GROOVE #122 - Technik

Page 1

Technik

0 0 i 0 t 2 l J u D M C s r e e l e Pion ssionel e Prof ck e DJ-D

Es ist ein trister Tag, und die Sonne, so sie denn überhaupt jemals in diesem gottverlassenen Gewerbegebiet irgend­wo westlich von Neuss geschienen haben sollte, kann die Grenze der einsamen Straße zum Rübenfeld nebendran kaum sichtbar machen. Erst das eingeschaltete Fernlicht fräst aus dem Dunst am Wegesrand mühsam den Namenszug „Pioneer“ – endlich am Ziel. Hier, am Ende der Welt, können wir das neue Flaggschiff der AudioequipmentHersteller in Augenschein nehmen: den CDJ-2000. Te x t N u m i no s

/

Das Betätigen des Anschalttasters und die damit verbundene Lichtshow des neuen Premiumplayers vertreiben augenblicklich jede Herbsttristesse. Denn mit dem CDJ-2000 tritt Pioneer an, einer Produktfamilie, die früher mal „DJ-CD-Player“ genannt wurde, einen neuen Technologieführer voranzustellen, den man wohl treffender als „Multiformat-Audiocontroller“ bezeichnen sollte. Das beginnt damit, dass sich das Gerät von CDs über DVDs und USB-Speichermedien bis zu SD-Karten so ziemlich alles einverleibt, was WAV-, AIFF-, MP37 6 / GRO OV E

tma for

oder AAC-Dateien beherbergen kann. Es setzt sich fort mit dem luxuriösen 15,5-ZentimeterOLED-Farbdisplay und der Möglichkeit, via Pro-DJ-Link bis zu vier Einheiten (CDJ-2000 und 900) aus einem Datenträger mit Musik zu versorgen. Und es endet noch nicht mit dem Umstand, dass sich der CDJ als vollwertiger HID/Midi-Controller samt hochwertiger 24-BitSoundkarte präsentiert, wenn er via USB mit einem Rechner verbunden wird. Tasten wir uns aber – ganz wortwörtlich gemeint – zunächst an die Äußerlichkeiten der Eier legenden Wollmilchsau heran. Auf den ersten Blick unterscheidet sich der CDJ-2000 bis auf sein riesiges Display gar nicht so sehr von seinem Vorgänger CDJ-1000 oder anderen aktuellen Spielern. Nutzt man also nur die klassischen CD-Spieler-Funktionen, sollte man mit der Maschine auf Anhieb klarkommen: linker Hand findet sich die vertraute Play/ Pause/Cue-Sektion, die neben drei Hot-CueTastern und einem Reverse-Switch auch die Schächte für USB- und SD-Speichermedien beherbergt. Die rechte Seite umfasst den Pitchfader mit umschaltbarem Aktionsradius (+/- 6 / 10 / 16 / 100 Prozent) nebst verriegelbarem Auswurf-Taster sowie zwei Potis zum Einstellen der Anlauf- und Abbremsträgheit. Zentrales Bedienelement ist natürlich das berührungs-

empfindliche Zwanzig-Zentimeter-Jogwheel, welches wahlweise im CDJ- oder Vinyl-Modus arbeitet. Jeweils links und rechts daneben gruppieren sich die Loop-Sektion und ein Poti zum Einstellen des Wheel-Widerstands. A l l e s r u t s c h t i n s Ra s t e r Zwischen Display und Jogwheel schmiegt sich fast schon unscheinbar eins der Killerfeatures des CDJ-2000: der Needle-Search-Ribbon. Ähnlich wie schon beim Numark NS-7 lässt sich damit wie auf einer Vinylscheibe in der Audiodatei herumhüpfen. Dies geschieht, wie übrigens fast alle Cue- und Loop-Aktionen, dank der mitlaufenden Quantisierung immer schön im Beatraster, was die tightness beim Arbeiten mit dem CDJ-2000 merklich unterstützt: Jeder Cue-Punkt und jedes Loop rutschen gewissermaßen auf die richtige Zählzeit. Zuoberst residiert das leicht in Blickrichtung angewinkelte Display, welches bis auf den aktuellen Wasserstand des RheinHerne-Kanals so ziemlich jede relevante Information anzeigt, die man sich vorstellen kann. Das reicht von einer wirklich aussagekräftigen horizontalen Wellenform-Darstellung, wie man sie bislang nur vom Rechner kannte, über lange Dateinamen (mehr als 50 Zeichen) bis zu Coverpreviews. Navigiert wird über ein


Technik

gerastertes Push-Poti und acht hintergrundbeleuchtete Taster rings um das Display. Alle der unzähligen nützlichen Detaillösungen wie beispielsweise die Tag-Funktion zum schnellen Vormerken und Rausgreifen von Titeln, die außerordentlich gut gelöste Suche mit dem Ribbon-Controller oder die kluge Sperrung des Needle-Drops während eines laufenden Tracks in diesem Text zu beleuchten, würde die komplette Ausgabe von Groove füllen. Und da wir damit eine merkliche Verengung der Gesamt-Informationsbreite dieses Magazins verursachen würden, knüppeln wir lieber weiter zum nächsten Featureblock. Ein CDJ-2000 macht noch kein DJ-Set-up, weshalb man bei Pioneer die gute alte RJ-45Ethernetschnittstelle verwendet, um die Kommunikation zwischen mehreren CDJs (auch 900er) samt Rechner zu ermöglichen. Und wie so häufig geht von diesem eher unscheinbaren technischen Feature die eigentliche Magie aus. Denn sämtliche Geräte (bis zu vier 900er und/oder 2000er) im Verbund wissen plötzlich voneinander und haben Zugriff auf alle angeschlossenen Medien und deren Audiodaten – inklusive aller Metainformationen wie Cue- und Loop-Punkte. Apropos angeschlossene Geräte: Von iPod bis Pacemaker liest der CDJ bereitwillig sämtliche Playlisten

aus. In Verbindung mit dem anstehenden neuen Pacemaker (ups, jetzt isses raus) wird es sogar möglich sein, die kompletten Metadaten auszutauschen: eben noch im Flugzeug, jetzt im Club – der Cue-Punkt sitzt. Und wo wir schon bei Metadaten sind: Pioneer haben die DVS-Spezialisten von Mixvibes zur Programmierung einer Audiomanagement-Software mit ins Boot geholt. Die hört auf den Namen Recordbox und glänzt durch firlefanzfreie Geradlinigkeit: Im Kern bildet sie einfach nur sämtliche Funktionen des CDJ im Rechner ab – schnell, einfach, gut. Aber auch wer sein Musikauflegen bereits mit einer Digital-Deejaying-Software ganz in den Rechner verlagert hat, dürfte am CDJ seine helle Freude haben. Denn aufgrund der vollständigen HID-Implementierung (Human Interface Device) arbeitet das Gerät im Rechnerverbund als Edel-Controller samt Soundkarte. Und da das HID-Protokoll die bidirektionale Kommunikation ermöglicht, blinkt ein feuerbereiter Cue-Button nicht nur am Monitor, sondern auch am Gerät selbst. Fa z i t Der CDJ-2000 ist ein wirklich Ehrfurcht einflößendes Featuremonster. Dabei ist vielleicht eine seiner besten Eigenschaften, dass er das

gesamte Arsenal seiner Möglichkeiten mit höflicher Untertreibung so lange zurückhält, bis man es abruft. Damit erweist sich das Gerät sowohl für den DJ, der einfach nur CDs auflegen will, als auch für den abgefeimten Performance-Zauberer, der in Echtzeit Remixing betreibt, als ideales Arbeitsgerät. In bester CDJ-Tradition ist dann auch das Jogwheel Geschmackssache: Wo andere Hersteller mit edlem Echtmetall nur so um sich schmeißen, um ihre Drehteller wertig und massiv zu gestalten, gibt sich der CDJ keine Mühe, die Rohöl-Herkunft dieses Steuerelements zu verleugnen. Überhaupt muss man beim Anfassen irgendwie an Plastik-Spielzeug denken, was – und jetzt kommt’s – ich persönlich als ungemein sexy empfinde: Der CDJ vermittelt, gerade in Verbindung mit der fehlerausbügelnden Quantize-Unterstützung, das Gefühl, dass man mit ihm wirklich spielen kann. Tastet man sich dann weiter zu den Controller- und Konvektivitäts-Features vor, wird einem bewusst, mit welcher Geschmeidigkeit man gerade an einem Stück Hochtechnologie rockt. UVP: 1899 Euro / Straßenpreis: 1799 Euro

GRO OV E / 7 7


Technik

pad v e C o h c n u Li La n o n io let t b a A v No

Ein munter blinkendes Defilee an dezidierten Ableton Live-Controllern zieht momentan an uns vorbei – vom Akai APC-40 über Livid Block bis zum hier getesteten Novation Launchpad. Besser spät als nie, möchte man sagen. Schließlich feiern wir in diesem Jahr das zehnjährige Dienstjubiläum des beliebten Audioklötzchen-Baukastens Live, USB steht nicht erst seit gestern als Schnittstelle zur Verfügung, und mehrfarbige LEDs sind jetzt auch nicht mehr wirklich ein Innovationskracher.

7 8 / GRO OV E

Text Numinos

/

Das Novation Launchpad ist jedenfalls pünktlich zum runden Geburtstag am Start. Und nachdem die USB-Treiber nebst einer auf acht Kanäle abgespeckten, ansonsten aber unbeschränkt lauffähigen Version von Live 8 ihren Weg auf die Festplatte gefunden haben, kann die Feier starten. Bei unserem Vorserien-Modell war es allerdings erforderlich, zwei Konfigurationsdateien per Hand in den Ableton-Ordner zu verfrachten, was – laut Vertrieb – in der endgültigen Version nicht mehr erforderlich sein wird. Das Bedienkonzept hinter der 64-GummitasterMatrix dürfte sich auch Leuten, die nicht von diesem Planeten kommen, auf Anhieb erschließen. Im Kern kennt das Launchpad nur zwei Betriebsmodi, „Session“ und „Mixer“, die dank der hervorragend implementierten bidirektionalen Kommunikation ihre gleichzeitige visuelle Entsprechung in Live und am Launchpad finden. Ferner gibt es zwei frei konfigurierbare Nutzereinstellungen, die sich dafür anbieten, sie als Drumpad oder als Spielfläche für Max For Live zu benutzen. Jeweils acht Taster oberhalb der Pad-Matrix dienen zum Wechseln dieser Modi, zum Navigieren und für generelle Bedienvorgänge. Weitere acht Taster, rechts neben den Pads angeordnet, dienen im „Session“-Modus zum Abfeuern der Scenes, wohingegen sie im „Mixer“-Modus Kanalparameter wie Level, Pan oder Aux-Sends auswählen. Mit seiner Matrix aus acht mal acht

e l l o ntr

r

hintergrundbeleuchteten Pads, die auch bei Tageslicht noch einigermaßen gut zu erkennen sind, ihre volle Pracht aber natürlich erst im Halbdunkel entfalten, verbreitet das Launchpad einen nicht unerheblichen SensoDrück-Mich-Charme. Und da der Farbcode der Taster (aus = kein Clip, gelb = Clip vorhanden, grün = Clip läuft, rot = Aufnahme) dem von Live entspricht (wie auch beim Akai APC-40), verschwindet im „Session“-Modus die Controller/Rechner-Barriere fast augenblicklich und weicht dem Gefühl, am Gerät zu arbeiten. Ein bisschen anders verhält es sich im „Mixer“-Modus: Während einem für das Abfeuern von Clips, auch aufgrund der haptischen Erfahrung mit Drumcomputern, Taster höchst vertraut sind, verlangen einem Bedienvorgänge wie das Regeln der Lautstärke oder des Pannings über Pads schon etwas Umgewöhnung ab. Dabei ist die prinzipbedingte Reduzierung auf maximal acht mögliche Werte (Gedankenstütze: eine Spalte gleich ein Kanal mit acht Tastern pro Parameter) in Livesituationen nicht unbedingt nachteilig. Das „Überfahren“ der Gummitaster ist allerdings so hakelig, dass man zum Erzeugen dynamischer Bewegungen und für die Studioarbeit nach wie vor doch lieber zu Potis und Fadern greifen wird. Fa z i t Die genannte Einschränkung bei der Steuerung kontinuierlicher Parameter werte ich


Technik

ox B d n e B s ge n i t d y b n e e b n t o i er T u z i c s r e Ci h t n re y a s t w f ee So r F PC

Ein Circuitbending-Plug-in ist fraglos in etwa so sinnvoll, wie Laufbänder mit Waldboden-Feeling oder Fahrrad-Hometrainer mit eingebauter Feldweg-Projektion. Aber Bend Box wummert, nölt und pfeift so dermaßen unterhaltsam vor sich hin, dass wir es zur Bereicherung des DAW-Klangvorrats trotzdem wärmstens empfehlen können. Te x t N u m i no s

ausdrücklich nicht als Nachteil, denn Taster sind eben Taster, und Regler sind Regler (ich habe Jahre auf die Gelegenheit gewartet, mal so eine ewige Wahrheit schreiben zu können). Den „Mixer“-Modus sollte man daher eher als Mehrwert zu einem hervorragenden Controller sehen, der seine Kernaufgaben – nämlich das Visualisieren und Steuern von Clips im „Session“-Modus von Live – mit Bravour erledigt und sich daher bestens als Ergänzung zu einem Controller wie dem Novation Nocturne und sogar dem AKAI APC-40 eignet. Bei einem Straßenpreis von deutlich unter 200 Euro und der Möglichkeit, bis zu acht Launchpads via USB-Hub zu betreiben, wobei jedes einzelne völlig unterschiedliche Steueraufgaben in Live erledigen kann, dürfte auch ein schickes Set-up aus mehreren der smarten Matrix-Controllern ins Budget passen. Features · 64 hintergrundbeleuchtete Gridbuttons · inklusive Ableton Live 8 Launchpad Edition · 0,75 Kilo leicht · kompakter als ein 13-Zoll-Notebook · bidirektionale Kommunikation mit Live · Stromversorgung über USB · Automap Pro mit Drag & Drop UVP: 199 Euro / Straßenpreis: 149 Euro

/

Echte Circuitbenderos werden sich ohnehin nur gelangweilt hinterm Ohr kratzen. Denn für sie ist der Weg das Ziel, und der ist nun mal mit unzähligen Metern Lötlot gepflastert. Betrachtet man Bend Box aber erst gar nicht als Schaltkreis-Verbiege-Baukasten, sondern als das, was es ist, kann man damit mächtig Spaß haben: nämlich ein Softsynthesizer, der seinen trashigen Klangcharakter hauptsächlich aus einer Sample-and-Hold-Schaltung nebst eines LFOs gewinnt, das weit in den Audio-Frequenzbereich reinarbeitet. Der ukrainische Programmierer und GUI-Designer Eugeny Danchenko dürfte wohl mindestens einen Clown oder Wodka oder beides zusammen gefrühstückt haben, als er ohne Not auf sämtliche Beschriftungen der 15 Drehregler verzichtet hat – und damit der Experimentierfreude der Nutzer freien Lauf ließ. Beim Drehen und Schrauben im Blindflug (es sei denn, man lässt sich die Parameter über das Midi-Mapping anzeigen) lassen sich dann Klänge erzeugen, die irgendwo zwischen Korg MS-20 und Flame Talking-Synth liegen – zwar nicht ganz so druckvoll und brillant, aber für eine krude Melodie zwischendurch oder einen oldschooligen Sci-Fi-Sound bestens geeignet. Bleibt zu hoffen, dass Russland und die Ukraine sich in diesem Winter mal nicht wegen angeblich unbezahlter Rechnungen in die Haare kriegen, damit dem guten Herrn Danchenko beim Programmieren seiner hervorragenden Plug-ins nicht wieder der Saft abgedreht wird. GRO OV E / 7 9


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.