Spirit 11/12-2015

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DAS MAGAZIN FÜRS WESENTLICHE

9€

11–12/2015 31. Jg. B 6128

Sind wir komisch?

www.connection.de

Schweiz 16,80 sfr, EU-Länder außer Deutschland 9,40 €

Jetzt mal im Ernst:

Sind wir komisch?

Abschied nach dreißig Jahren

Mit Nachrufen von: Konstantin Wecker Christina Kessler Torsten Brügge und anderen


IMPRESSUM Connection Spirit erscheint sechs Mal jährlich im Verlag Connection AG. Vorstand: Wolf Schneider Adresse: Hauptstraße 5,

Vorschau – anders

D-84494 Niedertaufkirchen

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Die angekündigten Connection Spirit Themen: 1–2/2016 »Weisheit und Empathie – warum es gut ist, klug zu sein« und 3-4/2016 »Transspiritualität – es gibt ein Leben jenseits der Gefängnisse, die wir uns auf dem Weg der Befreiung gebaut haben«, die werden nun leider nicht mehr in Connection erscheinen, da niemand den Verlag kaufen wollte. Auch das Tantra-Heft Nr. 98 wird nicht erscheinen, für das »Erotisch leben« als Thema angekündigt war, denn auch die TantraHeft-Reihe ließ sich nicht separat verkaufen. Und auch die Schaman-Hefte nicht, für die das Thema »Ganz natürlich« angekündigt war.

schneider@connection.de www.connection.de Herausgeber, redaktionelle Leitung: Wolf Schneider (V.i.S.d.P., Adresse siehe oben) Grafische Gestaltung: Christina v. Puttkamer, www.design-angel.de welcome@design-angel.de Titelgestaltung: Christina v. Puttkamer,

Schamlos bloggen Die Webseite connection.de wird deshalb zum 1.11.2015 von der Connection AG an mich persönlich übergeben. Sie wird dann neu gestaltet sein, blog-orientiert und anzeigenfrei. Dort werde ich unter anderem zu den angekündigten Themen schreiben, Fotos einstellen und Links zu (demnächst auch selbst erstellten) Filmen setzen. Ich möchte dort Interviews einstellen mit Menschen, von denen ich denke, dass sie was zu sagen haben und selbst geschriebene Reportagen – hoffentlich dann von einem Wohnmobil aus, das ich mir aber erst erwerben oder mir erschleichen muss. Neben mir werden voraussichtlich auch weiterhin Torsten Brügge und Marianne Gallen auf connection.de bloggen und (neu) unsere Filmrezensentin Barbara Wollstein. Auf connection.de werde ich mich in Zukunft noch schamloser äußern können als bisher, was eventuelle Vorbehalte irgendwelcher Leserkreise anbelangt. Die Anzeigenfreiheit der Seite wird mir ermöglichen noch ›kommerziell rücksichtsloser‹ zu sein als bisher.

Foto: stockfresh.com, © hasenonkel Redaktion: Konstantin Wecker (Politik & Spiritualität) Julia Koloda (Wie es ist, WerWasWo, Bücher), Julia.Koloda@connection.de Martin Miethke (Lektorat) Webredaktion: Oliver Bartsch, oliver.bartsch@connection.de Presse- und Öffentlichkeitsarbeit: Sibylle Schütz, presse@connection.de Die Einsendung von Texten und Bildern an die Redaktion ist willkommen. Sie sollten keinen werbenden Charakter haben und werden nicht honoriert, auch nicht durch Tauschwerte. Einsendungen

Freier Autor und Publizist Was ich bisher als Herausgeber von Connection verdient habe, fällt ab 1. November weg. Ich habe keine Rente und keine Rücklagen und werde mich dann als Freelancer über Wasser halten müssen. Trotzdem möchte ich nicht mit einer Paywall die von mir veröffentlichten Inhalte auf die kleine Gruppe der Zahlungswilligen und Zahlungsfähigen beschränken, sondern möchte es anders machen: Ich möchte versuchen von Spenden zu leben. Meine Fans haben bisher 47 € für ein Jahresabo gezahlt, oder 68 € fürs Abo aller drei Periodika. Wenn mir ein Teil dieser treuen Leser in Zukunft 5 oder x € monatlich auf mein Konto überweist, kann er/sie dafür u.U. mehr Inhalte bekommen, und mit Links zu Musik und Filmen außerdem multimedialer – für so viele Euros, wie er/sie eben zu zahlen bereit ist. Und ich kann veröffentlichen, was ich will, ohne dafür einen Verlag zu brauchen, ohne Porto- und Druckgebühren, fast ohne Bürokratie. Wer von euch damit schon jetzt anfangen will: Meine Kontonummer ist die IBAN DE72743914000000326550 BIC: GENODEF1EGR (auf den Namen Wolf Schneider; Betreff: Spende).

bitte nicht auf Papier, sondern ausschließlich per E-Mail an schneider@connection.de. Bilder bitte nicht ohne Ankündigung schicken. Copyright: Alle Rechte vorbehalten. Copyright bei der Connection AG und bei den Autoren. Die einzelnen Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder; insbesondere ist die Redaktion nicht für die Inhalte der veröffentlichten Anzeigen verantwortlich. Aboverwaltung und Einzelversand: Irmgard Hauer versand@connection.de Connection Medien AG, Adresse siehe oben; Einzelpreis: 9 € Abonnement: 47 € in Deutschland; 49 € im europäischen Ausland Anzeigenservice:

Texte von mir im Print Wer Texte von mir nicht gerne am Bildschirm liest, sondern lieber auf Papier, findet sie in Zukunft in Ursache & Wirkung (4x/Jahr mindestens vier Seiten), Visionen (11x/Jahr mindestens eine Seite), Spuren (4x/Jahre mindestens eine Seite), Osho Times und Bud dhismus aktuell (gelegentlich), und in den Regionalblättern KGS Berlin (weiterhin in jeder Ausgabe eine Doppelseite) und Prisma Franken. In Vorbereitung ist ein Buch zum Thema »Heimat«, eine Neuauflage des »Kleinen Lexikons esoterischer Irrtümer« und ein »Kleines Lexikon der Irrtümer in der Liebe« (die letzten beiden im Syntropia Verlag). Einzelne Connectionhefte und Powerpacks könnt ihr weiterhin über vertrieb@connection.de bestellen. Wolf S. Schneider, www.connection.de

Brigitte Schwab Connection AG Anzeigenservice Lindenstr. 14A, D-41363 Jüchen +49-2165-879749, brigitte.schwab@connection.de Buchhaltung: buchhaltung@connection.de

Bankverbindung: Connection AG, Raiffeisenbank Neumarkt St. Veit, Konto Nr. 904 139, BLZ 701 694 74 Connection Spirit wird auf umweltschonendem Papier gedruckt.

ISSN 0932- 5565


… und wohin fliegt der Geist?

Mit dieser letzten Ausgabe von Connection blicke ich jetzt, mit meinen 62 Jahren Lebensalter, auf ziemlich genau mein halbes Leben zurück – fast 31 Jahre waren es. Es war das abenteuerlichste und vielfältigste Projekt, das ich je durchgeführt habe. Die Führung und die Aufgaben wechselten, die Herstellungstechniken sowieso. Zeitweilig wurde der Verlag von einer Gemeinschaft betrieben, die letzten Jahre immer mehr von mir. Als wir begannen, waren gerade die ersten PCs auf dem Markt, Texte schrieb man damals noch auf der Typenradschreibmaschine. Die Druckvorstufe mit ihren Repro kameras usw. ist inzwischen durch mehrere technische Revolutionen auf ein PDF zusammengeschnurrt,

Bücher geben von mir. Im Connection-Shop und auf Syntropia.de könnt ihr weiterhin ConnectionHefte und Connection-Powerpacks kaufen, ab 23. Oktober in Deutschland versandkostenfrei. Weitere Infos über mich und Connection findet ihr auch in Zukunft auf connection.de und in meinem Newsletter.

Connected bleiben Bewegend sein Der Geist der Verbindung, des Verbundenseins und miteinander connectens aber hat sich nicht geändert, nur die Kommunikationswege haben sich geändert. Wer künftig mit dem Geist dieser Zeitschrift verbunden sein will, schaue auf connection.de, dort werde ich ab November bloggen – so multimedial, wie es meine Mittel und Fähigkeiten erlauben. Dort kann man sich für den kostenlosen Newsletter anmelden, und das kann man auch schon jetzt, denn der jetzige Verlagsnewsletter wird dann mein (wahrscheinlich monatliches) Kommunikationsmedium sein, und auch meine EMail-Adresse bleibt. Auf der Titelseite seht ihr den Narren nach unten abtauchen. Er wird jedoch nicht ganz verschwinden, sondern ich werde an anderen Stellen weiterhin mein Unwesen treiben. Ja, ich werde auch in Zukunft schreiben! Das Schreiben war schon immer mein Ding, viel mehr als das Organisieren eines Verlages oder einer Gemeinschaft. Ich werde die Welt deshalb weiterhin und sogar noch mehr als bisher mit meinen Worten belästigen und erfreuen und hoffentlich zwischendurch trotzdem mehr Zeit haben für persönliche Begegnungen. Einige der Zeitschriften, für die ich schreiben werde, findet ihr in dieser Ausgabe genannt, und es wird auch bald neue

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Es freut mich, dass für diese letzte Ausgabe von Connection neben dem »komischen« Schwerpunktthema noch so viele in leidenschaftlicher und witziger Weise würdigende Abschiedsgrüße zustande gekommen sind! Ich fühle mich geehrt und geliebt, gelobt und an einigen Stellen zu Recht getadelt – auch das nehme ich ernst. Ich möchte mit euch in Kommunikation bleiben, nun eben auf andere Weise. Nun nicht mehr durch dieses Printmedium, das sich mehr als 30 Jahre lang in vieler Hinsicht sehr bewegt hat, von euch bewegt wurde und euch bewegt hat.

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Ein halbes Leben …

und jetzt gibt es das Internet, das unsere ganze Weltkultur verändert. Fast jeder hat heute ein Smartphone und einen Facebook-Account, und für Medienunternehmen, die für »die mobilen Endgeräte« nichts anzubieten haben, sieht es nicht gut aus.

FOTO: ANIELA ADAMS

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m April 1985 erschien das erste Heft von Connection. Damals planten wir noch ein zweiwöchentliches Erscheinen. Bald darauf erschien sie viele Jahre lang monatlich, und zeitweilig hatten wir bis zu sechs verschiedene regionale Beihefter mit regionalen Infos und Anzeigen. Die Preise für ein Exemplar schwankten zwischen 2,80 € und 9 €, die Auflagen zwischen 5.000 und 60.000 Stück. Ganz zu Anfang waren es sogar nur 300 fotokopierte Ausgaben, per Hand zusammengelegt, doch das Verteilungsgebiet war schon bald die ganze Welt: Japan, Australien, Argentinien, Hawaii, und natürlich vor allem der deutsche Sprachraum in Mitteleuropa. Und über all die Jahre ist diese Zeitschrift mehr als eine Million mal gekauft worden, und fast jedes Exemplar wurde weitergereicht und von mehreren Menschen gelesen.

Editorial

Die Formen ändern sich

Wolf S. Schneider, schneider@connection.de

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NOVEMBER-DEZEMBER 11-12/2015

Jetzt mal im Ernst: Dorit und Dirk David

Herr Du

Sind wir komisch?

Eine Ente liebt eine Kuh. Ihre Liebe bleibt unerwidert. Die Ente erliegt ihrer schwarzweißen Sehnsucht, selbst dann noch, als die Kuh längst fort ist. In seinem schwarzbunten Haus beginnt für die Ente eine Reise in die Vergangenheit... 54 Seiten, ISBN 978-3-940392-87-9 12,90 €

Ja, wir sind komisch – aber es kommt darauf an, wie man hinschaut. Für den mitfühlenden Blick und den Blick, der den Einzelnen sieht, den Begrenzten und sich Begrenzenden sind wir Menschen jedoch auch tragische Gestalten. Erst wenn das Bewusstsein sich weitet und die Gestalt in ihrem ganzen Kontext sieht, wird das Komische sichtbar.

WonderFool Ein Fool lebt außerhalb jeder Ordnung auf einem Zaun. Von dort aus beobachtet er, wie sich das Rad des Lebens dreht. Konflikte dienen ihm zum vergnügten Spiel. Es lohnt sich, im Hier und Jetzt zu leben! 44 Seiten, ISBN 978-3-939272-23-6 10,90 € Tel: +49 (0) 61 54 - 60 39 5-0 / Fax: -10 E-Mail: info@syntropia.de

S. 14 – 33

Versandkostenfreie Lieferung in DE!

www.syntropia.de

30 Jahre Connection Verlag Nachrufe, Würdigungen, ein Interview mit dem Gründer und sein Fazit aus drei Jahrzehnten Verlegersein zeigen das Bild von einem wilden, mutigen und auf seine Art konsequenten Unternehmen, das mit dieser Ausgabe endet.

S. 34 – 53 und 74 – 77

Anders sprechen, anders sein Je nachdem, in welcher Sprache wir uns ausdrücken, sind wir jeweils andere. Das macht das Sprachenlernen zu einer Abenteuer- und Forschungsreise in neue Identitäten hinein. Wir sprachen mit einem Erforscher seiner selbst in 30 Sprachen, von denen er 15 fließend spricht.

S. 56 – 59

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I N H A LT 6

Salama I. Heinrichs über das Menschsein

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Wie es ist – Nachrichten von heute

10 Wie es sein könnte – Nachrichten aus einer Welt von morgen 12 Nachruf von Christina von Puttkamer

S. 14

Schwerpunkt: Sind wir komisch? 14 Der Mensch ist eine tragikomische Figur, findet Rainer Selbstzweck 18 Warum bin ich eine lächerliche Existenz? fragt sich Johannes Galli 20 Manifest des Nullyoga – Pier Zellin meint: Es hilft alles nichts 22 Warum Lachen göttlich ist, erklärt Sabrina Mansouri 24 Wie der Erwachte lachte, erzählt Matthias Mala 26 Lerne zu lachen ohne Grund, empfiehlt Robert Meisner 30 Das Mysterium des Treppensteigens und der Vergänglichkeit erkennt Friedemann Schulz von Thun im Gespräch mit Bernhard Pörksen

S. 24

Rückblicke / Nachrufe: 34 Abschied von der Szene? – Boaz Frank Leder sprach mit Wolf über die fast 31 Jahre, in denen die Connection-Macher »wild und gefährlich« lebten 38 Gibt es ein Leben ohne Connection? fragt sich Saleem Matthias Riek 39 Freiheit braucht Commitment, behauptet Christina Kessler 40 Der Weg entsteht im Weitergehen, findet Mike Kauschke von evolve 41 Die Person ist wichtig! findet Ronald Engert von Tattva Viveka 42 Hellsichtige Spinner und intelligente Brahmanen, fand Konstantin Wecker bei Connection 43 Von dem Komischen Verleger und dem bayerischen Sufi erzählt Ingo Taleb Rashid 44 Adios Connection – Udo Pochert nimmt Abschied von einer mutig gelebten Utopie 45 Für ein Integrales Update von Connection war es noch zu früh, meint Katharina Ceming

S. 30

46 Verbindung bitte! wünscht sich Martin Frischknecht von Spuren 47 Ein Loch in der Seele bleibt für Torsten Brügge 48 Das Wissen nicht allein zu sein war für Brigitte Schwab das Wesentliche 49 Aber ein kleines Dorf in Gallien…. erfreute ReinO Kropfgans 50 Unternehmer sein – Wolf Schneider zur ökonomischen Seite der Veranstaltung 54 WerWasWo 56 In uns wohnen viele Ichs – Wolf Schneider sprach mit dem Sprachgenie Daniel Krasa 60 Bilder der Seele – Portraits von Menschen aus Asien zeigt der Fotograf Bernd Kolb 64 Promotion: Tantra ist tot, es lebe Tantra! – eine Betrachtung von Herbert Barkmann

S. 55

66 Promotion: Identitätsyoga – Verena Hirschmann stellt Arjunas Awakening Coaching vor 68 Filme 70 Bücher

S. 60

74 Leserbriefe 78 Marktplatz 80 Veranstaltungskalender und Inserentenverzeichnis 82 Vorschau/Impressum , Zeitschrift für Spiritualität & Politik, Mystik, Ökologie, Lebenskunst und Humor. Sie erschien in den letzten Jahren zweimonatlich mit einem starken Schwerpunkt. Gegründet 1985, ist Connection Spirit die älteste transkonfessionelle spirituelle Zeitschrift auf deutsch. Fachmagazine über Tantra und Schamanismus aus demselben Verlag ergänzen sie.

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ERNSTHAFT KOMISCH

Der Mensch als tragikomische Figur Von der Freiheit, sich sowohl als tragisch wie auch komisch empfinden zu können Das Lachen über Objekte, speziell über menschliche Objekte, ist ein mächtiger sozialer Baumeister: Es grenzt die aus, über die gelacht wird, und verbindet die miteinander, die gemeinsam über dieselben Objekte lachen, meint unser Autor Rainer Selbstzweck, dem wir diesmal den Leitartikel überließen. Humor in seiner geistreichsten und liebevollsten Form ist es, sagt Rainer, wenn das Objekt meines Lachen zunächst, vor allem und auch am Ende ich selbst bin. Aus diesem Bezug zu sich selbst heraus entscheidet sich der Mensch, dem dies bewusst ist, für eine eher tragische oder eher komische Rolle im Leben

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VON RAINER SELBSTZWECK

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ERNSTHAFT KOMISCH

it dem Humor ist es so eine Sache – er versteckt sich gerne. Wer nach außen hin humorvoll ist, Witze macht, über dies und das lacht, der ist es inwendig manchmal gar nicht. Wenn ich mir die Sache jetzt mal aus der Perspektive des reinen Selbstzwecks ansehe, möchte ich zuallererst, dass es mir selbst gut geht. Und dazu brauche ich die anderen, euch: dass es auch euch gut geht. Folglich darf ich nicht über andere Menschen lachen – oder nur dann, wenn sie wissen, dass ich sie damit nicht ablehne und ausgrenze, sondern dabei eigentlich über mich selbst lache – über das, was ich an ihnen sehe, weil ich es bei mir selbst, wegen der zu großen Nähe zu mir selbst, nicht sehen kann.

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Publikum oder wer oder was auch immer – das zu zeigen, was jetzt gerade für mich wahr ist. Wenn möglich das Wichtigste davon, alles kann man ja nicht zeigen, schon aus zeitlichen Gründen. Und zwar unumwunden, aufs Wesentliche reduziert und in dem Maße, wie man es ihm, ihr, ihnen zumuten kann.

Ein bisschen komisch Wenn ich diese Auftritte nicht martinlutherisch gestalte (»Hier stehe ich, ich kann nicht anders«), fühle ich mich damit freier, ja, ko-

tung auszuprobieren, ein anderer zu sein –, dann ist damit was gewonnen. Es ist ein Gewinn an Freiheit – und Komik. So wie wenn dem im Rollstuhl in einer Schlange Wartenden angeboten wird, ihn nach vorn zu lassen, und er das vergnügt grinsend kommentiert: »Nicht nötig, immerhin habe ich einen Sitzplatz«. Anscheinend hat Freiheit etwas mit Komik zu tun. Schließlich ist der Joker im Kartenspiel die freieste Karte: Er kann überall hin, überall passt er. Er ist ein Chamäleon, er kann sich anpassen und dabei die Farbe sei-

»Im Grunde bin ich eine tragische Figur, denn ich leide, und das meiste,

PIXABAY.DE © TERIMAKASIH0 /

Oh, wie tragisch! Im Grunde bin ich eine tragische Figur, denn ich leide; das meiste, was ich im Leben versuche, gelingt mir nicht. Ab und zu klappt mal was, aber in den meisten Fällen scheitere ich. Selig sind die, die nur die Erfolge im Gedächtnis behalten. Ich selbst aber kann mich, Hand aufs Herz, auch an die anderen Ereignisse erinnern. Wenn ich tiefer forsche, entdecke ich, dass ich mir immer dann selbst leidtue – also eine tragische Figur bin –, wenn ich die Ursache meines Unglücks außen verorte. Vielleicht liegt sie ja wirklich außerhalb von mir – wie der Zeckenbiss, den ich mir im eigenen Garten geholt habe; der Auffahrunfall, bei dem mir jemand hinten rein gefahren ist; oder der Taschendieb, der mir am Hauptbahnhof beim Anrempeln meinen Geldbeutel gestohlen hat. Oder bei Krankheiten, die mich treffen, ohne dass ich sie mir durch eine ungesunde Lebensweise zugezogen hätte. In allen diesen Fällen kann ich die außen verortete Ursache als solche dort stehen lassen und mir die Freiheit nehmen zu entscheiden, wie ich damit umgehe. Dann bin ich nicht mehr das Opfer der Umstände, und die Situation fängt an, ein bisschen komisch zu werden. Zumindest wird sie leichter erträglich.

Echte Zumutungen Komisch finde ich mich selbst, wenn ich das, was ich gerade mache, wo auch immer, wann auch immer, als Auftritt erkenne, als meinen eigenen Auftritt auf der Bühne des Lebens. Dann weiß ich, dass ich auch anders sein könnte, und wenn mein Auftritt nicht die erwünschte soziale Resonanz erzeugt, kann ich ihn ändern. Ich kann ja auch anders! Ich komme nur so selten dazu. Bin ich dabei unecht? Nein, denn Echtheit ist nicht dasselbe wie die Hilflosigkeit des Nicht-anders-Könnens. Echt sein, authentisch sein, wahrhaftig heißt, dem sozialen Resonanzkörper –, sei es ein Partner, Kind, Kollege,

was ich im Leben versuche, gelingt mir nicht«

mischer. Dann ist dieses Kribbeln in meinen Gliedern da, dieser Thrill des Daseins – lebendig zu sein, frei, ungezwungen. Und ich finde mich dabei immer ein bisschen komisch. Ich gehe dabei mit dem, der ich bin, spielerisch um, das macht es leicht. Beim tragischen Auftritt hingegen fehlt das Spielerische, das macht es schwer. Durch die Zuweisung der Schuld bzw. Ursache nach draußen, an Stellen, die man nicht ändern, oft nicht einmal beeinflussen kann, macht man sich zum Opfer und leidet dann noch mehr als sowieso schon. Das Leben ist dann Schicksal, es ist mir geschickt worden, ich kann es nicht ändern, ach … wie tragisch.

Entscheidungsfreiheit Um nicht falsch verstanden zu werden: Ich möchte hiermit niemanden beeinflussen, das Anliegen dieser Darstellung ist reiner Selbstzweck. Möge sich als tragisch empfinden, wer das will. Möge sich oder mich als komisch empfinden, wer das will. Ich plädiere hier nur für die Entscheidungsfreiheit, sich so oder so darzustellen, sei es als tragisch oder als komisch. Freiheit geht mir über … äh, fast alles. Die reine Ursachenzuweisung nach innen, wie die Spiris sie mögen, ist nicht so mein Ding, das finde ich einseitig. In manchen Situationen ist es wirklich angemessen, von Schuld zu sprechen und zum Beispiel zu sagen, dass ein Mensch einem anderen dies oder das angetan hat, und für das Opfer ist das dann tragisch.

Die Freiheit des Narren Wenn das Opfer sich bei einem Angriff auf seine Souveränität aber der Freiheit bewusst wird, sich selbst auch als Figur zu verstehen, die innerhalb des von der Außenwelt gegebenen Rahmens Spielräume hat – Räume zum Spielen, um auch mal eine andere Hal-

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ner Umgebung annehmen, er kann zu dem werden, was von ihm erwartet wird, und dann doch blitzschnell umschwenken und wieder ein anderer sein. Deshalb wurden Gaukler, Narren, Schauspieler und Clowns seit je für gefährlich gehalten und galten in früheren Zeiten und Kulturen nicht als seriöse Bürger der Gesellschaft.

Die Weltkarriere des Smileys Heutzutage wird das Flimmern der Identität akzeptiert, teils sogar gepriesen. Lachen zu können und viel zu lachen gilt als gut und gesund. Lachyoga hat sich über die ganze Welt ausgebreitet, und der Smiley ist zum universellen Symbol geworden, das inzwischen sogar häufiger verwendet wird als das Herz, dieses rot gefärbte Symbol mit diesen zwei schönen, runden Wölbungen, das, wie Leser der Connection-Tantra-Hefte wissen, einen ganz heißen sexuellen Ursprung hat, den ich hier im Connection Spirit nicht verraten darf. Und wenn nun das indische Namasté (»Ich grüße das Göttliche in dir«) oder das süddeutsch-österreichische »Grüß Gott« sich ebenso weltweit ausbreitet, dürfte der Erleuchtung der planetarischen Zivilisation eigentlich nichts mehr im Weg stehen.

Lachen ist nicht generell gut Halt, stopp, nicht ganz so! Denn das mit dem Lachen hat noch eine dunkle Ecke. Lachen und Lachyoga gelten generell als gesund und sogar gut. Es kommt dabei aber auf die Einstellung an, meine ich und sage dies ganz unmissionarisch aus Gründen des reinen Selbstzwecks. Es kommt auf die Haltung an, wem oder was gegenüber man lacht, und worüber. Lachen ist ein mächtiger Baumeister sozialer Strukturen. Es grenzt die aus, die nicht zur Gruppe der gemeinsam Lachenden gehören, vor allem dann, wenn über

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ERNSTHAFT KOMISCH

Mystische Orte der Kraft in Franken entdecken

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sie gelacht wird, und es bindet die aneinander, die gemeinsam lachen. Es schafft also in den Gesellschaften soziale Einheiten, sowas wie in der Biologie die Zellmembranen, die ja Grenzen setzen zwischen außen und innen und vielzelliges Leben dadurch erst ermöglichen. Lachen ist nicht generell gut, sondern wir müssen da genauer sein, achtsamer und immer auch auf das Objekt des Lachens achten und auf unsere Fähigkeit, dieses Objekt variieren zu können, bis hin zu der von den Lachyogis angestrebten Fähigkeit grundlos zu lachen.

Subjektivität Nun noch ein paar Worte zu mir selbst, der mir hier die Ehre zuteil wird, in der historisch letzten Ausgabe von Connection als Experte zum Thema Tragik und Komik zu sprechen. Als Rainer Selbstzweck habe ich mich aus einer anderen Persönlichkeit herausge-

(Anatta) oder der zu Lebzeiten immer nur annäherbaren Erleuchtung meinten. Alles klar? Vom Standpunkt des reinen Selbstzwecks aus gesehen, müsste das eigentlich klar sein.

Das träge Ich Und damit ist es auch komisch und zugleich tragisch. Komisch ist es, weil die Ich-Konstruktion wandelbar ist, und tragisch, weil wir nie völlig vergangenheitslos, spontan, perfekt adäquat einer Situation hingegeben sind, sondern wir sind immer beheimatet in einer Ich-Struktur mit suboptimaler Flexibilität, sagen wir ruhig: mit einer gewissen Trägheit. Und was nicht perfekt flexibel ist, chamäleonartig anpassbar, das muss sterben, immer wieder sterben. Tragisch, oder? Deshalb haben die Buddhisten so ein Ding mit der Anhaftung, und ihr Guru, der Buddha, hat das Leben zum Leiden erklärt.

Und das ist es auch schon, was die Großen, die Heiligen und die Weisen mit dem Selbst, dem Zeugen und dem Nicht-Ich meinten

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IVITA

Wolfgang Körner & Wolfram Murr (Fotografie)

Kraftplätze in Franken Geomantischer Guide zu energetischen Orten Vivitaverlag 2015, 8-seitige Klappenbroschur, 296 Seiten, durchgehend vierfarbig, € 27,90 (ab 12/15 erhältlich), ISBN 978-3-945181-10-2

Geomantischer Guide zu energetischen Orten kraftorteinfranken.de

Anatta »Sei doch mal ein bisschen objektiver!« Warum wollen Menschen nur immer und immer wieder objektiv sein? Ich bin mit meiner Subjektivität zufrieden. Dass ich »da draußen« Objekte wahrnehme, mal mehr, mal weniger realistisch, das ist doch eh klar. Die Perspektive ist dabei das Entscheidende, und dass der Standpunkt, auf dem ich stehe, während ich in die Welt hinausschaue, die Fläche, von der aus ich da schaue, dass die eine Addition oder gar Fusion aller meiner blinden Flecken ist. Möge diese Fläche optimal klein sein und als mich selbst erkennender Mensch gegen Null gehen! Und das ist es auch schon, was die Großen, Heiligen und Weisen aller Zeiten und Kulturen mit dem Selbst, dem Zeugen, dem Nicht-Ich

Es ist nur die Trägheit der Ich-Konstruktion, die das Leben zum Leiden macht.

Werde komisch! Damit bin ich auch schon beim Fazit dieses genialen Artikels angekommen: Werde komisch! Das flexibilisiert die Ich-Konstruktion, deine Ich-Konstruktion, und macht dein Leben damit leidfreier. Dass ein Ritzer in der Haut oder ein entzündeter Zahn dann immer noch weh tut, dem lässt sich mit diesem Trick nicht beikommen. Es hört dann jedwedes psychische Leiden auf, das ja daraus resultiert, dass irgendwer dich für einen anderen hält, als du denkst, dass du bist. Oder dass irgendeine Situation von dir etwas anderes zu fordern scheint, als du denkst, dass du, als Held deines Lebens, leisten kannst oder leisten solltest. Wenn solches Leiden wegfällt, das ist schon eine ganze Menge, finde ich. Die Zahnschmerzen lassen sich dann, in einer Art rainen Betrachtung derselben, viel leichter ertragen.

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VIVITAVERLAG.DE

schält, ich habe mich gehäutet. Namen von Rudeltieren oder sowas wie »wohl gegangen« empfinde ich für mich inzwischen als sehr einschränkend und insofern nicht mehr angemessen. Wir Menschen sind doch Identitätsreisende, wir entwickeln uns! Als solcher bin ich nun ganz bei mir selbst angekommen, als reiner … äh, Rainer Selbstzweck. Ich habe verstanden, dass ich die Mitte des Universums bin – du übrigens auch! Jeder von euch. Und all meine Liebe und Hinwendung zu den Menschen und Tieren, zur ganzen Umwelt, resultiert aus dieser Subjektivität.

RAINER SELBSTZWECK, Jg. 52, Studium des Lebens und der menschlichen Eigenarten, ScharlatanMeister (10. Dan, Schwarzgürtel), Cardio-SakralPractitioner und Initiat in den Pseu-Weg (koreanisch pseudo), info@connection.de

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ERNSTHAFT KOMISCH

Der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Wortes Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt Friedrich von Schiller, 1795 (in »Briefe über die ästhetische Erziehung des Menschen«)

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ERNSTHAFT KOMISCH

Warum Lachen göttlich ist Eine tiefschürfende Erörterung des kosmischen Bewusstseins Ernsthaft und komisch, das sind für uns Sterbliche zwei Gegensätze. Für die weise Narafin ist das nicht so. Sie versteht, dass sich das Leben in fünf Dimensionen erfassen lässt VON SABRINA MANSOURI

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ntweder ernsthaft oder komisch? Wie ist es denn nun, unser Leben, unser Sein? Meistens ernsthaft, wird sich der eine oder andere vielleicht an dieser Stelle eingestehen und sich fragen: Kann es denn auch überwiegend komisch sein? Schnell eilt nun der Verstand herbei und erklärt uns bereitwillig: Auf jeden Fall liegt im Ernsthaften mehr Kontrolle, mehr Sicherheit. Das Komische ist doch eher unberechenbar, ungewiss. Und so verbinden wir die Worte miteinander, geben ihnen Bedeutung und Sinn und glauben nun, dass ernsthaft sicher ist und komisch ungewiss – und vergessen dabei, dass wir es waren, die ihnen diese Bedeutung gaben, und dass wir sie jederzeit wieder aufheben könnten. Und verlieren uns schließlich ganz und gar in diesem Narrenspiel mit uns selbst. Und im Himmel währenddessen, da sitzen sie und lachen sich krumm und schief über uns. Aber was wissen die da oben denn, das ihnen

das Tor zum lachenden Erwachen öffnet, während unseres noch fest verschlossen ist? Ich werde es euch verraten! Woher ich das weiß? Ich traf einmal eine von den Lachenden dort oben hier auf Erden. Sie hat es mir verraten, auf dass das Wissen auch uns hier unten zumindest ein Stück weit aus unserem Leiden befreien möge. Bist du bereit für das kosmische Bewusstsein? Hier ist es, das fünfdimensionale Bewusstsein der Götter! 5. Dimension Es ist nicht. Darum ist ES.

1. Dimension entweder

3. Dimension sowohl als auch

2. Dimension oder

4. Dimension weder noch

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ERNSTHAFT KOMISCH

SATIRE

DIE NACHTEILE DES ERLEUCHTET-SEINS

Es geht immer um nichts Zum Beispiel kam ich gestern aus dem Keller hoch, da hörte ich aus dem Wohnzimmer meine Jungs singen: »Es schneit, es schneit, … « – »Na?«, sagte da meine innere Stimme, »schneit doch gar nicht! Geh lieber mal nachschauen!« Doch es schneite wirklich und das nicht nur ein bisschen. Frau Holle meinte es gut. Frau Holle hieß in diesem Fall Joke, und der hatte diesen Puderzuckerstreubehälter eines bekannten Haushaltswarenherstellers in der Hand. Gerade wollte ich zum großen Donnerwetter ausholen, da erblickte mich mein ältester Sohn und änderte kurzerhand den Song in:

Die Dimension des Friedens Die erste Dimension heißt entweder, die zweite oder. Bis hierhin kennen wir uns aus, denn das ist unsere Welt der Wahrnehmung von: Entweder ist es ernsthaft, oder es ist komisch. Entweder der Apfel schmeckt, oder er schmeckt nicht. Die dritte Dimension heißt sowohl als auch. Sie schafft Unglaubliches, denn sie vereint die Gegensätze zu einer neuen übergeordneten Wahrheit: Sowohl kann man nun sagen, dass mein Leben ernsthaft ist, als auch, dass es komisch ist. Sowohl kann ich sagen, dass der Apfel schmeckt, als auch, dass er nicht schmeckt. Leben wir noch in der Dimension von entweder oder, also in der Welt von Krieg und Rechthaberei, innen wie außen, so katapultiert uns die Einsicht sowohl als auch bereits in die Dimension des Friedens.

Die Dimension der Freiheit Erkennen wir nun zusätzlich noch, dass es keine Rolle spielt, ob der Apfel schmeckt oder nicht schmeckt. Dass unser Leben weder ernst noch komisch ist, weil es auf einmal sinnlos wird, Dingen Bedeutung zu geben, dann sind wir schon da: in der vierten

»Es geht immer um nichts, kannst du’s sehen?« Peng, ausgebremst! Aber ganz auf der Nase rumtanzen lasse ich mir nun doch nicht. Ich hab daraufhin den Fernseher genommen und ihn aus dem Fenster geschmissen. Und gesungen hab ich dabei natürlich auch: »Es geht immer um nichts, könnt ihr’s sehen?« Seitdem ist Ruhe. Zu wissen, dass es immer um nichts geht, ist halt nicht immer leicht zu ertragen.

… und wir wissen nichts Auch der Entglaube vom Glauben, der mit dem Erleuchtetsein einhergeht, bringt manche Tücke mit sich. So kam neulich mein Sohn mit der Aufgabe zu mir, zu recherchieren, wie der Mensch entstanden ist. Das haben wir auch gemacht, nur so richtig glauben konnten wir halt keine der Theorien. Also war unser Fazit: Ich weiß nicht. Ein Smiley mit Mundwinkel nach unten war der Kommentar des Lehrers dazu. »Mein lieber Sohn«, hab ich da zu meinem recht sensiblen Sohnemann gesagt, »dein Lehrer konnte die Genialität der Aussage einfach nicht erfassen. Doch wir wissen, dass auch er nichts weiß. Dieser Schnösel von Pauker existiert nicht einmal!« Das hat mein Sohn auch so weitergegeben. Die Genialität dieser Aussage hat der Lehrer dann aber ebenfalls nicht verstanden. Deshalb: Gebt acht, wenn ihr einen Erleuchteten trefft! Eure Narafin

Dimension des Bewusstseins! In der von weder noch, der Dimension der Freiheit. Wichtig aber ist, diese Dimension nicht mit der Ebene von alles egal zu verwechseln!!! Denn dieser vierten Dimension liegt die tiefere Erkenntnis zugrunde, dass man weder sagen kann »Es ist«, noch sagen kann »Es ist nicht«. Und das ist alles andere als egal!

Es ist nicht, darum ist ES Bleibt nun noch der Quantensprung unserer Bewusstseinsentwicklung hinein in die fünfte Dimension des humorvollen, paradoxen, kosmischen Bewusstseins von: Es ist nicht, darum ist es! Oder, anders gesagt: Es gibt nichts, was exis tiert, außer der Existenz! Hier endet die Reise – zumindest für unseren Verstand. Für jene, die den Witz über ihr Sein, ihr Leben, das Ernsthaftsein und das Komischsein und über Äpfel entdecken wollen, geht es hier jedoch erst richtig los! Denn dieses humorvolle, paradoxe, komische Bewusstsein springt permanent im Fünfzack. Es schöpft Alles aus dem Nichts und führt es im Handumdrehen wieder dorthin zurück. Es führt sich selbst immer wieder ad absurdum.

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Unser Verstand, zu Hause im zweidimensionalen Denken, kommt da nicht mit. Träfen wir tatsächlich einen Erwachten in der fünften Dimension, so könnten wir seine Genialität nicht einmal erfassen. Aber vermutlich würden wir es uns dann leicht machen und einfach sagen: Der ist doch verrückt! Und wir würden uns selbst glauben. Doch die gute Nachricht ist: Man kann sein Bewusstsein tatsächlich trainieren. Das Denken in Paradoxien ist das Geistestraining, das unserem meist eher ernsthaften Leben humorvoll auf die Sprünge hilft und uns das Tor zum lachenden Erwachen öffnet. Also worauf wartet ihr? Eure Narafin

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FLICKR.COM © MATTHEW GRAPENGIESSER

Erleuchtet-Sein ist schon eine schöne Sache. Es bedeutet, von 60% des Leidens befreit und dem ewigen Rad der Wiedergeburt entkommen zu sein. Zumindest, wenn man das lachende Erwachen über Gut & Böse erreicht hat. Doch es bringt in der dualen Welt, in der man trotzdem weiterhin lebt, auch so einige Nachteile mit sich. Ein Nachteil ist, dass man oft falsch verstanden wird. Insbesondere, was man humorvoll meint, wird oft ernst genommen, während über das Ernstgemeinte gelacht wird. Ein weiterer Nachteil ist, dass man keine großen Dramen mehr drehen kann, weil man weiß, es geht immer um nichts. Das hört sich jetzt nicht so dramatisch an, aber im Alltag ist es manchmal echt hinderlich.

SABRINA MANSOURI, Jg. 84, Butterfly von Ava tara Devi († 2010), erbte die heilige Narrenkappe ihrer »Divine Mother«. Diese Erbschaft tritt sie nun in Dankbarkeit & Liebe an, mit dem Ziel, Menschen über die Ernsthaftigkeit des Lebens hinauszuführen. gehbewusst@web.de

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In uns wohnen viele Ichs und jedes spricht eine andere Sprache

erst durch die Begriffe unserer Sprachen entstehen unsere partikularisierten Weltbilder in ihren gängigen ausprägungen, und jeder Sprache entspricht ein anderes Bild von der Welt und andere Sprecherpersönlichkeiten. daniel Krasa hat sich schon als Kind auf solche abenteuerreisen in andere Weltbilder und ich-persönlichkeiten begeben. Wolf Schneider traf diesen so lustvoll vielsprachigen menschen auf der Buchmesse am Stand eines Sprachlerninstitutes und wurde neugierig, wie es ist, eine so vielfältig schillernde persönlichkeit zu sein Wolf Schneider im GeSpräch mit dem multilinGualen SprachforScher daniel KraSa

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allo Daniel, wie kommt es, dass du so viele Sprachen sprichst? Sprache war für mich schon als Kind wichtig. An einen Moment, an dem diese Leidenschaft ausgelöst wurde, kann ich mich nicht erinnern. In meinem Elternhaus wurde ausschließlich Hochdeutsch gesprochen, in meinem Umfeld habe ich aber verschiedene Sprachen und Mundarten gehört. So habe ich sehr früh angefangen, die Nuancen zwischen Hochsprache und Dialekt zu unterscheiden, und es gab immer wieder Momente, wo die Fremdsprachenkenntnisse von erwachsenen Freunden und Familienmitgliedern mich sehr beeindruckt haben. Ich habe mich wohl bereits damals in meiner kindlichen Art unterbewusst dafür entschieden, dass auch ich in Zukunft mit Menschen aus anderen Ländern in deren Idiom kommunizieren möchte. In der Schule war meine erste Fremdsprache Französisch, dann Englisch. Mit etwa 13 fing ich an, mich für orientalische Sprachen zu interessieren. Zuerst auf eigene Faust, dann mit Unterstützung von muttersprachlichen Privatlehrern begann ich Türkisch und Arabisch zu lernen. Dann kam Spanisch dazu, das ich daraufhin – genau wie Russisch – auch in der Schule gelernt habe. Damit hatte ich eine Basis, die mir auf der einen Seite das Erlernen vieler weiterer Sprachen sehr erleichterte, an dererseits ermöglichte es mir den Blick auf die Welt von einer sehr speziellen Warte aus. Nach Abschluss meiner Schullaufbahn verfeinerte ich diesen Blick durch Aufenthalte im Ausland und beschäftigte mich dabei mit einigen weiteren Sprachen. Einige der Sprachen, die ich »vor Ort« gelernt habe, sind sehr tief in meinem Gedächtnis verwurzelt; auch bei längerer Nicht-Anwendung verlerne ich sie nie. Es waren auch diese Auslandsaufenthalte, die mich immer wieder darin bestätigt haben, meine Berufung »Sprachen« zu meinem Beruf zu machen. So paradox es auch klingen mag: Sprachenlernen kann abhängig machen! Dieser Abhängigkeit bin ich definitiv verfallen …

FOTOS: © DANIEL KRASA

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Es gibt schlimmere Obsessionen als diese … du bleibst dabei ja weltoffen, neugierig und beweglich. Kürzlich habe ich gelesen, dass Multilingualität (Mehrsprachigkeit) die Demenz um viele Jahre hinauszögert. Bei vier Sprachen fließend angeblich um neun Jahre. Demnach müsstest du mit ungefähr 150 Jahren noch geistig ziemlich fit sein! So kann man es natürlich auch sehen. Doch ehrlich gesagt tun mir jetzt schon diejenigen leid, die sich mal um mich kümmern müssen. Denn sollte ich anfangen, die verschiedenen Sprachen durcheinanderzubringen, bräuchte es ja eine Heerschar von Krankenschwes tern aus verschiedensten Ländern, um zu wissen, ob ich Kamillen- oder Pfefferminztee möchte. Spaß beiseite! Sprachen sind – wie vieles andere natürlich auch – ei-

ne großartige Möglichkeit, um geistig fit zu bleiben. Was habe ich gerade gesagt? (lacht) … vielleicht ist ja auch der Humor etwas, das durch die Vielsprachigkeit gefördert wird. Und was mich daran auch noch sehr interessiert, sogar noch mehr als wie alt ich damit werden kann, ist der Wechsel der Persönlichkeit beim Wechseln von einer Sprache in eine andere. Wenn du in ein anderes Sprachuniversum eintauchst, nimmst du mit den Begriffen und Idiomen ja auch die Gefühlswelt dieser Kultur auf und wirst so gewissermaßen ein anderer. Ja, absolut! Das fasziniert auch mich extrem. Jede Sprache, mit der ich mich beschäftigt habe, habe ich am liebsten im Land selber gelernt. Das führt unweigerlich dazu, dass man Nuancen der Art und Weise annimmt, wie die Muttersprachler miteinander umgehen und kommunizieren. Man macht sie nach und merkt dabei, dass man damit sogar besser verstanden wird, denn jede Sprache spiegelt ja eine gewisse kulturelle Einheit wider, die sich natürlich durch ganz verschiedene Dinge auszeichnet. Beim Sprachenlernen wird oft gefragt, was denn wichtiger sei, die Grammatik oder die

Mit jeder Sprache entsteht auch ein neues »Ich«. Anfangs schauspielert man vielleicht noch, doch bald wird das neue Ich zur echten zweiten, dritten, vierten Persönlichkeit

Aussprache. Die Antwort ist einfach: Es ist die Aussprache! Denn selbst wenn ich sage »Ich gehen zur Krankenhaus«, versteht jeder, was ich meine. Spreche ich hingegen un deutlich, versteht mich keiner, auch wenn ich dabei grammatikalisch korrekt bin. Doch auch der kulturelle Rahmen, die Mentalität der Sprecher und deren Gestik und Mimik spielen eine enorme Rolle dabei, wie gut man verstanden wird. Bei einigen ost- und südost asiatischen Sprachen ist das sogar eine der Voraussetzungen, um überhaupt verstanden zu werden. Insofern stimmt es, dass mit jeder Sprache auch ein neues »Ich« entsteht. Anfangs schauspielert man vielleicht noch,

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doch je mehr Kontakt man in der jeweiligen Sprache hat, desto mehr wird das neue Ich zur echten zweiten, dritten, vierten Persönlichkeit. Demnach musst du eine sehr vielfältig schillernde Persönlichkeit sein! Was zu meiner nächsten Frage führt: In welcher oder welchen Sprachen schillerst du am liebsten? Hast du in sprachlicher Hinsicht ein Heimat-Ich, in dem du dich am wohls ten fühlst? Oder beflügelt dich vor allem der Wechsel, die Lust daran, manchmal »ein anderer« zu sein? Du kannst ja, wenn du Heimweh bekommst, immer zurückkehren in dein UrsprungsIch, die Sprache deiner Herkunft, deine Muttersprache – falls die es ist, die deiner Persönlichkeit am meisten entspricht. Jede Sprache, die ich lerne oder mit der ich mich beschäftige, hat eine gewisse Leidenschaft in mir ausgelöst und mich bereichert. Insofern kann ich nicht sagen, dass ich in einer bestimmten Sprache mehr »ich selbst« bin als in einer anderen, denn es ist ja im Umkehrschluss eher so, dass mein »ich selbst« mit jeder Sprache neue Formen annimmt. Eine Fremdsprache zu erlernen – speziell wenn man dies in unmittelbarer Nähe zu Muttersprachlern tut – führt unweigerlich dazu, dass man seine Persönlichkeit erweitert. Ich bin in verschiedenen Sprachen eine andere Person, sprich, ich habe eine andere Mimik, Körpersprache, einen anderen Tonfall, aber auch eine andere Art mich auszudrü cken. So gibt es in bestimmten Kulturkreisen rein sprachlich andere Gesetzmäßigkeiten; etwas, das in der einen Sprache frech, anmaßend oder gar unhöflich klingt, ist dies in einer anderen Sprache vielleicht überhaupt nicht. Daher würde ich eher sagen, dass ich für jede Sprache auch ein bisschen in eine andere Rolle schlüpfe, mich aber in all diesen Rollen wohlfühle, da sie ja Teil meiner selbst sind. Natürlich hängt der Grad des Wohlfühlens von der Sprachkompetenz ab. So fühle ich mich in meiner Muttersprache mehr »zuhause« als beispielsweise auf Ungarisch, das ich gerade lerne. Doch habe ich verstanden, dass alle diese Rollen mittlerweile zu mir gehören, und das heißt paradoxerweise sogar, dass auch meine Muttersprache nicht mehr unweigerlich die ist, in der ich wirklich und ausschließlich ich selbst bin. Wir sind eben vielfältig. Nicht nur schizophren, in zwei gespalten, sondern polyphren, wir sind viele. Das gilt für alle Menschen, auch die nur einsprachigen, meine ich, aber die Multilingualen haben den Vorteil, mit jeder weiteren Sprache den ihr entsprechenden Persönlichkeitsanteil auf kommunikative, interaktive Weise erweitern und ausdehnen zu können, und sie haben dabei gleich eine Community, in der sie das praktizieren können!

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Jetzt habe ich noch eine Frage zu dem Wechsel zwischen Sprachen, den du beim Übersetzen, insbesondere beim Dolmetschen erlebst. Man sagt ja, das Wesentliche an der Musik sei die Stille zwischen den Tönen. Vielleicht ist es auch beim Wechsel der Persönlichkeit von einer Sprache in die andere so, dass wir dabei ein Niemandsland durchlaufen. Einen Raum, in dem wir niemand sind, charakterlos, und erst wenn wir mit dem übersetzten Wort oder Satz in der anderen Sprache wieder auftauchen, sind wir wieder jemand – eben jener Jemand, der unserer Persönlichkeit in dieser Sprache entspricht. Erlebst du das auch so? Ja, doch muss ich dazu nochmals wiederholen, dass ich mich in all meinen Persönlichkeiten wohlfühle, also nicht bemüht bin, aus einer in eine andere zu kommen. Dennoch gibt es sicher Teile in mir, die stärker sind als andere. Das macht sich auch dann bemerkbar, wenn ich zwei oder mehrere Sprachen parallel spreche. So kann der »aufbrausende Italiener« mit den fuchtelnden Händen durchaus auch noch zwei Sätze später im Englischen sehr präsent sein. Das Niemandsland, das du benennst, kenne ich zwar, nehme es aber nicht so aktiv wahr, da ich ja die Persönlichkeiten verinnerlicht habe und sie Teil von mir sind, ich also entsprechend – anders als vielleicht ein Schauspieler, der in einem Ein-Mann-Stück mehrere Rollen

POLYGLOTT »polyglott« (von griech. poly, viele, und glotta, Zunge, Sprache) heißt dasselbe wie multilingual (von lat. multi, viele, und lingua, Zunge, Sprache). daniel Krasas hauptinteresse gilt den nordindischen und semitischen Sprachen. Während seiner Studien in indien und Jordanien hat er sich vorrangig auf arabisch, hindi, urdu und marathi spezialisiert.

Selbst wenn ich nicht rede, so denke ich doch auch immer wieder in Fremdsprachen.

daneben spricht er englisch, französisch, Spanisch, italienisch, portugiesisch, russisch, hebräisch, türkisch, hochchinesisch, thai, indonesisch/malaiisch und manche weitere Sprache. derzeit befasst er sich u. a. mit ungarisch, Serbisch und Zulu. Von ihm sind viele Sprachlehrbücher und reiseführer erschienen.

Ich träume darin, schimpfe im Auto und mache mir sogar beim Einkaufen Notizen auf Hindi, Portugiesisch oder Arabisch

spielt – nicht innehalten muss, um mir die kommende »Rolle« wieder einzuverleiben. Doch bin ich auch kein Dolmetscher, oder das nur sporadisch und dann eher auf einer semiprofessionellen Ebene. Somit sind die Situationen, in denen ich mehrgleisig Sprachen benutze, eher selten und daher auch

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die Momente zwischen zwei Idiomen nicht so präsent. Interessanterweise bin ich ohne Sprachen nicht ich. Selbst wenn ich nicht rede, so denke ich doch auch immer wieder in Fremdsprachen, träume darin, schimpfe im Auto und mache mir sogar beim Einkaufen Notizen in verschiedenen Sprachen, eben weil mir das ein oder andere gerade zum Beispiel auf Hindi, Portugiesisch oder Arabisch einfällt. Lustig: innere Dialoge und Einkaufsnotizen auf Hindi und Arabisch! Weniger stark und mehr im Europäischen kenne ich das auch. Da ich viele Therapiegruppen erlebt habe, in denen sehr emotional auf Englisch interagiert wurde, kommen mir in manchen emotional geladenen zwischen menschlichen Situationen eher englische Sentenzen in den Sinn. Früher waren es auch öfters

französische – als Jugendlicher war das für mich eine Flucht- und Exilsprache. Ich möchte nochmal kurz bei dem Wechsel von einer Sprache in die andere bleiben, den ja auch Nicht-Dolmetscher erleben, und der auch beim Wechsel zwischen Dialekt und Hochsprache geschieht. Hast du den Eindruck, dass die Zwischenräume zwischen den Sprachpersönlichkeiten für dich präsenter oder spürbarer sind als für einen Einsprachigen? Sei es, weil du öfter wechselst oder durch die große Vielfalt dessen, »wer du bist«, sonst gar kein Zuhause hättest? Ich kann mir mich selbst natürlich gar nicht mehr als Einsprachigen denken. Doch genau wie du sagst, es gibt sowas wie Einsprachigkeit eigentlich sowieso nicht, denn wir sind ja alle mehrsprachig, sei es durch Hochsprache und Dialekt, aber auch durch die vielen Sprachregister (mündlich und schrift-

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Nun noch eine Frage zu Esperanto, einer Sprache, die Ende des 19. Jahrhunderts von dem Polen Ludwik Lejzer Zamenhof erfunden wurde. Er wollte durch diese Kunstsprache die Verständigung der Menschen der Welt untereinander erleichtern, ohne dass die weniger hegemonialen Sprachen der Welt der Dominanz einer Weltsprache nachgeben und diese mit allen ihren Schwächen unverändert übernehmen müssen. Esperanto setzt sich aus einem Vokabular zusammen, das vor allem den romanischen Sprachen entnommen ist, aber auch vielen germanischen und slawischen. Wurzeln außereuropäischer Sprachen kommen dort kaum vor, das entspricht der damaligen Dominanz der europäischen Länder, die den Rest der Welt weitgehend kolonialisiert hatten. Es basiert auf einer Grammatik, die versucht, sehr einfach zu sein, und die Schreibweise entspricht immer der Sprechweise. Beides sollte das Lernen erleichtern, ohne den Ausdrucksreichtum einzuschränken. Damals war Englisch noch nicht annähernd in dem Maße Weltsprache wie heute; Französisch, Spanisch, Deutsch, Russisch und andere Sprachen hatten großen Einfluss. Trotzdem konnte sich Esperanto nicht durchsetzen. Warum, glaubst du, gelang das nicht? Der Anspruch von Esperanto war, eine Verständigung der Weltbürger untereinander zu erreichen, ohne sich der Dominanz der mächtigsten Sprache unterwerfen zu müssen. Heute gibt es

Versuche, Weltfrieden zu erreichen durch Einigung auf eine allgemein akzeptierte (religiöse oder profane) Kultur, ohne sich dabei der Kultur unterwerfen zu müssen, die aus wirtschaftlichen Gründen die mächtigste ist, obwohl ethische Gründe für eine andere Art der Kultur sprechen würden. Siehst du hier eine Parallele zu der Hoffnung, die Esperanto damals auslöste? Ob Esperanto ein Erfolg war oder nicht, lässt sich nicht ohne Weiteres beantworten. Natürlich hatte es nicht den Erfolg, den sich Zamenhof gewünscht hatte, und es hat erst recht

Vielleicht kann der großartige Gedanke des Esperanto doch noch weitergedacht werden und eine wirkliche Weltsprache mit Einflüssen aller Sprachfamilien bilden

nicht die ehemaligen Kolonialsprachen als überregionale Verkehrssprachen ersetzen können. Doch bis heute erfreut sich die Sprache aktiver Sprecher, darunter mittlerweile sogar einiger, die Esperanto als Muttersprache sprechen. Und der Spirit lebt in den Gruppen, ihren Foren und auf ihren Konferenzen weiter. Zamenhofs Ambition, dass Esperanto die neue, neutrale Weltsprache werden könnte, die hat sich nicht verwirklicht. Dies hat wohl mehrere Gründe. Esperanto entstand in einer Zeit, in der weltweit ein Trend zum Nationalismus herrschte. Zamenhof starb 1917, also noch während des Ersten Weltkriegs. Sein Leben war geprägt von Konflikten zwischen den Großmächten, aber auch von den Ideen der Herausbildung neuer Nationalstaaten, die damit zu tun hatten, ihre eigene Identität (auch oder vor allem sprachlich) zu kreieren. In dieser düsteren Periode der Europäischen Geschichte an Völkerverbindung und überregionale Verständigung zu denken, war eine unglaubliche Pionierarbeit. Ich glaube, sie kam einfach zu spät. Die Bereitschaft für ein gemeinsames Kommunikationsmittel war damals fast ausnahmslos in intellektuellen Kreisen Europas

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vorhanden. Die Regierungen der Groß mächte hingegen, aber auch die der Staaten, die zum Beispiel durch das Auseinanderbrechen Österreich-Ungarns oder des Osmanischen Reiches entstanden und durch die Neubildung des Balkan – die predigten Abgrenzung und Nationalismus. Und auch in den anderen Kontinenten entstand damals gerade das Aufbegehren gegen die Kolonialmächte und damit auch das Besinnen auf eine eigene, nicht-europäische Kultur. Man bemühte sich, einheimische Sprachen wie Arabisch, Hindustani, Chinesisch und andere als bindendes Element im Widerstand gegen die fremden Herrscher einzusetzen. Und wie du schon sagtest: Esperanto ist leider doch noch sehr europäisch in seinem System und Wortschatz. Als letzter Faktor kommt wohl noch dazu, dass Zamenhof Jude war und aus Polen kam, das damals zum Russischen Reich gehörte. Er hatte schon deshalb nicht den Rückhalt von offizieller Seite, was seine Arbeit unterstützt hätte. Zwar gab es bereits um 1900 Vereine und Konferenzen, die Esperanto im großen Stil propagierten, doch die staatliche Anerkennung blieb aus. Ich habe mich mit sehr vielen Sprachen befasst und bin ein großer Fan ost- und südostasiatischer Idiome wie Indonesisch-Malaiisch oder Thai und Hochchinesisch, denn diese Sprachen sind in ihrem Aufbau und in ihrer Grammatik extrem einfach, viel einfacher als Esperanto. Wobei z.B. Thai und Hochchinesisch zwar von der Grammatik her einfach sind, von der Aussprache und den Schriftsystemen her aber nicht. Vielleicht kann der großartige Gedanke des Esperanto ja doch noch weitergedacht werden und auf lange Zeit eine wirkliche Weltsprache mit Einflüssen aller Sprachfamilien bilden. Diese Idee ist in meinen Augen auf jeden Fall schöner, als dass wir bald alle nur noch durch Übersetzungs-Apps miteinander kommunizieren.

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lich), derer wir uns ständig bedienen, z. B. im Gespräch mit einem Freund in der Bar oder auf einem Vortrag vor illustrer Runde, bei schnell mal getippter WhatsApp-Nachricht oder einem Bewerbungsanschreiben. Dennoch bin ich wahrscheinlich häufiger in der Situation dieses Switchens, möglicherweise auch intensiver als viele andere, da sich die Aura einer jeden Sprache doch enorm von denen der anderen Sprachen unterscheidet. Ich nehme die Zwischenräume wahrscheinlich v. a. unterbewusst wahr. Klar bleibe ich manchmal in einer Persönlichkeit »hängen«, bevor ich zur nächsten komme. Was da genau im Gehirn passiert, kann ich nicht sagen, doch es fühlt sich für mich so an, als hätte ich einen Schubladenschrank, bei dem eine Schublade geschlossen werden muss, bevor ich die nächste öffne. Mit einer Sprache, die ich lange nicht gesprochen habe, ist es dann so, als würde ich eine Schublade, die ich schon fast vergessen hatte und die inzwischen ein bisschen verstaubt ist, wieder einmal öffnen. Wenn ich dann anfange darin zu suchen und zu stöbern, fällt mir alles wieder ein, und so kommt dann auch die entsprechende Sprachfähigkeit zurück. Der Impuls, die Schublade zu öffnen, kommt hier zum Beispiel durch ein spontanes Treffen mit einem Menschen, der mich in seiner Muttersprache anspricht. Dann bleibe ich manchmal erst einmal hängen und muss mich sammeln, ehe ich ihm antworten kann.

Connection Spirit 9–10/2015 befasst sich in einem 36 Seiten langen Schwerpunkt damit, »Wie Sprache Welten erschafft«. das heft ist noch erhältlich, sowohl als print wie als pdf, und kostet 9 €. Zu bestellen über vertrieb@connection.de.

daniel KraSa ist freiberuflicher autor von zahlreichen Konversations- und lehrbüchern zu diversen Sprachen, aber auch von reiseführern. er befasst sich mit über 30 Sprachen und spricht mehr als die hälfte davon fließend. dkrasa@hotmail.com

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