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Zur Erinnerung an
Gisela Pfleiderer
geb. Aisch (9. 1. 1913 – 28. 5. 2005), genannt „Muttle“
g e s c h r i e b e n v o n to c h t e r r u t h g i s e l a e v e r s , g e b . p f l e i d e r e r
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LEICH NACH DEM ABITUR in Fürstenwalde hat Gisela Aisch erst einmal in der Fir ma Nagler, einem Fachge schäft für Honig und Bienenwachs, in Berlin gearbeitet, denn ihr Vater, der Bienenvater Pfarrer Johannes Aisch, hatte sich gewünscht, dass seine jüngste Tochter Imkerin wird. Daraus wurde allerdings nichts. Wie das Schicksal es wollte, arbeitete Gisela mit Firma Nagler auf einem Bauernmarkt, wo sie sehr engagiert Honigprodukte verkaufte, und da gab es einen besonders sympathischen Standnachbarn, das war der Süßmoster Hellmut Pflei derer, ein waschechter Schwabe aus Stuttgart, der dort seine Obstsäfte anbot, 1932 ein ganz neues, gesundes Getränk. Er engagierte die tüchtige Verkäuferin, und zwar auch gleich als Ehefrau.
1933 war das Das war im Jahr Jahr der Macht 1933, dem Jahr der Machtergreifung, ergreifung
womit natürlich nicht die Hochzeit meiner Eltern – um sie geht es hier – gemeint war. 1934 kam ich zur Welt, 1936 kam noch mein Bruder Rudolf dazu und 1939 und 1942 unsere beiden kleinen Schwestern Ingrid und Rotraut. Als Mutter von vier Kindern hat man Muttle sogar einen Orden verliehen, das Mutterkreuz mit Hakenkreuz. 1942 waren wir bereits im dritten Jahr des 2. Weltkrieges. Die Fenster mussten mit schwarzem Papier verdunkelt werden, und nachts schliefen wir im Luftschutzkeller, denn Berlin
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wurde bombardiert. Auch unser Mietshaus hätte beinahe einen Bombentreffer abbekommen, die Süßmostfabrik blieb zum Glück verschont. Mein Vater beschließt, eine zweite Süßmostfabrik mit Obstplantagen im nördlichen Teil Jugoslawiens aufzubauen, das damals von uns Deutschen besetzt war und Oberkrain hieß. Wir zogen also von Berlin nach Veldes (heute Bled), vor Bomben relativ sicher, wo Rudolf und ich mit lauter Slowenen zur Schule gingen, die Deutsch lernen mussten. Einmal hatten wir alle Scharlach, außer Muttle und Anica, unser slowenisches Hausmädchen. Beim Einkaufen wurde Muttle vom Bürgermeister gewarnt, sie verbreite eine schwere, ansteckende Krankheit und solle sich nicht wundern, wenn ihr Tito-Partisanen den Schädel einschlagen würden. Das war schlimm, und so mussten wir nach Radmannsdorf (Radowlica) ziehen in eine Miethaussiedlung mit vielen Deutschen, wo wir uns zunächst wieder etwas sicherer fühlten. Was 1945 geschah, ist bekannt. Das Kriegsglück hatte sich – vorhersehbar – gewendet. Muttle musste in großer Eile unsere wichtigsten Sachen packen, dazu gehörte auch die Nähmaschine, eine zum Treten natürlich. Jeweils zwei Familien, außer uns noch Frau Rotermund und Margritt, bekamen zusammen einen Laster, in dem wir des nachts von Radmannsdorf über Italien nach Österreich
Ein Jahr auf einem Berg bauernhof in Kärnten