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Aeroplane Studiobericht
Ein Besuch im Studio von Aeroplane gleicht einem konspirativen Treffen. Denn um Vito De Luca, den – nach der einvernehmlichen Trennung von Stephen Fasano – verbliebenen Produzenten hinter Aeroplane zu treffen, mussten wir tief ins belgische Niemandsland fahren. Dort, irgendwo zwischen Charleroi und Namur, in einer tristen Ansammlung lieblos in die Landschaft geworfener Sozialwohnungen, hieß es dann, an einem kaum leserlichen Klingelschild mit einer anonymen Nummer zu klingeln und den Mut aufzubringen, in einen seit Jahrzehnten ungewarteten Aufzug zu steigen. Te x t N uminos
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Fotos ? ? ?
Oben angekommen begrüßt uns ein vom Bestival-Festival noch etwas angeschlagener, ansonsten aber bestens gelaunter Vito De Luca und führt uns direkt an den Ort seines Schaffens, sein früheres Kinderzimmer. Der Belgier mit italienischen Wurzeln ist ganz offensichtlich nicht gerade mit dem goldenen Löffel im Mund geboren worden. Und die Tatsache, dass er trotz der Erfolge von Aeroplane hier nach wie vor seine bescheidene Homebase unterhält, verstärkt nur den sympathischen, straßenkrediblen Eindruck, den man von dem VollblutMusiker kriegen kann. Beim Blick auf die ausgesuchte Sammlung legendärer Synthesizer drängt sich unweigerlich die Frage auf, wie er sich die hat leisten können. De Luca blickt lächelnd auf seine Hardware und antwortet, dass er wirklich sehr viel Glück beim Kauf von Geräten habe. „Vor Jahren gab es hier in der Nähe einen kleinen Musikladen – hauptsächlich mit so
Sachen wie Flöten, Gitarren und Akkordeons“, erinnert sich De Luca. Eines Tages wollte er dort eigentlich nur Kabel kaufen, da sah er, wie die Verkäuferin einen Roland Jupiter-8 für Ebay fertig machen wollte. Auf die Frage, was sie damit vorhabe, antwortete die sie, dass das irgendeine Orgel sei, die seit Jahren im Lager stehe. Auf dieFrage, was denn die olle Orgel kosten solle, sei der Synthesizer, der heute den klangliche Nukleus von Aeroplane bildet, für gerade mal dreihundert Euro in seinen Besitz gelangt. Auch ein weiterer Schatz aus dem Roland-Arsenal schien nur auf ihn gewartet zu haben – und bestätigt die alte Mär von den Geräten, die ihre Besitzer finden und nicht umgekehrt. „Ich hatte gerade eine Roland RS-505 Paraphonic String Machine für unfassbare 250 Euro ersteigert“, erzählt De Luca, „und mein Manager fuhr dahin, um das Gerät abzuholen. Er rief mich dann an und sagte, dass der Verkäufer ein Alleinunterhalter sei,
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der für denselben Preis auch noch einen Drumcomputer abzugeben habe, der originalverpackt im Regal stehe. Ich fragte, welche Nummer auf der Verpackung stehe, und als er ‚acht null acht’ sagte, konnte ich nur noch ‚Ja, kaufen’ japsen (lacht).“ Tatsächlich war diese 808 komplett unbenutzt, so dass noch eine Originalschablone mit einer Schnellanleitung zur Programmierung dabei lag, die De Luca noch nie gesehen hatte. „So wurde Disco gemacht!“ Als das Gespräch anschließend auf die klanglichen Qualitäten des Jupiter-8 kommt, scheint es, als hätte der ohnehin quirlige Belgier ein zweites Akkupack Lebensenergie aktiviert. Alle Restmüdigkeit vom Bestival-Festival ist endgültig verfolgen. De Luca geht zum Instrument, schaltet den Arpeggioator an, drückt drei Tasten, und die unvergleichlich warm klingenden Oszillatoren des Roland-Synthesizers beginnen zu arbeiten. „So wurde Disco gemacht, das ist alles!“, ruft der Musiker lachend: „Wenn du das noch vernünftig mit deiner Software synchronisiert bekommst, bist du der König der Welt.“ Weil der 28-Jährige zu jung ist, um diesen Sound im Original erlebt zu haben, hat er sich erst in der Retrospektive in analoge Hardware verliebt. Dabei versuchte De Luca, bestimmte Klangideale zu realisieren, was ihn schließlich sogar dazu brachte, auf Tonband aufzunehmen. „Als ich den Prophet-5 bekommen hatte, habe ich natürlich direkt angefangen, die Sounds zu programmieren und aufzunehmen, die in der Discoära mit diesem Gerät gemacht wurden“, erzählt er. „Aber es klang nicht so, wie der Prophet-5, den ich von den Platten kenne, die ich liebe.“ In stundenlangen Aufnahmesitzungen experimentierte De Luca ergebnislos mit Dynamik, Effekten und EQs – bis ihm die entscheidende Idee kam: „Tonband! Die haben verdammt noch mal auf Band aufgenommen damals.“ Seit diesem Tag ist eine 16-Spur-Tonband-Maschine von Fostex die erste Anlaufstelle für sämtliche Sounds aus dem Hause Aeroplane.
Im Gespräch und beim Hören der Aufnahmespuren des neuen Aeroplane-Albums We Can’t Fly wird schnell klar, dass De Luca sehr konzentriert nach der perfekten Einheit von Sound und Song sucht. Die Frage, ob die ausgefeilten Bläser, Streicher und Pianos des Albums und Samples sind, verneint De Luka energisch. Tatsächlich seien auf dem Album reale Instrumente zum Einsatz gekommen, die größtenteils von dem französischen Nouvelle-Chanson-Musiker Bertrand Burgalat orchestriert und dann mit kompletten Bläser- oder Streicherensembles aufgenommen wurden. „Ich habe mich an Plugins sattgehört“, sagt De Luca. „Das Erstaunliche ist die Tiefe und die Befriedigung, die man bei echten Instrumenten verspürt. Du kannst beispielsweise sehr schön ausschließlich den Pianopart des Stücks ‚Mountains Of Moscow’ hören – einfach als Pianostück. Das funktioniert bei virtuellen Sounds nicht. Die muss man immer erst aufwändig in ein Arrangement einbetten, damit das überzeugend klingt.“ Diesen Pianopart hat De Luca nach eigener Einschätzung mindestens sechzig Mal von vorn bis hinten eingespielt – um diese eine Aufnahme zu finden, bei der jede Note sitzt. „So macht man Platten!“, sagt er begeistert, während er die Stereospur abspielt: „Man nimmt Musik auf und verschiebt nicht einfach irgendwelche Klötzchen am Monitor.“ Akkorde aufbrechen Somit verwundert es nicht, dass bei Aeroplane die eigentliche Kompositionsarbeit – streng getrennt vom späteren Sounddesign – mit einem einfachen Piano beginnt. „Ich spiele mit zwei Händen und arbeite dabei immer schon mit vier- bis fünfstimmigen Akkorden“, berichtet er. „Die breche ich rhythmisch auf, und daraus entstehen dann die Melodien.“ Freude am Musikmachen, das entstehe vor allem durch das Spielen von Instrumenten. Dazu gehören für ihn sowohl seine Synthesizer und Drumcomputer, als auch die gesamte Studiotechnik. Bei letzterem kann er sich keine Alternative zur Analogtechnik vorstellen. So habe er sich bereits eine Röhrenkonsole von TL
Audio bestellt. „Wenn jetzt, nachdem das Album fertig ist, ein bisschen Ruhe einkehrt, werde ich mich sogar nach einem klassischen HardwareSequenzer umschauen. Ich möchte langsam dahin kommen, überhaupt nichts mehr am Computer zu machen. Vielleicht noch E-Mails lesen – vielleicht.“ In seiner Akribie und seinem Arbeitseifer auf dem Weg zum perfekten Sound hat De Luka sogar seine klanglichen Idole eingeholt – und überholt. „Die Leute sind einfach so verdammt faul geworden“, seufzt er: „Ich bin fast vom Glauben abgefallen, als Giorgio Moroder, nachdem ich mal etwas mit ihm zusammen aufgenommen hatte, sagte, dass er noch mal in Pro Tools nach einem Vocoder schauen wolle. Ich dachte: ‚Hey, du bist Moroder und willst allen Ernstes ein Plug-in-Vocoder benutzen?“ Er dagegen habe gerade aus der Schweiz einen Roland VP-300 bekommen – ein fantastisches Gerät. Das Album We Can’t Fly von Aeroplane ist bei Eskimo erschienen. .........................................
Monitoring: Yamaha
HS-80
Klangerzeuger: Korg
Electribe R MkII
Roland Jupiter-8, TR-808, TR-909, JX-3P (+PG200), JX-8P, SH-32, RS-505 Sequential Circuits Prophet-5, Drumtraks, Studio Electronics SE-1, Yamaha DX7IID, TX81Z
Outboard: Fostex
B-16
Wandler: Apogee
Ensemble
DAW: Digidesign
Pro Tools
Apple Logic Studio 9
Software: Waves
– SSL 4000 Collection
Softube – TubeTech Collection FXExpansion – BFD2
MikrofonE: Sontronics
STC-2
„Ich möchte langsam dahin kommen, nichts mehr am Computer zu machen. Vielleicht noch E-Mails lesen – vielleicht.“
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