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o c s t Di ch i le r i e b b o M io d n u a t i S Si m
Okay, zwar konnten wir wegen der Schweinegrippe nur einen der beiden James’ von Simian Mobile Disco treffen, James Ford. Der andere, James Shaw, kümmerte sich derweilen liebevoll um seine vergrippte Ehefrau. Aber ein Grundpfeiler der britischen Popkultur wird ziemlich sicher auch dann noch Bestand haben, wenn die aktuelle Pandemie längst durch den nächsten mutierten Nutztier-Virus abgelöst worden ist: das seit KLF in Stein gemeißelte Erfolgsprinzip, dass zwei leicht nerdige Studio frickler mit einer wohldosierten Portion Rockattitüde und einem latenten Hang zur mitgrölbaren Hookline über Nacht die britischen Charts stürmen können. Te x t N u m i no s F o t o s M a d s P er c h ( P ort R ä t ) , N u m i no s
/ Wir treffen James Ford (der lockige, dunkel-
haarige der beiden James’ von Simian Mobile Disco) im „Premises“-Studiokomplex, einem Industriegebäude nördlich der Themse, in dem sich eine Mischung aus Proberäumen und Studios nebst angeschlossenem Straßencafé sowie sogar ein Portier findet. Nachdem wir einvernehmlich trotz der grassierenden Grippe 7 8 / GRO OV E
auf Atemschutz verzichtet haben, zeigt der 32-Jährige – angesprochen auf das kunterbunt zusammengewürfelte Sammelsurium an Equipment, das von edelster Analog-Hardware über billigste Effektgeräte bis zu Modularsynthesizer-Unikaten reicht – ein breites Grinsen und ulkt: „Im Grunde haben wir den ganzen Kram hier nur, um uns darüber hinwegzutrösten, dass wir schon seit Uhrzeiten erfolglos versuchen, einen Yamaha CS-80 zu ergattern.“ Diese charmante Zwangshandlung hat zur Folge, dass nun in diesem Studio ausreichend Klangerzeuger und -verbieger bereitstehen, um wirklich jeden Sound mit der Hand zu schrauben. Mehr noch: Nicht nur hat jeder Sound des neuen SMDAlbums Temporary Pleasure einen vollständig analogen Ursprung – er wurde dann auch noch ausschließlich mit analogen EQs und Effekten bearbeitet, wie Ford berichtet. I n s p i r at i o n a u s d e n G e r ät e n s e l b s t Spätestens hier enden aber die Gemeinsamkeiten mit den Dancefloor-Urvätern KLF. Denn wo Bill Drummond und Jim Cauty ihre TrackMotive noch hemmungslos aus der gesamten Musikgeschichte zusammensampleten, beziehen Ford und Shaw ihre Inspiration eher aus der Arbeit an ihren Synthesizern und Effekt-
geräten selbst. Dabei stellen SMD die Entwicklung, Analog-Synthesizer in Software-Synthies zu simulieren, auf den Kopf: Häufig bauen sie Klänge und Sequenzen, die unterwegs mit Ableton Live und Native Instruments Reaktor auf dem Laptop entstehen, im Studio mit ihrer Analog-Hardware nach. Ford erklärt, dass es sich dabei als optimale Methode herausgestellt habe, längere Abschnitte mit einem Gerät einzuspielen, wobei sowohl Modulationsfahrten als auch Effektschleifen über eine Länge von häufig mehr als einer Viertelstunde aufgenommen werden. Auf der Basis von manchmal nur einer einzigen Sequenz entstehen dann beim Schneiden in Pro Tools nicht nur die Breaks und Variationen, sondern bildet sich sehr häufig auch die eigentliche Songstruktur heraus. So drehen die beiden Produzenten ihre Sequenzerlinien in Echtzeit mit allen denkbaren Variationen und Effekten an echter Hardware und nehmen nicht nur ein kurzes Loop, das sie dann nachträglich im Rechner verändern. Ford gesteht, dass er und sein Bandkollege von dieser Herangehensweise und dem Sound, den sie dabei erzielen, wirklich besessen sind und ergänzt: „Was wir in Pro Tools machen, ist eigentlich nur Basiskram, also LautstärkenVerhältnisse, Fades und manchmal einen Low-Cut. Aber wenn es darum geht, den Klang
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wirklich zu formen, dann nehmen wir immer ein Outboard-Tool.“ Dabei sind Ford und Shaw nicht wählerisch, was Preisliga und Qualität der Hardware angeht. Je nach gewünschtem Ergebnis kommt dann beispielsweise ein modifiziertes FlohmarktDelay der Firma Boss für zwanzig Pfund zum Einsatz oder ein zweitausend Pfund teures Schlachtschiff vom Kaliber eines raren Lexicon Model 200. Sogar die alte Revox-Bandmaschine, die im Studio in trauter Nachbarschaft neben einem seltenen Siel-Cruise-Synthesizer steht, ist nicht nur hübsche Dekoration. Sie wird häufig als manueller Flanger zweckentfremdet, indem eine Spur auf Band gebounct und dann bei der parallelen Wiedergabe mit dem Originalsignal die Spule mit der Hand abgebremst oder angeschoben wird. Glaubt man nun, das ganze analoge Hin- und Hergefrickel sei eine Heidenarbeit und SMD schlössen sich dafür wochenlang mit einem Track ein, ist man überrascht, wenn man erfährt, dass die beiden einen Track oder Remix üblicherweise innerhalb von einem oder zwei Tagen fertigstellen. H o h e s M a SS a n O r g a n i s at i o n Die analoge Herangehensweise erfordert zweifellos ein hohes Maß an Organisation, da die kleinste musikalische Einheit, auf die nachträglich noch zugegriffen werden kann – anders als bei volldigitalen Projekten, wo jeder noch so kleine Audiofitzel noch veränderbar ist –, sogenannte Stems sind, also vorgemischte Gruppen zusammengehöriger Sounds, auch „Subgruppen“ genannt. Überhaupt ist das Layern und Stacken ein beliebter Sport von SMD, dem sie, wo immer sinnvoll, ausgiebig nachgehen. Ein bei ihnen beliebter Trick ist es, hohe
// E s s i n d t a u s e n d k l e i n e D i n g e , die sich nach Jahren zu Erfahrung summieren.
Leadsynthesizer mit einer zweiten Spur zu doppeln. Was dann, wenn der obere Synthie immer weiter moduliert und in die hohen Frequenzen verschoben wird, im Mittenbereich noch ausreichend Durchsetzungsreserven bereithält, damit die eigentliche Melodielinie weiter tragfähig bleibt. Aber auch die Drums in SMD-Tracks entstammen fast ausschließlich der Schichtung von Einzelklängen, wie etwa ein Blick auf das Arrangement des Stücks „Synthesise“ zeigt: Nicht weniger als vier Klangfragmente sind hier für den Basskick verantwortlich. Zwei kurze Impulse bringen die nötige Knackigkeit in den Mitten und Höhen, zwei weitere, etwas langsamer ausschwingende Sounds sorgen für den nötigen Druck untenrum. Gefragt, wo und wie er sich sein robustes Fachwissen in Bezug auf Studiotechnik und -techniken angeeignet habe, zählt James Ford auf: „Fachliteratur lesen, anderen Tontechnikern und Produzenten auf die Finger schauen, aufmerksames Hören, in unterschiedlichen Studios arbeiten, tagelanges Experimentieren, um einen bestimmten Sound zu erzeugen, und, und, und ... Es sind tausend kleine Dinge, die sich nach Jahren zu so etwas wie Erfahrung summieren.“ Ein Grund, warum er so gern mit Analog-Hardware arbeitet, sei die Tatsache,
dass jedes Gerät, so gut man es auch kenne, im Gegensatz zu DSP-Algorithmen, die stets gleichförmig reproduzierbare Ergebnisse liefern, in den Tiefen seiner Schaltungen immer wieder neue klangliche Feinheiten bereithalte. Und der Reiz besteht für ihn darin, eben diese zu entdecken. Temporary Pleasure ist bei Wichita/ Universal erschienen. .........................................
EQUIPMENT (auszugsweise): Software: Digidesign Pro Tools 8 Outboard: Apogee Rosetta 800 Boss Pitch Shifter/Delay (circuit bended) DBX 166, Digidesign 96 Digitech PDS-1002 (circuit bended) Dynacord Echochord Super 76 Empirical Labs EL8 Korg VCF, Focusrite Octa-Pre Ibanez AD-220, Lexicon Model 200 Mackie Big Knob Maestro PS-1 Phase Shifter Maplin Electronics Voice Vandal Palmer Speaker Simulator Revox B 77 MKII, Simmons Clap Trap SSL G-Series Compressor TL Audio Dual Valve EQ TL Audio Ivory 2 5013 Dual Valve EQ Termonic Culture The Culture Vulture Universal Audio LA-610 Urei 1176 LN, Urei LA-4 Ursa Major Space Station SST-282 Synthesizer & Sampler: Analogue Solutions Modularsystem Custom Modular System EMS High Fly Klone Dual Percussion Synthesizer Korg MS-20/SQ-10 Linn Electronics Linndrum Roland TR-909 Roland Juno 106 Siel Cruise Siel Sielorchestra Solina Solinastring Yamaha CS-15 Monitoring: Quested VS2108, Yamaha NS 10 Mischpult: Soundtech Series A (Rundfunk-Mischpult, wird bei SMD als Summierer verwendet) GRO OV E / 7 9