Das neue EUSt-Vereinfachungsverfahren

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SWK 22/2003, S 559

Budgetbegleitgesetz 2003

Das neue EUSt-Vereinfachungsverfahren Anwendungsprobleme im Reihengeschäft VON MAG. PETRA APFELTHALER UND MAG. DR. NORBERT BRAMERDORFER, LL.M.* Am 11. 6. 2003 wurde vom Nationalrat das Budgetbegleitgesetz 2003 beschlossen. Gegenüber dem Ministerialentwurf wurde im umsatzsteuerlichen Teil des Art. 42 noch eine Neuregelung der Einhebung der Einfuhrumsatzsteuer (EUSt) eingefügt. Bei Einfuhren, bei denen die EUStSchuld gemäß Art. 201 des Zollkodex nach dem 30. 9. 2003 entsteht 1 , wird die Einhebung und zwangsweise Einbringung der EUSt von den Zollämtern auf die Finanzämter übertragen, sofern der Schuldner der EUSt - im Inland zur Umsatzsteuer erfasst ist, - den Gegenstand für sein Unternehmen einführt und - dies bei der Zollanmeldung 2 beantragt (Option). 3 Bei einer Option auf die Vereinfachungsregelung entspricht der Fälligkeitszeitpunkt der EUSt künftig mit dem 15. Tag des zweitfolgenden Kalendermonates, in dem die Einfuhrumsatzsteuerschuld entsteht, dem allgemeinen Umsatzsteuerfälligkeitstag.4 Gleichzeitig genügt für die Wirksamkeit des Vorsteuerabzuges das Vorliegen der - nach der zollrechtlichen Bestimmung in Art. 201 Zollkodex entstandenen - EUSt-Schuld. Die tatsächliche Entrichtung der EUSt ist nicht mehr Voraussetzung. 5 Dies ermöglicht eine direkte Gegenverrechnung der EUSt mit dem entsprechenden Vorsteueranspruch in derselben UVA vergleichbar der innergemeinschaftlichen Erwerbsteuer (Betrag der Einfuhrumsatzsteuer und der Vorsteuer aus der Einfuhr heben sich gegenseitig auf). Zu einer Liquiditätsbelastung kann es somit bei Anwendbarkeit des Vereinfachungsverfahrens nur mehr dann kommen, wenn der Unternehmer nicht zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt ist. Auseinanderfallen von umsatzsteuerlicher Verfügungsmacht und EUSt-Schuld Zu beachten ist, dass nach dem künftigen Gesetzeswortlaut in § 26 Abs. 3 Z 2, 2. Teilstrich UStG die Vereinfachungsregelung nur Anwendung findet, wenn der Unternehmer „die Gegenstände für sein Unternehmen" eingeführt hat. Korrespondierend wird der Vorsteueranspruch des EUSt-Schuldners aus dem vereinfachten Verfahren gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 lit. b UStG i. d. F. Budgetbegleitgesetz 2003 ebenfalls davon abhängig gemacht, dass der Gegenstand für sein Unternehmen eingeführt worden ist. Diese Voraussetzung der Einfuhr für das Unternehmen ist wortgleich mit jener für die bisherige Abzugsberechtigung der EUSt gem. § 12 Abs. 1 Z 2 UStG 6. Aus diesem Gesetzeswortlaut leitet der VwGH ab, dass die Abzugsberechtigung nur jenem Unternehmer zusteht, der bei der Einfuhr, das heißt im Zeitpunkt des Grenzübertritts, die umsatzsteuerliche Verfügungsmacht über den Gegenstand innehat.7 Diese Person muss jedoch SWK 2003, S 560 nicht notwendigerweise mit dem zollrechtlichen Schuldner der EUSt übereinstimmen, was sich insbesondere bei bestimmten Konstellationen im Reihengeschäft zeigt.8 • Unproblematisch ist folgendes Beispiel 1: Der Erzeuger B in Budapest verkauft Waren an den Großhändler W in Wien, der sie an den Einzelhändler S in Salzburg weiterveräußert. Es wird vereinbart, dass B die Waren direkt zu S nach Salzburg befördert. Die Lieferkondition lautet „verzollt und versteuert", sodass B die Abfertigung zum freien Verkehr vornimmt.


Da B den Gegenstand aus einem Drittland ins Gemeinschaftsgebiet befördert und gleichzeitig auch Schuldner der EUSt ist, kommt § 3 Abs. 9 UStG zur Anwendung. Die Lieferung von B an W ist daher in Österreich ausgeführt und unterliegt der österreichischen USt. Die Lieferung zwischen W und S findet gem. § 3 Abs. 7 in Salzburg bei Verschaffung der Verfügungsmacht statt. Da im Zeitpunkt der Einfuhr die umsatzsteuerliche Lieferung an W noch nicht ausgeführt wurde, ist der EUSt-Schuldner B gleichzeitig auch Verfügungsberechtigter im Einfuhrzeitpunkt. Er kann daher gem. § 26 Abs. 3 Z 2 UStG i. d. F. Budgetbegleitgesetz 2003 in der Zollanmeldung für das Vereinfachungsverfahren optieren und dadurch eine Liquiditätsbelastung vermeiden. • Anders hingegen in Beispiel 2: Der Erzeuger B in Budapest verkauft Waren an den Großhändler W in Wien, der sie an den Einzelhändler S in Salzburg weiterveräußert. Es wird vereinbart, dass B die Waren direkt zu S nach Salzburg befördert. Die Lieferkondition lautet „unverzollt und unversteuert". Vereinbarungsgemäß nimmt S die Abfertigung zum freien Verkehr vor.

B liefert gem. § 3 Abs. 8 UStG in Ungarn mit Beginn der Beförderung. Die Lieferung von B an W ist daher in Österreich nicht steuerbar. W liefert an S gem. § 3 Abs. 7 in Salzburg bei Verschaffung der SWK 2003, S 561 Verfügungsmacht. W ist daher im Zeitpunkt der Einfuhr noch der umsatzsteuerliche Verfügungsberechtigte. Da S als Schuldner der EUSt nicht gleichzeitig auch der Verfügungsberechtigte ist (S führt gemäß § 26 Abs. 3 Z 2 UStG i. d. F. Budgetbegleitgesetz 2003 den Gegenstand nicht für sein Unternehmen ein), kann er bei der Zollanmeldung nicht für das neue Vereinfachungsverfahren optieren. Es bleibt in diesem Fall somit bei der bisherigen Regelung, nach der S zunächst die EUSt zu bezahlen hat und W diese nur als Vorsteuer abziehen kann, wenn er von S die Belege über die Entrichtung der EUSt ausgehändigt erhält. • Auch in Beispiel 3 greift das Vereinfachungsverfahren nicht: Der Erzeuger B in Budapest verkauft Waren an den Großhändler G in Györ, der sie an den Einzelhändler S in Salzburg weiterveräußert. Es wird vereinbart, dass B die Waren direkt zu S nach Salzburg befördert. Die Lieferkondition lautet „unverzollt und unversteuert". Vereinbarungsgemäß nimmt S die Abfertigung zum freien Verkehr vor.


B liefert gem. § 3 Abs. 8 UStG in Ungarn mit Beginn der Beförderung. Die Lieferung von B an G ist daher in Österreich nicht steuerbar. G liefert an S gem. § 3 Abs. 7 in Salzburg bei Verschaffung der Verfügungsmacht. G ist daher im Zeitpunkt der Einfuhr noch der umsatzsteuerliche Verfügungsberechtigte. In diesem Beispiel ist wiederum S zollrechtlicher Schuldner der EUSt, während nur G als Verfügungsberechtigter den daraus resultierenden Vorsteuerabzug geltend machen könnte. Hier könnte allerdings die VO BGBl. II Nr. 33/1998 Anwendung finden, falls G ohne Ausweis österreichischer Umsatzsteuer an S abrechnet und damit - unter Verlust eventueller Vorsteuern - die VO BGBl. Nr. 800/1974 anwendet. In diesem Fall wird durch die VO BGBl. II Nr. 33/1998 festgelegt, dass S - obwohl nicht Verfügungsberechtigter - die von ihm entrichtete EUSt als Vorsteuer abziehen kann. S muss daher die EUSt-Zahlung zwischenfinanzieren. Eine Anwendung des neuen Vereinfachungsverfahrens zur Vermeidung dieses Liquiditätsproblems kommt u. E. nicht in Betracht, weil dieses gemäß § 26 Abs. 3 Z 2 UStG i. d. F. Budgetbegleitgesetz 2003 die Verfügungsberechtigung im Zeitpunkt der Einfuhr voraussetzt. Die VO BGBl. II Nr. 33/1998 räumt nach ihrem Wortlaut dem Schuldner der EUSt nur das Recht auf Vorsteuerabzug ein, ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass der Gegenstand aus umsatzsteuerlicher Sicht für das Unternehmen des G eingeführt wird und somit auch G der Verfügungsberechtigte bei Grenzübertritt ist.9

Schlussfolgerung Durch das Abstellen darauf, für wessen Unternehmen der Gegenstand eingeführt wird, ist der Anwendungsbereich des Vereinfachungsverfahrens auf jene Fälle eingeschränkt, in den EUStSchuldnerschaft und umsatzsteuerliche Verfügungsberechtigung bei einem Unternehmer zusammenfallen. Dies schließt insbesondere im Reihengeschäft einige Fallkonstellationen von der Optionsmöglichkeit für das Vereinfachungsverfahren aus. In der Praxis werfen jedoch gerade diese nicht unerhebliche Probleme auf, für die eine Lösung - vergleichbar dem Vereinfachungsverfahren angebracht wäre. Eine künftige Ausweitung des Anwendungsbereichs auf solche Fälle wäre daher wünschenswert. Mag. Petra Apfelthaler und Mag. Dr. Norbert Bramerdorfer, LL.M. (London) sind Mitarbeiter einer international tätigen Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungskanzlei in Wien. *) § 28 Abs. 22 Z 4 UStG i. d. F. Art. 42 Z 25 Budgetbegleitgesetz 2003. 1) Für die weiterhin die Zollämter zuständig sind (59 BlgNR XXII. GP 283). 2) § 26 Abs. 3 UStG i. d. F. Art. 42 Z 17 Budgetbegleitgesetz 2003. Nacherhebungen infolge nachträglicher Berichtigungen sind von der Vereinfachungsregelung nicht erfasst; diese erfolgen durch die Zollbehörden. 3) § 26 Abs. 5 lit. a UStG i. d. F. Art. 42 Z 18 Budgetbegleitgesetz 2003. 4) § 12 Abs. 1 Z 2 lit. b UStG i. d. F. Art. 42 Z 7 Budgetbegleitgesetz 2003; vgl. 59 BlgNR XXII. GP 280. 5) Künftig § 12 Abs. 1 Z 2 lit. a UStG. 6) VwGH 25. 9. 1978, ÖStZB 1979, 70. 7)


Die nachfolgenden Beispiele sind ohne Einschaltung von Spediteuren konzipiert. Eventuell daraus resultierende 8)besondere Konsequenzen wurden nicht berücksichtigt. Anders hingegen § 2 der VO BGBl. Nr. 800/1974, welcher im Zusammenhang mit bestimmten Fällen der Werklieferung ausdrücklich eine Änderung dahin gehend vorsieht, für wessen Unternehmen der Gegenstand 9) eingeführt gilt (Änderung des Verfügungsberechtigten).


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