D
ass Christian de Luca und Michael Fakesch nicht erst seit gestern Musik machen und bereits die vierte Dekade ihrer Lebenszeit eröffnet haben, wird spätestens in dem Moment deutlich, als der Zeitpunkt für das Treffen auf zehn Uhr morgens festgesetzt wird – die Kids pünktlich in der Tageseinrichtung abzuliefern gewinnt im Zweifel nämlich gegen nächtliches Beatfrickeln. Gleichwohl beide Produzenten im beschaulichen Rosenheim nur achthundert Meter voneinander entfernt leben, haben sie sich untereinander fast für dieselbe Online-KollaborationsHerangehensweise entschieden, wie sie es mit ihren Gastkünstlern praktiziert haben. Während Fakesch im Fall der Gastsänger glaubt, den Hauptvorteil darin auszumachen, dass Musikmachen ja etwas sehr Intimes sei und er verstehen könne, dass viele Sänger sehr gerne bei sich zu Hause arbeiten, sieht er im Fall von Funkstörung vor allem die strukturierte Arbeitsteilung als Vorteil. Denn zum einen würde man in dem Moment, wo man Dateien hochlädt ja eine Entscheidung treffen. Zum anderen könnte dann derjenige daran arbeiten, der sich in dem entsprechenden Bereich (Komposition/Mixdown) am wohlsten fühlt und das vor allen Dingen dann, wenn er Lust darauf hat und nicht wenn das Studio gebucht ist.
Technik
Dongle weg, Cubase weg Er selbst ist – im Gegensatz zu seinem Kumpel Fakesch, der mit Cubase arbeitet – vor Jahren notgedrungen zu Ableton Live gewechselt: „Als ich ein halbes Jahr in Detroit war, hatte ich meinen Cubase-Dongle vergessen – da bin ich dann einfach auf Live umgestiegen und seitdem dabei geblieben“, sagt de Luca und gleichwohl die Summierungsengine von Cubase in Studiokreisen nach wie vor einen besseren Ruf hat als die von Ableton, war er es auch, der den Job des finalen Mixdowns der Funkstörung-Tracks übernommen hat. Dem aktuell omnipräsenten Sidechain-Effekt, der auch auf einigen Stücken des Albums hörbar ist, gewinnt er, neben der dynamischen Komponente, auch eine stilistische Ebene ab: „Es bringt ja auch eine Bewegung in die Musik, die früher in dieser Form nicht vorhanden war. Da war dann ein Sound und der war fett und konkurrierte dann oft so aufdringlich mit dem Beat – das ist durch Sidechain-Kompression schon alles viel luftiger und irgendwie auch unterhaltsamer geworden“.
Studiobericht
GROOVE 83
GROOVE 82
Technik
Fokus wichtiger als Tools Besonders dem Fällen von Entscheidungen kommt – bei der Arbeit am Rechner besonders, wie Fakesch meint – eine spezielle Bedeutung zu. Es sei gut, wenn einem zu Beginn eines Projekts alle Möglichkeiten offenstehen, es sei aber eher kontraproduktiv, sich bis zum Ende alle Möglichkeiten offenzuhalten. Entsprechend sind die Plugin-Ordner der beiden Musiker bis zum Bersten mit allen bekannten und unbekannten Klangverbiegern gefüllt, die der Markt zu bieten hat. Gerade die eher auf das rhythmische Geschehen spezialisierten Plugins haben in der Musik von Funkstörung (der Name ist hier Programm) eine besondere Bedeutung.
„Wir arbeiten oft mit relativ einfachen Grundbeats, die vom Microtonic oder auch aus Battery stammen können, wo dann alles draufkommt, was geht: Alles von Sugar Bytes, Sonic Charge, Soundtoys, Izotope, Illformed – um nur einige zu nennen“, sagt Fakesch. Damit würden sie dann total wahllos arbeiten, die Ergebnisse dann allerdings sehr schnell als Audiodateien exportieren, um an den Punkt zu kommen, sich auf bestimmte Abläufe und Breaks festlegen zu müssen. Genau an dem Punkt des präzisen, detailgenauen Editings läge dann eine der unverkennbaren Stärken ihres Projekts, glaubt Christian de Luca: „Man muss schon sagen, dass die Tools, die man verwendet, egal ob jetzt Rechner oder Hardware, für das Endergebnis irgendwo auch irrelevant sind. Entscheidend ist vielmehr, worauf du den Fokus legst – wo du viel Zeit und Energie verwendest, um Ideen und Sounds auszuarbeiten. Das passiert glaube ich ganz unterbewusst, macht aber am Ende die musikalische Handschrift aus.“
Michael Fakesch, Christian de Luca
Funkstörung
Hinter Funkstörung stecken die beiden Elektronik-Produzenten Christian de Luca und Michael Fakesch, die sich bereits im vergangenen Jahrzehnt des vorigen Jahrhunderts einen hervorragenden Namen im Segment der ausgefeilten IDM-Frickeltracks machen konnten. Auf ihrem Comeback-Album Funkstörung zeigen die beiden Großmeister des songdienenden Sounddesigns wieder, was echtes Studio-Kungfu ist: Denn vom ersten bis zum letzten Ton ihrer LP ist auch noch das winzigste Audio-Event nicht nur handprogrammiert und bis zur Perfektion ausproduziert – nein, es wirkt immer auch so, es müsse so und nicht anders in den Song eingebettet sein.