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Darkstar Studiobericht
„Hätten wir bloß die Klappe gehalten“, grummelt James Young, eine Hälfte von Darkstar. Denn mit der Ankündigung ihres Debütalbums haben er und sein Partner Aiden Whalley – seit ihrem Ohrwurm „Aidy’s Girl Is A Computer“ ohnehin Shootingstars bei Hyperdub – sich mächtig unter Zugzwang gesetzt. Bei einem Studiobesuch konnten wir jedoch erfahren, dass Darkstar am Ende herzlich wenig mit dem unverändert lärmenden Dubstep-Rummel zu tun haben. Die beiden Engländer wollen einfach nur in Ruhe ihre Vision von perfekten Popsongs umsetzen. Te x t N u m i no s
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F o t o s M a d s P er c h
Der Begriff „Studio“ ist ziemlich schmeichelhaft für den Arbeitsraum von Darkstar, einer einfachen Dachwohnung in unmittelbarer Nähe der Bahnstation Clapton, die anonyme Pendlertristesse verströmt. Aber immerhin begrüßt der indische Kioskbesitzer im Erdgeschoss des Hauses James Young beim Vornamen, als dieser sich mit Dosenbier bevorratet. Der Händler scheint zu wissen, dass dies nicht das letzte Sixpack ist, das er an diesem Abend an die beiden verkaufen wird. Hat man sich dann durch das schludrig renovierte Treppenhaus des – zwecks Mieteinahmen-Maximierung in unzählige Wohneinheiten zerstückelten – Hauses bis unters Dach vorgearbeitet, deutet in dem Appartement zunächst wenig darauf hin, dass hier zwei der derzeit gefragtesten Musiker Londons malochen. Zwei Macbooks in Verbindung mit zwei Korg-R3-Synthesizern, dazu einige Gitarren und ein DJ-Setup sind die einzigen Indizien, die Rückschlüsse auf Audio-
aktivitäten zulassen. „Alles nur ein Haufen billiger Scheiß“, sagt Young, der sich, direkt von der Arbeit kommend, erstmal mit einem kräftigen Schluck Bier und einem tiefen Zug an seiner Kräuterzigarette aus dem bürgerlichen Alltag befreit. Aiden Whalley nickt zustimmend beim Öffnen seiner Dose. Aber er betont, dass das billige Equipment nicht im Geringsten hinderlich sei. Denn am Ende zähle für Darkstar nur die Idee, die einen Song zusammenhält, und nicht der Sound. So stehe am Anfang eines jeden Tracks erst mal traditionelle Kompositionsarbeit. „Wir schreiben ganz klassisch Songs, mit Kadenzen, Melodielinien und Texten. Eine solide Basis eben – wenn die steht, ist es danach eigentlich völlig egal, was für Sounds man verwendet, damit die Nummer funktioniert“, beschreibt Young den Schaffensprozess. Das Erkenntnisinteresse in Bezug auf Sounddesign und Mischung sei im Hause Darkstar darum halt
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eher gering, Equalisierung und Mixdown gehörten eher zu den lästigen Aufgaben. Das gehe sogar so weit, dass sich die beiden gern einen Engineer oder Produzenten mit ins Boot holen würden, um sich nur noch auf das Entwickeln von Songideen konzentrieren zu können. Young ergänzt, dass er und sein Partner in Produktionspausen häufig Tracks hören und harmonisch analysieren: „Es macht einfach Spaß, wenn man in der Lage ist, eine Idee, die man dann hört, bis auf den Kern zurück zu verfolgen. Wenn man also am Ende genau weiß, wie Sachen funktionieren.“
eine musikalische Idee hörbar sein. Ganz ohne Technik wollen Young und Whalley dann aber doch nicht arbeiten. Und besonders die Gesangsaufnahmen zeugen von akribischer Kleinarbeit. Bei der Ausarbeitung der unzähligen Mikrobreaks, Stotter- und Filtereffekte in den Einzelspuren machen Darkstar ausgiebig Gebrauch von einer Software aus deutschen Landen: Effectrix von der Berliner Software-Schmiede Sugar Bytes ist hier häufig die Waffe der Wahl. Und auch um den Vocoder,
versteht, warum sich die beiden mit der endgültigen Zusammenstellung in Albumform so schwer tun. „Es sind eigentlich nur zwei Stücke, an denen wir noch knabbern und die einfach nicht in den Albumkontext passen wollen“, sagt Young. „Wir gehen vor und zurück – mittlerweile sind wir fast schon so weit, daraus einfach eine Sechs-Track-EP zu machen.“ Denn das Gros der Stücke, die in sich absolut stimmig sind, würde durch das Hinzufügen jener kritischen Tracks, die nicht dazu
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Der perfekte Song An diesem Punkt wird die Klassifizierung von Darkstar als Dubstep-Projekt denn auch endgültig abstrus. Denn wo andere UK-Produzenten sich einen Wolf schrauben, um die nächste spektakuläre LFO-Bass-Attraktion zu basteln, interessieren sich Whalley und Young im Kern nur für eins: den perfekten Song. „Für uns ist der Druck einer Basslinie völlig unwichtig, uns interessiert nur die musikalische Funktion – deshalb ist uns auch diese ganze Dubstep-Einordnung eher unverständlich“, erregt sich Young und greift in die Tasten des Korg R3, um einen typischen Bass von Darkstar zu spielen. „Wie du hörst, ist das ein sehr einfacher, fast schon akustisch klingender Bass. Den mögen wir sehr, denn damit können wir die harmonische Aussage eines Stücks viel besser auf den Punkt bringen als mit irgendwelchem LFO-Geschwurbel.“ Sein Partner Whalley ergänzt, dass es ihr Ziel sei, zu keinem Zeitpunkt in einem Stück klangliches Füllmaterial zu verwenden, das lediglich die Zeit mit Frequenzen füllt. Vielmehr solle in jedem Takt
der auf „Aidy’s Girl Is A Computer“ zum Einsatz kam, macht James Young kein Geheimnis. Er zeigt auf den Korg R3, der neben dem Logicinternen Synthesizer Sculpture einer der wesentlichen Klangerzeuger für alle elektronischen Sounds bei Darkstar ist. Fast schon sinfonisch Dann spielt Whalley eine Handvoll der neuen Stücke an, und es wird klar, dass der markante Vocodersound weitgehend Geschichte ist. Vielmehr leiht Gastsänger James Bottery, der im Darkstar-Studio mit einem preisgünstigen AKG-C3000B-Mikrofon direkt in einen M-AudioWandler aufgenommen wurde, nun allen Tracks seine Stimme. In Verbindung mit den Streicherspuren, die Young und Whalley von befreundeten Musikstudenten haben einspielen lassen, klingen die neuen Arrangements von Darkstar nun derartig entrückt, ja stellenweise fast schon sinfonisch, dass man nur zu gut
passen, unverhältnismäßig viel verlieren. Angesprochen auf das Mastering und die hitzig geführte Diskussion über Lautheit gibt Whalley noch zu Protokoll, dass er und sein Partner hier keine Probleme hätten. Denn für alle Veröffentlichungen von Hyperdub ist das renommierte Masteringstudio Exchange in London verantwortlich. Und dort trete man mit entsprechender Sorgfalt an das Klangmaterial heran. „Die Dynamik darf nicht im Widerspruch zum Track selbst stehen – wenn ein Stück sich episch aufbauen und langsam ausklingen soll, muss da auch noch genug Raum in der Dynamik sein, damit das überhaupt stattfinden kann“, sagt Young. Aber natürlich spreche nichts dagegen, ein Stück durchgängig laut zu machen, wenn es denn ein durchgängig lautes Stück ist. So philosophieren Young und Whalley weiter, während sie Exportbiere ihrer Bestimmung zuführen und immer tiefer in das Studiosofa einsinken. Ihre im Hintergrund laufenden epischen Trackmonster sprengen mit Leichtigkeit die triste Enge dieser Dachwohnung. Und über die beständige Unzufriedenheit darüber, dass sie ihrem Album nicht die endgültige Form geben können, scheinen beide noch gar nicht bemerkt zu haben, dass sie längst ihren unverwechselbaren Stil gefunden haben. .........................................
Monitor: Fostex
Klangerzeuger: Korg R3 Synthesizer/Vocoder
Wandler: M-Audio 1814 Firewire Audiointerface
DAW: Apple Logic Audio
Software: Native Instruments Guitar Rig Sugar Bytes Effectrix
Mikrofon: AKG C3000 B
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