GROOVE #127 - TECHNIK

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Technik

Propellerheads Reason 5 & Record 1.5 Virtuelle Studioumgebung

Mit einer ganzen Serie unterhaltsamer Videos haben die schwedischen Propellermützen die Werbetrommel für die neuen Versionen ihres Software-Duos gerührt. Und „Trommeln“ ist das richtige Stichwort, da die Anbieter für Reason in der fünften Version – neben unzähligen weiteren Neuerungen – einen überaus potenten Drumcomputer namens „Kong“ spendiert haben. Ob das Getöse im Vorfeld berechtigt war, haben wir uns mal angehört. Te x t N u m i no s

Für Freunde der Zahlenmagie bietet die FünferVersion die Eselsbrücke, dass sie im Wesentlichen mit fünf neuen Programmfeatures aufwarten kann. Drei davon sind Klangerzeuger im weitesten Sinne: der mächtige Drumcomputer Kong, Dr. Octo Rex, gewissermaßen ein um acht Einzel-Dr.-Rexe erweiterter Loop-Player, sowie Neptune, das für TonhöhenKorrektur und als Vocoder einsetzbar ist. Zwei Erweiterungen betreffen eher den Workflow insgesamt: Blocks, eine Makrofunktion zum effizienten Strukturieren von Stücken, sowie Live-Sampling, durch das alle Sampleplayer von Reason (NN-XT, Redrum, NN-19, Kong) jetzt auch Audio aufnehmen können. Dreh- und Angelpunkt der neuen Version ist fraglos Kong. Zwar war Reason nie schlecht mit Schlagwerk-Abspielern bestückt (Redrum, Dr. Rex). Allerdings waren diese bislang ausschließlich samplebasiert – und der Weg über die internen Synthesizer zur Erzeugung elektronischer Drums entsprechend mühsam. Das ändert sich mit Kong grundlegend: Mit dem Modul können Anwender neben Samples und Loops (NN-Nano- und Nurse-Rex-Modul) aus nicht weniger als sieben Klangerzeugern wählen. Vier davon mit Fokus auf virtuell modellierte Analogsounds (Bassdrum, Snare, Hi-Hat, Tomtom), drei weitere mit PhysicalModelling-Synthese ausgestattet (Bassdrum, Snare, Tomtom). Dem zur Seite stehen neun Effektgeneratoren (Compressor, Filter, Over7 6 / GRO OV E

drive/Resonator, Parametric-EQ, Ringmodulator, Drum-Room-Reverb, Bandecho, Transient-Shaper) und drei Tonerzeuger (Noise, Tone, Rattle), von denen jeweils zwei pro Sound zum Einsatz kommen können. Hier wissen besonders das Bandecho und der Overdrive zu gefallen, weshalb wir uns für ein zukünftiges Update wünschen, dass diese auch als Einzeleffekte zur Verfügung stehen. Abdeckstift für Gesangs linien Auch wenn Kanye West den Tod von Autotune verkündet hat – Tonhöhen-Korrektur an sich ist im kleinen Reise-Necessaire der Musikproduzentin von Welt unentbehrlich geworden. Der Abdeckstift für derangierte Gesangslinien hört in Reason auf den Namen Neptune und bietet umfassende Bearbeitungsmöglichkeiten. So ist es neben statischer Skalenkorrektur samt Eingrenzung der so genannten Catch-Zone und Formantkorrektur möglich, die Ziel-Tonhöhe via Midi oder Automation festzulegen. Dabei ist das Einsatzgebiet von Neptune nicht auf Stimmaufnahmen beschränkt. So ist beispielsweise der Low-Frequency-Modus spezialisiert auf die Analyse von basslastigem Material, wohingegen der externe Voice-Synth-Eingang Neptune zum mehrstimmigen Harmonizer macht. Apropos „Anschlüsse“: Auf der Rückseite von Neptune finden sich zwei virtuelle Ausgänge, die jeweils die Steuerspannung von Tonhöhe und Lautstärke des analysierten Materials ausgeben – ein Hammerfeature für alle Freunde kontrolliert wahnsinniger Patch-Orgien. Die Block-Funktion mag auf den ersten Blick unspektakulär erscheinen, trotzdem ist sie sicherlich die größte Neuerung seit langem, wenn es um das effiziente Arrangieren in Reason geht. Kurz gesagt sind Blocks komplette kleine Arrangements, die dann in der SongAnsicht mit dem Stift einfach eingezeichnet, gemutet und geschnitten werden können. Die einzelnen Audio-/Midi-Klötze aus den betreffenden Blocks werden dabei leicht angegraut gezeigt, vergleichbar mit der Darstellung und Arbeitsweise von Ghost-Copies oder Aliasen

in anderen DAWs. Dabei können lineare Tracks – Spuren also, die über die Grenzen von BlockAbschnitten hinweg laufen – problemlos mit Blocks im selben Arrangement koexistieren. Bekanntermaßen führt die konsequente Anwendung des Pattern/Song-Prinzips zu wirklich schnellen Ergebnissen, gerade wenn es um das zügige Layouten von Liedstrukturen oder iterativen Dancetracks geht. Dem bewährten Rex-Player wurden endlich acht Sampleslots spendiert. Damit lässt sich das bisherige Elend, dass man oft für verschiedene Variationen eines Rex-Loops entsprechend viele Instanzen des Players öffnen musste, elegant umgehen. Aber auch die einzelnen Rex-Player haben Verbesserungen erfahren. So lassen sich nun eine ganze Reihe Parameter (unter anderem Frequenz, Resonanz, Decay) pro Slice automatisieren, wodurch mühsames Automationsgefrickel entfällt. Und zwar wird sich kaum noch jemand daran erinnern – aber es gab mal Zeiten, da stand man mit schnöden dynamischen Mikrofonen vor grauen Kisten, die abertausende von Mark gekostet hatten, und machte allerlei blöde Geräusche mit so ziemlich allem, was man in die Finger oder den Mund bekam, nur um das auf der Tastatur in allen Tonhöhen wiedergeben zu können. Das geht jetzt auch (endlich wieder) mit Reason: Einfach Audioeingänge der Soundkarte aktivieren, auf die Wellenform von einem der Samplegeräte klicken, und ab geht’s. Das hat in der Praxis nichts von seinem Reiz verloren. Der integrierte Sampleeditor ist außerdem völlig ausreichend mit den typischen Brot-undButter-Features wie Normalisierung, Reverse und Sample-Trim ausgestattet. Fazit Reason ist über die Jahre erwachsen geworden und hat dennoch nichts von seinem Reiz, eine Art unerschöpflicher Spielzeug-Supermarkt für musikalische Jungs und Mädels zu sein, eingebüßt. Im Gegenteil: Mit Kong (und besonders den neuen Effektmodulen), Neptune, Blocks und der Live-Sampling-Funktion stehen ebenso einfache wie mächtige Werkzeuge zur Verfügung, die einen noch umfassender in den Bann ziehen. Für Neueinsteiger ist der Anfang allerdings nicht gerade leichter geworden, denn Reason-Tracks mutieren mit den neuen Geräten schneller als je zuvor zu unergründlichen PatchMonstern. Aber das war und ist bei Regalen voller Hardware auch nie anders gewesen. Vielleicht gerade deshalb bleibt Reason mein persönlicher Wenn-Du-nur-eine-einzige-Software-auf-die-einsame-Insel-mitnehmen-dürftest-Favorit. UVP: 429 Euro / Straßenpreis: 399 Euro.


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