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Lindloh Schwartenberg

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Wesuwe

Wesuwe

In Lindloh Tradition, war dass es die Bewohner auf der „Sisse“ (heutige Lindenallee) gemeinsam zum Kirchgang aufbrachen. Aus dem entferntesten Haus starteten die Bewohner und holten anschließend alle Familienmitglieder – Krankheit war die einzige Ausrede – ab. Der Zug musste auch am Gasthaus Brümmer vorbei. Der Seniorenchef gab der Karawane mit auf den Weg: „An einer Kirche und einem Wirtshaus sollte man nie vorbeigehen.“ Letzteres wurde auf dem Rückweg nach dem Gottesdienst stets nachgeholt.

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Lindloh-Schwartenberg ist der westlichste Ortsteil im Stadtgebiet Harens und unmittelbar an der niederländischen Grenze gelegen.

Im Dauerstreit mit den Niederlanden über die Frage des konkreten Grenzverlaufs lässt Fürstbischof Maximilian Franz von Münster im Jahr 1788 acht Moorkolonien linksseitig der Ems entstehen, die deutsches Territorium sichern sollen. Auch die Siedlungen Lindloh und Schwartenberg zählen hierzu.

Das Schmuggeln von Kaffee, Schnaps und Zigaretten aus den Niederlanden ist für die arme Grenzbevölkerung ein willkommener Nebenerwerb. Insbesondere nach 1945 lohnt sich der Weg über die „Grüne Grenze“ ins Nachbarland. Ein Pfund Tee kostet dort umgerechnet 5 Mark, in Deutschland 18 Mark. Die Einwohner sind solidarisch: Als Warnung vor patroullierenden Zöllner geht der Ruf „Karo… Karo“ von Haus zu Haus. Auch Kerzen im Fenster signalisieren heimkehrenden Schmuggeln „Gefahr in Verzug“.

Mittelpunkt des Ortes ist die sog. Kapellenschule, die 1925 in neugotischer Optik erbaut wird. Zuvor diente eine Erdhütte, später ein Fachwerkhaus, gefolgt von einem kleinen Ziegelrohbau als Unterrichtsraum. Noch 1911 werden dort 120 Kinder von einem Bauern unterrichtet, der im Nebenberuf als Lehrer fungiert. Der Schulbetrieb wird 1971 eingestellt und das Gebäude verkauft.

1991 erwirbt die Stadt die einstige Schule zurück. Seither dient sie als Kapelle für Gottesdienste und kirchliche Feiern.

Lindloh ist auch der Geburtsort des Heimatschriftstellers Hermann Gröninger. Ihm zu Ehren heißt der 1921 gegründete Schützenverein St. Hermanus.

Helena und Rudolf Plagge

Helena (Jahrgang 1935) und rudolf Plagge (Jahrgang 1933) sind seit 1960 verheiratet. er begann als Junge damit, nach dem Zweiten Weltkrieg täglich bis zu 500 eier mit dem Fahrrad durch lindloh zu fahren. dann belieferte er die landbevölkerung zunächst mit einem Pferdefuhrwerk mit Grundnahrungsmitteln, ab 1951 fuhr er mit einem dreirädrigen Goliath Gd 750, später mit einem VW-Bulli einmal wöchentlich jedes dorf im westlichen stadtgebiet an. Bis 2001 betrieben die eheleute ein lebensmittelgeschäft. sie engagieren sich gemeinsam ehrenamtlich in der Behindertenarbeit. rudolf besucht regelmäßig die senioren aus seinem damaligen „einzugsbereich“. er gründete 1993 den Freundeskreis lindloh für Behindertenarbeit und erhielt dafür 2012 den Harener Bürgerpreis.

Herr Plagge, welche Erinnerungen haben Sie an die 50er und 60er Jahre?

die menschen mussten viel und hart arbeiten. anfangs gab es für die eier, die ich für den Großhändler aus meppen bei den Bauern aus unserem dorf abholte, Warengutschriften, mit denen die Bauern in unserem kolonialwarengeschäft einkaufen konnten. der einkauf geschah meist sonntags nach der kirche; dann hatten die leute Zeit. erst gab es kaffee und Beschütt, danach wurde eingekauft.

mit Ihrem rollenden Einkaufsladen kamen Sie später viel herum im Dorf.

ich kannte die privaten und beruflichen Verhältnisse der meisten dorfbewohner und selbst die tiere auf den Höfen. Waren die leute auf dem Feld, holte ich den Hausschlüssel aus dem Versteck, fand den einkaufszettel auf dem küchentisch, eine Geldbörse und manchmal für mich ein gekochtes ei. es gab auch schon mal ein mittagessen, wenn ich gerade passend kam, und bei einer Familie immer einen warmen Pudding – extra für mich gekocht.

Wurde bei diesen Verkaufsfahrten auch über Politik geredet?

das war selten der Fall. Für Politik waren andere zuständig. der Pastor erinnerte vor der Wahl immer daran, das kreuz auch an der richtigen stelle zu machen. auf den dörfern lief eigentlich alles über gegenseitiges Vertrauen. so hat unsere nachbarschaft gemeinschaftlich ein missionskreuz von gemeindlichem Boden auf unser privates Grundstück versetzt. noch heute unterstützen uns die nachbarn bei der Pflege.

Gab es nach 1974 mehr Kontakte nach Haren?

Vor der Gemeindereform hatten wir wenig kontakte nach Haren. das meiste wurde in rütenbrock oder beim Bürgermeister in lindloh erledigt. später fuhren wir dann nach Haren für behördliche angelegenheiten. allerdings blieben für uns die angelegenheiten des dorfes lange Zeit vorrangig. so warben die lindloher bei der stadt Haren (ems) um den Bau eines radweges als schulweg entlang der straße nach rütenbrock. dafür war eine Verkehrszählung angesetzt, um den Bedarf nachzuweisen. alle kannten den termin der Verkehrszählung und sorgten für entsprechend viel Verkehr auf dieser straße.

Wie fällt Ihr Blick auf die Stadt Haren (Ems) heute aus?

Vieles läuft gut. Wichtig ist nach wie vor der Zusammenhalt auf den dörfern. neubaugebiete, wie sie auch in lindloh entstanden sind, helfen dabei, auch die Jüngeren im dorf zu halten. Für die Älteren könnte man regelmäßige treffen in den schützen- oder dorfgemeinschaftshäusern organisieren, vielleicht mit Fahrdiensten durch die Jüngeren. das könnte helfen, der Vereinsamung vorzubeugen und das Gemeinschaftsgefühl zu stärken. es könnte eine aufgabe für die Ortsvorsteher und örtlichen ratsmitglieder sein, dies anzuregen.

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