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Hinter Klostermauern

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Buon Appetito

Buon Appetito

Bollwerk. Der Klosterinnenhof, vor Stressoren des Alltags gut geschützt Das Brot kommt täglich frisch gebacken aus der Klosterbackstube

Weitblick. Wie ein Adlerhorst thront das Kloster hoch über der Drau

Vollwertig. Ehrliche Kost, mit Liebe gekocht

Paradies. Der große Klostergarten wird von den Schwestern mit Hingabe gepflegt

Paralleluniversum: Das Kloster Wernberg nahe Villach steht für Gäste offen

Die Zimmer sind groß, hell, warm - und teils mit eigenem Bad

Hinter

klostermauern

Dem Selbstversuch folgt die Erkenntnis, dass so ein Urlaub im Kloster überraschend bunt und lebendig sein kann. Kein Wunder, dass manche hier fürs ganze Leben einchecken!

TEXT JoHANNA WoHlFAHRt FOTOS klÖStERREiCH/kk

Wieder so ein Feld, das mir Hollywood ordentlich zerschossen hat. Bei meiner Ankunft im Kloster Wernberg tauchen sie nacheinander auf, die in Filmen gern vermittelten Bilder vom strengen, freudlosen Alltag hinter Klostermauern. Total abgeschnitten vom bunten Leben draußen, grau und düster. Schöne Grüße vom Namen der Rose!

Aber: Dies hier wird eine vollkommen andere Erfahrung, nämlich drei Tage Kloster in echt. Entspannend, bereichernd, belebend. Doch das konnte man ja beim Ankommen nicht wissen.

Schwester Hemma, eine ältere Dame im Habit der Missionsschwestern vom Kostbaren Blut, sitzt an der zur Rezeption erweiterten Klosterpforte und strahlt zur Begrüßung übers ganze Gesicht. Fragt, wie die Anreise war, macht freundlichen Small Talk. Und bringt mich dann über den Treppenaufgang in den ersten Stock zu meinem Einzelzimmer. Ein vom Klosterinnenhof her lichtdurchfluteter Arkadengang mit großer Fensterfront führt hin, draußen wuchern karminrote Pelargonien in den Blumenkisten.

Das Zimmer ist dann Liebe auf den ersten Blick. Ein wundervoll behaglicher Rückzugsort. Hell, großzügig und warm, mit einem modernen Badezimmer, weißer Bettwäsche, hoher Zimmerdecke, einem kleinen, alten Schreibtisch. Kein Fernseher. Dafür ein gut gedämmtes Fenster mit Blick zur nahen Gerlitzen, deren Berghänge im Licht der herbstlichen Abendsonne orangerot leuchten. Ein Ort, an dem man bleiben mag. Nicht verwunderlich, dass manche hier fürs ganze Leben einchecken.

Offen für Anderslebende

Katholisch bin ich zwar. Aber nicht religiöse Gründe haben mich hierhergeführt, sondern eine dringend nötige Pause vom Berufs-Familien-Hamsterrad in Verbindung mit einem Kurs in der Körperarbeitstechnik „Endobiophilie“. Eine höchst weltliche Motivation für einen Klosteraufenthalt, könnte man also sagen. Aber gar nicht unüblich: „Als Klostergast muss man nichts mit Religion am Hut haben. Niemandem wird der katholische Glauben aufgezwungen. Es geht mehr darum, sich auf die spezielle Atmosphäre im Kloster einzulassen.“ Sagt Manuela Geiger, Sprecherin von Klösterreich, einer Dachmarke für mittlerweile 28 Klöster, Orden und Stifte, der auch das Kloster Wernberg angehört. Gast-Stätten und Herbergen waren die Ordenshäuser ja immer schon. Die Klösterreich-Mitgliedshäuser haben diesen Ansatz in unsere Zeit herübergerettet und leben ihn heute als Orte der Begegnung, der Bildung und – ja, auch: des Urlaubs.

Diese Offenheit ist keine hohle Phrase, so viel steht fest. Zweifel von Interessierten, ob ihr Lebensmodell denn klosterkompatibel sei, kann Geiger gleich zerstreuen: „Ja, auch unverheiratete Paare können sich in Klöstern gemeinsam ein Zimmer nehmen. Manche bieten eigens Kurse für Geschiedene, Wiederverheiratete oder Homosexuelle an. Viele Patres und Schwestern sehen diese Begegnungen als Chance, auch einmal auf Andersgläubige oder Anderslebende zu treffen und offen auf sie zugehen zu können.“

Und tatsächlich: Befangenheit gegenüber Gästen ist hinter Klostermauern keine

Ob UNESCO-Welterbe wie Stift Melk, Stiftsbibliotheken oder Klostergarten: In den Häusern werden seit jeher Kultur und Wissen gepflegt - und weitergegeben

Zum Wohl! Auch ein Glaserl Wein darf sein im Kloster. Stift Göttweig (rechts) ist österreichweit einer der ältesten Weinbaubetriebe

zu spüren. Die Schwestern in Wernberg sind immer für ein Gespräch, eine Frage offen. Jede macht, was sie gut kann. Schwester Monika etwa ist bekannt für ihre Leutseligkeit und ihre Musikalität. Sie setzt sich nach dem Abendessen schon mal mit ihrer Gitarre unterm Arm dazu und macht aus der davor zufälligen Tischgemeinschaft mir nix dir nix einen Popup-Chor. Plötzlich Community. So was passiert wohl auch nur im Kloster.

Essen wie bei Oma

Apropos Abendessen: Allein schon kulinarisch lohnt ein Aufenthalt bei den Schwestern in Wernberg. Unter den schneeweißen Gewölben samt Deckenstuck-Engeln lässt sich im Klosterwirtshaus nach Herzenslust schlemmen. Die geschmackliche Qualität ist schwer zu beschreiben, manche würden es wohl „wie von Oma“ nennen. Die köstlichehrliche Note der servierten Speisen ist aber leicht zu erklären. Das Kloster betreibt eine eigene Landwirtschaft, große Gemüse- und Kräuterbeete, eine Hofmolkerei sowie eine eigene Klosterbackstube. Was nicht selbst produziert wird, kommt von Bauern und Händlern aus der Region. Gekocht wird zwar (zurzeit) nur für übernachtende Klostergäste, die Produkte kann aber jeder im Klosterladen kaufen.

Wie überhaupt Kulinarik und Genuss Themen sind, die man immer öfter auch in Stiften und Klöstern entdecken und erleben kann. Stift Schlägl im Mühlviertel etwa betreibt heute Österreichs einzige Klosterbrauerei mit süffigen Biersorten, Stift Göttweig nahe Krems ist bundesweit einer der ältesten Weinbaubetriebe. Begehrt sind etwa auch die Forellen aus der stiftseigenen Teichwirtschaft von Stift Geras, die Kräuterliköre aus dem „Paradiesgarten“ des Stifts Melk oder der Bio-Honig aus der Stiftsimkerei St. Paul im Lavanttal. Zum Teil lässt sich das wunderbar verbinden mit kurzen Genuss-Trips in die Klöster: Stift Seitenstetten hat eine 400 Jahre alte Erdäpfel-Anbautradition und bietet dazu zweimal täglich Führungen an. In vielen anderen Häusern gibt’s Weinverkostungen, Kochkurse und Workshops zu Kräutern, Von-BingenKüche oder zu heimischem Superfood.

Alltagshektik ade

von der Alltagshektik zu gewinnen. Das fällt hier, obwohl nur 30 Kilometer von meinem Wohnort entfernt, verblüffend leicht. Zum einen katapultiert die Technik der Endobiophilie – der Feldenkrais-Methode nicht unähnlich – die eigene Körperwahrnehmung in völlig andere, grundentspannte Dimensionen. Zum anderen geben die freien Nachmittage genug Gelegenheit, durch die weiten Buchenwälder rund ums Kloster zu streifen, am Ufer der Drauschleife die vorbeiziehenden Schwäne im glitzernden Wasser zu beobachten oder mit dem Rad gemütlich in Richtung Ossiacher See zu treten. Es sind drei volle Tage in einem stressgeschützten, in allen Belangen freundlichen und landschaftlich wundervollen Paralleluniversum. Eine verdiente Pause vom ständigen Funktionieren-Müssen und endlich Zeit, den Kopf gut auszulüften. Genau dieser Aspekt des Klosterurlaubs nahm seit Beginn der Coronakrise nochmal gehörig an Fahrt auf. Manuel Lampe, Klösterreich-Geschäftsführer, beobachtet: „Seit Corona hat sich die Einstellung zu Themen wie Achtsamkeit und Authentizität merklich geändert. Die Menschen sind viel mehr auf der Sinnsuche als vorher. Hier können die Klöster einen Beitrag leisten, durchaus losgelöst vom katholischen Glauben, dafür weltoffen, sinngebend und wertfrei.“

Der Name der Rose

Das spürt man. Spätestens wenn man bei einem herrlichen Cappuccino und einer hausgemachten Mehlspeise auf der Südterrasse des Klosters Wernberg sitzt, das wie ein Adlerhorst auf der Spitze eines steilen Abhangs zur Drau gebaut ist. Der Blick wandert über den Fluss, der dunkelblau glitzernd durchs Bild zieht, weiter in Richtung Mittagskogel und Dobratschmassiv. Umrahmt wird die Aussicht von den vielfarbig blühenden Rosenstöcken, die in diesem idyllischen Sitzgarten gepflanzt sind, rot, gelb, pink leuchten sie in der Herbstsonne. Das Verweilen im Rosengarten ist nochmal das i-Tüpferl auf diesem Ort, der seine Gäste nach und nach verzaubert. „Der Name der Rose“, geistert es durch meinen Kopf. Aber jetzt entstehen vollkommen andere Bilder dabei. ■

Kloster Wernberg

Die Ordensgemeinschaft „Missionsschwestern vom Kostbaren Blut“ betreibt in Wernberg nahe Villach u.a. ein Gäste- und Bildunghaus, Restaurant und einen Klosterladen. Ganzjährig Programm für Externe, von der Bibelrunde bis zur Fastenwoche, von der HeilpflanzenAusbildung bis zur Schreib- und Malwerkstatt. Der im Text erwähnte Kurs zur Körperarbeitstechnik der „Endobiophilie“ ist wieder für Mai 2022 geplant. Details zu diesem und allen anderen Angeboten im downloadbaren Jahresprogrammheft. 25 Zimmer, Kategorien „Klösterlich“ (WC/DU am Gang) und „Komfort“ (WC/DU im Zimmer). Ab 40 Euro im DZ mit Frühstück. www.klosterwernberg.at Klösterreich

Kloster Wernberg ist Mitglied dieser Dachmarke, unter der sich derzeit 28 Klöster, Stifte und Orden mit touristischem bzw. kulturellem Angebot zusammengeschlossen haben. Die Mitgliedshäuser sind vorwiegend in Österreich, aber auch zwei in Tschechien und jeweils eines in Deutschland, Ungarn und der Schweiz. www.klösterreich.at Wer geht ins Kloster?

Klostergäste passen zwar in keine fixe Schublade, allgemein lassen sich aber folgende Gästezielgruppen definieren: • Menschen, die eine Auszeit nehmen wollen, Fastende, Ruhesuchende, Kreativ- und Gesundheitsurlauber • Kunst- und Kulturinteressierte (Kunstschätze, kulturelle Angebote wie Lesungen, Konzerte, Ausstellungen) • Religiöse Menschen, die z. B. in Form von Exerzitien ins Klosterleben eintauchen wollen • Familien, die ein alternatives Angebot suchen (z. B. Abtei Waldsassen mit Familienpaketen) • Gartenliebhaber (Klostergarten-Führungen, Heilkräuterkunde, Hobbygärtnerkurse) • Kinder & Schüler (z. B. Stift St. Florian, spezialisiert auf junge Kulturvermittlung) 10 Angebote Klösterreich

Fasten 1. Salzburger 16:8 Basenfasten mit Diät-Kochkurs. 28.11. bis 3.12. 2021, ab 743 € p.P., Johannes Schlössl der Pallottiner in Salzburg-Stadt, https://johannes-schloessl.at kreativurlaub. Krippenschnitzen. 2. bis 5.12. 2021, Kursbeitrag 102 €, Augustiner Chorherrenstift Reichersberg am Inn, www.stift-reichersberg.at Exerzitien. Eintauchen ins Klosterleben. 9. bis 12.12. 2021, ab 166,50 € p.P. Stift Zwettl, www.stift-zwettl.at Gesundheit. Waldness-Package inkl. Waldkräuterwickel und Nadelholzfußbad. 3 Nächte ab 359 € p.P., Marienschwestern von Karmel - Curhaus Bad Kreuzen. www.curhaus.at Museum. Unter dem Titel „Unterwegs vom Gestern ins Heute” zeigt das WelterbeStiftsmuseum Melk in moderner, multimedialer Gestaltung und anhand seiner Kunstschätze seine über 900-jährige Geschichte. Ticket: 13 €. www.stiftmelk.at Wellness. Seelen-Wellness-Package mit Stiftsbibliothek-Zugang. 2 Nächte ab 130 € p.P. Zisterzienserinnen-Abtei in Waldsassen, https://abtei-waldsassen.de Meditation. Orientierung – Meditationsseminar zum Jahresanfang. 4. bis 7. 1. 2022, 3 Nächte ab 530 € p.P., Stift Schlägl, www.stift-schlaegl.at Fasten 2. Spirituelles Klosterfasten & Wandern nach Buchinger-Lützner. 6. bis 12. 2. 2022, ab 669 € p.P., Kloster Wernberg, www.klosterwernberg.at Urlaub im kloster. Unterkünfte vom Pilgerzimmer bis zum barocken Benedikt-Appartement, von 50 bis 178 € p.P., Stift Göttweig, www.stiftgoettweig.at kultur. Wandeln auf Bruckners Spuren. Stiftsführung, Orgelkonzert auf der Brucknerorgel. 3 Nächte ab 135 € p.P. Stift St. Florian, www.stift-st-florian.at

Weitere termine & Pauschalen:

www.kloesterreich.at Angebote von Ordenshäusern

Auch andere Ordensgemeinschaften in Österreich bieten Bildungsprogramme auch für Gäste an. Die Themen reichen von politischer Bildung über Förderung kreativer Fähigkeiten bis zu Beziehungsarbeit und Lebensbewältigung. Eine Übersicht über diese Bildungs- und Gästehäuser bietet die Plattform der Ordensgemeinschaften Österreichs, www.ordensgemeinschaften.at/ angebote/bildungshaeuser

BUCHTIPPS

Silentium. Auszeit im

kloster. Die schönsten Angebote für Aufenthalte in ehrwürdigen Gemäuern, an steilen Rebhängen oder inmitten abgeschiedener Natur. Plus: ausführliche Porträts der vorgestellten Klöster in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Verlag Kunth, 2020. 272 Seiten, 31,80 €

Urlaub im kloster. Holiday-Reisebuch. Die 50 schönsten Klöster in Deutschland, Österreich und der Schweiz, die sich durch attraktive Lage, als besondere Orte der Stille oder durch meisterliche Baukunst auszeichnen. Von Petra Altmann. Travel House Media, 2017. 176 Seiten, 20,60 €

Um Gottes Willen: Warum Menschen heute

ins kloster gehen. 16 Porträts von Frauen und Männern, die sich fürs Ordensleben entschieden haben. Von 23 bis 92 Jahren, vom Physiker bis zur Bierbrauerin, mit unterschiedlichen Lebenswegen, Charakteren und Beweggründen. Von Stephanie Mende. Verlag Adeo, 2020. 224 Seiten, 18,50 €

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