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polit:zeit
09/2021
«Ein heftiger Knall wäre besser gewesen» «Sozial, demokratisch, ökologisch» – so lautet der Slogan der Freien Liste, hinter dem auch Nadine Gstöhl und Ute Jastrzab standen. Gstöhl kandidierte für den Landtag und erlangte ein Mandat als stellvertretende Abgeordnete, Jastrzab kandidierte 2019 in Schaan für den Gemeinderat und war im Vorstand der Partei. Seit dem 27. August sind sie keine Mitglieder der Freien Liste mehr. Zu viel ist vorgefallen, dass die beiden weder als sozial noch als demokratisch wahrgenommen haben. Interview: Heribert Beck Über die Querelen in der Freien Liste ist nach und nach vieles an die Öffentlichkeit gelangt. Wie würden Sie das Problem der Partei zusammenfassen? Ute Jastrzab: Kurz gesagt: In der Freien Liste ist wenig Platz für unterschiedliche Ansichten. Viele der «alten Garde» möchten, dass alles bleibt, wie es ist, beziehungsweise dass alles läuft, wie sie es für richtig halten. Es gibt kaum Raum für echte Weiterentwicklung. Statt auf Dialog und Einbindung aller wird auf Druck gesetzt. Das hat mich schon zu meiner Zeit im Vorstand überrascht. Dort tat sich das damalige Co-Präsidium schwer, wenn es nicht nach seinen Vorstellungen lief. Wurden die beiden Co-Präsidenten Pepo Frick und Conny Büchel-Brühwiler überstimmt, erhöhten sie in der nächsten Sitzung den Druck. Ihr Handeln im Vorstand und gegenüber der Geschäftsstelle war oft weder demokratisch noch sozial. Zuletzt in Sachen vorsorglicher Kündigung des Geschäftsführers aus angeblich finanziellen Gründen und gegen den Willen des Restvorstands. Auch der Umgang mit den Mitarbeitern der Geschäftsstelle wurde heftig kritisiert. Mit jedem Lösungsvorschlag des Vorstands zündete das Co-Präsidium die nächste Eskalationsstufe, was in der Kündigung des Geschäftsführers und dem Antrag auf eine ausserordentliche GV durch Nadine Gstöhl gipfelte. Es ging den Co-Präsidenten vor allem darum, Macht zu demonstrieren und um Bestandswahrung – leider sind die beiden
damit nicht allein. Das war mir lange nicht bewusst. Frau Gstöhl, Sie haben damals mit neun weiteren Mitgliedern die ausserordentliche GV beantragt. Es ist dann doch ein Stillhalteabkommen bis nach den Wahlen daraus geworden. Hätten Sie rückblickend auf einer ausserordentlichen GV bestehen sollen? Nadine Gstöhl: Pepo Frick und Conny Büchel-Brühwiler haben damals die Vereinbarung unterschrieben, die auch beinhaltete, dass sie sich nach den Wahlen aus dem Präsidium zurückziehen. Daraus resultierte, dass sich alle Landtagskandidaten, die sich aufgrund des Verhaltens des Co-Präsidiums bereits zurückgezogen hatten, wieder zur Wahl stellten und sich drei von vier demissionierten Vorstandsmitgliedern bereiterklärten, ihre Vorstandsarbeit bis zur nächsten ordentlichen GV zum Wohl und Erfolg der Freien Liste wieder aufzunehmen. Nach den Wahlen sah alles plötzlich anders aus. Die Vereinbarung wurde von Pepo und Conny als Knebelvertrag angesehen, und sie beanspruchten wieder ihre Position als Co-Präsidenten. Die damaligen Vorstandmitglieder wurden vor Gericht gezerrt. Rückblickend wurden der Vorstand und ich einfach nur belogen. Ute Jastrzab: Heute wäre es mir lieber, die Vereinbarung wäre nicht zustande gekommen. Mit dem Verhindern der ausserordentlichen GV durch die Verein-
Nadine Gstöhl
barung wurde der wohl demokratischsten Akt in diesem ganzen Drama abgeblockt. Ein heftiger Knall und ein sauberer Schnitt wären sicher besser gewesen als das, was danach gekommen ist. Es war nicht absehbar, dass die Co-Präsidenten sich nicht an die Vereinbarung halten würden, die im besten Interesse der Freien Liste getroffen wurde. Es ist mir heute noch unbegreiflich, warum sie der Freien Liste ohne Not einen solchen Schaden zugefügt haben. Leider zeigte sich an der GV vom 27. August, dass die Mehrheit der Anwesenden die Handlungen des alten Co-Präsidiums offenbar nicht so dramatisch sah und kein Interesse am Dialog hatte. Man wolle nach vorne schauen, lautete der Tenor. Dazu entschloss ich mich dann auch und verfasste meinen Parteiaustritt noch an der Sitzung handschriftlich.
Nadine Gstöhl: Diese GV steht für mich sinnbildlich für das, was ich in den vergangenen Monaten innerhalb der Freien Liste erlebt habe. Besonders die Mitglieder rund um das ehemalige Co-Präsidum wollten nicht hören, was wir zu sagen hatten. Es schmerzt nicht, über das Geschehene zu reden. Vielmehr schmerzt es, dass man nicht gehört werden will. Respekt ist etwas anderes, gerade in einer Partei, die sich auf die Fahnen schreibt, wie demokratisch und sozial sie ist. Besonders Thomas Lageder und ich wurden für unsere angebliche Verweigerungshaltung bei der Aufarbeitung des Konflikts heftig kritisiert. Meine persönliche Stellungnahme zur Chronik, die Ute über die Vorgänge erstellt und für den Schlussbericht von Peter Bussjäger und Valentina Baviera eingereicht hat, wurde nirgendwo erwähnt. Dass