R A B C N Y S N U Journal fĂźr die Schauspielbranche Ausgabe 2019 / 02
Interviews und
Einblicke
Über den Bundesverband Schauspiel e.V. (BFFS): BFFS steht für Bühne, Film, Fernsehen, Sprache. Gegründet 2006 ist der BFFS mit seinen rund 3.400 Schauspielerinnen und Schauspielern inzwischen die mitgliederstärkste Berufsvertretung – Verband und Gewerkschaft – der deutschen Film-, Fernseh- und Theaterlandschaft und die größte nationale Schauspielerorganisation. Der BFFS vertritt die berufsständischen sowie die gewerkschaftlichen Interessen der Schauspielerinnen und Schauspieler in Deutschland. Er will die kulturellen, gesellschaftlichen, politischen, rechtlichen, tariflichen und sozialen Rahmenbedingungen verbessern bzw. schaffen, die sowohl den einzigartigen Schauspielberuf schützen, bewahren und fördern als auch die besondere Lebens- und Erwerbsituation der Künstlerinnen und Künstler berücksichtigen, die diesen Schauspielberuf ausüben.
Fotos Titelseite v.l.n.r.: Michael Pan © Matthias Scheuer, audioberlin.com ; Simone Wagner © Jeanne Degraa; Hans-Werner Meyer © Michael Ruscheinsky; Till Völger © Kornelia Boje; Thomas Danneberg; Anke_Reitzenstein © Ruth Zuntz
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Editorial Liebe Mitglieder, liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie halten nun die zweite Unsyncbar 2019 in der Hand bzw. haben sie vor sich auf einem elektronischen Gerät. In der Redaktionssitzung wurde schnell klar, dass wir eine Reihe von Interviews und Artikeln von und über Kolleginnen und Kollegen in diese Ausgabe bringen wollen. Deshalb haben wir uns entschlossen, dass dieses Heft nicht die eine Titelstory haben wird, sondern ganz im Zeichen der Kolleginnen und Kollegen stehen soll, um die es in dieser Unsyncbar geht. Wir haben unter anderem den Vorstandsmitgliedern Hans-Werner Meyer, Simone Wagner und Till Völger einige Fragen zu ihren Aufgaben und Zielen, ihren Motiven und Wünschen gestellt. So erfahren Sie mehr über den Fahrplan, den sich der Vorstand gegeben hat, und lernen andererseits die Menschen dahinter näher kennen, die sich mit viel Herzblut ehrenamtlich für den Verband und unsere Belange einsetzen. Hans-Werner Meyer hat einen Artikel über den Deutschen Schauspielpreis geschrieben. Bei der Preisverleihung am 13. September im Zoo Palast (Berlin) wird es einige Neuerungen geben: Aus dem ‚Starken Einsatz’ wird der ‚Deutsche Fairnesspreis’ und weitere Verände-
Inhalt Interview: Hans-Werner Meyer 4 Interview: Simone Wagner 6 Der Deutsche Schauspielpreis 8 Interview: Till Völger 12 Interview: Thomas Danneberg 16 Nein-Sagen – eine Kunst, die man lernen kann 20 In memoriam... 22 Medien Ticker: Den richtigen Ton gefunden? 23 Aus dem Off: Da geht doch noch was! 24 Aus dem Off: Kleine und andere Sünden 25 Von „Traumgagen“ und angemessener Bezahlung 26 Schon gewusst? 27
Ilona Brokowski, Denise Kanty, Stefan Krause rungen sollen sicherstellen, dass der Preis den Herausforderungen, die sich durch den Wandel der Zeit und durch die Erweiterung des Verbandes ergeben, gerecht wird. Aus dem Bereich Synchron gibt es ein spannendes Interview mit Thomas Danneberg – einem Kollegen, der seit den 60er Jahren im Synchronatelier stand und aus seinem Leben und von seinen Erfahrungen erzählt. Außerdem beleuchten wir in „Traumgagen“ und „Nein-Sagen – Eine Kunst, die man lernen kann“ Probleme, die nicht nur in der Synchronbranche die Arbeit beeinflussen und erschweren. Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim Lesen. Ihre Unsyncbare Redaktion.
Impressum Bundesverband Schauspiel e.V. Kurfürstenstraße 130 10785 Berlin Geschäftszeiten Telefon Fax E-Mail Internet
Mo– Fr / 9–17 Uhr +49 30 225 02 79 30 +49 30 225 02 79 39 info@bffs.de www.bffs.de
Redaktion Ilona Brokowski, Denise Kanty, Stefan Krause, Antoine Monot, Jr. Autoren und Autorinnen Hans-Werner Meyer Verantwortlich Antoine Monot, Jr. Design & Satz Kaja Kummer, KUMR.de
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BFFS ALLGEMEIN
INTERVIEW
Der neue Vorstand stellt sich vor… Fragen an Hans-Werner Meyer Ilona Brokowski: Lieber Hans, du bist eines der „älteren“ (im Sinne von längeren) Vorstandsmitglieder und bringst schon viel Lobby-Erfahrung mit. Wie lange machst du das schon und was treibt dich immer noch an? Hans-Werner Meyer: Ich habe den Verband zusammen mit Michael Brandner und fünf anderen Kolleginnen und Kollegen vor 13 Jahren gegründet. Seitdem bin ich im Vorstand. Dass der Verband inzwischen über 3400 Mitglieder und Dinge erreicht hat, von denen wir bei der Gründung niemals zu träumen gewagt hätten, ist für mich der Antrieb, weiter zu machen. Denn das Erreichte kann schnell wieder verschwinden, wenn wir es nicht verteidigen und vertiefen, das habe ich in den 13 Jahren gelernt. Welche Ressorts gehören zu deinen Aufgabenfeldern? Hast du ein Lieblings-Ressort? Hans: Meine Ressorts sind Kommunikation und der Deutsche Schauspielpreis. Darüber hinaus aber bin ich als Mitglied des Vorsitzes auch für alle anderen Themen zuständig, wenn es etwa darum geht, zusammen mit Till Völger auf europäischer Ebene für die Durchsetzung der neuen Urheberrechtsrichtlinie zu kämpfen oder bei der deutschen Regierung Lobbyarbeit für die Durchsetzung eines erleichterten Zuganges zum Arbeitslosengeld 1 zu betreiben. Meine Aufgabe besteht also darin, den Überblick zu behalten und überall dort eingesetzt zu werden, wo es nötig ist.
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Hat sich der BFFS in den vergangenen Jahren verändert? Immerhin gibt es ihn schon seit 2006. Woran erkennt man die Veränderungen am deutlichsten? Hans: Erstaunlich viele Prinzipien, die wir uns am Anfang gesetzt haben, existieren immer noch, etwa, dass unsere Arbeit als Schauspieler immer vorgeht und wir unser Ehrenamt freiwillig und unentgeltlich ausüben. Aber dank der kontinuierlich zuverlässigen und hochqualifizierten Arbeit unserer Geschäftsstelle und unserer beiden Justiziare Bernhard F. Störkmann und Brien Dorenz haben wir inzwischen einen sehr professionellen Umgang mit den Problemen und Themen gefunden, mit denen wir uns beschäftigen müssen. Diese Professionalisierung sehe ich am deutlichsten in der Effizienz der Kommunikation, die wir inzwischen erreicht haben. Dieser ungeheure Berg an Arbeit kann nur durch effiziente Kommunikation bewältigt werden. Das wiederum setzt Vertrauen in die Fähigkeiten und Integrität der Vorstandskolleginnen und Kollegen voraus, wobei die Integrität wichtiger ist als die Fähigkeiten, weil diese erlernt werden können. Vor dreizehn Jahren hatte niemand von uns spezielle Fähigkeiten, die für diese Vorstandsarbeit notwendig sind. Abgesehen von Heinrich mit seiner Liebe für Zahlen und Diagramme (lacht). Du bist nicht nur Vorstandsmitglied des BFFS, sondern vor allem Schauspieler und Musiker. Was machst du so und was machst du am liebsten? Hans: Derzeit drehe ich unter anderem die Serie „Letzte Spur Berlin“, zusammen mit der Kollegin Jasmin Tabatabai, spiele derzeit im Renaissance-Theater Berlin, lese
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© Michael Ruscheinsky
BFFS ALLGEMEIN
Hörbücher ein und trete mit meiner A-Capella-Gruppe „Meier und die Geier“ und meinem Bruder, dem Kabarettisten Chin Meyer in unserem gemeinsamen Programm „Klangrazzia“ auf. Ich liebe jeden Aspekt meiner Arbeit, aber wenn ich zu lange nicht auf der Bühne stehe, werde ich unausstehlich. Welche drängenden Ziele und Aufgaben stehen dem BFFS in den kommenden Monaten ins Haus? Gib uns gern einen kleinen Ausblick! Hans: Die drängendsten Probleme derzeit sind: • Verhandlung von verbindlichen Gagenregelungen mit den Privattheatern
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• Umgang mit der neuen, durch das Gerichtsurteil eingetretenen und für uns alle desaströsen Unständigkeitspraxis • Begleitung der Überführung der EU-Urheberrechtsrichtlinie in nationales Recht; Zur Erinnerung: Die Richtlinie ist noch kein Gesetz, sondern eben eine Richtlinie an der sich die nationale Gesetzgebung der EU-Mitgliedsstaaten zu orientieren hat. Da ist also noch viel zu tun! Lieber Hans, ich danke dir für das Gespräch.
Ilona Brokowski
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BFFS ALLGEMEIN
INTERVIEW
Der neue Vorstand stellt sich vor… Fragen an Simone Wagner
Simone Wagner ist BFFS-Mitglied der ersten Stunde und hat den Frankfurter Stammtisch ins Leben gerufen. Seit 2016 arbeitet sie im Vorstand mit den Schwerpunkten Aus- und Weiterbildung, Casting und Stammtische. Denise Kanty hat Simone einige Fragen gestellt, um sie allen Mitgliedern persönlicher vorzustellen. Denise Kanty: Liebe Simone, herzlichen Glückwunsch auch an dich zur Wahl ins BFFS-Vorstandsteam. Du bist ja schon länger dabei. Was hat dich damals bewogen, in den BFFS einzutreten? Simone: Ich bin Mitglied seit 2006. Ich war froh, dass es endlich einen Verband gibt, der sich um die Belange von Schauspielerinnen und Schauspielern kümmert. Jemand der mich an die Hand nimmt, um in meiner Branche zu bestehen. Ich wäre froh gewesen, als ich mit meinen 21 Jahren die Schauspielschule abgeschlossen hatte, zu wissen, wie ich mich sozialversichere oder wie ich mit niedrigem Lohn umgehen kann. Um nur zwei Beispiele zu nennen, die für mich damals eine unüberwindbare Hürde darstellten. Du bist seit einigen Jahren für die Stammtische zuständig? Was gefällt dir an dieser Aufgabe besonders? Simone: Dass ich mit unterschiedlichen Menschen kommunizieren darf, und obwohl wir sehr verschiedene Interessen hegen, gemeinsam in einem Boot sitzen und für etwas „kämpfen“ an das wir glauben. Teamgeist und Vertrauen sind für mich wichtige Eckpunkte, um gemeinsam etwas zu erreichen.
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Welche Aufgabenbereiche gehören sonst noch zu deiner Vorstandsarbeit, welche Ressorts und Themenschwerpunkte? Simone: Zu meinen Ressorts als Vorstandsmitglied gehören „Stammtische“, „Besetzung“ und „Aus- und Weiterbildung“. Besonders das letzte liegt mir sehr am Herzen, denn durch meine Erfahrung kann ich junge Schauspielerinnen und Schauspieler auf ihrem Weg begleiten. Und wie gesagt, ich wäre froh gewesen, jemand hätte mich vor über 20 Jahren unterstützen können. Du bist Schauspielerin, Mutter, Frau! Viele Rollen, viele Aufgaben – welche machen Dir am meisten Spaß, welche sind besonders herausfordernd? Welche (Schauspiel-) Rollen waren bisher deine liebsten? Simone: Es ist tatsächlich so, dass es in meinem Leben viele Rollen gibt, die ich ausfüllen möchte und auch muss. Meine Lieblingsrolle oder besser gesagt, mein Ich als Mutter, ist die allerschönste. Es füllt mich aus, ist zeitweise auch anstrengend, aber ein wundervolles Geschenk, das mir das Leben bietet. Dafür würde ich auch, wenn es gerade nicht passt, jedes Hollywood-Angebot sausen lassen :-) Auf der Bühne war tatsächlich die Rolle des „Macbeth“ die anspruchsvollste und herausforderndste. Als Frau einen Mann zu spielen, der von seiner Frau getrieben wird, war mehr als interessant. Da bin ich an meine Grenzen gestoßen und darüber hinaus.
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© Jeanne Degraa
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Welche Herausforderungen stehen dem BFFS deiner Meinung nach bevor oder sind besonders drängend? Simone: Es gibt so viele wichtige „Baustellen“, um die wir uns kümmern und auch jetzt schon vorantreiben. Ein großes Thema wird „Bühne“ sein. Genauer, wir machen uns daran, mit Privattheatern verbindliche Regelungen auszuhandeln. Und natürlich gibt es bei dem Thema „Unständigkeit“ einen großen Handlungsbedarf. Viele unserer Mitglieder sind mit der neuen Regelung mehr als unglücklich. Und hier müssen wir dringend eine zufriedenstellende Lösung mit allen Beteiligten finden. Hast du Ideen, wie diese gelöst werden können? Simone: Wir möchten auch im Bereich „Bühne“ unser Modell der Einstiegsgagen einführen. Da sind wir im Gespräch mit Privattheatern. Weil die in den Regionen verteilt sind, erhoffen wir uns von unserem neuen Patensystem, das unseren Einfluss in den Regionen stärken wird, einen engeren Draht zu den jeweiligen Theatern.
Ansonsten, bin ich Inhaberin einer Kinder- und Jugendschauspielschule in meiner Heimatstadt und habe hierfür große Verantwortung. Ich leite als Dozentin Kurse, kümmere mich ums Marketing, die Buchhaltung und alles Weitere, was zu einem kleinen Unternehmen dazugehört. Auch dies ist sehr bereichernd. Vor allem bin ich immer wieder verblüfft welch wunderbares Schauspieltalent in den Kindern und Jugendlichen schlummert. Keine Kopfmenschen, sondern sie handeln aus dem Impuls heraus und stürzen sich in jedes Abenteuer. Soviel Spielfreude würde ich mir manchmal auch von meinen Kollegen und Kolleginnen wünschen.
Zum Thema „unständige Beschäftigung“ wurden und werden mit den Sozialversicherungsträgern, der Produzentenallianz, den Sendern und auch der Politik bereits Gespräche geführt. Die Fragen sind: Wie sieht die rechtliche Situation genau aus? Wie könnte sie vereinfacht und praxisnäher gestaltet werden? Vor allem aber: Wie müsste sie angepasst werden, so dass unsere Schauspielerinnen und Schauspielern aus den Bereichen Synchron, Film und Fernsehen wie Bühne einerseits sozial optimal geschützt sind und andererseits von der Abgabenlast nicht erdrückt werden? Vielen Dank für das Gespräch.
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Denise Kanty
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© Ricarda Spiegel
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Die Jury des DSP 2019. Untere Reihe v.l.n.r.: Anne Weinknecht, Anton Rattinger, Sheri Hagen, Hans Jochen Wagner Obere Reihe v.l.n.r.: Marcus Off, Aglaia Szyszkowitz, Katja Weitzenböck
Der Deutsche Schauspielpreis mit neuen Kategorien Theaterpreis, Synchronpreis, Fairnesspreis Mit dem Deutschen Schauspielpreis, den der BFFS in diesem Jahr bereits zum achten Mal verleihen wird, ist der Branche eine Institution erwachsen, die offenbar eine Lücke geschlossen hat. Das Selbstverständnis unseres Berufsstandes hat sich verändert. Dieser von kollegialer Wertschätzung durchdrungene Preis zeigt der interessierten Öffentlichkeit, den Menschen, die unser Spiel ermöglichen und finanzieren - also der Branche vor allem aber auch uns selbst jedes Jahr aufs Neue, wie viel Spaß unser Beruf machen kann, wie schön, un-
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fassbar und faszinierend er ist. Und er widerlegt das Vorurteil, dass sich Schauspieler untereinander nur als Konkurrenten empfinden. Gezeugt aus einer Laune, geboren mit Enthusiasmus, hineingewachsen ins Chaos, die Kindheit trotz Kinderkrankheiten überlebt, ist er dank der kontinuierlichen, ehrenamtlichen und unglaublich engagierten Arbeit des Gestaltungsteams um Nadine Heidenreich, Christian Senger und Michael Ruscheinsky inzwischen in
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ein ruhigeres Lebensalter hineingewachsen. Vor allem die Entscheidung, die Organisation und die finanzielle Verantwortung aus der verbandseigenen (inzwischen liquidierten) „Deutsche Schauspielerpreis Gmbh“ auszulagern und die bis dato ausführende Agentur „La Maison“ damit zu beauftragen, hat dazu entscheidend beigetragen. Die drei Damen des Hauses führen seitdem die Geschäfte ganz wunderbar, die wir weder führen wollen noch können: Kerstin Schilly, Christine Bücken und Michelle Victor Adamsky.
Eine Mission der Würde Inzwischen wird der Deutsche Schauspielpreis mit den wichtigsten Branchenpreisen in einem Atemzug genannt, wenn es darum geht, die Leistung von Kolleginnen und Kollegen zu würdigen. Mit anderen Worten: Die Mission, die Deutungshoheit über unseren Beruf zurückzuholen, ist erfolgreich abgeschlossen. Abgeschlossen? Wirklich? Die Deutungshoheit über unseren Beruf? Welcher Beruf denn? – Na, der Beruf der Schauspielerin, des Schauspielers, oder nicht? Aber wer oder was ist das? Wo finden wir diesen Beruf? Diese stolze Berufsbezeichnung, die so schwer zu fassen ist, so schwer zu schützen und so schwer zu begreifen, sie wird ja kaum noch verwendet! Was wurde nicht alles unternommen, um sich ihrer zu bemächtigen, sie zu banalisieren und greifbar zu machen. Aus Schauspieler*innen vor der Kamera wurden „Darsteller*innen“, aus Schauspieler*innen vor dem Mikrofon „Sprecher*innen“, aus sehr erfolgreichen Schauspieler*innen „Stars“. Selbst am Theater werden wir inzwischen häufig „Darsteller*innen“ genannt. So als ob das Mysterium der Verwandlung durch einen Begriff abgeschafft werden könnte, der nach einem Messestand klingt, auf dem etwas zur Schau gestellt wird. Zu unserer Mission, dem Beruf die Würde zurückzugeben, die ihm von Natur aus eigen ist, gehört also auch, die Einheit wiederherzustellen. Ob wir auf der Bühne spielen, vor der Kamera oder vor dem Mikrofon, es ist ja immer dieselbe spielerische Kunst der Verwandlung nur eben mit anderen Mitteln. Aus diesem Grund haben wir im letzten Jahr schließlich auch den Zusammenschluss mit dem IVS, dem Interessenverband Synchronschauspieler, vollzogen. Aus diesem Grund wurde schon vor einigen Jahren aus dem Bundesverband der Film und Fernsehschauspieler BFFS der Bundesverband Schau-
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spiel (Bühne Film Fernsehen Sprache) BFFS. Erste Auszeichnung für das Spiel auf der Bühne und vor dem Mikrofon. Und genau aus diesem Grund wird es im Jahr 2019 zum ersten Mal beim Deutschen Schauspielpreis auch eine Auszeichnung für das Spiel auf der Bühne und für das Spiel vor dem Mikrofon geben. Jeder, der schon ein paar Preisverleihungen durchlebt hat, weiß, dass eine solche Veranstaltung kein Zuckerschlecken ist, kein rein unterhaltsames Vergnügen, sondern ein Ritual das verbindet, das durchgestanden werden muss, damit es die Gemeinschaft stiftet, von der es zeugen soll, bei aller Spannung, wer die Preise gewinnt, bei allen Versuchen, dieses Ritual so unterhaltsam wie möglich zu gestalten. Jede Preisverleihung ist zu lang. Wirklich jede. Jede, jede, jede. Ich jedenfalls habe es noch nie anders erlebt. Das Spiel auf der Bühne: Für den Theaterpreis stehen künftig Kolleginnen und Kollegen Paten Aber auch wenn es ein Kampf gegen Windmühlen ist, wir geben ihn nicht auf; in jedem von uns steckt schließlich ein Don Quixote. Wir sind fest entschlossen, die Verleihung des Deutschen Schauspielpreises nicht ins Endlose auszudehnen und den unausweichlichen Schmerz in den Sitzknochen auf das absolut Unabdingbare zu reduzieren. Wie also das Spiel auf der Bühne und vor dem Mikro zusätzlich zu den bereits existierenden Kategorien würdigen, ohne einen Marathon daraus zu machen? Die Wahrheit ist: Wir wissen es noch nicht. Verschiedene Kategorien für die Bühne und den Synchronbereich einzuführen, kommt nicht nur wegen der Überlänge nicht in Frage, die der Abend dann hätte. Sondern auch, weil jeder Versuch, alle relevanten Theaterproduktionen und alle synchronisierten Filme zu sichten, aufgrund ihrer schieren Masse zum Scheitern verurteilt ist. Also probieren wir mal was. Für die Bühne haben wir uns für einen Patenpreis entschieden. Wir haben bereits im vergangenen Jahr einen Kollegen gewählt, dessen Expertise über jeden Zweifel erhaben ist und ihn gebeten, eine radikal subjektive Entscheidung zu fällen: Wer hat Sie im vergangen Jahr auf der Bühne in einer ganz besonderen Weise inspiriert? Und warum? Dieser Pate ist in diesem Jahr der hochgeschätzte Kollege – und seit kurzem Präsident der Filmakademie – Ulrich Matthes. Seine Wahl wird er am 13. September bei der Verleihung des Deutschen Schauspielpreises im Zoo Palast mit einer Laudatio begründen.
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Das Spiel vor dem Mikro: Fünfköpfige Jury wählt den diesjährigen Preisträger des Synchronpreises Für das Spiel vor dem Mikro haben die Kollegen von der Sektion Sprache, (dem jetzt zum BFFS gehörenden Synchronverband IVS), einen Aufruf unter ihren Mitgliedern gestartet, Vorschläge einzureichen, welcher Kollege, welche Kollegin sie im vergangen Jahr besonders begeistert hat. Aus diesen Vorschlägen wird eine fünfköpfige Jury die diesjährige Preisträgerin oder den diesjährigen Preisträger auswählen. Diese fünf Köpfe gehören den Kolleginnen und Kollegen Beate Gerlach, Hilke Flickenschildt, Maria Koschny, Frank Röth und Patrick Baehr.
Der Deutsche Fairnesspreis
Dafür definieren der Vorstand des BFFS und ver.di Vertreter in jedem Jahr ein Thema, das unserer Wahrnehmung nach unsere Vorstellung von Fairness prägen sollte. In diesem Jahr ist es das Thema Diversität. In einer Zeit, in der es mehrheitsfähig zu werden droht, Menschen von einem fairen Umgang miteinander auszuschließen, weil sie anders sind, erscheint uns dieses Thema besonders drängend. Wir haben das Glück, einen Beruf auszuüben, mit dem wir in entscheidender Weise die Wahrnehmung der Menschen beeinflussen können. Und gerade weil wir dafür kämpfen, dass wir diesen Beruf unter fairen Bedingungen ausüben können, wollen wir die Chance, den Fokus darauf zu lenken, was Fairness eigentlich bedeutet, nutzen.
Diversität als Leitgedanke Gesucht wird also ein Film, der entweder das Thema Diversität behandelt oder in selbstverständlicher Weise zeigt, indem das handelnde Personal vor und/oder hinter der Kamera divers ist, oder beides, der damit unsere Wahrnehmung davon, wie unterschiedlich Menschen sind, prägt. Und in diese Suche wollen wir die anderen Filmschaffenden integrieren, weil Film bekanntlich Teamarbeit ist. Es wird ein Treffen stattfinden, bei dem die Verbandsvertreter über die Vorschläge diskutieren, und sie sind aufgefordert, ihren Vorschlag in diese Diskussion einzubringen. Aus von den Verbandsvertretern diskutierten Vorschlägen wird dann eine fünfköpfige Jury aus Vertretern des BFFS, von ver.di, Pro Quote Film, dem Verband Deutscher Drehbuchautoren (VDD) und dem Bundesverband Casting (BVC) den © Eva Oertwig
Und noch eine Veränderung wird es geben: Aus dem Starken Einsatz, unserem Gemeinschaftspreis mit ver. di wird der Deutsche Fairnesspreis. Ja, die Branche braucht Fairness. Aber was genau ist eigentlich Fairness? Als wir den BFFS aus genau diesem Grund vor 13 Jahren gegründet haben, war einer unserer Grundsätze, immer über den Tellerrand der eigenen Partikularinteressen hinauszublicken und die Zusammenhänge im Auge zu behalten, von denen sie abhängen. Genau dafür wollen wir den Fairnesspreis nutzen. Zusammen
mit allen relevanten Filmverbänden, die sich daran beteiligen möchten, suchen wir einen Film, der diese Frage für uns beantwortet oder zumindest in den größeren Zusammenhang stellt.
Preisträger 2018
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Gewinnerfilm wählen, der natürlich selbst unter fairen Bedingungen entstanden sein muss.
© Sebastian Reuter
Da nicht nur Film, sondern auch der Deutsche Schauspielpreis Teamarbeit und dieses Team inzwischen ziemlich groß ist, ist es naturgemäß unmöglich, all die wunderbaren und ehrenamtlichen Helfer namentlich zu erwähnen, die dazu beitragen, dass und wie er stattfinden kann, aber jene 7 Helden, die seit Monaten einen Film nach dem anderen sichten und sich die Köpfe darüber heiß reden, was inspirierendes Schauspiel ist, unserer diesjährigen Jury wollen wir schon im Vorfeld namentlich danken: Katja Weitzenböck, Anne Weinknecht, Sheri Hagen, Aglaia Szyszkowitz, Anton Rattinger, Marcus Off und Hans Jochen Wagner.
Verleihung des DSP am 13. September Am 13. September wird die Verleihung über die Bühne des Zoo Palastes in Berlin gehen. Unsere Versuche, einen größeren Veranstaltungsort zu finden, um endlich mehr BFFS-Mitglieder einladen zu können, war in diesem Jahr leider noch nicht von Erfolg gekrönt, aber die Chancen, es im nächsten Jahr zu schaffen, sind greifbar nah. Nichtsdestotrotz ist es uns ein großes Anliegen, auch in den mit seinen knapp über 700 Plätzen viel zu kleinen Zoo Palast in diesem Jahr mit mehr Mitgliedern füllen zu können, als bisher. Die Wer-sich-zuerstmeldet-kommt-rein-Methode vom letzten Jahr hat sich insofern als Bumerang entpuppt, als dass der Andrang so groß war, dass das Kartenkontingent schon wenige Sekunden nach dem Start vergeben war.
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Darum werden wir in diesem Jahr wieder auf das Losprinzip zurückgehen und versuchen, jene Mitglieder aus dem Los-Topf zu nehmen, die schon mal eingeladen wurden, damit auch die in den Genuss kommen, die es seit 8 Jahren immer wieder versuchen und nicht schaffen. Wir werden bei inzwischen über 3400 Mitgliedern nie alle einladen können und auch bei dem Versuch, es trotzdem so gerecht wie möglich zugehen zu lassen, nur scheitern, aber, um mit einem Schlingensief-Zitat zu enden: “Scheitern, besser scheitern!” Der Kampf gegen Windmühlen soll zumindest Spaß machen, und das tut er immer noch und immer wieder, dank des großartigen Teams, das dahinter steht.
Hans-Werner Meyer
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© Kornelia Boje
INTERVIEW
Der neue Vorstand stellt sich vor… Fragen an Till Völger
Stefan Krause: Till, du bist neben Klara das jüngste Mitglied des Vorstandes – was hast du bisher gemacht? Till Völger: Vor meiner Mandatierung als Vorstandsmitglied des BFFS war ich im Vorstand des InteressenVerband Synchronschauspieler e.V. (IVS), bis IVS und BFFS im September letzten Jahres endgültig miteinander „verschmolzen“ sind.
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Ich bin seit etwas über 15 Jahre in der Synchronbranche tätig, das erste Mal stand ich mit 5 oder 6 Jahren im Studio. Im Jahre 2008 habe ich mich dann dazu entschieden, neben der Synchronschauspielerei den Weg der Juristerei einzuschlagen. Im Studium hatte ich das große Glück, dass die erste Vorlesung zum Bürgerlichen Recht von Herrn Prof. Wandtke gehalten wurde, einem ausgewiesenen Urheberrechtsexperten. Über ihn bin ich dann mit dem Urheberrecht in Berührung
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gekommen, habe 2010 als studentischer Mitarbeiter an seinem Lehrstuhl angefangen und dort dann auch meine tatsächliche Ausbildung im Bereich „Geistiges Eigentum“ erhalten. Schon im Jahre 2009 bin ich in den bereits 2006 gegründeten IVS eingetreten. Seither habe ich dann angefangen im Verband mitzuwirken. Zunächst nur im Rahmen der Mitgliederversammlungen, später dann (2014) über die Berufung als Beirat in die GVL. Nachdem ich 2013 meine erste juristische Staatsprüfung hinter mich gebracht hatte, habe ich mich weiter dem Urheberrecht gewidmet und bin ins Promotionsstudium übergegangen. Während dieser sehr lehrreichen Zeit habe ich seit 2015 immer intensiver beratend im IVS mitgewirkt. Als unser damaliger Vorsitzender, Peter Reinhardt, der den Verband gegründet und aufgebaut hat, aus persönlichen Gründen aus dem Vorstand zurückgetreten ist, habe ich mich nach Rücksprache mit den übrigen Vorstandsmitgliedern für eine Kandidatur entschieden – und bin gewählt worden. Heute – nach dem Zusammenschluss von IVS und BFFS – sind wir als vereinigte Schauspielgewerkschaft einige deutliche Schritte weiter, als es noch 2006 der Fall war. Beide Verbände haben in der Vergangenheit viel erreicht, da will ich ansetzen und den Weg weitergehen. Als angehender Jurist hast du viel Know-how aber auch „nebenbei“ viel zu tun? Was treibt dich an? Till: Die Arbeit im BFFS – wie auch zuvor die im IVS – ist natürlich eine ehrenamtliche, dass jeder von uns „nebenbei“ noch einiges bewegen muss, um die Brötchen auf den Tisch zu bekommen, ist da ja klar. Für mich ist das aktuell neben meiner Synchrontätigkeit vor allem das juristische Referendariat. Außerdem habe ich im September letzten Jahres meine Dissertation eingereicht; ich befinde mich also in den letzten Zügen meines Promotionsverfahrens, was natürlich ebenfalls noch Zeit in Anspruch nimmt. Das alles unter einen Hut zu bekommen ist zweifelsohne eine Herausforderung, aber eine angenehme. Denn letztlich bin ich – wie schon gesagt – über die Juristerei erst als Verbandsmitglied des IVS aktiv geworden, später dann als Vorstand. Als Jurist habe ich aber auch schon die Unternehmerseite kennengelernt – allerdings nicht im Kultursektor – und die Erfahrung gemacht,
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dass es da in bestimmten Punkten doch wesentlich leichter ist, die jeweiligen Interessen effektiv zu vertreten. Und warum hast du dich dann für die Seite der Kreativen entschieden? Till: Zunächst einmal ist es ganz einfach: Diese Seite ist die, auf der ich selbst stehe. Ich bin außerdem zutiefst davon überzeugt, dass dieser Weg der richtige ist. Das hat vor allem etwas mit den Erfahrungen zu tun, die ich im Synchronbereich sammeln konnte. In dieser Branche wird in rechtlicher Hinsicht sehr viel „hemdsärmelig“ gearbeitet. Das mag sehr familiär und locker rüberkommen, ist aber in vielen Fällen ein wirklicher Nachteil für die Kolleginnen und Kollegen. Vielfach fehlt es hier an einem professionellen Umgang mit rechtlichen Fragestellungen. Ich meine, dass es hier viel Veränderungsbedarf gibt und dass wir hier wirklich etwas bewegen können – gemeinsam. Und dafür „brenne“ ich auch. Du hast die Verschmelzung mit dem IVS maßgeblich mit angetrieben – welche Vorteile haben sich dadurch deiner Meinung nach ergeben? Till: Anfangs war ich tatsächlich derjenige, der auf die Bremse getreten hat. Die Überlegungen zu einem Zusammenschluss der Verbände lagen schon seit einer Weile in der Luft, aber Mitte 2015 war ich der Meinung, dass der IVS noch nicht bereit für dafür ist. Wir hatten noch einige Schritte auf einem Weg vor uns, den wir – davon war und bin ich überzeugt – erst mal zu Ende gehen mussten. Das betrifft vor allem das Verfahren vor dem Bundessozialgericht zur Klärung der Statusfrage. Aber wir mussten uns als Verband auch ein wenig neu ausrichten und auf die aktuellen Erfordernisse in der Branche einstellen. In all dieser Zeit hatten wir aber auch einen immer engeren Kontakt mit dem damaligen Vorstandsteam des BFFS. Wir haben uns zu fast allen Themen abgesprochen, gemeinsame Aktionen geplant und wir sind ab dem Jahr 2016 fast immer zusammen aufgetreten. Auf diese Weise ist ein großes Vertrauen zwischen uns gewachsen. Dieses Vertrauen und die Fortentwicklung des IVS haben dazu geführt, dass wir Anfang 2017 gesagt haben: Machen wir’s! Durch den Zusammenschluss haben wir nun einen einheitlichen Schauspielverband in Deutschland, der als Gewerkschaft die Interessen aller Schauspiel-Gewerke vertritt. Das an sich ist schon ein deutlicher Mehrwert!
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Darüber waren wir nun auch in der Lage, als vereinte Organisation einen Antrag auf Mitgliedschaft bei der GVL zu stellen – der BFFS wird also künftig Gesellschafter der Verwertungsgesellschaft sein. Auch das eröffnet uns neue Möglichkeiten, die wir als Einzelverbände so vorher nicht hatten. Vorteil aber gleichzeitige Herausforderung ist schließlich, dass wir als Schauspielfamilie nun einen weiteren Prozess des „Zusammenwachsens“ angestoßen haben. Dann gibt es da natürlich noch – ganz profan – die logistischen und finanziellen Vorteile. Wir hatten vorher zwei Infrastrukturen für eine Idee, ein Ziel. Durch den Zusammenschluss können wir nun sämtliche Synergieeffekte nutzen, wobei wir hier und da sicher noch ein wenig nachsteuern müssen. Wir haben unter der Überschrift „Professionalisierung“ eine neue Stufe erreicht. Als gemeinsame Schauspielgewerkschaft gehören wir zu den Verbänden, die in der Kulturlandschaft durchaus wahr- und ernstgenommen werden. Wir sind noch lauter geworden. Welche Ressorts gehören zu deinen Schwerpunkten?
Andererseits bedeutet das aber auch, dass zu meinem Ressort die Beachtung urheberrechtsrelevanter Belange der Schauspielerinnen und Schauspieler durch die verschiedenen Produzenten und Filmhersteller gehört. Im Zentrum steht da natürlich der Anspruch auf eine „angemessene“ Vergütung. In dem Zusammenhang gibt es immer wieder Anstrengungen seitens der Verwerter, diesen Anspruch zu unterwandern. Vor kurzem hat der BFFS dazu einen Gerichtsprozess gegen einen Produzenten angestoßen, der die Schauspielerinnen und Schauspieler per Vertragsklausel an private Schiedsgerichte verweisen wollte, wenn es um bestimmte Vergütungsfragen geht – unter Ausschluss der staatlichen Gerichte. In der Vergangenheit haben wir es auch schon erlebt, dass in den Verträgen Klauseln enthalten waren, über die die Schauspielerinnen und Schauspieler verpflichtet wurden, den Produzenten die Gelder abzutreten, die sie von der GVL erhalten. Auch dem haben wir als Verband Einhalt gebieten können. Das Thema „angemessene Vergütung“ wirkt sich natürlich auch auf den Bereich „Tarifverhandlungen“ und „Internationales“ aus. Da stehe ich also auch eng mit Heinrich und Hans im Austausch – wie aber natürlich auch mit dem restlichen Team des Vorstandes und unseren Justiziaren Bernhard F. Störkmann und Brien Dorenz.
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Till: Mein Ressort ist vorwiegend das Urheberrecht. Das bedeutet einerseits, dass die politische Entwicklung in diesem Bereich zu meinen Aufgaben gehört, und dass der BFFS sich als Verband dort einbringt, Stellung bezieht und die Schauspielerinnen und Schauspieler vertritt. Das passiert zum Beispiel über die Mitgliedschaft
des BFFS in der Initiative Urheberrecht oder im Deutschen Kulturrat, wo ich als Vertreter des BFFS tätig bin. Das passiert aber auch über die Ansprache politischer Kontakte und die Formulierung unserer Interessen gegenüber politischen Parteien und der Legislative.
Ein weiteres relevantes Thema ist die Steuerpolitik. Das liegt vor allem an der Verknüpfung mit der sozialversicherungsrechtlichen Frage, wodurch immer stärker die Frage danach aufkommt, wie sich die fiskalische Situation zur sozialversicherungsrechtlichen verhält. Dieses Thema ist letztlich eines, das wir – wie die Statusfrage allgemein – nur auf politischer Ebene angehen können. Da wiederum arbeite ich mit Heinrich Hand in Hand.
Bei der (letzten) Mitgliederversammlung des IVS, am 23. Juni 2018
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Till: Das ist natürlich die Vergütungsfrage, vor allem im Synchronbereich. Wir erleben hier seit den 1960er Jahren unter Berücksichtigung der Inflationsrate einen konstanten Gagenverfall. Demgegenüber nimmt das Auswertungsvolumen stetig zu, allein die Kosten für eine Kinokarte sind seitdem stärker gestiegen, als es durch einen Inflationsausgleich erforderlich gewesen wäre. Da stimmt also was nicht. Gleichzeitig wird gerade in der Synchronbranche gerne mit der Angst vor der Nichtbeschäftigung gespielt. Das wird zwar gerne dementiert, aber man hört es dann doch hin und wieder. Steuer-, Sozial-, Arbeits-, Kartell- und Urheberrecht werden in der Synchronbranche durch die Produzenten vielfach missachtet. Und das betrifft nicht nur die „kleinen“ Player, im Gegenteil. Andererseits meine ich, dass es fast keinen schöneren Job gibt, den man sich vorstellen kann. Insofern liegt es mir sehr am Herzen, hier eine Verbesserung der Arbeitssituation zu schaffen, inklusive der Vergütungs- und Vertragsstrukturen. Am Ende des Tages muss jede Kollegin und jeder Kollege in der Lage sein, auch im Alter in Würde von den Früchten ihrer oder seiner Arbeit leben zu können. Welche Ziele sollte der BFFS deiner Meinung nach in den kommenden Monaten (Jahren) intensiv verfolgen und wieso? Till: Das ist eine Frage, die sich eigentlich nicht wirklich kurz beantworten lässt. Ein wesentliches Ziel ist natürlich, dass wir für alle Bereiche schauspielerischen Schaffens möglichst flächendeckend Tarifverträge bzw. gemeinsame Vergütungsregeln verhandeln, vor allem im Theater. Das allein ist aber natürlich eine Aufgabe, die mehrere Jahre in Anspruch nehmen wird. Ein weiteres Ziel ist, dass wir die sozialversicherungsrechtliche Lage derart klären, dass sich niemand mehr in dem Wust der verschiedenen Regelungen verheddert und vor allem, dass niemand mehr durchs Raster fällt. Das betrifft dann vor allem auch die Frage der Arbeitslosenversicherung. Dann müssen wir dringend das Thema Altersarmut im Blick behalten. Aber auch die jüngere Entwicklung hat uns Aufgaben mit auf den Weg gegeben: Diversität im Film, Schutz vor Belästigung am Arbeitsplatz, faire Produktionsbedingungen – Bereiche, die natürlich weit über mein eigenes Ressort hinausgehen.
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© Kornelia Boje
Gibt es ein Aufgabengebiet, das dir besonders am Herzen liegt?
Till Völger im Sommer 2014
Wie ist das Feedback der Mitglieder nach dem Zusammengehen von IVS und BFFS? Sehen die Leute auch die Vorteile oder fühlen sie sich eher im großen Verband etwas unterrepräsentiert? Till: Für ein umfassendes Stimmungsbild ist es jetzt tatsächlich noch zu früh, immerhin ist der Zusammenschluss jetzt gerade einmal ein halbes Jahr her. Viele Entwicklungsschritte sind noch nicht vollzogen, viele müssen noch getestet und besprochen werden. Das fängt schon bei der Ausarbeitung des einheitlichen Beitragssatzes an, der ja laut Verschmelzungsvertrag in den nächsten Jahren vereinheitlicht werden muss. Im Rahmen des Tagesgeschäfts behaupte ich jetzt mal, dass der Synchronbereich da keinesfalls zu kurz kommt, im Gegenteil. Der BFFS hat seit der Verschmelzung erstmals aktiv als Partei zwei Gerichtsverfahren angestoßen – beide im Synchronbereich. Und beide auch bislang erfolgreich. Außerdem wird der Bereich Synchron nun auch im Rahmen des Deutschen Schauspielpreises gewürdigt, durch die Verleihung des Preises „Die Stimme“. Schließlich haben wir durch die Satzungsänderungen des BFFS einen effektiven Minderheitenschutz eingebaut, sodass es im Ergebnis gar nicht so entscheidend auf die Branchengröße ankommt. Lieber Till, vielen Dank für das Gespräch.
Stefan Krause
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SYNCHRON/SPRACHE
INTERVIEW
„Insgesamt hat eindeutig der Spaß überwogen!“ Ein Interview mit Thomas Danneberg
Thomas Danneberg in den 70er Jahren
Wenn man von jemand sagen darf, dass er die deutsche Stimme von...* ist, dann trifft das mit Sicherheit auf Thomas Danneberg zu. Seit den frühen 60er Jahren ist er einer der bekanntesten Synchronsprecher
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und einer der ganz Großen unseres Metiers. Für die
UNSYNCBAR hat er die Zeit gefunden, ein paar Fragen zu beantworten…
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SYNCHRON/SPRACHE
Stefan Krause: Nach so vielen Jahren vor dem Mikro… wie siehst Du unser Handwerk (Mundwerk!) heute im Vergleich zu den alten Zeiten? Thomas Danneberg: Ich habe die Atmosphäre in den Ateliers damals als familiärer empfunden, das Miteinander als ehrlicher und authentischer. Da wir bekanntlich mindestens zu zweit oder zu dritt vor dem Mikrofon standen, war vor allem Teamarbeit gefragt. Tanzte einer aus der Reihe oder war unkonzentriert, hatte das Auswirkungen auf alle Beteiligten. Und weil jeder mindestens so gut sein wollte wie sein Nachbar, hat man sich besonders stark ins Zeug gelegt. Meines Erachtens hört man auch, dass früher ein echter Dialog stattgefunden hat und kein Monolog Einzelner, der zu einem Dialog zusammengeschnitten wird. Die Arbeit war impulsiver, wir konnten uns während der Aufnahmen die Bälle zuspielen. Man war auch nicht so stark an das Original gebunden, im Gegenteil. Das kann man als Vor- oder Nachteil werten. Es war einfach eine andere Zeit. War es auch eine „bessere“ Zeit? Thomas: So mancher Produktion hat es jedenfalls nicht geschadet, im deutschsprachigen Raum zu einer völlig neuen Fassung umgewandelt worden zu sein. Das zeigt auch der Erfolg dieser Versionen, der ja im Original oft zu wünschen übrig ließ. Wenn wir mal wieder eine Aufnahme vor Lachen abbrechen mussten, wurden wir vom Regisseur in die Kantine eingeladen, um uns zu beruhigen. Gewisse Eigenarten einiger Kollegen wurden schmunzelnd hingenommen, weil sie trotz ihrer Marotten die Leistungen erbracht haben, die von ihnen erwartet wurden. Der Kollege, der während der Pausen im Schlafsack auf dem Boden schlief, der andere, der seinen Underberg auf der Herrentoilette versteckte oder das Atelier mit seinen Zigarren voll qualmte… heute unvorstellbar. Es stand deutlich mehr Zeit für eine gelungene Produktion zur Verfügung. Und was ist – verglichen mit damals – im Laufe der Zeit schlechter geworden? Thomas: Inzwischen wird jeder Sprecher einzeln aufgenommen, alles scheint auf Schnelligkeit und eine möglichst billige Abwicklung ausgerichtet zu sein. Die Qualität spielt heute offensichtlich nur noch eine untergeordnete Rolle, wenn es sich nicht gerade um eine gewinnträchtige Kinoproduktion mit großen Namen handelt. Erschreckend finde ich zudem die Austausch-
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barkeit und das schauspielerische Niveau. Viele der jüngeren Stimmen klingen in meinen Ohren gleich, künstlich aufgesetzt, austauschbar eben. Oft vermisse ich das echte Gefühl und die Atmosphäre früherer Synchronisationen. Nahezu alle meiner inzwischen verstorbenen Kollegen waren Theaterschauspieler und das war zweifelsohne hörbar. Ihre Stimmen waren charaktervoll und prägten über Jahrzehnte ein Film- und Fernsehpublikum. In der Gegenwart klingt für meinen Geschmack alles zu sauber. Ein blinder Zuschauer erzählte mir neulich, früher sei er aufgrund einer prägnanten Stimme an einem Film hängengeblieben, heute passiere ihm das nur noch selten. Hat Dir der Job in all’ den Jahren immer Spaß gemacht oder hast Du Dich auch schon mal geärgert? Thomas: Insgesamt hat eindeutig der Spaß überwogen. Wenn ich nur an die ganzen Produktionen mit Rainer Brandt zurückdenke, so etwas gibt es in dieser kreativen, unkomplizierten Form heute wohl nicht mehr. Wir durften improvisieren und mussten die Aufnahmen manchmal vor Lachen abbrechen. Nichts ging mehr! Ich konnte auch auf Kommando aufstoßen und bin nicht selten aus einem Atelier gerufen worden, um für den Kollegen nebenan eine Runde zu rülpsen. Das hört sich ja nach sehr viel Spaß an. Aber wann und wo hörte der Spaß auch mal auf? Thomas: Wenn ich mich mal geärgert habe, dann vor allem über mich selbst. Trotz aller Erfahrung und einer gewissen Routine haben sich natürlich Tage eingeschlichen, an denen überhaupt nichts so funktionierte, wie man es gewohnt war. Das kennt vermutlich jeder. Entweder ist man zu schnell oder zu langsam, findet nicht den richtigen Rhythmus oder muss sich ständig räuspern. Geärgert habe ich mich aber auch über schlechte Texte oder unkonzentrierte Kollegen. Cholerische Regisseure, die sich insbesondere dem Nachwuchs gegenüber herrisch und ungerecht verhalten haben, waren mir ebenfalls ein Gräuel. Gerade unerfahrene Menschen muss man fördern und nicht einschüchtern, das führt nur zu Ängsten und schlechterer Leistung. Ich freue mich, wenn mich heute längst erwachsene und etablierte Kollegen anrufen und mir rückblickend sagen, welche Bedeutung ich für sie als junge Anfänger hatte und wie wichtig es ihnen war, dass ich an ihre Fähigkeiten geglaubt habe. Das zeigt mir, dass mein Weg richtig war. Ich selbst hatte auch das Glück, mit Arnold Mar-
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Du bist ja auch Musiker und ein toller Schlagzeuger. Wie hast Du Deine Bands in Deinem Synchron-Leben untergebracht? Thomas: Schon als Jugendlicher habe ich mich sehr für New Orleans Jazz interessiert und auf dem Schlagzeug geübt, dass bei meinen Eltern im Haus stand. Mein Musiklehrer am Gymnasium war übrigens Papa Ko, der in den 1960er Jahren mit seiner Band „Papa Ko’s Jazzin’Babies“ aktiv war. Er war häufig bei meinen Eltern zu Besuch und bestärkte mich darin, dass ich durchaus Talent für dieses Instrument hätte. Er gab mir Unterricht. Zu „Abbi Hübners Low Down Wizards“ stieß ich Mitte/ Ende der 1960er Jahre. Stand ich unter der Woche im Atelier, konnte ich am Freitag in den Flieger nach Hamburg steigen und mich während der Live-Auftritte vor Publikum verausgaben. Das Schlagzeug ist ja ein körperlich sehr forderndes Instrument, während die Arbeit vor dem Mikrofon eher geistige Konzentration erfordert. Die Musik bildete neben dem Sport also das ideale Pendant. Mein Schlagzeug habe ich übrigens auch heute noch. Wenn ich mir die alten Live-Aufnahmen von uns anhöre, bekomme ich Gänsehaut und sehe uns alle vor dem geistigen Auge auf der Bühne. Musik spielt immer noch eine wichtige Rolle in meinem Leben, wenngleich ich auch nicht mehr auftreten kann. Kriegst Du Fanpost bzw. Facebook-Anfragen und Mails mit Autogrammwünschen? Thomas: Ich bin weder bei Facebook noch in irgendeinem anderen sozialen Netzwerk aktiv, aber ich bekomme handgeschriebene Briefe, in denen Menschen ihre Anerkennung ausdrücken, sich für meine jahrzehnte-
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lange Arbeit bedanken, und mir alles Gute wünschen. Zudem habe ich im vergangenen wie auch in diesem Jahr erleben dürfen, welchen Stellenwert ich zum Beispiel für die Fans der alten Filme mit Terence Hill und Bud Spencer habe. Mir war das in diesem Ausmaß nie so bewusst. Anlässlich Terence Hills 80. Geburtstag wurde ich im März als Überraschungsgast zu einem Fan-Festival mit etwa 600 Besuchern eingeladen. Als ich angekündigt und auf die Bühne gebracht wurde, haben mir die Fans einen unvergesslichen Empfang beschert. Sie haben applaudiert, gejubelt, getrampelt, meinen Namen gerufen - es war einfach überwältigend. Mir sind vor Rührung die Tränen gekommen. Selbst der Moderator musste das Mikrofon weiterreichen, weil er einen Kloß im Hals hatte. Neben den Oliver Onions, die damals die Filmmusik für die Italo Western komponiert haben, waren auch zwei Schauspieler und Stuntmen aus jener Zeit zu Gast, Sal Borgese und Riccardo Pizzuti, inzwischen 82 und 85 Jahre alt. Obwohl sie sicher nie einen dieser Filme auf Deutsch gesehen haben, haben auch sie sich bei mir bedankt und mir während des ganzen Abends das Gefühl gegeben, im Mittelpunkt zu stehen. © Irmgard Süssenbach
quis, Michael Chevalier, Rolf Schult oder Klaus Miedel Menschen an meiner Seite zu haben, die mich im Studio emotional aufgebaut und nicht unterdrückt haben.
Zuletzt war ich als Ehrengast zur Eröffnung des Terence Hill Museums in Lommatzsch bei Meißen eingeladen und durfte dort das Band durchschneiden. Nach vielen Jahrzehnten im „Dunkeln“ ist es schon etwas Besonderes, Menschen verschiedener Generationen zu begegnen, für die meine Tätigkeit sehr bedeutsam ist und die mir all ihre Sympathie entgegenbringen. Seit einigen Jahren habe ich auch Kontakt zu einem Fan, der von Geburt an blind ist. An ihm wird es besonders deutlich. Er hat keine Vorstellung davon, wie Terence Hill oder Arnold Schwarzenegger aussehen. Er ist mit meiner Stimme aufgewachsen und hat mir einmal erzählt, dass ich ihm in jungen Jahren sogar Trost gespendet habe. Das bewegt mich.
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Hattest Du irgendwann mal Kontakt mit einigen der Schauspieler, die man mit Deiner Stimme kennt? Thomas: Gemeinsam mit Wolfgang Hess habe ich in den 1980er Jahren Terence Hill und Bud Spencer kennengelernt, als sie in Berlin bei Filmproduzent Horst Wendlandt zu Gast waren. Vor einigen Jahren hat mir Hills Freund und Manager dann ein Foto zugeschickt, auf dem Terence mit den Worten „Danke für Deine Stimme!“ unterschrieben hat. Als er im August 2018 zur Premiere seines jüngsten Films in Dresden und Berlin war, hat er mich unter anderem zu einem gemeinsamen Essen eingeladen. Ich habe Terence Hill damals wie heute als sehr lieben, bescheidenen und zurückhaltenden Mann erlebt. Er hat mir gesagt, ich hätte einen besseren Schauspieler aus ihm gemacht, als er je gewesen sei und dass er mir viel zu verdanken habe. Und wie war das mit Arnold Schwarzenegger? Thomas: Ihm bin ich einmal Mitte der 1990er Jahre im Rahmen einer Filmpremiere persönlich begegnet und habe auch ihn als sehr sympathisch in Erinnerung. Letztes Jahr war ich mit meiner Frau im Urlaub in der Steiermark. Aus Jux sind wir an einem Tag ins Arnold Schwarzenegger Museum nahe Graz gefahren, allerdings ohne uns anzumelden. Der Leiter des Museums und frühere Schulfreund von Schwarzenegger war ganz begeistert, hat uns die Ausstellung persönlich gezeigt, ein bisschen aus dem Nähkästchen geplaudert und das gemeinsame Abschiedsbild an Schwarzenegger geschickt. Er hat es dann signiert und zurückgeschickt. John Travolta, Sylvester Stallone, Dennis Quaid, Dan Aykroyd oder John Cleese bin ich nie persönlich begegnet, habe es aber um ehrlich zu sein auch nie angestrebt. Wenn es sich wie bei Hill oder Schwarzenegger aufgrund einer offiziellen Einladung ergeben hätte, ok. Aber ich hätte niemals eigeninitiativ versucht Kontakt aufzunehmen, um auf mich aufmerksam zu machen. Das ist nicht meine Art.
zen nachzudenken, die dieses Pensum möglicherweise nach sich ziehen könnte. Die Erwartungshaltung der Verantwortlichen steigt natürlich auch anderen Kollegen gegenüber, die dieses Pensum nicht bewältigen können oder wollen. Inzwischen bin ich 77 Jahre alt und gesundheitlich etwas geschwächt. Es ist wichtig, den richtigen Zeitpunkt für einen Rückzug in Würde zu erkennen. Ich habe insbesondere in den vergangenen zwei Jahren gespürt, dass mir die Arbeit im Studio kaum noch Freude bereitet hat. Menschen verabschieden sich in der Regel ab einem bestimmten Alter in den Ruhestand. Das hat seine Gründe. Wenn man spürt, dass die Konzentrationsfähigkeit nachlässt oder die „Maschine“ nicht mehr so rund läuft wie früher, sollte man rechtzeitig die Konsequenzen ziehen. Als Schauspieler habe ich ja auch einen gewissen Anspruch an mich selbst und muss hinter dem Ergebnis stehen. Bei so manchem Sänger, der seit Jahren den Ton nicht mehr trifft, wünscht man sich, er hätte diesen Umstand früher erkannt und akzeptiert. Weil sie nicht loslassen können, dokumentieren solche Menschen im schlimmsten Fall ihren eigenen Niedergang in aller Öffentlichkeit, sei er nun altersbedingt, krankheitsbedingt oder gar suchtbedingt. Ich kann loslassen. Ich möchte positiv auf die letzten 55 Jahre zurückblicken und mich zugleich auf die Zukunft freuen. Familie, Freunde, vielleicht die ein oder andere Reise - das ist mir wichtig. Alle Menschen, auch einige Fans, mit denen ich bisher über meine Entscheidung gesprochen habe, haben vollstes Verständnis geäußert. Danke für das Interview und alles Gute zu Deinem Geburtstag am 2. Juni!
Stefan Krause
* Arnold Schwarzenegger, Sylvester Stallone, John Travolta, Terence Hill, Dan Akroyd, Rutger Hauer, John Cleese, Nick Nolte, Dennis Quaid u.a.
Du hast nun entschieden, Dich in den Ruhestand zu verabschieden... Thomas: Ja. Ich war über 55 Jahre vor dem Mikrofon aktiv. In meinen Hoch-Zeiten habe ich mich mit meinem verstorbenen Freund Arne Elsholtz „duelliert“ und täglich 300 Takes (im analogen Schleifen-Betrieb! Anm. der Red.) abgearbeitet, ohne groß über die Konsequen-
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Nein-Sagen – eine Kunst, die man lernen kann oder Solidarität und andere Hürden bei der Arbeit
In den Fluren der Studios und vor allem auf Facebook gab es in den letzten Wochen Diskussionen darüber, ob das Arbeiten ohne Cutterin oder Cutter* im Synchronstudio geht oder nicht. Die Kollegin Anke Reitzenstein hat der Redaktion von ihren Erfahrungen berichtet. Das Synchronstudio, um das es in diesem Fall ging, war jedoch leider zu keinem Gespräch bereit. In der UNSYNCBAR war die Arbeit ohne Cutterin schon des Öfteren Thema, und jedes Mal haben wir als Autoren im Gespräch mit den Kolleginnen und Kollegen zu spüren bekommen, dass dieses Thema durchaus polarisiert. Und da es aktuell in der Branche wieder die Runde macht, erlauben wir uns noch mal ein paar grundlegende Gedanken dazu.
Worum geht es? Wir haben vor Jahren, ganz am Anfang zur Gründung des IVS (März 2006) in Gesprächen untereinander (Synchronschauspieler und Regisseurinnen) und auch im Austausch mit Synchronproduzentinnen einige Standards festgelegt, welche grundlegenden Dinge bei der Arbeit im Synchronstudio bei den Aufnahmen, aber auch vorher und nachher nötig sind, damit eine qualitativ hochwertige Synchronisation entstehen kann. Das wurde damals Credo-Liste genannt und auch von einem Großteil der Kolleginnen und Kollegen akzeptiert. Inhalt war unter anderem, dass zu einer qualitativ hochwertigen Synchronisation die Besetzung aller Gewerke im Synchronatelier gehört: also neben der Synchronschauspielerin muss es eine Regisseurin, eine Tonmeisterin und eine Cutterin geben. In den Jahren danach kamen nicht wenige kleine Studios neu dazu und es war gar nicht unüblich, dass diese (um Geld zu sparen,
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um ihre Kalkulation nicht durch zusätzliche Kosten zu sprengen usw.) einen der Posten „einsparten“. Manchmal hat bspw. der Regisseur gleichzeitig „für den guten Ton“ gesorgt oder es wurde keine Cutterin eingeplant. Und auch die großen, etablierten Studios haben immer mal wieder ausprobiert, ob sie dadurch Einsparungen vornehmen können. Das führte und führt immer noch teilweise zu unschönen Situationen, wenn ein Kollege zu dem vereinbarten Termin erscheint und erst vor Ort mitbekommt, dass eins der Gewerke unbesetzt ist. Was tun? Zähneknirschend den Termin trotzdem antreten, man ist ja schließlich sowieso da? Ansagen, dass man ohne Cutter oder mit einem Regisseur, der gleichzeitig die Aufgaben des Tonmeisters wahrnimmt, nicht arbeitet und gehen? Zumindest gewöhnten sich in dieser Zeit nicht wenige an, bei einem Termin von einer unbekannten Firma oder auch bei jedem Termin, erst mal nachzufragen, ob sie denn mit Cutterin arbeiten…
Wieso sollen denn eigentlich alle Gewerke besetzt sein? Können versierte Synchronschauspielerinnen nicht auch „synchron gucken“ und kann eine Tonmeisterin mit Hilfe der neuen Technik nicht sowieso alles irgendwie synchron-schieben (Kurve auf Kurve, ein bisschen Time-Stretch, dann passt das schon)?? Wie gesagt, diese Diskussion ist eine alte, und 2006 haben wir bzw. alle Beteiligten sich klar dafür ausgesprochen, dass es eben nicht reicht, wenn die Synchronschauspielerin beim Sprechen auf die Synchronität achten oder der Synchronschauspieler ein paar Schnittpausen einbaut, sodass es in der Nachbearbeitung am Schneidetisch schon irgendwie synchron wird.
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© Ruth Zuntz
Grundlage dieses Konsenses war damals: wir wollen gute bis sehr gute Arbeit abliefern und jedes Gewerk kann sich bei einer vollständigen Besetzung auf seine Aufgabe konzentrieren. Die Cutterin achtet auf die Synchronität, Labiale, Pausen, Geschwindigkeit der Lippenbewegungen, gibt Hilfestellung, wo ein Rhythmuswechsel nötig ist und weiß, welche Dinge am Schneidetisch noch machbar sind und welche nicht. Die Tonmeisterin achtet u. a. auf die Tonqualität, die Lautstärke, Nebengeräusche und dass tonlich alle Rollen zu den anderen
passen und zu den jeweiligen Situationen. Die Regisseurin gibt der Schauspielerin Anweisungen, wie die Rolle auszugestalten ist und welche Stimmung/Betonung in welcher Szene passt. Dieses setzt die Schauspielerin um und kann sich mit ihrem Spiel voll auf die Szene konzentrieren. Neben dem Konzentrieren auf die eigentliche Aufgabe geht es auch darum, dass wir als Synchronschauspieler für faire Arbeitsbedingungen und eine angemessene Bezahlung kämpfen, angetreten sind und nach wie vor eintreten. Diese Anliegen sollen und dürfen aber nicht auf Kosten der anderen Gewerke gehen. Denn das war natürlich der erste Impuls vieler Produzenten: „Die Schauspieler wollen mehr Geld! Wo kann das eingespart werden? Genau – wir sparen uns den Cutter im Atelier.“ So oder so ähnlich mögen viele Produzenten gedacht haben oder noch denken. Und – leider – haben auch nicht wenige Kollegen sich gedacht, dass es ohne Cutterin ja schneller geht und haben deshalb ganz gern mal einen Film oder eine Manga-Serie ohne Cutterin aufgenommen. Bedauerlicherweise ist es so, dass dieses Thema auch aktuell immer noch zu Kontroversen führt. Denn nach wie vor gibt es Synchronstudios, die im Atelier ohne Cutterin arbeiten. Wo fängt Solidarität an und wo hört sie auf – mit den Kolleginnen und Kollegen, die nicht ohne arbeiten, mit anderen Studios, die nicht ohne arbeiten? Sollen wir gehen, wenn kein Cutter im Atelier ist? Oder sollen wir auch gehen, wenn die Dialogbücher unterirdisch sind und ohne grundlegende Änderungen im Atelier kein vernünftiges Arbeiten möglich ist? Wann ist der Punkt erreicht, an dem wir die vorgegebenen Arbeitsbedingungen nicht mehr akzeptieren können und dürfen?
Anke Reitzenstein wohnt in Berlin und ist Schauspielerin. In den 80er Jahren sammelte sie erste Erfahrungen in den Synchronateliers Berlins und hat sich als eine feste Größe in der Branche etabliert. Man kennt sie als die deutsche Stimme von Melissa McCarthy (Gilmore Girls, Mike & Molly, Ghostbusters), Chandra Wilson (Grey’s Anatomy) und Angela Bassett (Black Panther, 9-1-1) und viele weitere.
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Wir können niemanden dazu zwingen, sich an die Gepflogenheiten zu halten, die Credo-Liste ist lange her und rechtlich bindend war diese sowieso nie. Schon beim letzten Mal, als wir in der UNSYNCBAR über dieses Thema berichtet haben (da ging es um ein Studio in Offenbach…), wurde deutlich, dass nicht unbedingt nur die Kolleginnen unter solchen Voraussetzungen arbeiten, die es finanziell nötig hätten (weil sie wenig Aufträge haben). Es waren und sind vor allem bekannte, gestandene Kollegen, die hier und da auch mal einen Film ohne Cutter aufnehmen. Die Gründe sind vielfältig: „Ich kann ja selber synchron gucken!“/ „Ich habe eine Ver-
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antwortung meiner Schauspielerin/meinem Schauspieler gegenüber“/ „Lieber keine Cutterin als eine schlechte im Atelier!”/ „Die bezahlen sehr gut und schnell!“ – Also das Geld (gute Bezahlung, weil ja die Cutterin eingespart wurde?) und die Befürchtung, „seine Schauspielerin“ oder „seinen Schauspieler“in dieser Produktion nicht synchronisieren zu können??
In memoriam… Michael Brennicke * 05. Oktober 1949 † 25. März 2019
Klaus Sonnenschein * 13. Juni 1935 † 19. April 2019
Hannelore Elsner * 26. Juli 1942 † 21. April 2019
Friedgard Kurze * 26. Mai 1928 † 19. Mai 2019
Wenn aber gestandene Kolleginnen und Kollegen unter diesen Bedingungen arbeiten, wie kann man dann von Berufsanfängern oder Kolleginnen, die nicht so viel zu tun haben erwarten, dass sie sich deutlich gegen ein Arbeiten ohne Cutterin positionieren? Wir haben immer eine Wahl und jeder von uns kann immer wieder selbst entscheiden, wie er arbeiten möchte und zu welchen Zugeständnissen er bereit ist. Aber wenn wir unseren Beruf noch lange machen wollen, wenn wir diese abwechslungsreiche, schöne, spannende Arbeit noch viele Jahre machen wollen dürfen, dann nur, wenn sie qualitativ auf einem hohen Niveau entsteht. Mit „irgendwie synchron“, Dumping und Einsparungen einzelner Gewerke werden wir mit ziemlicher Sicherheit nicht weit kommen. Also sollte die Entscheidung, wie und mit wem wir arbeiten, eigentlich eine ganz leichte sein. Und wenn sich einfach jeder so entscheidet, werden auch die Filme mit der Schauspielerin, die man immer synchronisiert hat oder mit dem Schauspieler, dem man schon so oft seine Stimme leihen konnte, nur noch mit Cutterin aufgenommen. Und wenn aus der genannten Kontroverse ein Konsens wird, können wir noch viele Jahre mit viel Freude alles geben, um die Filme und Serien zu synchronisieren – mit Demut und dem Willen, dass die Synchronisation dem Original gerecht wird und der Zuschauer im besten Fall die neue Sprache gar nicht bemerkt.
Ilona Brokowski
* Da dieser Artikel von Cutterinnen/Cuttern, Schauspielerinnen und Schauspielern, Regisseurinnen/Regisseuren, Tonmeisterinnen und Tonmeistern usw. nur so wimmelt, haben wir uns für eine bessere Lesbarkeit entschieden und nennen immer nur eine Form. Damit sind aber grundsätzlich immer alle Geschlechter gemeint und auch die Häufigkeit und Reihenfolge der Nennung ist keine Gewichtung und rein zufällig.
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Bilder: © Dr. Karsten Nikolas Liese
+++ MEDIEN-TICKER +++
Den richtigen Ton gefunden? Der Deutsche Synchronpreis 2019 Der Synchronverband e.V.- DIE GILDE feierte am 23.5.2019 mit einer großen Gala im Berliner „TIPI am Kanzleramt“ mit 500 geladenen Gästen den neu aufgelegten Deutschen Synchronpreis. Vergeben wurden 6 Preise in den Kategorien „Comedy-, Drama- und Animationsserie“ sowie „Animationsfilm“, „Komödie“ und „Drama“. Die Trophäen gingen nicht an Einzelpersonen (abgesehen von Luise Lunow und Friedrich G. Beckhaus, die beide für ihr Lebenswerk geehrt wurden), sondern an das gesamte Team der jeweiligen Produktion. Die Jury, die aus knapp 60 Einreichungen 18 Produktionen nominierte, bestand neben dem „Präsidenten“ Christian Brückner aus Mitgliedern aller Gewerke sowie einem
Filmkritiker und einem Synchron-Redakteur. Unter den am Ende Nominierten war eine Produktion einer Firma (NEUE TONFILM), die nicht Mitglied der GILDE ist. Musikalisch begleitet wurde der Abend von „Andrej Hermlin & his Swing Dance Orchestra“, und die Entertainerin Gayle Tufts moderierte die Verleihung und sorgte für gute Stimmung. Christian Brückner brachte seine Freude zum Ausdruck, „…dass diese Branche diesen Abend zustande gebracht hat!“ Das ist insofern nicht ganz korrekt, weil es ja nicht die Branche insgesamt war, sondern DIE GILDE, der der Dank dafür gebührt.
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Stefan Krause
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Aus dem Off...
Da geht doch noch was! Geht’s noch? Eine meiner Lateinlehrerinnen kommentierte zuweilen unsere haarsträubenden Übersetzungen mit den Worten: „Jetzt wird der Quatsch ja nur noch quätscher!“ Und auch heute können ja bekanntermaßen Superlative noch gesteigert werden – von „in keinster Weise“ bis zu „die optimalste Übersetzung“. Das berüchtigte „Is’so!“ wurde an dieser Stelle ja schon vor einiger Zeit thematisiert, sowohl in der resignativen als auch in der belehrenden Variante, die keinen Widerspruch duldet. Dass die verrückten Zustände (auf allen Ebenen) der Synchronbranche noch steigerungsfähig sind, mag man eigentlich nicht glauben, wird aber von der Realität immer wieder überrascht, zuweilen geradezu überrollt. Merkwürdig nur, dass diese „modernen Zeiten“ nicht nur von den „Neuen“, die es gar nicht mehr anders kennengelernt haben, hingenommen wird. Das wäre zumindest noch nachvollziehbar. Nein, auch „altgediente“ Fachkräfte aller Gewerke, die sich noch vor kurzem gegen den um sich greifenden Quatsch(s.o.) wütend bis lautstark positionierten, sind nach und nach still(er) geworden. Und manche dieser Widerspenstigen arbeiten jetzt sogar noch schneller, als das Hamsterrad vorschreibt. Eine Art subtile „Rache“? Man weiß es nicht…
Natürlich braucht auch das sonnigste Gemüt in diesen Zeiten zuweilen ein dickes Fell und eine solide „Wurschtigkeit“, um nicht selber in Schockstarre zu verfallen. Und die Klappe sollte auch nicht größer sein als die tatsächliche Standhaftigkeit, die man selbst an den Tag legt. Trotz alledem: Die „innere Emigration“ ist auf Dauer kein guter Ort, um sich den Spaß an unserer tollen (ja, toll!) Arbeit zu bewahren. Und „Augen zu und durch!“ geht bei uns doch erst recht nicht: Es soll doch synchron sein, schön klingen und gut aussehen. Und das ist was ganz anderes, als nur noch resigniert „gute Miene zum bösen Spiel“ zu machen.
Stefan Krause
Schlimmer noch (weil man „schade“ ja leider nicht zu „schader“ steigern darf) ist es zu bemerken, dass freches Lästern über die Zustände eher als unangenehmes Stochern in einer schlecht verheilten Wunde empfunden wird. Ein fröhlich-unbefangenes „Synchronisierst Du noch oder meterst Du schon?“ kann da schon schwer danebengehen.
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Aus dem Off...
Kleine und andere Sünden Im 80er Jahre-Kultfilm „The Blues Brothers“ wird John Belushi von der Leiterin seines früheren Waisenhauses, einer furchteinflößenden Nonne, mehrfach „gezüchtigt“, sobald er wieder mal geflucht hat. Das geht dann etwa so: „Kacke!“… Klatsch! ... “Aua, Kacke!!“ … Klatsch! ... „Aua, Kacke!!!“… Klatsch! usw. Denn kleine Sünden straft der HERR bekanntlich sofort. Was aber ist mit den großen Sünden, den sogenannten 7 Todsünden*? Gibt es die überhaupt noch? Eindeutig: Ja! Aber gibt es sie auch im tugendhaften Synchronuniversum? Betrachten wir die 7 einmal im Einzelnen: Im Gegensatz zum Glamour von Film& Fernsehen verrichten Synchron-Menschen ihre Arbeit überwiegend in bequemer Alltagskleidung. Für Eitelkeiten modischer Natur ist hier also eigentlich kein Platz. Andererseits ist die Zugehörigkeit zu bestimmten Kreisen, Verbänden oder Clubs nicht selten mit einer gewissen Herablassung (Hochmut?) gepaart – denen gegenüber, die nicht dazu gehören. Das kann man ignorieren oder sich bemühen, endlich auch dazu zu gehören. In einer Branche, in der laut häufiger Klagen kaum(noch) etwas zu verdienen ist, ist sparsames Wirtschaften zwingend notwendig und geradezu Pflicht. Das sollte jedoch nicht in Geiz ausarten, wo selbst an der Anschaffung funktionstüchtiger Dialogbuch-Ordner, Schreibgeräte und Pult-Lampen gespart wird. Und auch andere Formen von „Erbsenzählerei“ bzw. das Feilschen um kleinste Beträge sind doch eher unwürdiges Verhalten. Geschieht das eventuell aus Habgier? Da sollte Jede/r in sein eigenes Herz schauen! Für die schöne Todsünde der Wollust scheint im hektischen Betrieb hingegen kaum noch Zeit zu sein. Das freundliche Flirten ist da noch die beste Ersatzhandlung. Andererseits sollten den immer längeren Arbeitszeiten endlich einmal Grenzen gesetzt werden. Vielleicht unter dem griffigen Motto: „Mehr freie Zeit muss her – für Liebe und Verkehr!“ Oder so ähnlich…
Gerechter Zorn kann sich angesichts der Zustände schon von Zeit zu Zeit einstellen. Da muss schon sehr tief in sich ruhen oder fast schon zynisch geworden sein, wer solche Anwandlungen nicht erlebt. Sündhaft wird das aber eigentlich erst, wenn man seine Wut an den Falschen auslässt. Für schlechtes Essen soll man sich ja auch beim Koch und nicht beim Kellner beschweren! Unschuldige KollegInnen und andere Mitglieder der Crew sind da meistens die falsche Adresse. Schlechte Laune ist übrigens keine Todsünde. Sie sollte es aber sein. Da es (von wenigen positiven Ausnahmen abgesehen) kaum noch Kantinen und noch weniger Zeit für Nahrungsaufnahme (früher: Mittagspause) gibt, sind Völlerei & Gefräßigkeit in der Öffentlichkeit noch selten zu beobachten. Angesichts der stressigen Zeiten ist schnell Zuzubereitendes, schnell zu Verdauendes bzw. schnell zu Bestellendes an die Stelle ausufernden Schlemmens getreten. Gut essen kann man ja immer noch zu Hause. Um es ein für allemal festzuhalten: Neid und Missgunst sind unserer Branche und speziell dem Beruf Schauspieler/in völlig fremd. Wir können von Glück sagen, dass wir mit diesem Problem, das in unserer modernen bzw. modernden Gesellschaft grassiert, nichts, aber auch gar nichts zu tun haben. Zu guter Letzt: Es wäre ein Widerspruch in sich, den Beschäftigten in den Synchronstudios so etwas wie Faulheit vorzuwerfen. Der buchstäbliche Bienenfleiß ist eher das Markenzeichen ihrer Arbeit. Es bleibt nur eine Frage: Wer erntet den meisten Honig? Das kann man eigentlich deutlich sehen, vorausgesetzt, man leidet nicht unter Ignoranz oder anderen Wahrnehmungsstörungen. Zum Glück sind die in den überwiegenden Fällen heilbar. Für Sünden gibt es Absolution – aber nicht immer.
Stefan Krause
* 1 Hochmut/Eitelkeit 2 Geiz/Habgier 3 Wollust/Begehren 4 Zorn/ Wut 5 Völlerei/Gefräßigkeit 6 Neid/Missgunst 7 Faulheit/Ignoranz
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© Matthias Scheuer, audioberlin.com
Von „Traumgagen“ und angemessener Bezahlung Gute Handwerker und Spezialisten werden für ihr Können bezahlt, das andere nicht haben. Auftraggeber wissen, dass nicht das günstigste Angebot die beste Arbeit liefert, sondern die beste Fachkraft. Und wenn Manager die höchste Qualität für ihre Produkte wollen, motivieren sie Mitarbeiter durch adäquate Bezahlung oder Teilhabe am Erfolg. Was jedoch angemessene Bezahlung ist, scheint immer häufiger ein Streitpunkt zu sein. Das betrifft auch die Synchronbranche. Wird qualitative Arbeit als solche anerkannt oder muss die Bezahlung hauptsächlich ins Budget passen? Ein Facebook-Post unseres Kollegen Michael Pan (BFFS-Mitglied) zeigt, wie weit hier die Vorstellungen auseinander reichen können. 2014 wurde die französischen Arthouse-Komödie „Monsieur Claude und seine Töchter“ synchronisiert. Für Christian Clavier in der Hauptrolle wurde wie so oft Michael Pan angefragt. Der akzeptierte aus Rücksicht vor dem sehr niedrigen Budget des kleinen Berliner Verleihs „Neue Vision“ eine geringe Gage. Dem Projekt zu helfen, war ihm in diesem Moment wichtiger. Der Film war ein Erfolg: Bis Dezember 2018 vier Millionen Kinozuschauer allein in Deutschland mit ungefähr 30 Millionen Umsatz, die Zweitverwertung auf DVD, Blu-ray und TV stehen dann noch aus. Michael Pan ist dem Publikum wegen seiner sehr auffallend markanten und wandelbaren Stimme bekannt. Er synchronisiert neben Christian Clavier als Feststimme andere international bekannte Schauspielkollegen wie Brent Spiner als Data in „Star Trek“, Bob Odenkirk als Saul Goodman in „Breaking Bad“, Martin Short oder David Hyde Pierce.
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Grund genug für einen weiteren „Monsieur Claude“-Film im Jahr 2018. Wieder wurde Michael Pan für die Synchronisation der Hauptrolle angefragt. Nicht zuletzt aufgrund des Erfolges von Teil 1, rief Pan im ersten Angebot seine sonst übliche Kinogage auf. Schließlich war das nun kein Außenseiterprojekt mehr. Statt der knapp 1.800 € brutto, die er für den ersten Teil verlangte, und die bestenfalls einer Aufwandsentschädigung bei rund
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400 Takes samt Retakes und aller Trailer entsprechen, rief Pan nun für eine Stimme seines Formats die üblichen 15.000 € auf. Die Antwort des Verleihs war niederschmetternd: Es wurde Pan unterstellt, eine überhöhte „Traumgage“ aufzurufen, um letztlich sein Desinteresse für das Projekt zu bekunden. Ihm wurde stattdessen das 1,5-fache seiner damaligen Gage geboten. Also ungefähr ein Fünftel von Pans üblicher Gage für solch ein Projekt. Der Aufruf seiner angeblichen Traumgage wurde ihm wahrscheinlich so übel genommen, dass es keine weiteren Verhandlungen gab. „Angemessene Gagen verhandelt man zwischen Partnern auf Augenhöhe“, so Pan zur UNSYNCBAR. Um nicht von falschen Zahlen und derber Kritik, die nun im Internet und Sozialen Medien kursierten, durch den Kakao gezogen zu werden, und um junge Kolleginnen und Kollegen zu ermutigen, sich nicht alles gefallen zu lassen, wandte sich Michael Pan in einem Facebook-Post an die Öffentlichkeit: „...Ich bespreche das hier auf dieser Plattform in aller Offenheit und schonungsloser Transparenz damit alle Kollegen und Freunde von meiner "unverschämten und geldgierigen" Aktion erfahren und ich möchte Euch davon unterrichten, dass ich für den im Januar 2019 zu synchronisierenden Teil 2 von ‚Monsieur Claude und seine Töchter’ höchstwahrscheinlich umbesetzt werde! Es soll ein Casting stattfinden, an dem einem anderen Kollegen eine ‚Chance’ gegeben werden soll. Ich möchte Euch allen versichern, bei meiner Berufsehre, dass ich nicht im Interesse meines Kontos, sondern im Verlangen, dass unserem Job gegenüber endlich Respekt und Wertschätzung gezollt wird, handele! Ich möchte, egal mit wem, ob Produktionsfirma oder Verleih, auf absoluter Augenhöhe verhandeln!“
Schon gewusst? Die Künstlersozialversicherung ist eine Pflichtversicherung. Eine Befreiung von dieser Versicherungspflicht ist nur unter bestimmten Bedingungen möglich. Die Versicherungspflicht umfasst auch Einzahlungen in die Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung.
Das Casting für die Synchronisation von Christian Clavier in „Monsieur Claude und seine Töchter 2“ fand statt. Den Zuschlag erhielt ein anderer Kollege.
Denise Kanty
www.bffs.de Unsyncbar Ausgabe 2019 / 02
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Ich bin dabei Ich mach mit und möchte Mitglied und werde Mitglied BFFS! im BFFSim werden! Aufnahmeantragsformular
Zur Person Frau Herr Titel ........................................................................ Vorname ........................................................................ Nachname Künstlername................................................................ Geburtstag (TT/MM/JJJJ) Kontakt Zur Person Frau Herr Titel ..................................................................... Adresse.......................................................................... PLZ ........................................................................ Ort ................................................................................. Land ....................................................................... Vorname ........................................................... Nachname ........................................................... Telefon ........................................................................... Mobiltelefon ........................................................... E-Mail ............................................................................ Homepage .............................................................
Künstlername ...................................................Geburtstag (TT/MM/JJJJ) ................................... Zusätzliche Information
Ich wurde geworben vom BFFS-Mitglied (falls zutreffend) Kontakt
Vorname ........................................................................ Nachname .............................................................
Adresse ................................................................ .................... PLZ .............................................. Mein schauspielerischer Schwerpunkt liegt Ich bin in der GVL (Gesellschaft zur Verwertung von
momentan im Bereich [1] Bühne (inklusive
Pensionskasse Rundfunk (betriebliche
[2] Film/Fernsehen (inklusive Werbe-, Imagefilm-
ständig, also „frei“ arbeitende Fernseh- bzw.
[3] Synchron (inklusive Sprecher-, Hörbuch-,
Ort .................................................................... Land ..................................................................... Lesungen), Leistungsschutzrechten) bereich),........................................................ für befristet oder selbst- Mobiltelefon Telefon Altersversorgung ..............................................................
Hörfunkbereich) oder Rundfunkschaffende) E-Mail ............................................................... Homepage ........................................................... Versorgungsanstalt der Deutschen Bühnen
(verpflichtende Bühnenversorgung für Jahresmitgliedsbeitrag Bühnentätige)
[0] wegen Schauspielausbildung noch in keinem dieser Bereiche (bitte entsprechende Ziffer eintragen)
Pflichtversicherung 12 €KSK für(Künstlersozialkasse, Schauspielschülerinnen und -schüler (nur mit Immatrikulationsbescheinigung) für selbstständig tätige Künstler)
120 € (bei bis zu 20 Drehtagen bzw. bis zu 50.000 € brutto im Jahr) Jahresmitgliedsbeitrag 240 € (bei mehr als 20 Drehtagen bzw. mehr als 50.000 € brutto im Jahr)
20 € für Schauspielschülerinnen und -schüler (nur mit Immatrikulationsbescheinigung) 150 € (bei bis zu 50.000 € brutto im Jahr) 288 € (bei mehr als 50.000 € brutto im Jahr) Ermächtigung zum Einzug von Forderungen durch SEPA-Lastschrift 420ermächtige € (bei mehr 90.000 €diebrutto Hiermit ich Sieals widerruflich, von mirim zu Jahr) entrichtenden Zahlungen bei Fälligkeit zu Lasten meines Kontos
360 € (bei mehr als 40 Drehtagen bzw. mehr als 90.000 € brutto im Jahr)
durchErmächtigung Lastschrift einzuziehen. zum Einzug von Forderungen durch SEPA-Lastschrift
Hiermit ermächtige ich Sie widerruflich, die von mir zu entrichtenden Zahlungen bei Fälligkeit zu Lasten meines Kontos durch Lastschrift einzuziehen. Kontoinhaber ............................................... Name der Bank ........................................................
Kontoinhaber ................................................................. Name der Bank......................................................
IBAN IBAN ................................................................................ BIC ........................................................ .............................................................................. BIC ......................................................................... Ich habe Bankverbindung außerhalb der SEPA-Zone und bekomme jährlich eine Rechnung zugeschickt, die ich Ich meine habe meine Bankverbindung außerhalb der SEPA-Zone und bekomme jährlich eine Rechnung zugeper Überweisung begleiche.
schickt, die ich per Überweisung begleiche.
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Hiermit beantrage ich die Mitgliedschaft im Bundesverband Schauspiel e.V.
Hiermit beantrage ich die Mitgliedschaft im Bundesverband Schauspiel e.V.
Einfach ausschneiden, ausfüllen und per Post oder per Fax an den BFFS senden: Bundesverband Schauspiel e. V. Kurfürstenstraße 130 • 10785 Berlin Fax: +49 30 225 02 79 39
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