Steuerliche Behandlung von Diensterfindungsvergütungen

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Steuern Progressionsermäßigung

Steuerliche Behandlung von Diensterfindungsvergütungen Strenge Auslegung der Finanzverwaltung kann zu unsachgerechten Ergebnissen führen Steuern

NORBERT BRAMERDORFER / SAMIR KOVACEVIC*) Die steuerliche Förderung von Forschung und Entwicklung (F&E) ist dem österreichischen Gesetzgeber bereits seit Jahrzehnten ein besonderes Anliegen.1) Einen Teilbereich davon stellt die Förderung von Erfindungstätigkeiten dar. So waren im Jahr 2017 mehr als 10.000 nationale Patente beim österreichischen Patentamt aufrecht und zeitgleich mehr als 136.000 europäische Patente mit Gebietsschutz in Österreich registriert.2) Für viele dieser eingetragenen Erfindungen sind Dienstnehmer verantwortlich, die für diese Erfindungen gesonderte Vergütungen durch ihre Arbeitgeber erhalten. Dieser Beitrag gibt einen Überblick über die steuerlichen Begünstigungen iZm derartigen Dienstvergütungen. 1. Grundsätzlicher Anspruch auf Erfindungsvergütungen Nach § 8 Abs 1 Patentgesetz (PatG) gebührt einem Dienstnehmer im Falle der Überlassung einer von ihm gemachten Erfindung an den Dienstgeber bereits von Gesetzes wegen eine angemessene besondere Vergütung. Dabei handelt es sich um einen zwingenden Anspruch, der gemäß § 17 PatG nicht vertraglich eingeschränkt werden kann3) und auch nicht durch die Auflösung des zugrunde liegenden Dienstverhältnisses endet.4) Zu beachten ist jedoch § 8 Abs 2 PatG: Wird der Dienstnehmer im Rahmen seines Dienstvertrags ausdrücklich zur Erfindertätigkeit im Unternehmen angestellt und ist er auch tatsächlich vorwiegend damit beschäftigt, steht ihm keine gesonderte Vergütung zu, sofern er bereits aufgrund seiner Erfindungstätigkeit im Rahmen seines Dienstverhältnisses eine entsprechend höhere Vergütung erhält. 2. Einkommensteuerliche Behandlung von Diensterfindungen 2.1. Lohnsteuerliche Begünstigung vor dem StRefG 2015/2016 Für Diensterfindungsvergütungen konnte vor dem Inkrafttreten des StRefG 2015/2016 eine gesonderte lohnsteuerliche Begünstigung zur Anwendung gebracht werden. Nach § 67 Abs 7 EStG waren Diensterfindungsvergütungen im Ausmaß eines zusätzlichen, um 15 % erhöhten Jahressechstels mit einem ermäßigten Steuersatz von 6 % zu besteuern. Diese Steuerermäßigung konnte bereits im Wege der Lohnverrechnung berücksichtigt werden und stellte aufgrund des niedrigen Steuersatzes von 6 % auch eine *) 1

) )

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Dr. Norbert Bramerdorfer, LL.M. ist Director und Steuerberater bei Deloitte in Wien. Samir Kovacevic, LL.B., LL.M. ist Berufsanwärter bei Deloitte in Wien. Vgl Schneider, Steuerliche Begünstigung von Forschung und Entwicklung4 (2014) 1 ff. Vgl Patentamt, Statistische Übersicht über Patentangelegenheiten für das Jahr 2017, https://www.patentamt.at/fileadmin/root_oepa/Dateien/Allgemein/Statistiken/Patentblatt_Mai2017_Statistik_%C3%9Cbersicht.pdf (Zugriff am 26. 6. 2018). Bei Tätigkeiten, die im Rahmen eines freien Dienstvertrags erbracht werden, sind die Regelungen der §§ 6 bis 19 PatG jedoch nicht anzuwenden (vgl OGH 5. 2. 1985, 4 Ob 5/85). Freien Dienstnehmern steht demzufolge kein gesetzlicher Anspruch auf Erfindungsvergütungen zu. Ein solcher Anspruch kann aber sehr wohl auf privatautonomer Basis vereinbart werden und damit in weiterer Folge steuerlich relevant sein. Vgl § 16 PatG.

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Steuern beachtliche einkommensteuerliche Begünstigung dar. Diese Begünstigung war entsprechend ihrer Eingliederung bei den lohnsteuerlichen Bestimmungen des EStG ausschließlich für Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit anzuwenden.5) Durch das StRefG 2015/2016 wurde die Bestimmung des § 67 Abs 7 EStG ersatzlos gestrichen. Sie war letztmalig für das Veranlagungsjahr 2015 anzuwenden.6) 2.2. Hälftesteuersatz nach § 38 EStG Nach § 37 Abs 1 TS 3 EStG ermäßigt sich der Steuersatz für Einkünfte aus der Verwertung patentrechtlich geschützter Erfindungen (§ 38 EStG) auf die Hälfte des auf das gesamte Einkommen entfallenden Durchschnittssteuersatzes. Anders als die zuvor erläuterte Bestimmung nach § 67 Abs 7 EStG aF ist die Begünstigung nach § 38 EStG nicht auf eine einzige Einkunftsart beschränkt.7) Die Ermäßigung kann allerdings erst im Rahmen der Abgabe der Einkommensteuererklärung geltend gemacht werden. Eine Möglichkeit der lohnsteuerlichen Berücksichtigung des reduzierten Steuersatzes besteht somit nicht. Die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes ist nur für den Erfinder selbst vorgesehen, und zwar unabhängig davon, ob dieser auch zugleich der Patentinhaber ist. Zusätzlich muss ein patentrechtlicher Schutz in sachlicher, räumlicher und zeitlicher Hinsicht gegeben sein.8) Aus räumlicher Sicht muss die Erfindung entweder in Österreich oder in jenem Gebiet patentrechtlich geschützt sein, in dem sie verwertet wird. Wird ein europäisches Patent im Sinne des Europäischen Patentübereinkommens (EPO) für Österreich erteilt, so ist die Erfindung in Bezug auf das Erfordernis des patentrechtlichen Schutzes in territorialer Hinsicht so zu behandeln, als ob für sie ein österreichisches Patent erteilt worden wäre. Aus zeitlichen Gesichtspunkten muss der patentrechtliche Schutz der Erfindung schließlich für jenen Zeitraum gegeben sein, für den Lizenzzahlungen erfolgen. Unter die Begünstigung des § 38 EStG fallen nur Einkünfte aus der Verwertung von Erfindungen durch andere Personen. Erfolgt die Verwertung der Erfindung durch den Erfinder selbst, steht keine Progressionsermäßigung nach § 38 EStG zu. Im Falle von Diensterfindungsvergütungen wäre zB ein Arbeitgeber, der eine Diensterfindung betrieblich nutzt, als „andere Person“ im Sinne dieser Bestimmung anzusehen. Aus diesem Grund steht Dienstnehmern, die im Rahmen ihres Dienstvertrags erfinderisch tätig werden und Erfindungsvergütungen nach § 8 Abs 1 PatG beziehen, eine Inanspruchnahme des Hälftesteuersatzes grundsätzlich offen. Die Begünstigung kann jedenfalls nur durch den Erfinder geltend gemacht werden, weshalb zB Erben des Erfinders von der Begünstigung ausgeschlossen sind.9) 2.3. Verhältnis zwischen §§ 38 und 67 EStG Für Einkünfte, die zum Teil mit dem festen Steuersatz des § 67 EStG versteuert werden, steht nach § 37 Abs 7 EStG keine Progressionsermäßigung nach § 38 EStG zu. Diese Bestimmung zielte auf Diensterfindungsvergütungen ab, die betragsmäßig zumindest „zum Teil“ mit dem um 15 % erhöhten Jahressechstel begünstigt waren. Für diese sollte über dieses erhöhte Jahressechstel hinaus keine weitere Begünstigung für Diensterfindungsvergütungen zustehen. Damit wurde die Begünstigung nach § 38 EStG im Falle von Diensterfindungen nur in seltenen Fällen in Anspruch genommen. Da aber § 67 Abs 7 EStG mit dem StRefG 2015/2016 außer Kraft getreten ist, wird die 5

) ) ) 8 ) 9 ) 6 7

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Vgl Fellner in Hofstätter/Reichel, EStG (2015) § 67 Rz 5. BGBl I 2015/118. Vgl Jakom/Kanduth-Kristen, EStG11 (2018) § 38 Rz 14; VwGH 28. 5. 1997, 95/13/0287. Siehe dazu auch EStR 2000, Rz 7350 ff. VwGH 1. 10. 2008, 2006/13/0123.

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Steuern Begünstigung nach § 38 EStG für Erfinder ab dem Veranlagungsjahr 2016 wieder von verstärktem Interesse sein. In diesem Zusammenhang gilt es jedoch zu beachten, dass § 37 Abs 7 EStG eine Inanspruchnahme des Hälftesteuersatzes nicht nur bei einer begünstigten Besteuerung mit dem um 15 % erhöhten Jahressechstel nach § 67 Abs 7 EStG, sondern ganz allgemein dann ausschließt, wenn Einkünfte „zumindest zum Teil mit dem festen Steuersatz des § 67 versteuert werden“. Denn obwohl § 37 Abs 7 EStG ursprünglich iZm § 67 Abs 7 EStG entstand, wurde durch das StRefG 2015/2016 nur letztere Bestimmung aufgehoben. Wörtlich interpretiert würde § 37 Abs 7 EStG dazu führen, dass eine Begünstigung für Diensterfindungsvergütungen auch dann ausgeschlossen ist, wenn nur der kleinste Teil dieser Vergütung von der begünstigten Besteuerung des „normalen“ Jahressechstels des § 67 Abs 1 EStG erfasst wird.10) Tatsächlich vertrat die Finanzverwaltung im Falle einer kürzlich ergangenen BFG-Entscheidung zur Begünstigung des § 38 EStG genau diese Ansicht.11) Diese Auffassung kann aber – wie die folgenden Beispiele12) aufzeigen – zu nicht sachgerechten und für den österreichischen Forschungsstandort nachteiligen Ergebnissen führen.

Beispiel 1 – Sonderzahlung innerhalb des Jahressechstels Angenommen sei, dass ein Dienstnehmer 14 Mal monatlich eine laufende Vergütung iHv 5.000 Euro erhält (= 70.000 Euro) und für seine Erfindungstätigkeit zusätzlich eine Erfindungsvergütung iHv 18.000 Euro einmalig zur Auszahlung gelangt. Die Erfindungsvergütung ist demzufolge als sonstiger Bezug anzusehen. Für eine etwaige Inanspruchnahme des Hälftesteuersatzes wäre zunächst zu prüfen, ob dieser sonstige Bezug im Jahressechstel Deckung findet. Laufende Vergütung (14 x 5.000)

70.000 Euro

Erfindungsvergütung (einmalig)

18.000 Euro

Ermittlung des Jahressechstels: Laufende monatliche Vergütung x 12 / 6 Abzüglich 13./14. Gehalt (sonstiger Bezug) Verbleibendes Sechstel für die Erfindungsvergütung

10.000 Euro –10.000 Euro 0 Euro

Ermittlung der Einkommensteuer (laufende Bezüge): Einkommensteuer auf laufende Bezüge (§ 33 EStG) Durchschnittssteuersatz

18.480 Euro 30,80 %

Ermittlung der Einkommensteuer (sonstige Bezüge): Einkommensteuer auf 13./14. Gehalt (§ 67 EStG) Einkommensteuer auf Erfindungsvergütung (§ 38 EStG – halber Durchschnittssatz)

Gesamtsteuerbelastung

562,80 Euro 2.772 Euro

21.814, 80 Euro

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) Und dies, obwohl sonstige Bezüge, die das Jahressechstel übersteigen (sogenannter Jahressechstelüberhang), wie ein laufender Bezug zum regulären Einkommensteuertarif besteuert werden (§ 67 Abs 10 EStG). 11 ) BFG 1. 3. 2018, RV/5101676/2017. 12 ) Der Einfachheit halber bleiben sozialversicherungsrechtliche Aspekte unberücksichtigt. Auch Pauschalbeträge (Werbungskosten- und Sonderausgabenpauschale, Verkehrsabsetzbetrag) sind in der Rechnung nicht enthalten.

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Steuern Beispiel 1 stellt zunächst den unproblematischen Fall dar, in dem die einmalig ausgezahlte Erfindungsvergütung keine Deckung im Jahressechstel findet und die Steuerbegünstigung nach § 38 EStG aus diesem Grund auf die gesamte Erfindungsvergütung zur Anwendung gebracht werden kann.13) Anders würde es sich darstellen, würde Beispiel 1 dahingehend abgewandelt, dass der Dienstnehmer zusätzlich noch eine verhältnismäßig geringe monatliche Prämie iHv jeweils 50 Euro erhält.

Beispiel 2 – Sonderzahlung außerhalb des Jahressechstels Laufende Vergütung (14 x 5.000)

70.000 Euro

Erfindungsvergütung (einmalig)

18.000 Euro

Laufende monatliche Prämie (50 x 12)

600 Euro

Ermittlung des Jahressechstels: (5.000 x 12 + 50 x 12) / 6

10.100 Euro

Abzüglich 13./14. Gehalt (sonstiger Bezug)

–10.000 Euro

Verbleibendes Sechstel für Erfindungsvergütung

100 Euro

Ermittlung der Einkommensteuer (laufende Bezüge): Einkommensteuer auf laufende Bezüge (§ 33 EStG)

27.360 Euro

Laufende Bezüge = 60.000 + 17.900 + 600

78.500 Euro

Ermittlung der Einkommensteuer (sonstige Bezüge): Einkommensteuer auf sonstige Bezüge (13./14. Gehalt + teilweise Erfindungsvergütung)

568,80 Euro

Kein Hälftesteuersatz für Erfindungsvergütung (zufolge Rz 7345 EStR)

Gesamtsteuerbelastung

27.928,80 Euro

In Beispiel 2 dürfte der Dienstnehmer laut Ansicht der Finanzverwaltung sowie bei strenger, wörtlicher Auslegung des § 37 Abs 7 EStG keinen Anspruch auf die Progressionsermäßigung nach § 38 EStG haben. Dies ergibt sich daraus, dass die einmalig ausgezahlte Erfindervergütung zu einem geringen Teil noch im Jahressechstel Deckung findet und bereits nach § 67 Abs 1 EStG begünstigt besteuert wird. Der restliche – betragsmäßig deutlich höhere – Teil der Erfinderbegünstigung wird hingegen wie ein laufender Bezug zum Tarif (§ 33 EStG) besteuert und bleibt einer Begünstigung entzogen. Für diesen Teil könnte nach Ansicht der Finanzverwaltung kein Hälftesteuersatz beantragt werden, was bei beinahe gleichbleibenden Einkünften im Vergleich zu Beispiel 1 zu einer deutlich höheren Gesamtsteuerbelastung führt. Ein solches Ergebnis ist nicht nachvollziehbar; es erscheint nicht sachgerecht, die Frage nach der Anwendbarkeit der Bestimmung des § 38 EStG daran festzumachen, ob die Erfindungsvergütung zufälligerweise noch im steuerlichen Jahressechstel Deckung findet. Das unerwünschte Ergebnis der vergleichsweise höheren Steuerbelastung aus Beispiel 2 könnte allerdings dadurch vermieden werden, dass die Erfindungsvergütung alternativ laufend ausgezahlt wird und die Prämie stattdessen nur einmal zur Auszahlung 13

) Zu beachten ist, dass das BFG in dieser Entscheidung keine Aussage zur Frage des Verhältnisses zwischen §§ 38 und 67 EStG enthält, weil die Progressionsermäßigung bereits aus anderen – formalen – Gesichtspunkten nicht anerkannt werden konnte.

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Steuern kommt. Denn nach Ansicht der Finanzverwaltung bleibt die Progressionsermäßigung des § 38 EStG bei laufend ausgezahlten Diensterfindungsprämien jedenfalls anwendbar.14) Bei einer Änderung der Auszahlungsmethodik wäre die Begünstigung nach § 38 EStG für die Diensterfindungsvergütung demzufolge wieder möglich.

Beispiel 3 – Erfindungsvergütung als laufende Zahlung Laufende Vergütung (14 x pa)

70.000 Euro

Erfindungsvergütung (12 x 1.500)

18.000 Euro

Einmalige Jahresprämie

600 Euro

Ermittlung des Jahressechstels: (5.000 x 12 + 1.500 x 12) / 6 Abzüglich 13./14. Gehalt + Jahresprämie (sonstiger Bezug)

13.000 Euro –10.600 Euro

Ermittlung der Einkommensteuer (laufende Bezüge): Einkommensteuer auf laufende Bezüge – ohne Erfindungsvergütung (§ 33 EStG) Durchschnittssteuersatz Einkommensteuer auf Erfindungsvergütung (halber Durchschnittssteuersatz)

18.480 Euro 34,77 % 3.129,23 Euro

Ermittlung der Einkommensteuer (sonstige Bezüge): Einkommensteuer auf sonstige Bezüge (13./14. Gehalt + teilweise Erfindungsvergütung)

598,80 Euro

Kein Hälftesteuersatz für Erfindungsvergütung (zufolge Rz 7345 EStR)

Gesamtsteuerbelastung

22.208,03 Euro

Beispiel 3 zeigt, dass die Progressionsermäßigung des § 38 EStG – bei Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen – bereits durch eine einfache Änderung der Auszahlungsmethodik in Anspruch genommen werden kann, wodurch ergebnishaft eine niedrigere Steuerbelastung erreicht wird. Auch vor diesem Hintergrund ist die in den EStR vertretene Auslegung der Finanzverwaltung zu § 37 Abs 7 EStG wenig nachvollziehbar. 3. Kritik an der Ansicht der Finanzverwaltung UE wiederspricht die erläuterte Ansicht der Finanzverwaltung der Intention des Gesetzgebers. § 37 Abs 7 EStG legt dem Wortlaut nach fest, dass für Einkünfte, die zum Teil mit dem festen Steuersatz des § 67 EStG besteuert werden, keine Progressionsermäßigung zusteht. Damit stellt diese Bestimmung einen Konnex zwischen den beiden Steuerbegünstigungen her und erklärt, dass die Begünstigung für sonstige Bezüge nach § 67 EStG der Progressionsermäßigung logisch vorgeht. Dies erscheint auch zweckmäßig, da § 67 Abs 1 EStG im Regelfall eine günstigere steuerliche Wirkung beinhaltet und zudem auch bereits im Wege der Lohnverrechnung berücksichtigt werden kann. Dabei ist zu beachten, dass § 37 Abs 7 EStG durch das StRefG 1993 eingeführt wurde.15) Nach den Gesetzesmaterialien sollte diese Bestimmung insbesondere für die ehemalige lohnsteuerliche Begünstigung für Erfindervergütungen iSd § 67 Abs 7 EStG 14

) Vgl EStR, Rz 7345; Fellner in Hofstätter/Reichel, EStG (2015) § 67 Rz 3. ) BGBl 1993/818 (zu diesem Zeitpunkt als § 37 Abs 6 EStG in Kraft getreten).

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Steuern aF von Bedeutung sein.16) Mit dieser Bestimmung beabsichtigte der Gesetzgeber, jene Diensterfindungsvergütungen, die das zusätzliche Jahressechstel iSd § 67 Abs 7 EStG aF überschritten hatten, von der Progressionsermäßigung nach § 38 EStG auszuschließen, weil er für diese Diensterfindungsvergütungen die steuerliche Begünstigung mit dem um 15 % erhöhten Jahressechstel bereits als ausreichend ansah. Dies zeigt sich auch durch ein noch zur vorgehenden Rechtslage ergangenes Erkenntnis des VwGH vom 25. 5. 1997, 95/13/0287, in dem der VwGH dem Erfinder auch im Falle eines Jahressechstelüberhangs die Progressionsermäßigung nach § 38 EStG zustand. In diesem Erkenntnis hatte der VwGH in Bezug auf die Rechtslage vor dem StRefG 1993 gerade auch in der späteren Gesetzesänderung ein Argument für die Möglichkeit einer doppelten Inanspruchnahme beider Begünstigungen gesehen. Dem Gesetzgeber kann demnach nicht unterstellt werden, dass er § 37 Abs 7 EStG mit einer derartigen Tragweite ausstatten wollte, dass jedes, geradezu zufällige Überschreiten des Jahressechstels die Erfinderbegünstigung des § 38 EStG verwirkt,17) wie sie nunmehr durch die Finanzverwaltung in Bezug auf die Rechtslage nach dem StRefG 2015/2016 vertreten wird. Schließlich ging es dem Gesetzgeber nur darum, eine doppelte Inanspruchnahme zweier Begünstigungsnormen auszuschließen, die speziell auf Erfindungsvergütungen zugeschnitten waren. Auch aus gleichheitsrechtlichen Gründen wäre es insofern geboten, § 37 Abs 7 EStG dahingehend auszulegen, dass ein Jahressechstelüberhang einer Progressionsermäßigung nach § 38 EStG zugänglich ist. Denn nichtselbständige Erfinder werden dadurch im Verhältnis zu selbständigen Erfindern steuerlich schlechter gestellt. Durch die Abschaffung von § 67 Abs 7 EStG hat der Gesetzgeber allerdings geradewegs eine Gleichbehandlung bei der steuerlichen Förderung von selbständigen und nichtselbständigen Erfindern beabsichtigt. Mit der strengen Auslegung des § 37 Abs 7 EStG durch die Finanzverwaltung wird diese gesetzgeberische Absicht vereitelt. 4. Überlegungen zur Fremdüblichkeit Die Höhe der Erfindungsvergütung muss jedenfalls einem Fremdvergleich standhalten.18) Eine konkret anzuwendende Formel zur Berechnung der Erfindervergütung besteht im österreichischen Patentrecht jedoch nicht.19) Die Höhe der Vergütung sollte sich nach einer Einzelfallbetrachtung entsprechend § 9 PatG richten. Nach dieser Bestimmung soll bei der Bemessung insbesondere auf die wirtschaftliche Bedeutung der Erfindung für das Unternehmen und die Verwertung der Erfindung im In- oder Ausland Bedacht genommen werden. Auch der Anteil, den Anregungen, Erfahrungen, Vorarbeiten oder Hilfsmittel des Arbeitgebers am Zustandekommen der Erfindung gehabt haben, ist von Bedeutung. Aus diesem Grund spielt auch die Stellung des Erfinders im Betrieb eine bedeutende Rolle. Damit stellt sich die Frage, wie sich für steuerliche Zwecke dokumentieren lässt, dass die bezogene Diensterfindungsvergütung als fremdüblich anzusehen ist. Als Indikator hierfür könnten die Richtlinien für die Vergütung von Arbeitnehmererfindungen dienen.20) Diese Richtlinien sind für Österreich zwar nicht verbindlich,21) allerdings lassen sich deren Ausführungen teilweise auch auf die in § 9 PatG ausgedrückten Wertungen übertragen.22) 16

) ) ) 19 ) 20 )

ErlRV 1237 BlgNR 18. GP, 56 f. Vgl in diesem Sinne BFH 25. 8. 2009, IX R 11/09. Vgl Kirchmayr/Schaunig in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG (19. Lfg, 2017) § 67 Rz 74/2. OGH 28. 3. 2017, 8 Ob A 20/16y. Vgl die deutschen Richtlinien für die Vergütung von Arbeitnehmererfindungen im privaten Dienst vom 20. 7. 1959, Bundesanzeiger 169, 9994. 21 ) OGH 28. 11. 1978, 4 Ob 93/78. 22 ) Vgl dazu grundlegend Collin, Zur Berechnung der Vergütung von Diensterfindungen, RdW 1985, 46. 17 18

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swk_2018_h22.fm Seite 975 Donnerstag, 26. Juli 2018 11:35 11

Steuern Demnach drückt sich die Höhe der Vergütung (V) durch den sogenannten Erfindungswert (E) aus, der in weiterer Folge durch den Reduktor (R) zu reduzieren ist:23) V = E – R bzw V = E x R Der Erfindungswert (E) kann durch unterschiedliche Methoden ermittelt werden. Am häufigsten wird die sogenannte Lizenzanalogie angewendet. Hier wird der Lizenzsatz (LS), der für vergleichbare freie Erfindungen üblich wäre, ermittelt und mit einer bestimmten Bezugsgröße (im Regelfall der Umsatz, der durch die Erfindung generiert wird) multipliziert: E = LS x B Daraus ergibt sich auch, dass wirtschaftlich nicht verwertbare Erfindungen über keinen entsprechenden Erfindungswert verfügen können. Je nach Industriezweig sind unterschiedliche Lizenzsätze als üblich anzusehen. Die deutschen Richtlinien zur Vergütung von Arbeitnehmererfindungen enthalten einige Beispiele zu den je nach Industriezweig in Deutschland üblichen Schwankungsbreiten bei den Lizenzsätzen.24) Wird die Erfindung durch den Arbeitgeber durch Vergabe von Lizenzen verwertet, ist die Nettolizenzeinnahme als maßgeblicher Indikator für den Erfindungswert heranzuziehen. Von Bedeutung ist nach der oben angeführten Formel weiters der Reduktor (R). Dieser drückt im Ergebnis aus, wie groß der betriebliche Einfluss beim Zustandekommen der Erfindung war. Er wird in § 9 lit c PatG abstrakt umschrieben. Der Reduktor wird herkömmlicherweise aus drei Wertzahlen ermittelt, die jeweils mit einem Wert zwischen 0 und 1 angegeben werden: aus einer Wertzahl, die sich aus Aufgabe und Stellung im Betrieb ergibt (F; betrieblicher Faktor, berufliche Funktion), aus einer Wertzahl, die sich aus der Lösung der Aufgabe ergibt (L; Lösungsweg) und aus einer Wertzahl, die sich aus der Stellung der Aufgabe ergibt (A; Aufgabenstellung): R=FxLxA Für den Reduktor ist somit von Bedeutung, wie groß die Initiative des Arbeitnehmers bei der Aufgabenstellung war (War die Aufgabenstellung zB vorgegeben oder hat sie sich aus dem betrieblichen Geschehen aufgedrängt?) und in welcher Weise die Lösung der Aufgabe durch den Erfinder selbst erfolgte. Weiters erhöht sich der Reduktor dann, wenn der Arbeitnehmer eine entsprechend hohe Stellung im Betrieb hat: Je höher die Stellung im Betrieb, desto mehr Lösungsbehelfe (Vorarbeiten, Mitarbeiter) stehen dem Arbeitnehmer im Regelfall für die Erfindung zur Verfügung. Auf den Punkt gebracht Durch das StRefG 2015/2016 ist die lohnsteuerliche Begünstigung für Diensterfindungsvergütungen nach § 67 Abs 7 EStG außer Kraft getreten. Für Dienstnehmer, die im Rahmen ihres Anstellungsverhältnisses Erfindungsvergütungen für von ihnen gemachte Erfindungen beziehen, wird eine Anwendung des Hälftesteuersatzes nach § 38 EStG wieder von verstärktem Interesse sein. Strittig ist, ob auch ein sogenannter Jahressechstelüberhang von sonstigen Bezügen einer Begünstigung nach § 38 EStG zugänglich ist. Die Finanzverwaltung verneint eine solche Anwendbarkeit offenbar. Teleologische, historische und verfassungsrechtliche Erwägungen sprechen jedoch dafür, einen (zum Tarif besteuerten) Jahressechstelüberhang nicht anders als laufend ausbezahlte Diensterfindungsvergütungen zu behandeln.

23

) Vgl Collin, RdW 1985, 46 (46 ff). ) Vgl die deutschen Richtlinien für die Vergütung von Arbeitnehmererfindungen im privaten Dienst vom 20. 7. 1959, 5.

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