Steuerrecht
RdW 8/2008 Artikel-Nr. 520 555
■ RdW 2008/520, 555
Vorzeitige Vertragsauflösung: keine umsatzsteuerpflichtige Leistung Der UFS Graz vertritt in der E 21. 1. 2008, RV/0729-G/06, die Umsatzsteuerpflicht von Entschädigungszahlungen des Mieters bei einer vorzeitigen Entlassung aus dem Mietvertrag durch den Vermieter. Der Beitrag analysiert die Entscheidung und kommt zum Ergebnis, dass es bei kritischer Würdigung an einer umsatzsteuerbaren Leistung des Vermieters mangelt. Bei Annahme einer umsatzsteuerbaren Leistung wäre diese umsatzsteuerbefreit gewesen.
1.
Einleitung
Die Entscheidung des UFS behandelt ein Grundsatzfrage des Umsatzsteuertatbestands: die Voraussetzung für eine umsatzsteuerbare Leistung. Der konkrete Entscheidungsgegenstand des UFS, welcher über den Anlassfall hinaus Auswirkungen auf alle vorzeitigen, entgeltlichen Auflösungen von Dauerschuldverhältnissen hat, behandelt die Frage, ob der Vermieter bei vorzeitiger entgeltlicher Vertragsauflösung durch den Mieter eine umsatzsteuerpflichtige Leistung erbringt. Es handelt sich hierbei, im Gegensatz zum unbestrittenen umgekehrten Fall der vorzeitigen entgeltlicher Vertragsauflösung durch den Vermieter, um eine in Deutschland zwischen Fachschrifttum1) und höchstrichterlicher Rsp2) kontrovers beantwortete Rechtsfrage.
2.
Der Sachverhalt
Der Sachverhalt der Entscheidung ist schnell erzählt: Die Berufungswerberin vermietete seit 1982 Räumlichkeiten an die Republik Österreich (Post- und Telegraphenverwaltung). Beide Vertragspartner verzichteten vertraglich darauf, bis 1. 7. 2023 von ihrem Kündigungsrecht Gebrauch zu machen. 2004 kommt es zu einem Vergleich: Die Mieterin zahlt 125.000 € für eine einvernehmliche Auflösung des Mietverhältnisses zum 31. 7. 2004. Nach Ansicht des Finanzamts war der Vergleich mit der Mieterin (Post AG) als Verzicht auf Anspruch der Vertragserfüllung zu werten und der dafür bezahlte Betrag entsprechend zu „verusten“. In der dagegen erhobenen Berufung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die geleisteten Zahlungen seien laut Vergleichsvereinbarung als Entschädigung für den „Mietentgang“ bzw entgangenen Gewinn gewährt worden und daher als nicht steuerbarer pauschalierter Schadenersatz zu qualifizieren.
3.
Das Urteil des UFS
Der UFS sah sich vor folgender Ausgangssituation: Soweit der Verzicht des einwilligenden Vertragsteils auf Vertragserfüllung 1) Ablehnend zur Leistungsqualität: Reiß, Aufhebung, Übertragung, und Übernahme vertraglicher Leistungsverpflichtungen und -ansprüche, UR 2008, 58; Hummel, Urteilsanmerkung zu BFH 7. 7. 2005, V R 34/03, UR 2005, 665; Forster, Schadenersatz ungleich Schadenersatz? UR 2001, 199; zweifelnd auch Probst in Hartmann/Metzenmacher, UStG, Kommentar, § 1 Abs 1 Nr 1 Rz 318; für Österreich Doralt, Verzicht auf Vertragserfüllung umsatzsteuerpflichtig? RdW 2006, 179; vgl auch Rz 15 und 18a UStR; aus der Rsp vgl FG München, 3 K 476/97, EFG 2001, 465 (rkt). 2) BFH 21. 5. 1992, V R 66/86, BFH/NV 1995, 343; BFH 26. 3. 1998 XI B 73/97, BFH/NV 1998, 1381; BFH 7. 7. 2005, V R 34/03, UR 2005, 665; zustimmend Martin, Umsatzsteuer bei „Leistungsstörungen“, UR 2006, 56; Abschn 3 Abs 5 dUStR.
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Dr. Norbert Bramerdorfer, LL.M. Wien
einen selbstständigen wirtschaftlichen Nutzen verkörpert, sind die Entschädigungen steuerbar (Ruppe, UStG³ § 1 Tz 234). Die Entscheidung der Frage, ob die Zahlungen der Post AG iHv insgesamt 125.000 € zur Umsatzsteuer heranzuziehen sind oder als Schadenersatz nicht von der Umsatzsteuer erfasst werden, hänge sohin für ihn davon ab, ob zwischen der Vermieterin und der Mieterin ein Leistungsaustausch stattgefunden hat, mit anderen Worten: ob diese Zahlungen der Mieterin Gegenleistungen für Leistungen der Vermieterin waren. Dies ist im Berufungsfall nach Ansicht des UFS zu bejahen: Die Einwilligung der Vermieterin in die einvernehmliche Auflösung des Mietvertrags und die sodann termingemäß erfolgte Übernahme des Mietgegenstands durch die Vermieterin waren wesentliche Voraussetzung für die von der Mieterin erbrachte „Entschädigungsleistung“. Der Zahlungsverpflichtung der Mieterin stand die einvernehmliche Vertragsbeendigung (bzw die Einwilligung der Vermieterin in die Beendigung) gegenüber. Daraus ergab sich für den UFS, dass zwischen der Leistung der Vermieterin, nämlich der Grundstücksübernahme und der Aufgabe der Mietvertragsrechte, und der Gegenleistung seitens der Mieterin ein unmittelbarer Zusammenhang und damit ein Leistungsaustausch iSd UStG bestehe: Zweifelsohne hätte die Vermieterin einer einvernehmlichen Vertragsbeendigung (bzw dem ewigen Ruhen des Gerichtsverfahrens) nicht zugestimmt, hätte sich die Mieterin nicht im Gegenzug dazu zur Zahlung des „Entschädigungsbetrages“ verpflichtet. Der UFS verwies auf das Erkenntnis des VwGH vom 22. 2. 1963, 1308/60, sowie das Urteil des BFH vom 7. 8. 1969, BStBl II 696. In diesen Entscheidungen sprachen die Gerichtshöfe aus, dass vertraglich vereinbarte Zahlungen des Vermieters an den Mieter zur Abgeltung der mit der vorzeitigen Aufgabe der Rechte aus dem Mietvertrag zusammenhängenden Aufwendungen nicht Schadenersatz, sondern Entgelt aufgrund eines Leistungsaustausches darstellen. In beiden Fällen erfolgten die letzten Endes einvernehmlich vereinbarten vorzeitigen Vertragsauflösungen aus dem Grund, um allfällige langwierige Enteignungs- oder Kündigungsverfahren zu vermeiden. Wenngleich zwar im berufungsgegenständlichen Fall die Zahlung in „umgekehrter Richtung“ – vom Mieter an den Vermieter – erfolgte, hat hier nach Ansicht des UFS in rechtlicher Hinsicht nichts anderes zu gelten als in den zitierten Erkenntnisfällen. Hingegen gehe der Hinweis der Vermieterin auf das VwGHErkenntnis vom 12. 11. 1990, 88/15/0081, für den UFS fehl. In dem diesem Erkenntnis zugrunde liegenden Sachverhalt erfolgte vonseiten des Leasinggebers (einseitig) berechtigterweise eine vorzeitige Auflösung aus vertraglich vereinbarten wichtigen Gründen, welche zur Folge hatte, dass der Leasingnehmer eine „Schadenersatzleistung“ in vertraglich vereinbarter Höhe (die
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