GROOVE #132 - TECHNIK

Page 1

technik Virtuelle Emulationen edler Analog-Hardware sind nach wie vor ein ebenso beliebtes, wie umsatzstarkes Terrain für Plug-in-Entwickler. Dass aber auch Native Instruments dabei mitmischen, und zwar in Form von drei legendären Vintage-Kompressoren, überrascht dann doch.

N a t i v e In s t r u m e n t s V i n t a g e C o m p r e s s o r s P l u g - i n - K o m p r e s s o r - P a k e t

Was hier vernehmliches Raunen in den vorderen Reihen ver­ ursacht, sind drei Kompressor-Emulationen, deren Vorbilder zu den wohl begehrtesten Klassikern im Bereich der Dynamik­bearbeitung zählen. Schon das Aussprechen der Namen „DBX 160“, „Teletronix LA-2A“ und „Urei 1176“ führt bei erfahrenen Tontechnikern zu wissendem Kopfnicken. In der Regel bedarf es nicht mal des vorangestellten Hersteller­ namens: Man sagt „LA-2A“ oder „1176“, und Eingeweihte sind im Bild. Bei Native Instruments verzichtet man aller­ dings aus lizenzrechtlichen Gründen auf die Nennung von Herstellern – wie übrigens fast alle Plug-in-Anbieter bis auf Universal Audio, die die Markenrechte besitzen. Darum wurden die Dynamik-Emulationen hier mit den Kurzformen VC („Vintage Compressor“) 76, 2A und 160 betitelt. Ganz im Sinne der hauseigenen Produktphilosophie, die auf redu­ zierten Playern der entsprechenden Vollversionen basiert (unter anderem K o n t a k t , K o r e ), laufen die VCs alle innerhalb der G u i t a r R i g -Plattform. Praktisch war das für die schwedischen Partner von Softtube, die sich so aus­ schließlich mit dem Modeling der Originale beschäftigen konnten, ohne sich um Software-Schnittstellen kümmern zu müssen.

Installation Für den Anwender heißt das aber, dass er den kompletten G u i t a r R i g 4 -Player installieren muss, um das DynamikTrio zu betreiben. Das geht mit – für ein Audio-Plug-in – mons­ trösen 365 Megabyte einher. Zwar erhält man dadurch noch eine ganze Reihe zusätzlicher Plug-ins wie EQs, Filter oder Effekte aus der F a c t o r y -Library. Aber in der Regel wird man bereits entsprechende Anwendungen im Einsatz haben, sodass der Daten-Wasserkopf meist in krassem Missver­ hältnis zu den wirklich genutzten Programmkomponenten stehen dürfte. Im virtuellen Rack präsentieren sich die Pegelbegrenzer dann in hübscher, detailgetreu den Origi­ nalen abgeschauter Optik. Die Software-Klone haben ihren Vorbildern allerdings zwei zuschaltbare Features voraus: eine frequenzabhängige Sidechain-Schaltung und einen Mixregler, mit dem sich komprimierte und unkomprimierte Signale frei mischen lassen (Stichwort: ParallelKompression).

Den Originalen gemein ist ihr sehr charak­ teristisches Regelverhalten, was sie zu Spezi­ alisten in ihrem jeweiligen Aufgabenbereich macht. So ist der LA-2A immer dann gefragt, wenn es um langsame Release-Zeiten geht, wenn man Material also über längere Zeit­ abschnitte homogenisieren möchte. Der 1176er ist das genaue Gegenteil: Mit seinen ultrakurzen Release- und Attack-Zeiten ist er die Waffe der Wahl, wenn es darum geht, Transienten zu formen, die zum Beispiel bei bestimmten Stimmlauten oder spitzen DrumAttacks auftauchen. Und der 160er hat sich als universeller „Dickmacher“ für Gesang und Einzelinstrumente einen Namen gemacht, nicht zuletzt wegen seiner einfachen Bedien­ barkeit mit nur zwei Regelelementen. Die Emulationen von Native Instruments kommen ihren Vorbildern klanglich durch die Bank nah: Im direkten Ver­ gleich mit den Originalen (LA-2A und 160er) ließ sich kein signifikanter Unterschied bei der Dynamikbearbeitung fest­ stellen. Die Emulationen sind sogar in Extrembereichen noch detailgetreu: So kommt es beim Original-1176 im All-ButtonModus und mit extrem kurzen Attack- und Release-Zeiten zu einem flatterigen Sound, da hier das Regelverhalten den einzelnen Wellenzyklen eine Rechteck-Signatur aufdrückt – und sogar das ahmt die Software nach. Nicht ganz original­ getreu wurde offenbar die Parametrisierung der Eingangs­ verstärkungen umgesetzt, denn die Plug-ins agieren mit einer wesentlich kräftigeren Anhebung als ihre HardwarePendants. Das ist aber letztlich eine Abweichung, die man gern in Kauf nimmt. Schließlich arbeitet man ja nicht mit Stromspannungen, sondern mit Bits und Bytes – und da ist eben prinzipbedingt mehr Pegelhub drin.

Fa z i t Power-User, bei denen Zeit Geld ist, dürften sich höchst­ wahrscheinlich am dickschiffigen Player-Konzept stören. Auch braucht es immer zwei bis drei Schritte mehr (Player laden, Kollektion auswählen, zum Plug-in browsen und in Rig laden), um den gewünschten Klangverbieger in den Audiokanal zu befördern, als beim direkten Aufrufen eines VST- oder RTAS-Plug-ins. Wer aber ohnehin schon G u i t a r R i g im Einsatz hat, dem sei das Paket allerwärmstens – und „warm“ trifft klanglich den Nagel auf den Kopf – empfoh­ len. Besonders der LA-2A und Bässe sind bekanntlich ein Gespann wie Essig und Öl. Die Emulationen reichen in ihrem klanglichen Wirkungsgrad so nahe an die Originale heran wie sonst nur die Plug-ins von Universal Audio. So kann man sie jedem empfehlen, der auf der Suche nach dem speziellen Sound der Klassiker ist und nicht über die finanziellen Mittel verfügt, sich die echte Hardware ins Studio zu holen. Und im Vergleich zu den Originalen hat die Software mit ihrem Mix-Regler und der Sidechain-Schaltung sogar zwei nützliche Features voraus. Text :

Numinos

UVP Paket: 199 Euro / UVP einzeln: je 99 Euro


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.