Das Kriterium des regelmäßigen Handels an einer anerkannten Börse

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Börsenotierte Unternehmen, LoB-Klausel, CRS und FATCA

Norbert Bramerdorfer / Samir Kovacevic*)

Das Kriterium des regelmäßigen Handels an einer anerkannten Börse – Berührungspunkte zwischen dem LoB-Artikel des DBA USA mit dem CRS und FATCA SHARES REGULARLY TRADED ONLoB A LoB-Klausel, RECOGNIZED STOCK EXCHANGE – A COMPARISON Börsenotierte Unternehmen, CRS und FATCA Publicly Held Companies, Clause, CRS and FATCA BETWEEN THE LOB ARTICLE, CRS AND FATCA Publicly held companies whose shares are traded on a stock exchange are generally entitled to treaty benefits in accordance with the limitation on benefits clause in the Austrian tax treaty with the United States. Similarly, such companies are subject to particular exemptions under the Common Reporting Standard (CRS) and the Foreign Account Tax Compliance Act (FATCA). Norbert Bramerdorfer and Samir Kovacevic analyze both the conformity and the differences in the requirements to qualify as a publicly held company under these different legislative sources. I. Grundsätzliches Für Unternehmen, die an der Börse notieren, bestehen im Anwendungsbereich des Common Reporting Standard (CRS) sowie des Foreign Account Tax Compliance Act (FATCA) einige Erleichterungen: So gelten Kapitalgesellschaften, deren Aktien regelmäßig an einer oder mehreren anerkannten Wertpapierbörsen gehandelt werden, nach § 89 GMSG bzw nach Art 1 Z 1 lit z Intergovernmental Agreement (IGA) zwischen Österreich und den USA nicht als meldepflichtige Personen. Zugleich sind börsenotierte Unternehmen nach Maßgabe des § 95 Z 2 GMSG sowie nach Annex I VI. B. 4. b) IGA Österreich – USA als aktive N(F)FE anzusehen, weshalb auch keine Meldepflicht hinsichtlich ihrer beherrschenden Personen in Betracht kommt. Im Ergebnis besteht damit sowohl für börsenotierte Gesellschaften als auch für ihre Aktionäre keine Meldepflicht von Kontodaten nach CRS und FATCA. Die Klassifizierung einer Muttergesellschaft als börsenotiertes Unternehmen und damit als aktiver N(F)FE nach FATCA und dem CRS stellt vor allem für einen Konzern mit zahlreichen Konzerntöchtern eine erhebliche Erleichterung dar, weil damit auch dessen verbundene Unternehmen1) – sofern diese keine Finanzinstitute darstellen – als aktive N(F)FE eingestuft werden können. Die Qualifizierung der Konzernmutter färbt insoweit auf die Konzerntöchter ab, wodurch eine uU umfangreiche und kostspielige separate Qualifizierung der Konzerntöchter als aktive oder passive N(F)FE erspart bleibt. Sofern möglich, sollte daher zur Kostenoptimierung in einem Konzern dieser Test stets primär bei der Rechtsträger-Qualifikation nach FATCA und CRS angewandt werden. Eine Regelung zu börsenotierten Gesellschaften findet sich weiters im DBA zwischen Österreich und den USA im Rahmen des Limitation-of-Benefits-Artikels (LoB-Artikel). Der LoB-Artikel besteht aus mehreren objektiven Tests, wobei die Erfüllung eines derartigen Tests eine Gesellschaft zur Inanspruchnahme von Abkommensbegünstigungen qualifiziert. Für börsenotierte Gesellschaften ist dabei insbesondere der sogenannte direct stock exchange test nach Art 16 Abs 1 lit e DBA USA von Bedeutung, der sich unmittelbar auf solche Gesellschaften bezieht, die an einer Börse notieren. Durch diese Regelung besteht eine abkommensrechtliche Vermutung, dass für an der Börse notie*) Dr. Norbert Bramerdorfer, LL.M. ist Steuerberater und Director sowie FATCA/CRS Country Leader in einer international tätigen Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungskanzlei in Wien. Samir Kovacevic, LL.B., LL.M. ist Mitarbeiter derselben Kanzlei. 1 ) Zur Definition des verbundenen Unternehmens nach FATCA und dem CRS siehe unten Pkt III.

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Publicly Held Companies, LoB Clause, CRS and FATCA rende Unternehmen eine geringere Gefahr besteht, für Treaty-Shopping-Praktiken eingesetzt zu werden.2) Auch im Rahmen des BEPS-Aktionspunktes 6 wird die Verwendung von LoB-Artikeln (einschließlich des direct stock exchange test) als eine Maßnahme zur Bekämpfung von Treaty-Shopping-Praktiken genannt, weshalb derartige Abkommensklauseln künftig auch in der globalen Abkommenspraxis eine bedeutendere Rolle einnehmen könnten.3) Zudem werden Finanzinstituten auch im neuen Qualified Intermediary Agreement (QI Agreement)4) des U.S. Internal Revenue Service (IRS) höhere Sorgfaltspflichten in Bezug auf die Inanspruchnahme von Abkommensbegünstigungen hinsichtlich des jeweils anwendbaren LoB-Artikels auferlegt.5) Im Folgenden soll daher untersucht werden, inwiefern sich die Voraussetzungen für das Vorliegen eines „börsenotierten Unternehmens“ im Anwendungsbereich der erwähnten Rechtsvorschriften decken und welche Unterschiede im Detail bestehen, wobei hierfür zwischen den börsenotierten Gesellschaften selbst und den verbundenen Unternehmen solcher börsenotierter Gesellschaften (indirect stock exchange test) differenziert wird. II. Der Direct Stock Exchange Test 1. Der regelmäßige Handel Den genannten Rechtsvorschriften ist zunächst gemein, dass das bloße Faktum einer Börsenotierung noch nicht als ausreichend angesehen wird, sondern vielmehr ein regelmäßiger Handel mit den Aktien der Gesellschaft stattzufinden hat. Wann ein Handel mit Aktien als regelmäßig anzusehen ist, wird allerdings weder im GMSG noch im DBA USA ausdrücklich definiert. Eine nähere Begriffsbestimmung für das Kriterium des „regelmäßigen Handels“ für Zwecke des LoB-Artikels ist auch im Verständigungsprotokoll zur Auslegung des DBA USA nicht enthalten. Nach den U.S.-amerikanischen Technical Explanations 1996 zum U.S.-Musterabkommen ist im Rahmen der Interpretationsnorm des Art 3 Abs 2 DBA USA auf das innerstaatliche Recht des jeweiligen Quellenstaates abzustellen, wobei demzufolge im Fall der USA die Bestimmung in § 1.884-5(d)(4)(i)(B) Treasury Regulations zur Auslegung maßgeblich ist.6) Nach dieser Bestimmung liegt ein regelmäßiger Handel dann vor, wenn die betreffenden Aktien (über De-minimis-Mengen hinaus) an mehr als 60 Tagen im Jahr gehandelt werden und zugleich die Gesamtzahl der gehandelten Aktien während eines Jahres mindestens 10 % der in diesem Jahr durchschnittlich im Umlauf befindlichen Aktien (im Englischen: average number of shares outstan2

) Vgl etwa Loukota/Jirousek, Internationales Steuerrecht, Art 1 Rz 33. Es bestehen jedoch auch Bedenken, ob eine solche Vermutung tatsächlich zutreffend ist. Vgl dazu Jiang, Treaty Shopping and Limitation on Benefits Articles in the Context of the OECD Base Erosion and Profit Shifting Project, Bulletin for International Taxation 2015, 139 (144) mwN. 3 ) Für die österreichische Abkommenspolitik scheint eine Übernahme von LoB-Artikeln hingegen unwahrscheinlich. Vgl Staringer, BEPS – Was kommt jetzt auf uns zu? SWI 2015, 575 (582 f). Auch aus unionsrechtlichen Erwägungen bestehen Bedenken in Hinblick auf die Verwendung von LoB-Klauseln; vgl dazu etwa Kofler, Treaty Shopping, Quota Hopping und Open Skies: Die gemeinschaftsrechtliche Problematik von Limitation-on-Benefits-Klauseln in Doppelbesteuerungsabkommen mit den Vereinigten Staaten, in Jirousek/Lang (Hrsg), Praxis des Internationalen Steuerrechts, FS H. Loukota (2005) 214 (214 ff). 4 ) Revenue Procedure 2017/15. Das QI-Agreement enthält im Gegenzug zu einer vereinfachten Anwendung der DBA-Quellensteuerbegünstigungen Quellensteuerabzugs- und Dokumentationspflichten für außerhalb der Vereinigten Staaten ansässige Finanzinstitute hinsichtlich ihrer Kunden mit U.S. Wertpapierbesitz. Das neue, seit 1. 1. 2017 in Kraft befindliche QI Agreement ist abrufbar unter https://www.irs.gov/pub/irs-drop/rp-17-15.pdf) (Zugriff am 13. 6. 2017). 5 ) Vgl Section 5.03 des neuen QI Agreement sowie die erweiterten LoB-Informationspflichten in Part III 14b des U.S.-Formblatts W-8BEN-E. 6 ) Technical Explanation of the United States Income Tax Convention of September 20, 1996. Abrufbar unter https://www.irs.gov/ (Zugriff am 13. 6. 2017).

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Börsenotierte Unternehmen, LoB-Klausel, CRS und FATCA ding 7)) erreicht. Durch diese beiden Anforderungen wird im Ergebnis sichergestellt, dass bloß jene Gesellschaften begünstigt werden, die tatsächlich als Publikumsgesellschaften anzusehen sind und damit über eine ausreichend hohe Anzahl an Aktien im Streubesitz verfügen.8) Da die wirtschaftlichen Interessen der Gesellschaft und jene ihrer Aktionäre bei derartigen Publikumsgesellschaften nicht ident sind, sei folglich die Gefahr, dass derartige Gesellschaften für steuervermeidende Maßnahmen eingesetzt werden, als geringer einzustufen.9) Das IGA Österreich – USA hält demgegenüber in Annex I VI. B. 4. b) fest, dass ein regelmäßiger Handel dann vorliegt, wenn die Aktien in einem bedeutenden Volumen und auf fortlaufender Basis gehandelt werden. Wie das DBA USA stellt auch das IGA Österreich – USA sowohl auf ein quantitatives („bedeutendes Volumen“) als auch auf ein zeitliches Element („auf fortlaufender Basis“) ab, ohne diese beiden Voraussetzungen jedoch näher zu umschreiben. Dagegen enthält § 1.1472-1T(b)(2) U.S. Treasury Regulations für FATCA-Zwecke eine genaue Definition für das Kriterium des regelmäßigen Handels, die sich im Wesentlichen mit der bereits oben erläuterten Definition in § 1.8845(d)(3) U.S. Treasury Regulations (Handel an mehr als 60 Tagen von zumindest 10 % des durchschnittlichen Aktienumlaufs) deckt.10) Das GMSG definiert für Zwecke des Gemeinsamen Meldestandards den Begriff des „regelmäßigen Handels“ in § 95 Z 2 ebenfalls nicht näher. Allerdings führt der OECDKommentar zum CRS hierzu aus, dass darunter „a meaningful volume of trading with respect to the stock on an ongoing basis“ zu verstehen ist, und erklärt weiter, dass „with respect to each class of stock“ ein solches „meaningful volume of trading“ dann als erfüllt anzusehen ist, wenn die beiden oben erläuterten Schwellen des Handels an mehr als 60 Tagen von mehr als 10 % des Aktienumlaufs überschritten werden.11) Dies erlaubt wiederum den Rückschluss, dass für das Kriterium des „regelmäßigen Handels“ im IGA Österreich – USA für die Umsetzung von FATCA trotz unterschiedlicher Wortwahl keine von den U.S. Treasury Regulations abweichende Definition beabsichtigt war und insofern auf diese auch für IGA-Zwecke zurückgegriffen werden kann. Folglich stimmen die Kriterien für den Begriff des „regelmäßigen Handels“ im Grundsatz sowohl zwischen den U.S. Treasury Regulations und dem IGA Österreich – USA als auch mit dem CRS und dem LoB-Artikel des DBA USA überein, die letztlich allesamt auf der Bestimmung in § 1.884-5(d)(4)(i)(B) U.S. Treasury Regulations fußen. Ein Unterschied in Hinblick auf die Auslegung könnte lediglich in der alternativen Einbeziehung von Brokern liegen. Nach dem OECD-Kommentar und § 1.14721(C)(i)(B)(2) U.S. Treasury Regulations liegt nämlich ein regelmäßiger Handel auch dann vor, wenn die Aktien durch einen Broker oder sonstigen Händler an einer anerkannten Börse regelmäßig angeboten und gehandelt werden.12) Ein Broker muss demzufolge im Rahmen seines gewöhnlichen Geschäftsbetriebs die gehandelten Ak7

) Da sich etwa eigene Aktien idR nicht im Umlauf befinden werden, wären diese für den Test außer Acht zulassen. ) OECD, Revised Discussion Draft, BEPS Action 6: Prevent Treaty Abuse (2015) 21. 9 ) Jiang, Bulletin for International Taxation 2015, 139 (145). 10 ) Auch das IGA Österreich – USA enthält mit Art 1 Z 2 eine der Bestimmung des Art 3 Abs 2 DBA USA vergleichbare Norm, wonach undefinierte Begriffe, sofern der Kontext des Abkommens nichts anderes ergibt, nach dem innerstaatlichen Recht der Vertragsstaaten auszulegen sind. Aus diesem Grund wäre für die Auslegung des „regelmäßigen Handels“ für FATCA-Zwecke § 1.1472-1T(b)(2) Treasury Regulations heranzuziehen. 11 ) OECD, CRS-Kommentar, Section VIII Rz 112 ff; siehe dazu auch GMSR 2016, Rz 74. 12 ) OECD, CRS-Kommentar, Section VIII Rz 114. Für FATCA-Zwecke ist im Rahmen der Interpretationsnorm des Art 1 Z 2 IGA Österreich – USA auf die Bestimmung des § 1.1472-1(C)(i)(B)(2) U.S. Treasury Regulations zurückzugreifen, wodurch der Broker-Test uE auch für das IGA Österreich – USA von Bedeutung ist. 8

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Publicly Held Companies, LoB Clause, CRS and FATCA tien an Kunden, die keine ihm nahestehenden Personen sind, in regelmäßigem Umfang veräußern. Nach den Technical Explanations ist der erwähnte Broker-Test im Kontrast dazu nicht für die abkommensrechtliche Auslegung heranzuziehen, wodurch sich eine Unterscheidung zwischen dem LoB-Artikel einerseits sowie CRS und FATCA andererseits ergeben könnte.13) Anders wäre dies nur dann, wenn man argumentieren würde, dass mit dem Inkrafttreten des GMSG eine innerstaatliche Vorschrift in Österreich besteht, die nach Maßgabe des Art 3 Abs 2 DBA USA eine Auslegung des Begriffs des „regelmäßigen Handels“ auch aus österreichischer Sicht ermöglichen würde. Dies hätte zur Konsequenz, dass diesfalls der alternative Broker-Test auch für Zwecke des DBA USA zur Anwendung gebracht werden könnte. Ein solcher Rückgriff auf das GMSG wäre allerdings nur möglich, wenn der Verweis auf das jeweilige innerstaatliche Recht der Vertragsstaaten nach Art 3 Abs 2 DBA USA als dynamisch verstanden wird, da das Inkrafttreten des GMSG zeitlich nach dem Abschluss des DBA USA liegt.14) 2. Der erhebliche Handel Nach Art 16 Abs 1 lit e DBA USA muss zur Inanspruchnahme von Abkommensbegünstigungen für börsenotierte Gesellschaften nicht bloß ein regelmäßiger, sondern auch ein erheblicher Handel stattfinden. Durch dieses Kriterium soll sichergestellt werden, dass jene Gesellschaft, die Abkommensbegünstigungen in Anspruch nimmt, einen ausreichenden Konnex zu jenem Staat aufweist, in dem sie steuerlich ansässig ist.15) Ein Handel ist dann als erheblich anzusehen, wenn die Anzahl der gehandelten Aktien im Ansässigkeitsstaat der börsenotierten Gesellschaft die Anzahl der gehandelten Aktien jedes einzelnen Staates außerhalb dieses Ansässigkeitsstaates übersteigt. Im Fall einer österreichischen Aktiengesellschaft mit innerstaatlicher Börsenotierung wäre es daher etwa notwendig, dass an keiner anderen ausländischen Börse mehr Aktien gehandelt werden als an der Wiener Börse. Aus diesem Grund könnte etwa eine österreichische Aktiengesellschaft, die lediglich eine ausländische Börsenotierung besitzt, nach Maßgabe des Art 16 Abs 1 lit e DBA USA keine Abkommensbegünstigungen in Anspruch nehmen.16) Im Ergebnis werden dadurch jene Wertpapierbörsen, die sich im Ansässigkeitsstaat der börsenotierten Gesellschaft befinden, gegenüber anderen (ausländischen) Börsen begünstigt. Aus diesem Grund entspricht es der Praxis einiger EU-Mitgliedstaaten, das Kriterium des erheblichen Handels dahingehend auszulegen, dass für die Anzahl der gehandelten Aktien im Ansässigkeitsstaat alle gehandelten Aktien an anerkannten Börsen innerhalb der Europäischen Union miteinbezogen werden und diese in weiterer Folge den gehandelten Aktien außerhalb der Europäischen Union gegenübergestellt werden.17) Zudem wird das Kriterium des erheblichen Handels in der überarbeiteten Version des U.S.-Musterabkommens sowie in der vorgeschlagenen Fassung des BEPS-Aktionspunktes 6 erheblich abgeschwächt, da es nunmehr dadurch ersetzt wer13

) Vgl die folgende Formulierung in den Technical Explanations zum US-MA: „Sections 1.8845(d)(4)(i)(A), (ii) and (iii) will not be taken into account for purposes of defining the term ‘regularly traded’ under the Convention.“ In der Bestimmung des § 1.884- 5(d)(4)(i)(A)(ii) US Treasury Regulations wird allerdings gerade der alternative Broker- bzw Händler-Test umschrieben. 14 ) Der VwGH vertritt jedoch, dass Art 3 Abs 2 OECD-MA als statischer Verweis zu verstehen ist. Vgl zB VwGH 20. 9. 2001, 2000/15/0116. 15 ) So auch OECD, BEPS Action Plan 6, 26. 16 ) Die Erfüllung eines anderen Tests des LoB-Artikels zur Inanspruchnahme von Abkommensbegünstigungen bleibt für diese aber möglich. 17 ) Siehe dazu etwa Bax/Claes, The New Belgium-US Income Tax Treaty – An Analysis, European Taxation 2007, 347 (353).

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Börsenotierte Unternehmen, LoB-Klausel, CRS und FATCA den kann, dass sich der primäre Ort der Geschäftsleitung der börsenotierten Gesellschaft im behaupteten Ansässigkeitsstaat befindet. Eine Anwendung dieses alternativ zu erfüllenden Test erscheint für das DBA USA aufgrund des restriktiven Wortlauts des Art 16 Abs 1 lit e DBA USA hingegen nicht möglich. Aus unionsrechtlichen Überlegungen könnte allerdings die Einbeziehung von innerhalb der Europäischen Union befindlichen Börsen geboten sein. Aber auch vor dem Hintergrund, dass nach der Rechtsprechung des VfGH Normen eines DBA ebenfalls am verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz zu messen sein können, kann in dem Erfordernis des erheblichen Handels eine unsachliche Differenzierung gesehen werden.18) Im Anwendungsbereich des GMSG bzw des IGA Österreich – USA ist das Kriterium des erheblichen Handels für börsenotierte Gesellschaften hingegen nicht enthalten. Im Gegensatz zum LoB-Artikel wäre für CRS- und FATCA-Zwecke eine ausländische Börsenotierung demzufolge kein Hindernis für die Anwendung der jeweiligen Erleichterungen für börsenotierte Gesellschaften. Daraus können sich in weiterer Folge auch Auswirkungen für die mit dieser Gesellschaft verbundenen Unternehmen (indirect stock exchange test) ergeben, da sich deren Status aus der vorausgehenden Erfüllung des direct stock exchange test ableitet.19) 3. Die anerkannte Börse Maßgeblich sind weiters nur solche Aktien, die an einer „anerkannten Börse“ gehandelt werden. Durch das Erfordernis der „anerkannten Börse“ werden, im Gegensatz zu den anderen Voraussetzungen, keine Anforderungen an die gehandelten Aktien selbst gestellt, sondern an jene Börsen, an denen diese Aktien gehandelt werden. Sowohl das GMSG und das IGA Österreich – USA als auch das DBA USA sehen vor, dass bloß solche Aktien berücksichtigt werden können, die an einer anerkannten Börse gehandelt werden. Nach Art 16 Abs 3 DBA USA werden jedenfalls die Wiener Börse, das NASDAQ-System und jede weitere Börse, die bei der U.S. Securities and Exchange Commission als nationale Effektenbörse iSd U.S. Securities Exchange Act registriert ist, als anerkannte Börse qualifiziert. Daneben gilt auch jede sonstige Börse, auf die sich die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten verständigen, als anerkannt. Dies hat insofern Auswirkungen auf FATCA, als nach § 1.1472-1(c)(1)(i)(C)(1)(iii) U.S. Treasury Regulations jede Börse auch für FATCA-Zwecke als anerkannt gelten soll, wenn diese in einem DBA der Vereinigten Staaten nach dem jeweiligen LoB-Artikel als anerkannte Börse qualifiziert wird. Offensichtlich war hier ursprünglich eine Angleichung zwischen FATCA und dem LoB-Artikel intendiert. Damit ist die Wiener Börse bereits durch den Rückgriff auf den LoB-Artikel des DBA USA bei Anwendung der U.S. Treasury Regulations für FATCA-Zwecke als anerkannte Börse anzusehen. Neben diesem Rückgriff auf den LoB-Artikel des DBA liegt nach den U.S. Treasury Regulations eine anerkannte Börse für FATCA-Zwecke generell aber auch dann vor, wenn diese Börse in den drei vorangehenden Kalenderjahren jeweils ein Handelsvolumen von mehr als 1 Mrd U.S.-Dollar aufgewiesen hat (§ 1.1472-1(c)(i)(C)(1)(i) U.S. Treasury Regulations). 18

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) VfGH 23. 6. 2014, SV 2/2013. Siehe dazu auch Lang, Die Konsequenzen des VfGH-Erkenntnisses zum DBA Liechtenstein, SWI 2014, 402 (402 ff). ) Denn die Bestimmung des Art 16 Abs 1 lit f DBA USA, die Tochter- und Enkelgesellschaften der börsenotierten Gesellschaft in den LoB-Artikel miteinbezieht, verlangt ausdrücklich, dass die Tochter- und Enkelgesellschaft mit mindestens einer Gesellschaft nach Art 16 Abs 1 lit e DBA USA unmittelbar oder mittelbar verbunden ist. Siehe dazu noch unten.

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Publicly Held Companies, LoB Clause, CRS and FATCA Das IGA Österreich – USA enthält diesen Dollar-Wert nicht explizit und hält es stattdessen in Annex I VI. B. 4. b) für ausreichend, wenn die Börse unter staatlicher Aufsicht steht und dabei über ein „beträchtliches Handelsvolumen“ verfügt. Dabei sollte aber für die Definition des beträchtlichen Handelsvolumens für IGA-Zwecke auf jene aus § 1.1472-1(c)(i)(C)(1)(i) U.S. Treasury Regulations zurückgegriffen werden können, sodass ein beträchtliches Handelsvolumen auch nach dem IGA Österreich – USA jedenfalls dann vorliegt, wenn die Börse innerhalb eines dreijährigen Betrachtungszeitraums in jedem dieser drei Kalenderjahre kontinuierlich ein Handelsvolumen von mindestens 1 Mrd US-Dollar aufgewiesen hat. Damit wird auch ein Gleichklang mit dem Gemeinsamen Meldestandard erzielt. Zwar wird in § 95 Z 2 GMSG die „anerkannte Wertpapierbörse“ nicht näher definiert, doch übernimmt der für CRS-Zwecke maßgebliche OECD-Kommentar die Definition des IGA Österreich – USA (Börse unter staatlicher Aufsicht mit beträchtlichem jährlichem Handelsvolumen)20) und definiert darüber hinaus das beträchtliche jährliche Handelsvolumen ausdrücklich mit 1 Mrd US-Dollar in den drei vorangehenden Kalenderjahren.21) Zusätzlich wäre im Fall einer Marktsegmentierung innerhalb einer Börse jedes Marktsegment, an dem Aktien gesondert gehandelt werden, hinsichtlich der Erreichung dieser Mindestschwelle eigenständig zu beurteilen.22) Die Anforderungen an das beschriebene Handelsvolumen der in Frage kommenden Börse nach FATCA und CRS findet sich im LoB-Artikel des DBA nicht. Dieser Test ist folglich für LoB-Zwecke nicht einschlägig. Soweit er nicht erfüllt wird, wohl aber eine der im LoB-Artikel des DBA USA erwähnten Definitionen, stellt sich die Frage, ob dies für FATCA aufgrund der erwähnten Bestimmung in § 1.1472-1(c)(1)(i)(C)(1)(iii) U.S. Treasury Regulations auch im Anwendungsbereich eines IGA als ausreichend angesehen werden kann. Dagegen spricht, dass die entsprechende Definition im IGA ausdrücklich ein beträchtliches Handelsvolumen verlangt. Vereinzelt sehen Staaten aus Praktikabilitätserwägungen auch von dem erläuterten Schwellenwerterfordernis zugunsten konstanterer Regelungen ab. So sieht etwa das Vereinigte Königreich unter Rückgriff auf das britische Steuerrecht23) vor, dass für FATCA-Zwecke24) sämtliche Börsen als „anerkannt“ gelten sollen, wenn diese in einer von der britischen Steuerverwaltung herausgegebenen Liste aufscheinen. In Österreich ist eine solche – aufgrund der einfacheren praktischen Handhabung uE sehr begrüßenswerte – Regelung allerdings nicht implementiert worden.25) 4. Die (Haupt-)Gattung der Aktien Nach dem DBA USA ist weiters ein regelmäßiger und erheblicher Handel mit der „Hauptgattung“ der Aktien der börsenotierten Gesellschaft erforderlich. Dadurch erfolgt 20

) Siehe OECD, CRS-Kommentar, Section VIII Rz 112 (Seite 192 f). ) Siehe OECD, CRS-Kommentar, Section VIII Rz 115 (Seite 193). ) Siehe OECD, CRS-Kommentar, Section VIII Rz 115 (Seite 193); Dies gilt nach § 1.14721(c)(1)(i)(C)(2) U.S. Treasury Regulations für FATCA-Zwecke ebenso für Börsen, die außerhalb der Vereinigten Staaten ansässig sind. 23 ) Siehe dazu die FATCA Guidance Notes des Vereinigten Königreichs; vgl HM Revenue & Customs, Implementation of The International Tax Compliance Regulations (2015) 79 f. Dies ist damit zu begründen, dass im britischen Steuerrecht mit Section 1005 Income Tax Act bereits eine einschlägige Definition für „anerkannte Börsen“ besteht, die von der erläuterten Definition in § 1.1472-1(c)(i)(C)(1)(i) U.S. Treasury Regulations abweicht. Siehe dazu auch Parada, Intergovernmental Agreements and the Implementation of FATCA in Europe, World Tax Journal 2015, 201 (221 ff). 24 ) Im Anwendungsbereich des CRS werden hingegen die Ausführungen der OECD hinsichtlich der Qualifikation einer „anerkannten Börse“ inhaltlich übernommen. Siehe dazu Revised Guidance Notes des Vereinigten Königreichs; vgl HM Revenue & Customs, Automatic Exchange of Financial Account Information (2016) 129. 25 ) Siehe dazu GMSR 2016, Rz 74. 21 22

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Börsenotierte Unternehmen, LoB-Klausel, CRS und FATCA im Ergebnis eine weitere Eingrenzung in Hinblick auf die gehandelten Aktien. Als Hauptgattung ist nach den Technical Explanations dabei jene Aktiengattung anzusehen, die in Summe über 50 % der gesamten Stimmrechte und zudem über 50 % des gesamten Aktienwerts der Gesellschaft repräsentiert. Wenn keine Aktiengattung für sich genommen diese Kriterien erfüllt, ist allerdings eine Kumulierung der Werte mehrerer Aktiengattungen bis zur Erreichung dieser Schwellenwerte möglich.26) Nach österreichischem Verständnis liegen unterschiedliche Aktiengattungen dann vor, wenn innerhalb der Gesellschaft Aktien mit unterschiedlichen mitgliedschaftlichen Rechtsinhalten bestehen.27) Den praktisch wichtigsten Anwendungsfall einer eigenen Aktiengattung stellen demzufolge stimmrechtslose Vorzugsaktien dar. Bei österreichischen Aktiengesellschaften werden somit die ausgegebenen Stammaktien regelmäßig als Hauptgattung anzusehen sein, da stimmrechtslose Vorzugsaktien nach § 12a Abs 2 AktG lediglich bis zu einem Drittel des Grundkapitals ausgegeben werden können. Daher werden im Regelfall die ausgegebenen Stammaktien darauf hin zu untersuchen sein, ob diese in regelmäßigem und erheblichem Umfang gehandelt werden. Durch diese Eingrenzung sollte sich zudem kein zusätzlicher Erhebungsaufwand ergeben, da nach § 243a Abs 1 Z 1 UGB im Fall von börsenotierten Aktiengesellschaften der Anteil jeder einzelnen Aktiengattung am Gesellschaftskapital auch im Lagebericht anzugeben ist.28) Das GMSG bzw das IGA Österreich – USA stellt demgegenüber nicht ausdrücklich auf die „Hauptgattung“ von Aktien ab. Fraglich ist daher, ob im Fall des Bestehens mehrerer Aktiengattungen eine kumulierte Betrachtung auf das Kriterium des regelmäßigen Handels erfolgt oder jede Aktiengattung für sich regelmäßig gehandelt werden muss. Nach der im OECD-Kommentar über den Gemeinsamen Meldestandard enthaltenen Formulierung wäre zunächst eher Letzteres anzunehmen.29) Dadurch würde sich ein weiterer Unterschied für die Auslegung zwischen dem GMSG und dem DBA USA ergeben, wobei die Auslegung nach dem GMSG in diesem Fall strengere Anforderungen stellen würde. So müssten Aktiengesellschaften, die etwa über stimmrechtslose Vorzugsaktien verfügen, zusätzlich nachweisen, dass auch diese in regelmäßigem Umfang an einer anerkannten Börse gehandelt werden. Allerdings wurde in den CRS-FAQs vom Juni 2016 nunmehr von der OECD klargestellt, dass der Begriff „each class of shares“ nur solche Aktiengattungen umfasst, die in Summe mehr als 50 % des Stimmrechts und des Aktienwerts der Gesellschaft repräsentieren. Durch diese Klarstellung, die nur bedingt im Wortlaut des OECD-Kommentars Deckung findet, liegt im Ergebnis kein Unterschied zwischen CRS, FATCA und dem LoB-Artikel vor. 5. Prüfreihenfolge Die Erfüllung des direct stock exchange test kann somit – unter Berücksichtigung der erläuterten Unterschiede hinsichtlich der Auslegung nach den jeweiligen Rechtsvorschriften – in folgender Reihenfolge zweckmäßig festgestellt werden: 26

) Sauer, Der „Public Company-Test“ als Voraussetzung für die Abkommensberechtigung, in Gassner/Lang/Lechner (Hrsg), Das neue Doppelbesteuerungsabkommen Österreich – USA (1997) 111 (127); Technical Explanations zum U.S.-MA 1996, Art 22. 27 ) Vgl Schmidt-Pachinger in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG, § 11 Rz 5. Aus diesem Grund stellen etwa vinkulierte Namensaktien oder eigene Aktien einer Aktiengesellschaft keine eigenen Aktiengattungen dar. 28 ) Ebenso sind nach § 16 Abs 2 AktG für den Fall, dass mehrere Aktiengattungen bestehen, die Aktiengattungen in der Satzung anzugeben. 29 ) OECD-Kommentar, Rz 113. Siehe dazu die Formulierung: „With respect to each class of stock of the corporation (…), if (i) trades in each such class are effected (…) on one or more established securities markets on at least 60 business days during the prior calendar year.“

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Börseno z + Hauptga ung

Publicly Held Companies, LoB Clause, CRS and FATCA

No ert die Gesellscha mit der Hauptga ung ihrer Ak en an mindestens einer Börse?

Direct Stock Exchange Test nicht erfüllt NEIN

Anerkannte Börse

JA Ist bzw sind die jeweiligen Börse(n) als „anerkannte Börse(n)“ anzusehen?

NEIN

Regelmäßiger Handel

JA Broker Test

NEIN Werden Hauptga ungsak en an mehr als 60 Tagen im Jahr (Über DeMinimis Mengen hinaus) gehandelt?

Kann alterna v der Broker-Test erfüllt werden?*

Machen die gehandelten Hauptga ungsak en in ihrer Gesamtzahl mehr als 10 % der durchschni lich NEIN im Umlauf befindlichen Ak en aus?

NEIN

JA

Erheblicher Handel**

JA Übersteigt die Anzahl gehandelter Hauptga ungsak en an der Börse des Ansässigkeitsstaates die Anzahl der Ak en, die an ausländischen Börsen gehandelt werden?

NEIN

Direct Stock Exchange Test erfüllt JA * Nach den U.S.-Technical Explana ons für die Auslegung von DBA nicht heranzuziehen ** Für CRS und FATCA unerheblich und daher bei der Prüfung außer Acht zu lassen.

Abbildung 1: Prüfreihenfolge (direct stock exchange test)

III. Der Indirect Stock Exchange Test Schließlich stehen die erläuterten Begünstigungen nicht bloß einer börsenotierten Gesellschaft selbst zu, sondern auch bestimmten mit dieser Gesellschaft verbundenen Unternehmen. Auch hier lassen sich allerdings einige Unterscheidungen zwischen dem abkommensrechtlichen LoB-Artikel und dem IGA Österreich – USA bzw dem GMSG feststellen. Aus abkommensrechtlicher Sicht muss das verbundene Unternehmen zunächst nach Art 16 Abs 1 lit f DBA USA unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 90 % mit nicht mehr als fünf börsenotierten Gesellschaften verbunden sein. Es besteht somit zum einen eine Mindestbeteiligungsquote und zum anderen eine quantitative Eingrenzung in Hinblick auf die Gesellschafterzahl, wobei diese Begrenzung bei mittelbar verbundenen Gesellschaften auf die in der Gesellschafterkette letzten Gesellschafter bezogen ist.30) Die Beteiligungsquote von 90 % muss dabei nach den Technical Explanations sowohl in Hinblick auf die Stimmrechte als auch hinsichtlich des Aktienkapitals erfüllt sein.31) 30

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) Sauer in Gassner/Lang/Lechner, DBA USA, 132. Demzufolge sind auch etwaige mitbeteiligte natürliche Personen nicht in die Limitierung miteinzubeziehen. ) Vgl Technical Explanations zum US-MA 1996, Art 22. Zudem beträgt diese Mindestbeteiligungsquote in der aktuellen Fassung des US-Musterabkommens nunmehr lediglich 50 %. Weiters enthält das USMA in Art 22 Abs 2 lit c ii) auch einen base erosion test für derartige verbundene Gesellschaften.

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Börsenotierte Unternehmen, LoB-Klausel, CRS und FATCA Zusätzlich muss jede Person in der Eigentümerreihe in einem Vertragsstaat ansässig sein. Im Fall einer in dieser Eigentümerreihe zwischengeschalteten juristischen oder natürlichen Person, die in einem Staat außerhalb Österreichs oder den USA ansässig ist, können daher Abkommensbegünstigungen nach Maßgabe des Art 16 Abs 1 lit f DBA USA nicht in Anspruch genommen werden. Auch in der aktuellen Version des USMusterabkommens bzw in der von der OECD im Rahmen des BEPS-Aktionspunktes 6 vorgeschlagenen Fassung des LoB-Artikels ist dieses einschränkende Erfordernis weiterhin enthalten. Da eine solche Einschränkung von einigen Staaten allerdings als zu restriktiv empfunden wird, sehen diese in ihren DBA von diesem Erfordernis auch ab.32) Auch nach dem GMSG bzw dem IGA Österreich – USA werden mit börsenotierten Rechtsträgern verbundene Rechtsträger von der Meldepflicht ausgenommen bzw als aktive NF(F)E klassifiziert. Nach § 99 GMSG bzw Art 1 1. z) cc) IGA Österreich – USA ist ein Rechtsträger ua dann ein verbundener Rechtsträger, wenn er von einem anderen Rechtsträger beherrscht wird, wobei der Begriff „Beherrschung“ unmittelbares und mittelbares Eigentum an mehr als 50 % der Stimmrechte und des Kapitals umfasst. Daraus wird auch ersichtlich, dass die erforderliche Mindestbeteiligungsquote für verbundene Unternehmen von der in Art 16 Abs 1 lit f DBA USA enthaltenen Regelung wesentlich abweicht. Auch erscheint fraglich, ob ein Rechtsträger, der mit mehr als einer börsenotierten Gesellschaft verbunden ist, aufgrund des Wortlauts von § 99 GMSG bzw Art 1 1. z) cc) IGA Österreich – USA (im Gegensatz zum DBA USA) noch als „verbundener“ Rechtsträger anzusehen wäre.33) Eine weitere wesentliche Unterscheidung im Vergleich zum DBA ergibt sich daraus, dass für FATCA- und CRS-Zwecke bei mittelbar verbundenen Rechtsträgern die Zwischenschaltung einer im Ausland ansässigen Person unerheblich ist und keine unmittelbaren Rechtsfolgen auslöst. Weiters ergibt sich auch durch die Verwendung des Wortes „Rechtsträger“ (entity) in § 95 Z 2 GMSG bzw Annex I VI. B. 4. b) IGA Österreich – USA eine weitere Abweichung zur Regelung des Art 16 Abs 1 lit f DBA USA, in der explizit der Begriff „Gesellschaft“ (company) verwendet wird. Denn der Begriff des Rechtsträgers umfasst nach § 98 Abs 1 GMSG etwa auch Personengesellschaften oder Stiftungen. Die Einbeziehung von derartigen Rechtsträgern gilt allerdings nur für die Klassifikation als aktiver NF(F)E, da die Ausnahme von der Meldepflicht nach § 89 Z 2 GMSG bzw Art 1 Z 1 lit z IGA Österreich – USA ausdrücklich nur Kapitalgesellschaften zugutekommt. Verbundene Personengesellschaften von börsenotierten Unternehmen wären demzufolge als aktive NF(F)E einzustufen, die allerdings nicht den indirect stock exchange test des DBA erfüllen.34) Diese Unterscheidung ist allerdings auch mit systematischen Erwägungen zu begründen, da gerade Personengesellschaften als steuerlich transparente Gebilde grundsätzlich ohnehin keine Abkommensbegünstigungen in Anspruch nehmen können. IV. Fazit Wie aufgezeigt wurde, bestehen hinsichtlich der Qualifikation einer börsenotierten Gesellschaft zahlreiche Berührungspunkte zwischen der abkommensrechtlichen Auslegung und jener für CRS bzw FATCA. Dies ist letztlich auch damit zu begründen, dass die hierfür einschlägigen Regelungen allesamt auf der Bestimmung des § 1.8845(d)(4)(i)(B) U.S. Treasury Regulations fußen. Dennoch wurden einige Unterschiede in der Auslegung aufgezeigt, die dazu führen können, dass eine börsenotierte Gesellschaft die Erleichterungen nach CRS und FATCA in Anspruch nehmen kann, während 32

) So auch OECD, BEPS Action Plan 6, 28. Dies wird damit begründet, dass eine solche Einschränkung nur bedingt zum Ziel der Vermeidung von Treaty-Shopping beitragen würde. ) Umgekehrt wäre auch für CRS-Zwecke das Schwesterunternehmen einer börsenotierten Gesellschaft gemäß § 99 Z 2 GMSG als „verbundenes Unternehmen“ anzusehen. Dasselbe gilt nach Art 1 1. z) cc) IGA Österreich – USA. 34 ) Strobach in Strobach, Gemeinsamer Meldestandard-Gesetz, § 89 Rz 1. 33

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Publicly Held Companies, LoB Clause, CRS and FATCA sie den abkommensrechtlichen direct stock exchange test etwa nicht erfüllt. Zusätzlich gilt zu beachten, dass auch die unterschiedlichen DBA der Vereinigten Staaten in Hinblick auf den direct stock exchange test einige wesentliche Unterschiede aufweisen.35) Unterscheidungen ergeben sich in Hinblick auf den direct stock exchange test vor allem in Bezug auf das Kriterium des erheblichen Handels sowie auf die Qualifikation der anerkannten Börse. Hinsichtlich des indirect stock exchange test wurden hingegen Unterschiede zwischen der erforderlichen Mindestbeteiligungshöhe und den Rechtsfolgen von zwischengeschalteten Personen aufgezeigt. In Anbetracht dieser Unterschiede empfiehlt es sich daher, die Voraussetzungen für die Erfüllung der stock exchange tests jeweils nach den einschlägigen Rechtsvorschriften gesondert zu prüfen. Auch wäre eine laufende Überwachung, ob die Voraussetzungen für die Erfüllung der Tests weiterhin erfüllt werden, erforderlich. 35

) Für eine Übersicht siehe etwa Sauer in Gassner/Lang/Lechner, DBA USA, 115 ff.

Verlustverrechnung bei Veräußerung von GmbH & Co KG-Anteilen durch eine schweizerische Kommanditistin (BMF) – Veräußert eine in der Schweiz ansässige und in Österreich nur beschränkt steuerpflichtige natürliche Person ihre Anteile an einer betrieblich tätigen österreichischen Personengesellschaft, so unterliegt ein dabei entstehender Veräußerungsgewinn gemäß Art 13 Abs 2 DBA Schweiz dem österreichischen Besteuerungsanspruch, denn das Abkommen behandelt die Beteiligung eines Mitunternehmers an einer betrieblich tätigen Personengesellschaft als Unternehmen des Mitunternehmers. Dementsprechend stellt sich auch die Veräußerung der Beteiligung an der Personengesellschaft als ein Unternehmensverkauf im abkommensrechtlichen Sinne dar (vgl Loukota/Jirousek/SchmidjellDommes, Internationales Steuerrecht, I/1, Z 13 Rz 23). Gemäß Art 24 Abs 2 DBA Schweiz darf die Besteuerung einer Betriebsstätte, die ein Unternehmen eines Vertragsstaates in dem anderen Vertragsstaat hat, in dem anderen Staat nicht ungünstiger sein, als die Besteuerung von Unternehmen des anderen Staates, welche die gleiche Tätigkeit ausüben. Hat daher die in der Schweiz ansässige Mitunternehmerin der österreichischen Personengesellschaft in den Vorjahren in ihrer österreichischen Betriebstätte Verluste erlitten und kann nachgewiesen werden, dass eine Verlustverwertung im Ansässigkeitsstaat nicht möglich ist, dann ist sie aufgrund des in Art 24 Abs 2 DBA Schweiz verankerten Diskriminierungsverbots grundsätzlich berechtigt, diesen Verlust in gleicher Weise wie ein in Österreich ansässiges Unternehmen auf Betriebsstättengewinne von Folgejahren vorzutragen (vgl auch EStR 2000, Rz 8059). Das Diskriminierungsverbot kann allerdings nicht so ausgelegt werden, dass es eine Diskriminierung österreichischer Unternehmen zur Folge hätte. Ein Verlustvortrag ist deshalb nur unter der Voraussetzung möglich, dass die Anwendung des negativen Progressionsvorbehalts in der Schweiz nicht zur Anwendung eines Steuersatzes von Null (oder zu einer ähnlich unzureichenden Besteuerung) und damit zu einer Steuerfreistellung (oder vernachlässigbaren Minimalbesteuerung) des übrigen Einkommens geführt hat oder die Schweiz einen Verlustausgleich oder Verlustvortrag (ohne Nachversteuerung bei künftigen Betriebsstättengewinnen) zulässt oder sonst in irgendeiner Weise eine Doppelverlustverwertung erfolgt; denn österreichische Unternehmen haben nicht die Möglichkeit zu derartigen Verlustdoppelverwertungen (vgl EAS 2034). Zur Frage der Wesentlichkeitsgrenze bei der Beurteilung der steuerlichen Auswirkung der Verwertung des österreichischen Verlusts im Ausland wird auf EAS 2842 und auf BFG 17. 4. 2015, RV/7100178/2008, verwiesen. (EAS 3385 vom 18. 7. 2017) 432

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