Anteilige Entstehung der Umsatzsteuerschuld bei Dauerleistungen in allen Voranmeldungszeiträumen?

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Steuern Bestandverträge

Anteilige Entstehung der Umsatzsteuerschuld bei Dauerleistungen in allen Voranmeldungszeiträumen? Kritischer Blick auf die Verwaltungspraxis Steuern

NORBERT BRAMERDORFER / DOMINIK STUNDNER *) Die österreichische Finanzverwaltung ist davon überzeugt, dass Dauerleistungen wie zB Bestandverträge grundsätzlich (dh von aus Praktikabilitätsgründen gewährten Ausnahmen abgesehen1)), unabhängig von einer gegenteiligen Abrechnungsmodalität, anteilig in allen Veranlagungszeiträumen erbracht werden, in denen die Leistung andauert.2) Auswirkungen hat dies für die nicht von den aufgezählten Ausnahmen erfassten Dauerleistungen, wie vor allem Bestandverträge (insb Mietverträge und Leasingverträge, die umsatzsteuerlich als Vermietung gelten), wenn Veranlagungsperioden ohne Abrechnungen vorgesehen sind. Dies kann neben Fällen, in denen generell eine Bezahlung erst am Ende der Dauerleistung vertraglich vorgesehen ist, zB auch dann vereinbart sein, wenn Unternehmer nur saisonal bedingte Einnahmen erzielen und die Ausgaben vertraglich auf diese saisonale Vereinnahmung abgestimmt sind.3) Auch in diesen muss von Unternehmern, die der Sollbesteuerung unterliegen, Umsatzsteuer gemäß den Veranlagungszeiträumen abgeführt und insoweit vorfinanziert werden. Diese für den Fiskus (durchaus günstige) Rechtsansicht soll im Folgenden einer kritischen Würdigung unterzogen werden. 1. Zeitpunkt der Ausführung einer Leistung in Österreich Gemäß § 19 Abs 2 Z 1 lit a UStG entsteht bei der Sollbesteuerung die Steuerschuld grundsätzlich mit Ablauf des Kalendermonats, in dem die Leistung ausgeführt worden ist. Wann eine Leistung ausgeführt ist, regelt § 19 UStG im Einzelnen nicht. Dies muss aus §§ 3 und 3a UStG sowie den allgemeinen Begriffsbestimmungen des UStG geschlossen werden.4) Eine Leistung gilt grundsätzlich dann als ausgeführt, wenn der leistende Unternehmer alles getan hat, was von seiner Seite zur Ausführung der Leistung nötig ist.5) Es handelt sich dabei um die Konkretisierung seines Leistungsversprechens dergestalt, dass der Vertragspartner über die Leistung disponieren, dh diese abrufen kann.6) Für Lieferungen kann dies aus § 3 UStG abgeleitet werden, da diese als erbracht angesehen werden, wenn dem Abnehmer die Verfügungsmacht über den Gegenstand verschafft wird.7) Es genügt also für die Ausführung einer Lieferung, dass der Abnehmer die Möglichkeit hat, *) Dr. Norbert Bramerdorfer, LL.M. ist Steuerberater und Director in einer international tätigen Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungskanzlei in Wien. MMag. Dominik Stundner ist Mitarbeiter derselben Kanzlei. Die Autoren danken Herrn Samir Kovacevic, LL.B. für die Unterstützung bei der Erstellung des Beitrags. 1 ) Rz 2619 UStR. 2 ) Rz 2610 UStR. 3) Beispiel: Die (ganzjährige) Miete für einen Eissalons wird vereinbarungsgemäß nur über die Sommermonate bezahlt, Leasingraten für eine Skipistenraupe werden vereinbarungsgemäß nur in Wintermonaten bezahlt. 4) Ruppe/Achatz, UStG4 (2011) § 19 Rz 101. 5 ) VwGH 27. 2. 2002, 2000/13/0095; BFH 21. 6. 2001, V R 80/99, UR 2001, 446; Ruppe/Achatz, UStG4, § 1 Rz 25; Birkenfeld/Wäger, Umsatzsteuer-Handbuch, § 151 Rz 46. 6) Ruppe/Achatz, UStG4, § 1 Rz 222, 224. 7 ) Birkenfeld in Hartmann/Metzenmacher, UStG, § 3 Abs 7 Rz 15.

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Steuern über den Gegenstand zu disponieren, und zwar unabhängig davon, ob er von dieser Möglichkeit tatsächlich Gebrauch macht. Nicht anders ist die Rechtslage bei sonstigen Leistungen. Auch diese gelten grundsätzlich dann als ausgeführt, wenn der leistende Unternehmer alles getan hat, was von seiner Seite zur Ausführung der sonstigen Leistung nötig ist.8) Sonstige Leistungen sind ausgeführt, wenn die wesentlichen Handlungen vorgenommen worden oder Rechtswirkungen eingetreten sind.9) Wann dies der Fall ist, wird vor allem bei Dauerleistungen im Schrifttum und in der Judikatur uneinheitlich beantwortet. Dies kann auch darauf zurückgeführt werden, dass gesicherte Kriterien zur Bestimmung des Leistungszeitpunkts von sonstigen Leistungen, deren Gegenstand auch Duldungen oder Unterlassungen für eine bestimmte Zeitspanne darstellen, schwer zu bestimmen sind.10) Die österreichische Finanzverwaltung geht davon aus, dass bestimmte Dauerleistungen (insb Bestandverträge) anteilig in „allen“ Veranlagungszeiträumen erbracht werden, in denen die Leistung erbracht wird.11) Somit entsteht dieser Ansicht nach die Umsatzsteuer im Rahmen der Sollbesteuerung auch in Voranmeldungszeiträumen, in denen keine Zahlung und/oder eine faktische Leistung vereinbart ist/sind. Eine abschnittsweise Steuerentstehung gemäß den mit dem Leistungsempfänger vereinbarten Abrechnungsperioden lässt das BMF nur für bestimmte, taxativ in Rz 2619 UStR aufgezählte Dauerschuldverhältnisse gelten. Begründet wird dies mit Praktikabilitätserwägungen.12) Nicht von dieser Vereinfachung erfasst sind insbesondere Bestandverträge. Eine Differenzierung hinsichtlich jener Dauerleistungen, die Anlass zu mehreren „Teilleistungen“ geben, nimmt die Finanzverwaltung lediglich für Teillieferungen in der Bauwirtschaft vor.13) Es geht dabei um die Frage, wann ein Werk als vollbracht anzusehen ist. Eine bloße Abrechnung über einen bestimmten Zeitraum genügt nicht für die Annahme einer Teilleistung, sondern es kommt der Finanzverwaltung auf die Vollendung des (Teil-)Werks an. Diese Ansicht der Finanzverwaltung stützen zwei ältere Entscheidungen des VwGH.14) Obwohl im Erkenntnis vom 20. 12. 1994, 94/14/0133, dem Sachverhalt zufolge für die streitgegenständliche Dauerleistung eine Zahlung des Gesamtentgeltes entweder im Voraus oder in Raten vereinbart war, ging der VwGH davon aus, dass die Leistung anteilsmäßig über alle Voranmeldungszeiträume erbracht werde, die innerhalb des vereinbarten Zeitraums liegen: Ähnlich wie bei einem Mietvertrag sei daher in jedem Voranmeldungszeitraum jener Teil des Gesamtentgelts aus seinem Vertrag zu versteuern, der auf diesen Zeitraum entfällt. Dagegen hat der VwGH15) in späteren Entscheidungen die Frage, wann eine sonstige Leistung als ausgeführt gilt, unter Hinweis auf eine unionsrechtskonforme Interpretation des § 19 Abs 2 Z 1 lit a UStG iSd Art 64 Abs 1 MwStSyst-RL16) dahingehend beantwortet, dass „Dienstleistungen, die zu aufeinander folgenden Abrechnungen oder Zahlungen Anlass geben, jeweils mit Ablauf des Zeitraumes als bewirkt gelten, auf den sich 8

) Vgl erneut Ruppe/Achatz, UStG4, § 1 Rz 224; Birkenfeld/Wäger, Umsatzsteuer-Handbuch, § 151 Rz 46. 9 ) Birkenfeld/Wäger, Umsatzsteuer-Handbuch, § 151 Rz 46. 10 ) Leonard in Bunjes, UStG14 (2015) § 13 Rn 33. 11 ) Rz 2610 UStR. 12 ) Rz 2619 UStR. 13 ) Rz 2611 ff UStR. 14 ) VwGH 20. 12. 1994, 94/14/0133; 29. 4. 2003, 99/14/0112. Hingegen waren in dem in Ruppe/Achatz, UStG4, § 3a Rz 222, ebenfalls zitierten VwGH-Erkenntnis vom 2. 6. 2004, 2001/13/0011, nach dem angenommen Sachverhalt vereinbarungsgemäß monatliche Zahlungen zu leisten, sodass der BFH nach seiner „Teilleistungsjudikatur“ zu demselben Ergebnis gelangt wäre. 15 ) VwGH 29. 6. 2005, 2005/14/0024; 24. 6. 2010, 2008/15/0287; vgl dazu auch Tumpel, Grundlegende Aussagen des VwGH zum Entfall der Vorsteuerberichtung bei Ärzten und zum Zeitpunkt der Entstehung von Dauerleistungen, SWK 27/2005, S 790. 16 ) Entspricht ex-Art 10 Abs 2 der 6. MwSt-RL.

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Steuern die Abrechnung oder Zahlung bezieht“.17) Jüngst hat der VwGH diese Ansicht auch in Hinblick auf Leasingleistungen bestätigt.18) Gerade Leasingverträge finden sich allerdings in den UStR nicht in der Aufzählung jener Dauerschuldverhältnisse, für die in Hinblick auf die Steuerentstehung auf die vereinbarten Abrechnungsmodalitäten abgestellt werden kann.19) 2. Ein Blick nach Deutschland Für den deutschen BFH20) ist bei Dauerrechtsverhältnissen (wie Mietverträgen) über eine bestimmte (Mindest-)Laufzeit die geschuldete sonstige Leistung erst mit deren Ablauf ausgeführt, sofern nicht die Sonderregelung über Teilleistungen eingreift. Die in Mietverträgen (Dauerschuldverhältnissen) vereinbarten Teilleistungen werden durch die monatlichen Zahlungsaufforderungen oder -belege konkretisiert. Die deutsche Finanzverwaltung21) folgt dieser höchstgerichtlichen Rechtsansicht: Bei zeitlich begrenzten Dauerleistungen ist die Leistung erst mit Beendigung des entsprechenden Rechtsverhältnisses ausgeführt, es sei denn, die Beteiligten hätten Teilleistungen vereinbart. Die Finanzverwaltung ergänzt ausdrücklich für Leasinggesellschaften: „Eine Leasinggesellschaft, die ihren Kunden (Mieter) eine Sache gegen Entrichtung monatlicher Leasingraten überlässt, erbringt eine Dauerleistung, die entsprechend der Vereinbarung über die monatlich zu zahlenden Leasingraten in Form von Teilleistungen bewirkt wird.“ 22) Dieser Ansicht folgt auch das deutsche Schrifttum.23) 3. Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung Unseres Erachtens sprechen aufgrund des Grundsatzes der Einheitlichkeit der Leistung gute Argumente dafür, dass die in Deutschland vertretene Rechtsansicht im Ergebnis auch in Österreich Anwendung finden sollte und damit der Vertragspartner seine Dauerleistung grundsätzlich erst mit dem Ende des Vertragszeitraumes zur Gänze erbracht hat. Der Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung bedeutet, dass mehrere gleichrangige Leistungen als eine Leistung zu beurteilen sind, wenn sie ihrem wirtschaftlichem Gehalt nach als Einheit aufzufassen sind, dh einen einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang darstellen.24) Bei einem befristeten Dauerschuldverhältnis ist der wirtschaftliche Gehalt in der Vereinbarung zu erblicken, dass ein Vertragspartner für die vereinbarte Dauer ein Tun, Dulden oder Unterlassen schuldet. Folglich hat der Leistende erst dann alles auf seiner Seite für die Leistungserbringung Erforderliche getan, wenn er bis zum Ende der vertraglichen Laufzeit diese Leistung erbracht hat. Daher ist seine Leistung auch erst mit dem Ablauf der Vertragsdauer vollständig erbracht. Die erst mit Beendigung des Vertrags erbrachte Leistung kann nur dann vor deren Vollendung eine umsatzsteuerbare Leistung sein, wenn das – wirtschaftlich als eine Einheit anzusehende – Dauerschuldverhältnis durch bestimmte Maßnahmen so aufgeteilt wer17

) Ruppe/Achatz, UStG4, § 3a Rz 218. ) VwGH 29. 1. 2015, 2012/15/0007. Die Entstehung der Steuerschuld stellte dabei nur einen Nebenaspekt dieser Entscheidung dar. 19 ) Rz 2619 UStR. 20 ) BFH 19. 5. 1988, V R 102/83, BStBl II 1988, 848; 9. 9. 1993, V R 42/91, BStBl II 1994, 269. 21 ) Abschnitt 13.1 Abs 4 Satz 2 dUStAE; vgl auch OFD Saarbrücken 1. 8. 1986, S 7304 – 5 – St 24 1, UR 1986, 305. 22 ) Abschnitt 13.1 Abs 4 Satz 1 dUStAE. 23 ) ZB Flückiger in Plückebaum/Malitzky/Widmann, UStG, § 3 Abs 9 Rz 118; Birkenfeld/Wäger, Umsatzsteuer-Handbuch, § 151 Rz 51, § 152 Rz 51, 61; (Finanzierungs-)Leasingverträge, die eine Klausel zu einem etwaigen Eigentumserwerb der geleasten Sache beinhalten, sind hingegen nach Teilen deutschen Schrifttums als Lieferung iSd Art 14 Abs 2 lit b MwStSyst-RL anzusehen und demzufolge von der Regelung der Teilleistungen ausgenommen. Vgl Leonard in Bunjes, UStG14, § 13 Rn 17 mwN. 24 ) Ruppe/Achatz, UStG4, § 1 Rz 32. 18

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Steuern den kann, dass hierdurch kleinere wirtschaftliche Einheiten entstehen. Diese kleineren wirtschaftlichen Einheiten werden gemeinhin als Teilleistungen, die über sie ausgestellten Rechnungen als Teilrechnungen25) bezeichnet. Doch ist bei dieser Terminologie Vorsicht geboten. Durch die Vereinbarkeit von Teilleistungen kann der Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung nicht umgangen werden, wonach ein wirtschaftlicher Vorgang nicht in mehrere Leistungen aufgespalten werden darf.26) Teilleistungen können daher nur dann entstehen, wenn durch eine entsprechende Vereinbarung der Parteien der bisherige – als kleinste wirtschaftliche Einheit angesehene – Leistungsinhalt so abgeändert wird, dass von neuen, kleineren wirtschaftlichen Einheiten ausgegangen werden kann. Dabei muss die (einheitliche) Leistung ohne Wertminderung und ohne Beeinträchtigung des Leistungszwecks in Teilleistungen zerlegt werden können.27) Eine Teilleistung ist daher kein Teil einer umsatzsteuerbaren Leistung, sondern eine vollständig wirtschaftliche Einheit, die als selbständige umsatzsteuerbare Leistung gesehen werden muss. 4. Begriff der Teilleistungen Anders dürfte der Begriff der Teilleistung in Deutschland verstanden werden. So meint etwa Birkenfeld:28)„Teilleistungen sind keine selbständigen Leistungen. Sie haben umsatzsteuerliche Bedeutung nur für die Entstehung der Steuer.“ Dazu ist allerdings festzuhalten, dass § 13 Abs 1 Z 1 lit a Satz 2 und 3 dUStG im Anschluss an den Grundsatz der Sollbesteuerung normiert: „Dies gilt auch für Teilleistungen. Sie liegen vor, wenn für bestimmte Teile einer wirtschaftlich teilbaren Leistung das Entgelt gesondert vereinbart wird.“ Soweit daher – wie dies in Deutschland offenbar der Fall ist – in § 13 Abs 1 Z 1 lit a Satz 2 und 3 dUStG die konstitutive Grundlage für die Steuerentstehung einer Teilleistung gesehen wird, kann auch die nicht vollständige Ausführung einer selbständigen Leistung zu einer Steuerentstehung im Rahmen der Sollbesteuerung führen, solange der ausgeführte, nicht selbständige Leistungsteil als Teilleistung im Sinne dieser Norm verstanden werden kann.29) Besteht eine solche Bestimmung allerdings nicht, könnten als nicht selbständige Leistungen verstandene Teilleistungen im Rahmen der Sollbesteuerung mangels Ausführung der Leistung keine Umsatzsteuerschuld entstehen lassen. Dies ist in Österreich der Fall, da das österreichische UStG im Gegensatz zur deutschen Rechtslage keine Bestimmung über Teilleistungen enthält. Teilleistungen, die nach ihrem wirtschaftlichen Gehalt die Voraussetzungen einer selbständigen Leistung nicht erfüllen, können daher in Österreich mangels ausgeführter Leistung im Rahmen der Sollbesteuerung keine Umsatzsteuerschuld auslösen.30) Der Begriff der Teilleistung erscheint daher in Öster25

) Welche ihrerseits nicht mit den Anzahlungsrechnungen verwechselt werden dürfen (vgl etwa Bramerdorfer, Die offene Anzahlungsrechnung nach Leistungserbringung, ÖStZ 2003, 421 [423]). ) Rothenberger in Hartmann/Metzenmacher, UStG, § 13 Rz 26. 27 ) Leonard in Bunjes, UStG14, § 13 Rn 16. 28 ) Birkenfeld/Wäger, Umsatzsteuer-Handbuch, § 152 Rz 6. 29 ) Fraglich bleibt allerdings, ob damit in Deutschland für solche Teilleistungen der Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung tatsächlich nicht durchbrochen wird. Nach Rothenberger (in Hartmann/Metzenmacher, UStG, § 13 Rz 26) kann durch Teilleistungen der Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung nicht durchbrochen werden. Dieser Wertungswiderspruch könnte so gelöst werden, dass aufgrund des gesetzlichen Erfordernisses der wirtschaftlichen Teilbarkeit das deutsche UStG davon ausgeht, dass auch die geteilte Leistung weiterhin eine selbständige Leistung darstellen muss. Teilleistungen könnten dann auch in Deutschland nur dann entstehen, wenn durch eine entsprechende Vereinbarung der Parteien der bisherige – als kleinste wirtschaftliche Einheit angesehene – Leistungsinhalt so abgeändert wird, dass von neuen, kleineren wirtschaftlichen Einheiten ausgegangen werden kann. Allerdings würde man damit § 13 Abs 1 Z 1 lit a Satz 2 und 3 dUStG seine konstitutive Bedeutung weitgehend nehmen. 30 ) Die österreichischen UStR übernehmen zwar in Rz 2611 ff die deutsche Gesetzesregelung zu Teilleistungen für Teilleistungen in der Bauwirtschaft. Diese kann jedoch nur für eine Teilung in neue, selbständige Leistungen im Sinne der obigen Ausführungen gelten. Soweit diese Ausführungen auch für eine Teilung in unselbständige Leistungen gelten würden, fehlt es hierfür in Österreich an der gesetzlichen Grundlage. 26

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Steuern reich auch ein entbehrlicher Begriff zu sein, der für den Rechtsanwender mehr Verwirrung stiftet, als er zum Verständnis beiträgt. 5. Eine Dauerleistung kann in (selbständige) Teilleistungen aufgeteilt werden Teilleistungen können demnach nach österreichischem Umsatzsteuerverständnis nur dort entstehen, wo sich der geschuldete Leistungsinhalt für eine vereinbarungsgemäße Abänderung in kleinere wirtschaftliche Einheiten und damit neue selbständige Leistungsinhalte eignet. Am einfachsten eignen sich für eine solche Aufteilung exemplarisch zweifellos Leistungen aus Mietverhältnissen. Die Mietleistung lässt sich hier deshalb so leicht in kleinere Einheiten aufteilen, weil die bereits erbrachte Mietleistung idR auch dann ihren vollen Wert behalten würde, wenn die gesamte vereinbarte Mietleistung nicht mehr zur Gänze erbracht werden würde.31) Bei Miet- und anderen Bestandverträgen ist eine Aufteilung des Leistungsinhalts in kleinere Zeit- und damit Abrechnungsinhalte durch Übermittlung entsprechender Belege so üblich und selbstverständlich, dass der Praxis in der Regel gar nicht bewusst ist, dass durch die Vereinbarung von (kürzeren) Abrechnungszeiträume eine Aufteilung in kleinere umsatzsteuerliche Leistungsinhalte (oder eben Teilleistungen) vorgenommen wird. Und doch ist stets zu bedenken: Ohne eine spezielle, vertraglich vereinbarte abschnittsweise Abrechnung würde die Umsatzsteuerschuld der Mietleistung erst mit dem Ende der vereinbarten Vertragslaufzeit entstehen. Dabei muss die zur teilweisen Entstehung der Umsatzsatzsteuerschuld führende Aufteilung formal nicht zwingend durch Zwischenabrechnungen erfolgen. Jede ausdrückliche oder konkludente Handlung der Parteien des Rechtsgeschäfts, die den Leistungsinhalt bzw dessen Vollendung in Form solcher Teilleistungen determiniert, wie zB eine Abrechnungsvereinbarung in einem Bestandvertrag und die dieser entsprechende Zahlung des Leistungsempfängers, wäre hierfür grundsätzlich ausreichend. Allerdings werden für den Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers Belege über den abgerechneten Zeitraum erforderlich sein, die den Rechnungserfordernissen des § 11 UStG entsprechen.32) 6. Unionsrechtliche Analyse Ein solches Ergebnis gewährleistet auch eine unionsrechtskonforme Anwendung des österreichischen UStG. Art 64 Abs 1 MwStSyst-RL bestimmt hinsichtlich der Entstehung des Steueranspruchs, dass Dienstleistungen, die zu aufeinanderfolgenden Abrechnungen oder Zahlungen Anlass geben, jeweils mit Ablauf des Zeitraums als bewirkt gelten, auf den sich die Abrechnung oder Zahlung beziehen. Diese Bestimmung, die in unionsrechtskonformer Auslegung bei der Rechtsanwendung zu beachten ist,33) kann im Sinne der obigen Ausführungen uE nur so interpretiert und mit dem österreichischen UStG in Einklang gebracht werden, dass durch die abschnittsweise Abrechnungsvereinbarung der vereinbarte Abrechnungszeitraum als kleinstmöglicher selbständiger umsatzsteuerbarer Leistungsinhalt festgelegt und mit dessen Ablauf ausgeführt ist. Eine Differenzierung zwischen Dauerleistungen, die ihrem Wesensgehalt nach zu Einzelleistungen Anlass geben, und solchen, die dies nicht tun, wie sie sich im österreichischen Schrifttum findet,34) ist Art 64 MwStSyst-RL fremd. 31

) Vgl zur Teilbarkeit auch Götze, Die Teilbarkeit einer Leistung nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise, UR 1976, 233. ) Vgl zu dieser differenzierten Sichtweise hinsichtlich Entstehung der Umsatzsteuerschuld und Vorsteuerabzug bei Dauerleistungen auch VwGH 29. 1. 2015, 2012/15/0007. 33 ) Ruppe/Achatz, UStG4, § 3a Rz 218. 34 ) ZB Ruppe/Achatz, UStG4, § 3a Rz 217 ff. 32

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Steuern Diesem Ergebnis schadet auch nicht die in Art 64 Abs 1 MwStSyst-RL35) normierte Ausnahme hinsichtlich jener Lieferungen, die in Art 14 Abs 2 Buchst b MwStSyst-RL aufgezählt sind. Dienstleistungen sind davon nicht umfasst, auch wenn der Wortlaut möglicherweise etwas irreführend formuliert ist. Die Bestimmung muss so gelesen werden, dass es heißt: „Geben Lieferungen von Gegenständen, außer Lieferung von Gegenständen im Sinne des 14 Absatz 2 Buchstabe b und Dienstleistungen […].“ Hätte der Unionsgesetzgeber nämlich generell die „Vermietung von Gegenständen“ von der allgemeinen Regel ausnehmen wollen, wäre die Wortfolge „Vermietung von Gegenständen“ nach dem Wort „Dienstleistungen“ und nicht nach der Wortfolge „Lieferung von Gegenständen“ eingefügt worden. Eine Miete von Gegenständen ist keine Lieferung, sondern eine Dienstleistung. Die Ausnahme bezieht sich somit nur auf Geschäfte, die gem Art 14 Abs 2 Buchst b MwStSyst-RL zwingend als Lieferung zu behandeln sind (zB Lieferungen unter Eigentumsvorbehalt oder Ratenkaufverträge36)). Art 66 MwStSyst-RL ermächtigt die Mitgliedstaaten, von Art 64 MwStSyst-RL abweichende Zeitpunkte zu Entstehung des Steueranspruchs festzulegen, wobei Art 66 MwStSyst-RL nach der Rechtsprechung des EuGH eng auszulegen ist.37) Für Dauerleistungen wurde vom österreichischen Gesetzgeber von dieser Ermächtigung jedoch kein Gebrauch gemacht. Nach Art 66 MwStSyst-RL können die Mitgliedstaaten zudem lediglich vorsehen, dass der Steuertatbestand zu einem der drei taxativ aufgezählten Zeitpunkte entsteht, nämlich spätestens bei der Ausstellung der Rechnung, spätestens bei der Vereinnahmung des Preises oder, im Fall der Nichtausstellung oder verspäteten Ausstellung der Rechnung, binnen einer bestimmten Frist nach dem Eintreten des Steuertatbestands.38) Demzufolge wäre auch die (pauschale) Annahme, dass Dauerleistungen unabhängig von den Abrechnungsmodalitäten anteilig in allen Voranmeldungszeiträumen als erbracht gelten, nicht von Art 66 MwStSyst-RL gedeckt. Die Begründungserwägung 24 der MwStSyst-RL informiert darüber, dass die Begriffe „Steuertatbestand“ und „Steueranspruch“ harmonisiert werden sollen, damit die Anwendung und die späteren Änderungen des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems in allen Mitgliedstaaten zum gleichen Zeitpunkt wirksam werden. Auch dies spricht dafür, kein von Art 64 MwStSyst-RL gesondertes Verständnis über die Entstehung der Steuerschuld bei Dauerleistungen auf einzelstaatlicher Ebene zu vertreten. Die Steuerpflicht entsteht daher bei Dauerleistungen, die zu aufeinanderfolgenden Abrechnungen oder Zahlungen Anlass geben, nach dem einschlägigen Unionsrecht jeweils mit Ablauf des Zeitraums, auf den sich die Abrechnung oder Zahlung bezieht, und zwar unabhängig davon, ob die Leistung ihrem Wesensgehalt nach zu Teilleistungen Anlass gibt oder nicht. Auch der EuGH legt Art 64 MwStSyst-RL im Sinne einer einheitlichen Entstehung der Steuerschuld in den Mitgliedstaaten aus. In einer jüngeren Entscheidung39) sah er zB Abonnementverträge, deren Leistungsinhalt die Erbringung von Beratungsdienstleistungen (und zwar „auf Abruf“ von Seiten des Leistungsempfängers) im Rechts- und Finanzbereich umfasste, zu jenem Zeitpunkt als bewirkt an, auf den sich gemäß Art 64 35

) „Geben Lieferungen von Gegenständen, die nicht die Vermietung eines Gegenstands oder den Ratenverkauf eines Gegenstands im Sinne des Artikels 14 Absatz 2 Buchstabe b betreffen, und Dienstleistungen zu aufeinander folgenden Abrechnungen oder Zahlungen Anlass, gelten sie jeweils als mit Ablauf des Zeitraums bewirkt, auf den sich diese Abrechnungen oder Zahlungen beziehen.“ 36 ) Scheiner/Kolacny/Caganek, Kommentar zur Mehrwertsteuer – Mehrwertsteuersystemrichtlinie (37. Lfg) Art 14. 37 ) EuGH 16. 5. 2013, C-169/12, TNT Express Worldwide (Poland) sp. z o.o./Minister Finansów, Rn 24; 7. 3. 2013, C-19/12, Efir, Rn 31. 38 ) EuGH 16. 5. 2013, C-169/12, TNT Express Worldwide (Poland) sp. z o.o./Minister Finansów, Rn 27. 39 ) EuGH 3. 9. 2015, C-463/14, Asparuhovo Lake Investment Company OOD.

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Steuern MwStSyst-RL die Zahlungen für die Leistung beziehen. Abgerechnet wurde dabei mittels wöchentlich zu zahlender Pauschalbeträge, die unabhängig von einer tatsächlich in Anspruch genommen Beratungsleistung in dem jeweiligen Zeitraum zahlbar waren.40) Leistungen aufgrund von Abonnementverträgen sind – anders als Bestandverträge – in den UStR in der taxativen Aufzählung jener Leistungen enthalten, für die die Steuerschuld nach Maßgabe der Abrechnung entsteht.41) Demzufolge steht die Ansicht der Finanzverwaltung in Bezug auf die Entstehung der Steuerschuld für Leistungen aus Abonnementverträgen in Einklang mit Art 64 der MwStSyst-RL. Es erscheint nach den obigen Ausführungen allerdings kein Grund ersichtlich, weshalb in Hinblick auf andere Dauerleistungen wie Bestandverträge etwas anderes gelten sollte.

Auf den Punkt gebracht Die österreichische Finanzverwaltung vertritt in Rz 2610 UStR die Ansicht, dass Dauerleistungen (zB Bestandverträge) – auch ohne erfolgte Abrechnung – anteilig in allen Veranlagungszeiträumen erbracht werden. Dies kann weder aus dem UStG noch aus der MwStSyst-RL abgeleitet werden. In unionsrechtskonformer Auslegung und Anpassung an die neuere Rechtsprechung des VwGH sollte es auch hier zu einer Leistungsausführung und Entstehung der Umsatzsteuerschuld kraft Abrechnung oder Zahlung kommen. Die Finanzverwaltung räumt dieses Wahlrecht in Rz 2619 UStR nur für einzelne Dauerleistungen, aber nicht für Bestandverträge ein.

Anzahlung oder Zahlungsmittel

Der Hotelgutschein im Umsatzsteuerrecht Steuern

Ein Leitfaden für die Praxis MARIAN MAYR*) Hotelgutscheine erfreuen sich großer Beliebtheit. Dabei ist aber sowohl für den Unternehmer als auch für die Finanzverwaltung vor vorneherein nicht immer klar, wann die Umsatzsteuer fällig wird. Der Gutschein gilt als reines Zahlungsmittel, wenn die Leistung noch nicht konkret bestimmt ist. Im Gegensatz dazu unterliegt bereits der Gutscheinverkauf der Anzahlungsbesteuerung, sofern die Leistung hinreichend konkretisiert ist. Die Abgrenzung stellt oftmals eine Gradwanderung dar. Das BFG hat sich mit dieser Frage beschäftigt und in der Entscheidung vom 18. 3. 2015, RV/3100461/2012,1) Beurteilungskriterien zu erkennen geben, die über diesen Einzelfall hinaus Bedeutung erlangen. 1. Sachverhalt und Verfahrensgang Der Beschwerdeführer betreibt als Pächter ein Hotel. Aufgrund einer Vereinbarung mit dem Verpächter bezahlt der Beschwerdeführer den Pachtzins teilweise in sogenannten 40

) Der Umstand, dass die Leistungen weder im Voraus bestimmt noch individualisiert sind und das Entgelt in Form einer Pauschale entrichtet wird, kann nach der Judikatur des EuGH den unmittelbaren Zusammenhang zwischen der erbrachten Dienstleistung und der empfangenen Gegenleistung nicht beeinträchtigen. Vgl EuGH 27.03.2014, C-151/13, Le Rayon d’Or, Rn. 37. 41 ) Rz 2619 UStR. *) Marian Mayr, BA ist Branchenprüfer der Großbetriebsprüfung am Standort Innsbruck. 1 ) Nicht veröffentlicht gem § 23 Abs 3 BFGG.

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