Proteste gegen das neue Gesetz, auch in anderen Städten, abzuhalten. Diese Kampagne ist Teil eines breiteren Kampfes gegen die Militärregierung und deren Versuche, sich selbst als Retterin der Revolution darzustellen. Wie Rageb sagt, muss für die Forderungen der Revolution weiterhin gekämpft werden. „Die Leute haben nicht genug Brot zu essen. Wir sind nicht frei.“

Geheimdienste von Tom D. ALLAHYARI

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ie Affäre um den US-Geheimdienst NSA weitet sich immer mehr aus. Kaum waren die europäischen Regierungen fertig damit, Empörung zu heucheln, stellte sich heraus, dass ihre eigenen Spionagedienste, wie der britische MI6, selbst Bürger_innen und „befreundete“ Politiker-innen bespitzeln. Die schiere Menge der Daten allerdings, die die NSA sammelt, demonstriert die Qualität des Überwachungswahns. Der berüchtigte Inlandsgeheimdienst der DDR,


GRIECHENLAND

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Wegen Antifaschismus vor Gericht Nazir Ghasemi, ein politischer Flüchtling aus Afghanistan und Mitglied von KEERFA, wurde mittels fabrizierter Anschuldigungen des Menschenschmuggels zu sieben Jahren Haft verurteilt. Wir rufen alle zur Solidarität mit den angeklagten Aktivist_innen auf! Senden Sie Unterstützungserklärungen für die Mitarbeiter_innen von Arbeitersolidarität an ergatiki@otenet.gr Petition gegen das Verfahren gegen KEERFA: bit.ly/19adxHQ

Foto: Thanasis Kambysis

Foto: Hossam el-Hamalawy

as Führungspersonal der neonazistischen Partei Goldene Morgenröte musste wegen ihrer kriminellen Machenschaften, inklusive politischer Mordanschläge, ins Gefängnis musste. Gleichzeitig verfolgt die griechische Justiz Aktivist_innen der antifaschistischen Bewegung. Angeklagt wurden drei Mitarbeiter_innen der Zeitschrift Arbeitersolidarität und Vertreter von KEERFA, der „Vereinten Bewegung gegen Rassismus und die faschistische Bedrohung“.

und Demokratie sind unvereinbar

Foto: Liberation

die „Stasi“, sammelte, rechnet man die Papierakten in Bytes um, 2, 8 Terrabyte an Daten. Die speicherbare Datenmenge im Utah Data Center der NSA entspricht der unglaublichen 360 milliardenfachen Menge der Stasi-Akten. Heute könnte leicht der Eindruck entstehen, die wildgewordenen Geheimdienste seien rein eine Folge des US-amerikanischen „War on Terror“. Betrachtet man aber die Geschichte etwa der CIA, stellt sich heraus, dass dieser Geheimdienst sich durch die Weltgeschichte gemordet, gefoltert und geputscht hat. US-Geheimdienstler blicken auf eine lange Tradition der Unterstützung brutaler Diktatoren, des

politischen Mordes und der Ausbildung rechter Todesschwadronen zurück. Rechtfertigung war oft ein wütender Antikommunismus (der heutzutage durch die Angst vor „dem Islam“ ersetzt wird). Gleich nach Ende des Zweiten Weltkriegs errichteten die Geheimdienste der Nato in Europa eine paramilitärische Geheimorganisation, genannt „Gladio“, die mit Waffengewalt gegen Linke vorgehen sollte, bzw. bei Bedarf einen Guerillakrieg gegen die UdSSR führen könnte. Morde und Terrorakte, wie das Bombenattentat auf den Bahnhof von Bologna 1980 mit 85 Toten gehen auf das Konto dieser Geheimorganisation. Ausführende Organe von Gladio waren oft Rechtsradikale, für die sogar Waffenlager angelegt wurden. Nach innen dienen die Geheimdienste hauptsächlich dazu, politische Opposition auszuspähen und zu bekämpfen. Westliche Spionageorganisationen blicken aus Gewohnheit und ideologischer Überzeugung nach „linken Gefahren“, das rechte Auge dagegen ist meist blind. Man denke nur an das jahrelange Desinteresse an den Nazi-Terroristen der NSU. Ähnlich der Armee und der Polizei gehören die Dienste zum be-

waffneten Arm des kapitalistischen Staates. Und wie diese existieren sie in letzter Konsequenz um den politisch-ökonomischen Staus Quo zu erhalten. Die Auslandsspionage wiederum zeigt, dass auch miteinander befreundete Staaten im imperialistischen Weltsystem „feindliche Brüder“ sind, die auf der einen Ebene (etwa „Terrorbekämpfung“) zusammenarbeiten, gleichzeitig aber mit ihren ökonomischen oder geopolitischen Interessen aufeinanderprallen. Wie in vielen Fällen unterstützt jeder Staat auch durch Wirtschaftsspionage „seine“ Konzerne, Banken usw. Innerhalb der bürgerlichen Demokratie sind abgeschottete, im Geheimen agierende Organisationen die natürlichen Feinde der wenigen Freiheiten, der wenigen Rechte, die uns die vielgelobte Marktwirtschaft lässt. Die wichtigen

ökonomischen Entscheidungen werden im Kapitalismus sowieso nicht demokratisch getroffen. Bürgerlich-liberale Versprechungen wie Meinungs- und Pressefreiheit werden durch die Herrschaft der Profitinteressen großteils ad absurdum geführt. Was bleibt, wird durch die Geheimdienste ernsthaft bedroht. Für uns Linke sollte klar sein, je geringer die Macht der Geheimdienste, desto besser unsere Chancen, politisch zu arbeiten. Die großartigen Proteste, vor allem in den USA, unter dem Motto „Stop Watching Us“ sind wichtig und unterstützenswert. Bei den Demonstrationen gegen Überwachung in Wien ist für viele Menschen der Kampf gegen den „Big Brother“ gleichbedeutend mit Ablehnung des kapitalistischen Systems.

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SYRIEN

Die Menschen machen ihre eigene Geschichte

Hunderte lokale Komitees, Räte und bewaffnete Einheiten zeugen vom massenhaften Charakter der syrischen Revolution, schreibt David ALBRICH.

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ine Menge an Komitees arbeitet überall in Syrien, selbst in jenen Teilen, die von Baschar alAssad kontrolliert werden. In jeder Nachbarschaft, in jedem Ort und an jedem Arbeitsplatz entstanden im Kampf gegen die Diktatur Netzwerke und Strukturen der Selbstverwaltung. Wenn mehrere lokale Komitees zusammenarbeiten, nennt man sie Koordinierungskomitees (al tansiqijat). Sie koordinieren die Kämpfe und geben der Revolution eine Richtung. Koordinierungskomitees bereiten Demonstrationen vor und kümmern sich um die Sicherheit. Eigene Informationsbüros dokumentieren, filmen und veröffentlichen Angriffe und Massaker der Regierungstruppen. Sie organisieren die tägliche Berichterstattung von den Protesten. Landesweit haben sich Koordinierungskomitees im „Lokalen Koordinierungskomitee in Syrien“ (LCC), im „Koordinierungsverband der Syrischen Revolution“ (SYRCU) und anderen Netzwerken zusammengeschlossen. Die unterschiedlichen Dachverbände machen es dem Regime schwer, mit der Bewegung fertig zu werden. Yasser Munif und andere Revolutionäre sehen darin auch eine Schwäche: „Die revolutionären Komitees arbeiten sehr gut auf lokaler Ebene, aber sie haben es bislang nicht geschafft dies auf eine regionale und landesweite Ebene zu heben.“ Räte In den befreiten Gebieten gibt es

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Foto: Raed Fares

Koordinierungskomitees

GASTBEITRAG neben den Koordinierungskomitees weitere Zivil- oder Lokalräte (al madschalis al mahaliyya), die sich um die Rechtssprechung, die Versorgung der Zivilbevölkerung mit Nahrung und um die Schulen – kurz gesagt das alltägliche Leben – kümmern. Die Räte werden in den meisten Fällen, so weit dies im Kampf möglich ist, von den Menschen in der Gemeinde selbst gewählt. In einigen Fällen haben sich Dorfbewohner gegen radikale Islamisten, die die Zivil- und Lokalräte mit undemokratischen „Ältestenräten“ ersetzen wollten, erfolgreich gewehrt. Die Kämpfer_innen der Freien Syrischen Armee (FSA) sind mehrheitlich dieselben Menschen, die auf den Straßen demonstrieren. Nur etwa ein Drittel sind desertierte Soldaten. Der bewaffnete Widerstand wird von Militärräten (al madschalis al askaria) koordiniert. Die Militärräte stehen meist in direkter Verbindung mit den Zivilräten und Komitees. Keine politische Organisation kann von sich behaupten, sie hätte die vollständige Kontrolle über die Komitees oder die Räte. Sie alle sind Organe der Selbstverwaltung, hervorgegangen aus dem Kampf der Massen gegen das mörderische Regime.

Der Revolutionsrat von Manbidsch

„Die Revolution wird nicht bloß auf dem Schlachtfeld gemacht. Sie ist auch ein politischer Kampf, in dem Revolutionäre in der Praxis beweisen können, dass sie Syrien regieren können.“ In Manbidsch haben die einfachen Leute die Kontrolle über die Stadt übernommen. Yasser MUNIF erzählt ihre Geschichte.

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anbidsch liegt fernab der vordersten Kampflinien. Die Stadt hat nicht die brutalen Kämpfe wie andere Teile Syriens erlebt, aber sie kann sich den Vergeltungsaktionen des Regimes nicht entziehen. Kampfflugzeuge fliegen regelmäßig Angriffe auf zivile Gebäude, weil das Regime befürchtet, dass diese neuen zivilen Strukturen den syrischen Staat ersetzen können. Revolutionsrat Als sich die Revolution über Syrien ausbreitete, explodierten die kleineren Proteste in Manbidsch. In einer Demonstration gingen 10.000 Menschen auf die Straße. Im Untergrund formierte sich ein Revolutionsrat zur Koordinierung des Widerstands in der Stadt und in der Umgebung, die großteils landwirtschaftlich geprägt ist. Der Rat teilte Aufgaben zu, wie die Sorge für Flüchtlinge,

die Vernetzung mit unterschiedlichen Parteien und so weiter. Er setzte sich aus Vertretern der lokalen Komitees, die zu Ausbruch der Revolution in den Vierteln entstanden, zusammen. Der Rat musste unter schwierigen Umständen arbeiten. Seine Mitglieder spannten ein mächtiges Netzwerk an anerkannten Komitees, etwa 53 über die Stadt verteilt, die sich auf einen bewaffneten Aufstand vorbereiteten. Der Revolutionsrat hatte nur ein paar Gewehre und Maschinengewehre, viele Bewohner mussten ihre Nachbarschaft mit Stöcken und Messern verteidigen. Selbstverwaltung Im Juni 2012 flüchteten die Sicherheitskräfte und die Stadt erklärte ihre Befreiung. Die Menschen waren nicht sicher, was passieren würde; sie erwarteten


Chaos und Plünderungen. Tatsächlich blieb es ruhig. Die lokalen Komitees haben die öffentlichen Einrichtungen wirksam verteidigt. Nach der Befreiung ging der Revolutionsrat aus dem Untergrund, doch seine Mitglieder hatten keine Erfahrung mit der Verwaltung der Stadt. Sie mussten aus dem Stegreif handeln und tun, was gerade verlangt wurde. Die wichtigsten Herausforderungen waren die Sicherung der Getreidemühlen und die Wiederinbetriebnahme der Bäckereien. Die Stadt musste von ihrer Bevölkerung, die wenig Einkommen zu Verfügung hatte und am Existenzminimum lebte, Geld lukrieren. Infolge der Schwierigkeiten formierte sich ein weiterer Rat, der den Revolutionsrat herausforderte. Das Problem war, dass die Leute in diesem Rat nicht Teil der Revolution waren, ja sich nicht einmal „revolutionär“ nennen wollten. Der Revolutionsrat hatte immer noch Unterstützung von den revolutionären Brigaden und kontrollierte die Getreidemühlen und Bäckereien. Ein regionaler Zusammenschluss von Komitees bestand darauf, dass Manbidsch weiterhin vom Revolutionsrat repräsentiert werden sollte. So scheiterte der Machtanspruch des rivalisierenden Rats.

losen bewaffneten Konflikt und tausende Revolutionäre eilten an die Frontlinien in Aleppo, Damaskus und anderswo. Nachdem die Revolutionäre die Stadt verlassen hatten, entstanden neue Brigaden, die üblicherweise mit bestimmten Stämmen und Großfamilien verbunden waren. Sie wurden bekannt als Brot-FSA, weil sie sich in den Brotschlangen immer nach vorne drängten. Der Rat hatte kein Geld für die Bezahlung der lokalen Polizei oder die Reparatur der Infrastruktur, die durch die Luftangriffe zerstört wurde. Das alles sorgte für große Unruhe. Viele junge Leute verließen die lokalen Brigaden und traten islamistischen Organisationen bei. Sie versprachen, gegen die korrupten Brigaden vorzugehen. Aber dann stellte sich heraus, dass auch sie nur ihre bestimmten Vorstellungen durchsetzen wollten. Als Kämpfer von Ahrar al-Scham versuchten, die Kontrolle über die Getreidemühlen zu erlangen, bäumten sich die Bewohner gegen sie auf. Tausende unterzeichneten eine Petition, und schließlich mussten sie die Mühlen an die Stadt zurückgeben. Als die al-Qaida nahe Gruppe Islamischer Staat im Irak (ISIS) in die Stadt kam, forderte sie die

GUANTANAMO

Gleich und Gleicher Das Militärgericht in Guantanamo weigert sich Beweise zuzulassen, die die Berichte über Folter, medizinische Experimente, Selbstmordversuche und als Suizide getarnte Morde bestätigen. So soll Chalid Scheich Mohammed 183 Mal mittels Waterboarding gefoltert worden Kontrolle über die Moscheen. Die Stadt und die religiösen Führer lehnten ab. Ein Imam widersetzte sich beim Freitagsgebet bewaffneten Kämpfern und wurde entführt. Er wurde zwar wieder freigelassen, aber später in einem Attentat ermordet. Wilde Proteste

sein. Andere wurden gezwungen, in Windeln vier Tage lang durchgehend zu stehen. Jetzt droht fünf Angeklagten möglicherweise die Todesstrafe, in einem Prozess, in dem sie nicht einmal das Recht haben, von sämtlichen Beweismitteln gegen sie zu erfahren. breiteten sich aus und ISIS wurde aus der Stadt verwiesen. Redaktionell bearbeitet von David Albrich. Die vollständige Version des Artikels ist zuerst in Socialist Review erschienen: http://tinyurl.com/jvwaa6o

Brot-FSA und Islamisten Der Aufstand entwickelte sich schließlich in einen kompromiss-

Zur Person Professor Dr. Yasser Munif lehrt am Emerson College in Boston unter anderem Politik und Gesellschaft im Nahen Osten. Auf einer Forschungsreise sprach mit den Menschen vor Ort.

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Manbidsch

„The Square“ Der Film von Jehane Moujaim nimmt das Publikum mit in das emotionale Drama der ägyptischen Revolution, zeigt die ganz persönlichen Geschichten hinter den Nachrichten. Es ist die inspirierende Story von jungen Leuten, die ihre Rechte einfordern, die für eine gerechte Gesellschaft kämpfen. „Wir gehen zum Tahrir-Platz um zu entdecken, dass wir das Leben außerhalb davon lieben und um zu entdecken, dass unsere Liebe zum Leben Widerstand bedeutet.“ Die Doku räumte Publikumspreise beim Sundance-Festival und Toronto Filmfestival ab.

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Lesetipp von Hannah KRUMSCHNABEL

Paolo Roversi:

Milano Criminale Ullstein, 464 Seiten, 20,60€, ISBN 987-3-550-08875-9

Alles beginnt mit einem spektakulären Bankraub: Am 27. Februar 1958 überfallen mitten in Mailand sieben Gangster virtuos einen Geldtransporter. Zwei kleine Jungen schauen zu, und sie sind tief beeindruckt. Der eine, Antonio, beschließt an diesem Tag Polizist zu werden. Der andere, Roberto, hat einen anderen Plan: Er will raus aus dem tristen Arbeiteralltag seiner Eltern und sieht in den vor Selbstbewusstsein strotzenden Räubern seine Zukunft. Dass die Kleinkriminellen und Bankräuber in der Mailänder Bevölkerung als Helden und Rächer der Armen verehrt werden, darunter leidet Antonio als junger, erfolgreicher Polizist schließlich. Seine akribische Detektivarbeit wird nicht honoriert und nach einer wichtigen Verhaftung steht sogar in der Zeitung: „Die Mehrheit – wer will es verhehlen – war tatsächlich irgendwie enttäuscht.“ Denn die Bankräuber leben vor, wovon die jungen Männer in den tristen Mailänder Industrievierteln nur träumen können – wilde Parties, große Autos, käufliche Liebe und vor allem: Aufregung. Diese Sehnsucht mischt sich mit dem Zorn auf die Reichen. So behauptet sogar der brutale Kriminelle Cavalieri, das ChampagnerGlas in der Hand: „Wir sind keine x-beliebigen Kriminellen, sondern tapfere Krieger, die mit der Pistole im Anschlag die Revolution vorantreiben! Wir sind keine Verbrecherbande, sondern ein Partisanenkommando, das

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gegen die bestehende Macht kämpft: die Finanzmacht!“ In diesem Milieu tut sich der großmäulige Roberto schnell hervor. Mit Kleinkriminalität finanziert er seinen luxuriösen Lebensstil, doch er will noch viel mehr, und er will sich vor allem niemals erwischen lassen, schon gar nicht von seinem Widersacher Antonio. Als dann 1968 auch in Mailand die Studierenden und Arbeiter_innen rebellieren, sieht er in der politisierten und unruhigen Stadt seine Stunde gekommen. Gemeinsam mit seiner Freundin Nina legt er eine Serie von Coups hin und eckt sogar bei der Mafia an. Am Ende stehen sich Antonio als Kommissar und Roberto als meistgesuchter Gangster Italiens noch einmal gegenüber – zum letzten Mal? Paolo Roversis „Milano Criminal“ erzählt nicht nur die spannende Verfolgungsjagd zwischen Antonio und Roberto, sondern gleich die ganze Auseinandersetzung zwischen Staat und Verbrechen in der „roten Stadt“ Mailand. Vom Elend in den Arbeiter_innenvierteln über den Aufstieg einzelner Banden oder die Formierung der Studierendenproteste bis hin zum rechten Terror verpackt der ausgezeichnete Autor in kurzen Kapiteln einen wichtigen Teil italienischer Geschichte in einen überaus spannenden Kriminalroman.

VERGESSENE GESCHICHTE

Geraubte Roma-Kinder Seit den „aufgeklärten“ Herrschern in Europa haben die Regierenden eine Unterdrückungsmaßnahme zur Verfügung, die im 18. Jahrhundert als der Vertreibung bzw. Ausrottung moralisch überlegen gesehen wurde: Der Kindesraub. von Tom D. ALLAHYARI

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ie Roma in Europa und besonders im Österreich Maria Theresias waren die ersten Opfer einer derartigen Politik. Ähnliches wurde später von weißen Kolonisatoren in Australien versucht, zwischen 1910 und 1970 wurden mindestens 100.000 Kinder von Aborigines auf diese Weise geraubt. In Kanada wurden Kinder der Native Americans geraubt und bis in die 70er-Jahre in spezielle Internate gesteckt, die argentinischen Generäle verschenkten nach ihrem Putsch von 1976 Kinder von Oppositionellen an die eigenen Anhänger. In der stalinistischen DDR sowie im Nationalsozialismus griffen die Herrschenden ebenfalls zu dieser Methode. Verfolgung und Assimilation Die Rom-Völker waren bis Mitte des 18. Jahrhunderts dauernder Verfolgung und Vertreibung ausgesetzt gewesen. Zu dieser Zeit begannen unter dem Einfluss der Aufklärung die Versuche, die

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Foto: Marika Schmiedt

Linker

Roma sesshaft zu machen, sie zu braven, angepassten „Christenmenschen“ zu machen. Zwar wurde in dieser Zeit immer wieder die prinzipielle Lern- und Änderungs-


Foto: Eva Besnyö Foto: wikipedia

fähigkeit des Menschen betont, gleichzeitig aber stand die Minderwertigkeit außereuropäischer Kulturen und „Rassen“ völlig außer Frage. Die europäischen Staaten benötigten für ihre vor allem ökonomische Entwicklung

möglichst homogene Bevölkerungen mit gemeinsamer Sprache. Ganz besonders wurden Gruppen, die sich nicht um nationale Grenzen scherten, als gefährliche Störung empfunden. Das beste Beispiel für die brutale Assimilationspolitik dieser Zeit ist die Kaiserin von Österreich-Ungarn Maria-Theresia, die von 1740 bis 1780 regierte. Mittels Verordnungen versuchte sie die Roma dazu zu zwingen, ihre Lebensweise aufzugeben und „Neubürger“ zu werden. 1758 wurde den Roma verboten Pferde und Wagen zu besitzen. Ab 1767 wurde damit begonnen die Roma zu registrieren. Ab 1773 waren Eheschließungen zwischen Rom untersagt, nur mehr „Mischehen“ waren erlaubt und wurden vom Staat gefördert – und auch das nur, wenn „anständige Lebensweise“ und „Kenntnis der katholischen Glaubenslehre“ nachgewiesen werden konnten. Staatlicher Kinderraub Der grausame Kern all dieser Maßnahmen war aber die kaiserliche Verordnung vom 3. Februar 1773, den Roma alle Kinder, die über fünf Jahre alt waren, einfach wegzunehmen. Die Verordnung galt für ganz Ungarn. Natürlich haben sich, was zeitgenössische Quellen auch belegen, furchtbare Szenen abgespielt, als die Kinder aus ihren Familien gerissen wurden. Die geraubten Kinder wurden, um sie zu „zivilisieren“, in ungarische Bauernfamilien in weit entfernten Verwaltungsbezirken gesteckt, denen ein Pflegegeld bezahlt wurde. Die Kinder sollten nach dem Wunsch der Kaiserin später leicht kontrollierbare Handwerker oder Bauern werden. Erfolgreich waren diese Assimilierungsver-

suche eigentlich nur im heutigen Burgenland (damals Westungarn). Trotzdem wurden in vielen Teilen Deutschlands im 18. und 19. Jahrhundert Maria-Theresias unmenschliche Maßnahmen nachgeahmt. Ihr Nachfolger in Österreich-Ungarn, Joseph II, befreite zwar die „Zigeuner“ der Bukowina aus der Leibeigenschaft, verschärfte aber auch die Assimilationspolitik. Roma wurden gezwungen, die Kleidung der Dörfler zu tragen, der Gebrauch der eigenen Sprache Romanes etwa wurde unter Joseph II mit 24 Stockschlägen bestraft. Opfer-Täter-Umkehr Wenn also von Kindesentführungen im Zusammenhang mit Roma die Rede ist, sollte klar sein, dass Roma, gerade in Österreich, Opfer solcher Entführungen waren und nicht Täter. Die traditionellen Klischees von den kinderraubenden Roma sind wahrscheinlich entstanden, als zu Zeiten des 30-jährigen Krieges Menschen durch Hunger und Armut gezwungen waren, ihre Kinder wegzugeben oder gar auszusetzen. Die Erklärung „die Zigeuner haben das Kind gestohlen“ dürfte damals oft benutzt worden zu sein. Ähnlich antisemitischen Schauergeschichten haben sich diese Vorstellungen bis heute erhalten.

Lesetipp „Europa erfindet die Zigeuner – Eine Geschichte von Faszination und Verachtung“ von Klaus-Michael Bogdal, Suhrkamp, ISBN 978-3-518-42263-2

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„Breaking Bad“: Der Amerikanische Traum „Breaking Bad“ ist eine der erfolgreichsten TV-Serien der Fernsehgeschichte. Aber die actiongeladene Handlung rund um den Drogen verkaufenden Ex-Lehrer Walter White vermittelt zudem eine scharfe Anklage gegen die heutige Gesellschaft, findet Alexander SCHRÖDER. icht zufällig nennt sich der frühere Lehrer und nunmehrige Drogenbaron in „Breaking Bad“ Heisenberg – wie der Physiker Werner Heisenberg, der ewig scheinende Gewissheiten auf dem Gebiet der Physik zerschlagen hat und mit seiner Unschärferelation nachwies, dass die Bewegungsrichtung von physikalischen Teilchen nicht eindeutig bestimmt werden kann. In „Breaking Bad“, zerschlägt Heisenberg bisherige weltanschaulichen Gewissheiten der bürgerlichen Moral, vor allem seine eigenen. Die Bewegungsrichtung der Moral des Drogenbarons Heisenberg kann ebenso wenig eindeutig bestimmt werden wie die der physikalischen Teilchen in der Theorie des Physikers Heisenberg. Die Uneindeutigkeit der Moral ist das Hauptthema der Serie.

Lage und begreift die zynische Realität: „Wenn Menschen denken, dass du stirbst, hören sie dir richtig zu...“ Aber das Zuhören rettet seine Familie nicht. Denn die Behandlung der Krankheit, die in seinem Körper heranwächst, garantiert

Über verschenktes Potenzial

Vom Lehrer zum „Meth-Koch“

Gut und Böse können nicht mehr klar unterschieden werden. Gutes verwandelt sich permanent in Schlechtes und umgekehrt. Das macht die Serie so packend und für eine Ideologiekritik interessant. Wie sieht die künstlerische Inszenierung dieser Moral in der Handlung der Serie aus? Der brave Familienvater und Chemielehrer Walter White erfährt, dass er an Lungenkrebs erkrankt ist. Obwohl er zudem ein äußerst intelligenter Wissenschaftler ist (seine ehemaligen Kollegen sind durch sein Wissen stinkreich geworden), kann er sein enormes Potenzial bis zu seiner Erkrankung nicht voll ausnutzen.

Eine Chemotherapie ist in den USA eine teure Angelegenheit. Daher nutzt White die „hervorragenden“ Kenntnisse, die sein Sohn so sehr an ihm schätzt, um Christal-Meth zu produzieren und zu verkaufen. Unterstützt wird der von seinem drogensüchtigen ehemaligen Schüler Jesse Pinkman. Als gefragte, hochkarätige „MethKöche“ geraten die beiden immer weiter in kriminelle Machenschaften.

Ein Held verzweifelt Der brave, von seinem Sohn bewunderte Held, dessen Name bereits auf seine „weiße Weste“ hinweist, verzweifelt jedoch bald an seiner miserablen ökonomischen

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schnupft doch alles, was ihm in die Finger kommt“, stellt Heisenberg kritisch fest. Natürlich werden noch viele weitere Bösewichte auf kreative Weise aus dem Verkehr gezogen. Aber auch Unschuldige kommen immer wieder

Die Moral der Kriminellen Auch Heisenbergs Familie wird immer tiefer in Korruption und persönliche Konflikte hineingezogen. Zwischen Mord und Totschlag kommen den Protagonist_innen immer wieder Zweifel an ihrem Tun. Aber gerade die verzweifelte Situation der Menschen führt ja keine Heilung und erst recht keine ökonomische Absicherung seiner Familie.

Morden auf kreative Weise Bis aus dem braven US-Bürger mit der „weißen Weste“ der berüchtigte Drogenbaron „Heisenberg“ wird, strauchelt er von einem moralischen Dilemma zum nächsten. Sein erster Auftraggeber, ein brutaler Drogendealer, wird von einem Sprengstoffanschlag durch unseren „Helden“ getötet. Ein ebenso brutaler Drogenboss, wird mit seinen eigenen Drogen geschickt vergiftet: „Dieser Crétin

Elvis Costello and The Roots: Wise Up Ghost Elvis Costello veröffentlichte sein erstes Album 1977 in England und machte sich in den frühen Achtziger Jahren auch als Produzent der SkaBand „The Specials“ einen Namen. The Roots sind eine US-amerikanische Hip-Hop-Band, die 1987 in Philadelphia gegründet wurde. Sie nennen ihren Stil „Organic Hip-Hop“, da sie auf Samples und Scratches von Anfang an verzichteten und die Stil-Elemente Jazz und Soul mit ihrem Rap kombinierten. „Wise Up Ghost“ begann ursprünglich als Überarbeitung alter Costello-Songs, ehe sich daraus ein eigenständiges Album mit neuem Originalmate-

Foto: Tamara Weber

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zu Tode. Schon allein der fatale Konsum von „Meth“ führt zu mehreren Todesopfern. Eine süchtige Frau tötet ihren Partner im Streit um die Droge. Und gerade aufgrund der moralischen Empörung über seinen abhängigen Partner Jesse lässt Heisenberg dessen Freundin an einer Überdosis sterben. Ihr Tod wiederum führt zu einem Flugzeugcrash, da ihr unglücklicher Vater als Fluglotse seine Nerven verliert. Ein Jugendlicher wird nur deswegen ermordet, weil er Zeuge der Machenschaften der Meth-Köche geworden ist.

rial entwickelte. In den vorwiegend düster gehaltenen Texten geht es um das Unterdrückt-Werden ebenso wie um das Sich-unterdrückenLassen („We’ll stand in the light of your new killing ground/and we won’t make a sound“ aus „Walk Us Uptown“). „Refused to be saved“ und


auf Speed zu immer übleren Verstrickungen. Doch sie können ihrer Lage nicht einfach entfliehen, weil sie an ihren sozialen Beziehungen und moralischen Vorstellungen festhalten. Weiße Weste wird schmutzig Nicht das Geld an sich interessiert White, sondern das Geld als Mittel, seine Familie abzusichern. Trotz aller Konflikte mit seinen Verbündeten, Freunden und Familienmitgliedern will er gerade sie retten. All seine verbrecherischen Mittel dienen schlussendlich diesem Zweck. Es ist eine im Kern zutiefst sozialkritische Idee, die auf diese Weise transportiert wird. Allerdings ist sie mit dem illusionären amerikanischen Traum verwoben, der in der Serie auf den Boden der Tatsachen gestellt wird. Denn Breaking Bad zeigt, dass der Traum vom gesicherten Auskommen oder gar vom Aufstieg aus den unteren Schichten im heutigen US-Kapitalismus für den durchschnittlichen Bürger

kaum mit einer „weißen Weste“ zu realisieren ist. Walter White repräsentiert den Typus des normalen Amerikaners, der aus seiner sozialen Misere mit harter Arbeit nicht mehr herauskommt – es sei denn er ist bereit, sich die ehemals „weiße Weste“ schmutzig zu machen. Der gutbürgerliche Geduldsfaden muss reißen. Er muss das Falsche tun und ein skrupelloser Antiheld

Leo K’s

Musiktipps

werden, um den amerikanischen Traum zu verwirklichen. Meisterwerk der Gegenwartskunst Breaking Bad bietet zwar keine klaren Antworten auf die sozialen Fragen, die die Serie aufwirft. Sie bietet auch keine eindeutigen Antworten auf die Fragen der Moral, die sogar im Serientitel mitschwingen. Dennoch: Heisenbergs Schicksal ist eine vernich-

tende Kritik des gegenwärtigen Kapitalismus, der sogar seinen angepasstesten Bürgern keine menschenwürdige Existenz mehr ermöglicht. Daneben ist die Serie ein unvergessliches Meisterwerk der Gegenwartskunst. Redaktionell bearbeitet von Tom D. Allahyari. Vollständige Version des Artikels zuerst in Marx21 erschienen: marx21.de/content/view/2013/32

„Wake me up“ schlagen in ihrer bitteren Ironie in die gleiche Kerbe. Die dunklen grooves der „Roots“ unterstreichen die Message von Elvis Costello und stehen gleichzeitig dazu in gewissem Kontrast: Elemente aus HipHop, Ska und Funk, disharmonische elektronische Klänge sowie locker eingestreute Streicher-, Bläserund Chor-Arrangements lassen „Wise Up Ghost“ nicht nur als eine Verneigung vor den 1970erJahren mit sehr zeitgemäßem Bezug erscheinen, sondern auch als Ausnahme von der Regel, dass „Supergroups“ und „ElefantenHochzeiten“ selten Essentielles entstehen lassen. www.elviscostello.com/ micro/wise-up-ghost

Die 17-jährige Sängerin Ella Yelich-O’Connor aus Neu Seeland (Künstlername „Lorde“) wird von manchen Musik-Fachzeitschriften als Pop-Hype der Stunde „gefeiert“, doch ist sie weit mehr als das. Ihr soeben erschienenes Debut-Album „Pure Heroine“ klingt wie aus einem Guss: Klare, einfache Arrangements, die viel Raum für Lorde’s raunende Stimme und Texte lassen. Bombastisch sind lediglich einige hin- und wieder eingestreute Chor-Passagen, so zum Beispiel im song „Royals“, einem Stück jugendlicher, herber und klassenbewusster Konsumkritik, mit dem es ihr im Frühjahr dieses Jahres gelang, in den USA Platz Eins der Charts zu erobern. Es geht Lorde vorrangig dar-

um – im Gegensatz zu anderen Teenie-Stars, die dem Motto „Sex Sells“ entsprechend lediglich durch immer neue Schock-Schlagzeilen auffallen – das Lebensgefühl ihrer Generation absolut authentisch wiederzugeben. Aus vielen Texten spricht offene Verachtung für die Welt der Erwachsenen. In dem Song „Team“ heißt es etwa: „Wir leben in Städten, die ihr niemals auf der Leinwand sehen werdet – nicht wirklich hübsch, aber wir wissen trotzdem, wie man Spaß hat.“ Produzent Joel Little hat dem Album „Pure Heroine“ einen Sound verpasst, der angenehm zwischen Club-Beats und radiotauglichem Pop changiert. Dass das Album mit zehn Liedern nach einer Gesamtspielzeit von nur 37 Minuten bereits zu Ende ist, tut der Sache keinen Abbruch. „Pure Heroine“,

Foto: Charles Howells

Lorde: Pure Heroine

für das Lorde alle Songs selbst geschrieben hat, verzichtet bewusst auf Lückenbüßer zugunsten eines durchgängig hohen Niveaus. www.facebook.com/ lordemusic

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Antikapitalismus oder Kampagnen um Einzelthemen? In dieser Serie erarbeiten wir uns das Rüstzeug für revolutionären Aktivismus

von Manfred ECKER

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nzählige einzelne Themen, wie etwa Klimaschutz oder Antirassismus, können vielen Aktivist_innen ein ganzes Leben lang beschäftigen. Wer solche Kreise kennt, lernt überall die nimmermüden, unerschütterlichen Menschen kennen, die pausenlos ihr Bestes geben – meist unbezahlt und oft ohne Dank – ohne sich davon irritieren zu lassen, wie wenig Unterstützung sie von den offiziellen Stellen erhalten, in deren Zuständigkeit solche Aktivitäten eigentlich fallen. Die Aktivitäten solcher Aktivist_innen und die von politischen Organisationen, die sich Antikapitalismus auf die Fahnen heften, überschneiden sich notwendigerweise sehr häufig. Wir kämpfen gegen Kapitalismus und mobilisieren zumeist gegen Probleme, die durch Kapitalismus geschaffen bzw. erhalten werden. Dann kämpfen wir an der Seite von Flüchtlingsorganisationen, Umweltschutzorganisationen, den Opfern von Polizeigewalt, etc. Der auffälligste Unterschied zwischen Kampagnen um Einzelthemen und politischem Antikapitalismus besteht darin, dass wir Antikapitalist_innen uns gleichzeitig in verschiedenen Kampagnen und Kämpfen um eine ganze Reihe von Themen engagieren. Kapitalismus ist ein System, das ganz und gar von der Dynamik des Konkurrenzkampfes um Profite bestimmt wird. Wenn man tief hinter die Kulissen schaut um herauszufinden, warum beim Klimaschutz keine Fortschritte erzielt werden, oder warum die Situation für Flüchtlinge immer schlimmer wird, dann kommt man immer zum selben Schluss. Es gibt keine andere Notwendigkeit für diese Verbrechen als die kapitalistische Profitlogik: Jeder Staat dieser Welt vertritt zuerst die Interessen des ihn dominierenden Kapitals. Wenn die Interessen seiner Bürger_innen oder die der Umwelt damit in Konflikt geraten, dann spüren sie sehr deutlich wie wenig ihre Bedürfnisse zählen. Wir haben deshalb schon lange (das Kommunistische Manifest wurde 1848 veröffentlicht) den Schluss gezogen, unsere Energien im Kampf gegen das gesamte

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System zu bündeln. Wir sind zutiefst davon überzeugt, dass keine Errungenschaft, wenn sie der Profitmaximierung im Wege steht, von Dauer sein kann. Auf der anderen Seite kann man Kapitalismus nicht besser angreifen als über die Verbrechen, die er tagtäglich begeht. Die Kunst ist, diese Kämpfe so zusammenzuführen, dass sie die Sprengkraft entwickeln, Regierungen und Staaten besiegen zu können. Wenn sich die Arbeiterinnen und Arbeiter zusammentun und ihre geballte Kraft in diese Kämpfe werfen, dann können sie genau das erreichen. Denn Arbeiter_innen sind alles andere als

nur ausgebeutete und unterdrückte Opfer im Kapitalismus, sondern sie haben auch viel potentielle Macht. Sie sind eine riesige gesellschaftliche Kraft, sie sind – ob sie es wollen oder nicht – als Kollektiv organisiert, und sie können durch Streiks die Kapitalisten dort treffen, wo sie am empfindlichsten sind, bei den Profiten. Am wichtigsten dabei ist vielleicht: Alle Kämpfe gegen die Verbrechen im Kapitalismus sind im Interesse der globalen Arbeiterinnen und Arbeiterklasse. Es gibt keine künstliche Trennwand zwischen den Interessen von Flüchtlingen und heimischen Arbeiter_innen, oder zwischen Klimaschutz und dem Leben dieser und der nächsten Generation von Arbeiter_innen. Aber wenn man sie trennt, wenn man etwa auf die Bill Gates Stiftung als Problemlöser setzt, anstatt auf die geballte Kraft einer Massenbewegung von unten, dann verdammt man die Arbeiter_innen zur Passivität. Das Gegenteil – Massenaktivität – muss unser Ziel sein. Die scheinbare Gleichgültigkeit der Massen bringt viele engagierte Menschen dazu, auf ganz andere Kräfte als die Arbeiter_innenklasse zu setzen, damit geben sie aber nicht nur die wichtigste gesellschaftliche Kraft auf, sie verzichten auch auf die Möglichkeit in einer neuen, wirklich demokratischen Gesellschaft für unsere Zukunft zu kämpfen.


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Linkswende Monatszeitung für Sozialismus von unten Herausgeber (für Inhalt verantwortlich): Manfred Ecker Redaktion: Tom D. Allahyari, Manfred Ecker, Peter Herbst, Hannah Krumschnabel, Judith Litschauer, Oliver Martin, Ludwig Sommer Post: Kettenbrückeng. 5/102, 1050 Wien Telefon: 06504522473 Web: www.linkswende.org Email: redaktion@linkswende.org ZVR: 593032642

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Gegen Unterdrückung. Als Sozialist_innen stellen wir uns gegen alle Versuche uns entlang von Staatsgrenzen, Hautfarbe, R ­eligion, Geschlecht oder sexueller ­Orientierung zu spalten. Wir treten für echte soziale, ­politische und wirtschaftliche Gleichberechtigung von Frauen und für ein Ende aller Diskriminierungen von LGBT ein. Gegen Rassismus. Wir sind gegen jede ­Diskriminierung, Einwanderungskontrollen, Arbeitsverbote und für grenzüberschreitende ­Solidarität. Wir stellen uns gegen imperialistische Kriege. Wir stehen für Solidarität mit der muslimischen Bevölkerung und für das Recht auf freie Religionsausübung. Revolutionäre Partei. Diejenigen, die eine gerechte und solidarische Gesellschaft wollen, müssen sich zusammentun und dürfen die Entwicklung von Protestbewegungen nicht dem Zufall überlassen.

Revolutionäre Organisation • die auf Aktivität setzt, Proteste aufbaut und Widerstand organisiert. Über unsere Zeitung lernen wir Aktivist_innen kennen und schaffen uns ein festes Netzwerk. • die sich mit der politischen Situation auf ­regelmäßigen Treffen auseinandersetzt. • die in der Tradition revolutionärer Bewegungen steht und das „Gedächtnis“ der Arbeiter_innenklasse werden will. Wir machen Theorieund Öffentlichkeitsarbeit. • die gewährleistet, dass Demokratie auch handlungsfähig wird. Wir diskutieren ­wichtige Fragen ausführlich und setzen Entscheidungen gemeinsam um. • die unabhängig agieren will. Wir finanzieren den Aufbau von Linkswende über Mitgliedsbeiträge und ­Spenden.

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T F I G N E H C I GLE Auf uns kommen weitere Sparpakete zu, obwohl Austerität als schädlich für die Erholung der Wirtschaft erkannt wurde, kritisiert David ALBRICH.

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ie Sparprogramme in Griechenland haben versagt, sie brachten weiteren Wirtschaftsabschwung und massive Arbeitsplatzverluste. Dennoch halten Ökonomen Kürzungen für „unersetzbar“. Sie nutzen die Krise – offiziell, um die „Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen“ – in Wahrheit um die sozialen Errungenschaften wie die Universitäten, Schulen, das Gesundheitssystem und Arbeitsrechte zu beschneiden und die Angriffe auf die Arbeiter_innenklasse zu intensivieren. Christian Keuschnigg, Chef des Instituts für Höhere Studien (IHS), nennt das „kreative Zerstörung“. Er beklagt, dass Unternehmer nicht kündigen können, wen sie wollen: „Ein hoher Kündigungsschutz führt dazu, dass Beschäftigungsverhältnisse länger dauern und nicht mehr aufgelöst werden.“ Für die Rentabilität der Unternehmen sollen Arbeiter_innen ständig um ihren Arbeitsplatz bangen müssen.

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In der Metallindustrie greifen die Unternehmer die Arbeitsrechte über die „Arbeitszeitflexibilisierung“ an. Sie wollen sich aussuchen können, wann sie Arbeiter_innen nach Hause schicken und wann sie sie arbeiten lassen. Nur fünf Prozent der Europäer_innen stimmen laut einer GallupUmfrage den Mächtigen zu, dass die Sparpolitik funktioniert – über die Hälfte erklären sie für gescheitert. Das hindert Neoliberale wie Keuschnigg nicht daran zu behaupten: „Niemand stellt ernsthaft in Frage, dass die Krisenländer sparen müssen.“ Der Sparterror ist Klassenkampf von oben. In Griechenland sollen bis Ende des Jahres weitere 25.000 öffentlich Bedienstete entlassen werden. Auch in Österreich wird „ein Sparpaket kommen“, wenn es nach Keuschnigg oder der Regierung geht. Es wäre Zeit, diesem Klassenkampf von oben mit Streiks und allen nötigen Maßnahmen zu erwidern.

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