BFH lässt unternehmerbezogene Umsatzsteuerbefreiung auf den Kommissionär übergehen

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Steuern genen Erkenntnissen als zulässig angesehen. Die Rechtsansicht des VwGH überrascht, da er bei unveränderter Rechtslage von seiner bisherigen Rechtsprechung abgeht und den in dieser Vorjudikatur sowie den vonseiten des BFG und der Literatur vorgebrachten europarechtlichen Bedenken gegen die Leistungsortverlagerung nach Österreich nicht folgt. Inhaltlich bestehen unverändert gravierende Zweifel an der Vereinbarkeit der österreichischen Rechtslage mit den Vorgaben der MwStSyst-RL, daher wäre die Stellung eines Vorabentscheidungsersuchens an den EuGH geboten gewesen.

Dienstleistungskommission

BFH lässt unternehmerbezogene Umsatzsteuerbefreiung auf den Kommissionär übergehen Überlegungen zum Kommissions- und Eigenhandel von Eintrittsberechtigungen zu kulturellen Veranstaltungen Steuern

NORBERT BRAMERDORFER*) Ein neues Urteil des deutschen BFH vom 25. 4. 2018, XI R 16/16, lässt persönliche, unternehmerbezogene Befreiungen des Ausführungsgeschäfts auf das fiktive Leistungsverhältnis zwischen Kommissionär und Kommittent übergehen. Dieser Artikel erhebt unter Hinweis auf die Entwicklung der umsatzsteuerlichen Dienstleistungskommission und Vergleich des Kommissionärs mit dem Eigenhändler Bedenken gegen diese Rechtsansicht. 1. Entwicklung und Konzeption der Dienstleistungskommission Trotz ihres in der Praxis weiten Anwendungsbereichs finden sich in der Judikatur erstaunlich wenige Entscheidungen, die sich mit der besonderen umsatzsteuerlichen Konzeption der Dienstleistungskommission auseinandersetzen. Das ist insofern erstaunlich, als zumindest die umsatzsteuerliche Ausgestaltung der Lieferkommission durch Annahme einer Lieferkette bei gleichzeitiger Negation der Geschäftsbesorgungsleistung seit einer Entscheidung des deutschen Reichsfinanzhofes aus dem Jahre 1919, und damit seit genau 100 Jahren, Bestand hat.1) Damals sollte der Grundsatz, dass der Kommissionär dem eigentlichen Zwischenhändler umsatzsteuerlich völlig gleichgestellt wird, restlos durchgeführt werden.2) Die konsequente Ausweitung der Grundsätze der Lieferkommission auf die Dienstleistungskommission wurde allerdings vom deutschen RFH und danach vom BFH lange abgelehnt. Erst mit Urteil vom 7. 10. 19993) sowie zwei Folgeurteilen4) hat der BFH diese ablehnende Haltung aufgegeben. Diese geänderte Rechtsprechung wurde je*) Dr. Norbert Bramerdorfer, LL.M. ist Director und Steuerberater bei Deloitte in Wien. 1 ) RFH 20. 6. 1919, RFHE 1 B, 40. Für Popitz/Kloß/Grabower bestand kein Zweifel, „dass, wie sich schon aus der Beratung des UStG 1918 und ebenso aus der des UStG 1919 ergibt, der Wille des Gesetzgebers dahingeht, bei der Kommission zwei Liefergeschäfte anzunehmen“, vgl Popitz/Kloß/Grabower, UStG3 (1928) § 5 Rz 675, mit Nachweisen aus den Gesetzesmaterialien; vgl zur historischen Entwicklung der umsatzsteuerlichen Lieferkommission Bramerdorfer, Das Kommissionsgeschäft in der Umsatzsteuer (2012) 133 ff. 2 ) Popitz/Kloß/Grabower, UStG3, § 5 Rz 678. 3 ) BFH 7. 10. 1999, V R 79, 80/98, UR 2000, 26 (Anm Henkel). 4) BFH 25. 5. 2000, V R 66/99; 31. 1. 2002, V R 40, 41/00.

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Steuern doch von der deutschen Finanzverwaltung,5) weiten Teilen des Schrifttums und selbst von Finanzgerichten abgelehnt. Die Streitfrage wurde letztlich vom deutschen Gesetzgeber im StÄndG 2003 durch eine Änderung des § 3 Abs 11 dUStG mit Wirkung ab 1. 1. 2004 im Sinne einer Gleichstellung von Liefer- und Dienstleistungskommission entschieden, der sich in seinem Wortlaut an Art 28 MwStSyst-RL anlehnt. Dagegen orientiert sich die Bestimmung zur Besorgungsleistung in § 3a Abs 4 des österreichischen UStG noch immer am Wortlaut des alten § 3 Abs 11 dUStG idF vor dem StÄndG 2003. Dessen ungeachtet war in Österreich seit Einführung des UStG 1994 am 1. 1. 1995 allerdings nie strittig, dass damit eine Umsetzung des Art 28 MwStSyst-RL (bzw der damals geltenden, wortgleichen Vorgängerbestimmung in Art 6 Abs 4 der 6. MwSt-RL) und damit eine Gleichstellung der Dienstleistungskommission mit der Lieferkommission bezweckt werden sollte.6) Eine solche Auslegung des § 3a Abs 4 UStG kann in Österreich mit einem richtlinienkonformen Analogieschluss zur Lieferkommission in § 3 Abs 3 UStG begründet werden.7) Es ist daher in Österreich wie in Deutschland gleichermaßen anerkannt, dass auch bei der Dienstleistungskommission die Besorgungsleistung des Kommissionärs an seinen Geschäftsherrn (Kommittenten) umsatzsteuerlich keinen Niederschlag findet. An ihrer Stelle kommt es zu einer fiktiven Verdoppelung der besorgten Leistung: Die Leistung zwischen Kommissionär und Drittem wird inhaltsgleich noch einmal im Leistungsverhältnis zwischen Kommissionär und seinem Kommittenten fingiert. Das gilt für die Verkaufskommission ebenso wie für die Einkaufskommission.8) besorgte Leistung

Dritter

besorgte Leistung (fiktiv)

Kommissionär

Kommittent Besorgungsleistung

Abbildung 1: Einkaufskommission besorgte Leistung (fiktiv)

Kommittent

besorgte Leistung

Kommissionär

Dritter

Besorgungsleistung

Abbildung 2: Verkaufskommission

Das sieht auch der EuGH in seiner Judikatur zur Dienstleistungskommission nicht anders. Erst in der Entscheidung Henfling.9) von 2011 hatte der EuGH erstmals die Gelegenheit, zur Dienstleistungskommission Stellung zu nehmen. Darin bestätigte er die umsatzsteuerliche Grundkonzeption der Dienstleistungskommission nach Art 28 MwStSyst-RL im oben dargestellten Sinne. 2. Neues BFH-Urteil So unbestritten diese umsatzsteuerliche Grundkonzeption auf nationaler wie europäischer Ebene inzwischen sein mag, zeigt ein neues Urteil des BFH vom 25. 4. 2018,10) 5

) Das deutsche BMF warf dem BFH vor, er hätte schlampig gearbeitet und veröffentlichte das Urteil nicht im Bundessteuerblatt, siehe dBMF, Umsatzbesteuerung der Verwaltung von Krediten und Kreditsicherheiten (7. 7. 2000) IV D 2 – S 7160 a – 2/00, UR 2000, 351. 6 ) So nunmehr auch die österreichische Finanzverwaltung (Rz 638g UStR). Der österreichische Gesetzgeber des UStG 1994 ging irrtümlich davon aus, dass der alte § 3 Abs 11 dUStG idF vor dem deutschen StÄndG 2003 Art 28 MwStSyst-RL umsetzen wollte; dazu Bramerdorfer, Kommissionsgeschäft, 197 ff. 7 ) Grundlegend Bramerdorfer, Kommissionsgeschäft, 200 ff. 8 ) Bramerdorfer, Kommissionsgeschäft, 213 f. 9 ) EuGH 14. 7. 2011, C-464/10, Henfling ua. 10 ) BFH 25. 4. 2018, XI R 16/16.

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Steuern dass die Entwicklung des umsatzsteuerlichen Kommissionsgeschäfts damit keineswegs abgeschlossen ist. In diesem Urteil ging es unter anderem um die Frage, inwieweit die fiktive Verdoppelung der besorgten Leistung auch für deren Umsatzsteuerbefreiung gilt. Der Sachverhalt des BFH-Urteils ist schnell erzählt: Eine Hotelservicegesellschaft erwarb für Hotelgäste Eintrittskarten für eine Opernveranstaltung der Sächsischen Staatsoper in Dresden im eigenen Namen, aber auf fremde Rechnung der Hotelgäste. Damit lag eine Einkaufskommission einer sonstigen Leistung nach § 3 Abs 11 dUStG vor mit der Folge, dass die Leistungen der Staatsoper zunächst an die Hotelservicegesellschaft (Kommissionär) und ein weiteres Mal fiktiv von der Hotelservicegesellschaft an die Hotelgäste (Auftraggeber; Kommittenten) erbracht werden. Erstaunlich an dem Urteil des BFH war weniger dieses mE selbstverständliche Ergebnis zum Vorliegen einer Dienstleistungskommission, sondern vielmehr die weiteren Ausführungen zur Umsatzsteuerbefreiung der besorgten Leistung. Denn die Leistung der Sächsischen Staatsoper war in Deutschland als Leistung eines Theaters einer Gebietskörperschaft nach § 4 Nr 20 lit a dUStG umsatzsteuerbefreit.11) Dabei handelt es sich um eine gemischt sachlich-persönliche Befreiung: Die Befreiung ist insofern eine sachliche, als sie an die Art der Leistung, konkret einer Opernaufführung, anknüpft. Sie ist insofern aber auch eine persönliche, als nur Theater von Gebietskörperschaften, nicht also Privattheater, in den Genuss dieser Befreiung kommen.12) Bisheriges Verständnis bei der Dienstleistungskommission war, dass sich die Leistung des Ausführungsgeschäfts zwischen Drittem und Kommissionär nur ihrer Art nach zwischen Kommissionär und Kommittent fiktiv verdoppelt. Soweit eine Steuerbefreiung an die Art der erbrachten Leistung anknüpft, muss diese im Ausführungsgeschäft zwischen Drittem und Kommissionär anwendbare sachliche Steuerbefreiung auch im Leistungsverhältnis zwischen Kommittent und Kommissionär anwendbar sein. Dagegen lassen sich auf persönliche Qualifikationen des leistenden Unternehmers abstellende Steuerbefreiungen des Ausführungsgeschäfts zwischen Drittem und Kommissionär nicht auf das Leistungsverhältnis zwischen Kommittent und Kommissionär übertragen. Jedes der beiden Leistungsverhältnisse in der kommissionsrechtlichen Dienstleistungskette ist selbständig auf die Anwendbarkeit persönlicher Steuerbefreiungen hin zu untersuchen.13) Der BFH dürfte dies nunmehr anders sehen. Denn obwohl die eingekaufte Leistung im Ausführungsgeschäft zumindest teilweise auch ein persönliches, unternehmerbezogenes Element – die Tatsache, dass der leistende Unternehmer ein Theater im Eigentum einer Gebietskörperschaft sein musste – enthielt, erklärte er diese Steuerbefreiung auch in der fiktiven Leistung der Hotelservicegesellschaft an ihre Auftraggeber für anwendbar. Nach der knappen Begründung des BFH in den Rz 37 bis 39 des Urteils sind Leistungen der Leistungskette bezüglich ihres Leistungsinhalts gleich zu behandeln. Die Fiktion der Dienstleistungskommission beziehe sich auf die Leistung selbst und deren Inhalt, nicht aber auf die leistende Person. Beide seien daher entweder steuerpflichtig oder steuerfrei. Dies sei auch im Einklang mit Unionsrecht in Folge der EuGH-Entscheidung Henfling. Art 28 MwStSyst-RL sei nach Ansicht des EuGH in dieser Entscheidung allgemein ge11

) Das wäre sie ebenso in Österreich (§ 6 Abs 1 Z 24 UStG). Das dUStG erfasst im Gegensatz zum österreichischen UStG (vgl Rz 982 UStR) diese Leistungen der Gebietskörperschaften auch dann, wenn sie über Fremdveranstalter erbracht werden (vgl § 4 Nr 20 lit b dUStG); vgl dazu unten 5.3. 12 ) AA (sachliche Befreiung) offenbar Kanduth-Kristen in Berger/Bürgler/Kanduth-Kristen/Wakounig, UStG-ON3, § 6 Rz 638. 13 ) Rz 638h UStR (sachbezogene umsatzsteuerliche Merkmale der besorgten Leistung sind auch für die Besorgungsleistung maßgebend); Bramerdorfer, Kommissionsgeschäft, 227 f; dBMF, Abschn 3.15 Abs 2 und 3 dUStAE; aus dem deutschen Schrifttum zB Moldan, Umsatzsteuer beim Zwischenhandel mit Eintrittsberechtigungen zu künstlerischen Veranstaltungen, UStB 2013, 238 (242 f).

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Steuern fasst ohne Beschränkungen in Bezug auf ihren Anwendungsbereich. Sie betreffe daher auch die Anwendung der Steuerbefreiungen, soweit diese keine Besonderheiten aufweisen. Die Steuerbefreiung für Theateraufführungen von Theatern der Gebietskörperschaften enthalte keine solchen Besonderheiten, die es rechtfertigen könnten, sie vom Anwendungsbereich der Dienstleistungskommission auszunehmen. 3. Unzureichende Begründung des BFH-Urteils Die an die Henfling-Entscheidung angelehnte Begründung des BFH kann in ihrer scheinbaren Apodiktik nicht überzeugen. Die dieser Begründung zugrunde gelegte Ansicht der deutschen Finanzverwaltung,14) nach der sich die Fiktion der Dienstleistungskommission auf die Leistung selbst und deren Inhalt, nicht aber auf die leistende Person beziehe, kann gerade auch im gegenteiligen Sinne eines Ausschlusses der persönlichen Steuerbefreiungen verstanden werden. Das zeigt sich daran, dass sich nicht nur der BFH, sondern auch das Finanzamt in seiner gegenteiligen Stellungnahme auf diese Ansicht der deutschen Finanzverwaltung berief. Und dass die Bestimmung des Art 28 MwStSyst-RL nach Ansicht des EuGH allgemein gefasst sei und demnach auch die Anwendung der durch die Richtlinie erfassten Steuerbefreiungen umfasse, ist noch kein Beleg, dass auch persönliche Steuerbefreiungen des Ausführungsgeschäfts in das fiktive Leistungsverhältnis zwischen Kommissionär und Kommittent übernommen werden. Leistungsgegenstand der Henfling-Entscheidung waren Sportwetten, somit Leistungen, die einer rein sachlichen Befreiung aufgrund der Art ihrer Leistung unterliegen.15) Dass möglicherweise nicht alle Steuerbefreiungen in das fiktive Leistungsverhältnis zwischen Kommissionär und Kommittent übernommen werden, will auch der EuGH, wie der BFH vermerkt, nicht völlig ausschließen. Denn er weist auf die Möglichkeit hin, dass bestimmte Befreiungen „Besonderheiten“ aufweisen können, die eine Einschränkung des Anwendungsbereichs von Art 28 MwStSyst-RL rechtfertigen. Dieser Gedankengang wird vom EuGH im Henfling-Urteil allerdings nicht weiter ausgeführt, da die streitgegenständlichen Sportwetten seiner Ansicht nach keine solchen Besonderheiten aufwiesen. 4. Persönliche Steuerbefreiungen Doch fällt es nicht schwer, Steuerbefreiungen aufzuzählen, die solchen Besonderheiten unterliegen könnten. Es wären dies die rein persönlichen Steuerbefreiungen, die sich ausschließlich auf die Person des leistenden Unternehmers beziehen.16) Dazu zählt vor allem die Steuerbefreiung für Kleinunternehmer (§ 6 Abs 1 Z 27 UStG), aber auch die Steuerbefreiung der Umsätze von Blinden (§ 6 Abs 1 Z 10 lit a UStG).17) Es handelt sich hier um Begünstigungen, die völlig unabhängig von der Art der erbrachten Leistung nur aufgrund persönlicher Eigenschaften des leistenden Unternehmers zustehen. Sollte der EuGH bei den Ausnahmefällen tatsächlich persönliche Steuerbefreiungen gemeint haben, stellt sich allerdings die Frage, warum diese zu einer Einschränkung des Anwendungsbereichs der Dienstleistungskommission führen sollten. Denn die Dienst14

) Abschn 3.15 Abs 2 Satz 1 und Abs 3 Satz 1 dUStAE. ) Bramerdorfer, Kommissionsgeschäft, 78 f. Die MwStSyst-RL verbietet es wegen des Grundsatzes der Neutralität der Mehrwertsteuer, Glücksspielumsätze nur auf öffentliche Spielbanken zu beschränken und die Tätigkeit durch Wirtschaftsteilnehmer, die nicht Spielbanken sind und/oder diese Tätigkeiten sogar illegal ausüben, zu beschränken. 16 ) Ebenso Moldan, Steuerfreie Besorgungsleistung bei Beschaffung von Opern-Eintrittskarten, UStB 2018, 253 (255); Wäger, Rechtsprechungsauslese 2018, UStR 2019, 41 (53). 17 ) Weitere rein personenbezogene Merkmale wären nach Moldan die Gestattung der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten und die Besteuerung nach Durchschnittssätzen, siehe Moldan, UStB 2018, 253 (255). 15

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Steuern leistungskommission nach Art 28 MwStSyst-RL wäre auch bei persönlichen Steuerbefreiungen des Ausführungsgeschäfts vollumfänglich anwendbar. Schließlich käme es auch in diesem Fall zur Fiktion eines Leistungsverhältnisses zwischen Kommissionär und Kommittent sowie einer Konsumption der Geschäftsbesorgung in dieser Fiktion. Es würde nur die persönliche Steuerbefreiung des Unternehmers des Ausführungsgeschäfts nicht in das fiktive Leistungsverhältnis von Kommissionär und Kommittent übernommen werden, weil dies von der Fiktion in Art 28 MwStSyst-RL nicht erfasst ist. In diesem Fall von einer Einschränkung des Anwendungsbereichs der Dienstleistungskommission zu sprechen, wäre mE zumindest irreführend. Möglicherweise hat der EuGH mit besonderen Steuerbefreiungen daher etwas ganz Anderes als persönliche Steuerbefreiungen gemeint. Ob die Wortwahl des EuGH das Ergebnis einer vorgehenden grundlegenden Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Befreiungstatbeständen oder nur so dahingesagt ist, um sich eine „Hintertür“.18) für künftige, noch unspezifizierte Befreiungstatbestände offenzuhalten, bleibt bis zu einem klarstellenden neuen Urteil ungeklärt. Bis zu einem solchen klarstellenden Urteil scheint es mir jedenfalls nicht geboten, auch rein persönliche Steuerbefreiungen des Unternehmers des Ausführungsgeschäfts in das fiktive Leistungsverhältnis von Kommissionär und Kommittent zu übernehmen. Daher sollte etwa ein Einkaufskommissionär, der Dienstleistungen eines Kleinunternehmers für seinen Kommittenten erwirbt, diese nicht auf seine Leistung an den Kommittenten anwenden können, wenn ihm nicht selbst diese Eigenschaft aus eigenem Recht zukommt. Eine gegenteilige Vorgehensweise kann mE weder aus der Henfling-Entscheidung des EuGH noch aus dem neuen BFH-Urteil herausgelesen werden. 5. Gemischt sachlich-persönliche Steuerbefreiungen 5.1. Ursprüngliche Intention des umsatzsteuerlichen Kommissionsgeschäfts: Gleichstellung mit Eigenhändler Für gemischt sachlich-persönliche Befreiungen liegt hingegen nunmehr ein BFH-Urteil vor, dem sich zumindest deutsche Rechtsanwender schwer entziehen werden können; insbesondere dann, wenn dieses in den Umsatzsteuer-Anwendungserlass des deutschen BMF aufgenommen werden sollte. Doch soll diese neue Judikatur des BFH zur Dienstleistungskommission einer kritischen Überprüfung unterzogen werden. Anstatt Leitsätze des EuGH für den gegenständlichen Fall ohne nähere Prüfung für anwendbar zu erklären, wäre es mE für die Lösung der konkreten Problematik sinnvoller gewesen, sich zu Beginn einer solchen Analyse mit der ursprünglichen Intention des RFH bei Statuierung der umsatzsteuerlichen Leistungsfiktion auseinanderzusetzen. Dieser wollte, wie oben ausgeführt, den Kommissionär durch Annahme zweier Lieferungen bei gleichzeitiger Konsumption der Geschäftsbesorgung in der Lieferkommission mit einem Eigenhändler (Zwischenhändler) restlos gleichstellen. Ein Kommissionär sollte gegenüber einem Eigenhändler weder besser noch schlechter, eben gleichgestellt werden. Nach einer solchen historisch-teleologischen Auslegung wäre für die Lösung des Falls zunächst ein Rückgriff auf die umsatzsteuerliche Situation eines Eigenhändlers vorzunehmen. 5.2. Kommissionär im Vergleich zum Eigenhändler Wie wäre aber ein Eigenhändler, der ein Kontingent von Opernkarten der Sächsischen Staatsoper im eigenen Namen und auf eigene Rechnung kauft und anschließend an Opernbesucher weiterverkauft, umsatzsteuerlich einzustufen? Dazu hat der BFH in einer Entscheidung aus dem Jahr 2009 Stellung bezogen. Darin urteilte er, dass ein Weiterverkauf von Eintrittskarten zu einem kulturellen Ereignis umsatzsteuerlich zu18

) Moldan, UStB 2018, 253 (255).

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Steuern nächst ebenfalls als eine sonstige Leistung anzusehen sei.19) Die Steuerbefreiung nach § 4 Nr 20 dUStG scheidet nach Ansicht des BFH bei solchen Eigenhändlern indes schon deshalb aus, da der Eigenhändler nicht selbst als Veranstalter iSd Bestimmung anzusehen sei.20) Als Eigenhändler auftretende Zwischenhändler von Eintrittskarten zu kulturellen Veranstaltungen seien also – so wird man erklärend ergänzen müssen – weder begünstigte Einrichtungen, die solche Umsätze nach § 4 Nr 20 lit a dUStG als Eigenveranstalter ausführen (Theater von Gebietskörperschaften usw) noch Fremdveranstalter solcher Umsätze von begünstigten Einrichtungen nach § 4 Nr 20 lit b dUStG. Damit zeigt sich aber, dass der BFH entgegen der ursprünglichen Absicht des RFH Kommissionsgeschäft und Eigenhandel beim Zwischenhandel von Eintrittskarten zu kulturellen Veranstaltungen umsatzsteuerlich unterschiedlich behandelt. Während er dem Kommissionär die Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr 20 dUStG zuerkennt, verweigert er diese dem Eigenhändler. Eine wirtschaftliche Begründung für diese Ungleichbehandlung erschließt sich nicht. Der BFH setzt sich damit in Widerspruch zur oben dargestellten Ansicht des RFH, der diese Fälle durch seine umsatzsteuerliche Konzeption des Kommissionsgeschäfts offenbar gleichbehandelt haben möchte. 5.3. Kommissionsverkauf von Eigenveranstaltungen im Vergleich zu Fremdveranstaltungen Andererseits ist dem BFH zuzugestehen, dass er damit zumindest den umsatzsteuerlichen Kommissionshandel von kulturellen Eigen- und Fremdveranstaltungen gleichbehandelt. Von Eigenveranstaltungen soll hier gesprochen werden, wenn die ausführenden begünstigten kulturellen Einrichtungen selbst als Veranstalter auftreten, während bei Fremdveranstaltungen der Veranstalter nicht selbst die ausführende begünstigte kulturelle Einrichtung ist.21) Während Österreich in § 6 Abs 1 Z 24 und 25 UStG nur kulturelle Eigenveranstaltungen begünstigter Einrichtungen (Gebietskörperschaften, gemeinnützige Körperschaften) umsatzsteuerbefreit,22) befreit Deutschland in § 4 Nr 20 lit b dUStG auch die Fremdveranstalter solcher Umsätze begünstigter Einrichtungen. Die Eigenschaft, als Fremdveranstalter tätig zu sein, ist mE allerdings kein persönliches, unternehmerbezogenes Tatbestandsmerkmal. Es handelt sich um eine Eigenschaft, die die Art der Leistung definiert und insofern eine rein sachliche ist. Folglich müsste diese sachliche Befreiung beim Kommissionshandel auf den Einkaufskommissionär jedenfalls übertragen werden können. Sieht man dagegen in den begünstigten Einrichtungen (Theater von Gebietskörperschaften usw) ein persönliches Tatbestandsmerkmal des leistenden Unternehmers, wären deren Eigenveranstaltungen nach herkömmlicher Ansicht nicht auf das Leistungsverhältnis zwischen Kommissionär und Kommittent übertragbar. Die Ansicht des BFH vermeidet deren unterschiedliche kommissionsrechtliche Behandlung. Nicht ganz klar aus der Begründung seines Urteils ist, ob er dies deshalb tut, weil er in den begünstigten Einrichtungen konkret kein persönliches, sondern ebenfalls ein rein sachliches Tatbestandselement sieht,23) oder ob er diese Unterscheidung als unerheblich erachtet. Ich kann einer Argumentation, die in der Eigenschaft als begünstigte Einrichtung kein auf den Kommissionär unübertragbares persönliches Merkmal, sondern gleichfalls ein 19

) BFH 3. 6. 2009, XI R 34/08, UR 2009, 843, unter Ablehnung der gegenteiligen Ansicht (Lieferung) von Hey/Hofsümmer, Umsatzsteuerliche Behandlung des Handels mit Eintrittskarten für Sport- und Musikveranstaltungen, UR 2005, 641. 20 ) BFH 3. 6. 2009, XI R 34/08; Moldan, UStB 2013, 238 (240). 21 ) Beispiel: Im Rahmen eines kulturellen Festivals organisiert die Festivalleitung als Veranstalter den Auftritt des Orchesters der Sächsischen Staatsoper. 22 ) Die vergleichbare (aber nicht idente) Bestimmung findet sich in Deutschland in § 4 Nr 20 lit a dUStG. 23 ) Vgl erneut Kanduth-Kristen in Berger/Bürgler/Kanduth-Kristen/Wakounig, UStG-ON3, § 6 Rz 638: „Es handelt sich bei der Befreiung nicht um eine persönliche Steuerbefreiung, sondern um eine sachliche Befreiung der genannten Leistungen, sofern sie von Gebietskörperschaften bewirkt wird.“ Unklar ist, inwieweit der abschließende Gliedsatz „sofern sie von Gebietskörperschaften bewirkt wird“ die Qualifikation als sachliche Befreiung nicht wieder relativiert.

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Steuern die Art der Leistung definierendes sachliches Merkmal erblickt, durchaus eine gewisse Sympathie entgegenbringen. Ich halte sie nicht für unvertretbar. Denn es ist zweifellos weniger systemwidrig, die Gleichstellung des Kommissionärs mit dem Eigenhändler zu opfern, als jene zwischen dem Kommissionär einer Eigenveranstaltung mit dem Kommissionär einer Fremdveranstaltung. Und tatsächlich scheint mir die umsatzsteuerliche Beurteilung der Fremdveranstaltung auch der Schlüssel zur Lösung der gegenständlichen Problematik zu sein. Dies aber nicht aufgrund der Tatsache, dass das deutsche UStG sowohl die kulturelle Eigen- als auch die Fremdveranstaltung umsatzsteuerbefreit, sondern aufgrund der Tatsache, dass das österreichische UStG dies gerade nicht tut und den Befreiungstatbestand auf kulturelle Eigenveranstaltungen begünstigter Unternehmer beschränkt. Denn warum sollte ein Unternehmer, der Eintrittskarten zu kulturellen Veranstaltungen begünstigter Unternehmen in Kommission verkauft, dies umsatzsteuerbefreit tun können, wenn nicht einmal ein Fremdveranstalter, der die Veranstaltung organisiert, in den Genuss dieser Befreiung kommt? Hintergrund dieser Steuerbefreiung ist die Annahme, dass die Eintrittspreise zu solchen kulturellen Veranstaltungen durch eine Umsatzsteuer wirtschaftlich nicht erhöht werden können. Die idR ohnehin hoch subventionierten begünstigten Einrichtungen wären gezwungen, ihr Entgelt um den auf die Umsatzsteuer entfallenden Anteil zu senken, was wiederum durch weitere staatliche Subventionen gegenfinanziert werden müsste.24) Daraus kann aber gefolgert werden, dass nur die Ausrichtung der Veranstaltung und der Verkauf von Eintrittskarten durch die subventionierte begünstigte Einrichtung selbst in den Genuss dieser Befreiung kommen soll. Dies rechtfertigt es mE, im Tatbestandselement der begünstigten Einrichtung ein persönliches Charakteristikum des leistenden Unternehmers zu sehen, das nur diesem zukommen und nicht auf das Leistungsverhältnis von Kommissionär und Kommittent übertragen werden kann. Dies kann auch nicht damit entkräftet werden, dass der Kommissionär die Eintrittskarten im Gegensatz zum Fremdveranstalter oder Eigenhändler auf fremde Rechnung, nämlich auf Rechnung der begünstigten Einrichtung verkauft. Denn auch der Kommissionär verkauft die Eintrittskarten zur Gewinnerzielung mit einem Margenaufschlag, nicht anders als der Fremdveranstalter oder Eigenhändler, und erhöht dadurch das Entgelt für die Veranstaltung. Dies soll aber nicht begünstigt sein. Eine solche Auslegung gelangt zumindest für Österreich zu einem widerspruchsfreien, Kommissionär und Eigenhändler gleichbehandelnden Ergebnis, indem sie ausschließlich bestimmten begünstigten Eigenveranstaltern die Steuerbefreiung nach § 6 Abs 1 Z 24 und 25 UStG zuerkennt. 6. Befreiung des Fremdveranstalters nach deutscher Gesetzeslage unionskonform? Dass das deutsche UStG in § 4 Nr 20 lit b dUStG auch den Fremdveranstalter von kulturellen Veranstaltungen bestimmter begünstigter Einrichtungen umsatzsteuerbefreit, stellt dazu eine Systemwidrigkeit dar, die mE nicht die Richtigkeit des obigen Ergebnisses, sondern die Richtigkeit dieser Steuerbefreiung in Deutschland in Frage stellt. Die unionsrechtliche Deckung dieser bereits auf das deutsche UStG 1967 zurückgehenden Bestimmung in Art 132 Abs 1 lit n MwStSyst-RL ist mE keineswegs so selbstverständlich, wie der BFH25) meint. Schließlich erwähnt die Befreiungsbestimmung der MwStSyst-RL als Leistungserbringer nur die begünstigten Unternehmen.26) Nachdem der EuGH bekanntlich darauf besteht, Steuerbefreiungen eng auszulegen, überrascht eine solche extensive Auslegung des BFH. Mit guten Gründen findet sie sich im öster24

) BFH 24. 2. 2000, V R 23/99, mit Nachweisen aus den deutschen Gesetzesmaterialien. ) BFH 21. 11. 2013, V R 33/10, UR 2014, 310 (Rz 19). ) Auch ein Fall des Art 132 Abs 1 lit o MwStSyst-RL liegt nicht vor.

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Steuern reichischen UStG nicht. Die Gewährung oder Verweigerung dieser Steuerbefreiungen in BFH-Urteilen unter Hinweis auf und Interpretation des Veranstalterbegriffs erscheint mir auf Basis der MwStSyst-RL insoweit durchaus diskussionswürdig. 7. Veranstalterbegriff vs Eintrittsberechtigungen bei Steuerermäßigungen Dass ein Abstellen auf den Veranstalterbegriff irreführend sein kann und nicht der Intention der MwStSyst-RL entspricht, zeigt sich zB auch bei den Steuerermäßigungen. Das österreichische UStG befreit, wie ausgeführt, zwar nicht wie das deutsche UStG die Fremdveranstalter bestimmter kultureller Veranstaltungen, gesteht ihnen aber einen ermäßigten Steuersatz zu.27) Das würde Zwischenhändler von Eintrittsberechtigungen, die nicht selbst Veranstalter sind, von dieser Steuerermäßigung ausschließen. Die MwStSyst-RL verwendet indes in Annex III Z 7 nicht den Veranstalterbegriff, sondern spricht von Eintrittsberechtigungen zu solchen kulturellen Veranstaltungen, was Zwischenhändler in die Steuerermäßigung unzweifelhaft inkludiert.28) Wörtlich umgesetzt wurde diese Terminologie der MwStSyst-RL in Österreich bisher nur bei sportlichen Veranstaltungen, wo in wortgetreuer Übernahme von Annex III Z 13 MwStSyst-RL Eintrittsberechtigungen zu sportlichen Veranstaltungen befreit sind.29) Im Ergebnis kann es aber keinen Unterschied zwischen sportlichen und kulturellen Veranstaltungen geben. In beiden Fällen sollte auch der Eigenhandel mit Eintrittsberechtigungen zu solchen Veranstaltungen dem ermäßigten Steuersatz unterliegen. 8. Ergebnis Im Ergebnis würden damit mE die besseren Argumente dafürsprechen, den Eigen- und Kommissionshandel mit Eintrittsberechtigungen zu kulturellen Veranstaltungen bestimmter begünstigter Unternehmer insofern gleich zu behandeln, als beide Fälle nicht von der Umsatzsteuerbefreiung für solche Unternehmer umfasst sind. Die darin enthaltene persönliche Eigenschaft des leistenden Unternehmers (Gebietskörperschaften, gemeinnützige Körperschaften) würde damit nicht auf den Kommissionär oder einen Eigenhändler übertragen werden. Die im deutschen UStG vorgesehene ergänzende Befreiung für Fremdveranstalter solcher kulturellen Veranstaltungen stellt dazu mE eine Systemwidrigkeit dar, deren gemeinschaftsrechtliche Deckung diskussionswürdig ist.

Auf den Punkt gebracht Ein neues Urteil des BFH lässt persönliche, unternehmerbezogene Befreiungen des Ausführungsgeschäfts auf das fiktive Leistungsverhältnis zwischen Kommissionär und Kommittent übergehen. Dies führt im Ergebnis zu einer wirtschaftlich nicht begründbaren Ungleichbehandlung von Kommissionär und Eigenhändler, die bei Einführung der umsatzsteuerlichen Konzeption des Kommissionsgeschäfts nicht beabsichtigt war. Ausschließlich persönliche Umsatzsteuerbefreiungen, wie jene des Kleinunternehmers, können nicht in das fiktive Leistungsverhältnis zwischen Kommissionär und Kommittent übertragen werden. Doch auch für gemischt sachlich-persönliche Befreiungen sprechen mE die überzeugenderen Argumente gegen eine Übertragbarkeit. Die Frage des Übergangs persönlicher Befreiungen im umsatzsteuerlichen Kommissionsgeschäft wird letztlich vom EuGH geklärt werden müssen.

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) § 10 Abs 3 Z 6 UStG. ) Daher würde etwa in Deutschland das UStG mit Wirkung ab 1. 1. 2005 an diese Diktion angepasst. Während nach alter Rechtslage Eigenhändler mangels Veranstaltereigenschaft von der Steuerermäßigung ausgeschlossen waren (vgl FG Hessen 2. 3. 2007, 6 V 3503/06), werden diese nunmehr als davon erfasst angesehen (Abschn 12.5 Abs 4 dUStAE; Moldan, UStB 2013, 238 [241]). 29 ) § 10 Abs 3 Z 12 UStG. 28

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