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Lehel durch die Augen eines Landmenschen
(JM/JN) Unser Autor Janek Müller lebt nach Stationen in Saudi-Arabien und Südafrika seit einigen Jahren in einem kleinen Dorf in Niederbayern. Inspiriert durch den geplanten Umzug nach München, nähert er sich der Isarmetropole mit einem ebenso kosmopolitischen wie bodenständigen Blick. Lassen Sie sich entführen auf einen Spaziergang durchs Lehel.
Gespannt sitze ich in der U-Bahn. Fragen kreisen mir durch den Kopf. Was erwartet mich? Wo gehe ich als Erstes hin? Habe ich genügend Zeit eingeplant? Die Türen öffnen sich, ich trete auf die Plattform. Schon bald ist die U-Bahn wieder verschwunden. Ich werfe einen Blick auf die Tunnelwand, an der heutzutage üblicherweise große Flatscreens angebracht sind. Nicht im Lehel. Hier blicke ich stattdessen auf eine klassizistisch aussehende Wandskulptur – mein erster Eindruck vom Lehel, das zusammen mit dem Stadtteil Altstadt den Münchner Stadtbezirk Nr. 1 bildet.
Ich verlasse den Tunnel, um an die Oberfläche zu gelangen, wo sich meine erste Wahrnehmung verstärkt. Nach Verlassen der Rolltreppe werde ich von der imposanten St.-Anna-Pfarrkirche begrüßt. Als wäre ich soeben durch die Tür nach Narnia* geschritten, habe ich das Gefühl, dass ich mich nun in einer anderen Welt befinde. Ich sehe mich umgeben von künstlerischen Altbauten mit eindrucksvoller Architektur, wie ich sie aus meinem
500-Einwohner-Dorf in Niederbayern nicht kenne. Es ist Dienstagnachmittag, und der St.-Anna-Platz wirkt nahezu ausgestorben. Von den über 7.000 Menschen, die im Lehel wohnen, hat sich bisher kaum jemand blicken lassen.
Mit langsamen Schritten und voller Staunen beginne ich meinen Stadtspaziergang. An allen Ecken begegne ich Denkmälern und Wohngebäuden mit faszinierender Architektur aus der Gründerzeit- und im Jugendstil neben verschiedensten Skulpturen, Restaurants wie dem La Stanza, das ein besonderes italienisches Flair erleben lässt, sowie gemütlichen Cafés. Nach wenigen Gehminuten befinde ich mich bereits auf der lebhaften Maximilianstraße. Diese Prachtstraße Münchens aus dem 19. Jahrhundert bietet nicht nur Platz für Pkws. Dort, wo sich Maximilianstraße und Thierschstraße treffen, thront auf einer Verkehrsinsel das Maxmonument, ein Denkmal zu Ehren des bayerischen Königs Maximilian II. Die Stufen am Fuße der Statue dienen als Rastplatz für Fußgänger. Links und rechts rasen Autos vorbei. Beim Blick auf dieses elegante Bauwerk wundert es mich nicht, dass es sogar einen Maximilianstil gibt, der in seiner Architektur die Neogotik und Neorenaissance zusammenführt.
Zwischen den vielen Prachtbauten rings um mich fügen sich immer wieder Wohngebäude ein. Diese sind passenderweise dem Baustil der historischen Gebäude nachempfunden. So vergisst man schon mal, dass in diesen Häusern Menschen zu Hause sind. Was es wohl kostet, hier zu wohnen? Die zentrale Lage Lehels, direkt angrenzend an die Altstadt und die Maxvorstadt, birgt einen besonderen Reiz, was sich auch in den Preisen widerspiegelt. Während die Kaufpreise für eine Bestandswohnung vor zehn Jahren noch bei 5.500 €/m² lagen, muss man den Geldbeutel 2022 etwas weiter öffnen. Mit 15.000 €/m² verzeichnet der Immobilienverband IVD eine Veränderung von +173 %. Neubau ist rar, doch stehen aktuell im Projekt SEITZ 16 nahe der Prinzregentenstraße noch zwei 3-Zimmer-Wohnungen der Luxusklasse zum Verkauf.
An der Kreuzung von Maximilianstraße und Thierschstraße findet sich eine weitere Besonderheit: Das GOP Varieté-Theater München. Hier erwartet die Gäste ein facettenreiches Showprogramm. Verschiedenste Artisten verzaubern den Raum mit ihren Künsten, oftmals untermalt durch Live-Musik. Von Akrobaten über Illusionisten bis hin zu Komikern fehlt es nicht an Talenten. Auch muss niemand mit leerem Magen nach Hause gehen. Exquisite Küche wird auf Wunsch serviert.
Folgt man der Maximilianstraße in Richtung Osten, wird man nach wenigen Metern von der Isar empfangen, die sich hier an den östlichen Rand Lehels schmiegt. Mein Weg führt Richtung Westen von der Maximilianstraße in den Karl-Scharnagl-Ring. Entlang der Maximilianstraße passiere ich das Museum Fünf Kontinente und die Regierung von Oberbayern.
Wenig später erreiche ich gegenüber der Prinzregentenstraße den Englischen Garten – Münchens 375 Hektar große Parkanlage, eine der größten der Welt. In dieser Straße begegne ich weiteren Highlights: Das Haus der Kunst beglückt Besuchende mit modernen Kunstausstellungen. Die berühmte „stehende Eisbachwelle“ zieht Surfer aus der ganzen Welt in ihren Bann. Zudem haben sich hier das Bayerische Nationalmuseum und die Sammlung Schack angesiedelt.
Es sind die Details, die mir im Gedächtnis bleiben. Seien es die kunstvollen Brunnen, die Fassaden, bei denen sich ein zweiter Blick immer lohnt, die architektonische Vielfalt oder auch der Mix aus Alt und Neu. Fest steht: Ein Spaziergang genügt nicht, um das Lehel wirklich kennenzulernen.
*Anspielung auf die Buchserie von C. S. Lewis „Die Chroniken von Narnia“