DAS MAGAZIN FÜRS WESENTLICHE 11–12/2013 29. Jg. B 6128
Gibt es auch gute Führer?
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Gibt es auch
Gute Führer? Leadership neu betrachtet
Mit Beiträgen von: Uri Avnery, Barbara von Meibom, Konstantin Wecker, Joachim Kamphausen, Klaus P. Horn, Matthias Mala, Michael Habecker, Wolf Schneider u.a.
9€
Führen mit der Weisheit zweier Welten Eine Brücke zwischen östlicher und westlicher Philosophie für Manager, Trainer und Berater Russell, Mark
Mark Russell blickt auf über 15 Jahre als internationaler Trainer und Berater zurück. In diesem Buch fließen seine Erfahrungen aus der Projektbegleitung in großen internationalen Unternehmen ein. In mehr als 20 Ländern hat der Autor Teams und Organisationen in den Themenbereichen Führung, Verhandeln und Teamarbeit langfristig betreut. Seine Praxiserfahrung, die er in Europa, Asien, Arabien und Amerika gewonnen hat, verbindet Mark Russell in diesem Werk mit seinem Wissen über menschliches Verhalten. Russell, 220 S., m. 80 Abb., kart. ISBN: 978-3-000197-28-4
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NOVEMBER-DEZEMBER 11-12/2013
Führung In der Wirtschaft, Politik und den Religionen brennt diese Frage in ähnlicher Weise: Wer führt da eigentlich? Wen? Und: wohin? Böser Führer verführt dumpf hingebungswillige Masse – die Kitschversion dieses alten Dramas zieht nicht mehr so richtig. Wer tiefer in die Psychologie der Führung einsteigt, stößt dort auf eine komplexere Verteilung der Verantwortung und das Führen/ Folgen als nützliches Organisationsprinzip. Übrig bleibt die Frage: Was ist gut?
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Mantra-Jodeln Auf unserem kommenden Festival des Mantra-Jodelns in Reit im Winkl im Frühjahr 2014 stellen wir die spirituellen Wurzeln dieser alten Tradtion vor, die einst von den Roma aus Rajasthan in Nordwestindien nach Oberbayern gebracht wurde. In der KlezmerMusik findet man noch Elemente von Rhythmus und Melodie dieses Jodelns, in seiner authentischen Form aber ist dabei die Stimme das ausführende Organ. Im Jodeln ist der Mensch Gott näher. Auch wenn die Worte dabei abgewandelt wurden, die Silben entsprechen noch immer den heiligen Lauten aus dem Sanskrit, die die einzelnen Chakren harmonisieren. Nach neuesten Forschungen, die sich auch auf Quellen in den südindischen Palmblattbibliotheken beziehen, ist Holadriyo der Name einer Gottheit aus dem vorarischen Indien, die damals überall verehrt wurde. Foundation for Mantic Yodeling Dharamsala, H.P., India www.holadriyo.in
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S. 18 – 47 Konstantin Wecker Der unbeugsame Pazifist und leidenschaftliche Liedermacher (»Wut und Zärtlichkeit«) spricht im ConnectionInterview über sein Wohlgefühl beim Tragen einer SS-Uniform, das Künstler-Dasein seines Vaters und die Spirituellen und Esoteriker – nein: wir alle – auf der Suche nach einer Heimat
S. 14 – 17
Heilsam enttäuschend
Neugierig, was es mit dem Erwachen so auf sich hat, besuchte unsere Berichterstatterin einen Kongress, auf dem sich 35 »Erwachte« zeigten. Menschen wie du und ich? Sie kämpften und vertrugen sich, lehrten und lernten und hinterließen die Besucher mit einem reichen Spektrum an Einsichten und Enttäuschungen
S. 52 – 54
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Editorial Weisheit: Montaigne über Einschmeichelnde gesellschaftliche Phrasen Hier & Jetzt: Die Kurzmeldungen Die Welt als Geliebte – eine Bildcollage von Christina von Puttkamer Engagiert, verspielt und staunend: die Agnostiker. Der Liedermacher Konstantin Wecker im Connection-Interview
E R O S · L I E B E M E D I T A T I O N
Regina König und Hellwig Schinko OFFENE SEMINARE
TANTRA-BODY 8. – 10.11.13 bei Schwäbisch Hall
DER KREIS DER FRAUEN 14. – 17.11.13 bei Schwäbisch Hall
Schwerpunkt: Führung 18 Führend im Aufklären von Führung? Wolf Schneider über Desaster und Chancen von Führung – in Deutschland und anderswo 22 Selbstführung und Führung. Die Politikwissenschaftlerin Barbara von Meibom beleuchtet Deutschlands Schatten 24 Daheim im Unermesslichen. Der Schriftsteller Matthias Mala findet echte spirituelle Führung erst jenseits von Gurus, Priestern und Religionen 29 Menschlicher Frühling. Der Israeli Uri Avnery fragt sich anlässlich aktueller Aufstände, inwieweit »der Zeitgeist« führen kann 32 Die Gruppe führt. Ursula Hillbrand praktiziert und lehrt »The Art of Hosting« 36 Führen in Deutschland. Klaus Horn berät seit vielen Jahren Führungswillige in Deutschland, neuerdings auch im »Spirituellen Coaching« 39 Führung & Verführung. Ken Wilber-Kenner Michael Habecker unterscheidet drei Arten von Führungskompetenz 42 Geistige Freunde als Helfer. Das Channel-Medium Barbara Bessen erkärt, wie sie sich von einem »aufgestiegenen Meister« führen lässt 44 Arbeit kann Selbstverwirklichung sein. Gunter Kremer will beim Führen und in der Erwachsenenbildung vor allem das Schöpferische erwecken 48 Höher hinaus. Gleitschirmflieger erleben das, was Richard Bach in »Die Möwe Jonathan« beschrieb 51 Achtsamkeit. Thich Nhat Hanh spekuliert über den nächsten Buddha 52 Heilsame Desillusionierung. Sibylle Schütz hat den zweiten Kongress des Forum Erleuchtung besucht 55 Es ist Revolution, aber kaum einer spricht darüber. Joachim Kamphausen unterstützt den Trend zum Selfpublishing 56 Worte, Dinge und ich selbst. Wolf Schneider über die Kunst, Bücher, Zeitschriften und sich selbst zu Markte zu tragen 58 Promotion: Der Einweihungsweg der Rosenkreuzer, vorgestellt von Alexander Crocoll 60 Promotion: Muss ich mich schützen? Petra Schneider erklärt die Lichtwesen Bodyguards 64 Promotion: Wann, wenn nicht jetzt? Veit Lindau stellt den Living Master Club vor 67 Filme: Im Kino gibt’s jetzt Die Nonne nach dem Roman von Diderot, und im DVDHandel die Dokus Planet RE:Think über Recycling und Das große Missverständnis über die Open-Sky-Community 70 Bücher: über Zen, Gefühle, das Staunen, Neues Denken, Sensibilität und die Wüstenväter 74 Leserbriefe: über das Geldverdienen, Hirnfick und politische Naivität 78 Marktplatz 80 Veranstaltungskalender und Inserentenverzeichnis 82 Vorschau/Impressum
FEUER, HERZ UND STILLE 25.12. – 1.1.14 Tantra-Silvestergruppe bei Salzburg
GEHEILIGTER EROS 4. – 11.1.14 Fortgeschr. Paargruppe, im Odenwald
TANTRA-BODY 7. – 9.3.14 mit Beatrix Rettenbacher und Jens Hartwig, bei Ulm
FEUER, HERZ UND STILLE 14. – 20.4.14 Tantra-Ostergruppe bei Ulm TRAININGS & AUSBILDUNGEN
IM GARTEN DER LIEBE 46-täg. tantrisches Selbsterfahrungs- und Fortbildungstraining; Beginn des 19. Basistrainings: 3. – 14.8.14 Ortasee / Italien Infos & Programm: ARUNA-Institut St. Nepomukstr.13 · 74673 Mulfingen Tel. 07936/6 21 · Fax 079 36/6 46 info@aruna-tantra.de www.aruna-tantra.de
21.– 23. März 2014 in Salzburg, Parkhotel Brunauer Mit Dr. Kataria, Akad.-Prof. DDr. Alfred Kirchmayr, Wolf Schneider, Christoph Emmelmann u.v.m. Workshops, Vorträge, Lachüberraschungen Infos und Anmeldung: Gabi Fink, +43(0)676-4408208 oder praxis@finkin.at, www.finkin.at Robert Meisner, +49(0)8684-9685617 oder robert.s.meisner@t-online.de, www.baeren-lachen.de Frühbucherbonus bis Weihnachten 2013!
, Zeitschrift für Lebenskunst, Weisheit, Humor und ein integrales Verständnis des menschlichen Lebens. Erscheint alle zwei Monate mit einem starken Schwerpunkt. Gegründet 1985, ist Connection Spirit die älteste transkonfessionelle spirituelle Zeitschrift auf deutsch. Fachmagazine über Tantra und Schamanismus aus demselben Verlag ergänzen sie.
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GRENZWANDERER
Engagiert, verspielt und staunend:
die Agnostiker Der Liedermacher, Sänger, Autor und Schauspieler Konstantin Wecker begleitet diese Zeitschrift schon viele Jahre lang, sowohl als Leser wie auch als mehrfach Interviewter. In diesem neuen Interview mit ihm vom vergangenen August spricht er über seinen Vater, seine eigene Rolle als SS-Mann in dem Film »Wunderkinder«, den Wandel beim Älterwerden und die Agnostiker: Die sind zwar heimatlos und ohne die Gewissheiten der ideologisch Fixierten, dafür haben sie das Staunen WOLF SCHNEIDER IM GESPRÄCH MIT KONSTANTIN WECKER
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© THOMAS KARSTEN
Hallo Konstantin, du hast gesagt, du seist Pazifist aus Selbstschutz. Was meinst du damit? Ich bin ja seit vierzig Jahren bekennender Antifaschist. Ich bin das unter anderem, weil meine Eltern Antifaschisten waren. Mein Vater war ein Mensch, der es gewagt hat, in der Hitlerzeit den Kriegsdienst zu verweigern. Dabei hatte er riesiges Glück! Dass man dann von einem Offizier an die Wand gestellt wurde, das gab es ja auch. Er aber wurde für verrückt erklärt, deswegen konnte er überleben. Bei so einem Elternhaus war es für mich nicht schwer, Antifaschist zu sein. Ich konnte mit meinen Eltern darüber reden; andere aus meiner Generation konnten das nicht. Bei vielen war da nur ein großes Loch: Niemand sprach über den Krieg und auch nicht über die Hitlerzeit. Und jetzt habe ich in dem Film »Wunderkinder« mitgespielt (von Marcus Rosenmüller, 2011). Da ging es um die Ermordung ukrainischer Kinder. In der Ukrai ne sind, glaube ich, von den Nazis dreißig- oder vierzigtausend Kinder ermordet worden. In dem Film habe ich einen SSMann gespielt, also das ganz große Arschloch. Das ist erst mal für einen Schauspieler eine tolle Herausforderung, keine Frage, aber ich habe dabei etwas Furchtbares gemerkt: Ich habe diese SS-Uniform angehabt und mich darin wohl gefühlt! Nach einer Woche Dreh arbeiten hat es mir Spaß gemacht hat, wenn mich die Statisten mit ›Heil Hitler‹ begrüßten. Das muss man sich mal vorstellen! Ich habe das natürlich nach dem Dreh am Abend wieder abgeschüttelt, aber ich brauchte auch einige innerliche Arbeit, um das wieder loszuwerden. Ich hatte da etwas in mir entdeckt, was ich nicht wahrhaben wollte. Kennst du den Film »Das Experiment«? Ja, klar. Sowas Ähnliches ist da in mir vorgegangen. Ich habe mir da noch eingeredet, dass es die Lust am Schauspielern ist. Das spielt sicher auch eine Rolle. Natürlich ist es für einen Schauspieler schön, in andere Rollen zu schlüpfen, aber dabei entdeckst du immer einen Teil von dir. Beim Drehen dieses Films habe ich gemerkt, dass ich auch deshalb seit 40 Jahren Antifaschist bin, weil ich mich damit vor mir selbst schütze. In einem wirklich tief verstandenen Antifaschismus geht es nicht nur um den bösen Faschis ten, der gegenüber wohnt und dein Feind ist, sondern es geht dabei auch um einen selbst. Es wohnt ja alles in uns drin. Ich weiß, dass auch ein Krieger in mir wohnt. Ich merke das bis heute noch, an der billigsten Sache, die es gibt: im Straßenverkehr. Meine Kinder merken immer, wenn ich plötzlich anfange zu schimpfen und bayerisch zu werden – ich werde dann sofort bayerisch und beschimpfe die anderen Verkehrsteilnehmer. Wenn mein Sohn Valentin dabei hin-
ten drin sitzt, sagt er: Papa, was ist denn mit dir los, was bist du jetzt plötzlich so ein anderer Mensch? Du bist also Pazifist, außer im Straßenverkehr … (lacht). Im Straßenverkehr bin ich auch ganz bewusst Pazifist. Ich versuche es wenigstens. Aber ich merke, was da an kriegerischem Potenzial in mir vorhanden ist. Je älter ich werde, desto mehr Verständnis habe ich für sowas. Der Pazifismus war für mich eine Idee, in die ich mich ganz früh begeben, vielleicht auch hinein geflüchtet habe, vom Elternhaus her. Je älter ich werde, desto mehr verstehe ich, dass es Völker gibt, die es nicht mehr ertragen haben und nicht mehr ertragen, so gedemütigt zu werden, dass sie dann irgendwann vielleicht sogar zur Waffe greifen. Mein Verständnis fürs Kriegerische, für das sich Wehren, ist viel größer geworden. Es gibt auch Situationen, die schlimmer sind als der Tod. Sonst gäbe es doch keine Selbstmörder, die sind ja nicht alle blöd. Ja, das stimmt. Es gibt Situationen, die schlimmer sind als der Tod. Diese Demütigung, die-
»Nach einer Woche Dreharbeiten hat es mir Spaß gemacht, wenn mich die Statisten mit ›Heil Hitler‹ begrüßten«
se unglaubliche Demütigung, die einem vielleicht über Generationen hinweg passiert ist. Ich bin sehr vorsichtig geworden. Ich war ja nie ein Ideologe. Ich hab mich immer eher dem Anarcho-Lager zugehörig gefühlt. Mit 13, 14 war ich als Anarchist bekannt, noch ohne zu ahnen, was das eigentlich ist. Ich habe Bakunin gelesen und fand das toll. Die Anarchie war für mich kein -ismus. Da gibt es nicht »den Anarchisten«, sondern die Anarchie als eine sich immer wandelnde Idee. Die darf meines Erachtens nie in ein politisches Konzept umgewandelt werden, sondern sollte immer eine Utopie bleiben, eine Grundidee. Osho hat es die »Anarchie des Herzens« genannt. Strukturen, die brauchen wir ja: Fast alle von uns leben lieber in einem Rechtsstaat als bei den Warlords in Somalia. Aber wie Rilke das in ei-
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nem seiner Gedichte sagt: »Ach, in meinem wilden Herzen nächtigt obdachlos die Unvergänglichkeit«. Dieses Herz liebt einfach und hasst auch manchmal, oder es kämpft. Das Herz ist eben anarchistisch. Und daneben gibt es den Verstand, der will Ordnung haben. Der will Recht schaffen, Frieden, Ordnung … Er muss sie auch haben, die Ordnung. Auch ich lebe ja in einer einigermaßen geordneten Welt, auch wenn ich mir manchmal Unordnung wünsche. Es sind so viele Widersprüche, die einem im Alter viel eher klar werden als in der Jugend. In der Jugend meint man ja nicht, man sei besonders widersprüchlich, sondern man hat eine Idee, die verfolgt man, für die kämpft man, und diese Idee ist man dann. Plötzlich aber merkt man, dass man so viele von seinen Ideen – nicht verraten hat, aber … dass man sie zum Teil auswechseln musste. Die Ideen haben sich als wandelbar erwiesen. Und man merkt, wie oft man sich selbst widersprochen hat. Es gibt aber auch Leute, die stur werden im Alter. Stimmt, das gibt es auch. Sagen wir: Es gibt vielleicht mit zunehmender Lebenszeit eine leichte Tendenz hin zur Weisheit … Zum Beispiel in diesem Punkt bin ich anders geworden im Alter: Ich bin politisch radikaler, als ich es früher war. Und informierter. Ende der 70er, als ich bekannt wurde in Deutschland, war ich hauptsächlich in der linken Szene. Aber ich war ja den Linken nicht besonders genehm. Du warst zu sehr Anarcho. In dieses Weltbild doch ziemlich ideologischer Strenge, das Ende der 70er Jahre bei den Linken herrschte – es hatte das Anarchische der 60er Jahre hinweggewischt –, da kam da plötzlich so ein Bayer hinein mit einem Cello! Ich hatte einen Cellisten in meiner Band. Das allein war für die Linken schon ein Fehlgriff; das Cello ist ja ein Instrument der Bourgeoisie. Für mich aber war es ein ganz wichtiger Bestandteil meiner Musik. Dafür wurde ich von den verschiedenen K-Gruppen dauernd angegriffen. Auch dem Hannes Wader war ich damals sehr suspekt: Sechs Saiten einer Gitarre, das sei schon zu viel, meinte er; das sei schon zu kulinarisch. Drei Saiten müssen genügen, plus die Botschaft. Und dann kommt dieser pathetische Bayer daher, dieser Genussmensch, und haut alles um, was bis dahin für einen politischen Sänger die Regel war. Jetzt, im Nachhinein, finde ich es sehr schön, dass ich es geschafft hab’, damit durchzukommen. Ich war halt so wie ich war, ohne dass mir dieser Gegensatz so recht bewusst gewesen wäre. Mir gefällt es sehr gut, wie du beim Klavierspiel – etwa in deiner CD »Wut und Zärtlichkeit« – die-
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»In der Jugend meint man ja nicht, man sei besonders widersprüchlich, sondern man hat eine Idee, die verfolgt man, für die kämpft man«
lich bewundere ich die unglaubliche Eigenständigkeit, die er hatte. Er war Maler und Sänger, in beiden Disziplinen war er aber nie erfolgreich. Fast nie hatte er Geld. Weil er kein Nazi war, hat er auch keine Engagements bekommen. Ich habe mich als Kind darüber immer gewundert, jetzt weiß ich es: Natürlich haben die Nazis die Engagements bekommen. Niemand wollte – siehe Karajan – doppelte NSDAP-Mitgliedschaft; die aber haben die Engagements bekommen. Die alten Nazis wollten nicht konfrontiert sein mit
einem, der so offensichtlich keiner von ihnen war. Mein Vater war also als Künstler in der Öffentlichkeit erfolglos; für mich als Knabe aber war er das nie. Ich habe ihn immer geliebt und bewundert, auch wenn ich ihn manchmal gehasst habe; wie das halt so ist also Pubertierender. Und er hat es geschafft, mit dieser Erfolglosigkeit zu einem wirklich Weisen zu werden. Dieser Satz von ihm ist mir stark in Erinnerung geblieben: Es ist besser, in der zweiten Reihe zu stehen; da wird man nicht so angesehen und kann dann auch mal aus der Reihe tanzen. Diese Verweigerung eines Leistungsprinzips. Natürlich hat er auch darunter gelitten, dass er kein Geld hatte. Und er war auch ein Halodrie, ein Schlingel. Aber eines werde ich nie vergessen: Es gab gegenüber von uns, unserem Elternhaus, einen anderen Maler, einen Kunstmaler; der hat wirklich viel Geld verdient mit seinen Bildern. Die waren nicht wirklich toll, aber er verdiente damit viel Geld. Meine Mutter sagte dann: Schau doch mal, der verdient so viel Geld – und du machst so tolle Bilder und verdienst kein Geld. Sie war nicht mal anklagend, sie wollte ihn nur auf eine Idee bringen. Er aber antwortete: Nein, der kann wirklich was! Ich habe nie erlebt, dass mein Vater über andere hergezogen ist. Einmal, kurz vor seinem Tod, sagte er zu mir: »Weißt du,
»Ich hab mich immer eher dem Anarcho-Lager zugehörig gefühlt«
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PORTRÄT K. WECKER THOMAS KARSTEN, HINTERGRUND © WWW.FREESTOCK.CA
se hohe bürgerliche Kunst einbringst und in deinen Texten dieses ganze historische Wissen – und dann in deinen Liedern diese menschlich so klare, auch von Wut getragene, pathetische, politische Botschaft! Ich habe das Pathos auch immer verteidigt, denn mein Papa war Opernsänger, und ich bin mit der italienischen Oper groß geworden. Sag mir doch mal eine Verdi- oder Puccini-Oper ohne Pathos! Das ist gar nicht möglich. Aber es ist eben kein falsches Pathos, es ist einfach Leidenschaft. Die Feinde meiner pathetischen Lieder waren eher die linken Kadergruppen. Ich muss es immer wieder sagen: Das größte Glück meines Lebens war dieses Elternhaus! Ein Elternhaus, mit dem ich genauso gekämpft habe, wie alle Jugendlichen mit ihrem Elternhaus kämpfen. Mit meiner Mutter habe ich mich gestritten bis zu ihrem Tod. Aber sie hat mich durch ihre übergroße, manchmal geradezu umklammernde Liebe unglaublich tief in ein Vertrauen hineingeführt. Sie hat geklammert, und trotzdem war’s Liebe. Im Gegensatz zu den vielen, die ich im Laufe meines Lebens kennengelernt habe, die einfach nur sagen: Ich habe ein Scheiß Elternhaus gehabt. Das gibt’s eben auch. Und dann war da mein Vater, den ich bis heute vielleicht auch verkläre, aber eigent-
Gandhi, einen amerikanischen Filmemacher indischer Herkunft, wie er es ausprobiert, als Guru-Darsteller eine Anhängerschaft um sich zu versammeln. Er hat sich zuerst angeschaut, wie die Gurus es machen, dann hat er es auch so gemacht und hat tatsächlich gläubige Anhänger gefunden, die mit ihm irre Heilungserlebnisse hatten. Obwohl er nur eine einfache Pseudo-Figur war und an dieser Grenze zwischen Fake und Wahrhaftigkeit entlang spazierte. Man kann ja auch bei einem Pseudo-Guru oder Pseudo-Heiler echte Heilungserlebnisse haben. Im Endeffekt ist es eigentlich egal, ob du von einem Pseudo angefixt wirst oder von jemand anders.
Agnostiker sind offen für Widersprüchliches
Konstantin, ich bin ein Lober.« Er hat immer gelobt. Ich habe nie gehört, dass er jemanden kritisierte. Außer vielleicht mal, wenn er im Radio so einen Schlager hörte: »Muss des denn sei – den Schmarrn muss ich mir ja wirklich nicht anhören.«. Er hat immer versucht, auch bei den Konkurrenten herauszuspüren, was sie an Qualität haben. Es ist solch ein unglaubliches Glück, bei solchen Eltern aufgewachsen zu sein und damit so ein Urvertrauen in die Welt zu bekommen. Das habe ich bis heute nicht verloren. Dein Vater war als Künstler nicht erfolgreich, ihm war der Publikumserfolg nicht vergönnt. Wie
»Am einfachsten sterben die Agnostiker. Am schwersten die katholischen Priester«
kommt es, dass du als Musiker und mit deiner politischen Botschaft so erfolgreich bist, obwohl du doch zwischen Stühlen stehst, zwischen den Lagern, und keiner Seite so richtig angehörst? Das erlebe ich persönlich auch bei vielen anderen, die nicht klar einzuordnen sind, mich inklusive. Ist das jetzt ein linker Pazifist, ein Esoteriker oder Spiri, oder ein Kritiker von esoterischen Spinnern, oder was jetzt … Was dich natürlich auch nicht unbedingt erfolglos macht.
Doch, wirtschaftlich schon. Ja, aber deine Kommentare, wenn ich die so lese, die sind genau deswegen so spannend, weil man dich ja nicht irgendwo hinstecken kann. Danke, aber die Anzahl derer, die das schätzen, ist klein. Meine Zielgruppe ist zu klein, um ohne Selbstausbeutung davon leben zu können. Obwohl ich in der Hinsicht, nun schon 28 Jahre lang, alles versucht habe. Ungefähr 10.000 Leute kennen mich und wollen immer mal wieder was von mir lesen; die Kerngruppe von ihnen hat diese Zeitschrift abonniert – danke euch allen! –, aber für ein sogenanntes anständiges Dasein als Künstler, Autor oder Zeitschriftenmacher reicht das nicht. Du musst halt jetzt doch Guru werden! In deinem Alter ist das jetzt die einzige Möglichkeit!!! (lacht) Vielleicht ist das die Schiene, die jetzt für mich angesagt ist: Pseudoguru! Das begeistert mich schon irgendwie. Sowas wie diese ScharlatanGeschichte in unserer vorletzten Ausgabe. Oder dass ich eingeweiht bin in den koreanischen Pseu-Weg, den keiner so richtig versteht … (Konstantin lacht schallend) Das Schreckliche ist: Es wird genügend geben, die auch das ernst nehmen! Ich habe auf dem Rainbow-Festival einen Vortrag über die Scharlatane gehalten und mir dabei fest vorgenommen: Das schaffst du ohne zu lachen! Eine gute halbe Stunde Vortrag über so ein Hokuspokus-Thema, und auf keinen Fall dabei lachen. Obwohl ich im Lauf dieser halben Stunde richtig krass geworden bin – ich habe dabei z.B. die Ausbildung zum Scharlatan 3. Grades angeboten, und richtig teuer, – hat am Ende immer noch ein Drittel der Zuhörer gesagt: Herr Schneider, wo können wir mehr darüber erfahren? Auch der Film Kumaré enthält dieses Thema: Dieser Dokumentarfilm zeigt Vikram
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Du kannst einen Clown umarmen und dabei heil werden. Oder die Inderin Amma, die umarmt Tausende, die fühlen sich dabei von ihr geliebt, vielleicht sogar geheilt. Das ist es ja, worüber wir vorhin gesprochen haben: die Heimat im spirituellen und esoterischen Bereich. Gerade da gibt es ja ganz viele Heimatsuchende. Ob die jetzt in eine politische Partei oder in einen politischen oder esoterischen Extremismus hineinfallen: Hauptsache Heimat. Hauptsache ein geschlossenes Weltbild, das dir das Gefühl gibt, damit dieses Leben überstehen zu können. Wie schafft man es eigentlich, als Agnostiker zu überleben? Das ist, glaube ich, unser aller Frage. Ich habe lange mit einem gut befreundeten Pfarrer aus Luzern gesprochen. Er hat zweitausend Menschen im Sterben begleitet und sagt: Am einfachsten sterben die Agnostiker. Am schwersten die katholischen Priester. Für mich ist das kein Wunder, denn kurz vorher fragen sie sich wohl nochmal: War es das wirklich, oder hab ich da nur Blödsinn geglaubt? Für was war das alles? Die Agnostiker sterben am leichtes ten, und auch die Atheisten können nicht gut abtreten. Auch das ist ja ein -ismus, wenn du so willst. Der Agnostiker hingegen ist offen für Widersprüchliches, und… … er weiß, dass er nichts weiß, er hat dieses sokratische Staunen. Ja, dieses ewige, immerwährende Staunen!
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GRENZWANDERER
Den zweiten Teil unseres Gesprächs vom 13. August 2013 im Augustiner-Biergarten, München, findet ihr in der nächsten Ausgabe von Connection Spirit, die am 20. Dezember erscheint.
KONSTANTIN WECKER, geb. 1947 in München, ist verheiratet und Vater zweier Söhne. Er ist in Deutschland einer der bekanntesten Liedermacher, Gesellschaftskritiker und unerschütterlicher Pazifist, außerdem Buchautor und Schauspieler. www.wecker.de
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FÜHRUNG
Führung & Verführung
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und die drei Arten von Führungskompetenz
Ein guter Führer muss imstande sein, Menschen beeinflussen zu können. Er oder sie sollte auch das Fach, in dem er führt, meisterhaft beherrschen. Noch wichtiger ist jedoch das dritte, meint der Redakteur, Musiker und Ken Wilber-Kenner Michael Habecker: Ein guter Führer muss auch die moralisch-ethische Kompetenz haben, um führen zu können
s ist schon oft gesagt und geschrieben worden, und tagtäglich erinnern uns die Nachrichten schmerzlich daran: Wir sehen uns in einer globalen Welt einer Reihe globaler Probleme gegenüber, die globale Lösungen brauchen. Dazu gehören Armut, die atomare Bedrohung, der Klimawandel und der Terrorismus bis hin zur Wirtschaftskrise. Führung oder Leadership – die Fähigkeit, Menschen zu beeinflussen, zu führen und komplexe Aufgaben zu lösen – spielen dabei eine entscheidende Rolle.
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Geführt von Vorbildern
VON MICHAEL HABECKER
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Das Wort »Führung« löst gerade im deutschsprachigen Kontext zwei diametral entgegengesetzte Assoziationen aus.
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FÜHRUNG
Gewarnt von Verführern Doch es gibt noch eine ganz andere Seite von Führung, die wir mit diesem Begriff assoziieren, und das ist die von Verführung, Manipulation, Missbrauch und Beherrschung. Allzu oft brachten Menschen aus einer Führungs- und Herrschaftsposition heraus Leid und Elend über die Menschheit, von der Terrorisierung einer kleinen Gemeinschaft bis hin zu Weltkriegen und Völkermord. Die integrale Landkarte kann uns bei der Differenzierung zwischen Führung und Verführung Hilfestellung leisten – und natürlich auch bei der Lösung anstehender globaler Probleme, für die Führung ja ein Mittel zum Zweck ist.
Führung und Entwicklung Zuallererst setzt Führung eine Art von vertikaler Unterschiedlichkeit und Entwicklung voraus. Wo alles und alle gleich sind,
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durchläuft sie auch auf seinem persönlichen Entwicklungsweg. Aus einer integralen Perspektive geht es darum, sowohl das gesamte Entwicklungsspektrum zu würdigen und sich für gesündere Formen von Führung auf allen Ebenen einzusetzen, als auch sich dafür zu engagieren, dass Führung von der höchstmöglichen Entwicklungsebene ausgeübt wird, was bedeutet, dass die größtmögliche Anzahl von Perspektiven, Interessen und Einflussfaktoren dabei Berücksichtigung findet.
Drei Arten von Führungskompetenz
macht Führung keinen Sinn. Führung ist dabei selbst von Entwicklung nicht ausgenommen. Wenn wir ein einfaches Entwicklungsmodell wie das von Jean Gebser zugrunde
Es gibt vertikale Unterschiedlichkeit. Es gibt Entwicklung. Wo alle und alles gleich sind, macht Führung keinen Sinn
legen, mit Stufen von archaisch, magisch, mythisch, rational, pluralistisch und integral, dann erhalten wir bei jedem Entwicklungsschritt immer humanere Formen der Führung, von brutaler Gewalt und körperlicher Überlegenheit über magische Rituale zu mythisch-imperialen Herrschaftsstrukturen und repräsentativ-demokratischen Abläufen, und weiter bis zu dialogisch-pluralistisch geprägten postmodernen Formen von Führung. Alle diese Stufen oder Ebenen von Führung sind global im Einsatz, und jeder Mensch
Ein wichtiger Entwicklungsaspekt ist (entwicklungs)psychologischer Natur und betrifft die Differenzierung unterschiedlicher Entwicklungslinien oder »Kompetenzen«. Menschen sind in ihren Fähigkeiten unterschiedlich weit entwickelt. Ihre kognitiven, emotionalen, handwerklichen, kommunikativen, künstlerischen, mathematischen, moralischen und spirituellen Fähigkeiten unterscheiden sich sehr. Deshalb liegt es nahe, zu verlangen, dass ein Mensch nur dort eine Führungsfunktion ausüben sollte, wo er oder sie sich auch entsprechend weit entwickelt hat. Dies ist, wenn man so will, die fachliche Seite. Ein spirituell Verwirklichter kann spirituell führen, ein Handwerker kann in seinem Handwerk ausbilden. Was jedoch unbedingt dazugehört, ist die ethisch-moralische Reife eines Menschen. Erst darüber entscheidet sich, auf welche Weise ein Mensch führt (oder verführt). Auf den unteren Entwicklungsstufen dient Führung lediglich der Ausbeutung und Manipulation anderer für die eigenen Zwecke. Erst ab einer höheren moralischen Entwicklungsstufe dient Führung immer mehr und schließlich allen Menschen und Wesen. Insgesamt können wir drei Kernkompetenzen bei Führungspersönlichkeiten benennen, die uns dabei unterstützen, Führer von Verführern zu unterscheiden: a) die moralisch/ethische Kompetenz, verbunden mit einer innerpsychischen und zwischenmenschlichen Kompetenz: Ist die Person integer; wie ist ihre persönliche Lebensführung, vor allem in den Bereichen Sex, Geld und Macht; wie geht sie mit sich selbst, mit anderen Menschen und den Dingen des Lebens um; welchen Entwicklungshorizont hat sie, d.h. wie viele Perspektiven ist sie in der Lage einzunehmen; stimmen Reden und Handeln überein; ist die Person zu Selbstreflexion (auch biografisch) und Selbstkritik fähig; anerkennt er oder sie eigene Grenzen, Schwächen, Defizite und Schatten?
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Zum einen erinnern sich die meisten Menschen gerne und voller Respekt an Führungspersönlichkeiten als machtvolle Diener eines evolutionären Geschehens hin zu mehr Freiheit, Solidarität und Nachhaltigkeit auf der Welt. Dies sind Menschen, die kraft ihres Einsatzes und Überzeugungsvermögens andere Menschen aus der Bevormundung und Fremdbestimmtheit hin zu immer mehr individuellen inneren und äußeren Freiheiten geführt haben – von der Sklaverei über die Apartheid hin zu den allgemeinen Menschenrechten, unabhängig von Hautfarbe, Herkunft, Geschlecht und sexueller Orientierung. Anderen Führungspersönlichkeiten verdankt die Menschheit große soziale Fortschritte, die eine Zunahme von Versöhnung, Frieden und Gerechtigkeit zwischen den Menschen und Völkern brachten. Schließlich erinnern wir uns auch gerne der Pioniere, die sich für eine nachhaltigere und ressourcenverantwortlichere Lebensgestaltung einsetzten. Regelungen und Verhaltensweisen, die uns heute als selbstverständlich erscheinen, verwirklichten sie beharrlich gegen Widerstände und Borniertheit, und sie ermüdeten dabei nicht auf ihrem langen Weg. Manche von ihnen haben dabei gedanklich-geistige Grundlagen formuliert und vertreten, wie »alle Menschen sind gleichwertig«. Andere haben sich in einer konkreten gesellschaftlichen Umsetzung derartiger Prinzipien engagiert. Manche vereinigten in ihrer Person beides.
FÜHRUNG
führen zu lassen. Durch die Differenzierung unterschiedlicher Kompetenzen wird deutlich, dass, je nachdem worum es sich handelt, die Rollen von Führer und Geführtem sich vertauschen können, was starre Hierarchien verhindert.
Führung persönlich Hier einige Anregungen zur Selbstreflexion zum Thema. • Wie ist meine erste spontane Reaktion auf den Begriff »Führung«? Ist sie positiv, neutral oder negativ? Alternative Begriffe wären »Herrschaft«, »Beeinflussung«, »Machtausübung«, »Autorität«. • Wie ist meine erste spontane Reaktion auf den Begriff »Unterordnung«? Ist sie posi-
Jedes Individuum ist evolutionär unterwegs. Wir alle führen und werden geführt, lehren und lernen, bekommen und geben Vertrauen und
In Balance sein und wechseln können Dabei spielt, um es noch einmal zu betonen, meines Erachtens Punkt a) die entscheidende Rolle. Am gefährlichsten und historisch leider häufig anzutreffen ist die Kombination einer hohen Kompetenz in b und c bei einer niedrigen Kompetenz in a. Manipulative und suggestive Fähigkeiten (c) werden dann verwendet, um Kompetenz (b) vorzutäuschen und Menschen zu verführen. Aber auch eine hohe moralische Integrität und spirituelle Verwirklichung, wie sie z.B. der Dalai Lama für viele Menschen hat und auch für mich, bedeutet nicht automatisch, dass er als Führungspersönlichkeit in allen Lebensbereichen geeignet ist. Wenn es beispielsweise um Homosexualität und gleichgeschlechtliche Partnerschaften geht, dann scheint er sich diesbezüglich auf den traditionellen Buddhismus zu berufen, und dort gibt es, vorsichtig formuliert, für gleichgeschlechtliche Partnerschaften wenig Verständnis. Jeder und jede, die Führungsverantwortung haben, sollten sich daher im Hinblick auf alle drei Kernkompetenzen selbstkritisch prüfen. Ebenso sollten geführte Menschen entsprechend kritisch gegenüber denen sein, die sie führen. Gleichzeitig kann man davon ausgehen, dass es sehr viele Menschen gibt, die einem selbst in vielem überlegen sind. Jede Begegnung bietet daher immer auch eine Möglichkeit zu lernen und sich
entwickeln uns
tiv, neutral oder negativ? Alternative Begriffe wären »sich führen lassen«, »Gehorsam«, »Dein Wille geschehe«, »Folgsamkeit«. • Wie habe ich Führung durch Autoritätspersonen wie Eltern oder Lehrer in meiner Kindheit erlebt? • Wenn ich auf meinen Lebensweg zurückschaue, wo und wann habe ich andere verführt, betrogen, manipuliert – und gibt es diesbezüglich etwas für mich zu tun, etwas in Ordnung zu bringen? • Wie geht es mir heute damit, von anderen geführt zu werden, und in welchen Situationen ist das der Fall? • Wie geht es mir heute damit, andere zu führen, und in welchen Situationen ist das der Fall? • Welche Führungspersönlichkeiten des öffentlichen Lebens (historisch und/oder aktuell) sind für mich Vorbilder und gute Beispiele? • Welche positiven Eigenschaften bei Füh rungsvorbildern (wie Durchsetzungsstärke, Umsetzungserfolge, Charisma) sind Eigenschaften, die ich mir selbst noch nicht erschlossen habe und die es für mich zu entwickeln gilt (als »goldener Schatten«)? • Welche Führungspersönlichkeiten des öffentlichen Lebens (historisch und/oder ak-
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tuell) sind für mich schlechte Vorbilder und Negativbeispiele? • Welche negativen Eigenschaften bei Führungspersonen (wie Machthunger, Manipulation, Egoismus) sind Eigenschaften, die ich bei mir selbst verleugne und wo ich diesen eigenen Schatten auf Führungspersönlichkeiten projiziere? • Welchen Menschen vertraue ich mich bedingungslos an? • Welche Menschen vertrauen sich mir bedingungslos an? • In welchen Bereichen traue ich mir Führung zu oder übe sie aus, und wo nicht? • Welche Führungsfähigkeiten habe ich?
Wer, wie und was führt denn da? Zusammenfassend können wir das Wer, Wie und Was von Führung unterscheiden. Das Wer betrifft die Person, die führt. Hierbei sind die genannten Kernkompetenzen entscheidend, vor allem die ethisch-moralische Entwicklung. Doch nicht jeder, der eine hohe Moral hat, hat auch die Fähigkeiten, andere Menschen zu führen, und das bringt uns zum Wie von Führung. Mit welchen Methoden und Techniken kann Führung am besten gelingen? Und schließlich findet Führung nicht im Labor, sondern vor dem Hintergrund konkreter Aufgaben- und Problemstellungen statt, und das ist das Was von Führung. Worum geht es dabei – um die Leitung einer Organisation, um die Durchführung eines Projektes, um die Erreichung von z.B. politischen Zielen, um die Lösung einer Krise oder darum, anderen zu helfen zu erwachen? Hierbei ist die integrale Landkarte eine große Hilfe für eine umfassende Problemanalyse und Lösungssynthese. Ein sich entwickelndes Universum und eine sich entwickelnde Welt brauchen Träger und Gestalter dieser Entwicklung. In diesem Sinn ist jedes Individuum evolutionär unterwegs, zusammen mit vielen anderen. Wir alle führen und werden geführt, lehren und lernen, bekommen und geben Vertrauen und entwickeln uns. Dabei werden wir uns der Risiken und Chancen, Transformationsmöglichkeiten und Missbräuche, die darin liegen, immer bewusster – auf einem langen, leidvollen und auch freudigen Weg hin zu einer freieren, gerechteren und nachhaltigeren Welt für alle.
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b) die fachliche Kompetenz. Ein spiritueller Führer sollte über eine entsprechende spirituelle Kompetenz verfügen, ein Wirtschaftsführer über eine entsprechende wirtschaftliche Kompetenz, usw. Was bei handwerklichen Fähigkeiten auch für Laien schnell erkennbar ist – ob jemand Gitarre spielen kann, können auch Nichtgitarrenspieler nach einer Demonstration beurteilen –, ist bei inneren Kompetenzen wie spirituellen Verwirklichungen sehr viel schwieriger einzuschätzen. Tut (redet, schreibt oder verhält sich) jemand nur so, oder hat er oder sie tatsächlich etwas verwirklicht, gedanklich, emotional, ethisch, spirituell? c) die eigentliche Führungskompetenz – die Fähigkeit, andere zu beeinflussen und sie zu überzeugen, die Beherrschung des »Führungshandwerks«. Erst durch die Meisterung entsprechender Techniken und Fähigkeiten wie Überzeugungskraft, Motivation und Organisationsgeschick können Ideen im größeren Rahmen Wirklichkeit werden. Hierzu gehören auch die Kenntnis und Aneignung unterschiedlicher Führungsstile und deren Integration, wie z.B. maskulin und feminin, abwartend und handelnd, unterscheidend und zusammenführend, delegierend und konzentrierend, fantasierend und systematisierend.
MICHAEL HABECKER, Autor, Seminarleiter, Musiker und Pädagoge. Langjährige Beschäftigung mit der integralen Theorie und Praxis. CoAutor des Buches Wissen, Weisheit, Wirklichkeit und des Buches Innen Leben. michael.habecker@t-online.de
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Worte, Dinge und ich selbst Über die Kunst, Bücher, Zeitschriften und sich selbst zu Markte zu tragen
Der jährliche Besuch auf der Buchmesse Frankfurt gibt dem Besucher Anlass zu Gedanken über Erfolg und Scheitern, Ideen und den Markt. Und über die Rolle, die Personen dort spielen – auch für ein transpersonales Magazin
ihr Schiffchen über die stürmischen Gewässer der Märkte steuern. Ist das die Rache der Götter für fast dreißig Jahre transpersonale Borniertheit? Warum muss ich als Person für Transpersonalität stehen? Kann das Thema denn, verdammt noch mal, sich nicht selbst tragen? Erst der Gedanke an den Dalai Lama, der mit unerschöpflicher Geduld als Person für den essenziell doch unverkennbar transpersonalen Buddhismus steht, beruhigt mich dann wieder. Wenn er als Vertreter einer Weltreligion das kann, warum nicht ich?
gelingen möge, und dass es ihm was ausmacht, dass er die weitaus meisten der ihm angebotenen Bücher hat ablehnen müssen. Für ihn bin ich der Autor, der auch ein bisschen auf Verlag macht. Für mich ist er der Verleger, der auch ein bisschen schreibt. Eine schöne Begegnung.
Café der Verlage Auf der Buchmesse durch die Gänge der Halle 3.1 zu spazieren, ist immer ein Wie-
Warum muss ich als Person für Transpersonalität stehen? Kann das Thema denn, verdammt noch mal,
VON WOLF SCHNEIDER
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ch bin auf der Buchmesse in Frankfurt, heuer vielleicht schon zum zwanzigsten Mal. Die zigtausend Neuerscheinungen lasse ich an mir vorüberziehen, dort treffe ich vor allem befreundete Verleger, Lektoren und Autoren, so dicht wie sonst nie im Jahr. Man spricht über die Vermarktung von Büchern, und letztlich geht es mehr um Personen als um Themen: Wer macht was, und wie erfolgreich ist er oder sie damit? Da mache ich nun seit 28 Jahren eine Zeitschrift, die beansprucht, transpersonal zu sein, und doch geht es überall vor allem um Personen. Diese Zeitschrift kann nur leben, wenn Personen sie prüfen, lesen, mögen, weiterempfehlen oder sonstwie fördern.
Personen vermitteln das Transpersonale So stehe ich als Person da, zwischen all diesen anderen Personen, die ebenso wie ich
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sich nicht selbst tragen? Bis vor Kurzem stand er sogar noch als politischer Repräsentant für sein von der Großmacht China gedemütigtes Land. Seltsam, wie tröstend der Vergleich mit einer Person sein kann. Und auch noch dort, wo es ums Transpersonale geht!
Autoren und Verleger Ich treffe Joachim Kamphausen, die Person. Seit dreißig Jahren gibt es nun diesen Verlag, heute mit sechs Labels innerhalb der Gruppe, die ich freundschaftlich spöttelnd »das Kamphausen Imperium« nenne, worauf der Anflug eines Lächelns über sein Gesicht geht. Er ist hier vor allem für sein neues Label tao.de unterwegs; auch hier auf der Buchmesse spricht er sehr leidenschaftlich darüber (s.a. hier im Heft auf S. 55), und man spürt, dass auch er, der große Verleger, mit seinen Autoren mitfiebert, dass ihr Werk
dertreffen mit alten Freunden. Alex Beckmann organisiert dort seit vielen Jahren unermüdlich das »Café der Verlage«, diesmal ist ihm das noch schöner als sonst gelungen: eine Piazza inmitten von Marktständen, darauf runde Tische mit Bioäpfeln und Keksen, Stühle und Holzbänke zum sich Niederlassen und Gespräche Führen über Buchprojekte, eBooks, die Bedrohung durch Amazon, die Bedeutung von Facebook für die Vermarktung von Büchern, und wie lange es den Kult um das gedruckte Buch wohl noch geben wird.
Worte Mich zieht es auch zu den Sprachlernverlagen, darunter Assimil und Pons. Bei beiden bestelle ich mir was und bemerke wieder mal, dass meine intellektuelle Neugier mit dem Erlernen und Studieren von Sprache
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Auftritte als Komiker sein, als Narr und Pausenclown, vielleicht auch irgendwas Lustiges in meinen Texten. Oder ist es mein Alter Ego Shri Shitananda? Am 20. November bin ich damit wieder in Berlin, im Galli-Theater. Ich gebe Satsang, und man weiß nicht so recht, ob man mich dabei ernst nehmen soll oder nicht. Was mir unendlich viel Freiheit verschafft, Unsinn zu reden oder weise Worte, je nachdem, liegt es doch eh alles im Auge des Betrachters.
Connection als E-Magazin
Ceci n’est pas une pipe.
DIE DINGE SINGEN HÖR ICH SO GERN Ich fürchte mich so vor der Menschen Wort. Sie sprechen alles so deutlich aus: Und dieses heißt Hund und jenes heißt Haus, und hier ist Beginn und das Ende ist dort. Mich bangt auch ihr Sinn, ihr Spiel mit dem Spott. Sie wissen alles, was wird und war, kein Berg ist ihnen mehr wunderbar; ihr Garten und Gut grenzt gerade an Gott. Ich will immer warnen und wehren: Bleibt fern. Die Dinge singen hör ich so gern. Ihr rührt sie an: sie sind starr und stumm. Ihr bringt mir alle die Dinge um. Rainer Maria Rilke
und Sprachen allein schon völlig befriedigt ist. Die Wörter teilen die Welt ein in Partikel. Wo grad noch ein Ganzes war, sind in unserer Weltwahrnehmung jetzt Teile, Stücke, und die Dinge haben aufgehört zu singen, sie werden starr und stumm, wie Rilke das in seinem Gedicht so treffend beschreibt. Jede Sprache organisiert diese Aufteilung ein bisschen anders. Diesen Vorgang der Partikularisierung im Einzelnen zu studieren, lässt mich staunen ohne Ende: Nicht nur dass, sondern wie dort geteilt wird – und Wor-
Gemeinsam … te das Geteilte auch wieder zusammengefügen können. Am Stand von Assimil treffe ich Daniel Krasa, der als Vierjähriger in Poona war und dort von Osho (Bhagwan) einen Namen bekam. Er spricht viele Sprachen, hat sie auch wissenschaftlich studiert und erklärt mir, es sei jetzt erwiesen, dass die Roma aus Nordwestindien stammten, ihre Sprache zeige das unmissverständlich, und sie zeige an den aufgenommenen Worten auch, wann und wo die Roma auf ihren Wanderungen sich länger aufhielten. Auch er ist ein Staunender, wie fast alle Forscher, die ich kennengelernt habe. Das Staunen als emotionale Grundlage des Forschers – obendrüber die Theorien, die Analyse, der Vergleich. Und was ist der Mystiker denn anderes als ein Staunender?
Komisch. Aber warum? Seit ein paar Jahren geht es mir so, dass ich beim Betreten einer Szene, wo man mich kennt, oft Lachen auslöse. Anfangs irritierte mich das. Hatte ich vielleicht mein Hemd bekleckert, ohne es zu merken, oder mein Hosenschlitz stand offen? Dann genoss ich diese Wirkung: Wie schön, Freude auslösen zu können! Auch wenn ich meist nicht so recht wusste, womit. Es müssen wohl meine
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Die Herausforderung dieser kommenden Umstellung beschäftigt mich, ebenso die Verschmelzung von TV und Internet. Beides weckt in mir eine Fülle von Ideen. Deren Realisierung werden wir von Connection nicht allein schaffen. Ich suche deshalb nach geeigneten Kooperationspartnern dafür. Zusammen mit anderen Zeitschriften, auch Buchverlagen und Internetportalen möchte ich das in Angriff nehmen. Nicht mehr allein, sondern zusammen mit anderen. Die Redaktion von Connection möchte ich weiterhin verantwortlich führen. Den Verlag bin ich bereit abzugeben oder unter ein gemeinsames Dach zu setzen, zusammen mit anderen Mitspielern mit ähnlicher Vision. Wird die Arbeit im Verbund zu einem Profilverlust führen? Nur, wenn wir es blöd anstellen. Gruppen können einen auch stark machen, und ohne Kooperation geht nichts. Also, wer will: Los geht’s! Meine E-Mail Adresse ist ja bekannt.
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FLICKR.COM © SWANKSALOT
Dies ist keine Pfeife.
Nun noch ein bisschen Planung. Auch wenn die Mehrheit der Leser noch Papier in der Hand halten will, breiten sich Lesegeräte immer mehr aus. Früher oder später muss Connection auch digital erscheinen. Unsere nächste Ausgabe, Connection Spirit 1-2/ 2014, wird damit beginnen. Wer unser Heft dann nicht auf Papier haben will, kann es zum selben Preis auch digital haben, als PDF. Demnächst wollen wir es auch als ePub herausbringen, das ist vor allem auf kleinen Geräten besser lesbar als ein PDF. Das gibt uns dann auch die Möglichkeit, Filme und Töne dazu zu setzen – eine ganz neue, eigene Kunst kann sich da entfalten, die vermutlich die Herstellung von Zeitschriften in Zukunft radikal ändern wird. Wer dazu Ideen hat, Fachkenntnisse oder Lust, bei uns mitzumachen, wende sich bitte per E-Mail an mich.
Wolf Schneider ist am 20.11.13 im Galli-Theater Berlin (www.galli-berlin.de) mit einem Vortrag über Humor + Impro-Theater + Satsang-Sketch, und am 22.3.14 in Salzburg auf dem Lachyoga-Kongress, mit dem EsoterikKabarett-Stück »Alles ist eins« (www.baerenlachen.de/lach-yoga-kongress-salzburg-2014).
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