Umsatzsteuerpflicht bei vorzeitiger Vertragsauflösung

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Steuerrecht

RdW 8/2008 Artikel-Nr. 520 555

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Vorzeitige Vertragsauflösung: keine umsatzsteuerpflichtige Leistung Der UFS Graz vertritt in der E 21. 1. 2008, RV/0729-G/06, die Umsatzsteuerpflicht von Entschädigungszahlungen des Mieters bei einer vorzeitigen Entlassung aus dem Mietvertrag durch den Vermieter. Der Beitrag analysiert die Entscheidung und kommt zum Ergebnis, dass es bei kritischer Würdigung an einer umsatzsteuerbaren Leistung des Vermieters mangelt. Bei Annahme einer umsatzsteuerbaren Leistung wäre diese umsatzsteuerbefreit gewesen.

1.

Einleitung

Die Entscheidung des UFS behandelt ein Grundsatzfrage des Umsatzsteuertatbestands: die Voraussetzung für eine umsatzsteuerbare Leistung. Der konkrete Entscheidungsgegenstand des UFS, welcher über den Anlassfall hinaus Auswirkungen auf alle vorzeitigen, entgeltlichen Auflösungen von Dauerschuldverhältnissen hat, behandelt die Frage, ob der Vermieter bei vorzeitiger entgeltlicher Vertragsauflösung durch den Mieter eine umsatzsteuerpflichtige Leistung erbringt. Es handelt sich hierbei, im Gegensatz zum unbestrittenen umgekehrten Fall der vorzeitigen entgeltlicher Vertragsauflösung durch den Vermieter, um eine in Deutschland zwischen Fachschrifttum1) und höchstrichterlicher Rsp2) kontrovers beantwortete Rechtsfrage.

2.

Der Sachverhalt

Der Sachverhalt der Entscheidung ist schnell erzählt: Die Berufungswerberin vermietete seit 1982 Räumlichkeiten an die Republik Österreich (Post- und Telegraphenverwaltung). Beide Vertragspartner verzichteten vertraglich darauf, bis 1. 7. 2023 von ihrem Kündigungsrecht Gebrauch zu machen. 2004 kommt es zu einem Vergleich: Die Mieterin zahlt 125.000 € für eine einvernehmliche Auflösung des Mietverhältnisses zum 31. 7. 2004. Nach Ansicht des Finanzamts war der Vergleich mit der Mieterin (Post AG) als Verzicht auf Anspruch der Vertragserfüllung zu werten und der dafür bezahlte Betrag entsprechend zu „verusten“. In der dagegen erhobenen Berufung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die geleisteten Zahlungen seien laut Vergleichsvereinbarung als Entschädigung für den „Mietentgang“ bzw entgangenen Gewinn gewährt worden und daher als nicht steuerbarer pauschalierter Schadenersatz zu qualifizieren.

3.

Das Urteil des UFS

Der UFS sah sich vor folgender Ausgangssituation: Soweit der Verzicht des einwilligenden Vertragsteils auf Vertragserfüllung 1) Ablehnend zur Leistungsqualität: Reiß, Aufhebung, Übertragung, und Übernahme vertraglicher Leistungsverpflichtungen und -ansprüche, UR 2008, 58; Hummel, Urteilsanmerkung zu BFH 7. 7. 2005, V R 34/03, UR 2005, 665; Forster, Schadenersatz ungleich Schadenersatz? UR 2001, 199; zweifelnd auch Probst in Hartmann/Metzenmacher, UStG, Kommentar, § 1 Abs 1 Nr 1 Rz 318; für Österreich Doralt, Verzicht auf Vertragserfüllung umsatzsteuerpflichtig? RdW 2006, 179; vgl auch Rz 15 und 18a UStR; aus der Rsp vgl FG München, 3 K 476/97, EFG 2001, 465 (rkt). 2) BFH 21. 5. 1992, V R 66/86, BFH/NV 1995, 343; BFH 26. 3. 1998 XI B 73/97, BFH/NV 1998, 1381; BFH 7. 7. 2005, V R 34/03, UR 2005, 665; zustimmend Martin, Umsatzsteuer bei „Leistungsstörungen“, UR 2006, 56; Abschn 3 Abs 5 dUStR.

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Dr. Norbert Bramerdorfer, LL.M. Wien

einen selbstständigen wirtschaftlichen Nutzen verkörpert, sind die Entschädigungen steuerbar (Ruppe, UStG³ § 1 Tz 234). Die Entscheidung der Frage, ob die Zahlungen der Post AG iHv insgesamt 125.000 € zur Umsatzsteuer heranzuziehen sind oder als Schadenersatz nicht von der Umsatzsteuer erfasst werden, hänge sohin für ihn davon ab, ob zwischen der Vermieterin und der Mieterin ein Leistungsaustausch stattgefunden hat, mit anderen Worten: ob diese Zahlungen der Mieterin Gegenleistungen für Leistungen der Vermieterin waren. Dies ist im Berufungsfall nach Ansicht des UFS zu bejahen: Die Einwilligung der Vermieterin in die einvernehmliche Auflösung des Mietvertrags und die sodann termingemäß erfolgte Übernahme des Mietgegenstands durch die Vermieterin waren wesentliche Voraussetzung für die von der Mieterin erbrachte „Entschädigungsleistung“. Der Zahlungsverpflichtung der Mieterin stand die einvernehmliche Vertragsbeendigung (bzw die Einwilligung der Vermieterin in die Beendigung) gegenüber. Daraus ergab sich für den UFS, dass zwischen der Leistung der Vermieterin, nämlich der Grundstücksübernahme und der Aufgabe der Mietvertragsrechte, und der Gegenleistung seitens der Mieterin ein unmittelbarer Zusammenhang und damit ein Leistungsaustausch iSd UStG bestehe: Zweifelsohne hätte die Vermieterin einer einvernehmlichen Vertragsbeendigung (bzw dem ewigen Ruhen des Gerichtsverfahrens) nicht zugestimmt, hätte sich die Mieterin nicht im Gegenzug dazu zur Zahlung des „Entschädigungsbetrages“ verpflichtet. Der UFS verwies auf das Erkenntnis des VwGH vom 22. 2. 1963, 1308/60, sowie das Urteil des BFH vom 7. 8. 1969, BStBl II 696. In diesen Entscheidungen sprachen die Gerichtshöfe aus, dass vertraglich vereinbarte Zahlungen des Vermieters an den Mieter zur Abgeltung der mit der vorzeitigen Aufgabe der Rechte aus dem Mietvertrag zusammenhängenden Aufwendungen nicht Schadenersatz, sondern Entgelt aufgrund eines Leistungsaustausches darstellen. In beiden Fällen erfolgten die letzten Endes einvernehmlich vereinbarten vorzeitigen Vertragsauflösungen aus dem Grund, um allfällige langwierige Enteignungs- oder Kündigungsverfahren zu vermeiden. Wenngleich zwar im berufungsgegenständlichen Fall die Zahlung in „umgekehrter Richtung“ – vom Mieter an den Vermieter – erfolgte, hat hier nach Ansicht des UFS in rechtlicher Hinsicht nichts anderes zu gelten als in den zitierten Erkenntnisfällen. Hingegen gehe der Hinweis der Vermieterin auf das VwGHErkenntnis vom 12. 11. 1990, 88/15/0081, für den UFS fehl. In dem diesem Erkenntnis zugrunde liegenden Sachverhalt erfolgte vonseiten des Leasinggebers (einseitig) berechtigterweise eine vorzeitige Auflösung aus vertraglich vereinbarten wichtigen Gründen, welche zur Folge hatte, dass der Leasingnehmer eine „Schadenersatzleistung“ in vertraglich vereinbarter Höhe (die

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556 RdW 8/2008 Artikel-Nr. 520 Vereinbarung dieser Konventionalstrafe erfolgte bereits im Leasingvertrag) zu erbringen hatte. Die Vertragsauflösung erfolgte daher nicht aufgrund der dort strittigen Zahlung; vielmehr war der Leasinggeber erst aufgrund der Auflösung berechtigt, (den bereits zuvor vereinbarten) Schadenersatz zu fordern. Die Zahlung wurde – anders als im berufungsgegenständlichen Fall – nicht geleistet, um eine vorzeitige Auflösung des Vertrags zu erwirken. Daher konnte die Zahlung der Vertragsstrafe in diesem Erkenntnisfall auch kein Entgelt für eine Lieferung oder sonstige Leistung (wie etwa die vorzeitige Aufgabe von Rechten aus dem Leasingvertrag) sein.

4.

Anmerkung

4.1. Funktionaler Nutzen des Leistungsempfängers als Voraussetzung für Umsatzsteuerbarkeit der Leistung Der UFS sieht die Leistung des Vermieters, welcher die Vergleichszahlung des Mieters als Entgelt gegenübersteht, in der Grundstücksübernahme und der Aufgabe der Mietvertragsrechte. Darin liegt jedoch nach zutreffender Ansicht3) keine umsatzsteuerbare Leistung. Dass der Vermieter das Grundstück mit Ende des Mietvertrags wieder zurücknimmt, ist logische Folge der Beendigung des Dauerschuldverhältnisses und hat keinen selbstständigen Leistungsinhalt. Die Aufgabe des Mietvertragsrechts durch den Vermieter ist ebenfalls keine umsatzsteuerbare Leistung. Für eine umsatzsteuerbare Leistung ist – wie der UFS selbst unter Zitierung von Ruppe, UStG³ § 1 Tz 234, zutreffend ausführt – die Verschaffung eines Nutzens für den Leistungsempfänger erforderlich. Dies ergibt sich aus dem Verständnis der Umsatzsteuer als Einkommensverwendungssteuer: Besteuert werden soll die Tatsache, dass der Leistungsempfänger bereit ist, Einkommen zu verwenden, um von einem anderen ein Verhalten zu bewirken, dass einen eigenständigen wirtschaftlichen Gehalt besitzt und ihm einen individuellen Nutzen verschafft4). Mit anderen Worten: Die umsatzsteuerliche Leistung wird in der Übertragung eines wirtschaftlichen Nutzens zwischen zwei Personen gesehen5). Der wirtschaftliche Nutzen ist aus der Sicht des Leistungsempfängers zu beurteilen6). Die letztlich entscheidungsrelevante Frage ist, ob der erhaltene wirtschaftliche Nutzen des Leistungsempfängers in einem verbrauchsfähigen Nutzen gelegen sein muss oder ob schlichtweg jeder Vorteil, der dem Leistungsempfänger zukommt, einen ausreichenden wirtschaftlichen Nutzen darstellt. ME spricht das Verständnis der Umsatzsteuer als Einkommensverwendungssteuer sowie die Judikatur des EuGH für erstere Auffassung. Der Leistungsempfänger muss dabei den erhaltenen Nutzen nicht tatsächlich ge- oder verbrauchen. Denn die Umsatzsteuer besteuert nicht den Verbrauch, sondern den Aufwand für die „Erlangung der Möglichkeit zum physischen Verbrauch“7). Auch muss es sich beim zugewendeten Nutzen 3) 4) 5) 6)

Vgl oben in FN 1. Ruppe, UStG3 § 1 Rz 13. Haunold, Mehrwertsteuer bei sonstigen Leistungen 74 ff. Söhn in von Wallis-FS 448 f; Haunold, Mehrwertsteuer bei sonstigen Leistungen 74. 7) Achatz, Umsatzsteuer und Schadenersatz, 22. Daher unterliegt – grundsätzlich gesprochen – der unentgeltliche Verbrauch eines Wirtschaftsgutes nicht der Umsatzsteuer wohl aber der entgeltliche Erwerb eines Wirtschaftgutes, das nach Erwerb tatsächlich nicht ge- oder verbraucht wird. Vgl auch Stadie, Umsatzsteuerrecht, Rz 1.15.; ebenso Hummel, UR 2005, 666 in FN 11.

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Steuerrecht um kein verkehrsfähiges Wirtschaftsgut handeln8). Allerdings muss der erhaltene Vorteil zumindest konkret, also per se, für den Leistungsempfänger nutzbar und insofern ge- oder verbrauchbar sein9). Anders ausgedrückt: Der erhaltene Nutzen darf nicht „funktional neutral“ sein, sondern muss sich zum Ge- oder Verbrauch eignen10). Dies dürfte vor allem auch die Ansicht des EuGH in den Entscheidungen Jürgen Mohr und Landboden Agrardienste sein11). Zwar sagt der EuGH in der Entscheidung Landboden Agrardienste nicht ausdrücklich, dass der zugewendete Vorteil im weitesten Sinn als Kostenelement in ein verbrauchsfähiges Gut (einschließlich der Nutzung von Gütern) eingehen muss, wie Reiß12) suggeriert, sondern nur, dass der Vorteil einen Kostenfaktor in der Tätigkeit eines anderen Beteiligten bilden muss13), doch stellt der EuGH in diesen Entscheidungen gleichzeitig thesenhaft klar, dass das gemeinschaftliche Mehrwertsteuersystem einer proportionalem Verbrauchssteuer entspricht und dass diesem Grundsatz nicht entsprochen wäre, wenn ein Umsatz besteuert würde, der zu keinem Verbrauch führt. Es wird daher jener Interpretation dieser EuGH-Entscheidungen zuzustimmen sein, die darin die Grundlage für das Erfordernisses eines verbrauchsfähigen Nutzens für eine umsatzsteuerbare Leistung sehen14); auch wenn zugestanden werden muss, dass der EuGH dies in dieser Deutlichkeit nicht judiziert hat. 4.2. Geldersparnis des Mieters kein funktionaler Nutzen Keinen solchen verbrauchsfähigen Nutzen stellt insbesondere der Erhalt von Geld dar. Geld verschafft per se keinen Nutzen; es ist funktional neutral. Erst durch seinen Einsatz kann ein Nutzen entstehen. Müsste der erhaltene Vorteil nicht konkret nutzbar sein, wäre auch der Erhalt von Geld ein ausreichender Nutzen und damit jede Entgeltzahlung mit Geld als Geldlieferung zugleich ein Tausch. Wenn aber die Hingabe von Geld kein ausreichend konkreter leistungsfähiger Nutzen für einen Leistungsaustausch sein kann, dann kann auch die Ersparnis von Geld kein Nutzen sein15). So schreibt etwa Achatz16), „dass nicht jede Einkommensverwendung, sondern eben nur eine solche für andere Zwecke als Sparen, somit zur Erlangung eines Verbrauches von Konsumgütern belastet werden soll“. Ist der Vermieter mit einer vorzeitigen Mietvertragsauflösung einverstanden und zahlt der Mieter, als der zur Sachleistung Berechtigte, eine Abstandszahlung, so verschafft der Vermieter die8) Ruppe, UStG3 § 1 Rz 13; Haunold, Mehrwertsteuer bei sonstigen Leistungen 76; so aber noch VwGH 17. 9. 1990, 89/15/0051, ÖStZB 1991, 245. 9) Achatz (Umsatzsteuer und Schadenersatz 22) spricht von der „Verfügung über ein selbständig bewertbares Nutzungspotenzial“. 10) Achatz, Umsatzsteuer und Schadenersatz 27. Für die Annahme eine verbrauchsfähigen Nutzens FG München, 22. 11. 2000, 3 K 476/97, EFG 2001, 465 (rkt); Anm Büchter-Hole zu Hessisches Finanzgericht 28. 4. 2003, 6 K 982/99, EFG 2003, 1421; Reiß, UR 2008 65 f; ders in Tipke/Lang, Steuerrecht18 § 14 Rz 14; Hummel UR 2005, 665 f; Forster, UR 2001, 200; aA Martin, UR 2006, 56 (59 und bei FN 30): „Steuerbar sind entgeltliche Leistungen ohne Rücksicht auf deren Brauchbarkeit.“ 11) EuGH 29. 2. 1996, C-215/94, Jürgen Mohr, EuGH-E 1996 I-959 = UR 1996, 119; EuGH 18. 12. 1997, C-384/95, Landboden Agrardienste, EuGHE 1997, I-7387 = UR 1998, 102. 12) Reiß in Tipke/Lang, Steuerrecht18 § 14 Rz 14. 13) Hierauf gründet Martin (UR 2006, 59 f) ihre Ansicht, dass die Entscheidungen Jürgen Mohr und Landboden Agrardienste für eine Leistungkein verbrauchsfähiges Wirtschaftsgut verlangen. 14) So auch Haunold, Mehrwertsteuer bei sonstigen Leistungen 74. 15) So auch Hummel, UR 2005, 666; Reiß, UR 2008, 66. 16) Achatz, Umsatzsteuer und Schadenersatz 22; Konsumgüter darf allerdings nicht im Sinne eines verkehrsfähigen Wirtschaftsgutes verstanden werden (vgl oben).

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sem als einzigen Nutzen nur den Erlass einer umfangreicheren, entgeltlich auf sein Mietrecht, so verzichtet dieser nicht auf in der Regel aber erst später zu zahlenden, Geldforderung gegen einen Geldanspruch, sondern auf sein zivilrechtliches Recht die sofortige Zahlung einer geringeauf Besitz des Bestandsobjekts. Der ren Geldforderung17). In diesem Fall funktionale Nutzen des Vermieters Eine umsatzsteuerbare Leistung erspart sich der Mieter durch den besteht nicht in einer Geldersparnis, erfordert einen funktional nutzbaren sondern darin, dass er sein an den Verzicht des Vermieters auf die weiVorteil beim Leistungsempfänger. tere Vertragsausführung nur Geld. Mieter abgetretenes Besitzrecht am Der Nutzen des Mieters liegt allein Bestandsobjekt aufgrund des Verin der Ersparnis von Geld. In der Ersparnis von Geld kann aber zichts des Mieters zurückbekommt und damit das Bestands– wie dargelegt – ebenso wenig wie in der Zuwendung von Geld objekt anderweitig verwenden kann24). Diesen Unterschied ein verbrauchsfähiger Nutzen gesehen werden18). übersieht der UFS. Damit ist dem UFS auch nicht mit seinem Hinweis geholfen, dass sich sein zu beurteilender Fall vom VwGH-Erkenntnis vom 4.3. BFH-Judikatur 12. 11. 1990, 88/15/0081, insofern unterscheide, als in dieser Entscheidung die im Ergebnis nicht umsatzsteuerbare Zahlung Unterstützt wird der UFS allerdings durch – in der Entscheials eine im Vertrag bereits vorgesehene Folge einer vertraglich dung nicht zitierte – Judikatur des BFH. Hierfür sei vor allem zulässigen Vertragsauflösung geleistet wurde19), während im be- die jüngere Entscheidung des BFH vom 7. 7. 2005, V R 34/03, rufungsgegenständlichen Fall, die Zahlung geleistet wurde, um UR 2005, 663, genannt25). Darin urteilte der V. Senat des BFH eine – vertraglich nicht vorgesehene – vorzeitige Auflösung des in einer etwas flapsigen Begründung entgegen der Vorinstanz26), Vertrags zu erwirken20). Entgegen der Ansicht des UFS genügt die dass die vorzeitige Auflösung eines Beratungsvertrags, der einer Tatsache, dass eine Zahlung für eine Vertragsauflösung geleistet Anwaltssozietät unabhängig von ihrer tatsächlichen Leistung ein wird, für die Annahme einer Leistungsbeziehung noch nicht21), 22). jährliches Pauschalhonorar zugestand, gegen eine AbstandzahDem Leistungsempfänger muss über diese Wechselbeziehung lung eine umsatzsteuerbare Leistung der Anwaltssozietät sei. Die hinaus auch noch ein funktionaler Nutzen zukommen. Entscheidung des BFH wurde vom Schrifttum27) mit den oben Die vom UFS zitierten Entscheidungen des VwGH und BFH wiedergegebenen Argumenten mE zu Recht kritisiert: Geldzahaus den 60er-Jahren, in denen bei „umgekehrter Richtung“ der lungen, die nur deshalb erfolgen, weil sich der Gläubiger von einer Verzicht des Mieters auf sein Mietrecht als umsatzsteuerbare weiteren Geldverpflichtung befreien will und er deshalb auf die Leistung gewertet wurde, was inzwischen auch vom EuGH in weitere Inanspruchnahme der geschuldeten Leistung verzichtet, der Lubbock Fine & Co.-Entscheidung23) (indirekt als Vorfrage) sind kein Entgelt für eine umsatzsteuerbare Leistung. bestätigt wurde, ändern an diesem Ergebnis nichts. Entgegen der Ansicht des UFS muss in der „umgekehrten Richtung“ 4.4. Ergebnis: Verzicht des Mieters keine umsatzsehr wohl etwas anderes gelten. Verzichtet nämlich der Mieter steuerbare Leistung des Vermieters 17) Hummel, UR 2005, 666; Reiß, UR 2008, 66. 18) Hummel, UR 2005, 666; Reiß, UR 2008, 66. 19) Diese Ansicht bestätigte der EuGH in der Rs Société thermale d’Eugénieles-Bains (E 18. 7. 2007, C-277/05, UR 2007, 643). In dieser neuen EuGHEntscheidung setzte sich der EuGH erstmals mit der Umsatzsteuerpflicht von Stornogebühren bei Vertragsrücktritt auseinander und kam zu dem Ergebnis, dass die Aufhebung der Verpflichtung, ein Entgelt für eine vertraglich zu beanspruchende Leistung zahlen zu müssen, die aufgrund eines vertraglichen Rücktrittsrechts erfolgt, nicht als Leistung des zur Dienstleistung Verpflichteten angesehen werden kann. Vgl zur Entscheidung Société thermale d’Eugénie-les-Bains auch Pülzl/Hörtnagl-Seidner, Schadenersatz und das Grundprinzip des „do ut des“, taxlex 2008, 143, die ua darauf hinweisen, dass gemäß dieser Entscheidung der Zahlung eine „bestimmbare“ Leistung gegenüberstehen müsse. Ob mit einer „bestimmbaren“ Leistung nur eine solche mit einem wirtschaftlichen Nutzen beim Leistungsempfänger gemeint ist, bleibt allerdings offen. 20) Dieser Sachverhalt war allerdings in der Rs Velvet & Steel Immobilien Handels GmbH (EuGH 19. 4. 2007, C-455/05, UR 2007, 379) im Sachverhalt enthalten. In Velvet & Steel verzichtetendie Gläubiger eines Renovierungsanspruchs für ein Wohnhaus darauf, dass die ihnen geschuldete Dienstleistung (Renovierung) erbracht wird. Gleichwohl zahlten die Gläubiger dem Schuldner dafür, dass die geschuldete Dienstleistung nicht ausgeführt wurde, einen Betrag, der aber hinter dem zurücklag, den der Schuldner bei Ausführung der geschuldeten Leistung zu beanspruchen gehabt hätte. Da sich der EuGH in dieser Entscheidung allerdings ausschließlich mit der Vorlagenfrage beschäftigte, ob die Übernahme von Verbindlichkeiten, die keinen Finanzcharakter haben (zB die Verpflichtung, eine Immobilie zu renovieren), unter die Steuerbefreiung der Übernahme von Verbindlichkeiten (§ 6 Abs 1 Z 8 lit h UStG) fällt – er verneinte dies –, erscheinen weitergehende Schlussfolgerungen (vgl hierzu Reiß, UR 2008, 59 f, 68 f) bedenklich. 21) So aber BFH 7. 7. 2005, V R 34/03, UR 2005, 663 (665): „Das genügt!“ 22) Vgl auch Doralt, RdW 2006, 179. Doralt zitiert auch Scheiner/Kolacny/ Cagenek, UStG § 1 Anm 23, die (in Übereinstimmung mit Rz 15 UStR) keinen Leistungsaustausch sehen, wenn der Käufer vom Kaufvertrag zurücktritt und dafür ein Entgelt bezahlt; mit dem Entgelt möchte der Käufer keine einzelnen Leistungen abgelten, sondern den durch seinen Annahmeverzug entstandenen Schaden ersetzen. 23) EuGH 15. 12. 1993, Rs C-63/92, EuGHE 1993 I-6665 = UR 1996, 90; so auch Rz 890 UStR.

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Zusammenfassend wird man damit sagen müssen, dass die Zahlung des Mieters, wie von der Berufungswerberin auch vorgebracht, tatsächlich nur den entgangenen Gewinn des Vermieters abgelten wollte und somit als echter Schadenersatz nicht umsatzsteuerbar ist. Für die Annahme eines umsatzsteuerbaren Leistungsaustausches fehlt es beim Leistungsempfänger an einem ge- oder verbrauchsfähigen Nutzen. 4.5. Exkurs: Umsatzsteuerbare Leistung des Vermieters wäre umsatzsteuerbefreit gewesen Doch auch im Falle der Annahme einer umsatzsteuerbaren Leistung wäre diese nicht umsatzsteuerpflichtig gewesen. Wäre der Verzicht des Vermieters, so wie der Verzicht des Mieters auf Fortsetzung des Bestandsverhältnisses, eine umsatzsteuerbare Leistung, müssen auch für diesen die Aussagen des EuGH in Lubbock Fine & Co28) Anwendung finden. Denn dies ist die eigentliche Aussage aus Lubbock Fine & Co: Der entgeltliche Verzicht des Mieters auf Fortsetzung eines Mietverhältnisses stellt 24) Anm Büchter-Hole zu Hessisches Finanzgericht 28. 4. 2003, 6 K 982/99, EFG 2003, 1421; Hummel, UR 2005, 666; Reiß, UR 2008, 65. 25) Der BFH hat vor allem auch in zwei nicht amtlich veröffentlichten Entscheidungen (vgl oben in FN 2) in der vorzeitigen Auflösung eines Miet- und Pachtvertrags eine Leistung des Vermieters bzw Verpächters gesehen. 26) Hessisches Finanzgericht 28. 4. 2003, 6 K 982/99, EFG 2003, 1421 (mit Anm Büchter-Hole). 27) Vgl das in FN 1 zitierte Schrifttum; verteidigt wurde die BFH-Entscheidung vor allem von Martin, UR 2006, 56, die als Mitglied des V. Senats des BFH damit vor allem ihre eigene Entscheidung rechtfertigt. 28) EuGH 15. 12. 1993, Rs C-63/92, EuGHE 1993 I-6665 = UR 1996, 90.

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558 RdW 8/2008 Artikel-Nr. 521 eine Änderung des Mietvertrags dar und muss so wie dieser unter den Begriff „Vermietung von Grundstücken“ fallen29). Wird im Verzicht des Vermieters auf Fortsetzung des Mietverhältnisses gleichfalls eine umsatzsteuerbare Leistung gesehen – wie dies der UFS annimmt –, fällt folglich auch dieser nach Lubbock Fine & Co unter den Begriff der „Vermietung von Grundstücken“. Damit ist aber auch der Verzicht des Vermieters, so wie der Verzicht des Mieters, ein grundsätzlich umsatzsteuerbefreiter Umsatz nach § 6 Abs 1 Z 16 UStG. Eine Umsatzsteuerpflicht würde sich nur dann ergeben, wenn das Bestandsverhältnis gesetzlich zwingend umsatzsteuerpflichtig wäre, wie etwa bei einer Vermietung zu Wohnzwecken30). Dies dürfte hier aber nicht der Fall gewesen sein, da die Post AG Räumlichkeiten in der Regel nicht zu Wohnzwecken mietet31). Fraglich ist, ob die Verzichtsleistung des Vermieters – wohlgemerkt: bei Annahme einer umsatzsteuerbaren Leistung – auch dann umsatzsteuerbefreit wäre, wenn für den zugrunde liegenden Mietumsatz auf Umsatzsteuerpflicht optiert wurde32). Die Ausführungen von Ruppe33) sind diesbezüglich unklar, da dieser die „Lubbock Fine & Co“-Entscheidung so zitiert, dass der Verzicht des Mieters auf die vom Vermieter erbrachte Dienstleistung, die eine Änderung des Mietvertrags darstelle, dann steuerfrei sein müsse, „wenn die Leistung selbst steuerfrei ist“. Dies könnte so verstanden werden, dass dann, wenn auf Steuerpflicht des Mietumsatzes optiert wird, diese Option auch auf den späteren Mietrechtsverzicht durchschlägt. ME kann Lubbock Fine & Co diese Aussage nicht entnommen werden. Lubbock Fine & Co stellt nicht darauf ab, ob der zugrunde liegende Mietvertrag tatsächlich 29) Dass der Verzicht des Mieters eine umsatzsteuerbare Leistung ist, haben der EuGH und die Parteien des Verfahrens hingegen als selbstverständlich vorausgesetzt. 30) In diesem Fall wäre aber auch auf die Verzichtsleistung der ermäßigte Steuersatz anzuwenden (vgl Rz 890 UStR). 31) Zumindest findet sich in der Entscheidung kein Hinweis darauf. 32) Der Entscheidung kann diesbezüglich nichts Näheres entnommen werden. 33) UStG3 § 6 Rz 361.

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Steuerrecht umsatzsteuerpflichtig war, sondern welche Möglichkeiten das Gesetz für den Mietumsatz grundsätzlich zulässt. Bestehen sowohl die Möglichkeit einer Umsatzsteuerfreiheit als auch die Option auf Umsatzsteuerpflicht, müssen auch der Verzichtsleistung als grundsätzlich selbständigem Umsatz beide Möglichkeiten offenstehen34). Eine Option auf Umsatzsteuerpflicht für das zugrunde liegende Mietverhältnis kann daher nicht zwingend auf die Verzichtsleistung durchschlagen. Da im vorliegenden Fall die Entschädigungsleistung umsatzsteuerbefreit fakturiert wurde, hätte der Vermieter bei Annahme einer umsatzsteuerbaren Leistung von einer Option nicht Gebrauch gemacht. Die Verzichtsleistung der Vermieterin wäre somit – falls überhaupt als Leistung gesehen – umsatzsteuerbefreit gewesen. Die Berufungswerberin dürfte gegen die Entscheidung des UFS nicht Beschwerde beim VwGH erhoben haben; sie ist damit in Rechtskraft erwachsen. Man kann das der Berufungswerberin nicht vorwerfen. Es gibt viele Gründe, die gegen die Fortsetzung eines Rechtsmittelverfahrens sprechen – nicht immer sind diese die schlechtesten. Doch ist es schade, dass damit eine Möglichkeit vertan wurde, diese grundsätzliche und – soweit ersichtlich – vom VwGH, vor allem aber auch vom EuGH, bisher noch nicht ausdrücklich beantwortete Frage einer höchstrichterlichen Klärung zuzuführen. 34) So auch Mutz, Umsatzsteuerliche Behandlung von Mietrechtsablösen, SWK 2006, S 547 (S 549).

Der Autor: Mag. Dr. Norbert Bramerdorfer, LL.M. (LSE), ist Steuerberater bei Deloitte in Wien. Publikationsschwerpunkte sind das Umsatzsteuer- und Abgabenverfahrensrecht.

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