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Das Interview mit Kulturstaatsministerin
Sofortprogramm für Corona-bedingte Investitionen in Kultureinrichtungen
Kulturstaatsministerin Frau Prof. Monika Grütters im Interview mit Uwe Strauch, museum.de
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museum.de: Sehr geehrte Frau Grütters, das vom BKM initiierte erste Förderprogramm NEUSTART fand bei den Museen eine große Resonanz. Anträge konnten ab dem 6. Mai 2020 gestellt werden. Laut der Fördergrundsätze sollte das Programm enden, sobald alle Mittel vergeben wurden, spätestens jedoch am 15.10.2020. Nach wenigen Tagen waren 10 Millionen Euro Fördergelder ausgeschöpft, danach erfolgte eine Aufstockung auf 20 Millionen Euro Fördergeld. Das Förderprogramm NEUSTART KULTUR startet Mitte August und unterstützt ähnliche Maßnahmen wie NEUSTART. Mit insgesamt 250 Millionen Euro fördert die Bundesregierung investive Schutzmaßnahmen in Kultureinrichtungen, deren regelmäßiger Betrieb nicht überwiegend von der öffentlichen Hand finanziert wird. Welcher Anteil vom o.g. Betrag wird den Museen zur Verfügung gestellt, und werden auch staatlich betriebene Museen gefördert?
Prof. Grütters: „Mit unserem kurz nach dem Beginn der Pandemie aufgelegten Sofortprogramm NEUSTART haben wir ins Schwarze getroffen und kleinere bis mittlere Kultureinrichtungen bei der raschen Wiedereröffnung nach der Corona-bedingten Schließung unterstützt. Es wurde so gut angenommen, dass wir die Mittel dafür kurzfristig auf 30 Millionen Euro aufgestockt haben. Damit können nun alle 1.400 eingereichten Anträge aus den Sparten Museen, Ausstellungshallen oder Gedenkstätten ebenso wie Veranstaltungsorte für Konzert- und Theateraufführungen sowie soziokulturelle Zentren und Kulturhäuser finanziert werden, sofern sie die Fördervoraussetzungen erfüllen.
Bei dem von Ihnen angesprochenen Förderprogramm „pandemiebedingte Investitionen“ im Rahmen von NEUSTART KUL
Kulturstaatsministerin Frau Prof. Monika Grütters Foto: © Elke A. Jung-Wolff
TUR haben wir auf eine feste Aufteilung der Mittel nach Sparten vorerst verzichtet, damit das Hilfspaket möglichst schnell und unkompliziert wirkt. Über ein verpflichtendes Berichtswesen werden wir die Entwicklung in den einzelnen Sparten genau beobachten, um nachsteuern zu können, falls dies notwendig sein sollte. Das Förderprogramm richtet sich dabei bewusst an kulturelle Einrichtungen, die nicht überwiegend von der öffentlichen Hand finanziert werden. Dieser Fokus war mir wichtig, denn diese Einrichtungen sind zur Zeit ganz besonders auf Unterstützung angewiesen.“
museum.de: Das Förderprogramm NEUSTART KULTUR bezieht sich auf einmalige Corona-bedingte Investitionen. Uns erreichten viele Einschätzungen aus den Museen, wonach der Betrieb auch durch andere Faktoren wie z.B. Personalkosten oder dringend notwendiger Baumaßnahmen gefährdet ist. Letztere Ausgaben werden jedoch nicht von NEUSTART KULTUR abgedeckt. Manche Museen sind von der Existenz bedroht und würden eine erweiterte Förderung der o.g. Bereiche sehr begrüßen.
Wie sehen Sie diese Einschätzung der betroffenen Museen?
Prof. Grütters: „Die Museen haben in den vergangenen Monaten durch die flächendeckenden Schließungen und auch die in der Lockerungsphase geltenden Beschränkungen ohne Zweifel erhebliche Einnahmeeinbußen hinnehmen müssen. NEUSTART KULTUR ist allerdings kein allgemeines Unterstützungsprogramm für schon länger geplante Investitionen, sondern konzentriert sich ganz gezielt darauf, einmalig Anschubhilfe für den Neustart
der Kultureinrichtungen nach dem Lockdown zu schaffen – das drückt auch der Name NEUSTART KULTUR aus. Innerhalb des Programms sind aber durchaus auch projektbezogene Personalkosten förderfähig. Dasselbe gilt für bestimmte Baumaßnahmen. So könnten zum Beispiel Schutz- und Sanitäreinrichtungen eingebaut oder Ausstattungsgegenstände wie Sitzgelegenheiten umgebaut werden.“
museum.de: Viele öffentliche Einrichtungen verhalten sich vorbildlich in Bezug auf die Begrenzung der Risiken einer Ansteckung an Covid-19. Beispielsweise sind viele Rathäuser nur noch auf besonderen Antrag für die Bürger zugänglich. Ähnlich diszipliniert geht es in den Museen zu. Allerdings lebt eine solche Einrichtung vom Besuch kulturinteressierter Menschen. Während die Ordnungsämter Museen sehr genau bei der Einhaltung der Schutzmaßnahmen überprüfen, agiert man in anderen Bereichen (Bahn, Flugzeug) deutlich toleranter bzgl. der Abstände. Museen sind auf die Akzeptanz der Besucher angewiesen. Wäre es nicht sinnvoll, auch hier einige Schutzmaßnahmen auf ein moderateres Maß anzupassen?
Prof. Grütters: „Ich habe Verständnis für solche Vergleiche, aber die jeweiligen Regeln müssen pragmatisch und spartenbezogen gelten; die Situationen und ihr Publikum unterscheiden sich ja sehr. Wir erleben ja, dass zum Beispiel die Maskenpflicht im öffentlichen Personennahverkehr deutlich schärfer kontrolliert und durchgesetzt werden soll – in Museen gibt es dafür nach meinem Eindruck keine Notwendigkeit. Für den Kulturbereich werde ich mich weiterhin für Lockerungen einsetzen, gerade auch in Museen, sofern die lokalen Infektionszahlen dies zulassen. Wir befinden uns hier nach wie vor in einem dynamischen Prozess, in dem alle Empfehlungen fortlaufend überprüft und angepasst werden.“
museum.de: Die Soforthilfe NEUSTART umfasst u.a. digitale Vermittlungsformate, Maßnahmen zum Ausbau der eigenen IT-Infrastruktur und sonstige technische Ausstattungen im Zusammenhang mit der Bekämpfung der Corona-Folgen. Über das neue Förderprogramm NEUSTART KULTUR stehen für alternative, besonders digitale Angebote 150 Millionen Euro bereit. Davon profitieren Projekte im Kontext Museum 4.0 sowie viele neue Formate der Digitalisierungsoffensive des Bundes, die der Vermittlung, Vernetzung und Verständigung im Kulturbereich dienen. Ist die Corona-Krise am Ende nicht auch eine große Chance für die Museen, den vieldiskutierten Schritt in die Digitalisierung zu schaffen?
Prof. Grütters: „Die Digitalisierung hält gerade in einem beeindruckenden Tempo Einzug in den Kulturbereich. Zahlreiche Einrichtungen, darunter viele Museen, haben damit erfolgreich zusätzliche Wege zu ihrem Publikum gefunden. Gerade virtuelle Museumsführungen oder digitale Bildungsangebote haben in der Krise einen enormen Schub bekommen. Wenn es gelingt, diese Entwicklung auch weiterhin in Gang zu halten, wird der Museumsbereich an dieser Stelle ein Gewinner der Krise sein. Die digitalen Angebote machen neugierig darauf, die realen Objekte anzuschauen – sie öffnen die Sammlungen aber auch für Menschen zum Beispiel aus dem Ausland, die unsere Museen zur Zeit nicht besuchen können. Gerade deshalb haben wir im Rahmen von NEUSTART KULTUR erhebliche Mittel für alternative, auch digitale Angebote vorgesehen.“
museum.de: In den Medien hört man immer wieder, dass wir dauerhaft mit Corona leben müssen. Viele Menschen nutzen vermehrt die digitalen Medien zur Kommunikation – und zwar den ganzen Tag am Monitor beim Arbeitsplatz und privat mit dem Smartphone. Dennoch sieht man bei sonnigem Wetter, dass es im Wesen des Menschen liegt, direkten Kontakt zu anderen Menschen zu suchen. Museen können auch reale Orte der Begegnung untereinander sein, in denen faszinierende Exponate entdeckt werden können.
Wo sehen Sie die Grenzen sinnvoller digitaler Vermittlungsangebote in Museen?
Prof. Grütters: „Richtig – der Bildschirm kann das urmenschliche Bedürfnis nach Kontakt und Begegnung in keiner Weise ersetzen. Museen bleiben kulturelle Orte der physischen Begegnung und des persönlichen Austausches. Selbst wenn das kulturelle Geschehen durch digitale Formate bereichert wird: ersetzen können sie das analoge Live-Erlebnis bei Weitem nicht. Digitale Formate im Netz machen aber vielen Nutzern auch Appetit auf das Live-Erlebnis. Und auch vor Ort können digitale Anwendungen die analogen Vermittlungsangebote sehr sinnvoll ergänzen. Damit lassen sich neue Nutzergruppen ansprechen. Fest steht für mich: Die richtige Mischung aus beidem – analog und digital – macht am Ende den Erfolg aus.“
museum.de: Haben Sie an dieser Stelle noch eine Botschaft an die vielen engagierten Museumsmitarbeiter in den deutschen Museen?
Prof. Grütters: „‚Wenn das Museum schläft, leiden die Alten Meister‘, lautet ein Sprichwort. Daher bin ich sehr froh, dass die Museen nach Monaten der Schließung endlich wieder ihre Pforten öffnen können. Kunst und Kultur leben vom Kontakt zum Publikum. Und für den steht der unermüdliche Einsatz der zahlreichen Museumsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter, die ‚ihre‘ Schätze mit großem Fachwissen und mindestens genauso viel Leidenschaft dem Publikum näherbringen. Dafür gilt ihnen mein und unser aller Dank! Denn wenn wir eine Erkenntnis aus der jetzigen Situation gewonnen haben, dann die, dass Kultur eben kein Luxus ist, den wir uns in guten Zeiten gönnen. Kunst und Kultur gehören zu den grundlegenden Quellen unseres täglichen gesellschaftlichen Zusammenlebens.“
museum.de: Liebe Frau Grütters, wir danken Ihnen für die Beantwortung der Fragen, die wohl im Fokus vieler Kulturschaffender und Kulturfreunde stehen. Wir hoffen, dass das neue Förderprogramm NEUSTART KULTUR die bisher eingeleiteten Maßnahmen ebenso erfolgreich fortführt und freuen uns, wenn wir demnächst wieder gemeinsam über die Veränderungen sprechen können, ob und inwieweit sie in die Praxis umgesetzt wurden und sich bewährt haben.