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NIDA JANUSKIS Stellvertretende Dekanin für Fortschritt der INSEAD

Geschlechtervielfalt als Geschäftspriorität

NIDA JANUSKIS

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S T E L LV E R T R E T E N D E D E K A N I N F Ü R F O R T S C H R I T T A N D E R I N S E A D B U S I N E S S S C H O O L

ENGE FREUNDE VON NIDA JANUSKIS sagen, sie habe transformierende Kräfte. Damit meinen sie die Art und Weise, wie sie ihr eigenes Leben und das Leben anderer bereichert, aber auch die Energie, die sie ausstrahlt und mit der sie sich selbst antreibt und ihre Mitmenschen motiviert. Als stellvertretende Dekanin der INSEAD, einer privaten Wirtschaftshochschule, die dauerhaft auf einem der ersten Rangplätze der Welt steht, und als eine von nur drei Frauen im Vorstand, macht sie mit ihrer Energie und ihrer übernatürlichen Führungsfähigkeit den Weg für Frauen als Führungskräfte frei und arbeitet damit an einem umfassenden Perspektivwechsel in ihrer Institution. Veränderung wird nicht nur im Tagesgeschäft geboren, wie sie mir bei unserem Gespräch in ihrer Wohnung im 7. Arrondissement an einem Nachmittag erklärt, sondern beginnt mit der Erziehung.

Du bist eine litauische Amerikanerin, die in Paris lebt, und hast einen Reiseplan, bei dem du jeden Monat die ganze Welt durchquerst. Warst du schon immer eine Weltenbürgerin? Nicht unbedingt. Ich wurde in einer litauischen Familie in Chicago geboren und die litauische Gemeinde war so stark (die größte Diaspora außerhalb von Litauen!), dass ich erst Englisch lernte, als ich in den Kindergarten kam. Ich ging auf eine litauische Samstagsschule und besuchte litauische Volkstanzkurse – d as war mein Leben. Grund dafür war, dass meine Großeltern und Eltern nach dem Zweiten Weltkrieg in die USA einwanderten. Aufgrund der Besetzung Litauens durch die Sowjetunion fühlte sich die Diaspora dafür verantwortlich, die Sprache und die Kultur Litauens zu pflegen. Meine Großeltern dachten immer, sie würden eines Tages in ihre Heimat zurückkehren. Tatsächlich geschah das nie. Und daher war ich eine Litauerin, die in Amerika lebte. Ich bin erst 1993 dorthin gekommen (und habe auch dort gearbeitet) und doch fühle ich mich auch heute noch eher als Litauerin. Dieses Traditionsbewusstsein habe ich auch nach Frank

reich mitgebracht.

»Den besten Rat, den ich von einer Frau erhalten habe? ›Du gehörst hierher. Und lass dich darin nie von deiner inneren Stimme beirren.‹«

Du hast in den USA und in Frankreich gearbeitet (wenn auch immer mit einer globalen Sichtweise). Worin siehst du den größten Unterschied zwischen diesen Ländern in Bezug auf die Entwicklung von Frauen im Geschäftsumfeld?

Ich denke, in den USA erhalten Frauen als Führungskräfte sehr viel Anerkennung. Da gibt es auch einige gute Rollenvorbilder, wie Mary Barras und Indra Nooyis. Doch Amerika hat zwei Linsen, durch die es Frauen betrachten kann: Zum einen die sehr positive, durch die weibliche Führungs kräfte als Berühmtheiten gefeiert werden, zum anderen eine extrem negative, durch die Frauen me hr als jeder Mann auf den Prüfstand gestellt werden. Ich denke, in Frankreich und Europa sind wir vernünftiger. Wir unterziehen unsere weiblichen Führungskräfte nicht einer solch intensiven Überprüfung, aber das kann sich auch zum Negativen wenden, nämlich wenn wir sie nicht fördern und ihnen den Zugang zu Führungspositionen versperren. Ich denke dabei an zwei außergewöhn liche weibliche Führungskräfte: Anne Richards und Isabelle Kocher. Sie sollten viel berühmter se in, nicht nur zum Nutzen anderer Frauen, sondern auch, um Kindern und Männern zu zeigen, dass Frauen solche Führungspositionen besetzen können und sollen. Derzeit ist Isabelle Kocher eine von nur zwei geschäftsführenden Frauen in den führenden französische Aktiengesellschaften des Leitindex CAC40 der Pariser Börse (die zweite ist Anne Rigail, Geschäftsführerin von Air France). 75 Der Anteil der Frauen in Führungspositionen wächst auf der ganzen Welt sehr langsam und bei diesem Tempo werden wir bis 2060 noch keine Parität erzielen. Es gibt also noch viel zu tun. Dabei ist Sichtbarkeit das Schlüsselwort: Kinder, Studierende, die Führungskräfte von morgen müssen wissen, dass es möglich ist, und die Unternehmen müssen sich viel stärker dafür einsetzen.

Vor dem Hintergrund, dass der Anteil an weiblichen Führungskräften weltweit sehr langsam wächst, ist deine Arbeit als Fürsprecherin für Frauen innerhalb der Institution noch viel wichtiger. Welches Ziel verfolgst du? Wir müssen den Weg für Frauen in Führungspositionen stärker ebnen. Dafür sind Wirtschafts hochschulen die perfekte Pipeline und im Moment gehört ISEAD zu den drei Hochschulen in der Welt, an denen pro Jahr am meisten Frauen ihren Abschluss machen. Dennoch gibt es immer noch eine große Diskrepanz zwischen der Bevölkerung und der Anzahl an Frauen in Führungspositionen. Das möchte ich ändern. Unsere weltweite Reichweite ist sehr groß: Wir haben fünfundfünfzigtausend Alumni in 174 Ländern. Unser Slogan lautet: ›Wir sind die Wirtschaftshochschule für die Welt‹. Und wir dürfen auf keinen Fall die Wirtschaftshochschule nur für die halbe Welt sein.

Auf jeden Fall ist das Thema der Gleichberechtigung in Führungsrollen nicht nur ein Problem der Frauen, sondern ein gesellschaftliches Problem. Wir wissen, dass Vielfalt und insbesondere Geschlechtervielfalt, gut für das Geschäft ist. Aber als Wirtschaftshochschule müssen wir als Motor für Veränderung arbeiten, damit Vielfalt nach innen und außen sichtbar ist. Wir dürfen nicht nur die Erfolge vor unserer Türe feiern, sondern müssen uns selbst verändern.

Wie wird das durch die Genderinitiative vorangetrieben? Bei dieser Initiative geht es darum, unseren Ruf bei unseren Studierenden, dem Personal und dem Vorstand zu bessern, Männer in unsere Aktivitäten mit einzubeziehen, Stipendien für weibliche Studierende zu finanzieren und hoch aktuelle, datenorientierte Forschungsarbeit zu leisten. Wir wollen ein Sprungbrett für zukünftige Führungskräfte sein, die motiviert und gut ausgerüstet sind, um die Geschlechtergleichheit in ihren Organisationen umzusetzen. Damit können wir die Geschäftswelt und die Gesellschaft positiv beeinflussen. Ich hoffe, dass Geschlechtervielfalt eines Tages dank unserer gemeinsamen Anstrengungen keine Grund für Diskussionen mehr bietet.

Was für ein Gefühl war es, eine so hochrangige Führungsposition zu besetzen, in der du eine wichtige Rolle im kulturellen Wandel spielen musst? Für eine leitende Position auf globaler Ebene muss man flexibel, anpassungsfähig und proaktiv sein. Frauen, die, wie ich selbst auch, in den verschiedensten Situationen alle Bälle sicher jonglie ren können, blühen in einem solchen Kontext förmlich auf. Wir können sehr schnell umschalten

un d viele von uns haben das auch im Privatleben gelernt; wir kennen das aus dem ständigen Wechsel zwischen Familie und Beruf. Ich kam als Ehefrau mit drei Kindern nach Paris und

heute leite ich eine Abteilung der INSEAD. Für diesen Wechsel musste ich eine gewisse Balance lernen, aber ich versuche sowohl meinem Team als auch meinen Kindern beizubringen, dass diese Work-Life-Balance gleichermaßen ein Problem für eine Frau wie für einen Mann ist.

Häufig hört man, dass sich Frauen, die wieder arbeiten gehen und vor allem solche, die eine Führungs position übernehmen, gegenüber ihren Kindern schuldig fühlen. In Frankreich kommt das allerdings eh er selten vor. Was ist deine Erfahrung? Eine solche Entscheidung ist eine Herausforderung, aber ich schäme mich nicht und fühle mich auch nicht schuldig, ein Gefühl, dass definitiv eher in der US-amerikanischen Kultur mit dem Muttersein verbunden ist. In Frankreich gehen wir davon aus, dass dein Leben als Individuum nicht aufhört, weil du Kinder hast. Das Land hat ein Umfeld geschaffen, in dem Frauen ziem lich einfach und schnell wieder ins Arbeitsleben zurückkehren können. Aber wie so viele Frauen

üb erall auf der Welt werden wir mit den Annahmen konfrontiert, die viele Menschen über berufstätige Frauen haben, selbst im Jahr 2019. Als ich bei der INSEAD angefangen haben, bin ich mit me inem männlichen Kollegen zu einigen Veranstaltungen gegangen. Aber ich war die Einzige, die

gefragt wurde, wie ich das alles unter einen Hut bringe – den verantwortungsvollen Job mit zahlreichen Reisen und die Familie. Meinem Kollegen wurde diese Frage nie gestellt (was auch nicht üb errascht, denn er wurde nicht einmal gefragt, ob er Kinder habe!). Die Grundannahme lautet: Frau, hochgestellte Position, Familie, Opfer. Ich möchte Vorbild sein und hoffe, dass ich ein Rollenvorbild für meine Kinder bin, damit sie wissen, dass sie alles schaffen können, was sie wollen.

I s t das das Rollenmodell, dass du als Kind zuhause vorgelebt bekamst? Meine Mutter war ein absolut exzellentes Rollenvorbild für eine zukünftige berufstätige Frau. Obwohl sie als Einwanderin in die USA kam, hat sie zwei Jahre später einen Universitätsabschluss in Französisch abgelegt und dann als Französischlehrerin an einer weiterführenden Schule gearbei tet. Später hat sie noch einen ganz anderen Beruf gewählt: Sie gehörte zur ersten Klasse weiblicher Polizeioffiziere in Chicago. Dann hat sie den Hebel nochmals umgelegt und ein Geschäft a l s Immobilienunternehmerin eröffnet. Meine Geschwister und ich lernten dabei, dass es keine

Grenzen gibt. Sie war und ist immer noch eine strenge Matriarchin, passt sich an ihre Umgebung an und überwindet soziale Normen und Grenzen. Ich ginge selbst gern mit gleichem Beispiel voran.

Zuhause in Paris

DEIN VON EINER FRAU GEFÜHRTES LIEBLINGSGESCHÄFT?

Brand Bazar, ein Bekleidungsgeschäft, das viele Marken im Angebot hat, gegenüber von Le Bon Marché, wo ich seit vielen Jahren hingehe. Die Verkäuferinnen sind fantastisch und bieten dir immer das Richtige an. Definitiv mein Lieblingsgeschäft.

WO GEHST DU AM LIEBSTEN MIT DER FAMILIE HIN?

Ich gehe gern mit den Kindern ins Rodin-Museum (gegenüberliegende Seite). Dort mag ich besonders den Garten mit dem zauberhaften Café. Ein guter Ort, um aus dem Gewühle der Stadt zu fliehen. Unser Lieblingslokal ist La Javelle, eine guinguette (Ausflugslokal) am Flussufer in der Nähe des Parc André Citroën (siehe oben). Hier gibt es Food Trucks und Live-Bands – herrlich! Und häufig fahren wir mit dem Fahrrad über die Promenade Les Berges de Seine, machen ein Picknick oder einen Stopp im Lokal Rosa Bonheur sur Seine.

WAS TUST DU, WENN DU ALLEIN SEIN MÖCHTEST?

CrossFit! Obwohl ich das in der Regel allein mache, bringe ich auch manchmal meine Kinder mit. Sie können mitmachen oder auch nicht, aber ich möchte, dass sie sehen, wie wichtig Fitness ist.

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