GROOVE #102 - STUDIOBERICHT STEVE BARNES

Page 1

technik >> studiobericht

STUDIOBERICHT

STEVE BARNES Nach Jahren des Changierens zwischen innerer Resignation und kölschseliger Selbstzufriedenheit entwickelt die Kölner Musikszene derzeit fühlbar mehr Dynamik. Dazu trägt nicht zuletzt das höchst umtriebige Label-Triptychon von Jacqueline Klein und Riley Reinhold, bestehend aus My Best Friend (MBF), Traum Schallplatten (Traum) und Trapez, bei. Und wenn dann noch waschechte Briten wie Steve Barnes ihren Hauptwohnsitz an den Rhein verlagern, um hier ihre Musik zu produzieren und zu veröffentlichen, dann darf das doch als Beweis für die Lebens- und Arbeitsqualität dieser Stadt gelten. Text: Numinos Bild: Alfred Jansen

Würde Steve Barnes neben Blueshift, Cosmic Sandwich und Process noch ein weiteres Pseudonym benötigen, wäre „Relax“ ein durchaus zutreffendes, denn der sympathische Brite ist ein angenehm entspannter und gleichzeitig aufmerksamer Gesprächspartner. Barnes kann zu Recht sorgenfrei auf die letzten Jahre zurückblicken. Nachdem er sich in seiner Heimatstadt Brighton jahrelang in einem typischen Nine-to-five-Job mit Lebensversicherungen beschäftigte, nahm sein Leben eine erfreuliche Wendung: Anfang der Neunziger entließ sein Arbeitgeber massenhaft Mitarbeiter, mit noblen Abfindungen. Und wo 80 Prozent der Werktätigen ihre Welt zusammenbrechen sahen, machte Barnes den Sekt auf: „Ich meine, das ist doch völlig abstrakt, was man so im Büro macht...“ So nahm er seine Abfindung und kaufte sich etwas noch Abstrakteres: Musikequipment. Weit entfernt von spektakulären Erleuchtungsmythen anderer Musiker sagt Barnes mit angenehmem britischen Understatement: „Es war irgendwie so, als ob nicht ich die Entscheidung, Musiker zu sein, getroffen hätte, sondern sie für mich getroffen wurde, als ich aus der Firma ging.“

42

HARDWARE Nach einigen Experimenten mit verschiedenen Drumcomputern und Synthesizern landete Barnes beim Kurzweil K2000-Sampler, mit dem er seine ersten Veröffentlichungen realisierte. Im neuen Jahrtausend angekommen, zu einer Zeit, in der sich fast die gesamte musikproduzierende Welt bereits mit Plug-Ins und Digitalpulten beschäftigte, kaufte sich Barnes den Yamaha RS7000 – eine der letzten (neben den MPCs von Akai) „großen“ HardwareSampler/Synthesizer-Workstations – und erlebte damit eine Potenzierung seiner Produktivität. „Eigentlich habe ich die letzten vier Jahre alles mit dieser Maschine gemacht, und es gibt nichts Besseres, als wenn du nur ein Instrument benutzen musst. Ich habe eine Arbeits-Ästhetik, die darauf ausgerichtet ist, alles in einem Gerät zu machen. Wenn ich ein RiesenEquipment hätte, würde ich mich wahrscheinlich in der Suche nach Sounds verlieren.“ Einen weiteren Vorteil der konzentrierten Arbeit mit einer einzigen Maschine sieht Barnes in der klangliche Einheitlichkeit, die dann entsteht, wenn alle Signale nur durch einen Wandler laufen: „Ich würde nicht sagen, dass meine Musik perfekt gemischt ist, aber weil ich bisher alles in einem Gerät gemacht habe, bekomme ich einen sehr homogenen Mix. Wenn ich mit Sounds davon (klopft auf die Electribe) arbeiten will, sample ich die deshalb in den Yamaha.“ Schlussendlich wandern die fertigen Stücke

»DASS ICH VOM HARDWARE-BACKGROUND KOMME, HILFT MIR, EINEN SCHLUSSSTRICH UNTER TRACKS ZU ZIEHEN UND ZU SAGEN: JETZT REICHT’S FÜR DIESEN MOTHERFUCKER.« direkt aus dem Stereo-Out des RS7000 auf CD und gehen danach zum Mastering. Auch hier ist der Mann, der mit seinen Cosmic-Sandwich-Covern der Technoszene ein heiteres Augenzwinkern zuwirft, nicht pingelig: „Ich meine, du arbeitest ja mit synthetischen Sounds aus dem Computer. Die sind im Grunde sehr berechenbar. Wenn du es zu 80 Prozent schaffst, ein homogenes Klangbild zu erreichen, dann ist das schon in Ordnung. Bei 90 Prozent meiner Tracks gibt das Mastering-Studio dann sein OK.“


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.