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Nachverdichtung in München – Dringend gebraucht und heiß diskutiert
(JN) In einer Stadt wie München, in der Wohnflächen knapp sind, müssen Projektentwickler und die Verantwortlichen in Politik und Verwaltung nicht selten erfinderisch sein, um neuen Wohnraum zu schaffen. Nachverdichtung ist eine Möglichkeit, um Platz zu finden in einer Stadt, die laut Statistik zu den Orten mit der größten Bevölkerungsdichte in Deutschland gehört.
Unter Nachverdichtung versteht man im Städtebau das Nutzen frei stehender Flächen innerhalb eines bestehenden Quartiers oder eines bereits existierenden Gebäudekomplexes. Dazu gehört auch die Aufstockung, das Bauen in die Höhe. Hier setzt man ein oder zwei weitere Stockwerke auf ein Gebäude auf. Wer offenen Auges durch die Stadt spaziert, sieht Aufstockungen in nahezu jedem Stadtteil. Zum Beispiel bei den aktuell äußerst beliebten Staffelgeschosswohnungen, von denen sich mit etwas Glück schöne Ausblicke in die Umgebung genießen lassen.
Das Prinzip der Nachverdichtung bietet einige Vorteile, zum Beispiel müssen keine neuen Flächen in innerstädtischen Gebieten erschlossen werden. Bestenfalls entsteht eine Stadt der „kurzen Wege“, wenn zusätzlich die Infrastruktur erweitert wird und sich durch das Ansiedeln von Geschäften für die Anwohnerschaft Erleichterungen im Alltag ergeben.
Zu den Nachteilen gehört, dass die Bewohner der bereits bestehenden Quartiere durch die Umgestaltung ihres Wohnraums, den möglichen Verlust von Grünflächen und den zu erwartenden Baulärm nicht selten kontra eingestellt sind und versuchen, die Maßnahmen zur Nachverdichtung zu verhindern. Wer heute ein Projekt zur Nachverdichtung plant,
ist deshalb gut beraten, bereits frühzeitig die künftige Nachbarschaft ins Boot zu holen. Ohne eine Bürgerbeteiligung, Podiumsdiskussionen und die Möglichkeit, im Vorfeld interaktive Bebauungspläne anzusehen, ist es kaum möglich, ein Nachverdichtungsprojekt gemeinsam erfolgreich zu bewältigen.
Im Rahmen einer von der Stadt München in Auftrag gegebenen Umfrage zur Zufriedenheit der Bevölkerung mit ihrer Wohnsituation wünschte sich die Hälfte der Teilnehmenden, dass Nachverdichtung ausschließlich durch Aufstockung geschehen soll. Drei von vier Befragten haben sich gegen die Bebauung von Grün- und Freiflächen ausgesprochen.
Erfolgreiche Nachverdichtung in München
Und es gibt sie: erfolgreiche, innovative Projekte zur Nachverdichtung in der Stadt. Etwa in der Gollierstraße: Hier entstand mitten in einer bereits existierenden Wohnanlage ein Niedrigenergiehaus in Holzbauweise (siehe Foto linke Seite unten). Oder die 100 Neubau-Wohnungen, die auf Stelzen und in Holzbauweise über einem Parkplatz am Dantebad hochgezogen wurden. Derzeit ist in Moosach ein umfangreiches Projekt zur Nachverdichtung im Bereich rund um den Hugo-Troendle-Platz geplant. Eine bestehende Wohnsiedlung mit Gebäuden aus der Zeit von 1940 bis 1960 soll saniert, nachverdichtet und im Hinblick auf Klimaschutz, Klimaanpassung und dezentrales Regenwassermanagement zu einem modernen, nachhaltigen Quartier der kurzen Wege werden. Aus dem im Spätherbst des letzten Jahres entschiedenen Wettbewerb ging das Münchner Büro Bogevisch in Kooperation mit Grabner Huber Lipp Landschaftsarchitekten und Stadtplaner als Sieger hervor. Geplant ist eine behutsame Nachverdichtung, hauptsächlich durch Aufstockung. Die Gebäude, die ein weiteres Geschoss erhalten, werden mit einem neuen, vorgelagerten Balkongerüst wohnlich aufgewertet. Die neuen, extensiv begrünten Flachdächer der aufgestockten Häuser erhalten zudem Photovoltaikanlagen. An einigen Stellen des Quartiers sind Anbauten in Form eines abschirmenden Kopfbaus vorgesehen. Ziel der Kopfbauten ist laut dem Entwicklungsteam, die Lärmbelastung innerhalb des Quartiers so gering wie möglich zu halten.
Ein weiteres städtebauliches Projekt zur Nachverdichtung hat dieses Jahr Furore gemacht: Die Neugestaltung der Siedlung Ludwigsfeld im Stadtbezirk Feldmoching-Hasenbergl sorgte für einigen Zündstoff, nicht zuletzt aufgrund der bis zu 2.000 neuen Wohnungen, die hier, im Norden der Landeshauptstadt, entstehen sollen. Bisher wohnen in dem Quartier ca. 1.500 Menschen in etwas mehr als 800 Wohnungen. Avisiert ist nun eine behutsame Nachverdichtung am Rande der bestehenden Siedlung. Außerdem sind sieben Kitas, eine Schule mit Turnhalle, Stadtteiltreffs und ein Supermarkt geplant. Zudem wird die Verkehrsanbindung erweitert, zunächst mit Bussen, später durch eine Tram. Im Rahmen des Planungsprozesses haben Projektentwickler und Vertreter der Stadt München bereits 2019 die Bürgerschaft zu Diskussionsveranstaltungen eingeladen und deren Ideen für weitere Konzepte aufgenommen. Zwei Jahre später, bei der Vorstellung des Strukturkonzeptes im Oktober 2021, konnten sich Interessierte und Anwohnende ebenfalls aktiv an Diskussionen zum Projekt beteiligen. Hinweise und Kritik am Konzept aus den Reihen der künftigen Nachbarschaft haben die Verantwortlichen dokumentiert und in die aktuellen Dokumentationen, welche diesen Sommer dem Stadtrat vorgelegt wurden, aufgenommen. Next Step ist ein städtebaulicher und landschaftsplanerischer Wettbewerb für das 32 Hektar große Areal.
Die Beispiele in Moosach und Feldmoching-Hasenbergl machen deutlich: Nachverdichtung ist in München möglich, wenn ökologische und soziale Kriterien auf Basis von öffentlicher Beteiligung in die entsprechenden Konzepte einfließen. Wir hoffen auf weitere sinnvolle Nachverdichtung in der Weltstadt mit Herz.