Technik
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ch i r e ob
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A IR
Nicolas Godin, Jean-Benoît Dunckel
Air haben das Rhodes-Piano in all seiner Bedeutungsschwere oder die wehmütig wabernden Flächensounds des Mellotrons in ihre Tracks eingebaut – und damit die oft gefühlsduselige, manchmal aber geniale kosmische Musik der siebziger Jahre als urbanen Qualitätspop ins neue Jahrtausend gerettet. Anlässlich ihres Albums Love 2 haben wir Jean-Benoît Dunckel und Nicolas Godin in ihrem neuen Atlas-Studio in Paris besucht. Te x t N u m i no s
F o t o s K a i J ü ne m a nn
/ Branchengeraune zufolge gelten Air als
schwierige Interviewpartner, die sich eher wortkarg geben und sich nur ungern zu ihrer Musik äußern. Die Gerüchte scheinen sich zu bestätigen, als Jean-Benoît Dunckel mit einem kurzen „Salut“ den Aufnahmeraum betritt und sich direkt an seinen Flügel begibt, um dort eine brillante pentatonische Improvisation abzu liefern. Doch als er bald darauf mit seinem Air-Partner Nicolas Godin entspannt auf dem Studiosofa sitzt, erklärt er, dass so ein kurzer Klangsturm halt der beste Einstieg in einen Studiotag sei – gewissermaßen ein Signal, das den eigenen Geist und die Moleküle des 7 4 / GRO OV E
Studios auf den kreativen Prozess einstimmt. Von Einsilbigkeit kann danach keine Rede mehr sein. Dunckel berichtet, dass eigentlich alle Stücke, die Air jemals gemacht haben, aus solchen Improvisationen heraus entstanden seien. „Häufig wird ja vermutet, dass wir sehr methodisch an unsere Stücke herangehen, dass wir gewissermaßen ein Sound- und Kompositionskonzept haben“, sagt er. „Aber das stimmt nicht – wir planen absolut nichts.“ Der Gerätepark mit edler Analog-Hardware, den Godin und Dunckel über die Jahre gesammelt haben, ist sicherlich ein entscheidender Faktor für den typischen Air-Sound. Unverzichtbar ist laut Godin dabei allerdings nur eine Handvoll Geräte: das Fender Rhodes, der Yamaha CS-60, der Memorymoog, das Memotron (ein immer noch erhältlicher Nachbau des Mellotrons) und natürlich der Korg MS-20. D i e i n nere Struktur ist e nts c h e i d e n d Letztendlich aber ist für Air entscheidend, dass die innere Struktur ihrer Lieder logisch ist, berichten die beiden. Godin verwendet hier sehr häufig den Begriff der „Fehler, die es zu vermeiden gilt“ – und meint damit nicht etwa
falsche Noten, sondern das Anstreben jener arrangementtechnischen Perfektion, die seit jeher wirklich gute Popmusik ausmacht. „Der Bass ist zum Beispiel so eine Konstante, die für Air ungeheuer wichtig ist“, berichtet er. „Wir verwenden sehr viel Zeit darauf, die wirklich perfekte Basslinie zu finden. Wir sitzen mit unseren Kopfhörern stundenlang im selben Raum, und jeder lässt dem anderen so viel Zeit, wie er braucht, um seine Sache zu perfektionieren: Einer spielt sein Instrument, der andere regelt den Sound.“ Dabei nutzen Air ihr Pro Tools-System nicht voll aus, sondern sie verwenden es lediglich als Bandmaschine, wie Godin verrät. Mehr noch: Tatsächlich sei es so, dass die beiden ihre Stücke mit allen Abschnitten und Breaks zunächst komplett durchkomponieren und diese erst im Anschluss einspielen – Spur für Spur von Anfang bis Ende. Dabei ist Airs neues Atlas-Studio, das sie sich mit besonderer Sorgfalt beim Akustikdesign von Grund auf haben bauen lassen, ein Ziel, schwärmt Dunckel, das sie nach Jahren des Arbeitens in Mietstudios endlich erreicht haben: „Wir sind gerade auf einer Art Nostalgietrip und wollen wieder genau so arbeiten wie damals als Teenager, als wir in Nicolas’ Studio in Montmartre angefangen