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WENN REBEN REDEN

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BUCHTIPPS

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KLEINES WEINBAUGEBIET, GROSSE VISIONEN. Durchs Traisental weht der Pioniergeist junger Winzer, die stark auf Nachhaltigkeit setzen.

Zu Gast bei Winzer und „Weiterdenker“ Markus Huber im Traisental: Innovative Ansätze im Bioanbau und neue Erkenntnisse aus der Wissenschaft standen im Fokus beim Event „Die Sprache der Reben“. So viel vorweg: „Geplaudert“ wird ober- und unterirdisch.

Text: Viktória Kery-Erdélyi Fotos: Weingut Markus Huber, Weinfranz Fotografie, Mostviertel Tourismus, Viktória Kery-Erdélyi

Wer mit seinen Pflanzen redet, galt kaum jemals als Exot. Doch wer hört ihnen zu? „Pflanzen kommunizieren mit den Mikroorganismen im Boden und vice versa“, beschreibt Michaela Griesser vom Tullner Department für Nutzpflanzenwissenschaften der Universität für Bodenkultur. Dass sie das über die sogenannten Wurzelexsudate, also unterirdisch tun, „haben viele in der Landwirtschaft über Jahrzehnte ausgeblendet“, merkt sie kritisch an. Der Boden musste sozusagen „nur“ als Standort herhalten. Zu den „Umdenkern“ gehört Markus Huber, der seit 2000 den elterlichen Betrieb in Reichersdorf Schritt für Schritt in eine neue Ära führt und ihn ausbaut. Als er begann, sich dem biologischen Weinbau zuzuwenden, war für ihn klar: „Ich wollte optimal gesunde Trauben und den bestmöglichen Wein. Meine Stilistik wollte ich nicht verändern.“ Seine Weine exportiert er heute in 35 Länder – und das immerhin aus einem der kleinsten Weinbaugebiete Österreichs, dem Traisental. Spannend macht seine Mission außerdem: „Wir sind sehr kleinteilig. Allein unsere 55 Hektar Rebflächen sind auf 128 Parzellen aufgeteilt; damit haben wir es mit vielen Mikroklimaten zu tun.“

Abseits ausgetretener Pfade. Die Aufbruchstimmung unter seinesgleichen im Traisental ist allgegenwärtig; das Bewusstsein für die Schätze der Region schärft man seit Kurzem auch durch einen gemeinsamen Auftritt von Wein, Tourismus und Kultur via der Website traisental.at. Der Ehrgeiz der Winzer geht aber über die gemeinsame Vermarktung der charakterstarken Weißweine – vorwiegend Grüner Veltliner und Riesling – hinaus. Die kühlen Winde aus den nahen Alpen und die warmen Luftströmungen aus dem Donautal – ein weiteres Charakteristikum – wehen Pioniergeist durch das Traisental.

Wo Markus Huber bereits abseits ausgetretener Pfade marschiert bzw. mit welchen innovativen Partnern der Biowinzer kooperiert, wollte er zeigen, als er im vergangenen Sommer zum Event „Die Sprache der Reben – Weinbau von Morgen im Heute“ lud.

Den kulinarischen roten Teppich für seine edlen Tropfen rollte ein Gleichgesinnter aus: Drei-Hauben-Koch Mike Nährer aus Rassing bei Kapelln verblüffte und verwöhnte mit zum Großteil veganen Gerichten. Er ist ein zentraler Mitwirkender und Ideengeber der „Most-

Bio bedeutet für mich: gesunde Trauben. Meine Stilistik wollte ich nicht verändern.

Markus Huber, Winzer

viertler Feldversuche“, der erfolgreichen „farm to table“-Veranstaltungsreihe.

Umrahmt wurde Hubers Event mit einer Wanderung entlang seiner Weingärten und summenden Blumenwiesen mit dem Kräuterpädagogen Markus Dürnberger; Herzstück des Programms waren zukunftsweisende Vorträge, die möglichst nachhaltige und naturnahe Landwirtschaft im Fokus hatten.

Alles braucht Boden. Mit Bernhard Becherer stellte Markus Huber einen jahrelangen Partner vor; er ist Gründer des Waldviertler Unternehmens „WIR Nordwälder GmbH“. „Bio ist für uns kein Allheilmittel“, betont Becherer, selbst auch Landwirt. „Unser Firmenmotto ist: Alles braucht Boden – ob nun Pflanzen darauf wachsen oder Menschen und Tiere die Pflanzen verzehren. Bodengesundheit ist kein Ziel, sondern eine Haltung.“ Er spezialisierte sich auf sogenannte regenerative Mikroorganismen: Seine Produkte enthalten probiotische Bakterien und Pilze; Umbauprozesse etwa durch Ernterückstände und Laub sollen nicht verfaulen, sondern aktiv im Kreislauf aufgenommen werden.

Auf zu Tode bewirtschafteten Böden gedeiht nicht nur nichts mehr, auch Regenwasser kann nicht mehr aufge-

nommen werden. „Wir können nicht zehren, bis der Speicher leer ist, ohne etwas zurückzugeben“, sagt Becherer. Er zitiert einen Kunden, der in die Bodengesundheit investiert: „Es ist mir nicht wichtig, heute mehr Ertrag zu haben, sondern dass auch die Kinder noch einen Ertrag haben.“

Seit gut sechs Jahren arbeitet Markus Huber mit „Wir Nordwälder“-Produkten und ortet sichtbare Erfolge. Auf das kühle und nasse Frühjahr folgten heuer plötzlich warme Temperaturen; das Wachstum der Reben explodierte förmlich. Noch dazu führen die Kalkböden im Traisental dazu, dass das Wassser schnell weggeht. Vielen machte 2021 die Chlorose (Mangelerscheinung, Anm.) zu schaffen, „in meinen Weingärten konnte ich das großteils verhindern“, sagt er. Ähnlich wie bei einer Ernährungsumstellung hätte der Einsatz der regene-

Wir können nicht von den Böden zehren, bis der Speicher leer ist, ohne etwas zurückzugeben.

Bernhard Becherer, Firmengründer „WIR Nordwälder GmbH“ und Landwirt

HIMMLISCH OHNE FLEISCH. Komponiert von Drei-Hauben-Koch Mike Nährer TEAMWORK. Für „New Chapter“ (Grüner Veltliner, 2020) kooperierte Markus Huber mit Lenz Moser. Das bescheidene Ziel: Die Welt damit erobern.

rativen Mikroorganismen in den ersten Jahren den Ertrag etwas gebremst. Nun zeige sich aber, dass die Reben selbst mit wetterbedingten Stresssituationen besser umgehen. „Wir haben gesunde Trauben mit guten Inhaltsstoffen.“

Stressmanagement. Zum Paradigmenwechsel in der Wissenschaft führte die Erkenntnis: „Die Regulationsmechanismen von Pflanzen arbeiten nicht unabhängig voneinander“, erläutert die eingangs zitierte Forscherin Michaela Griesser. Das bedeutet: Der Umgang mit dem Stress, den Reben aufgrund veränderter klimatischer Bedingungen haben, kann ihre Abwehrkräfte etwa gegen Schädlinge blockieren.

Dass das Engagement in die Bodengesundheit sinnvoll ist, zeigt ein Blick drunter: „Die Pflanze betreibt großes Investment in die Wurzel; es spielt sich auch in der Umgebung viel ab“, weiß Griesser. „Geplaudert“ wird freilich auch überirdisch – über flüchtige organische Verbindungen, die in der Wissenschaft als VOCs bezeichnet werden (Volatile Organic Compounds). Vereinfacht: Pflanzen verfügen über Fähigkeiten, mit denen sie biologische Prozesse in Gang setzen, um Schädlinge abzuwehren, Nützlinge anzulocken und sogar um untereinander zu kommunizieren. Auch hier ortet Griesser Chancen für eine smarte Landwirtschaft, beispielsweise durch die Etablierung einer Co-Kultivierung (Ertragspflanzen und Pflanzen für andere Funktionen).

Wenn Markus Huber nun Ende Juni an manchen Stellen noch nicht die Böschung abgemäht hatte, so war das kein Zufall. „Brennnesseln und Ackerwinde fungieren als Wirte für die Rebzikade (sie kann eine Vergilbungskrankheit übertragen, Anm.); mäht man zu früh, springen sie auf die Weinreben über“, erklärt der Winzer, der andernorts über große Flächen Wiesenblumen und Kräuter gedeihen lässt und mit Imkern kooperiert. Die Welt von morgen ein Stück weit zu verbessern, ist sein Ziel. „Das bedeutet für uns den Einsatz neuer, regenerativer probiotischer Bakterienkulturen zur Bodengenesung, die Kultivierung symbiotischer weinholder Kräuter und Heilpflanzen im und rund um den Weingarten sowie den Einsatz von Kräuterextrakten zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit der Pflanzen. Das führt zu reduziertem Einsatz von Pflanzenschutzmitteln.“

Infos: weingut-huber.at, traisental. at, nordwaelder.at, ke-shop.at

WIESENDUDLER

1 l Apfelsaft 2 Zitronen 1/2 Flasche Mineralwasser 2 Handvoll aromatische und duftende Blüten: z.B: Giersch (Blüten oder Blätter), Labkraut-Arten, Mädesüß, Thymian, Dost, schwarzer Holunder. Blüten beliebig nach der Jahreszeit gemischt in den Apfelsaft geben, mit den Händen kräftig zerdrücken und mindestens drei Stunden kühl ziehen lassen. Anschließend die Limonade durch ein Sieb abgießen und wenn nötig filtrieren. Danach den Zitronensaft und eine Handvoll Blüten zufügen. Vor dem Servieren mit Mineralwasser aufgießen. Rezepttipp: Naturvermittler und

Kräuterpädagoge Markus Dürnberger

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