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Tinnen

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Landegge

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Heinrich Gerdes wurde wiederholten Male mit zum einem Bauantrag beim Landkreis vorstellig. Ein altgedienter Mitarbeiter sorgte vor: „Heinz, ich habe noch ein halbes Jahr bis zur Rente. Beeil dich mit den Anträgen, denn die anderen hier wissen nicht, dass du immer neue Arbeitsplätze schaffst!“

das tinner loh

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Der Name der Ortschaft Tinnen taucht schon früh in den Heberegistern des Klosters Corvey auf. „Dinnum“ heißt das Dorf um das Jahr 1000 und zählt bis zum Jahr 1932 zum Kirchspiel Lathen.

Mit der Fertigstellung eines eigenen Gotteshauses im Jahr 1863 entfällt für die Einwohner Tinnens der beschwerliche Weg zur sonntäglichen Messe ins benachbarte Lathen. Immerhin müssen die acht Kilometer dorthin bei jedem Wetter und zu Fuß oder mit dem Pferdegespann auf schlecht ausgebauten Wegen zurückgelegt werden.

Die Ortschaft liegt inmitten zweier Naturschutzgebiete. Am nördlichen Rand grenzt Tinnen an die Tinner-/Staverner Dose, ein großflächiges Hochmoorschutzgebiet. Südlich der Ortschaft liegt das Tinner Loh. Es ist der Rest eines noch gut erhaltenen Hutewaldes, des bis zum Ende des 18. Jahrhunderts den ansässigen Bauern als Weidewald diente. Viehbisse und Schneitelungen führten in der Folge zu bizarren und knorrigen Wuchsformen der dortigen Buchenbäume, die bis zu 350 Jahre alt sind.

Musik hat in Tinnen eine lange Tradition: Bereits 1923 gründet sich im Ort eine Blaskapelle, die aber durch die Geschehnisse des Zweiten Weltkrieges auseinander gerissen wird.

Erst 1962 finden sich erneut fünf musikbegeisterte Einwohner zusammen, aus deren Reihen im Jahr 1970 die „Tinner Jäger“ hervorgehen. Seit 1979 gibt es darüber hinaus das Jugendblasorchester Tinnen und seit 1982 die Jagdhornbläsergruppe Tinnen.

Heinrich Gerdes

Jahrgang 1951, wurde in aschendorf geboren und zog mit fünf Jahren nach tinnen, wo sich sein Vater als schmied eine existenz aufbaute. die Familie hat auch Wurzeln in raken.

das unternehmen cnc Gerdes zählt heute über 150 mitarbeiter und verarbeitet am standort emmeln Bleche, fertigt Bauteile und Verkleidungen sowie sondermaschinen. Gerdes war von 1993 bis 2013 mitglied im Vorstand des schützenvereins st. Bernadus tinnen und sammelt mit großer leidenschaft Oldtimer.

Herr Gerdes, welche Erinnerungen haben Sie an Ihre Kindheit und Jugend in tinnen?

unsere Familie kaufte die alte Volksschule mit lehrerwohnung, als die schule neugebaut worden war. anfangs fand auch noch unterricht in unserem Wohnzimmer statt. ich hatte es da einfach: tür von der küche aufmachen und ich stand im klassenzimmer. ich erinnere mich noch an den vielen sand, der erforderlich war, um das neue schulgrundstück herzurichten.

Wie gestaltete sich Ihr Alltagsleben in einem unternehmerhaushalt?

als ältester sohn musste ich nach der schule immer in Vaters schmiede mithelfen. Wenn er kunden besuchte, war ich der chef. nach der lehre und dem Wehrdienst übernahm ich die Buchhaltung, weil mein Vater handwerklich geschickt war, aber wenig lust hatte, rechnungen zu schreiben. „mein sohn macht sich nichts aus Hobbies“, war seine antwort, wenn ich mit Freunden zum Fußball- oder musikverein wollte. Gefragt hatte er mich vorher aber nicht.

tinnen war damals traditionell mehr nach lathen als nach Haren orientiert.

Ja, das stimmt. tinnen bekam erst 1863 eine eigene kirche, vorher wurde die messe immer in lathen besucht. noch heute kaufen die tinner auch dort eher ein. Bei der Gemeindereform 1974 wollte man lieber selbstständige mitgliedsgemeinde der samtgemeinde lathen werden. dem letzten Bürgermeister krull ist es zu verdanken, dass viele tinner damals ein eigenheim bauen konnten. er sorgte für die Baugenehmigungen beim landkreis meppen. Für die eigenständigkeit hielt man auch die Verschuldung niedrig. die entscheidung fiel dann jedoch für Haren. soweit mir bekannt, hat tinnen sogar ein kassenguthaben zur neuen stadt Haren (ems) mitgebracht.

Ihr unternehmen war aber immer fest in tinnen verwurzelt?

nein, denn als die stadt Haren uns für eine erweiterung ein Grundstück am heutigen sportplatzgelände anbot, wurden sogar unterschriften dagegen gesammelt. aus lathen kam das angebot, dort kostenlos ein Grundstück erwerben zu können. mit der transrapid-anlage saß dort auch einer unserer größten kunden. stadtdirektor dieter schultejanns hat dann dafür gesorgt, dass wir in emmeln ein Grundstück bekamen und auch bei der nächsten erweiterung half die stadt bei einem dreiecksgeschäft mit. Wir hatten mit Josef Berenzen im rathaus und albert Funke im kreishaus immer super ansprechpartner für unsere anliegen.

Ihr Wunsch zum 50. Geburtstag der Stadt?

die dorfgemeinschaft in tinnen ist beispielhaft. Fast jeder ist in einem Verein oder einer Gruppe aktiv. Wenn das erhalten bleibt und die Finanzlage weiter stimmt, ist vieles möglich. Vielleicht auch eine straßensanierung und zusätzliche straßenlampen in tinnen … Stadtgeschichte(n)

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